Handbuch zur kommunalen Wirtschaftsförderung in Kroatien

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Handbuch zur kommunalen Wirtschaftsförderung in Kroatien
D EUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR

                                                                 TECHNISCHE ZUSAMMENARBEIT (GTZ) GMBH

Ministerium für Öffentliche Arbeiten, Wiederaufbau und Bau
und
Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH

CONSULTANCIES IN REGIONAL DEVELOPMENT PLANNING IN CROATIA”

Working Paper No. 2 / 1

                          Handbuch
      zur kommunalen Wirtschaftsförderung
                          in Kroatien

                            Oktober 2003
Handbuch zur kommunalen Wirtschaftsförderung in Kroatien
Handbuch zur kommunalen Wirtschaftsförderung
                                   in Kroatien

                                                  Auftraggeber:

Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH

                                                      Verfasser:

                                     Kommunalentwicklung LEG
                                                Olgastraße 86
                                               70180 Stuttgart

                                            Projektbearbeitung:

                                        Prof. Dr. Richard Reschl
                                                    Bertram Roth
                                                  Jürgen Pietsch

                                                  Oktober 2003
Handbuch zur kommunalen Wirtschaftsförderung in Kroatien
HANDBUCH WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG KROATIEN

1       AUSGANGSLAGE ....................................................................................................2

2       AUFGABEN UND ZIELE...........................................................................................2

3       KONZIPIERUNG DES HAN DBUCHS.......................................................................2

4       AUSGANGSLAGE IN KROATIEN............................................................................4
4.1     Politische Entwicklung ................................................................................................... 4
4.2     Wirtschaft ..................................................................................................................... 4
4.3     Steuern ........................................................................................................................ 7
4.4     Verwaltungsstruktur / Modernisierung der Verwaltung ..................................................... 8
4.5     Aktivitäten der Wirtschaftsförderung ............................................................................... 9
4.6     Förderung durch die EU .............................................................................................. 10
4.7     Zum Stand der kommunalen Wirtschaftsförderung ........................................................ 11

5       GRUNDLAGEN DER WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG ...........................................13
5.1     Wirtschaftsordnungspolitik und Wirtschaftsprozesspolitik............................................... 13
5.2     Standortentwicklung und Standortdialog – Aufgaben kommunaler Wirtschaftsförderung.. 14
5.3     Wandel der Rahmenbedingungen ................................................................................ 16
5.4     Organisations- und Rechtsformen ................................................................................ 17
5.5     Ausrichtung der Wirtschaftsförderung ........................................................................... 18
5.5.1   Kommunale Konzepte der Wirtschaftsförderung............................................................ 18
5.5.2   Kooperationen ............................................................................................................ 20
5.6     Anforderungen aus der Europäischen Integration .......................................................... 21

6       METHODEN UND INSTRUMENTE DER WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG ............22
6.1 Methoden der Wirtschaftsförderung.............................................................................. 23
6.1.1 Analytische Grundlagen der Wirtschaftsförderung .......................................................... 23
6.1.2 Management in der Wirtschaftsförderung
      (Flächenmanagement, Projektmanagement etc.) .......................................................... 26
6.1.3 Marketing in der Wirtschaftsförderung (Stadtmarketing, Standortmarketing,
      Regionalmarketing etc.)............................................................................................... 26
6.2 Instrumente der Wirtschaftsförderung ........................................................................... 27
6.2.1 Liegenschafts- und Flächenpolitik ................................................................................ 27
6.2.2 Infrastrukturpolitik........................................................................................................ 28
6.2.3 Initiierung von Standortgemeinschaften ........................................................................ 29
6.2.4 Konzept der Cluster .................................................................................................... 32
6.2.5 Finanzhilfen und Förderprogramme.............................................................................. 33
6.3 Beratung und sonstige Dienstleistungen....................................................................... 33
6.3.1 Kontaktpflege zu den Unternehmen ............................................................................. 34
6.3.2 Unterstützung und Koordination bei Genehmigungsverfahren........................................ 35
6.3.3 Fördermittelberatung................................................................................................... 35

7       HANDLUNGSFELDER UND PRAXISBEISPIELE.................................................37
7.1     Erstellung eines kommunalen Konzeptes zur Wirtschaftsförderung ................................ 37
7.2     Gewerbeflächenmanagement ...................................................................................... 39
7.3     Neuorientierung gewerblich genutzter Flächen.............................................................. 41
7.4     Kompetenz- und Innovationszentren - Standortgemeinschaften ..................................... 45

8       LITERATUR.............................................................................................................47

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Handbuch zur kommunalen Wirtschaftsförderung in Kroatien
HANDBUCH WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG KROATIEN

1    AUSGANGSLAGE
Im Rahmen der Technischen Zusammenarbeit mit Kroatien beauftragte das Bundesmi-
nisterium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) die Deutsche Ge-
sellschaft für Zusammenarbeit und Entwicklung (GTZ) GmbH ein Projekt zur Beratung
kroatischer Regierungseinrichtungen und Nicht-Regierungsorganisationen bei der Pro-
grammierung und Umsetzung regionaler Entwicklungsplanung durchzuführen. In der Zu-
sammenarbeit mit den Kommunen hat sich gezeigt, dass ein erheblicher Unterstützungs-
und Beratungsbedarf im Bereich kommunaler Wirtschaftsförderung besteht. Es wurde
deutlich, dass das bislang häufig angewandte Instrumentarium der Wirtschaftsförderung
bezogen auf die Bedingungen in Kroatien zu wenig flexibel ist und zeitgemäße Methoden
zur Bestandspflege und zur Förderung des lokalen Unternehmertums noch kaum entwi-
ckelt sind.
Ein erster Austausch zu neuen Instrumenten und Methoden kommunaler Wirtschaftsför-
derung erfolgte im Rahmen der Konferenz „Kommunale Wirtschaftsförderung im County
Split“ am 13. und 14. Juni 2002. Diese Ansätze sollen durch die Erarbeitung praxisorien-
tierter Arbeitsmaterialien als Handreichung für die Akteure vor Ort weitergeführt werden.

2    AUFGABEN UND ZIELE
Ziel ist es, aufbauend auf den Erfahrungen deutscher Kommunen im Bereich kommu-
naler und regionaler Wirtschaftsförderung praxisorientierte Arbeitsmaterialien zu erstel-
len. Die Arbeitsmaterialien sollen konkrete Handlungsempfehlungen für eine qualifizierte
Bestandspflege und Förderung des lokalen Unternehmertums beinhalten. Sie beziehen
sich dabei in erster Linie auf das produzierende Gewerbe und produktionsorientierte
Dienstleistungen. Im Mittelpunkt stehen die Bereiche
?? Dialog- und Kooperationsangebote,
?? Information und Beratung,
?? Kommunaler Service für die Wirtschaft,
?? Bestandserhebungen, Bewertungen etc.
Die Arbeitsmaterialien richten sich in erster Linie an Wirtschaftsförderungseinrichtungen
in Städten mit 20.000 bis 250.000 Einwohnern. Diese große Spanne kommunaler Größe
erscheint sinnvoll, um die entscheidenden Standorte einer dekonzentrierten Wirtschafts-
entwicklung in ihrer ganzen Bandbreite zu erfassen.

3    KONZIPIERUNG DES HANDBUCHS
In einem ersten Schritt werden die Bestandteile und Inhalte des Handbuchs geklärt und
Empfehlungen ausgearbeitet, wie das Handbuch fortgeführt und ergänzt werden kann.
Zur Ausgestaltung des Handbuchs werden von der KE Vorschläge unterbreitet.
In Kapitel 4 wird auf die Ausgangslage in Kroatien (wirtschaftliche und politische Ent-
wicklung, Aktivitäten der Wirtschaftsförderung etc.) eingegangen. In Kapitel 5 werden die
Grundlagen der Wirtschaftsförderung und in Kapitel 6 Methoden und Instrumente der
Wirtschaftsförderung vorgestellt. Kapitel 7 beinhaltet konkrete Praxisbeispiele zu den
Aufgaben kommunaler Wirtschaftsförderung. Die Inhalte dieser Kapitel basieren im we-
sentlichen auf einer Veröffentlichung von Prof. Dr. Richard Reschl und Dr. Walter Rogg
(„Kommunale Wirtschaftsförderung. Standortdialog und Standortentwicklung in Kommu-
nen und Regionen“. 2003).

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HANDBUCH WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG KROATIEN

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HANDBUCH WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG KROATIEN

4     AUSGANGSLAGE IN KROATIEN
In diesem Kapitel werden die wirtschaftsräumlichen und administrativen Grundstrukturen
sowie die wirtschaftlichen Entwicklungstendenzen von Kroatien dargelegt.

4.1   Politische Entwicklung
1990 gab sich Kroatien eine eigene republikanische Verfassung; 94% der Kroaten
stimmten im Mai 1991 für die Unabhängigkeit, die formell am 25. Juni 1991 in Zagreb er-
klärt wurde. Seit der Verfassungsreform im Jahre 2001 ist Kroatien eine parlamentarische
Demokratie. Das Einkammerparlament („Sabor“) mit 151 Sitzen wird in einer Ver-
hältniswahl alle 4 Jahre gewählt. Das Staatsoberhaupt wird alle 5 Jahre direkt gewählt.
Die Verfassung folgt dem Grundsatz der Gewaltenteilung und enthält einen umfangrei-
chen Katalog von Grundrechten und Grundfreiheiten. Die Judikative ist unabhängig, die
Bestimmungen über das Verfassungsgericht sind in einem eigenen Abschnitt der Ver-
fassung niedergelegt.
Wichtigstes außen- und sicherheitspolitisches Ziel Kroatiens ist die Vollmitgliedschaft in
der NATO und in der EU. Auf diesem Weg hat das Land seit Anfang 2000 nachhaltige
Fortschritte erzielt. Kroatien ist seit 25. Mai 2000 Teilnehmer in der „Partnership for Pea-
ce“ und seit dem Jahr 2000 Mitglied der „Wilnius-Gruppe“ der Aspiranten. Mit der Unter-
zeichnung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens mit der EU am 29.10.2001
hat Kroatien den Status eines potentiellen Beitrittskandidaten erreicht. Anfang März 2003
wurde die Aufnahme von Kroatien zur Europäischen Union förmlich beantragt.
Anfang März 2003 hat der kroatische Ministerpräsident Ivica Racan dem derzeitigen
Ratspräsidenten der EU den Antrag zum Beitritt Kroatiens zur EU überreicht. Ziel der Re-
gierung ist es, zusammen mit Bulgarien und Rumänien im Jahr 2007 der EU beitreten zu
können. Rumänien und Bulgarien wurde bereits auf dem EU Gipfeltreffen in Kopenhagen
im Dezember 2002 eine EU-Mitgliedschaft im Jahr 2007 in Aussicht gestellt.
Die Städte und Gemeinden müssen sich deshalb bereits heute auf die Konsequenzen ei-
ner EU-Mitgliedschaft einstellen. Die zunehmende europäischen Integration hat darüber
hinaus erhebliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung Kroatiens. Auch für
die kommunale und regionale Wirtschaftsförderung ergeben sich völlig neue Möglichkei-
ten und Perspektiven.
Im Rahmen des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens (SAA) bereitet sich Kroa-
tien bereits intensiv auf die Annäherung an die EU vor. Mit dem Inkrafttreten des am
29.10.2001 unterzeichneten Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens beginnt eine
6-jährige Übergangszeit, in der Kroatien bereits rund 60 Prozent des EU Rechts in sein
nationales Recht übernehmen muss.
Seit dem Jahr 2000 ist Kroatien Mitglied der WTO; seit Mai 2002 nimmt Kroatien am
Membership Action Plan der NATO (MAP) teil.

4.2    Wirtschaft
Wirtschaftliche Entwicklung und aktuelle Lage
Bis zur Wende 1989 und der Krise im gesamtjugoslawischen Wirtschaftsraum war Kroa-
tien durch eine gut ausgebaute, aber teilweise veraltete Industrie gekennzeichnet. Dar-
über hinaus verfügte Kroatien über eine leistungsfähige Landwirtschaft zur Deckung des
Eigenbedarfs und eine starke Tourismusbranche.

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HANDBUCH WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG KROATIEN

Diese drei Säulen der kroatischen Industrie sind durch den Krieg und die Transformation
in die Marktwirtschaft weggebrochen. Der Tourismus, der sich nach 1995 zeitweise wie-
der erholt hatte, erlitt mit der Kosovokrise 1999 einen neuen Tiefschlag. Seit dem Jahr
2000 konnte er sich wieder erholen und ist mit Einkünften von 3,7 Mrd. Euro einer der
Lichtblicke in der kroatischen Wirtschaft.
Die wirtschaftliche Lage des Landes ist seit 2000 durch eine leichte Erholung gekenn-
zeichnet. Im Jahr 2001 erreichte Kroatien ein BIP-Wachstum von 3,8 %; im Jahr 2002
wurde ein Wachstum von 4,5 % erzielt und die industrielle Produktion erhöhte sich ge-
genüber dem Vorjahr um 6%. Die Prognosen für das Wachstum im Jahr 2003 liegen zwi-
schen 4 und 5 %.
Die Inflationsrate verringerte sich weiter von 6,2 % (2000) über 4,9 % (2001) auf 2,3 % im
Jahr 2002.
Trotz beachtlicher makroökonomischer Erfolge im Jahre 2001 bleibt die wirtschaftliche
Lage aber problematisch. Das Haushaltsdefizit betrug im Jahr 2001 5,2% des Bruttoin-
landsprodukts. Eine offene Arbeitslosigkeit von rund 22%, verbreitete Illiquidität der Un-
ternehmen, eine stark defizitäre Sozialversicherung, Produktivitätsrückstände und ein
immer noch großer Bestand an staatlichen Betrieben bewirken einen erheblichen Re-
formdruck. Dieser wird durch die Zielsetzung verstärkt, Gesetzgebung und Realität inner-
halb weniger Jahre auf einen Stand zu bringen, der Kroatien zu einer Mitgliedschaft in
der Europäischen Union befähigt.
Das beachtliche Wirtschaftswachstum, die niedrige Inflationsrate (niedrigste Inflationsrate
aller Transformationsländer) und die Reduzierung des konsolidierten Haushaltsdefizits
verdeutlichen die Erfolge in der Wirtschaftspolitik und haben Weltbank und IWF zu opti-
mistischen Einschätzungen für 2003 veranlasst. Ein neues Stand-By-Arrangement mit
dem IWF wurde ausgehandelt. Die Weltbank wird Kroatien in den kommenden drei Jah-
ren Kredite in Höhe von insgesamt 600 Mio. US Dollar für Strukturanpassungen und Re-
formen zur Verfügung stellen.

Wirtschaftsstruktur
Zum Sozialprodukt trugen im Jahr 2001 Bergbau und Industrie mit 22,9 %, Handel mit
10,9 %, öffentliche Verwaltung mit 10,2 %, Landwirtschaft und Fischerei mit 9,7 %, Ver-
kehr- und Kommunikationen mit 8,2 %, Finanzdienstleistungen mit 8,1%, Wohnungs- und
Kommunalwirtschaft mit 7,8%, Bauwirtschaft mit 5,9 %, Bildung und Kultur mit 4,9 %,
Gesundheit und soziale Fürsorge mit 4,2 % und Handwerk mit 4% bei.
??Im Industrie- und Bergbausektor dominiert die Nahrungsmittelindustrie, gefolgt von
  der chemischen Industrie, der Elektrowirtschaft, der Textilindustrie, der Verlags- und
  Druckindustrie, der Holzverarbeitung, der Herstellung von nichtmetallischen Mineral-
  produkten, der Erdölverarbeitung sowie der Herstellung von Elektromaschinen und -
  geräten.
??Der Tourismus, der an der dalmatinischen Küste und in Istrien seit Jahrzehnten eine
  wichtige Einnahmequelle ist, ging in den Neunzigerjahren stark zurück, hat sich aber
  seit 2000 wieder belebt und ist heute wieder eine der tragenden Säulen der Wirt-
  schaft. Mit 8,2 Mio. registrierten Touristen wurde im Jahr 2002 eine 6%ige Steigerung
  gegenüber dem Vorjahr erreicht. Man rechnet für die kommenden Jahre mit weiteren
  Zuwächsen.

                                                                                          5
HANDBUCH WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG KROATIEN

Tabelle 1 : Anteil am Bruttosozialprodukt
                                          Anteil am Bruttosozialprodukt
Jahr                Industrie    Land- & Forstwirtschaft Bauwirtschaft Dienstleistungen
1991                    33,1           14,5                       4,8           47,5
1999                    27,4             9,8                      6,8           56
                                                                                63,6 davon 12,4 Fi-
1.Halbjahr 2001         23,2             8,1                      5,1
                                                                                nanzdienstleistungen
Quelle: http://www.imoe.de/kroatwistruktur.htm 9.12.2002 und http://www.ewis.de 9.12.2002.

Die regionalen Disparitäten bei der Wirtschaftskraft sind beträchtlich. Das Hinterland
Dalmatiens und die gebirgige Grenzregion zu Bosnien und Herzegowina bleiben weit hin-
ter dem relativ wohlhabenden Nordkroatien zurück.

Außenhandel
Rund 55% des Außenhandels wird mit den Staaten der Europäischen Union abgewickelt.
Wichtigste Handelspartner sind Italien, Deutschland, Österreich und Slowenien. Wichtigs-
te Exportgüter sind Schiffe, Maschinenbauerzeugnisse, elektrische und elektronische
Komponenten sowie Textilien; dabei besteht ein hoher Anteil an lohnveredelten Produk-
ten.
Impulse für die Wirtschaft werden - neben der Annäherung an die EU - von der Mitglied-
schaft Kroatiens in der CEFTA (Central European Free Trade Agreement, seit 1. März
2003, Mitgliedsstaaten sind Polen, Tschechische Republik, Slowakei, Ungarn, Slowenien,
Rumänien und Bulgarien) erwartet). Nach dem Abschluss von 15 Freihandelsabkommen
und der Unterzeichnung des Freihandelsabkommens mit Jugoslawien (dem heutigen
Serbien und Montenegro) am 23. Dezember 2002 hat Kroatien in zwei Jahren ein Frei-
handelsgebiet erschlossen, das sich über 30 Länder erstreckt und 80 % seines Außen-
handels abdeckt.
Mit den neuen Absatzmärkten hat sich gleichzeitig die Notwendigkeit verstärkt, die Kon-
kurrenzfähigkeit kroatischer Waren auf den freien Märkten zu erhöhen - ein Problem von
erstrangiger Bedeutung aufgrund der negativen Außenhandelsbilanz. Das kroatische Au-
ßenhandelsdefizit ist im Jahr 2002 (Januar bis November) um 27,2 % gegenüber dem
Vorjahreszeitraum gestiegen. Das traditionelle Defizit der Handelsbilanz wird durch Ein-
nahmen aus dem Tourismus und durch Überweisungen von Auslandskroaten nahezu
kompensiert.

Ausländische Investitionen
Im Jahr 2001 wurden ausländische Investitionen in Höhe von 1,4 Mrd. US Dollar getätigt
(im Zeitraum 1993 bis 2000 insgesamt 4,6 Mrd. US Dollar). Ausländische Kapitalanlagen
gingen besonders in die Bereiche Handel, Dienstleistungen, Kreditwirtschaft und Tele-
kommunikation, wenig dagegen in den produzierenden Bereich. Im Oktober 2001 über-
nahm die Deutsche Telekom weitere 16 % und damit die Mehrheit an der Kroatischen
Telekom.

                                                                                                       6
HANDBUCH WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG KROATIEN

Tabelle 2 : Direktinvestitionen 1993 - 2001
                                        Direkinvestitionen in            Anteil in %
                                              Mio. US $
 Österreich                                   1.809,38                        27,2
 Deutschland                                    1.715,02                      25,8
 USA                                            1.207,36                      18,2
 Luxemburg                                       371,44                         5,6
 Niederlande                                     240,54                         3,6
 Grossbritannien                                 221,27                         3,3
 Slowenien                                       178,08                         2,7
 Italien                                         148,84                         2,2
 Lichtenstein                                    131,57                         2,0
 Schweden                                        124,26                         1,9
 Andere Länder                                   497,03                         7,5
 Gesamt                                         6.644,80                     100,0
Quelle: www.hgk.hr

Die Direktinvestitionen im Jahr 2002 betragen über 1,6 Mrd. US Dollar.
Ursache für die Zurückhaltung ausländischer Investoren sind die relativ hohen Produkti-
onskosten (im Vergleich zu anderen Staaten Südosteuropas) und Probleme bei der
Durchsetzung von Rechtsansprüchen. Zudem leidet die Wettbewerbsfähigkeit kroatischer
Erzeugnisse unter der hoch bewerteten Landeswährung Kuna.

Privatisierungen
Die Privatisierung des ehemaligen gesellschaftlichen Eigentums kommt nur langsam vor-
an; bis Ende 1999 sind nur Klein- und Mittelbetriebe in Privateigentum überführt worden.
Bei kleinen und mittleren Betrieben kam es allerdings auch zu einer Gründerwelle und
zwar vornehmlich bei Dienstleistungsunternehmen.
Am 14.November 2002 hat die kroatische Regierung einen Operationsplan zur Privati-
sierung im Staatsbesitz befindlicher Unternehmen beschlossen. Dies soll innerhalb der
nächsten 18 Monate umgesetzt werden.

4.3    Steuern
Das kroatischen Steuersystem orientiert sich an den Steuersystemen in den westeuro-
päischen Ländern. Alle Steuerpflichtigen, d.h. in- und ausländische natürliche und juristi-
sche Personen sind gleichgestellt.
Folgende Steuern gibt es derzeit in Kroatien:
A Vom Staat erhoben:
??Einkommenssteuer
??Gewinnsteuer (Körperschaftssteuer)
??Mehrwertsteuer
??Sondersteuer für bestimmte Produkte (Erdöl und Erdölderivate, Tabakwaren, alkohol-
  freie Getränke, Bier, Kaffee, Automobile und andere Fahrzeuge, Wasserfahrzeuge,
  Flugzeuge, Luxusartikel)

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HANDBUCH WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG KROATIEN

B Von den Gespanschaften werden erhoben:
??Erbschafts- und Schenkungssteuer
??KFZ - Steuer
??Steuer für Wasserfahrzeuge
??Glücksspielsteuer

C Von Städten und Gemeinden werden erhoben:
??Verbrauchssteuer
??Steuer für Ferienhäuser
??Steuer für Werbung
??Gesellschaftssteuer
??Steuer für die Nutzung öffentlichen Landes
Allerdings generieren die regionalen und kommunalen Gebietskörperschaften 80% ihrer
Finanzen aus einem Anteil an Steuern des Staates, hauptsächlich aus der Einkommens
– und Gewinnsteuer. Zusätzlich bekommen unterentwickelte Gespanschaften sowie
Städte und Gemeinden Beihilfen vom Staat. Spezifische Förderprogramme bestehen für
„Areas of Special State Concern“, d.h. Gebiete, die besonders von den Folgen des Krie-
ges betroffen sind.

4.4     Verwaltungsstruktur / Modernisierung der Verwaltung
Kroatien ist verwaltungsmäßig in 20 Bezirke, sogenannte Komitate oder Gespanschaften
(Zupanija) und die Hauptstadt Zagreb (besondere Verwaltungseinheit) unterteilt. Nach
den Wahlen im Januar 2000 begann die neue Regierung eine Verwaltungsreform. Diese
hat als Ziel eine umfassende Dezentralisierung und verlagert einige Machtbefugnisse auf
die mittlere (Komitate) und untere Ebene (Städte und Gemeinden).

Tabelle 3: Größe und Struktur der Gespanschaften
                                     Fläche      Bevölkerung        Städte    Gemeinden
 Nr.        Gespan / Komitat      in qkm In %    absolut   %      Anzahl In % Anzahl In %

  I           Zagrebacka          3.078   5,44   282.989   5,92     8    6,56   26   6,16
  II       Krapinsko-Zagorska     1.230   2,18   148.779   3,1      7    5,74   25   5,92
  III     Sisacko-Moslovacka      4.448   7,87   251.332   5,25     6    4,92   13   3,08
 IV            Karlovacka         3.622   6,4    184.577   3,85     5    4,1    16   3,79
  V           Varazdinska         1.260   2,23   187.853   3,93     6    4,92   22   5,21
 VI      Koprivnicko-Krizevacka   1.734   3,08   129.397   2,7      3    2,46   22   5,21
 VII     Bjelovarsko-Bilogorska   2.638   4,67   144.042   3,01     5    4,1    18   4,27
 VIII     Primorsko-Goranska      3.590   6,35   323.130   6,75    14   11,47   21   4,97
  IX         Licko-Senjska        5.350   9,46    85.135   1,78     4    3,28   8    1,91
  X       Viroviticko-Podravska   2.021   3,57   104.625   2,19     3    2,46   13   3,08
  XI       Pozesko-Slavonska      1.821   3,22    99.334   2,08     4    3,28   6    1,42
 XII       Brodsko-Posavska       2.027   3,58   174.998   3,66     2    1,64   26   6,16
 XIII          Zadarska           3.643   6,44   214.777   4,49     6    4,91   26   6,16
 XIV       Osjecko-Baranjska      4.149   7,33   367.193   7,68     7    5,74   35   8,29
 XV        Sibensko-Kninska       2.994   5,3    152.477   3,19     5    4,1    13   3,08
 XVI      Vukovarsko-Srijemska    2.448   4,33   231.241   4,83     4    3,28   26   6,16

                                                                                            8
HANDBUCH WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG KROATIEN

                                        Fläche        Bevölkerung          Städte    Gemeinden
    Nr.        Gespan / Komitat      in qkm In %      absolut   %        Anzahl In % Anzahl In %

 XVII        Splitsko-Dalmatinska     4.524    8      474.019    9,91     16     13,1   39    9,24
 XVIII             Istarska           2.813   4,98    204.346    4,27      9     7,38   29    6,87
    XIX     Dubrovacko-Neretvanska    1.782   3,15    126.329    2,64      5     4,1    17    4,04
    XX           Medimurska            730    1,29    119.866    2,51      3     2,46   21    4,98
    XXI          Grad Zagreb           640    1,13    777.826    16,26    (1)     x     0      x
Total                                56.542   100    4.784.265   100      122    100    424   100
                                                                         (123)
Quelle: www.dzs.hr

Schon das 1990 verabschiedete Grundgesetz der Republik Kroatien beinhaltet das Recht
auf lokale Selbstbestimmung der Bürger über lokale Bedürfnisse und Interessen. Dazu
zählen:
??Flächennutzungsplanung,
??Stadtplanung,
??Raumplanung,
??Kinderbetreuung,
??Sozialhilfe,
??Kultur & Sport,
??Umweltschutz und –Entwicklung.
Das Gesetz zur Lokalen und Regionalen Selbstverwaltung vom April 2001 soll als Rah-
men zur Zuständigkeitsteilung zwischen der zentralen und den lokalen Regierungen die-
nen. Darin ist das Subsidiaritätsprinzip verankert. Neben denen im Grundgesetz veran-
kerten Aufgaben kamen noch dazu:
??Wohnungspolitik,
??Sozialer Wohnungsbau,
??lokale Wirtschaftsförderung,
??Förderung/Unterstützung des Tourismus und Beschäftigungsanreizen,
??Gesundheitswesen,
??Bildung und Ähnliches.

4.5       Aktivitäten der Wirtschaftsförderung
Kommunale Wirtschaftsförderung ist auch in Kroatien eine freiwillige Aufgabe, die ihre
Begründung aus der Zuständigkeit der Gemeinde bezieht. Kommunale Wirtschaftsförde-
rung wird dem Bereich der Daseinsvorsorge zugerechnet. Sie gehört damit zu einem
Kernbestandteil kommunaler Politik.
Auf Landesebene stehen folgende Förderprogramme zur Verfügung.
A        Gesetz zur Investitionsförderung (Juli 2000):
Maßnahmen zur Förderung von in- und ausländischen juristischen und natürlichen Per-
sonen. Förderungen zur:
??Einführung neuer Technologien, neuer Produktionsprozesse und Dienstleistungen
??Schaffung neuer Arbeitsplätze
??Erhöhung der Exporte
??Betätigung in wirtschaftlich schwachen Gebieten

                                                                                                     9
HANDBUCH WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG KROATIEN

Die Investitionsförderungen bestehen aus Steuer und Zollbegünstigungen und einiger
sonstiger Förderungsmaßnahmen wie z.B. finanzieller Hilfe bei Schaffung neuer Ar-
beitsplätze.

B     Sonderprogramm zur Unterstützung der Weiterentwicklung bereits
      gegründeter kleiner Unternehmen
Das Sonderprogramm zur Unterstützung der Weiterentwicklung bereits gegründeter klei-
ner Unternehmen umfasst folgende Aufgaben
??Erteilung von Garantien für Bankkredite
??Teilübernahme von Kreditkosten
??Erleichterungen bei der Kapitalbeschaffung (private Unternehmer und Handwerker)

C     Kroatische Garantieagentur
Die Kroatische Garantieagentur (Hrvatska garancijska agencija) unterstützt Unternehmen
in der Gründungs- und Anfangsphase durch:
??Kreditgarantien
??Beratungstätigkeiten
??Schulungen
??Hilfestellungen bei Investitionsvorhaben
??Intensive Betreuung im ersten Geschäftsjahr

4.6    Förderung durch die EU
Die Republik Kroatien hat das politische Ziel innerhalb des Prozesses der Europäischen
Integration so schnell wie möglich vertragliche Beziehungen zur EU zu unterhalten.
Durch den Stabilisierungs- und Assoziationsprozesses (SAP) und die damit verbundene
Anpassung des Rechtssystems, der politischen- und der wirtschaftlichen Systeme an EU-
Strukturen, soll die Republik Kroatien an die EU herangeführt werden.
Am 29. Oktober 2001 unterzeichnete Kroatien einen Stabilitäts- und Assoziierungsvertrag
mit der EU. Zu Beginn des Jahres 2002 fanden bereits 78 % des kroatischen Au-
ßenhandels unter Freihandelsbedingungen statt.
Zur Unterstützung des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess wurde von der EU das
Programm CARDS (Community Assistance for Reconstruction, Development and Stabili-
sation) aufgelegt. CARDS soll zur Stabilisierung der Empfängerländer beitragen und sie
bei der tiefergehenden Integration in die EU unterstützen. Für folgende Projekte können
Fördermittel von föderativen, regionalen und kommunalen Verwaltungen, staatlichen und
halbstaatlichen Einrichtungen; Sozialpartnerschaften, Wirtschaftsfördereinrichtungen, Ge-
nossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften, Verbänden, Stiftungen und Nichtregie-
rungsorganisationen beantragt werden:
??Wiederaufbau,
??Stabilisierung der Region,
??Hilfe für zurückkehrende Flüchtlinge und Vertriebenen,
??Unterstützung der Demokratie,
??Aufbau eines Rechtsstaats,
??Menschen und Minderheitenrechte,
??Aufbau einer Zivilgesellschaft,
??Aufbau von Unabhängige Medien,
??Bekämpfung organisierter Kriminalität,
??Entwicklung einer nachhaltigen marktorientierten Wirtschaft,

                                                                                       10
HANDBUCH WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG KROATIEN

??Bekämpfung der Armut,
??Gleichberechtigung,
??Aus- und Weiterbildung,
??Umweltsanierung,
??regionale, transnationale, internationale und interregionale Kooperation zwischen Em-
  pfänger Ländern und der Union und anderen Ländern der Region

4.7   Zum Stand der kommunalen Wirtschaftsförderung
Zur Einschätzung der gegenwärtigen Lage der kommunalen Wirtschafsförderung und zu
den möglichen Perspektiven kommunaler Wirtschaftsförderung wurde eine schriftliche
Befragung ausgewählter Wirtschafsförderer durchgeführt. Die Ergebnisse sind nachfol-
gend zusammengefasst.
Zu den zentralen Problemen der Entwicklung im industriell-gewerblichen Bereich gehö-
ren:
?? Es gibt keine ausreichend klaren Kriterien bezüglich der Gründung derselben.
?? Die Kommunen sind finanziell nicht in der Lage die Grundstücke selbst zu erwerben.
?? Bürokratische Hemmnisse bei allen Aktivitäten, die mit vermögensrechtlichen Ver-
    hältnissen, Raumordnungsplänen und der kommunalen Ausstattung zusammenhän-
    gen.
?? Hohe Anforderungen der Banken bei der Besicherung von Krediten.
?? Auf Grund des Bankgesetzes ist es unmöglich, kleine „Existenzgründer-Programme“
    direkt zu kreditieren oder für sie Sicherheiten zu stellen.
?? Das bestehende Arbeitsgesetz ist unflexible und behindert somit Investitionen.
Hemmnisse für eine effektive und effiziente Wirtschaftsförderung in Kroatien sind:
?? Es gibt eine Inflation an Fördermaßnahmen mit unterschiedlichsten Erfolgsparame-
   tern (neue Arbeitsplätze, Investitionssteigerung, höherer Gewinn).
?? Es mangelt an Programmen für Existenzgründer.
?? Es fehlen Entwicklungsprojekte.
?? Fehlendes qualifiziertes Personal und DV-Ausstattung für die Wirtschaftsförderung.
?? Die im Haushalt vorgesehenen Mittel zur Wirtschaftsförderung sind zu gering.
?? Es gibt zu viele Fördermaßnahmen, die nicht einmal von den dafür zuständigen Per-
   sonen nachvollzogen werden können.
?? Starke Trennung der Institutionen/fehlende Koordination und Abstimmung zwischen
   den Institutionen.
Zu den gegenwärtigen Aufgaben der kommunalen Wirtschaftsförderung in Kroatien gehö-
ren:
?? Gründung eines speziellen Fonds für risikoreiche Anlagen bei der HBOR (Kroatische
    Bank für Wiederaufbau und Entwicklung), der HGA (Kroatische Agentur für Sicher-
    heiten (Garantien) und dem MOMSP (Ministerium für Handwerk und KMUs).
?? Angebot an hochwertigen Projekten in internationaler Zusammenarbeit.
?? Spezieller Fonds für Existenzgründer.
?? Unterstützung bei der Gründung und Ausstattung der gewerblich-industriellen Zonen.
?? Unterstützung bei der Verwirklichung von staatlichen Fördermaßnahmen und Kredi-
    ten.
?? Eigene kommunalspezifische Maßnahmen.

                                                                                     11
HANDBUCH WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG KROATIEN

Ansatzpunkte der kommunalen Wirtschaftsförderung im gewerblich-industriellen Bereich
sind:
?? Verabschiedung eines speziellen kommunalen Vergünstigungsprogramms für ge-
    werblich-industrielle Bereiche.
?? Änderung der bisherigen Entscheidungen im kommunalen Bereich und Ermöglichen
    des Zugangs zu gewerblich-industriellen Bereichen durch Konzessionen und andere
    Instrumente.
?? Definieren und Gründen eines Systems zum Steuern der gewerblich-industriellen Be-
    reiche.
?? Maximale Senkung der Zutrittskosten und – fristen für neue Investoren.
?? Sicherstellung aller kommunalen und administrativen Voraussetzungen (Straßen,
    Gas, Standortgenehmigung, etc.).
Zu den zukünftige Handlungsansätzen gehören
?? Sicherstellung der Mittel für die Fortsetzung der Entwicklungsprogramme.
?? Gründung von Garantiefonds.
?? Gründung von Investmentfonds für „green field“ Investitionen.

                                                                                  12
HANDBUCH WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG KROATIEN

5     GRUNDLAGEN DER WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG
5.1   Wirtschaftsordnungspolitik und Wirtschaftsprozesspolitik
In der Wirtschaftspolitik kann zwischen Wirtschaftsordnungspolitik und Wirtschaftspro-
zesspolitik unterschieden werden. Während sich die Wirtschaftsordnungspolitik vor allem
auf die Installierung eines rechtlich normierten Regelsystems bezieht, sind mit dem Beg-
riff Wirtschaftsprozesspolitik vor allem die Aktivitäten gemeint, die innerhalb dieses ge-
setzten Rahmens auf Struktur und Ablauf wirtschaftlicher Prozesse einwirken. Beispiele
für den ersten Bereich sind alle gesetzgeberischen Maßnahmen, welche die Wirtschafts-
struktur betreffen und zum Beispiel Institutionen und Strukturen schaffen, die Wirt-
schaftspolitik effizient gestalten. Auf dieser Ebene sind vor allem die übergeordneten E-
benen der EU und der Gesetzgeber tätig.
Die zweite Interventionsebene betrifft die kommunale Wirtschaftsförderung unmittelbar.
Sie ist ihr Betätigungsfeld, zum Beispiel im Rahmen sektoraler und kommuna-
ler/regionaler Strukturpolitik.
Es ist durchaus sinnvoll, auch auf kommunaler und regionaler Ebene zwischen Wirt-
schaftspolitik und Wirtschaftsförderung zu unterscheiden. Vereinfacht könnte man for-
mulieren, dass im Rahmen der Wirtschaftspolitik Grundlagen festgelegt werden. Die Wirt-
schaftsförderung dagegen ist stärker instrumentell orientiert und versucht die festgeleg-
ten politischen Grundsätze zu realisieren.
Kommunale Wirtschaftsförderung wird im allgemeinen wie folgt definiert:
    „Kommunale Wirtschaftsförderung ist die zur Daseinsvorsorge zählende Aufgabe der
    Gemeinden, Städte und Landkreise, die durch eine Schaffung bzw. Verbesserung der
    Standortbedingungen für die Wirtschaft das wirtschaftliche und soziale Wohl der Be-
    völkerung in den Gemeinden und im Kreis sichert oder steigert.“ (Knemeyer, 1980)
Festzuhalten ist, und dies ist das eigentlich Interessante an dieser Definition, dass das
Aufgabenfeld der Wirtschaftsförderung ganz selbstverständlich der Daseinsvorsorge zu-
gerechnet wird. Kommunale Wirtschaftsförderung hat also vor allem die Verbesserung
der Lebensbedingungen der Einwohner auf kommunaler und regionaler Ebene anzu-
streben und einen Beitrag zu Absicherung und Ausbau des Lebensstandards zu leisten.
Konkretisiert man diesen Leitsatz, ergeben sich daraus vor allem vier Zielsetzungen für
kommunale Wirtschaftsförderung. Sie soll
?? die vorhandenen Arbeitsplätze sichern und - wenn möglich - neue schaffen,

?? die Finanzkraft der Kommunen stärken,
?? die ansässigen Unternehmen krisenfester machen,
?? und den kommunalen bzw. regionalen Standort im Wettbewerb stärken.

Schon aus dieser Auflistung ergibt sich, dass die einzelnen Kommunen diesen Aufgaben
nur noch bedingt gewachsen sind. Viel deutlicher als früher sind interkommunale Abstim-
mungen und regionale Kooperationen gefragt.

Etablierung der Wirtschaftsförderung
Traditionelle Wirtschaftsförderung auf kommunaler Ebene bedeutete in der Vergangen-
heit vor allem die Bereitstellung von Gewerbeflächen. Wirtschaftsförderung war Flä-
chenpolitik und wurde von den „Liegenschaftsverwaltungen“ quasi „mit erledigt“.
Vor allem die Wirtschaftskrise Ende der 90 Jahre macht den Kommunen deutlich, dass
Wirtschaftspolitik und die Verantwortung für die wirtschaftliche Entwicklung nicht nur auf
der Landesebene angesiedelt ist, sondern Kommunen unmittelbar gefordert sind. Vor al-
lem die Folgen wirtschaftlicher Krisen im Zusammenhang mit massiven Strukturumbrü-

                                                                                        13
HANDBUCH WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG KROATIEN

chen brachten die Kommunen dazu, Wirtschaftsförderung als eigenständige Aufgabe zu
begreifen. In vielen Fällen wurde diese Aufgabe mit eigenem Personal angegangen.
Neben der Gewerbeflächenpolitik rückt die Bestandspflege bereits ansässiger Unter-
nehmen in den Vordergrund, die weit mehr beinhaltet als ein jährliches Weihnachtsessen
zwischen Verwaltung bzw. Bürgermeister und der örtlichen Unternehmerschaft.

5.2   Standortentwicklung und Standortdialog – Aufgaben kommunaler
      Wirtschaftsförderung
Die klassischen Aufgaben kommunaler Wirtschaftsförderung sind zum einen die Akqui-
sition mobiler Betriebe und zum anderen die Bestandspflege ansässiger Unternehmen.
Die letztgenannte Aufgabe setzt sich wiederum aus den zwei Bereichen der Bestandssi-
cherung und der Bestandserweiterung zusammen. Gerade die Bestandspflege ist die ei-
gentliche Ressource der Wirtschaftsförderung.
Der Aktivierung endogener Potenziale wird immer noch zu wenig Beachtung geschenkt.
Nicht zu unterschätzen ist allerdings der Aufwand für eine systematische Bestandspflege,
die über eine demonstrative Beschäftigung mit diesem Problemkreis hinaus geht.

Tabelle 4: Standortdialog und Standortentwicklung
                            Standortdialog und Standortentwicklung

                                              Aufgaben
            Akquisition mobiler Betriebe                           Bestandspflege
                                                     Bestandssicherung     Bestandserweiterung

                                            Instrumente
 ?? Schaffung von Gewerbeflächen/                   ?? Bereitstellung von Erweiterungsflächen/
    Reaktivierung von Brachen                          Reaktivierung von Brachen
 ?? Ansiedlungswerbung                              ?? Beratung und Betreuung
 ?? Bereitstellung wirtschaftsnaher Infrastruktur   ?? Förderung von Existenzgründern
                            Wirtschaftsförderung als „one stop- agency“

In der kommunalen Praxis kann man den Eindruck gewinnen, dass Kommunalpolitike-
rinnen und Kommunalpolitiker vor allem an arbeitsplatzintensive und spektakuläre An-
siedlungen denken, wenn sie sich mit dem Thema Wirtschaftsförderung beschäftigen.
Das Potenzial mobiler Betriebe ist jedoch äußerst gering. Zum Beispiel sind es aber in
der Bundesrepublik Deutschland nur noch etwa 250 Unternehmen, die einigermaßen ar-
beitsplatzrelevant sind und einen neuen Standort suchen.
Arbeitsplätze werden überwiegend in bestehenden kleineren und mittleren Unternehmen,
durch Existenzgründer u.s.w. geschaffen. Dies ist ein Beleg dafür, dass sich die Rah-
menbedingungen für kommunale Wirtschaftsförderung deutlich verändert haben.
Die kommunale Praxis der Wirtschaftsförderung ist prosaisch. Die Neuakquisition von
Unternehmen orientiert sich an den gängigen Aktivitäten, wie zum Beispiel der Bereit-
stellung von Gewerbeflächen, der Ansiedlungswerbung und dem Ausbau der wirt-
schaftsnahen Infrastruktur.

                                                                                                 14
HANDBUCH WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG KROATIEN

Die Bestandspflege dagegen ist in der inzwischen geforderten Form und Qualität ein
neues Aufgabenfeld, bei dessen Bearbeitung vor allem kommunikative und soziale Kom-
petenzen gefordert sind. Die Beratung, Betreuung und Förderung von Existenzgründern
ist dabei ein herausragendes Aktions- und Handlungsfeld.
Neben diesen traditionellen Schwerpunkten sind von Wirtschaftsfördereinrichtungen auf
kommunaler Ebene vor allem Aufgaben im Zusammenhang mit Flächenmanagement,
Stadtentwicklung/Stadtmarketing und Tourismusförderung wahrzunehmen.
Insgesamt lassen sich in der Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung sieben Aufga-
benbereiche benennen:
?? Verbesserung der Grundlagen der Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung
?? Flächenvorsorge und Standortplanung

?? Sicherung und Entwicklung vorhandener Betriebe
?? Förderung der Schaffung neuer Betriebe und Arbeitsplätze
?? Wissens- und Technologietransfer

?? Förderung von Qualifizierung und Beschäftigung
?? Standortmarketing, Imagebildung.

Dieser Katalog ist umfassend und natürlich an der spezifischen Aufgabenstellung und der
jeweiligen Größenklasse der Kommunen auszurichten.
Betrachtet man die Aufgabe der Wirtschaftsförderung von der Ebene der zu erbringenden
Produkte her, ist eine Aufteilung in die Bereiche unternehmensorientierte Dienst-
leistungen, beschäftigungsorientierte Dienstleistungen und Gutachten/Stellungnahmen
bzw. Kooperation/Koordination sinnvoll.
Um den geschilderten Aufgaben gerecht zu werden, werden der kommunalen Wirt-
schaftsförderung neue Qualitäten abverlangt. Im Dialog mit Unternehmen und wirt-
schaftsorientierten Institutionen sollen sie
?? Initiatoren für Aktivitäten,

?? Unterstützer für Ideen und Projekte und
?? Moderatoren bei auftretenden Problemen sein.

Am griffigsten kann man diese neue Ausrichtung der Wirtschaftsförderung mit dem Beg-
riffspaar „Standortdialog und Standortentwicklung“ charakterisieren. Im Dialog mit den
Wirtschaftspartnern – von den Kammern, den Gewerkschaften bis hin zur Arbeitsver-
waltung und auch den Forschungseinrichtungen - ist der Standort zu sichern und hin-
sichtlich einer sinnvollen und stimmigen Unternehmensstruktur zu entwickeln.

                                                                                     15
HANDBUCH WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG KROATIEN

Abbildung 1: Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung

                               Wirtschafts- und
                           Beschäftigungsförderung

      Unternehmens-           Beschäftigungs-           Gutachten /
         orientierte             orientierte          Stellungnahmen
      Dienstleistungen        Dienstleistungen       bzw. Kooperation /
                                                        Koordination

                                                         Gutachten /
                               Beschäftigungs-        Stellungnahmen
      Bestandspflege /           sicherung /         im Auftrag von Po-
        Entwicklung             -entwicklung            litik und Ver-
                                                      waltungsführung

      Ansiedlungsförde-         Existenzgrün-           Gutachten /
      rung / Akquisition            dungs             Stellungnahmen
                                  förderung            als Service für
                                                            Dritte

      Entwicklung der           Qualifizierung         Kooperation /
      Standortfaktoren                                 Koordination

                                Reintegration
                               Erwerbstätigkeit
Quelle: KGSt, 1997

5.3    Wandel der Rahmenbedingungen
Die politischen, wirtschaftlichen und technologischen Rahmenbedingungen für kommu-
nales Handeln haben sich drastisch verändert. Die Stichworte, die diesen Wandel cha-
rakterisieren, sind
?? die zunehmende europäische Integration,
?? die Globalisierung von Produktion, Kapital, Dienstleistungen und Märkten

?? und der hohe Stellenwert der Informationsverarbeitung und der Telekommunikation.

Besonders deutlich werden die Veränderungen im wirtschaftlichen Bereich. Kommunen
und Unternehmen sehen sich hier konfrontiert mit Strukturänderungen hin zur Dienst-
leistungsgesellschaft, der Erhöhung des Qualifikationsniveaus der Beschäftigten, dem
Wandel zu Know-how-intensiver Produktion, der nach wie vor hohen Arbeitslosigkeit bei
gleichzeitiger Knappheit an Fachkräften in manchen Branchen und Regionen.

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Städte und Gemeinden sind darüber hinaus mit Standortstrategien von Unternehmen
konfrontiert, die sich unmittelbar auf ihre Wirtschaftskraft auswirken. Die neue Dimension
in der Globalisierung macht dies deutlich: Nicht mehr allein die sogenannten Global Play-
er investieren weltweit, sondern auch mittelständische Unternehmen überdenken ihre In-
vestitionsstrategien. „Standorttreue“, die Bindung von Unternehmen an einen Ort, ist nicht
mehr automatisch gegeben.
Fakt ist, dass im Rahmen der Globalisierung völlig neue Ketten der Wertschöpfung ge-
schaffen werden, die prägenden Einfluss auf viele betriebliche Belange haben. Um ein
Beispiel aus der Automobilindustrie zu benennen: Entwickelt wird in einem Land, in ei-
nem anderen wird das Auto produziert und auf dem weltweiten Markt abgesetzt. Solche
Formen weltweiter Arbeitsteilung und Kooperation werden zunehmen.
Dies alles macht deutlich, dass es heute in der kommunalen Wirtschaftsförderung bei der
Schaffung von Perspektiven für die Unternehmen, dem Erhalt und Ausbau von Arbeits-
plätzen und kommunaler Wirtschaftskraft nicht mehr nur um die Bereitstellung neuer Ge-
werbeflächen geht. Vielmehr sind neue Strategien kommunalen Handelns gefordert,
denn der Handlungsdruck wächst. Dies zeigt aber auch: Die Bedeutung der kommunalen
Ebene, gerade in Zeiten der Globalisierung, schwächt sich nicht ab, sondern steigt an. Al-
lerdings ist eine neue, strategische Ausrichtung dieses Politikfeldes notwendig.

5.4   Organisations- und Rechtsformen
Aus der Darstellung der Aufgaben der Wirtschaftsförderung wird deutlich, dass in der
kommunalen Verwaltung bei der Erfüllung dieser Aufgaben mehrere Ämter Kompetenzen
und Zuständigkeiten reklamieren können. Andererseits interessiert die Abnehmer der
Leistungen, dies sind vor allem die am Ort vorhandenen oder neu anzusiedelnden Unter-
nehmen, die formale Zuständigkeit innerhalb der Verwaltung nur wenig. Sie wollen einen
kompetenten Ansprechpartner, der sich um ihre Belange kümmert. Diese Einschätzung
hat dazu geführt, eine gewisse Bündelung des Aufgabenbereichs innerhalb der kommu-
nalen Verwaltungen vorzunehmen. Wirtschaftsförderung soll „aus einer Hand“, man
spricht von einer sogenannten „one-stop-agency“, erfolgen.
Grundsätzlich kann zwischen Ämterlösungen und privatrechtlichen Organisationsformen
unterschieden werden.
?? Amt innerhalb der Verwaltung
?? Gesellschaft mit beschränkter Haftung
?? Stab innerhalb eines Referats/Dezernats Abteilung bzw. Sachgebiet innerhalb eines
   Amtes
?? kommunaler Eigenbetrieb.

Wirtschaftsförderung in größeren Kommunen
In der Regel empfiehlt sich für größere Kommunen die Bündelung der Aufgaben der
Wirtschaftsförderung in einem Amt. Die Vorteile einer solchen Lösung sind:
?? Die Informations- und Handlungsnähe zur Gesamtentwicklung einer Gemeinde.
?? Die Bündelung und Beschleunigung von wirtschaftsrelevanten Entscheidungen.
?? Die Stellung als Träger öffentlicher Belange bei Planungsverfahren.
Interessant sind die Verbindungen von Amt und GmbH. Während in den Ämtern die Kon-
zipierung der kommunalen Wirtschaftspolitik und die Beratungs- und Serviceleistungen
gebündelt werden, ist in den Gesellschaften überwiegend das Grundstücksgeschäft an-
gesiedelt.

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Für privatrechtliche Formen sprechen die manchmal höhere Flexibilität, zum Beispiel die
vielleicht höhere Akzeptanz bei Gesprächspartnern aus den Unternehmen und auch in
der Vergütung des Personals.
Für kommunale Ämterlösungen sprechen vor allem die kommunikative und entschei-
dungsbezogene Einbindung in die Verwaltung. Gerade wenn der Wirtschaftsförderung
nicht auch der Liegenschaftsbereich zugeordnet wird, spricht einiges dafür, dass inner-
halb einer Verwaltung Daten eher ausgetauscht werden und die Kommunikation rei-
bungsloser vonstatten gehen kann.
In jedem Fall ist anzustreben, dass überhaupt das Aufgabenfeld Wirtschaftsförderung
systematisch bearbeitet wird und in Abhängigkeit von den örtlichen Rahmenbedingungen
die Rechtsform gewählt wird, die maßgeschneidert das größtmögliche Maß an Flexibilität
gewährleistet.

Wirtschaftsförderung in kleineren Gemeinden
Bei Gemeinden bis 10.000 Einwohnern ist die Wirtschaftsförderung überwiegend „Chef-
sache“ und dem Bürgermeister unmittelbar zugeordnet.
In den größeren Kommunen aber über 10.000 Einwohnern können die Aufgaben der
kommunalen Wirtschaftsförderung durch den Bürgermeister allein in der Regel nicht
mehr „miterledigt“ werden.

Personalaufwand
Nicht zu unterschätzen ist der Stellenbedarf im Rahmen der kommunalen und regionalen
Wirtschaftsförderung. Dieser entsteht unabhängig von der gewählten Rechtsform. Zu be-
obachten ist, dass die Notwendigkeit der Etablierung des Aufgabenfeldes Wirt-
schaftsförderung durch die kommunale Politik inzwischen in aller Regel nicht bestritten
wird. Um die Ausstattung mit Personal wird dagegen umso heftiger gestritten.
Der Bedarf nach Stellen variiert einmal hinsichtlich der Größe der Kommunen, zum an-
deren sollte er mit der Aufgabenstellung korrespondieren, und die ist eben von Kommune
zu Kommune durchaus unterschiedlich.

5.5   Ausrichtung der Wirtschaftsförderung
5.5.1 Kommunale Konzepte der Wirtschaftsförderung
In der Praxis der Wirtschaftsförderung wird unserer Beobachtung nach oftmals volunta-
ristisch und auch aktionistisch vorgegangen. Die Devise lautet: „Man muss nur wollen,
dann geht es auch!“ Dies bedeutet, dass gehandelt wird, ohne dass ausreichende kon-
zeptionelle Grundlagen für die Wirtschaftsförderung erarbeitet werden. Von Seiten der
kommunalen Politik wird häufig ein Szenario der Erwartungen aufgebaut, das in einem
völlig überzogenen Handlungsdruck gegenüber der Wirtschaftsförderung mündet.
Konzeptionelle Grundlagen im Bereich der kommunalen Wirtschaftsförderung zu schaf-
fen, bedeutet zunächst die Erarbeitung von Daten. Diese müssen nicht immer selbst er-
hoben werden. Ein großer Teil der benötigten Daten ist über das Statistische Zentralamt
Kroatien abzurufen (http://www.dzs.hr).
Zum Aufbau eines Informationssystems sind folgende Grundlagen erforderlich:
1. Auswertung der Ergebnisse der amtlichen Statistik (zum Beispiel Beschäftigte, In-
   dustrieberichterstattung) auf Ebene der Bezirke (alle 20 Komitate verfügen eigene
   statistische Abteilungen) und vergleichende Analyse mit den Entwicklungen auf der
   Ebene des Landes.

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2.   Auswertungen von Sonderberichterstattungen.
3.   Auswertung der Ergebnisse der Bevölkerungs- Hauhalts- und Wohnungszählung
     vom 31. März 2001 und vergleichende Analyse mit den Ergebnissen früherer Zäh-
     lungen.
4.   Auswertung von Wirtschaftsberichten in der Presse, insbesondere in Fachzeitschrif-
     ten.
5.   Analyse und Prognose der Infrastruktur.
6.   Analyse und Prognose des Arbeitsmarktes.
7.   Analyse und Prognose der Bevölkerung.
8.   Aufbau und Fortführung eines Betriebsinformationssystems (Betriebsstättenkatas-
     ter/Betriebsstättendatenbank).
9.   Gespräche, Erfahrungsaustausch.
10. Messebesuche, Initiierung und Organisation von Ausstellungen und Messen, Initiie-
    rung von Firmentagungen, Symposien im In- und Ausland, evtl. unter Beteiligung
    einheimischer Unternehmen
11. Vergabe und Auswertung von Untersuchungen und Gutachten.
Dieser Katalog wurde unter dem Blickwinkel der Vollständigkeit zusammengestellt. Er
muss selbstredend der örtlichen Problemstellung angepasst werden und er variiert ganz
entscheidend hinsichtlich der Größe der Kommune.
Diese Daten dienen einerseits der kontinuierlichen Beobachtung der Wirtschaftsstruktur
und des Wirtschaftsprozesses auf kommunaler Ebene. Zum anderen liefern sie Grund-
lagen für die Erstellung eines Wirtschaftsentwicklungskonzeptes. In diesem sind die wich-
tigen Entwicklungsperspektiven des Standortes zusammenfassend dargestellt. Zentrale
Merkmale einer solchen Konzeption sind:
1.   Meinungsbildung zur voraussichtlichen Entwicklung im Rahmen von Expertengesprä-
     chen.
2.   Erfassung verlagerungs- und erweiterungswilliger sowie standortgefährdeter Unter-
     nehmen und Betriebe.
3.   Flächenbedarfsberechnung für die Ansiedlung von Unternehmen.
4.   Vorschläge zur Lage und Aufbereitung von Reserveflächen.
5.   Vorschläge zur Aktivierung von Reserveflächen unter zeitlichen, planungsrechtlichen
     und erschließungsrechtlichen Gesichtspunkten.
6.   Erarbeitung von Nutzungskonzepten und Vermarktungskonzepten für Industriebra-
     chen.
7.   Erarbeitung von speziellen branchenbezogenen Standortkonzepten.
8.   Konzepte für Gewerbehöfe und -parks, Technologiezentren u.ä., Erstellung und Ver-
     marktung in eigener Regie.
9. Initiierung von Standortgemeinschaften und Forschungsverbünden.
10. Organisation des Technologietransfers und virtuelle Netzwerke zwischen Unter-
    nehmen und Forschungseinrichtungen
Die eigentliche Erstellung einer Konzeption orientiert sich methodisch an den allgemein
gültigen Grundsätzen wissenschaftlichen Arbeitens: Der Bestandserhebung folgen die
Bestandsanalyse und die Entwicklung von Zielvorstellungen. Sinnvoll ist es in jedem Fall,
in einem Stärken-Schwächen-Profil die Ressourcen sowie Potenziale und auch die Ne-
gativpunkte vollständig und realistisch herauszuarbeiten.

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5.5.2   Kooperationen
Die Ausrichtung an Europa hat eine Regionalisierung zur Folge. Durch die europäische
Integration und die Öffnung der osteuropäischen Länder hat sich die Zahl der Standort-
alternativen für die Unternehmen vervielfacht. Um die begrenzte Zahl von Neuansied-
lungen bewerben sich immer mehr Kommunen und Regionen. Vor allem der Standort-
planung von großen Unternehmen, die europaweit suchen, steht häufig ein Denken
kommunaler Politik gegenüber, das sich vor allem an der eigenen Markung orientiert. Die
recht geringen Zahlen an interkommunalen Gewerbegebieten und Gewerbepools bele-
gen dies. Gerade kleineren Kommunen fällt offensichtlich die interkommunale Koopera-
tion besonders schwer.
Es werden die folgenden, für die Wirtschaftsförderung relevanten, Formen von Koope-
rationen unterschieden:
?? Kooperationen zwischen Kommunen (sogenannte interkommunale Kooperationen).
?? Kooperationen zwischen Regionen (sogenannte interregionale Kooperationen).

??   Kooperationen zwischen Kommunen und der privaten Wirtschaft zur gemeinsamen
     Realisierung von Projekten (sogenanntes public-private-partnership).

Kooperationen haben ein zentrales Element, das sie von allen diesen per Gesetz instal-
lierten bzw. auf den Weg gebrachten Politikebenen unterscheidet: Es ist das Prinzip der
Freiwilligkeit. Damit finden sie ihre Begründung in der Einsicht in die Notwendigkeit, dass
der interkommunale oder der interregionale Ansatz der vernünftigere und auch nutzbrin-
gendere ist.

Spill-over Effekte
Die Wirtschaftswissenschaften knüpfen an dieser Argumentation an und legen dar, dass
interkommunale und auch interregionale Kooperationen dann erfolgreich sind, wenn es
gelingt, die externen Effekte zum Vorteil aller zu internalisieren. Eine spezielle Form ex-
terner Effekte stellen die sogenannten Spillovereffekte dar. Sie treten zum Beispiel zwi-
schen Kommunen in einer Region auf. Gemeint ist damit, dass Nutzen und Kosten zwi-
schen diesen übertragen werden und der Kreis der Finanzierer nicht mit dem Kreis der
Nutzer übereinstimmt. Einen negativen Spillovereffekt erfährt zum Beispiel jede Stadt,
deren Bedeutung über die eigene Kommune hinausweist und deren Einrichtungen auch
von den Einwohnern der umliegenden Gemeinden in Anspruch genommen werden. Dies
ist in der Regel bei allen Kommunen zu beobachten, deren zentrale Bedeutung weit in
das Umland reicht. Die kulturellen Angebote und Institutionen größerer Städte zum Bei-
spiel werden auch durch die Bürgerinnen und Bürger der Umlandgemeinden genutzt. Die
Kosten für diese Einrichtungen trägt jedoch ausschließlich die Kommune, in deren Gebiet
sich die Einrichtung befindet.
Bei den Kommunen wächst die Einsicht, wenn auch sehr langsam, dass die Qualität ei-
nes Wirtschaftsstandortes nicht nur von eigenen Aktivitäten abhängt, sondern in ein re-
gionales Umfeld eingebettet sein sollte.

Subadditivität
Eine zweite Begründung für interkommunale Kooperationen wird mit dem Begriff der Su-
badditivität umschrieben. Gemeint ist damit, dass einzelne Kommunen zum Teil überfor-
dert sind - Gründe dafür können fehlende Finanzen sein, kein für dieses Aufgabenfeld
qualifiziertes Personal etc. - wenn sie zum Beispiel ein größeres Gewerbegebiet er-
schließen oder ein Marketingkonzept umsetzen wollen. In einer interkommunalen Ko-
operation sind aber zum Beispiel die finanziellen Lasten zu minimieren. Die Kostenredu-

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