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Inhalt Vorwort Was den Aufschwung gefährden kann 3 Wirtschaftsausblick Die Rückkehr der Inflation 5 Währungstrategie Weitere Euro-Aufwertung in Sicht 9 Zinsstrategie Steigende Volatilität der Zinsen 11 Aktienstrategie Ein holpriger Anstieg liegt vor uns 15 Nachhaltigkeitsfokus Das CO2-Budget der Welt und was es für Anleger bedeutet 19 Asset Allocation Nachhaltige Erholung 22 Markt- und Prognoseübersicht 24 Kontakte 27
Vorwort Vorwort Was den Aufschwung gefährden kann Liebe Leserinnern und Leser Gemäss einer Studie der Universität Cambridge ist die Wirtschaftsaktivität massiv Wenn ich mich in diesem Jahr aus dem erneu- von der Natur abhängig. Über die Hälfte des ten Lockdown an Sie wende, ist eines schon globalen Bruttoinlandsprodukts, also insge- klar: es kann nur besser werden. Und tatsäch- samt 44 Billionen USD ist zum Teil oder in ho- lich, hat sich das Jahr 2021 angeschickt, an hem Masse von der Natur und ihren Ressour- allen Fronten positive Entwicklungen zu ent- cen abhängig. Landwirtschaft, Fischerei, Nah- falten. Die Impfkampagnen sind weltweit in rungsmittelindustrie, Holzverarbeitung, Bau- vollem Gange. Geld- und Fiskalpolitik federn sektor und Wasserkraft sind hochgradig expo- weiter die wirtschaftlichen Folgen ab. Die Indi- niert, inklusive der Lieferketten. katoren aus der Industrie zeigen einen zykli- schen Aufschwung an. Die Finanzmärkte set- Ein Bericht der UNO zeigt das Ausmass der zen zu einem Gipfelsturm an. Was sollte das Wertvernichtung. Während sich von 1992 bis Wachstum da noch gefährden können? 2014 der Wert des Realkapitals von Maschi- nen bis Gebäuden verdoppelt hat und die An- Auch wenn wir weiterhin optimistisch bleiben, zahl der Arbeitskräfte um 13% angestiegen ist, dass sich dieser Aufschwung fortsetzen sollte, hat der Wert des Naturkapitals um 40% abge- kann ein wenig Nachdenklichkeit nicht scha- nommen. Seit 1970 ist die Anzahl an Wirbel- den. Gerade rechtzeitig dazu hat die britische tieren um 60% gesunken. Von 1997 bis 2011 Regierung einen bahnbrechenden Bericht ver- gingen weltweit geschätzt bis zu 20 Billionen öffentlicht, der ein wichtiger Weckruf ist: den USD pro Jahr an Funktionen des Ökosystems „Dasgupta Review“, benannt nach seinem Au- verloren. Für Ökonomen ist klar, dass ein radi- tor, dem Wirtschaftsprofessor Partha Das- kales Umdenken notwendig ist, um das gupta. Es handelt sich um den bisher umfas- Wachstum auch langfristig zu unterstützen. sendsten Beitrag zur Debatte der Quellen des Für Investoren wird offensichtlich: ohne (Na- Wachstums und könnte ein Umdenken in der tur-)Kapital, keine nachhaltige Rendite. Volkswirtschaftslehre provozieren. Die Quellen des Wachstums werden nach tra- ditioneller Lesart den Produktionsfaktoren Ar- beit und Kapital zugeschrieben. Durch Kombi- nation dieser beiden Produktionsfaktoren und Effizienzsteigerungen durch fortwährenden technischen Fortschritt wird Wachstum erklärt und ein unbegrenzter Aufwärtstrend – abge- sehen von ein paar zyklischen Schwankungen – in Aussicht gestellt. Wie Professor Dasgupta jedoch ausführt, hat dieses Modell ein Prob- Herzlich, Ihr lem. Es übersieht einen wichtigen Produkti- onsfaktor, der zentral für die Erbringung von Wirtschaftsleistungen ist: die Natur oder im Dr. Jan Amrit Poser Ökonomen-Jargon: das „natürliche Kapital.“ Chief Strategist & Head Sustainability Global View | 3
Wirtschaftsausblick Wirtschaftsausblick Die Rückkehr der Inflation Dieses Jahr ist mit einem unsteten Inflationsverlauf zu rechnen. Die entscheidende Frage für Anleger wird lauten, ob sich in den nächsten Jahren ein Aufwärtstrend etablieren wird. Wir glau- ben ja, denn die enormen monetären und fiskalischen Unterstützungsmassnahmen dürften nur sehr allmählich zurückgefahren werden. Längerfristig dürften zudem strukturelle Faktoren wie die zunehmende Lebenserwartung eine grössere Rolle spielen. Nimmt der Inflationsdruck gegen Ende des Jahres zu, so könnten die Anleger die Bereitschaft der US-Notenbank (Fed), ihre äus- serst expansive Geldpolitik fortzuführen, allmählich in Frage stellen. Eine klare und stimmige Kommunikation seitens ihrer Mitglieder wird ausschlaggebend dafür sein, dass die realen Ren- diten nur allmählich ansteigen. Die Inflation rückt wieder in das Blickfeld der umfangreich ausfallen und etwa USD 1,5-1,7 Anleger. Die Rohstoffpreise sind in den ver- Billionen umfassen. Zusammen mit den im gangenen Monaten stark gestiegen, und die Rahmen des „Response and Relief Act“ bereit- sich abzeichnenden Engpässe in den Liefer- gestellten Hilfen in Höhe von USD 900 Mrd. ketten dürften die Erzeugerpreise in den kom- bedeutet dies, dass sich die fiskalische Unter- menden Monaten noch schneller in die Höhe stützung in diesem Jahr auf etwa 12% des BIP treiben. Allerdings deuten die jüngsten Äusse- belaufen wird. rungen von Janet Yellen und Jerome Powell darauf hin, dass die fiskal- und geldpolitische Offizielle Schätzungen des „Congressional Unterstützung vorerst weiter grosszügig aus- Budget Office“ implizieren, dass die Produkti- fallen wird. Nach Meinung der neuen US-Fi- onslücke – die Differenz zwischen dem, was nanzministerin sei „das Klügste, was wir jetzt die Wirtschaft zu produzieren in der Lage ist, tun können, mutig zu handeln“. Und nach An- und dem, was sie tatsächlich produziert – sicht des Fed-Vorsitzenden wird die Geldpoli- etwa 3% des BIP beträgt. Über die Fiskalpa- tik akkommodierend bleiben müssen. kete werden bis Ende September durch- schnittlich etwa USD 300 Mrd. pro Monat in Die Erzeugerpreise steigen an die Wirtschaft fliessen, dies bei einer ge- schätzten monatlichen Produktionslücke von USD 80 Mrd. Wenn also die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen das Angebot übersteigt, werden die Preise vermutlich stei- gen. Aber wie stark werden die Preise steigen? Und wie nachhaltig wird der Inflationsanstieg sein? Um diese Fragen zu beantworten, müs- sen wir zwischen kurzfristiger und längerfristi- ger Dynamik unterscheiden. Dieses Jahr dreht sich alles um Basiseffekte Quelle: Macrobond, J. Safra Sarasin, 19.02.2021 In den nächsten Monaten werden starke posi- tive Basiseffekte das Inflationsprofil der entwi- Im Kongress treiben die Demokraten den ckelten Volkswirtschaften prägen. Der deutli- „American Rescue Plan“ weiter voran. Das che Anstieg der Rohstoffpreise wird sich direkt letztendliche Paket wird wahrscheinlich sehr in der Gesamtinflation niederschlagen. In den Global View | 5
Wirtschaftsausblick USA dürfte die Energiekomponente im ersten nähert. Sicherlich besteht die Möglichkeit, Quartal etwa einen Prozentpunkt zur Teuerung dass die Inflation unsere Prognosen über- beitragen. Im Frühjahr werden dann auch die steigt, da bei einigen Waren und Dienstleis- Beiträge von Bereichen, die vor einem Jahr in- tungen starke Preiserhöhungen notwendig folge der Restriktionen hohe Preisabschläge sein könnten, um die Nachfrage mit dem ver- hinnehmen mussten, wie z.B. Flugticket- und fügbaren Angebot, das durch die Pandemie Hotelzimmerpreise, wieder positiv ausfallen. höchstwahrscheinlich abgenommen hat, in Einklang zu bringen. Dennoch dürfte sich die Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass die Teuerung in der zweiten Jahreshälfte ab- Nachfrage nach Dienstleistungen, die wir im schwächen, da diese Effekte dann aus den vergangenen Jahr nicht in Anspruch nehmen jährlichen Preisvergleichen herausfallen. konnten, mit der Wiederbelebung der Wirt- schaft kräftig anziehen und deren Preise in die Die zugrunde liegende Inflation dürfte stärker Höhe treiben wird. Der Konsum der einkom- steigen mensstarken Haushalte in den USA fällt im Die eigentliche Frage ist jedoch, ob es sich bei Vergleich zur Situation vor der Pandemie nach dieser Episode um eine einmalige Anpassung wie vor gedämpft aus, während die angesam- des Preisniveaus handelt oder ob wir uns auf melten überschüssigen Ersparnisse im Laufe einen nachhaltigeren Inflationsanstieg ein- dieses Jahres etwa USD 2 Billionen erreichen stellen sollten. Natürlich ist es naheliegend, könnten. Eine ähnliche Dynamik ist auch in nach einem Vierteljahrhundert gedämpfter In- anderen Industrieländern zu beobachten. flation zu behaupten, es bestehe kein Grund zur Sorge. Denn schliesslich ist die Arbeitslo- Basiseffekte erreichen im Mai ihre Spitze sigkeit in den Industrieländern noch immer Percentage points hoch, und für einen nachhaltigen Inflationsan- 1.0 stieg wäre eine stärkere Lohndynamik erfor- 0.5 derlich. Damit ist allerdings erst zu rechnen, 0.0 wenn die strengen „Social-Distancing“-Mass- nahmen wieder vollständig aufgehoben wer- -0.5 Forecasts den. Dann aber wird die Wahrscheinlichkeit, -1.0 dass die Inflation in den USA oberhalb von 2% Jan 20 Jul 20 Jan 21 Jul 21 zu liegen kommt, grösser ausfallen als zu je- Items positively affected by Covid dem anderen Zeitpunkt in den letzten 25 Jah- Items negatively affected by Covid ren. Auch in anderen entwickelten Volkswirt- Contribution to US CPI inflation schaften dürfte sich Inflationsdruck aufbauen, Quelle: Macrobond, J. Safra Sarasin, 19.02.2021 wenn auch in geringerem Umfang. Andere Komponenten des Warenkorbs, die Drei Gründe untermauern unsere Einschät- von der Pandemie profitiert haben, wie z.B. zung. Erstens war das Ausmass an geld- und Gebrauchtwagen, werden für einen gewissen fiskalpolitischer Unterstützung in der jüngsten Ausgleich sorgen, da sich die Preise hier nach Vergangenheit beispiellos. Das breit gefasste unten normalisieren dürften. Alles in allem Geldmengenaggregat in den USA – das zu ei- dürften diese unterschiedlichen Basiseffekte nem Grossteil Bargeld und Spareinlagen der im Frühjahr ihre Spitze erreichen und die US- Haushalte und Unternehmen bei den Banken Gesamtinflation um einen weiteren Prozent- widerspiegelt – wuchs 2020 um rund USD 5 punkt in die Höhe treiben. Die Kerninflation Billionen an, ein Viertel der bestehenden der Konsumentenpreise dürfte im 2. Quartal Gesamtgeldmenge. In der Eurozone erhöhte bei etwa 2.5% ihren Zenit erreichen, während es sich um EUR 1,5 Billionen. Damit unter- sich die Gesamtinflation der Marke von 3,5% scheidet sich die Situation heute erheblich 6 | Global View
Wirtschaftsausblick von der nach der globalen Finanzkrise, als die flationsziels wiederherzustellen und die lang- Vergrösserung der Zentralbankbilanzen zwar fristigen Inflationserwartungen in die Höhe zu die Reserven der Banken ansteigen liess, die treiben. Geldmenge aber nur geringfügig anwuchs, da sich die Banken bei der Kreditvergabe an die Auch strukturelle Veränderungen dürften auf Realwirtschaft äusserst zurückhaltend zeig- lange Sicht stärker inflationär wirken. Aus ten. Würden die Unterstützungsmassnahmen Untersuchungen geht hervor, dass die nun zu schnell eingestellt, so führte dies nur Schwächung der Gewerkschaften und die zu einer Phase höherer Inflation, die letztend- deutliche Zunahme des globalen Arbeitskräf- lich wieder abklingt, während die Kaufkraft teangebots nach dem Beitritt Chinas zur WTO des Geldes abnimmt. (und Osteuropas zur EU) den Zusammenhang zwischen konjunktureller Dynamik und Infla- Allerdings, und damit kommen wir zu unserem tion offenbar aufgeweicht haben. zweiten Punkt, wird die Unterstützung vermut- lich nur allmählich zurückgefahren werden. Die deflationären Kräfte dürften sich allmäh- Die Fed wird für einige Zeit ein Überschiessen lich abschwächen. Die Pandemie hat die oh- ihres Zielwerts anstreben, bevor sie die Zinsen nehin bereits sehr grossen Einkommens- und anhebt. Die Drosselung der quantitativen Lo- Vermögensungleichheiten noch verschärft, ckerung wird in sehr kleinen Schritten erfolgen und die Politik wird zunehmend darauf ausge- und erst dann, wenn „substanzielle“ Fort- richtet sein, diese Kluft zu verringern. Präsi- schritte auf dem Weg zur Erreichung der Ziele dent Biden drängt auf eine Verdoppelung des erkennbar sind. Andere Zentralbanken wer- Mindestlohns und will über stärkere Gewerk- den es der Fed wohl gleichtun. Was die Fiskal- schaften die Verhandlungsmacht der Arbeit- politik angeht, so wird die US-Regierung, so- nehmer stärken. bald der „American Rescue Plan“ ratifiziert wurde, den Fokus auf einen sehr grossen Als Fazit lässt sich festhalten, dass wir in den „Recovery Bill“ richten mit dem Ziel, die öffent- nächsten zwei Jahren ein deutlich stärkeres lichen Ausgaben für die Infrastruktur zu erhö- reales BIP-Wachstum erwarten, sobald die hen. Fazit: Die US-Produktionslücke dürfte Pandemie abklingt und die Haushalte ihre im- sich rasch schliessen, und bereits Ende 2022 mensen angesammelten Ersparnisse ausge- könnte wieder Vollbeschäftigung erreicht sein. ben. Dies gilt insbesondere für die USA. Zu- Die Löhne werden wahrscheinlich früher und dem dürfte die Inflation schneller anziehen als schneller steigen, als dies viele Anleger erwar- in früheren Erholungsphasen, und nach unse- ten. Aus monetaristischer Sicht dürfte diese rer Einschätzung wird die PCE-Kerninflation in Politik die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes den USA bis Ende 2022 die Marke von 2% erhöhen und damit die Inflation ankurbeln. In überschreiten. In der Eurozone wird diese Europa wird voraussichtlich eine weniger ex- Marke wohl frühestens 2023 erreicht werden. pansive Fiskalpolitik verfolgt, aber eine Rück- Zwar dürfte das starke nominale Wachstum kehr zur Austeritätspolitik, wie sie nach der Fi- Risikoanlagen unterstützen. Entscheidend nanzkrise zu beobachten war, ist unwahr- wird aber sein, inwieweit die Fed in der Lage scheinlich. Die Erfahrungen aus der Krise ha- ist, die Markterwartungen zu steuern, wenn ben gezeigt, dass sich Geld- und Fiskalpolitik sie ihre akkommodierende Geldpolitik schritt- sehr gut ergänzen und sich gegenseitig Spiel- weise zurücknimmt. räume verschaffen können. Dies dürfte dazu beitragen, die Glaubwürdigkeit der Zentral- Raphael Olszyna-Marzys banken im Hinblick auf das Erreichen ihres In- Internationaler Ökonom Global View | 7
Währungstrategie Währungstrategie Weitere Euro-Aufwertung in Sicht Wir erwarten, dass der US-Dollar sich im laufenden Jahr weiter abschwächt. Der globale Auf- schwung, hohe US-Budgetdefizite und gestiegene US-Inflationserwartungen dürften vor allem den Euro und Rohstoffwährungen gegenüber dem Dollar favorisieren. Der Schweizer Franken und der japanische Yen sollten sich weiterhin gut behaupten. Der Goldpreis dürfte die eingelei- tete Konsolidierung in den nächsten Monaten fortsetzen, wobei in der zweiten Jahreshälfte mit einer leichten Erholung zu rechnen ist. Dollarschwäche sollte sich fortsetzen Der Euro dürfte in diesem Jahr zulegen Ein unerwartet starker US-Dollar prägte zu Be- Wir gehen davon aus, dass der Euro in beson- ginn des Jahres 2021 das Bild an den Devi- derem Masse von der wirtschaftlichen Erho- senmärkten. Gründe dafür waren nebst stei- lung profitieren sollte. Verhältnismässig harte genden Dollar-Nominalrenditen und verhält- Lockdown-Massnahmen haben im Euroraum nismässig soliden Gewinnen in der aktuellen zu hohen Sparquoten und einer latenten Berichtssaison auch der erfolgreiche Auftakt Nachfrage nach Dienstleistungen geführt. De- der US-Impfkampagne. Jedoch sollten mit der ren Freisetzung dürfte das Wachstum im 2. zunehmenden Entwicklung neuer Impfstoffe Quartal beschleunigen, was sich positiv in den auch die Impfkampagnen anderer entwickel- Stimmungsindikatoren niederschlagen dürfte. ter Länder an Fahrt aufnehmen. Dies sollte im Diese weisen historisch einen engen Zusam- 2. Quartal eine spürbare Lockerung der aktuell menhang zum Euro-Dollar-Wechselkurs auf. verhängten Eindämmungsmassnahmen er- Darüber hinaus sollten die im Vergleich zu den möglichen, was der globalen wirtschaftlichen USA tieferen Inflationserwartungen den Euro Erholung zu neuem Schwung verhelfen dürfte. zusätzlich beflügeln. Aufgrund seines antizyklischen Verhaltens ist damit zu rechnen, dass der US-Dollar den be- Weiteres Aufwärtspotenzial für Rohstoff-Wäh- reits im vergangenen Jahr eingeleiteten Ab- rungen wärtstrend fortsetzt. Ein weiterer Anstieg der 140 US-Inflationserwartungen würde den Trend 120 noch verstärken. 100 Der Euro verhält sich stark prozyklisch 80 60 40 2018 2019 2020 2021 Commodities Ex-Energy Energy/oil Quelle: Bloomberg, J. Safra Sarasin, 12.02.2021 Rohstoff-Währungen dürften 2021 aufwerten Ebenso sollten dieses Jahr auch die Währun- gen rohstoffexportierender Länder von der Er- Quelle: Macrobond, J. Safra Sarasin, 12.02.2021 holung der Weltwirtschaft profitieren. Obwohl Global View | 9
Währungstrategie die Erdölnachfrage aufgrund des energie- Der Schweizer Franken und der japanische politischen Wandels längerfristig eher nach- Yen sollten sich weiterhin gut behaupten lassen sollte, dürfte die Wiederbelebung von Der Schweizer Franken sowie der japanische Tourismus und Mobilität den Verbrauch kurz- Yen, welche beide den Ruf sicherer Häfen ge- fristig steigern. Daher dürften sich 2021 die niessen, sollten sich ebenfalls gut behaup- Währungen Erdöl-exportierender Länder, wie ten. Beide Währungen sollten aufgrund at- beispielsweise der kanadischen Dollar oder traktiver Realzinsniveaus vor allem gegen- die norwegische Krone, gut schlagen. Beide über dem US-Dollar weiter aufwerten. Dar- Währungen dürften in diesem Jahr besser als über hinaus kamen beide Länder bisher ver- der australische oder der neuseeländische gleichsweise gut durch die Pandemie, wes- Dollar abschneiden. halb sie ihr Vorkrisen-BIP schneller erreichen dürften als die Volkswirtschaften des Eu- Gemischte Aussichten für das britische Pfund roraums. Mit der endgültigen Scheidung Grossbritanni- ens von der Europäischen Union ist die In- Weitere Goldpreis-Konsolidierung in Sicht tegration des Landes in den EU-Binnenmarkt Die erwartete Verbesserung der globalen Wirt- deutlich schwächer geworden. Unserer Mei- schaft 2021 dürfte sich wegen etwas höherer nung nach sollte sich dies auch in der Entwick- erwarteter Realzinsen eher negativ auf den lung der britischen Währung niederschlagen. Goldpreis auswirken. Allerdings gehen wir da- Positiv zu vermerken ist jedoch der rasche von aus, dass sich die im vergangenen Jahr Fortschritt bei den Impfungen, der dem Verei- stark eingebrochene physische Nachfrage nigten Königreich erlauben dürfte, seine Wirt- nach Gold wieder erholt. Damit erwarten wir, schaft früher als andere Länder zu öffnen. Der dass 2021 ein Jahr der Konsolidierung sein voraussichtlich zügigere Abschluss der Imp- wird. Über die nächsten Jahre sehen wir auf- fungen könnte somit zumindest einen Teil der grund steigender erwarteter Inflationsraten je- negativen Auswirkungen des Brexit auf das doch weiteres Aufwärtspotenzial für das gelbe Wachstum kompensieren. Insgesamt erwar- Edelmetall. ten wir, dass sich das Pfund gegenüber dem Euro, auch wegen niedrigerer Realzinsen, ab- Physische Nachfrage sollte Goldpreis stützen schwächen sollte. Gegenüber dem US Dollar erwarten wir hingegen eine Aufwertung. Wenig Schwankung beim Euro-Franken-Kurs 1.02 15 1.04 10 1.06 5 1.08 0 1.10 -5 Jan-20 Apr-20 Jul-20 Oct-20 Jan-21 Quelle: Macrobond, J. Safra Sarasin, 12.02.2021 EUR-CHF, lhs SNB sight deposits, weekly change in CHF bn, rhs Dr. Claudio Wewel Quelle: Macrobond, J. Safra Sarasin, 12.02.2021 Währungsstratege 10 | Global View
Zinsstrategie Zinsstrategie Steigende Volatilität der Zinsen Im Zuge der erwarteten Verbesserung der Weltwirtschaft dürfte zunehmend darüber diskutiert werden, wann die akkommodierende Geldpolitik in den Industrieländern wieder zurückgefahren wird. Mit weiter steigenden Inflationserwartungen werden auch die Realrenditen unter Aufwärts- druck geraten, da die Märkte allmählich höhere Leitzinsen einpreisen. Folglich muss an den An- leihemärkten der Industrieländer mit zunehmender Volatilität gerechnet werden. Wir prognosti- zieren nach wie vor höhere Anleiherenditen und steilere Renditekurven für sämtliche Märkte. Die marktbasierten Inflationserwartungen Dies zeigt sich in den marktbasierten Inflati- dürften erhöht bleiben. onserwartungen, die sich ausgehend von ih- Wir erwarten ab dem 2. Quartal 2021 eine ren Tiefs bereits merklich erholt haben. Wir se- deutliche Verbesserung der weltwirtschaftli- hen Spielraum für einen weiteren Anstieg. chen Lage. Die Finanzierungsbedingungen in den Industrieländern sind sehr vorteilhaft, und Aufwärtsdruck auf die Realrenditen erwartet die Zentralbanken haben zugesagt, ihre ak- Die realen Renditen sind stark mit den an kommodierende Geldpolitik nicht verfrüht zu- den Terminmärkten implizierten Leitzinsen rückzufahren. Dazu kommt auch von fiskali- korreliert. Höhere erwartete Leitzinsen sind schen Seite starke Unterstützung mit dem ge- in der Regel mit einem entsprechenden An- meinsamen Ziel, den Volkswirtschaften zu stieg der Realrenditen verbunden. Ebenso starkem Wachstum zu verhelfen. Die Kernin- dürften die Erwartungen hinsichtlich einer flation der US-Konsumentenpreise wird unse- möglichen Drosselung („Tapering“) der Wert- rer Einschätzung nach in den nächsten Jahren papierkäufe seitens der Zentralbanken (die auf etwa 3% steigen. Folglich dürften die auch zu niedrigeren Realrenditen geführt ha- marktbasierten Inflationserwartungen erhöht ben) zusätzlichen Aufwärtsdruck auslösen. bleiben, da sich die Märkte auf ein höheres mittelfristiges Inflationsniveau einstellen wer- Enge Beziehung zwischen Realrenditen und den. Dies gilt vor allem für die Dollar-basierten impliziten Leitzinsen Volkswirtschaften, aber auch in der Eurozone, 2.0 4.0 der Schweiz und Grossbritannien erwarten wir 3.0 einen Anstieg der Inflationserwartungen. 1.0 2.0 0.0 Inflationserwartungen dürften erhöht bleiben 1.0 3.0 -1.0 ~ 2.5% 0.0 -2.0 -1.0 2.0 2010 2013 2017 2021 Developed markets 10y real yield (TIPS) 1.0 Developed markets implied policy rate in 3y, rhs Quelle: Bloomberg, J. Safra Sarasin, 19.02.2021 0.0 2001 2009 2017 2025 US Core CPI YoY Wir sind davon überzeugt, dass im 2. Halb- JSS Forecast US Core CPI (trend) jahr 2021 zunehmend über ein mögliches US 10y breakeven rate Zurückfahren der expansiven Geldpolitik dis- Quelle: Macrobond, J. Safra Sarasin, 19.02.2021 kutiert werden wird, insbesondere an den Global View | 11
Zinsstrategie Dollar-Märkten. Vor diesem Hintergrund dürf- Fed davon überzeugt ist, dass sie ihr Inflati- ten die Realrenditen steigen, aber wir erwar- onsziel erreicht hat, muss dieses wohl zu- ten kein „Taper Tantrum“ wie 2013, als die nächst längere Zeit überschritten werden. mangelhafte Kommunikation der Fed in Be- Gleichwohl rechnen wir mit einem weiteren An- zug auf ein Zurückfahren der Anleihekäufe zu stieg der US-Renditen und einer zunehmen- einem deutlichen Anstieg der Realrenditen in den Kurvenversteilung. Wie eingangs er- den USA geführt hatte. Anders als 2013 wer- wähnt, erwarten wir im Laufe des Jahres 2021 den die Zentralbanken die Märkte lange im auch einen gewissen Aufwärtsdruck auf die Voraus vorbereiten. Ausserdem werden sie Realrenditen, da der Markt allmählich höhere nur langsam Fortschritte an der Inflations- Leitzinsen einpreisen dürfte. Tatsächlich be- front anerkennen und sich weiterhin gegen wegen sich die impliziten Leitzinsen ausge- zu hohe Zinserwartungen stemmen. Ange- hend von ihren im letzten Jahr markierten sichts stark steigender Defizite infolge fiska- Tiefs bereits nach oben. lischer Unterstützungsmassnahmen wird es den Zentralbanken ohnehin schwerfallen, Ein deutlicher verfrühter Anstieg der Realren- ihre Käufe schnell und deutlich zu drosseln, diten würde jedoch zu einer Straffung der Fi- ohne einen unerwünschten Anstieg der lang- nanzierungsbedingungen führen und wäre in fristigen Renditen zu riskieren. Dennoch be- der gegenwärtigen Phase unerwünscht. Die steht das Risiko, dass eine deutlichere kon- Fed wird daher an ihrer Politik der „Forward junkturelle Erholung und ein stärkerer Preis- Guidance“ (Erwartungssteuerung bezüglich auftrieb die Zentralbanken früher als erwar- der kurzfristigen Zinsen) festhalten, um so die tet in Zugzwang bringen. Daher gehen wir da- Zinserhöhungserwartungen zu dämpfen, und von aus, dass die Volatilität an den globalen könnte ihre Wertpapierkäufe bei Bedarf auf Anleihemärkten 2021 deutlich zunehmen längere Laufzeiten und insbesondere TIPS ver- wird. Wir rechnen weiterhin mit höheren An- lagern. leiherenditen und steileren Zinskurven, ins- besondere an den Dollar-Märkten. Zinserwartungen steigen in den Dollar-Märk- ten bereits allmählich an USA – starke Erholung im 2. Quartal 2021 2.5 Nach einem vergleichsweise schwachen 1. 2.0 Quartal 2021 – aufgrund der COVID-bedingten Einschränkungen – erwarten wir eine Be- 1.5 Implied policy rates in 3y schleunigung der US-Wirtschaft, sobald der Dienstleistungssektor wieder in Gang kommt. 1.0 Die breitere Verfügbarkeit von Impfstoffen 0.5 wird die US-Wirtschaft in der zweiten Jahres- hälfte erheblich entlasten. Mit der Einführung 0.0 des „Average Inflation Targeting“ (AIT) hat die Jan-19 Jul-19 Jan-20 Jul-20 Jan-21 CAD AUD USD Fed klargestellt, dass sie die Zinsen nicht prä- ventiv anheben wird. Aufgrund von Basiseffek- Quelle: Bloomberg, J. Safra Sarasin, 19.02.2021 ten wird der Konsumentenpreisindex im Jah- resvergleich Sprünge aufweisen, wobei im 2. Eurozone – Geldpolitik bleibt expansiv Quartal 2021 der Höhepunkt erreicht und an- Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihr In- schliessend wieder ein Rückgang verzeichnet flationsziel nicht erreicht, obwohl sie seit Lan- werden dürfte. Wir bezweifeln, dass diese gem eine stark expansive Geldpolitik verfolgt. kurzfristigen Schwankungen die Fed zu einem Daher sind die tiefen Inflationserwartungen in Kurswechsel veranlassen werden. Damit die der Eurozone noch immer fest verankert. 12 | Global View
Zinsstrategie Nichtsdestotrotz haben sich die marktbasier- Grossbritannien – Optimismus dank erfolgrei- ten Inflationserwartungen seit den im April cher Impfkampagne 2020 verzeichneten Tiefstständen erholt. Wir Die schnelle und erfolgreiche Verteilung von erwarten einen weiteren Anstieg, falls sich die COVID-Impfstoffen in Grossbritannien dürfte Wirtschaft im Euroraum in der zweiten Jahres- eine frühere Aufhebung der Lockdown-Mass- hälfte 2021 beschleunigt. nahmen und damit eine schnellere Erholung des Wirtschaftswachstums nach sich ziehen. Die Aussagen der letzten EZB-Pressekonfe- Die Bank von England zieht zwar immer noch renz spiegelten vorsichtigen Optimismus in negative Leitzinsen in Erwägung, doch sind Bezug auf Wachstum und Inflation in der Euro- diese inzwischen weniger wahrscheinlich ge- zone wider. In ihrem Bestreben, günstige Fi- worden, auch wenn Brexit die britische Wirt- nanzierungsbedingungen aufrechtzuerhalten, schaft mittel- bis längerfristig weiter belasten hat die EZB bisher eine Versteilung der Zins- wird. Wir erwarten angesichts der Beschleuni- kurven in der Eurozone durch Anleihekäufe gung der Weltwirtschaft in diesem Jahr auch in verhindert. Der Verweis darauf, dass „der Ge- UK steigende Anleiherenditen, begleitet von samtumfang der Anleihekäufe nicht vollstän- steileren Zinskurven. dig genutzt werden muss“, lässt darauf schliessen, dass die EZB möglicherweise eine Versteilung der britischen Zinskurve beschleu- moderate Versteilung der Renditekurven in nigt sich Kauf nehmen könnte. Dies bedeutet jedoch 60 120 keine Änderung der gegenwärtigen Geldpoli- 50 100 tik. Die fiskalischen Stimulierungsmassnah- 40 80 men haben in den Euroländern zu einem star- ken Anstieg der öffentlichen Verschuldung 30 60 und damit zu einer hohen Emission von 20 40 Staatsanleihen (EGBs) geführt, was weiterhin 10 20 umfangreiche Wertpapierkäufe erforderlich 0 0 machen wird. Gleichwohl wird die leichte Ver- Jan-20 May-20 Sep-20 Feb-21 änderung der Tonart wahrscheinlich ausrei- UK 2y/10y steepness (bp) chen, um die langfristigen Anleiherenditen UK 5y/30y steepness (bp, rhs) moderat ansteigen zu lassen. Quelle: Macrobond, J. Safra Sarasin, 19.02.2021 Allmähliche Versteilung der Zinskurven in der Japan – keine Änderung der Geldpolitik erwar- Eurozone tet Wie gehen davon aus, dass die Bank of Japan 50 100 (BoJ) ihre Geldpolitik 2021 nicht wesentlich 40 80 ändert. An ihrer Renditekurvensteuerung in- nerhalb eines engen Zielkorridors um das 30 60 Nullniveau herum für den 10-Jahresbereich 20 40 und einer gewissen angestrebten Kurvensteil- heit am ultralangen Ende hält sie fest. Wir 10 20 rechnen weiter damit, dass das derzeitige 0 0 Renditeniveau über längere Zeit Bestand ha- Jan-20 May-20 Sep-20 Feb-21 ben wird. GE 2y/10y steepness (bp) GE 5y/30y steepness (bp, rhs) Alex Rohner Quelle: Macrobond, J. Safra Sarasin, 19.02.2021 Zinsstratege Global View | 13
Windsurfer in Maui, Hawaii
Aktienstrategie Aktienstrategie Ein holpriger Anstieg liegt vor uns Die Aktienmärkte waren in den letzten Monaten von einem positiven Umfeld geprägt. Eine Kom- bination aus steigenden Inflationserwartungen und sinkenden Realzinsen kam sowohl den Ge- winnerwartungen als auch den Bewertungen zugute. Während wir einen weiteren Inflationsan- stieg erwarten und den Gewinnausblick auch für die kommenden Monate positiv einschätzen, dürfte die Unterstützung seitens der Realzinsen bald schon der Vergangenheit angehören. So- lange diese nur allmählich steigen – was unserem Basisszenario entspricht – bleibt das Auf- wärtspotenzial für Aktien bestehen. Auf Sektor-Ebene könnte dies allerdings einen Wechsel bei den Favoriten nach sich ziehen, und die Entwicklung dürfte künftig volatiler ausfallen als in den vergangenen Monaten. Für Aktien ist vieles richtig gelaufen Aktien waren die grössten Nutzniesser dieser Für Aktien ist in den letzten Monaten vieles Entwicklung, da die bereits erhöhten Bewer- richtig gelaufen. Die Zulassung verschiedener tungen durch niedrigere Diskontierungssätze Impfstoffe seit Anfang November, ein US- unterstützt wurden, während die Gewinner- Wahlergebnis, das ein umfangreiches Haus- wartungen nach oben korrigiert wurden. haltspaket begünstigt und eine positive Be- richtssaison für das 4. Quartal unterstützen Ein positives Umfeld für Aktien die Einschätzung, dass die gegenwärtige Akti- % enmarkterholung nicht nur heisse Luft ist. 2.5 Für Aktien ist 2020 vieles 1.5 richtig gelaufen 0.5 In den USA fielen die Gewinnausweise für das 4. Quartal 2020 etwas besser aus als im ent- -0.5 sprechenden Vorjahresquartal – was bemer- kenswert ist, da 2019 noch nicht durch COVID -1.5 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021 beeinflusst wurde. Auch in Europa lagen die US inflation expectations US 10Y TIPS yield Ergebnisse deutlich über den Erwartungen. Quelle: Refinitiv, J. Safra Sarasin, 19.02.2021 Die wichtigsten fundamentalen Markttreiber bleiben intakt, sodass das positive Umfeld für Die aktuelle Situation entspricht nicht dem Aktien nach wie vor Bestand hat. Die Zentral- üblichen saisonalen Muster. Normalerweise banken liessen keinen Zweifel daran, dass sie fallen die Gewinnerwartungen zum Jahres- an ihrer expansiven Geldpolitik festhalten wol- beginn zu hoch aus und müssen dann durch len, bis die Inflation auf oder über 2% gestie- Abwärtskorrekturen an die Realität ange- gen ist, und beruhigten damit Spekulationen passt werden. Die Korrekturen erreichen in über eine vorzeitige Straffung. Als Folge san- der Regel Ende des 1. Quartals ihren Tief- ken die Realzinsen, während die Inflationser- punkt und stabilisieren sich zum Jahres- wartungen weiter stiegen. ende hin wieder. Global View | 15
Aktienstrategie Starke Gewinndynamik Anfang 2021 in den USA und in Europa dürften in Verbin- Consensus revisions to global equity earnings 8 dung mit der bislang beispiellosen fiskal- und throughout the year, 6-month revisions, % 6 geldpolitischen Unterstützung die Wachs- 4 2021 consensus tumserholung deutlich begünstigen. Basie- revisions rend auf dem von uns für 2021 prognostizier- 2 ten BIP-Wachstum von 6,9% in den USA dürf- 0 ten die Gewinnerwartungen bis zum Jahres- -2 ende um 10%–15% steigen. -4 -6 Die Erwartung einer Straffung der Geldpolitik Jan Mar May Jul Sep Nov ist ein Risiko Average revisions past 10 years 2021 Vorausgesetzt, unerwartete Risikoereignisse Quelle: Refinitiv, J. Safra Sarasin, 19.02.2021 bleiben aus, sehen wir die grösste Gefahr für eine weitere Aufwärtsbewegung der Märkte Für die relativ starken Gewinne Anfang 2021 darin, dass die US-Wirtschaft zu heiss laufen gibt es drei Gründe: (a) wie bereits erwähnt, la- und folglich zunehmend mit einer Zinsstraf- gen die Unternehmensergebnisse für das 4. fung gerechnet werden könnte. Da die Aktien- Quartal deutlich über den Erwartungen und markterholung 2020 zu einem Grossteil auf bilden somit eine stärkere Basis für künftige sinkende Realzinsen zurückging, die sich übli- Gewinne, (b) die Gewinnerwartungen von cherweise parallel zum US Leitzins entwickeln, Energie- und Grundstoffunternehmen folgen würde eine plötzliche Änderung der Tonart der den steigenden Rohstoffpreisen und (c) die Er- Fed voraussichtlich die Bewertungen belasten wartung einer besseren Konjunkturdynamik und die Aktienmarkterholung gefährden. Bei infolge der Wiederöffnung der Volkswirtschaf- einer günstigeren Entwicklung, wie sie unse- ten kommt dem wirtschaftlichen Ausblick zu- rem Basisszenario entspricht, steigen die rea- gute. Die Folge davon sind Aufwärtsrevisionen len Renditen langsam an, da sich die Erwar- auf breiter Basis, wobei die rohstoffsensitiven tung einer geldpolitischen Straffung ange- Sektoren am stärksten profitieren, gefolgt von sichts der besseren Konjunkturdaten nur all- Technologie und Finanzwesen. mählich aufbaut. Starke rohstoffbezogene Gewinne Aktienbewertungen profitieren von niedrigen Materials realen Renditen Energy -1.4 IT 20 MSCI AC World, 12m fwd PE -0.9 Financials US TIPS yield, %, inv. (rhs) C. Discretionary 18 -0.4 AC World Comm. Services 0.1 Health Care 16 Industrials 0.6 Utilities 3-month revisions to 12-month 14 forward earnings by sector (%) C. Staples 1.1 0 4 8 12 16 12 Quelle: Refinitiv, J. Safra Sarasin, 19.02.2021 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Quelle: Refinitiv, J. Safra Sarasin, 19.02.2021 Wir teilen die Erwartung des Marktes, dass sich die globale Wirtschaft weiter erholen wird In einem solchen Szenario bleibt das Auf- sobald die Beschränkungen aufgehoben wer- wärtspotenzial für den Markt bestehen, da die den. Die massiven Ersparnisse der Haushalte Bewertungen lediglich moderatem Druck 16 | Global View
Aktienstrategie ausgesetzt sein dürften. Im Rahmen beider Dagegen sind wir in Bezug auf defensive Sek- Szenarien halten wir eine fein abgestimmte toren mit einer langen Duration vorsichtig ein- Sektorallokation, die von wachsenden Inflati- gestellt, da ihre Bewertungen anfällig auf stei- onserwartungen profitiert und nicht anfällig gende Realzinsen reagieren. Dies betrifft im auf steigende reale Renditen reagiert, für die Allgemeinen Basiskonsumgüter, Versorger aussichtsreichste Strategie. und das Gesundheitswesen. Obwohl entspre- chende Unternehmen möglicherweise über Reale Renditen spiegeln zum Teil die Erwar- ein solides Geschäftsmodell und einen stabi- tungen der Fed-Politik wider len langfristigen Gewinnausblick verfügen, % % 6.5 neigen sie bei steigenden Zinsen zu einer un- 3.0 terdurchschnittlichen Entwicklung. 5.5 2.4 4.5 1.8 Während der Technologiesektor weiterhin ein 3.5 1.2 eindrucksvolles Gewinnwachstum erzielt, hat 0.6 2.5 die Entwicklung 2020 auch gezeigt, dass der 0.0 1.5 Sektor widerstandsfähig gegenüber konjunk- -0.6 0.5 turellen Rückschlägen ist. Als Folge stiegen -1.2 -0.5 die Bewertungen unter der Annahme, dass die 2006 2009 2012 2015 2018 2021 Gewinne stabiler als zuvor erwartet ausfallen US TIPS 10Y US 3Y Fed Funds future (rhs) würden. Dies hat jedoch auch nachteilige Aus- Quelle: Refinitiv, J. Safra Sarasin, 19.02.2021 wirkungen. So erscheint der Sektor nunmehr anfälliger für eine ungünstige Zinsentwicklung Positionierung für ein Reflationsumfeld als in der Vergangenheit. Dies könnte in dem Wir bevorzugen somit Banken und andere Fi- aktuellen Umfeld zu einer höheren Belastung nanzwerte, da diese üblicherweise von stei- für Technologieunternehmen führen, während genden Renditen profitieren, egal ob die Ent- zyklischere Sektoren weniger betroffen sein wicklung der Inflationserwartungen oder der dürften. Dennoch ist der langfristige Ausblick realen Renditen für den Anstieg verantwortlich für den Technologiebereich positiv. Die Fähig- ist. Sie sind im Sektor-Vergleich die grössten keit, ein überdurchschnittliches Gewinn- Nutzniesser von steigenden Zinsen, denn ihre wachstum zu erzielen, macht den Sektor Gewinne sind eng mit dem Niveau und der strukturell attraktiv. Steilheit der Renditekurve verbunden. Insgesamt halten wir kurzfristige Aktienmarkt- Steilere Renditekurve kommt Bankgewinnen rückschläge in den kommenden Monaten für zugute wahrscheinlich, da die Neubewertung der Sek- 9.5 250 toren von Volatilität begleitet sein dürfte. Je- 8.5 200 doch besteht angesichts der erwarteten Erho- 7.5 lung weiterhin Aufwärtspotenzial bis zum Jah- 6.5 150 resende. Unseres Erachtens wird der S&P 500 bis Ende 2021 ein Niveau von 4100 erreichen, 5.5 100 unterstützt durch eine starke Erholung der Ge- 4.5 50 winnerwartungen, welche die leicht tieferen 3.5 Kurs-Gewinn-Verhältnisse mehr als ausglei- 2.5 0 chen dürfte. 2009 2012 2015 2018 2021 European banks EPS, 12-month lag EMU yield curve, 10Y-2Y, bps (rhs) Wolf von Rotberg Quelle: Refinitiv, J. Safra Sarasin, 19.02.2021 Aktienstratege Global View | 17
Segelschiffe in der Ägäis
Nachhaltigkeitsfokus Nachhaltigkeitsfokus Das CO2-Budget der Welt und was es für Anleger bedeutet Der zyklische Aufschwung, in dem wir uns momentan befinden, schafft zusätzliche Nachfrage nach Rohstoffen und lässt auch die Ölpreise und Ölaktien ansteigen. Doch die Wertpapiere von Unternehmen mit Exposition zu fossilen Energieträgern bergen langfristig Risiken. Diese ergeben sich weniger aus einer möglichen Knappheit der fossilen Ressourcen, sondern vielmehr aus einer Knappheit der Aufnahmekapazität der Erdatmosphäre für Kohlendioxidemissionen. Während sich die Regierungen der Welt anschicken, die Globale Erwärmung zu bekämpfen und den CO2- Ausstoss zu senken, ergeben sich daraus wichtige Implikationen für Anleger. Die fossilen Brennstoffe werden uns so CO2-Emissionen und der Weg zu Netto-Null schnell nicht ausgehen… In den 1970er Jahren prognostizierte der «Club of Rome» – eine Gruppe von Wissen- schaftlern – die baldigen Grenzen des Wachs- tums. Seine Argumentation: die fossilen Ener- gieträger sind endlich und damit auch das Wachstum einer auf diesen Energien basie- renden Wirtschaft. Einmal verbrannt, endet das Wachstum, weil diese Brennstoffe nicht- erneuerbar sind. Quelle: Cicero.no, Glen Peters, 01.2020 «Wenn wir weitermachen wie …dafür wird sich aber das Budget für die noch bisher, erreicht die globale zu emittierenden CO2-Emissionen erschöpfen Erwärmung bereits in sieben «Wenn wir weitermachen wie bisher, erreicht Jahren 1.5°C» die globale Erwärmung bereits in sieben Jah- ren 1.5 °C.» Dies ist das ernüchternde Ergeb- Seit dieser Warnung hat jedoch einerseits die nis der wissenschaftlichen Studien des Welt- Erschliessung neuer Öl- und Gasvorkommen klimarates, dem Intergovernmental Panel on das Szenario einer möglichen Ressourcen- Climate Change (IPCC). Wir wissen um den Zu- knappheit ca. 400 Jahre weiter in die Zukunft sammenhang zwischen den vom Menschen verschoben. Andererseits hat mit dem Struk- verursachten Treibhausgasemissionen und turwandel in Richtung Dienstleistungen die dem Temperaturanstieg im Vergleich zur vor- CO2-Intensität des Wirtschaftswachstums industriellen Zeit. Steigen die Emissionen, stark abgenommen, so dass die fossilen Re- steigt auch die Temperatur. Der IPCC berech- serven sogar noch länger reichen könnten. net den mit jeder ausgestossenen Treibhaus- Heisst das, dass alles nur Panikmache war? gasmenge voraussichtlich einhergehenden Die Antwort ist nein, denn das begrenzende Temperaturanstieg. Im Moment liegt die Er- Element für die fossilen Energien ist nicht ihre derwärmung bei rund 1 °C. Für eine Beschrän- Endlichkeit, sondern die Aufnahmekapazität kung auf 1.5 °C darf die Menschheit laut IPCC der Erdatmosphäre. noch etwa maximal 300 Gigatonnen (Gt) CO2- Global View | 19
Nachhaltigkeitsfokus Äquivalente (CO2e) produzieren. Dieses so ge- die CO2-Neutralität bis 2060 an. Auch die neue nannte CO2-Budget bleibt uns noch übrig. Bei US-Regierung will sich verstärkt um einen der aktuellen Emissionsmenge reicht dies nur „Green New Deal“ bemühen. Die Europäische noch sieben Jahre. Je stärker wir die Emissio- Union hat ihr ursprüngliches Ziel einer Sen- nen in naher Zukunft reduzieren, desto länger kung der CO2-Emissionen um 40% bis 2030 können wir mit diesem Budget haushalten. auf 55% erhöht. Anteil der Kohle an der gesamten Energiepro- Anteil der erneuerbaren Energien an der ge- duktion in % samten Energieproduktion in % Quelle: Refinitiv, J. Safra Sarasin, 15.02.2021 Quelle: Refinitiv, J. Safra Sarasin, 15.02.2021 Welche Bedeutung hat das CO2-Budget? Was bedeutet das CO2-Budget für Anleger? Das Budget legt nahe, dass die Menschheit ih- Auf diese Ankündigungen werden höchst- ren CO2-Ausstoss drastisch reduzieren muss. wahrscheinlich vermehrte Vorschriften, Steu- Dafür gibt es viele mögliche Anpassungs- ern, Strafgebühren und Anreizsysteme folgen pfade. Es ist allgemein Kon- – schlechte Nachrichten für Unter- sens, dass dazu die Errei- nehmen aus dem Bereich chung des Ziels von der fossilen Brennstoffe. Netto-Null-Emissio- Die bekannten Erdgas-, nen bis 2050 er- «Die CO -Blase 2 Erdöl- und Kohlereser- reicht werden könnte eine ven überschreiten sollte. Ab dann das CO2-Budget bei muss die gleiche Marktkapi- Weitem. Rechnet CO2-Menge ab- man die vermuteten, sorbiert werden, talisierung von noch nicht erschlos- die ausgestossen USD 26 Bio. senen Reserven wird – ein sehr am- hinzu, kommt man auf bitionierter Plan! Die umfassen» beinahe 3000 Gt po- gute Nachricht ist, tenzieller CO2e-Emissio- dass sich immer mehr nen. Wenn jedoch zur Einhal- Länder dem Übereinkommen tung der Klimaziele maximal nur von Paris mit konkreten Zielen anschliessen. 300 Gt an Treibhausgasen ausgestossen wer- Viele Länder kündigten im letzten Jahr an, ihre den dürfen, werden die restlichen fossilen Re- Treibhausgasemissionen bis 2050 auf netto serven in naher Zukunft wertlos. Sie sind dann null senken zu wollen, darunter Japan, Gross- quasi „gestrandet“ – und mit ihnen Kraftwerke, britannien und die Schweiz. Sogar China, einer Schiffe, Flugzeuge und Lkw, die auf sie ange- der grössten Treibhausgasemittenten, strebt wiesen sind, ebenso wie deren Produzenten. 20 | Global View
Nachhaltigkeitsfokus Was steht für Anleger auf dem Spiel? nen Strukturwandel hin zu einer Null-Emissio- Nicht nur Unternehmen, sondern auch Anle- nen-Weltwirtschaft bis 2050 anstossen. Kom- ger sind von den „Stranded Assets“ betroffen. plett neue Industrien mit CO2-positiven Aktivi- In den nächsten Jahren könnten Anlagen in täten wie der Absorption und Speicherung von solche Unternehmen drastisch an Wert verlie- Kohlenstoff, Waldwirtschaft und Bodenerhal- ren. CarbonTracker geht davon aus, dass eine tung werden bis dann die verbleibenden CO2- Marktkapitalisierung von USD 26 Billionen im Emissionen kompensieren. Andere Branchen Risiko steht und rechnet schon lange mit dem werden Technologien zur Substitution oder Zerplatzen eine Karbon-Blase aufgrund der Speicherung von Kohlenhydraten einsetzen. „Stranded Assets“. Das Global Financial Sta- So werden Gebäude vermehrt aus Holz gefer- bility Board unter der Leitung von Mark tigt werden, um CO2 zu speichern. Unterneh- Carney, dem ehemaligen Gouverneur der men werden ihr Geschäft diversifizieren müs- Bank von England, will daher den Umfang an sen, um selbst kohlenstoffneutral oder sogar verfügbaren Informationen über klimawandel- CO2-positiv zu werden. Anleger können davon bezogene Risiken erweitern und fordert Unter- profitieren, wenn sie auf diese Gewinner von nehmen auf, diese in ihrer Berichterstattung morgen setzen. Gleichzeitig sollten sie „Stran- zu würdigen. Die Wertentwicklung der Energie- ded Assets“ meiden und die CO2-Bilanz ihrer titel in den vergangenen zehn Jahren zeigt, Anlagen verbessern. Nur so können Investo- dass aus der Blase schon langsam die Luft ren ihre Portfolios angesichts der unvermeid- herausgeht. Der vornehmlich fossile Energie- baren klimabedingten Veränderungen zu- sektor blieb in den letzten zehn Jahren etwa kunftssicher aufstellen. 75% hinter dem MSCI World Index zurück – eine Entwicklung, die sich fortsetzen sollte. Dr. Jan Amrit Poser Chief Strategist & Head Sustainability Der Energiesektor blieb in den letzten 10 Jah- ren hinter dem Gesamtmarkt zurück Aktienmarktkapitalisierung von Unternehmen mit fossilen Energiereserven (Bio. $) Quelle: CarbonTracker.org, 01.2021 Ausstehende Anleihen von Unternehmen mit fossilen Energiereserven (Bio. $) Quelle: Refinitiv, J. Safra Sarasin, 15.02.2021 Wie sollten sich Anleger positionieren? Während Luft aus der CO2-Blase entweicht und Vermögenswerte mit Bezug zu fossilen Brennstoffen an Wert verlieren, bieten sich An- legern auch grosse Chancen. CO2-Steuern und der Handel von Emissionsrechten werden ei- Quelle: CarbonTracker.org, 01.2021 Global View | 21
Asset Allocation Asset Allocation Nachhaltige Erholung Jan Bopp ist seit 2016 bei der Bank J. Safra Sarasin als Senior Investment Strategist tätig. Er ist Mitglied des CIO Office und verantwortlich für den Input der Investmentkomitees und die Umset- zung der taktischen Allokation auf die Mandatsprofile. Zudem verfasst er die monatliche Publika- tion «Market Review & Outlook» und schreibt eine regelmässige Kolumne für die Finanz und Wirt- schaft. Vor seiner Tätigkeit bei J. Safra Sarasin in Zürich war er als Sell-Side Analyst und Currency Overlay Manager in Frankfurt am Main tätig. Jan Bopp studierte Betriebswirtschaftslehre an der Warwick Business School in UK und der Universität Mannheim. Wir sprachen mit ihm über die wich- tigsten aktuellen Themen rund um die Asset Allocation. Global View: Herr Bopp, blicken. Die Länder und Institutionen übergrei- bereits die ersten Wo- fende und konzertierte Verabschiedung fiskal- chen des neuen Jahres und geldpolitischer Massnahmen darf nicht un- waren von zum Teil dra- terschätzt werden. Regierungen haben Defizite matischen Ereignissen in einer Grössenordnung verabschiedet, die vor geprägt. Wie haben Sie der Pandemie niemand für politisch durchsetz- den Jahresbeginn er- bar gehalten hätte. Das war der einzige Ab- lebt? schwung in der jüngsten Geschichte, in dem Dramatisch ist sicherlich das richtige Wort. Die das verfügbare Einkommen während einer tie- Erstürmung des US-Kapitols am 6. Januar hat fen Rezession gestiegen ist. Ein grosser Teil da- vor Augen geführt, dass politische Risiken auch von wurde gespart und dürfte zu einem starken in etablierten demokratischen Gesellschaften Nachfrageanstieg und hohen Wachstumsraten existieren. Und auch die stark in den Medien in der zweiten Jahreshälfte führen. verbreitete Geschichte der Kleinanleger, die sich über Social Media verbündeten, um gegen GV: Könnten die fiskalischen Stimuli nicht zu Hedge-Fonds zu kämpfen, hat zu einiger einer Überhitzung der US-Wirtschaft und ent- Verunsicherung und damit einem deutlichen sprechend hohen Inflationsraten führen? Anstieg der Volatilität an den Finanzmärkten Das ist sicherlich eine Gefahr und wird daher geführt – wenn auch nur sehr kurzfristig. Denn auch innerhalb unserer Investmentkomitees letztlich verlagerte sich der Fokus der umfangreich diskutiert. Wir gehen in diesem Marktteilnehmer dann doch recht schnell Jahr von einem deutlichen, aber begrenzten In- wieder auf die für die zukünftige wirtschaftliche flationsanstieg aus, der grösstenteils auf CO- Entwicklung entscheidenden Themen. Nämlich VID-bedingte Basiseffekte zurückzuführen ist. fiskal- und geldpolitische Massnahmen, sowie Auch für 2022 erwarten wir lediglich graduell die Eindämmung des Coronavirus. steigende Inflationsraten. Vielleicht sieht es in drei bis fünf Jahren anders aus. Man könnte GV: Die Anzahl der Neuinfektionen ist zuletzt sich durchaus eine Welt vorstellen, in der eine zwar gefallen. Doch die Lockdowns bestehen starke fiskalische Dominanz zu hoher Inflation in vielen Regionen dieser Welt weiterhin. Sind führt. Deshalb ist es wichtig, sein Portfolio ent- die Anleger nicht zu optimistisch was die wirt- sprechend abzusichern. Aber unsere Erwartung schaftliche Erholung angeht? ist, dass die Inflation unter Kontrolle bleibt. Es Ich denke nicht. Ich würde sogar sagen, dass es gibt im Moment keine Indikatoren, die auf et- gute Gründe dafür gibt, positiv in die Zukunft zu was anderes hindeuten. 22 | Global View
Asset Allocation GV: Welche Anlageklassen bieten einen effi- GV: Welche Auswirkungen hat das auf die As- zienten Inflationsschutz? set Allocation Ihrer Multi-Asset-Portfolios? Neben inflationsgebundenen Anleihen, deren Wir bleiben gegenüber Aktien positiv einge- Kupon direkt an die Teuerungsrate gekoppelt stellt. Innerhalb der Anlageklasse haben wir ei- ist, haben Rohstoffe einen starken Zusammen- nen Fokus auf zyklische Regionen, wie Europa hang mit der Inflationsentwicklung. Dies gilt je- und Schwellenländer. Europa hat zuletzt an po- doch in beide Richtungen. Das Problem mit die- sitiver Dynamik verloren, doch die zyklische sem Renditeverhalten ist, dass das Timing Ausrichtung der Wirtschaft ist ein Vorteil für die stimmen muss. Denn so positiv die Rendite bei Region. Es braucht jedoch etwas mehr Geduld Rohstoffen bei steigenden Inflationsraten ist, als wir angenommen hatten. Hinsichtlich des so ist sie deutlich negativ bei fallenden Teue- Impffortschritts ist Europa drei bis sechs Mo- rungsraten. Aktien, und insbesondere be- nate hinter den USA und damit auch deren Wirt- stimmte Sektoren, wie beispielsweise Finanz- schaftszyklus. Doch der Trend ist positiv und die und Automobilunternehmen, sowie klein- und Regierungen entschlossen, das Wachstum zu mittelständische Unternehmen, haben diesbe- steigern. Das dürfte zu einer besseren Rendite züglich ein robusteres Renditeverhalten mit hö- zyklischer Regionen beitragen. heren langfristigen Realrenditen. Schwellen- länderaktien und -anleihen bewähren sich be- GV: Die Zuflüsse in nachhaltige Anlagen waren sonders gut im Umfeld steigender Inflationsra- in den letzten Monaten sehr hoch. Wieso? ten. Die zyklische Ausrichtung der Region sorgt Das Thema ist bereits seit Jahren im Fokus der für ein stabiles Fundament. Vermögensverwalter, bei J. Safra Sarasin sogar seit Jahrzehnten. Der Grund für das zuletzt GV: Was ist mit der Fed? Könnte die Notenbank stark gestiegene Interesse ist recht einfach: aufgrund zu hoher Inflationsraten dazu ge- Wenn Regierungen entschlossen handeln und zwungen sein, früher mit einem Zinserhö- einen Konsens herstellen, können die Ergeb- hungszyklus zu beginnen als aktuell vom nisse unglaublich weitreichend sein. Beispiele Markt erwartet wird? dafür sind die Umsetzung einer Reihe europäi- Nein, ich halte das für nicht sehr wahrschein- scher Regulierungsstandards zur Förderung lich. Die US-Zentralbank hat zuletzt wiederholt der Nachhaltigkeit, Chinas Verpflichtung zur sehr deutlich gemacht, dass sie noch weit da- Dekarbonisierung oder der Plan der US-Admi- von entfernt ist, über diesen Schritt überhaupt nistration, Investitionen in eine nachhaltige nachzudenken. Der Fokus der Währungshüter Infrastruktur, basierend auf sauberen Ener- liegt aktuell in erster Linie auf dem Arbeits- giequellen zu verabschieden. Doch nachhaltig markt. ist nicht immer gleich nachhaltig. Wir haben daher umfangreiche Nachhaltigkeitsanalysen GV: Wird das auf dem US-Dollar lasten? in jede Stufe unseres Anlageprozesses inte- Ja, davon gehen wir aus. Nicht nur aufgrund der griert. geldpolitischen Entwicklungen. Es sprechen ei- nige Faktoren für einen schwachen Dollar. Zum Sie erwarten also ein positives Jahr an den Fi- einen ist die Weltreservewährung gegenüber nanzmärkten? anderen Währungen anhand verschiedener Grundsätzlich ja, vor allem für nachhaltige An- Bewertungsmassstäbe immer noch überbe- lagen. Die Weichen sind gestellt. Aber der Weg wertet. Zum anderen lasten das hohe US-Leis- wird steinig. Es wird Rückschläge geben, Unsi- tungsbilanz- und Budgetdefizit auf dem Dollar. cherheiten hinsichtlich des Wachstumspfads, Letztlich dürfte auch das stärkere Wachstums- fiskalpolitischer Massnahmen, Zinsen. Unsere momentum ausserhalb der USA, insbesondere wichtigste Botschaft ist jedoch, dass wir in ei- in Europa und den Schwellenländerregionen, nen neuen Konjunkturzyklus eintreten und auf dem Dollar lasten. nicht in einem alten feststecken. Global View | 23
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