EFFEKTE VON COVID-19 AUF AUSGEWÄHLTE IMMOBILIENMÄRKTE - Segmente im Fokus: Retail, Hotel und Büro sowie Immobilienfinanzierungen
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EFFEKTE VON COVID-19 AUF AUSGEWÄHLTE IMMOBILIENMÄRKTE Segmente im Fokus: Retail, Hotel und Büro sowie Immobilienfinanzierungen Studienreihe Future Cities 5
EXECUTIVE SUMMARY COVID-19 EFFEKTE COVID-19 hat die Immobiliensegmente Non-Food-Retail/Shopping Center und H otels stark getroffen. Erlöse der Nutzer sind eingebrochen, Mietzahlungen wurden ge- stundet, Anmietungs- oder Kaufentscheidungen vielfach verschoben. Auch im Büro- Segment hat die Krise Spuren hinterlassen. Besondere Herausforderungen ergeben sich zukünftig für reine Messe-/Kongress- Hotels. Für die restlichen Hotelsegmente wird eine mittelfristige Erholung erwartet. Im Non-Food-Einzelhandel und bei Shopping Centern beschleunigt COVID-19 den strukturellen Umbruch. Auch kapitalintensive Umwidmungen führen meist nur zu re- duzierten Erlöserwartungen. Im Büro-Segment werden die Effekte aus Homeoffice-bedingten Nachfragereduzierun- gen erst mit Auslaufen der Bestandsverträge mittel- bis langfristig und standortabhän- gig zu einer Reduzierung der Neuprojektentwicklungen führen. Der zuvor boomende Büromarkt wird sich entspannen. WIRKUNG • Transaktionsmärkte für Shopping Center und Hotels kamen weitgehend zum Erlie- gen, Verkäufe erfolgten nur aus Notsituationen, Neuprojekte wurden aufs Eis gelegt. • Kurzfristigen Liquiditätsausfällen konnte meist durch Eigenkapitalbeiträge und/oder das Aussetzen der Tilgungsleistungen durch die Finanzierer begegnet werden. • Aufgrund der Alternativlosigkeit und der hohen Wertzuwächse in der Vergangenheit kam es bislang nicht zu einem Anstieg von Kreditkündigungen. • Mittel- und langfristig werden Investoren und Finanzierer zum Teil ihre Erlöserwar- tungen aus Mieten und Pachten bzw. Kapitaldienstforderungen anpassen müssen. • Bei einem unverändert hohen Anlagedruck schauen alle Marktteilnehmer auf eine Erholung der wirtschaftlichen Situation im 2. Halbjahr 2021. • Zukünftige Finanzierungsstrukturen sollten dabei noch robuster gegenüber Cash Flow-Schwankungen ausgestaltet werden, um negative Abweichungen abfedern zu können. 2 | FTI-Andersch
INHALT 1. Summary 4 ÜBER FTI-ANDERSCH: FTI-Andersch ist die führende Restrukturierungsberatung im deutschsprachigen Raum. 2. Non-Food-Einzelhandel 5 FTI-Andersch unterstützt Mandanten in der Entwicklung und Umsetzung tragfähiger Zukunfts-/Performance- sowie 3. Hotels 10 Restrukturierungskonzepte. FTI-Andersch wird in Situa- tionen aktiv, in denen Unternehmen sich mit operativen 4. Büros 18 oder finanzwirtschaftlichen Herausforderungen beschäf- tigen müssen – oder noch weit davor, um frühzeitig Ge- 5. Finanzierungen 28 schäftsmodell, Organisation und Prozesse zukunftsfähig auszurichten. Ein besonderer Schwerpunkt ist die Erstel- lung von unabhängigen Entscheidungsgrundlagen für an- gestrebte (Re-)Finanzierungen. Zu den Mandanten zählen mittelständische Unternehmen und Konzerne, die international agieren. FTI-Andersch ist Teil der globalen FTI Consulting Gruppe (NYSE: FCN) mit mehr als 5.500 MitarbeiterInnen. Konzeption der Studie Basierend auf im Zeitraum März bis Mai 2021 geführten Interviews mit Marktteil- nehmern aus den Bereichen Projektentwicklung, Asset Management, Kapitalanlage- gesellschaften, Immobilienfinanzierungen, Maklern, Mietern und Vermietern sowie unter Nutzung öffentlich verfügbarer Marktinformationen und Statistiken untersucht FTI-Andersch in dieser Studie die Effekte von COVID-19 auf die Immobiliensegmente Retail, Hotel und Büro sowie die Immobilienfinanzierungen. 3 | FTI-Andersch
1 SUMMARY EFFEKTE VON COVID-19 AUF AUSGEWÄHLTE IMMOBILIENMÄRKTE • Andauernde Reise- und Kontaktbeschränkungen ausge- Büros Seite 18 löst durch die im Frühjahr 2020 weltweit ausgebrochene COVID-19 Pandemie. Im Zuge dessen wurden Mode- und • Die COVID-19 Pandemie traf einen boomenden Büromarkt, Warengeschäfte sowie Hotels geschlossen, Büros stehen der von geringem Leerstand und hohen Mieten geprägt war. leer und MitarbeiterInnen arbeiten von Zuhause. • Für die Zukunft wird eine hybride Arbeitswelt bestehend aus • Durch den Einbruch der Erlösseite einzelner Nutzergrup- Büro und Homeoffice erwartet. Büros werden eine Umgestal- pen, Stundungsmöglichkeiten für Mietzahlungen sowie die tung erfahren und Flächen werden zum Teil reduziert werden. Verschiebung von Anmietungs- oder Kaufentscheidungen • Die aktuellen Auswirkungen von COVID-19 auf den Büro- ist auch der gewerbliche Immobilienmarkt stark von markt sind aufgrund der laufenden Mietverträge und hohen COVID-19 betroffen. Vorvermietungsquoten für neue Projekte noch eher gering. • Mit Blick auf eine erwartete Überwindung der COVID-19 Nachfragereduzierungen werden erst mit Auslaufen der Be- Pandemie sehen sich Eigentümer und Finanzierer mit standsverträge mittel- bis langfristig und standortabhängig zu dem durch die Krise induzierten Wandel konfrontiert. einer Reduzierung der Neuprojektentwicklungen führen. • Daraus entstehen Herausforderungen für die spätzykli- • Co-Working Anbieter sind stark von der Pandemie getroffen, sche Immobilienwirtschaft, die es zu lösen gilt. Räumliche haben in der Erholungsphase zwar Vorteile durch das Ange- Umwandlungsmaßnahmen und neue Nutzungskonzepte bot flexibler Mietverträge, aber das Geschäft aus der Abde- werden bereits geprüft. ckung von Nachfragespitzen nach Büroraum wird mittelfristig wohl eher gering ausfallen. Non-Food-Einzelhandel Seite 5 Transaktionsmärkte • Strukturwandel im stationären Einzelhandel bereits vor der • Während am Transaktionsmarkt für Büroimmobilien nur eine Pandemie feststellbar, COVID-19 beschleunigt eingesetzte Ent- gewisse Abkühlung zu verzeichnen ist, kam der Retail- und wicklungen. Trend zum Online-Handel hat sich weiter verstärkt. Hotel-Markt in der Krise weitgehend zum Erliegen, Verkäufe • Filialnetzschließungen sowie Insolvenzen in Non-Food-Einzel- erfolgen nur aus Notsituationen. handel reduzieren die Nachfrage nach Ladenflächen und Erhö- • Bei einem unverändert hohen Anlagedruck schauen alle hen das Risiko der Vermieter. Umsatzmieten setzen sich immer Marktteilnehmer auf eine Erholung der wirtschaftlichen Situ- weiter durch. ation im 2. Halbjahr 2021. Bei Investitionsentscheidungen sind • (Teure) Maßnahmen zur Umwidmung bestehender Ladenflä- dann zum Teil angepasste Cash Flow-Erwartungen zu berück- chen sollen den Abwärtstrend aufhalten, sind aber risikobehaf- sichtigen. tet und werden zu Anpassungen der Erlöserwartungen führen. Finanzierungen Seite 28 Hotel Seite 10 • Unsicherheit führte zu einer rückläufigen Finanzierungsbe- • Reisebeschränkungen führten zu ausfallenden Messen, digi- reitschaft, insbesondere im Hotel- und Einzelhandelsbereich, talen statt physischen Meetings und mit Ausnahme des Som- sowie einer Ausweitung der Margenanforderungen. mers 2020 zu einem Ausbleiben des Ferientourismus. • Bei Liquiditätsschwierigkeiten laufender Finanzierungen wer- • Liquiditätsnot zwingt Hotelbetreiber zur Nachverhandlung den neben Eigenkapitalbeiträgen häufig das Stillhalten und/ von Miet- und Pachtverträgen sowie Notverkäufen. Krise ver- oder das Aussetzen von Tilgungsleistungen beobachtet. stärkt die Konsolidierung der Hotelbetriebe. • Auch nach Überwindung der Krise werden Umwidmungen, • Für die meisten Segmente wird eine grundsätzliche Erho- Umsatzmieten und Pachtanpassungen in vielen Fällen Ad- lung für 2022–24 erwartet, kritischere Aussichten im MICE- justierungen der Kapitaldienstleistungen notwendig machen. Bereich, speziell bei Messe-Hotels. • Es ist zu erwarten, dass künftig Finanzierungsstrukturen noch • Aufgrund hoher Investitionskosten herrscht weiter Zurück- robuster gegenüber Cash Flow-Schwankungen ausgestaltet haltung bei Umwidmungen. werden. 4 | FTI-Andersch
2 NON-FOOD-EINZELHANDEL DER DEUTSCHE RETAIL-MARKT – DIE PANDEMIE ALS KATALYSATOR DES STRUKTURWANDELS IM EINZELHANDEL Entgegen der gesamtwirtschaftlichen Krisensituation aufgrund Abb. 1: YoY-Veränderung der COVID-19 Pandemie, konnte der Einzelhandel in 2020 mit Einzelhandelsumsatz 2020 (in %)* 5,1 % ggü. dem Vorjahr überdurchschnittliche Wachstumsraten vorweisen (BIP-4,9 %). Dabei ist der Einzelhandel Profiteur 24,8 von Budgetverschiebungen der Konsumenten, die pandemie- 8,1 bedingt geringere Ausgaben für Reisen, Gastronomie und Kul- 5,1 5,9 3,6 tur/Unterhaltung durch häuslichen Konsum von Lebensmitteln sowie Investitionen in den Wohnbereich substituieren. Auch eine zuletzt stark angestiegene Sparquote privater Haushalte -11,9 (16,3 % in 2020 ggü. rd. 10,0 % im langjährigen Durchschnitt) -23,2 konnte das Wachstum des Einzelhandels nicht verhindern, sondern stellt im Gegenteil einen Indikator für Konsum-Nach- Einzel- Online-/ LEH Möbel-/ Non- Waren- Mode holeffekte bei überstandener Pandemie dar. Dabei lassen sich handel Versand- Bau- Food häuser diametral gegenläufige Entwicklungen der verschiedenen Seg- gesamt handel märkte mente des Einzelhandels beobachten: Auf der einen Seite ver- meldet der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) Rekordzuwächse *Nominale Werte (+8,1 % ggü. Vorjahr, Vgl. Abb. 1) und profitiert in seiner Grund- Quelle: Statistisches Bundesamt versorgungsfunktion ohne Lockdown-Einschränkungen von ge- schlossenen Restaurants und Kantinen. Im Non-Food-Bereich erfreuten sich Bau- und Möbelmärkte steigender Umsätze ge- Abb. 2: YoY-Veränderung der Passentenfrequenz im deutschen trieben durch den gestiegenen Stellenwert des eigenen Zuhau- Einzelhandel (in %) ses als Rückzugsort. Auf der anderen Seite verzeichneten der klassische Innenstadteinzelhandel herbe Einbußen. -15 Mode- und Warenhauseinzelhandel (s.u.) Ø registrierten zweistellige Umsatzrückgänge -35 -86 -80 aufgrund w ochenlang geschlossener Läden. -92 KW 01 KW 12 KW 51 KW 01 KW 15 2020 2020 2020 2021 2021 Auch in der Phase zwischen den Pandemiewellen blieben die Konsumenten den Innenstädten fern – die Passantenfrequenz in deutschen Innenstädten lag nach Ende des ersten Lock- Quelle: Crosscan downs weiterhin 15–35 % unter dem Vorjahreswert (Vgl. Abb. 2). Ein Grund: Pandemie-bedingt gab es kaum Anlässe besondere Kleidung zu tragen (abgesagte Feiern/Hochzeiten/Opernbesu- Abb. 3: Umsatzentwicklung Modeeinzelhandel nach Vertriebsweg che sowie Homeoffice statt Büropräsenz). (in € Mrd.) 57,5 59,3 58,2 57,9 57,2 CAGR 79,2 2010- Strukturwandel im Mode- und Warenhaus- 63,6 66,1 72,6 2030 57,5 einzelhandel 5,3 6,4 16,5 29,0 39,6 10,6 % Der stationäre Mode- und Textilhandel als größter Nutzer inner- -1,4 % städtischer Einzelhandelsfläche befindet sich jedoch nicht erst 52,2 57,2 49,6 43,6 39,6 seit der COVID-19 Pandemie in der Krise. Inflationsbereinigt 2010 2015 2020 2025 2030 verzeichnete der deutsche Modehandel in der letzten Dekade kaum Wachstum (CAGR 2010–2020: 1,4 %). Gleichzeitig nimmt Stationär Online Umsatz inflationsbereinigt der Umsatzanteil des Online-Geschäfts rapide zu (CAGR 2010– 2020: 12,0 %) und beträgt 2020 rd. 25 % (Vgl. Abb. 3). Quelle: EHI/KPMG „Fashion 2030“ 5 | FTI-Andersch
Schätzungen gehen davon aus, dass 2030 rund Abb. 4: Retail-Ketten dünnen ihr Filialnetz aus die Hälfte des Modeumsatzes online gemacht Anzahl Filialen wird zu Lasten des stationären Handels. Kette vorher nachher Das IFH Köln spricht sogar von einer weiterreichenden Be- MediaMarktSaturn 419 406 schleunigung des Wandels im Fashion-Markt mit einem An- Depot 462 400 teil des Online-Geschäfts von 43–54 % in 2024. Dies impliziert Douglas 430 370 schwindende Umsätze für den stationären Modehandel und da- Dielmann 48 35 mit verbundenen Kostendruck. Die Händler sind zur Anpassung Runners Point 73 0 des Filialnetzes, das noch zu Beginn der 2010er Jahre massiv ausgebaut wurde, an das nachhaltig veränderte Konsumverhal- ten gezwungen. Die Folge ist eine sinkende Nachfrage nach in- Abb. 5: Insolvenzen in der Modeindustrie nerstädtischen Flächen. Sogar klassische Ankermieter aus dem Anzahl Verkaufsflächen Non-Fashion-Bereich wie MediaMarktSaturn und die Parfüme- Kette vorher nachher riekette Douglas kündigten zuletzt umfangreiche Schließung Bonita GmbH 600 400 von bis zu 13 bzw. 60 Filialen an (Vgl. Abb. 4). Verstärkt wird die- Galeria Karstadt Kaufhof 172 130 ser Effekt durch eine Reihe von Insolvenzen von Modeeinzel- HALLHUBER GmbH 127 121 händlern wie Esprit oder HALLHUBER, die die Möglichkeiten Esprit 100 50 der Restrukturierung in der Insolvenz häufig nutzen, um sich von Pimkie 71 40 unprofitablen Filialen zu trennen (Vgl. Abb. 5). Die sinkende Flä- Karstadt Sports GmbH 30 10 chennachfrage spiegelt sich in seit 2016 rückläufigen Mieten für Escada SE 8 1 Einzelhandelsimmobilien wider: In den Top-7-Standorten lag die Spitzenmiete 2020 im Schnitt 5,6 % unterhalb des 2010–2019 Quelle: Presserecherche erreichten Höchstwertes, in den Oberzentren sogar 8,3 %. Für 2021 wird angesichts erwarteter Umsatzrückgänge infolge von behördlich angeordneten Schließungen und geringer Passan- tenfrequenz mit weiteren Mietrückgängen für Einzelhandelsim- mobilien von rd. 4,6 % in den Top-7-Standorten sowie rd. 4,1 % in Abb. 6: Spitzenmieten den Oberzentren gerechnet (Vgl. Abb. 6). €/qm 2016 2017 2018 2019 2020 2021e Berlin 310 310 310 300 285 275 Düsseldorf 275 280 282 285 280 265 Auswirkungen auf Vermieter und Investoren Frankfurt 300 300 300 300 295 275 Einige Vermieter von Einzelhandelsimmobilien spürten die Hamburg 285 285 285 285 275 260 Auswirkungen der COVID-19 Pandemie bereits im ersten Lock- down: Von Ladenschließungen betroffene Mieter stellten ihre Köln 250 255 255 255 240 230 Mietzahlungen ein, gleichzeitig schloss das sog. Mietmorato- München 345 345 345 345 335 320 rium einen durch die COVID-19 Krise begründeten Zahlungs- Stuttgart 250 250 245 235 215 210 verzug des Mieters als Kündigungsgrund aus. Zwar bleibt die Top-7 297 298 298 294 282 269 Mietzahlungspflicht bestehen, die Mieter haben jedoch bis zum Oberzentren 135 135 134 129 123 118 30.06.2022 Zeit, ihre Mietrückstände zu begleichen, während Vermieter ungeachtet dessen ihren Kapitaldienst leisten müs- Quelle: DZ HYP, Bulwiengesa, Colliers sen. Die wirtschaftlich bedrohliche Lage für viele Einzelhändler führte dazu, dass Mietverträge nachverhandelt wurden. Quelle: DZ HYP, Statistisches Bundesamt, Statista, Crosscan, EHI/KMPG „Fashion 2030“, Bulwiengesa, Colliers, ZIA, Handelsblatt 6 | FTI-Andersch
70 % der von EHI befragten Shopping Center-Manager geben Abb. 7: Vertragsanpassungen in Bestandsverträgen an, Mieten im Laufe der COVID-19 Pandemie reduziert zu ha- Umfrageergebnisse unter 142 Shopping Center-Managern (in %, ben. Wenngleich es vom jeweiligen Einzelfall abhängig ist, hat Mehrfachantworten möglich) ein neues Urteil die Verhandlungsposition der Mieter gestärkt.(1) 70 Miete reduziert 42 Lockdown-Klauseln Zunehmende Vereinbarung von Umsatzmieten 15 Anteilige Umsatzmiete übertragen einen Teil des Geschäftsrisikos der 14 Sonstige Einzelhändler auf deren Vermieter. Reine Umsatzmiete 8 5 Keine Vermieter sind Ladenbesitzern insb. von Einzelhandelsobjekten 4 Laufzeiten verkürzt bereits mit Mietnachlässen von bis zu 50 % entgegengekom- Quelle: EHI Centermanagement 2021 Report, Seite 20 men, aber trotzdem mit zunehmendem Leerstand konfrontiert. Gemäß EHI ist der Anteil an Einkaufscentern mit mehr als 5 % leerstehender Mietfläche ggü. 2019 um 22 %-Pkte. auf 41 % in Abb. 8: Leerstand in Einkaufscentern nimmt zu 2021 angestiegen ist (Vgl. Abb. 8). Clusterung von Einkaufscentern aus repräsentativer EHI-Umfrage nach Leerstandsquote (in % der Umfrageteilnehmer) Mit steigendem Risiko erhöhen sich die 2019 Renditeerwartungen. 2021 60 In 2020 ist erstmals seit der Finanzkrise die anfängliche Miet- 43 rendite für Einzelhandelsimmobilien nicht gesunken. Während 23 18 15 16 10 9 die Kaufpreisfaktoren in den Top-7-Standorten stagnierten, ist in den Oberzentren ein Rückgang (22,8x in 2020 ggü. 23,4x bis 3,0 % 3,1 %–5,0 % 5,1 %–10,0 % >10,0 % in 2019) erkennbar. Für 2021 wird auch in den Top-7-Standor- ten erstmals ein rückläufiger Trend bei den Kaufpreisfaktoren Quelle: EHI Centermanagement 2021 Report, Seite 13 erwartet. Bisher konnten steigende Kaufpreismultiples eine rückläufige Ertragskraft infolge sinkender Spitzenmieten von Handelsimmobilien in 1A-Lagen überkompensieren, sodass die (1) § 313 BGB zum Wegfall der Geschäftsgrundlage im Fall von Bewertungen der Immobilien nach Ertragswert stetig stiegen. behördlich angeordneten Ladenschließungen Abb. 9: Bisher kompensierten steigende Bewertungen die sinkenden Mieten – Rechnung bildet keine COVID-19 Trendwende durch COVID-19 beschleunigt Notverkäufe ab Kombination aus rückläufigen Mieten und -9,8 % Entwicklung 2018 nachlassenden Kaufpreisfaktoren belastet vs. 2021e 292 297 298 298 294 die Bilanzen der Immobiliengesellschaften: 282 269 Wertverluste im Zeitraum 2018–2021e 135 135 135 134 Spitzen- -9,8 % 129 123 118 mieten -11,9 % -10,1 % -14,9 % 32,2 33,4 33,4 Bei angenommener Finanzierungsquote 31,1 32,2 24,6 26 22,8 23,4 22,8 Kauf- von 80 % entspricht einem Wertrückgang 19,9 21,7 22,3 18,7 preise- -0,3 % von 14,9 % einen Verlust von drei Viertel multiple -2,6 % des Eigenkapitals. Etwaige Covenants (v. a. Loan-to-Value-Covenants) drohen gebro- 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021e chen zu werden. Kaufpreismultiples Oberzentren Spitzenmiete (€/qm) Oberzentren Kaufpreismultiples Top-7 Spitzenmiete (€/qm) Top-7 Quelle: DZ HYP, Statistisches Bundesamt, Statista, Crosscan, Quelle: DZHyp, Bulwiengesa EHI/KMPG „Fashion 2030“, Bulwiengesa, Colliers, ZIA, Handelsblatt 7 | FTI-Andersch
Für Investoren, die seit 2018 Handelsimmobilien erworben ha- Während aktuelle Transaktionen im Bereich Lebensmitteleinzel- ben, können sinkende Mietrenditen und rückläufige Kaufpreis- handel und Fachmarkt-Center zu beobachten sind, finden im faktoren in Abhängigkeit der Ausgestaltung der Fremdfinanzie- Bereich von Retail- und Shopping Center-Immobilien fast keine rung durchaus zu einer Anpassung der Wertansätze führen. So Transaktionen mehr statt. Auch Shopping Center ohne Lebens- wird für die deutschen Oberzentren in 2021 mit einem Miet- mitteleinzelhandel werden derzeit niedriger bewertet. Ähnlich rückgang von rd. 11,9 % ggü. 2018 gerechnet. Bei gleichzeitigem wie im Hotel-Segment verkauft derzeit nur derjenige, der ver- Rückgang der durchschnittlichen Kaufpreisfaktoren von 2,6 % kaufen muss. führt dies auf Grundlage der Ertragskraft und erwarteter Markt- preise im Zeitraum 2018–2021 zu einem rechnerischen Wertver- Seit dem zweiten Quartal 2020 verhalten lust der Immobilie von rd. 14,9 % – Sondereffekte wie (zeitwei- sich die Marktteilnehmer bei Transaktionen ser) Leerstand nicht berücksichtigt (Vgl. Abb. 9). abwartend. Erhöhter Leerstand, sinkende Spitzenmieten Auch hinsichtlich der Neueröffnungen von Shopping Centern und fallende Kaufpreismultiples reduzieren die wurde ein Trend der letzten zehn Jahre durchbrochen. In 2021 Bewertung der Handelsimmobilien. werden nur zwei Projekte realisiert. Viele Projekte stehen still. Es gibt 15 bekannte Planungen, denen eine ungewisse Entwick- Die sinkenden Prognosen spiegeln sich auch im Transaktions- lung bevorsteht. Dies spiegelt die allgemeine Investitionszu- markt wider. Zwar wurden in 2020 mit € 12,3 Mrd. mehr Investi- rückhaltung wider. Eine nachhaltige negative Entwicklung ist in tionen getätigt als in 2018 und 2019, allerdings entfällt ein maß- diesem Segment nicht auszuschließen. geblicher Teil mit € 4,6 Mrd. (rd. 37 %) auf das erste Quartal. Darüber hinaus wurden alleine in 2020 insg. € 5,9 Mrd. (rd. 48 %) durch die zehn größten Paketverkäufe erzielt (u. a. Übernahme von rd. 80 Immobilien der Metro AG durch ein Konsortium aus X+bricks und SCP Group; Vgl. Abb. 10). Abb. 10: Transaktionsvolumen Retail-Investment (in € Mrd.) 8 20 6 15 Investitionen 4 10 Transaktionsvolumen (jährlich) 10-Jahresdruchschnitt (2010–2019) 2 5 0 0 Q1 2015 Q2 2015 Q3 2015 Q4 2015 Q1 2016 Q2 2016 Q3 2016 Q4 2016 Q1 2017 Q2 2017 Q3 2017 Q4 2017 Q1 2018 Q2 2018 Q3 2018 Q4 2018 Q1 2019 Q2 2019 Q3 2019 Q4 2019 Q1 2020 Q2 2020 Q3 2020 Q4 2020 Quelle: ZIA 8 | FTI-Andersch
Fazit und Umwidmung im Einzelhandel Neue Trends erobern die Städte Durch den seit Jahren wachsenden Trend zum Online-Geschäft und den daraus resultierenden sinkenden Umsätzen der statio- Neuanmietungen kleinerer Flächen werden bereits in der nären Mode- und Warenhäuser, sind im Einzelhandel insb. Seg- COVID-19 Pandemie für Start-ups im Foodbereich wie Gorillas mente mit größeren Ladenflächen und hoher Filialdichte von ei- und BurgerMe genutzt, um das Geschäftswachstum voranzu- nem Strukturwandel betroffen. Die Beschränkungen durch die treiben. Die Mietpreisentwicklung sowie derzeitige Mietpreis- COVID-19 Pandemie wirken als Katalysator für den Wandel im nachlässe bilden für Start-ups attraktive Konditionen sich in stationären Einzelhandel. Geringere Profitabilität dichter Filial- den Innenstadt-Bereich zu orientieren und das Geschäftsmo- netze und vermehrte Insolvenzen größerer Modeketten (Esprit, dell profitabler zu gestalten. Zusätzlich ziehen Spezialwaren- Tom Tailor, Adler, HALLHUBER etc.) führen zu einer deutlichen häuser nach, die durch ein Omnichannel-Angebot eine Chance Reduzierung der genutzten Filialflächen. in der Verbindung des stationären und Online-Handels sehen. U.a. möchte das Dänisches Bettenlager fast 200 neue Läden in Das höhere Angebot größerer Einzelhandelsflächen bei redu- Deutschland eröffnen und geht von einer Erholung des Konsu- zierter Nachfrage wirkt sich sowohl auf Innenstädte als auch mentenmarktes nach der Krise aus. auf Shopping Center aus. Mittlerweile gehen 87 % der Cen- ter-Manager in den nächsten fünf Jahren von einer Reduzie- Folgt auf >A< wie Absturz >B< wie Boom? rung des Mietflächenanteils für Bekleidung und 67 % von einer Reduzierung des Anteils für Schuhe und Accessoires aus (Vgl. Die abwartende Haltung der Investoren und Vermieter ist aktu- Abb. 11). Um diesem Trend entgegenzuwirken bedarfs es einer ell insbesondere durch die Erwartung geprägt, dass mit zuneh- Umwidmung der frei werdenden Ladenflächen in den Shopping mendem Impferfolg und dem Zurückdrängen der Pandemie in Centern, um perspektivisch die Leerstandsentwicklung abzu- Q3/2021 eine Erholung auch im Retail-Bereich einsetzt. schwächen. Shopping Center sind vermehrt dazu angehalten Es bleibt abzuwarten, wie sich dies insbesondere in den einzel- ihre Ladenfläche umzugestalten und für neue Mieter attraktiv nen besonders vom strukturellen Wandel betroffenen Segmen- zu machen. Das Angebot von Dienstleistungen, Entertainment, ten abbilden wird. Hierbei ist eine nachhaltige Erholung sehr Freizeit & Hobby-Möglichkeiten wird daher in den Shopping ungewiss, mit den entsprechenden Effekten auf die Vermieter Centern zunehmen. In oberen Etagen könnten je nach Lage Bü- und ihre Objekte. ros oder Wohnungen entstehen. Durch hohe Investitionen und ein perspekti- Abb. 11: Einschätzung des Mietflächenanteils visch niedrigeres Mietpreisniveau werden die verschiedener Branchen Umwidmungsmaßnahmen die Abwertung der In Shopping Centern in den nächsten 5 Jahren Immobilien nur teilweise kompensieren können. Dienstleistung 72 % 27 % -1 % Wird steigen Wird stabil bleiben Auch in den Innenstädten wird eine Umwidmung der Laden- Entertainment 72 % 24 % -4 % Wird zurückgehen fläche des klassischen Einzelhandels notwendig. Dabei stehen die Ansiedlung von Dienstleistungen, Handwerk und kleineren Hobby & Freizeit 66 % 29 % -5 % Gewerbetreibenden sowie Freizeit-, Kinderbetreuungs- und Bildungsmöglichkeiten im Fokus der Initiativen zur Revitalisie- Gastronomie 61 % 35 % -4 % rung der Innenstädte. Die Notwendigkeit zur Umwidmung freier Quelle: EHI Cen- Lebensmittel 48 % 52 % termanagement Flächen in den Innenstädten wird bereits auf kommunaler Ver- 2021 Report, waltungsebene erkannt, so haben erste Städte bereits Maßnah- Einrichtung 45 % 48 % -7 % Seite 23 men zur Förderung oder Stärkung der Innenstädte eingeleitet. Drogerie 30 % 70 % Quelle: DZ HYP, Mit diesem Programm sollen u. a. Neuanmietungen von leerste- Statistisches henden Räumen durch Einzelhandels-/Gastronomie-Start-ups, Telekomm. 9 % 63 % 28 % Bundesamt, Statista, Dienstleistungsgewerbe, Direktverkauf landwirtschaftlicher Crosscan, EHI/ KMPG „Fashion Produkte, uvm. gefördert werden. Auch soll der Aufbau von Schuhe & Access. 33 % 67 % 2030“, Bulwiengesa, eigenem Immobilien-Know How sowie der Zwischenerwerb von Colliers, ZIA, Bekleidung 13 % 87 % Handelsblatt Einzelhandelsimmobilien unterstützt werden. 100 % 9 | FTI-Andersch
3 HOTEL DER DEUTSCHE HOTELMARKT – IST EIN AUSWEG AUS DER KRISE IN SICHT? BLICK ZURÜCK Abb. 1: Entwicklung der touristischen Nachfrage Die deutsche Beherbergungsbranche war in den zehn Jahren in Deutschland 2005–2020 vor Ausbruch der COVID-19 Pandemie durch einen dynamischen Index Übernachtungen/Ankünfte Aufschwung geprägt. Mit 496 Mio. Übernachtungen (davon 41 % Ankünfte Veränderung in % ggü. Vorjahr Übernachtungen in Hotels; Vgl. Abb. 1) konnte in 2019 ein historischer Höchststand 180 Übernachtungszuwachs p.a. in % 80 erreicht werden. Die kontinuierlich zunehmende Nachfrage lies 160 60 sich i.W. auf zwei Faktoren zurückführen. Einerseits brachte der 140 40 nach der Finanzkrise einsetzende wirtschaftliche Aufschwung 120 20 eine signifikante Zunahme des Geschäftsreiseverkehrs und Mes- 100 0 2,1 3,0 2,1 -0,2 3,1 3,4 3,6 1,1 3,0 2,9 2,5 2,7 4,0 3,7 segeschäfts mit sich. So stieg die Anzahl von Veranstaltungsteil- 80 -20 nehmern (von Messen, Tagungen etc.) in den letzten zehn Jahren 60 2005=100 -39,0 -40 ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 ’10 ’11 ’12 ’13 ’14 ’15 ’16 ’17 ’18 ’19 ’20 um 40 % auf 423 Mio., von denen rd. 39 % dem Messegeschäft zuzuordnen sind. Andererseits weitete sich auch der Ferien- Quelle: Statistisches Bundesamt, Bulwiengesa tourismus aus, da Deutschland als Reiseziel zunehmend beliebter wurde. Zuletzt konnte ein steigender Anteil internationaler Gäste festgestellt werden (von 16 % in 2010 auf 18 % in 2019). Abb. 2: Entwicklung Kennzahlen deutsche Beherbergungsbetriebe 2010 bis 2020 Deutsche Hotels mit Rekordjahr 2019 63 66 70 71 73 74 26 Neben der ansteigenden Nachfrage konnte ebenfalls durch suk- 3,6 3,6 3,6 3,7 3,8 zessive Preisanhebungen ein durchschnittliches Umsatzwachs- 3,5 tum (CAGR 2010–2019) deutscher Beherbergungsbetriebe von 88 90 69 76 81 -39 % 3,1 % p.a. erzielt werden. Im Durchschnitt konnte der Preis pro 60 32 verfügbarem Zimmer pro Übernachtung (RevPAR) von € 63 in 2010 auf € 74 in 2019 angehoben werden (Vgl. Abb. 2). Dabei 320 338 348 366 390 406 270 spielen Geschäftsreisende mit € 162 pro Person und pro Hotel- 2010 2012 2014 2016 2018 2019 2020 übernachtung eine finanziell deutlich größere Rolle als Urlaubs- 2% 2% 3% 3% 3% 2% -37 % reisende mit € 83 (Vgl. Abb. 3). Anzahl Übernachtungen international (Mio.) CAGR 2010–19: 4,6 % Anzahl Übernachtungen national (Mio.) CAGR 2010–19: 2,7 % Diese Entwicklung machte die Branche immer interessanter für Betten in Beherbergungsbetrieben (Mio.) Investoren. Das Transaktionsvolumen stieg zwischen 2010 und x Umsatzentwicklung im Gastgewerbe i.V.z. VJ 2019 im Schnitt um 21 % pro Jahr auf zuletzt € 5,0 Mrd. (2019). x RevPAR (€) Die Spitzenrenditen für Hotelimmobilien entwickelten sich in Quelle: Engel und Völkers, S. 8, Hotelmarktreport 2021 diesem Zeitraum rückläufig von 6,9 % (2010) auf 3,8 % (2019). Abb. 3: Ausgaben (RevPAR) pro Person pro Tag (in €) STATUS QUO: COVID–19 Mit Ausbruch der COVID-19 Pandemie im Frühjahr 2020 und den daraus resultierenden Kontakt- und Reisebeschränkungen 2015 2016 2017 2018 2019 kam es zu einem massiven Einbruch, sowohl von geschäftlichen als auch touristischen Reiseaktivitäten. Dadurch wurde die Be- Urlaubsreisen 76 78 83 81 83 herbergungsbranche so stark wie kaum eine andere Branche in Deutschland von der Pandemie getroffen. Zwischenzeitlich Geschäftsreisen 153 155 157 162 162 sanken Übernachtungszahlen vielerorts um über 90 %, was u. a. auch durch das Ausbleiben ausländischer Gäste getrieben wur- de (FY 2020 -69 % ggü. VJ). Quelle: Statista, Bulwiengesa 10 | FTI-Andersch
Durch einen Rückgang der Infektionszahlen im Sommer und Trotz der COVID-19 Pandemie und der zum Großteil leerste- die zumindest temporären Lockerungen der Kontakt- und Rei- henden Hotels wurde auch in 2020 der Trend der Vergangen- sebeschränkungen konnte der Schaden in Grenzen gehalten heit fortgesetzt und das Angebot an Zimmern sukzessive weiter werden. So belief sich die Anzahl an Übernachtungen in der ausgebaut. Seit 2010 stieg die durchschnittliche Zimmeranzahl Beherbungsbranche für das Gesamtjahr 2020 mit rd. 302 Mio. eines Betriebes von 67 auf 83 und zum Jahresende 2020 wurde knapp 39 % unter dem Vorjahresniveau (Vgl. Abb. 2). Laut einer mit insgesamt rund 880.000 Hotelzimmern ein neuer Rekord Datenerhebung der Fairmas GmbH entsprach der Rückgang bei aufgestellt. Im gleichen Zeitraum reduzierte sich die Anzahl der Hotelbetrieben knapp 59 % ggü. 2019. Seither befindet sich die Hotelbetriebe in Deutschland um rd. 5 % auf 12.876 (in 2019; deutsche Wirtschaft aber wieder in einem Lockdown (Stand Vgl. Abb. 4). Diese Entwicklung spiegelt die Konsolidierung des Juli 2021). Marktes wider. Europaweiter Einbruch der Erlöse um 70 % Aufgrund der bereits fortgeschrittenen Entwicklungsprojekte ist auch künftig ein weiterer Anstieg der Kapazitäten zu er- Mit dem Einbruch der Nachfrage sanken auch die durchschnitt- warten. Allein für die kommenden drei Jahre sind rund 82.000 lich zu erzielenden Zimmerpreise. Das internationale Hospitali- neue Zimmer geplant. Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, ty Consultancy Unternehmen HVS berichtet, dass der RevPAR dass begonnene Projekte wieder verworfen werden. Die deut- in 2020 europaweit um durchschnittlich 70 % im Vergleich zum sche Pfandbriefbank teilte im November 2020 mit, dass Neu- Vorjahr einbrach (in Deutschland 67 %). finanzierungen von Hotelprojekten gestoppt werden. Durch die Folgen der COVID-19 Pandemie rutschten deutsche Hotelbetriebe trotz staatlicher Unterstützungsmaßnahmen in Abb. 4: Angebotsentwicklung Hotels und Hotels Garnis, Form von Kurzarbeitergeld, Wirtschafts-, Überbrückungs- und 2007–2010 Liquiditätshilfen tief in die Verlustzone, u. a. auch, weil die Aus- Durchschnittliche Betriebsgröße zahlung der staatlichen Hilfspakete schleppend verlief. Nach 120 90 Umsatzausfällen i.H.v. 90 % und einem Liquiditätsverlust von 115 72 74 77 79 81 83 80 71 72 70 € 140 Mio. hat die Hotelkette Maritim im April 2021 angekündigt, 110 70 in Zimmern 67 66 Index 63 65 62 Notverkäufe von bisher noch nicht spezifizierten Hotels zu täti- 105 60 gen, um das eigene Überleben zu sichern. 100 50 95 40 80 % der Pacht- und Mietverträge wurden 90 2007=100 30 ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 ’10 ’11 ’12 ’13 ’14 ’15 ’16 ’17 ’18 ’19 ’20 nachverhandelt. Betriebe Da die Pacht neben Personalkosten häufig den größten Fix- Zimmer Betriebsgröße kostenblock darstellt, kamen Hotelbetriebe, die Eigentümer der genutzten Immobilien und ohne Fremdverschuldung wa- Quelle: Statistisches Bundesamt, Bulwiengesa ren, deutlich besser durch die Krise. Da staatliche Hilfspake- te die Liquiditätslücken nicht ausreichend schließen konnten und teilweise verspätet ausgezahlt wurden, sahen sich einige Hotelbetreiber dazu gezwungen, ihre Pachtzahlungen deutlich zu reduzieren oder sogar gänzlich auszusetzen. Im November 2020 ergab eine von Treugast durchgeführte Befragung von 65 Betriebsgesellschaften, dass rund 80 % aller Pacht- und Miet- verträge nachverhandelt wurden und sich die Jahrespacht im Schnitt um 36 % verringerte. Konsolidierung der Hotelbetriebe und zeitgleiche Ausweitung des Zimmerangebots 11 | FTI-Andersch
AUSWIRKUNGEN VON COVID-19 AUF DIE Abb. 6: Übernachtungsentwicklung in ausgewählten deutschen GESCHÄFTSREISE-, MESSE- UND FERIEN- Großstädten in 2020 in % im Vergleich zum Vorjahr HOTELLERIE COVID-19 zwingt Unternehmen zum Umdenken – Web- statt physischer Meetings - 39,0 Deutschland - 44,5 Dresden Mit Ausbruch der COVID-19 Pandemie und den verhängten Kontakt- und Reisebeschränkungen haben Unternehmen alter- - 45,6 Leipzig native Lösungen zur klassischen Geschäftsreise gefunden. Dazu - 46,1 Bremen gehörte die Verlagerung von Arbeitsstätten ins Homeoffice und - 53,3 Dortmund die Durchführung von digitalen anstatt physischer Meetings. Die Reiseaktivitäten von deutschen Fach- und Führungskräften wur- - 55,4 Hamburg den während der Pandemie auf ein Minimum reduziert. Als das - 56,0 Essen europäische Land mit den meisten internationalen Meetings in - 57,3 Hannover 2019 war die deutsche Businesshotelbranche demnach deutlich durch die COVID-19 Pandemie betroffen. So brach die Zahl der - 58,1 Nürnberg Geschäftsreisen von 195,4 Mio. in 2019 auf 19,5 Mio. in 2020 ein. - 59,7 Stuttgart Der Nachfragerückgang für geschäftliche Übernachtungen be- - 61,1 Köln traf dabei eher Hotels in Städten anstatt ländlichen Regionen. - 61,3 München Schwerster Einbruch des Messegeschäfts seit über - 62,1 Frankfurt 70 Jahren. - 63,5 Düsseldorf - 64,0 Berlin Neben der klassischen Geschäftsreise kam auch das Messege- schäft in Deutschland in 2020 und Q1/2021 fast vollständig zum -70 -65 -60 -55 -50 -45 -40 -35 -30 -25 -20 -15 -10 -5 0 Erliegen. Laut dem Verband der deutschen Messewirtschaft AUMA konnten von den 355 in 2020 geplanten internationalen, nationalen und regionalen Messen lediglich 114 (32 %) durchge- Quelle: ZIA Frühjahrsgutachten 2021, S. 125 führt werden. Diese wurden hauptsächlich online oder als hyb- ride Veranstaltungen durchgeführt. Rund 43 % der ursprünglich geplanten Messen wurden sogar vollständig abgesagt statt ver- schoben. Anstatt der ursprünglich erwarteten € 28 Mrd. wurden in 2020 in Zusammenhang mit Messen nur rd. € 6 Mrd. umgesetzt. Dazu zählen u .a. Umsätze in der Gastronomie, dem Einzelhandel und Städte (Vgl. Abb. 6). Bspw. sind in Hannover normalerweise ca. der Hotellerie. Der von den Messeveranstaltern erwirtschaftete 80 % der Hotelübernachtungen auf messebedingte Geschäfts- Umsatz brach ebenso um rd. 70 % ggü. dem Vorjahr ein. reisen zurückzuführen. Einhergehend mit dem Ausfall des Mes- segeschäfts sank die durchschnittliche Zimmerbelegung der Da Messen häufig einen Ausgleich für das nur saisonal stattfin- Hotels von 65,7 % in 2019 auf 32,0 % in 2020. Der Nettozimmer- dende Tourismushotelgeschäft darstellen, verschlechterte sich preis sank von € 347 in 2019 um 75 % auf € 87 (April 2020). In die Lage vieler der an Messestandorten ansässigen Hotelbetrie- Berlin und Frankfurt am Main führte diese Entwicklung dazu, be signifikant, u. a. auch da zu Messezeiten üblicherweise auch dass das Maritim Kongresshotels (rd. 500 Zimmer) und der Hes- deutlich höhere Zimmerraten und Nebenerlöse erzielt werden sische Hof (rd. 121 Zimmer) ihren Betrieb einstellen mussten. konnten. So verzeichneten Messestädte wie z. B. Frankfurt am Main, Berlin oder Hannover, die zuvor als Treiber der stetigen Der Tourismus ging in Städten deutlich stärker zurück Wachstumsraten galten, in 2020 rund 60 % weniger Übernach- als in Ferienregionen tungen und waren somit deutlich stärker betroffen als andere 12 | FTI-Andersch
Ein ähnliches Bild zeichnet sich auch bei der deutschen Ferien- Abb. 7: Veränderungen der Übernachtungen in 2020 ggü. VJ (in %) hotellerie, wobei die Entwicklung je nach Urlaubsregion unter- schiedlich ausfiel. Städtische Regionen wie München (-61 %), 1. Lockdown 2. Lockdown und Berlin (-64 %) und Frankfurt am Main (-62 %) verzeichneten deut- Beherbergungsverbot lich höhere Besucherrückgänge als ländlichere Urlaubsregionen 50 21 wie z. B. die Mecklenburgische Schweiz und Seenplatte (-11 %) 2 (Vgl. Abb. 7 und 8). 0 -10 -48 Auch wenn deutsche Urlauber in 2020 für Urlaubsreisen ins- -50 -93 -94 gesamt 38 % weniger als im Vorjahr (€ 73 Mrd.) ausgaben (Vgl. Abb. 9), so konnte ein Teil der ausbleibenden Auslandstouris- -100 JAN MRZ MAI JUL SEP NOV JAN ten durch eine erhöhte Nachfrage deutscher Urlaubsreisender kompensiert werden. Die Anzahl inländischer Urlaubsreisen, Top-7 Ferienregionen die länger als 5 Tage andauern, stieg im Vergleich zum Vorjahr Top-7 Städtedestinationen um 22 % auf 22,8 Mio. Dadurch lagen im August 2020 die Über- Quelle: Engel und Völkers, S. 9, Hotelmarktreport 2021 nachtungszahlen in den Ferienregionen Mecklenburg-Vorpom- mern (+20 %), Nordsee (+3 %) und Ostsee (+12 %) sogar über den Vorjahreswerten, obwohl im Sommer 2020 an vielen Orten Be- Abb. 8: Übernachtungsentwicklung in ausgewählten legungsobergrenzen von 50 % bis 60 % galten und Wellness-/ Urlaubszielen Deutschlands im Vergleich zum Vorjahr Sporteinrichtungen komplett geschlossen bleiben mussten. -11 % Mecklenburgische Schweiz/Seenplatte Da der zweite Lockdown erst im Herbst 2020 und somit nach -14 % Ostsee (Schleswig-Holstein) Ende der Hochsaison angeordnet wurde, gestaltete sich dies für die Ferienhotellerie als vergleichsweise weniger belastend. -20 % Nordsee (Schleswig-Holstein) Kumuliert über das gesamte Jahr hielten sich die Rückgänge der -23 % Mecklenburgische Ostseeküste Übernachtungen in diesen Reisegebieten daher in Grenzen. -27 % Allgäu -34 % südlicher Schwarzwald -37 % Harz -39 % Deutschland -45 % Dresden -55 % Hamburg -62 % München -64 % Berlin Quelle: ZIA Frühjahrsgutachten 2021, S. 124 Abb. 9: Gesamtausgaben für Urlaubsreisen der Deutschen in den Jahren 2010 bis 2020 (in € Mrd.) 59 60 63 64 67 66 68 73 71 73 45 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Quelle: Statista, Bulwiengesa 13 | FTI-Andersch
EINBLICK IN DEN TRANSAKTIONSMARKT Abb. 10: Entwicklung des Transaktionsvolumens im deutschen Der Einbruch des deutschen Hotelmarktes wirkte sich auch auf Hotelinvestmentmarkt von 2010 bis 2020 (in Mrd. €) die Transaktionen mit Hotelimmobilien aus. So sank das Trans- aktionsvolumen ggü. dem Vorjahr um 60 % auf rd. € 2 Mrd. (Vgl. Abb. 10), wobei rd. die Hälfte noch das erste Quartal 2020 be- +21 % -60 % traf. Rd. 90 % des Gesamtvolumens machten 3- und 4-Sterne 5,2 5,0 4,5 4,2 4,0 Hotels aus. Auch wenn in Q1/2021 mit € 500 Mio. rd. 50 % we- 3,1 1,7 2,0 niger Hotelimmobilien als in Q1/2020 gehandelt wurden, so ist 0,9 1,1 1,3 i.V.m Q4/2020 eine Erholung des Transaktionsvolumen um 44 % feststellbar. 2010 2012 2014 2016 2018 2020 Nachdem die Renditen in den letzten 5 Jahren kontinuierlich Quelle: Colliers Research City Survey, S. 18 rückläufig waren, blieben sie im Laufe des Jahres 2020 stabil. München lag mit 3,7 % am unteren Rande des Spektrums, wäh- rend Berlin mit 4,4 % über dem deutschen Durchschnitt von Abb. 11: Spitzenrenditen von Hotelimmobilien in deutschen 4,0 % lag (Vgl. Abb. 11). Allerdings haben die Renditen aufgrund Großstädten 2016 – 2020 (in %) der geringen Anzahl an Transaktionen nur eine begrenzte Aus- sagekraft. 6,0 5,5 Verkäufer müssen derzeit deutliche Preisabschläge hinnehmen. 5,0 4,5 Wichtige Bewertungskennzahlen für Hotelimmobilien, wie z. B. 4,0 Zimmerauslastung, RevPAR und Zimmerraten gingen stark zu- rück (Vgl. Abb. 12). Damit einhergehend ist für 2020 zudem ein 3,5 Q4/16 Q4/17 Q4/18 Q4/19 Q4/20 Rückgang der Kaufpreise von bis zu 25 % festzustellen. Ausge- nommen hiervon sind lediglich Objekte von solventen Betrei- Berlin Düsseldorf Frankfurt Hamburg bern in Top-Lagen. Diese sogenannten Core-Immobilien stellen Köln München Stuttgart die niedrigste Risikoklasse dar, sind nur limitiert verfügbar und daher am meisten gefragt. Risikoreichere Core-Plus-Immobilien Quelle: Colliers Research City Survey, S. 20 wurden aufgrund der angespannten Situation eher gemieden. Value-Add-Objekte werden aktuell vermehrt zu Core- oder Core-Plus-Objekten weiterentwickelt, bevor sie auf den Markt Abb. 12: Kennzahlen der Kettenhotellerie 2019 und 2020 gelangen. 90 2019 Stuttgart Hamburg Dabei kam es insbesondere in Städten aus Angst vor Verlusten Berlin 77,3 89,4 80 80,5 Köln/ kaum zu Transaktionen. Einzig auf angeschlagene Betriebe fo- Bonn München Zimmerauslastung in % 70 84,1 95,4 kussierte Investoren („Distressed-Debt-Investoren“) sowie Ho- Frankfurt Düsseldorf 60 74,4 74,4 telbetreiber, die sich durch starke Liquiditätseinbußen zu Not- 50 Kreisgröße: RevPAR in € verkäufen gezwungen sahen, stellen Ausnahmen dar. (Erlös pro verfügbarem Zimmer) 40 2020 Hamburg Stuttgart 30,4 30,0 Auf Käuferseite machten internationale Investoren mit rd. 41 % 30 24,8 Düsseldorf Berlin Köln/ 23,7 25,2 einen Großteil des verbleibenden Transaktionsvolumens aus. 20 Bonn 27,4 München Frankfurt 27,4 Der Rest erfolgte i.W. über Immobilien AGs (23 %), Asset- und 10 70 80 90 100 110 120 130 Fonds Manager (18 %) sowie offene Immobilien- und Spezial- Zimmerrate in € fonds (13 %). Auf der Verkäuferseite dominierten nationale Ak- teure (81 %), i.W. Projektentwickler (36 %), Immobilien AGs (18 %) sowie Family Offices und private Investoren (14 %). Quelle: ZIA Frühjahrsgutachten 2021, S. 129 14 | FTI-Andersch
BLICK NACH VORNE Der Fokus liegt künftig auf virtuellen Lösungen und Geschäfts- reisen sollen zur Ausnahme werden. Knapp 61 % der befragten Die erwartete Welle von Insolvenzen ist bisher DAX-30-Unternehmen rechnen mit einem Rückgang der Reise- ausgeblieben. aktivitäten von bis zu 30 %. Die Einsparungen, die sich dadurch für Unternehmen ergeben, sind erheblich. So hat die Deutsche Auf der Hotellerie lastet ein hoher Druck. Zwar blieb die ur- Telekom in 2020 rund € 100 Mio. weniger für Geschäftsreisen sprünglich bis Ende April 2021 erwartete Insolvenzwelle von ausgegeben als ursprünglich vorgesehen. Bayer erwartet Ein- Hotelbetreibern bisher aufgrund der Aussetzung der Insolvenz- sparungen i.H.v. bis zu € 200 Mio. pro Jahr. antragspflicht aus, sie ist aber noch nicht abgewendet, wie das Beispiel der Münchner Hotelkette Star Inn zeigt, die im Dezem- „Die Nachfrage nach Geschäftsreisen in Euro- ber 2020 Insolvenz anmeldete. Hotelbetriebe benötigen Kapi- pa und den USA wird möglicherweise nie auf tal, um dem Druck der COVID-19 Pandemie weiterhin standhal- das Vorkrisenniveau zurückkehren.“ (Carsten ten zu können. Daher werden weitere Konsolidierungen folgen, Spohr; CEO Lufthansa) wie z. B. der im November 2020 bekannt gegebene Zusammen- schluss von Accor mit dem britischen Lifestyle-Hotelbetreiber Laut dem Rat der Immobilienweisen werden sich insbesondere Ennismore. Städte und Regionen mit einem hohen Anteil an Geschäftstou- risten und MICE-Geschäft (Meetings Incentives Conventions Liquiditätsstarke Investoren und Hotelketten stehen bereit, Exhibitions/Events) sowie einem hohen Anteil internationaler um durch den gezielten Zukauf von Schlüssel-Hotelimmobilien Gäste aus Nordamerika und Asien vermutlich frühestens in Marktanteile zu gewinnen. Die Markt- und Verhandlungsmacht 2024 von den Auswirkungen der COVID-19 Pandemie erholen großer Hotelketten wird weiter zunehmen. Hotelkettenbetrei- können. ber wie B&B und Whitbread haben ihre Absichten, in Deutsch- land weiterhin zu expandieren, bereits geäußert. Pläne solcher Art sind jedoch stark von der zukünftigen Erholung der Branche abhängig. Die Erholungsszenarien der Hotelbranche bauen auf der Re- generation der Nachfrage für Übernachtungen in den Segmen- ten Messe-, Geschäfts- und Ferientourismus auf und hängen von mehreren, schwer vorhersehbaren Faktoren ab. Einerseits gelten die Verbreitung eines wirksamen Impfstoffes sowie der weitere Verlauf der COVID-19 Pandemie als wesentliche Ein- flussfaktoren auf die Zukunft der Hotellerie. Herdenimmunität, das Ende der Reisewarnungen und die Wiederaufnahme des Flugverkehrs beeinflussen die Nachfrage nach Hotelübernach- tungen wesentlich. Über die Hälfte der befragten DAX–Unterneh- men erwarten einen Rückgang der Geschäfts- reisen von 30 %. Andererseits ist anzunehmen, dass die schweren wirtschaftli- chen Einbußen vieler Unternehmen und die guten Erfahrungen mit virtuellen Meetings und Konferenzen, den geschäftlichen und messebedingten Reisetourismus und die damit einherge- henden Übernachtungsnachfragen mittelfristig unterhalb des Vorkrisenniveaus verharren lassen. Eine Handelsblatt-Umfrage unter den DAX-30 Unternehmen hat ergeben, dass diese auch dauerhaft mit einem deutlich geringerem Reisevolumen planen. 15 | FTI-Andersch
Gemäß einer Umfrage von Kantar TNS war bereits im Zeit- Abb. 25: Wesentliche Chancen und Risiken auf dem Hotel- raum 2010–2019 die abnehmende Bedeutung von Messen im immobilienmarkt Marketingmix von Unternehmen festzustellen. Die durch die COVID-19 Pandemie verursachte Notwendigkeit und neu gefun- denen Möglichkeiten, Produkte mit Hilfe virtueller und digitaler Chancen Lösungen zu vermarkten, verschärfen diesen Trend nochmals. Verbreitung wirksamer Impfstoffe führt zu weit- Hohe Nachfragen nach Ferienhotelzimmern in gehenden Lockerungen der Reisebeschränkungen Deutschland. Wer nicht rechtzeitig bucht, geht leer aus. Schnelle Erholung des Ferientourismus in Q3/2021 Der Ausblick sieht jedoch nicht überall so düster aus. Insbe- sondere in der Ferienhotellerie sind positive Auswirkungen zu Nachhaltige Bindung von deutschen Touristen in erwarten. Bereits ab Q3/2021 wird mit einem Wiedereinset- nationalen Urlaubsregionen zen der Privatreisen sowie des privaten Konsums gerechnet. „Bei erdgebundenen Reisen stellen wir für den Sommer [2021] Umnutzung von Hotelimmobilien z. B. als Serviced eine hohe Nachfrage fest. Es ist möglich, dass nicht jeder sein Apartments, Büro- oder Wohnflächen Wunschhotel bekommt, wenn er später bucht“, erläuterte Ingo Burmester, Zentraleuropa-Chef von DER Touristik. Branchen- primus TUI weist jedoch darauf hin, dass „nicht das ganze Vo- Risiken lumen, das sonst ins Ausland gegangen wäre, hier in Deutsch- land aufgenommen werden kann“. Es bleibt abzuwarten, ob Anhaltender kritischer Verlauf der COVID-19 der Effekt, den die COVID-19 Krise auf das Reiseverhalten der Pandemie Deutschen hatte, sich als nachhaltig erweist, sobald die Reise- beschränkungen in ausländische Urlaubsgebiete aufgehoben Nachhaltiger Rückgang von Geschäftsreisen werden. Ausländische Urlaubsregionen werden alle Anstren- gungen unternehmen, auch deutsche Touristen mit ihren Über- Verlagerung von Messen in digitale und virtuelle nachtungsangeboten zu überzeugen. Das Bedürfnis der Deut- Konzepte schen nach Urlaub und Reisen ist jedenfalls groß. Allerdings musste eine breite Bevölkerungsschicht durch Kurzarbeit und Neuverhandlung von Pacht- und Mietverträgen Lohnverzicht finanzielle Abstriche hinnehmen. Der Preis von Zimmer- und Reiseangeboten wird deshalb ein entscheidender Hohe Investitionskosten für die Umsetzung von Faktor für das Buchungsverhalten der Urlauber sein. Umnutzungskonzepten In Anbetracht der erwarteten, hohen Nachfrage im Ferien- Hohe Preissensitivität von Touristen aufgrund der tourismus, wird in diesem Segment für die Hotelbetreiber eine wirtschaftlichen Einbußen durch die COVID-19 frühzeitigere Erholung als für Messe- und Geschäftsreisen pro- Pandemie gnostiziert. Dies gilt auch für ausgewählte Stadthotels in Berlin, Hamburg, München etc., die häufig Ziele von Stadttouristen und Wochenendbesuchern sind. UMWIDMUNGEN UND NEUE KONZEPTE Zum Jahresende 2020 wurden vermehrt Projekte zur Umwand- lung von Hotelimmobilien zu Büro- und Wohnflächen beobach- tet, bspw. in Form sogenannter Serviced Apartments. Dies sind Quelle: dwif-Corona-kompass, Statist. Bundesamt, Statista, Bulwiengesa, Wohneinheiten, die ähnliche Dienstleistungen wie Hotelzimmer Colliers City Survey 2020/2021, ZIA, VDR, Deutscher Hotel- und Gast- bieten, z. B. Reinigung, Internet und volle Möblierung. Sie sind stättenverband (DEHOGA), Engel & Völkers, mrp-Hotels, Handelsblatt, Immobilien Zeitung, Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e.V. für längerfristige Aufenthalte von bis zu sechs Monaten konzi- 16 | FTI-Andersch
piert. Hier wächst der Markt aktuell stark, sodass in naher Zu- Handlungsdruck. Trotz der hohen Unsicherheiten sind neue kunft mit einem Überangebot gerechnet wird. Die erforderlichen Konzepte und Investitionen notwendig. Hotels an lukrativen Investitionen für die Umwandlung einer Hotel- in eine Wohnim- Standorten und mit aussichtsreichen Möglichkeiten zur Umnut- mobilie sind kostspielig, bspw. durch den Einbau einer Küche zung können hier voraussichtlich auf eine größere Nachfrage in jeder Einheit, für Investoren und Anleger somit ein risikobe- von Investoren hoffen. haftetes Projekt. Mit „The Collective“ in Berlin und Frankfurt am Main und „R.evo“ in München gibt es aber bereits große Projekte Für die auf Ferienhotellerie spezialisierten Betriebe ist es mit jeweils über 600 Zimmern. Auch Konzepte, wie jenes des wichtig, die durch die Pandemie neu gewonnenen Gäste zu 5-Sterne-Hotels Villa Kennedy in Frankfurt am Main, gewinnen überzeugen und dauerhaft zu halten. Aufgrund der erhöhten zunehmend an Bedeutung für Investoren. Bei dieser wurden Plä- Preissensitivität der Reisenden ist zu erwarten, dass die Bud- ne für die Drittanwendungsmöglichkeit als Luxus-Seniorenheim get–Hotellerie auf höhere Nachfrage bei Kunden als auch Inves- geprüft. Aufgrund des laufenden Pachtvertrages wird die Villa toren stößt. Kennedy jedoch vorerst weiterhin als Hotel betrieben. Fazit Eine Erholung der Nachfrage und die Rückkehr der Besucher bedeutet jedoch keinesfalls eine wirtschaftliche Genesung der Hotelbetriebe in gleichem Maß. Diese benötigen gerade jetzt Kapital für neue Konzepte, Digitalisierung, leistungsgerechte Mitarbeiterbezahlung und Schuldenabbau. Der Zeitpunkt, in dem viele Hotelbetriebe wieder die wirtschaftlichen Ergeb- nisse des Vorkrisenniveaus erzielen, könnte noch in ferner Zu- kunft liegen. Zudem wurden durch etwaige Mietstundungen die Liquiditätsprobleme der Hotelbetreiber lediglich in die Zukunft verlagert. Es bleibt abzuwarten, ob sich Vermieter und Mieter über eine Aufteilung der erlittenen Verluste einigen können. Al- lerdings ist es nicht im Sinne der Objekteigentümer, derzeitige Pächter oder Mieter zu verlieren, da sich eine Nachvermietung unter den aktuellen Umständen als sehr schwierig erweisen und ebenfalls Mietzugeständnisse erfordern würde. Konzepte, bei denen Vermieter an unerwarteten Gewinnen beteiligt werden, könnten eine Lösung darstellen, so wie es auch im Einzelhandel bereits gelebt wird, wo die Miete in Abhängigkeit des Laden- umsatzes nach oben variieren kann. Hotels haben bessere Chancen als der Einzelhandel Da Hotels im Gegensatz zum Einzelhandel nicht mit großen Warenbeständen zu kämpfen haben, geht Alexander Otto, Vor- standschef der ECE-Group, davon aus, dass Hotels bessere Chancen haben durch die Krise zu kommen. Ebenso sieht er Potenzial für innovative, digitale Hotelkonzepte. Dazu gehören auch die unterschiedlichen Konzepte der Umnutzung von bis- herigen Hotelimmobilien. Die kommenden Jahre werden Hotelbetreiber und Investoren fordern. Insbesondere Hotelbetreiber, die auf Geschäfts- und Messetourismus spezialisiert sind, verspüren einen hohen 17 | FTI-Andersch
4 BÜRO DER DEUTSCHE BÜROMARKT – TEMPORÄRE DELLE ODER NACHHALTIGER UMBRUCH? AUSGANGSLAGE Abb. 1: Divergenz Bürobeschäftigung vs. Bürofläche Auch der zuletzt boomende deutsche Büromarkt wurde durch die COVID-19 Pandemie getroffen. Der als Indikator für die 3.800 120 Marktattraktivität geltende Büroflächenumsatz reduzierte sich 3.600 115 in 2020 ggü. dem Vorjahr um 37 % in den Top-7 Standorten. Im 3.400 110 3.200 105 Gegensatz dazu veränderten sich die Leerstandsquoten, Spit- 3.000 100 zenmieten sowie anfänglichen Renditen nur moderat. Neben 2.800 95 dem dominierenden Faktor COVID-19 bzw. der konjunkturellen 2.600 90 2.400 85 Entwicklung wird der Büromarkt der Zukunft geprägt sein durch 2.200 80 veränderte Anforderungen an den Arbeitsalltag (bspw. Homeof- 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 fice, Abstandsregelungen), den demografischen Wandel, sowie Beschäftigte in Tausend (links) die bereits vor der Pandemie eingeleiteten Neubauvorhaben. Bürofläche in Mio. Quadratmetern (rechts) BLICK ZURÜCK Abb. 2: Entwicklung Büroflächenneuzugang in tausend qm (Top-7) Gemessen am Bruttoinlandsprodukt hat sich die Wirtschafts- leistung der Bundesrepublik Deutschland seit der Wirtschafts- 4,5 4,0 und Finanzkrise 2008/2009 sehr positiv entwickelt. Im Zuge 3,5 3,0 des konjunkturellen Aufschwungs sank die Arbeitslosenquote 2,5 2,0 von rd. 8 % auf zuletzt 5 % (Stand: 12/2019) und mit der stark 1,5 1,0 zunehmenden (Büro-)Beschäftigung stieg die Nachfrage nach 0,5 Büroflächen nahezu exponentiell (Vgl. Abb. 1). Dabei galten zu- 0,0 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 nächst insbesondere die großen deutschen Metropolen wie Berlin, München, Hamburg oder Frankfurt am Main aufgrund Top-Standorte des Freizeit- und Kulturangebots sowie der Verkehrsanbindung als Zieladresse für Arbeitssuchende und Investoren. Abb. 3: Entwicklung der Leerstandsquote (in %) Mangel an Büroflächen führte zu geringem Leerstand 11 10 und hohen Mieten. 9 8 7 6 5 Das Platzen der Dotcom Blase begünstigte den Immobiliensek- 4 3 tor, was u. a. zu einer deutlichen Ausweitung des Neubaus von 2 1 Büroflächen (rd. 2.000.000 qm p.a. bzw. rd. 3 % des Büroflächen- 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 bestandes bei den Top-7 Standorten, Vgl. Abb. 2) aber auch zu einem Anstieg der Leerstandsquoten in den Jahren 2001–2004 Top-Standorte Regionale Oberzentren führte (Vgl. Abb. 3). Aus der resultierenden Zurückhaltung in den Folgejahren (Büroneubau 2005–2018 rd. 800.000 qm p.a. bzw. rd. 1 % des Büroflächenbestandes), dem Umbau von Büroflächen Abb. 4: Entwicklung der Spitzenmieten (in €/qm) in Wohnungen und dem o. g. Nachfrageanstieg entstand nicht 35 nur ein zunehmender Mangel an Büroflächen. Dies führte auch 30 dazu, dass heute mehr als die Hälfte der Bürogebäude bereits 25 über 30 Jahre alt sind. Erst im Jahr 2019 kamen wieder vermehrt 20 15 neue Büroflächen hinzu (rd. 1.700.000 qm bzw. rd. 1,5 % des 10 Büroflächenbestandes) und auch für die Jahre 2021 und 2022 5 waren bereits vor dem Ausbruch der COVID-19 Pandemie Neu- 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 flächen in dieser Größenordnung geplant. Top-Standorte Regionale Oberzentren 18 | FTI-Andersch
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