WEGBEGLEITER - Letzte Wünsche Sterbender Ethische Beratung Berichte und Termine
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WEGBEGLEITER H O S P I Z V E R E I N W I E S B A D E N A U X I L I U M E .V. | 2 6 . A U S G A B E | S O M M E R 2 0 1 9 TITELTHEMA HOSPIZ Letzte Wünsche Sterbender Ethische Beratung AUS DEM VEREIN Berichte und Termine
2 · I N H A LT T I T E LT H E M A AUS DEM VEREIN HOSPIZ 3 13 20 Hospizarbeit – für die Zukunft Hospizbegleitung mit Hund Kultursensible Begleitung am Lebensende gerüstet? Ulrike Reichert besucht mit Ginger Rückblick auf den Wiesbadener Peter Schneider im Interview und Lotte Menschen im Altenheim Hospiztag von Gudrun Pfundt mit Karl Georg Mages 16 5 Bevor ich sterbe, möchte ich … 22 Der Junge mit der Mundharmonika Wenn der Zauberer kommt Bianca Ferse über eine Mitmach- Rudi Grossmann teilt die Prof. Reimer Gronemeyer zur aktion der besonderen Art Erfahrungen bei seiner ersten Zukunft der Hospizbewegung 18 Sterbebegleitung 6 Filmtipp: Mia und die Eule 24 Die sorgende Gemeinschaft Gudrun Pfundt über einen Film Qualifizierung für hospizliche Pfarrerin Beate Jung-Henkel über und seinen Regisseur, der seine Begleitung das, was uns am Lebensende trägt Erfahrungen als Hospizbegleiter in einem Kurzfilm verarbeitet hat 8 25 Informationen aus dem Team Ethische Beratung Trauerbegleitung Mechthilde Burst erläutert Entscheidungswege Neue Mitglieder 10 26 Sterbefasten im Focus Hospiz im Dialog Dr. Thomas Nolte über den Öffentliche Vortragsreihe Arzt im Dilemma 27 12 Mitglieder im Portrait Nachgefasst Andrea Salisch Dr. Thomas Nolte über den Wiesbadener Palliativpass 19 28 AUXILIUM kurzgefasst Buchtipp: So sterben wir 14 Ruth Reinhart-Vatter über eine Seelsorge in Notfällen Publikation, die beschreibt, wie in Peter Schneider über Notfall Deutschland gestorben wird seelsorgerin Sylvia Üffing I M P RESSUM Herausgeber: Hospizverein Wiesbaden Auxilium e.V. · Der Wegbegleiter rscheint zweimal jährlich · Verantwortlich i. S. d. P.: Vorstand · Redaktion: H erbert e AUXILIUM Breinich, Bianca Ferse, Peter Grella, Gerhard Helm, Karl Georg Mages, Gudrun Pfundt, Luisenstraße. 26 · 65185 Wiesbaden Ruth Reinhart-Vatter, Peter Schneider · Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht Telefon 06 11-40 80 80 unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. info@hospizverein-auxilium.de · hvwa.de Layout: Q Kreativgesellschaft, Wiesbaden, www.q-gmbh.de · Titelbild: Thinkstock facebook.com/auxiliumwiesbaden
INTERVIEW · 3 Hospizarbeit – für die Zukunft gerüstet? Peter Schneider im Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden von AUXILIUM Hospiz und die Zukunftsaussichten – das ist unser Thema in diesem Wegbegleiter. Auch in diesem Interview: Wo steht die Hospizbewegung? Wie ist AUXILIUM aufgestellt? Was steht für die Zukunft auf der Agenda? Peter Schneider spricht über die Herausforderungen mit Karl Georg Mages (60), dem AUXILIUM-Vorsitzenden. Wie sieht die Zukunft der Hospiz- Hospiz Advena oder das Kinder- bewegung in Wiesbaden aus? hospiz Bärenherz und anderer gibt es eine Art von geschätzter Selbst- Die Hospizbewegung ist angekom- verständlichkeit in unserer Stadt men – bei ihrem eigentlichen Ziel, gesellschaft – damit ist die Hospiz- die Themen Sterben und Tod aus und Palliativarbeit in Wiesbaden für der Nische des Verdrängten heraus- die Zukunft sehr gut gerüstet. Dies zuholen, in die Gesellschaft hinein- gilt insbesondere im Vergleich zu zutragen, als normalen wie besonders ländlichen Bereichen. Karl Georg Mages, Vorstands schwierigen Teil des Lebens. In vorsitzender von AUXILIUM Wiesbaden hat sie durch AUXILIUM Alles gut also? Oder muss sich und viele andere Akteure eine lange AUXILIUM neu positionieren? Tradition, ist in der Stadtgesellschaft engagierten Hospizbegleiterinnen verankert. Letzteres eigentlich nicht, denn: und Hospizbegleiter können unein- Aus dieser Breite von ambulanter Der Kern der Hospizarbeit bei geschränkt von einer zeitlichen Versorgung, durch AUXILIUM, der AUXILIUM ist das ehrenamtliche Taktung ihre Unterstützung für stationären Versorgung, durch das Engagement. Die ehrenamtlich Schwerstkranke und Sterbende SPENDENAUFRUF Seit 30 Jahren engagiert sich der ambulante Hospizverein AUXILIUM Auch weiterhin möchten wir Sterbende und deren Angehörige in Wiesbaden für Schwerstkranke, Sterbende und ihre Angehörigen begleiten und unterstützen. Helfen Sie uns deshalb mit Ihrer Spende, und unterstützt diese bei ihrem Wunsch, zu Hause, im privaten werden Sie Vereinsmitglied, bringen Sie uns ins Gespräch. und persönlichen Umfeld sterben zu können. Heute zählt der Hospizverein Wiesbaden AUXILIUM e. V. Verein rund 600 Mitglieder und 60 ehrenamtliche Hospizbegleiter. Wiesbadener Volksbank AUXILIUM steht für: IBAN DE12 5109 0000 0004 1190 02 • Qualifizierte ambulante Hospizbegleitung Bei Fragen und Anregungen steht Ihnen unser Geschäftsführer • Trauerbegleitung Ralf Michels gerne zur Verfügung: • Professionelle Palliative-Care-Betreuung Telefon 0611-40 80 820 • Beratung und Unterstützung zu Fragen der letzten Lebensphase E-Mail info@hospizverein-auxilium.de
4 · T I T E LT H E M A H O S P I Z leisten, sie können die Nähe zum ein ebenso wesentlicher Bestandteil zuletzt bleibt die immerwährende Gegenüber tatsächlich leben. Das unserer Arbeit. Dies bedeutet, dass Aufgabe, Menschen zu finden, die ist ein absolutes Alleinstellungs- bei AUXILIUM das Thema „Leben sich für die Hospizarbeit begeistern. merkmal im gesamten Umfeld von selbstbestimmt und in Würde bis zuletzt“ Für den Kern der Hospizarbeit, der Leben, Sterben und Tod. Jeder ganzheitlich aus der Sicht aller be- Begleitung Schwerstkranker und Mensch ist anders, jede Begleitung troffenen Menschen begriffen wird. Sterbender. Aber auch für die Unter- ist anders, die Bedürfnisse der stützung, die ein solch breit auf begleiteten Menschen stehen im Gibt es eine Konkurrenz um die gestellter Verein, der auch ein pro- Mittelpunkt. Gunst des Sterbenden in der fessionelles gemeinnütziges Unter- Hospizbewegung? nehmen ist, auf allen Ebenen benö- Die Zeit ist wichtig – tigt – von der Buchhaltung bis zum aber auch die Medizin, oder? Nein, insgesamt nicht. Sicherlich Datenschutz. zum kleinen Teil im Bereich der Ja, man muss das immer im Verbund medizinischen Versorgung, wenn es AUXILIUM ist ein professionell sehen mit dem, was der Patient in um kassenfinanzierte Leistungen geführter Verein – das kostet der jeweiligen Zeit braucht. In der geht. Ich glaube aber nicht, dass es Geld. Ist es einfach, diese Gelder Regel ist der Mensch schwerstkrank dabei um verschärften Wettbewerb zu generieren? und stark eingeschränkt, auch auf geht. Da gibt es besonders angesichts hochspezialisierte Hilfe angewiesen. der demografischen Entwicklung Das ist schon eine wirkliche Heraus- Die wird durch die ärztliche Ver- unserer Gesellschaft ein Neben forderung. AUXILIUM ist zu einem sorgung und Palliative-Care-Fach- einander. Und zudem hat gesunde ganz wesentlichen Teil auf Spenden kräfte geleistet. Früher war die Konkurrenz auch immer etwas angewiesen und wird es auch bleiben. Schmerztherapie, die Möglichkeit, Positives. Sie dient immer dazu, Eine Herausforderung ist also auch, die Schmerzen auf einem erträg eigenes Tun zu hinterfragen und diesen ständig benötigten Zufluss an lichen Level zu halten, bei weitem weiter zu entwickeln. finanziellen Mitteln zu erreichen. Da nicht so fortgeschritten und diffe- gibt es natürlich Überschneidungen renziert wie heute. Und diese Hilfe Welchen Herausforderungen mit den genannten Herausforde- ist unabdingbar bei dem Ziel der muss sich AUXILIUM stellen? rungen – denn je bekannter ein Ver- Hospizarbeit, ein Leben in Würde ein ist, desto eher wird er bedacht. bis zuletzt zu ermöglichen. Die Ganz wichtig: Die Arbeit von AUXI- Dies alles niemals als Selbstzweck. gesamte Palliative-Care-Versorgung LIUM muss präsentiert werden und Denn entscheidend ist allein, was leistet einen wesentlichen Beitrag präsenter sein, die Angebote des vom beim Menschen, der nach Hilfe, dazu. bürgerschaftlichen Engagement ge- Nähe und Unterstützung am tragenen Hospizvereins müssen in Lebensende sucht, ankommt. Medizin ist also ein wichtiger unserer Stadtgesellschaft bekannt Begleiter in der Hospizarbeit? sein. Dass es ehrenamtliche Sterbe- Wenn Sie zwei Wünsche frei begleitung gibt, dass es Trauerarbeit hätten – welche wären das? Genau. Man muss das in der Gesamt- gibt, dass es Palliative Care gibt. All schau der Bedürfnisse sehen. Die das, was an der Hospizidee und Hos- Mein Hauptwunsch ist, dass mög- Arbeit von AUXILIUM steht auf pizarbeit gut und für uns Menschen lichst viele Menschen von der Arbeit drei Säulen. Die psychosoziale wertvoll ist, muss auch draußen im profitieren, die Ehrenamtliche und Begleitung durch die Hospizarbeit, Leben ankommen. Inhaltlich sehr Hauptamtliche bei AUXILIUM die den Menschen Zeit und Nähe wichtig: dass man die Menschen leisten. Dass mehr Menschen die gibt. Die medizinische Versorgung zusammenbringt. Das machen unsere letzte Lebensphase besser erleben durch Palliative Care und die Koordinatoren. Zum Beispiel in den können, als es ohne Hospizarbeit Trauerarbeit. Das zusammen ge- Senioreneinrichtungen – wo Men- der Fall wäre. Der zweite Wunsch währleistet eine würdige und soweit schen oft nicht selbst erweiterte ist, dass wir immer wieder Mitmen- irgend möglich selbstbestimmte Hilfe suchen können. Hier stellen schen finden, die sich für die Arbeit letzte Lebensphase. Den Kern der die Koordinatoren den Kontakt zu begeistern. Die Freizeit, Engagement Hospizarbeit, die ehrenamtliche Be- den Ehrenamtlichen her, zu jeman- und Geld mit einbringen. Ohne das gleitung, als Hauptaufgabe jeglicher dem, der zu dem Menschen passt. wird uns unsere Arbeit in Zukunft Bemühung, wird bei AUXILIUM Heißt: AUXILIUM agiert auch nicht gelingen. n schon seit 1987 gepflegt. Palliative hier nicht passiv, die Kontakte zu Care kam 2008 hinzu. Trauerarbeit den Einrichtungen werden gepflegt. und Unterstützung in der Trauer für Das ist eine der ganz entscheiden- Die Fragen stellte Peter Schneider, Angehörige ist seit langen Jahren den Herausforderungen. Und nicht Redaktionsmitglied des „Wegbegleiter“
T I T E LT H E M A H O S P I Z · 5 Wenn der Zauberer kommt Professor Reimer Gronemeyer über die Zukunft der Hospizarbeit Die Hospizbewegung steckt in der Zwickmühle: Abschied vom (ACP) erleben wir gerade einen wei- teren Schritt in diese Richtung. Ehrenamt und Übernahme der Hospizarbeit durch die Profis? Diese Art der Sterbe-Vorausplanung Ist das die endgültige Richtung? ist gerade in Mode und wird mit D Vehemenz in den Hospizbereich gedrückt. Bezahlte Expertinnen und ie Hospizarbeit hat eine werden gegründet, die erklärtermaßen Experten arbeiten mit den Tod großartige Vergangen- Ehrenamtliche nicht einbeziehen geweihten einen Fragebogen durch. heit: Sie ist als eine wollen. Professionelle, qualitätskon- Was soll geschehen, wenn dieser oder eindrucksvolle, soziale trollierte, perfekt gemanagte Hospize jener Fall eintritt? Die Betroffenen Bewegung seit den acht- sollen es sein die das „Problem“ Ster- werden genötigt, sich Situationen ziger Jahren auf dem ben gut in den Griff bekommen. vorzustellen, die sich in Wirklichkeit Weg. Getragen bis heute vor allem Darunter leidet jedoch das alte Hospiz keiner ausmalen kann. Das Ganze von ehrenamtlich tätigen Frauen. aus den Gründerjahren, und ich be- mündet schließlich in einen von den Diese Bewegung hat das Sterben fürchte, dass so auch die abgründige Profis erarbeiteten Algorithmus, der aus den Abstellkammern und Bade- Tiefe, die dem Menschen mit seinem die notwendigen Entscheidungen ge- zimmern der Krankenhäuser heraus- Sterben bevorsteht, verlorengeht. sichert ableiten soll. Es ist ein Sterben, geholt und hat Menschen, die nicht Die Welt, in der wir leben, geht uns das den Menschen bis zum letzten mehr von Familien versorgt werden, im Tod verloren. Wir lassen den Atemzug zum homo consumens, zum eine neue Zuflucht geschenkt. Körper, die Zeit und alle Bilder hin- Verbraucher, macht. Der Mensch Doch eine solch große, einflussreiche ter uns, und darum ist die Einsam- wird dazu verleitet, seinen Abschied und erfolgreiche Bewegung weckt keit des Sterbenden eine letzte, un- von Körper, Zeit und Welt im Meer Begehrlichkeiten. Kann man daraus überbietbare und notwendige Ein- der medizinischen und pflegerischen nicht ein Geschäft machen? Und samkeit. Sterben ist ein Akt des Möglichkeit zu vergessen. ACP – müssten hier nicht die medizinischen Menschen: Darum sprechen wir das ist wie der Trick eines Zauberers, Fachleute bestimmen? Das kann man heute zu Recht von der „Kunst des der die anderen nur täuschen kann, doch den Laien nicht überlassen?! Sterbens“. Die kann misslingen. weil er vom Wichtigen ablenkt: vom Und die Zukunft? Soll sich die Durch die Professionalisierung schweren Ernst des Sterbens. n Hospizbegleitung vom Ehrenamt droht aus ihr ein passiver Prozess zu zurückziehen und die Hospizarbeit werden, in dem „ich gestorben werde“. tatsächlich den medizinischen Profis Ivan Illich erinnert an eine Parallele: ZUM AUTOR überlassen? Ich denke, nein. Die Das Gebet, das für die meisten Ehrenamtlichen sind bei genauer Menschen heute verschwunden ist, Prof. Reimer Grone- Betrachtung unersetzlich: Sie haben war eine Aktivität des Menschen meyer hat sich viele das, was Profis kaum noch haben: mit Einsamkeit als Voraussetzung. Jahre als kritischer Zeit. Und sie machen ihre Arbeit Eine Einsamkeit, in der die Zeit Freund der Hospiz unentgeltlich. Damit nehmen sie und der Körper, die Bilder und die bewegung mit dem eine kostbare Sonderstellung im Welt verschwanden. So wie das Thema „Lebensende“ gefährlich perfekt gewordenen Hos- Gebet, das über das Hier und Jetzt befasst und engagiert sich für zahl- pizbetrieb ein. Aber viele Ehrenamt- hinauswies, verschwunden ist, so ver- reiche soziale Projekte in Afrika. Im April liche klagen darüber, dass sie von den schwindet vielleicht jetzt auch das erschien sein neues Buch „Tugend. Über Profis nicht respektiert und ernst Sterben als ein menschlicher Akt. das, was uns Halt gibt“. genommen werden. Neue Hospize Mit der Advanced Care Planning
6 · T I T E LT H E M A H O S P I Z Die sorgende Gemeinschaft Was uns am Lebensende trägt Alten, schwerkranken und sterbenden Menschen eine n gute menschliche Beziehungen und Gespräche sorgende und würdevolle Begleitung zukommen zu lassen – n verlässliche Menschen, die Zeit das ist die Grundidee der Hospizbewegung. Hierbei ist eine mitbringen und zuhören können Sorge gemeint, die sich nicht nur auf eine gute „Versorgung” n sozial noch eingebunden sein für andere noch eine Bedeutung bezieht, sondern sich als sorgendes Handeln am ganzen n haben Menschen ausrichtet. n kraftvolle Gegenbilder aus guten H Tagen und Dankbarkeit für das Gewesene ospizarbeit und Pallia- sollten ausgesprochen, besprochen n der Glaube an eine höhere Macht, tive Care sind ein und aus der Tabuzone geholt wer- der ich mein Leben und Sterben wichtiger Bestandteil den. Menschen, die sich in der und alles Ungewisse anvertrauen im Gesundheitswesen Hospizarbeit und Palliative Care kann geworden. Sie haben engagieren, wollen sich anderen in n versöhnt mit Gott und der Welt nicht nur dazu beige- Not sorgend und solidarisch zur gehen dürfen tragen, die Sorgekultur am Lebens- Seite stellen – gerade auch in der n nicht alleine sterben müssen ende zu verbessern, sondern auch Auseinandersetzung mit den exis- n da sterben, wo ich gelebt habe den Anstoß für viele diesbezügliche tenziellen Fragen am Lebensende. n Ermutigung zu bekommen, mein Konzepte in kommunalen und Solidarisch meint dann, sich selber Schicksal anzunehmen diakonischen Bereichen gegeben. in dieses sorgende Fragen hinein n vor Demütigungen bewahrt zubegeben, mit auf Spurensuche zu werden Bei aller Professionalisierung und gehen, sich als Helfende, Begleiten- Verrechtlichung der Hospizarbeit de, Angehörige in Frage stellen zu Der Seele Raum und Zeit geben, und dem Augenmerk auf die spe- lassen und sich mit der eigenen End- um das Bedrohliche zu begreifen zialisierten Versorgungsstrukturen lichkeit und Sterblichkeit auseinan- sollte die ursprüngliche Hospizidee, derzusetzen. Und eben auch für sich In seinem Tagebuch über seine Krebs- alten, schwerkranken und sterben- selbst die Fragen zu stellen: erkrankung schreibt der Regisseur den Menschen eine sorgende und Christoph Schlingensief: „Wirklich würdevolle Begleitung zukommen Wie und wo werde ich miteinander gesprochen wird nicht“. zu lassen, nicht in den Hintergrund einmal sterben? Wer wird Genau das aber macht hospizliche treten. Erinnern wir uns doch daran, bei mir sein? Was trägt und palliative Sorge aus: zuzuhören, wie es angefangen hat: mich in dieser Zeit? wahrzunehmen, was Menschen be- wegt, die wir begleiten, sie anzuspre- Der andere Umgang mit sterbenden Wir wissen es: Es gibt keine all- chen und daran Anteil zu nehmen. und schwerkranken Menschen ging gemeingültige Antwort auf diese Einen wertschätzenden Raum zu einher mit dem Impuls, in unserer Fragen. Die Bedürfnisse in dieser schaffen, in dem sie sagen können, Gesellschaft über Tod und Sterben Hinsicht sind sehr individuell. was sie brauchen, Raum und Zeit zu sprechen, über die Sorgen um die Hier einige Antworten von alten zu schenken, damit die abstrakte Gestaltung der letzten Lebenszeit, und schwerkranken Menschen auf Wahrheit der Endlichkeit des Le- über die Ängste vor dem Tod, über die Frage, was im Alter und in der bens existenzielle Wirklichkeit die Wertigkeit des Lebens und letzten Lebensphase trägt und werden kann. Für uns Menschen Sterbens. Existenzielle Fragen wessen sie bedürfen: gibt es nichts Bedrohlicheres als die
T I T E LT H E M A H O S P I Z · 7 Tatsache, dass unser Leben endlich ist. Die Seele braucht Zeit und Un- terstützung, um dies begreifen zu können. Eine sorgende Haltung gegenüber Menschen in Not be- gegnet uns in den Heilungsge- schichten der Evangelien: Bevor Jesus heilend tätig wird, fragt er: „Was willst du, dass ich dir tue?” Dies ist eine entscheidende und wesentliche Frage in sorgenden Beziehungen. Das hört sich banal und selbstverständlich an, ist es aber nicht. Diese Frage wird viel zu selten gestellt. Eher werden Antworten vorweggenommen. Es gibt keine gefährlicheren Menschen im Umfeld von kranken, sterbenden und verletzlichen Menschen, als die, Eine Patientin erfährt im Krankenhaus, dass sie nur noch wenige Wochen zu leben hat. Sie die immer meinen zu wissen, was lehnt alle ihr noch angebotenen medizinischen Maßnahmen und Unterstützungen ab, weil gebraucht wird, was zu tun ist und sie Zeit brauche, „ihre Hoffnung zu suchen und zu finden“, „das, was nun in dieser letzten was gutes Leben und Sterben ist. Zeit trage …“. Sie möchte Unterstützung bei ihrer Suche durch einen ehrlichen Menschen, der bereit ist, die Schmerzen und die Traurigkeit auszuhalten. Was willst DU, dass ich dir tue? Eine andere Patientin bittet die Seelsorgerin, mit ihr über das Sterben sprechen zu dürfen. Ihre Familie sei wunderbar, würde alles für sie tun, nur über ihr Sterben und ihre Ängste Die Orientierung an dieser Frage ist wolle sie nicht sprechen. Das aber brauche sie, sie würde sonst verrückt. oberste hospizliche und palliative Leitkategorie für Behandlung, Betreuung, Pflege und Begleitung. Sie macht unsere Sorgearbeit aus und lässt uns in Beziehung treten. und Sterbewissen geteilt und im Zusammenwirken von professio- bewahrt wird. Aber oft werden neller und zivilgesellschaftlicher Was macht ein tragfähiges unter den Mitarbeitenden diese Hilfe. Unserer Gesellschaft ist es Sorgenetz aus? Themen, die letzten Fragen, die sehr zu wünschen, dass es der Hos- eigenen Ängste und Sorgen piz- und Palliative-Care-Bewegung Gute Sorgearbeit braucht einen tabuisiert. Auch unter den Helfen- weiterhin kraftvoll gelingt, die Handlungsrahmen. Sie kann immer den gibt es Menschen, die lieber Konzepte von guter Versorgung, nur aus einer sorgenden Gemein- helfen als Hilfe annehmen. Hier Behandlung und Begleitung durch schaft heraus gestaltet werden. braucht es Mut, gegenseitige Beziehungsarbeit und Sorgearbeit Außer vielfältigen Beziehungen mit Ermutigung und eine Sorgekultur in viele Bereiche des Lebens hinein- unterschiedlichen Rollen und innerhalb des Teams, die es ermög- zutragen. n Kompetenzen braucht es auch licht, Hilflosigkeit, Ohnmachtsge- Beate Jung-Henkel Sorge füreinander und gegenseitige fühle und Ängste aussprechen zu Verantwortung. Es braucht einen dürfen, damit Endlichkeit und ZUR AUTORIN guten Blick für Überforderung und Sterblichkeit des Lebens ertragen Belastung der Mitarbeitenden, werden können. Sonst wird irgend- Beate Jung-Henkel, gerade in diesem Arbeitsfeld, in wann die Kraft erschöpft sein, gut Pfarrerin und MAS dem alle besonders intensiv und für andere Menschen sorgen zu Palliative Care, dicht mit Krankheit, Leid und können. In der Frage um men- engagiert sich seit Trauer konfrontiert sind. schenwürdiges Sterben geht es um Jahren in der Hospiz- Hospizeinrichtungen – ambulante nichts anderes als um die Frage, wie und Palliative-Care- und stationäre – sind Orte, an wir miteinander leben wollen. Nur Arbeit im Rheingau. denen die Auseinandersetzung mit das hält die Gesellschaft zusammen: Sie ist 1. Vorsitzende des Ökumeni- den existenziellen Lebensfragen Verantwortung zu übernehmen und schen Hospiz-Dienstes Rheingau e.V. einen Platz erhält, wo Lebenswissen Sorge zu tragen für sich und andere
8 · T I T E LT H E M A H O S P I Z Ethische Beratung Mechthilde Burst erklärt, wann und warum ethische Beratung hilfreich ist Wenn Probleme der Entscheidungsfindung bei medizin eine umfassende, ganzheitliche Einschätzung und Analyse der Si- ethischen Konflikten auftreten, kann es sinnvoll und hilf- tuation ermöglicht wird und damit reich sein, dass sich alle betroffenen Beteiligten unter der eine bestmögliche Entscheidung Vermittlung eines Moderators zusammensetzen, um eine im Sinne des Patienten getroffen werden kann. einvernehmliche Lösung zu finden. D Wann kann eine ethische er 82 Jahre alte Patient psychosoziale Dienste, etc.) werden Beratung hilfreich sein? leidet an einer fortge- an einen Tisch geholt. Die Sicht- schrittenen Demenz. weisen aller werden gehört und Ethische Beratungen werden durch- Es existiert keine Pa- gleichwertig berücksichtigt, damit geführt, wenn Probleme der Ent- tientenverfügung. Seit einiger Zeit hat sich der körperliche und geistige Zustand zunehmend verschlechtert. Er rea- giert kaum auf die Umwelt, isst und trinkt nur noch sehr wenig, wird immer schwächer. Der gesetzliche Betreuer will, dass „alles“ getan wird. Der Hausarzt und die Pflege stehen dem Therapiewunsch kritisch gegen- über. Was soll getan werden? Was ist eine ethische Beratung? In dieser wie auch in anderen kom- plexen Situationen im Verlauf von fortschreitenden Erkrankungen und/oder am Lebensende ist eine offene und klare Kommunikation unabdingbar. Dennoch sind ethi- sche Konflikte nicht immer vermeid- bar. Es ist dann hilfreich und sinn- voll, eine ethische Beratung unter Vermittlung eines Moderators durchzuführen. Der Patient bzw. dessen Wille steht dabei prioritär im Mittelpunkt. Alle an der Ver- sorgung beteiligten bzw. davon betroffenen Personen (Patienten bzw. deren Stellvertreter, Angehö- rige, Pflegende, behandelnde Ärzte,
T I T E LT H E M A H O S P I Z · 9 scheidungsfindung bei medizin meinsam eine einvernehmliche, d.h. Ethik Komitees), aber auch im ethischen Konflikten auftreten, wie im Konsens mit allen Beteiligten ambulanten Bereich. Im ambu bei der Einschätzung der Prognose, erzielte und getragene, bestmögliche lanten Bereich sind ethische Be- bei der Festlegung oder auch Ände- Vorgehensweise im Sinne des Pa- ratungen eine Leistung der Spe rung von Therapiezielen, bei schwie- tienten zu finden. Ein Palliativpass ziellen Ambulanten Palliativ rigen und weitreichenden Therapie- kann erstellt werden. Die Initiierung versorgung und können durch entscheidungen (z.B. Begrenzung, der spezialisierten ambulanten die jeweiligen SAPV-Teams durch- Abbruch, Verzicht auf Therapien), Palliativversorgung sofort oder bei geführt werden. In Wiesbaden bei Entscheidungen über Sinn und entsprechender belastender Symp- sind dies das Palliative Care Team die Notwendigkeit medizintech tomatik kann verabredet werden. Wiesbaden und das ZAPV-SAPV- nischer Maßnahmen (z. B. PEG- Wird ein gemeinsamer Konsens Team des Zentrums für ambulante Ernährungssonde, Ernährung am gefunden, kann so ein sonst not- Palliativversorgung. Eine Verord- Lebensende, Beatmung, etc.), oder wendiges Einschalten des Betreu- nung durch den behandelnden Arzt auch bei Fragen zur Auslegung von ungsgerichts vermieden werden. sowie die Einwilligung des Patien- Patientenverfügungen, Vorsorge- Ein Protokoll der ethischen Bera- ten bzw. dessen Stellvertreters ist vollmacht, Betreuungsverfügung. tung wird erstellt, von allen Betei- dazu erforderlich. ligten unterschrieben und in der Was ist das Ziel der Krankenakte hinterlegt. Der Haus- Und wie ging es mit dem ethischen Beratung? arzt erhält eine Kopie. Patienten weiter? Ethische Beratungen sind inter Wer berät in Die moderierte ethische Beratung disziplinär, unabhängig, ergebnis ethischen Fragen? wurde direkt im Pflegeheim zusam- offen und neutral. Ziel der ethi- men mit dem gesetzlichen Betreuer, schen Beratung ist es, durch Mode- Ethische Beratungen gibt es im der Bezugspflege und dem Hausarzt ration, Analyse und Reflexion ge- stationären (z.B. durch Klinische durchgeführt. Der gesetzliche Be- treuer war wegen der Gewichts abnahme des Patienten sehr ver- unsichert und überfordert. Das pflegerisch-ärztliche Team hatte die kontinuierliche Verschlechte- rung des Allgemeinzustandes schon seit längerem beobachtet und als eindeutiges Zeichen des unaufhalt- samen Fortschreitens der Demenz bewertet. In der gemeinsamen Dis- kussion wurde die Perspektive des Patienten besonders in den Mittel- punkt gestellt. Dabei wurde allen klar, dass bei einer fortgeschrittenen Demenz eine künstliche Ernährung nicht mehr sinnvoll ist und der Kräfteverfall Ausdruck des zu Ende gehenden Lebens ist. n Mechthilde Burst ZUR AUTORIN Dr. Mechthilde Burst ist Palliativärztin am Zentrum für ambulan- te Palliativversorgung (ZAPV GmbH) in Wiesbaden.
1 0 · T I T E LT H E M A H O S P I Z Sterbefasten im Focus Der Arzt im Dilemma Das Sterbefasten ist in jüngster Zeit kontrovers diskutiert bar, für den hinzugezogenen Arzt eventuell schon. Hier gehen die Mei- worden und bedeutet den freiverantwortlichen Verzicht auf nungen in der palliativen Fachwelt Nahrung und Trinken als Ausdruck des selbstbestimmten weit auseinander, die Juristen haben Sterbenwollens. sich dazu noch nicht geäußert. D Der freiverantwortliche und selbst- bestimmte FVNT bringt den hinzu- avon abzugrenzen ist sehr selten, auf wenige Einzelfälle gezogenen (Palliativ-)Arzt zumindest der Verzicht auf Nah- beschränkt und verlangt eine hohe in ein Dilemma zwischen ärztlich- rung und Trinken als Selbstdisziplin, um den Weg bis zu palliativem Beistand und dem Vor- Ausdruck einer im Ende zu gehen. wurf der gewerblichen Suizidassis- Alter häufiger vorkom- tenz gemäß § 217 SGB (Verbot der menden Reaktion auf Einfache Antworten in der geschäftsmäßigen Förderung der langanhaltende und schwere Krank- juristischen Bewertung des Selbsttötung). Da dieses Gesetz erst heit, die das nahende Lebensende selbstbestimmten Sterben im November 2015 eingeführt wurde, signalisiert. Hierbei nehmen der wollens gibt es nicht gibt es hierzu bis heute noch keine Appetit und das Trinkbedürfnis in Präzedenzfälle. erster Linie aus Schwäche und Über die soziale Bewertung und ju- krankheitsbedingt ab. Dieses Ver- ristische Einordnung ist darüber Unsicherheit und unterschied halten spiegelt die schwindenden hinaus eine heftige Debatte entfacht. liche Bewertungen des § 217 StGB Kräfte wider und drückt die Akzep- Ganz entscheidend ist dabei die erschweren ärztlich-palliatives tanz des alten Menschen aus, dass Frage, ob der FVNT als Suizid Handeln das Leben zu Ende geht. Diese („Selbsttötung“ durch absichtliches Menschen sterben an ihrer fort- Unterlassen) oder als eine besondere In der Praxis sind zwei Szenarien schreitenden Grunderkrankung und Form der natürlichen Lebensbeen- denkbar. Der Palliativarzt wird vom nicht deshalb, weil sie aufgehört digung – euphemistisch als „Sterbe- Entschluss und vor der Umsetzung haben zu essen und zu trinken. fasten“ bezeichnet – bewertet wird. mit der Frage der Unterstützung Anders einzuordnen ist der freiwil- Diese Frage wird unter Juristen, konfrontiert. Je nach seiner Haltung lige Verzicht auf Nahrung und Ethikern und Palliativärzten heftig zu der „Suizidassistenz“ und Nähe Trinken (FVNT). Diesen Wunsch diskutiert und unterschiedlich be- zu dem sterbewilligen Menschen und seine Umsetzung gibt es sehr antwortet. Vordergründig ist dies kann er vorab entscheiden, wie er viel seltener. Es sind oft sehr selbst- für den dazu entschlossenen Men- sich grundsätzlich verhalten will. bestimmte Menschen, die für sich schen wenig bedeutsam, da sein Tun Das zweite Szenario ist sicher beschließen, ab einem bestimmten nicht strafbar ist. Anders ist dies im häufiger und erleichtert eventuell Lebensalter und weniger bei lebens- Hinblick auf die Bewertung der As- den Entscheidungsprozess. Diese begrenzenden altersbedingten Er- sistenz, da ein sterbewilliger Mensch Situation entsteht, wenn der Mensch krankungen nach einer Möglich- durch den FVNT in einen langwie- schon eine Weile den FVTN voll- keit zu suchen, ihr Leben willent- rigen Prozess des Kräfteverfalls geht, zogen hat und mit der Realität kon- lich und bewusst zu beenden. Die den er sicher nicht ohne familiäre frontiert wird, wie beschwerlich dieser Menschen sterben in der Konse- und eventuell auch ärztliche Beglei- Weg ist. Wenn dann ab einem be- quenz an dem selbst gewählten tung in Würde durchlaufen kann. stimmten Punkt Leidenssymptome Verzicht auf Nahrung und Trinken. Für Familienangehörige ist dieser auftreten, kann sich möglicherweise Dieser freiverantwortliche Weg ist Beistand in jedem Fall nicht straf- ein Arzt nicht dem palliativen An-
T I T E LT H E M A H O S P I Z · 1 1 satz der Symptomkontrolle beim grafen 217 als Palliativ-Erschwe- gemeine Persönlichkeitsrecht in FVNT zur Leidenslinderung ent- rungsgesetz ansehen: Diese Straf- Extremfällen gestattet hat. n ziehen. Im Einzelfall ist dies nicht vorschrift behindert palliatives strafbewehrt, im Wiederholungsfall Wirken im Vorhinein und in der Thomas Nolte („geschäftsmäßig”) eventuell schon. konkreten palliativen Situation Diese Unsicherheiten erschweren der Hilfsbedürftigkeit. insbesondere ärztlich-palliatives ZUM AUTOR Handeln, vorausgesetzt, das Gericht Leider sind diese Diskussion und sieht FVNT als Suizidassistenz mit die unterschiedliche Bewertung der Dr. Thomas Nolte strafrechtlichen Konsequenzen Problematik nur schwer zu verstehen. ist Palliativarzt gemäß § 217 an. Deshalb haben Vollends ratlos bleibt man dann am Zentrum für auch einige Juristen und Palliativ zurück, wenn das Bundesverwal- ambulante Pal- ärzte Verfassungsbeschwerde gegen tungsgericht in Leipzig im März liativversorgung, das Verbot der geschäftsmäßigen 2017 Suizidhilfe für Schwerstkranke, ZAPV GmbH, Förderung der Selbsttötung (§ 217 durch die Abgabe von Betäubungs- in Wiesbaden. StGB) eingelegt, da sie den Para- mitteln mit Hinweis auf das all-
1 2 · T I T E LT H E M A H O S P I Z Nachgefasst Pilotprojekt Wiesbadener Palliativpass Seit 2014 gibt es den Notfallausweis für Schwerstkranke. versorgt werden möchte. Die schrift- lichen Festlegungen im Palliativpass Heute gilt er als wirkungsvolles Instrument der Vorsorge- sind für alle Beteiligten ebenso ver- P planung. bindlich wie eine Patientenverfügung. atientenverfügungen verkürzte Patientenverfügung. Sie Wer bekommt einen Palliativpass? sind wichtig und für signalisiert dem Rettungsdienst Ärzte rechtlich bindend. bzw. dem Notarzt auf einen Blick, Dieser Notfallausweis ist nur für Sie drücken aus, wie man dass dieser Mensch im Falle einer Menschen gedacht, die lebenssatt, medizinisch behandelt medizinischen Notlage nicht mehr chronisch schwer krank sind und werden möchte, wenn maximal notärztlich behandelt und nicht mehr von einer Wiederbele- man unheilbar krank ist und sich stattdessen lieber vor Ort weiter bung und Krankenhausbehandlung selbst nicht mehr dazu äußern kann. Doch diese Verfügungen enthalten kaum Hinweise auf Versorgungs- wünsche bei einem medizinischen Notfall. Um diese Vorsorgelücke zu schließen wurde der Wiesbadener Palliativ- pass 2014 auf Initiative des Hospiz- PalliativNetzes mit Unterstützung der Stadt Wiesbaden eingeführt. Daran mitgewirkt haben alle hospizlichen und palliativen Struk- turen in Wiesbaden in Zusammen- arbeit mit dem Wiesbadener Amt für Soziales sowie Vertretern des Rettungsdienstes. Ausgestellt wurde er von den beiden SAPV-Teams und den Palliativstationen in Wies- baden, zunächst um Erfahrungen zu sammeln. Hier die wichtigsten Fakten und Erkenntnisse auf einen Blick: Ziel dieses Notfallausweises Ziel ist es, eine Krankenhauseinwei- sung in einer Notfallsituation bei einem schwerstkranken Menschen zu vermeiden, wenn er dies selbst nicht mehr möchte. Damit ist der Wiesbadener Palliativpass eine
T I T E LT H E M A H O S P I Z · 1 3 profitieren (wollen). Häufig sind Vertrauens unverzichtbar, der nicht den Notfall eines Pass-Inhabers diesen Menschen Vorsorgebevoll- zuletzt mit seiner Unterschrift unter informiert und das SAPV-Team mit mächtigte bzw. Betreuer zur Seite den Pass seine Zustimmung zum der Versorgung beauftragt. Seit 2014 gestellt, da sie selbst nicht mehr Ausdruck bringt. wurden 178 Beratungen durchge- alleine über ihre medizinische führt, bei denen der Wiesbadener Versorgung entscheiden können. Honorar Palliativpass ausgestellt wurde. Hinzu kommt, dass die Betreffenden Davon sind 105 Menschen inzwi- schon mehrfach wegen Komplika Honoriert wird das ethische Bera- schen verstorben. Lediglich drei tionen wie Wassereinlagerungen, tungsgespräch des Palliativteams sind entgegen ihrer ursprünglichen Atemnot, Lungenentzündung oder über die hausärztliche Verordnung Festlegung im Palliativpass im Schmerzen notfallmäßig im Kran- einer SAPV-Beratungsleistung. Als Krankenhaus verstorben. kenhaus sind und in dem Gefühl weitere Besonderheit kann mit den Auch das Layout des Passes hat sich entlassen wurden, dass die Kranken- Angehörigen und eventuell auch in der Praxis bewährt. hausbehandlung nur wenig oder mit dem Pflegeheim vereinbart In einem weiteren Schritt werden auch nur kurzfristig geholfen hatte. werden, dass das beratende SAPV- wir vermehrt die Hausärzte aus den Team im Notfall mit in die Weiter- umliegenden Regionen – wie dem Ärztliche Beratung versorgung des Palliativpassträgers Idsteiner Land – in die Handhabung einbezogen wird. Der Notarzt vor des Palliativpasses einbinden. Wichtig ist, dass dem Ausstellen Ort informiert das SAPV-Team in des Palliativpasses ein intensives diesem Fall über seinen Einsatz und Fazit haus- und/oder palliativärztliches die Maßnahmen, die er ergriffen hat, Beratungsgespräch mit dem Betrof- und übergibt den Patienten zur Das einstige Pilotprojekt hat sich fenen und/oder dessen Vorsorge Weiterbehandlung an das SAPV- zum festen und wirkungsvollen Be- bevollmächtigten vorausgeht. Im Team. Das betrifft vor allem die standteil einer erweiterten Vorsorge Gespräch klären die behandelnden Nachtzeiten oder das Wochenende, planung Schwerstkranker entwickelt. Ärzte die Beteiligten über den Sinn wenn der Hausarzt zur Weiterver- Es schützt vor unnötiger medizini- des Passes und dessen Vorteile und sorgung nicht erreichbar ist. scher Überversorgung am Lebens- Risiken auf. Erst danach wird ge- Diese Regelung gewährleistet eine ende und trägt den Veränderungen meinsam besprochen, welche Fest- lückenlose Versorgung über den der Versorgungsrealität in Deutsch- legungen den Vorstellungen des Notarzteinsatz hinaus. Schon öfter land Rechnung. n Patienten am besten entsprechen. haben Pflegeheimmitarbeiter über Insbesondere ist hier die Mitwir- die Ruf- und Einsatzbereitschaft Thomas Nolte kung des Hausarztes als Arzt des das zuständige SAPV-Team über (Autoreninformation siehe Seite 11) Türe öffnen Hospizbegleitung mit Hund Wissenschaftliche Studien haben ergeben, dass die Anwesenheit von Tieren in der Altenhilfe und bei der Betreuung demenzkranker Personen positive Wirkungen auslösen. Tiere spenden Trost und geben Wärme. Sie leben immer im Hier und Jetzt und können Gedanken an Krankheit und Tod verdrängen. Seit zehn Jahren begleitet Ulrike Reichert Menschen mit ihren Hunden. Jetzt besucht sie als Hospizbegleiterin für AUXILIUM mit ihren Therapiehunden Ginger und Lotte Menschen im Altenheim. „Wenn ich mit meinen Hunden in das Altenheim komme, ändert sich sofort die Atmosphäre. Die Menschen freuen sich. Sie möchten die Tiere anfassen, sie streicheln. Durch die Begeg- nung mit Ginger und Lotte werden Erinnerungen an eigene Tiere geweckt. Die Hunde wirken wie ein emotionaler Türöffner. Das ist sehr berührend.“
1 4 · T I T E LT H E M A H O S P I Z Seelsorge in Notfällen Da sein, stützen, reden, aushalten Überall Blut. Ein schrecklicher Anblick. Was ein ganz normaler Stunden-Schicht ein Gerät bei sich, über das sie im Ernstfall von der Arbeitstag als Krankenschwester werden sollte, begann mit Leitstelle angefunkt wird. Piept es, einem riesigen Schock: Dort in der Notfallambulanz lag Vera, dann weiß sie: „Da sind Menschen, bei die Tochter eines bekannten Ehepaares. denen ändert sich das Leben. Sie müssen S abrupt in eine andere Richtung denken.“ Dabei stützen Sylvia Üffing und ihre ylvia Üffing spürte, wie Seit dieser traurigen Geschichte tut Kollegen von SIN (Seelsorge in Not- der Schreck ihr die Beine sie es immer wieder. Von Herzen. fällen). weich werden ließ. Es war Sylvia Üffing hilft seit etwas mehr als 2009, als die Kran- einem Jahr in Wiesbaden als Notfall- Einfach da sein ist wichtig. „Dass die kenschwester in der Kli- seelsorgerin den Hinterbliebenen Angehörigen ihre Trauer rauslassen, ist nik in Goch auf gnaden- von Verstorbenen. Oder Menschen, gewollt.“ Deshalb: „Gut, wenn sie lose Art mit dem Tod konfrontiert die geschockt sind durch Tragisches. sprechen können. Manchmal suchen wurde. Denn obwohl so viele Ärzte Wie beim Wiesbadener Fastnachts- wir einen Anknüpfungspunkt wie es versuchten, sie konnten Vera nicht umzug 2018, als ein Mann aus einer Urlaubsbilder, damit sie beginnen zu mehr retten. 17 Jahre jung. So jung Musikkapelle auf dem Elsässer Platz erzählen”. wie Anna, ihre eigene Tochter - Sylvia hatte reanimiert werden müssen. Üffing stand unter Schock. Aber den Seine Kolleginnen und Kollegen Die Helferin in der Ausnahmesitua Rat der Kollegen, direkt wieder nach standen unter Schock; statt auf der tion achtet auch auf Kleinigkeiten. Hause zu gehen, nahm sie nicht an. Straße für die Helau-Fastnachter zu Zum Beispiel: „Wenn die Angehöri- „Was soll ich da?“ Dort würden sich spielen, mussten sie den Vorfall gen mir ein Getränk anbieten, ist das die Bilder nur in Endlosschleife vor verarbeiten – mit Unterstützung von ein gutes Zeichen. Dann sorgen sie den Augen wiederholen. Sie blieb. Sylvia Üffing, die 2015 die Ausbildung auch für sich selbst.“ Wichtig sei auch Und stand den Eltern bei, als diese zur Notfallseelsorgerin absolviert hat, den Kreis zu erweitern, möglichst ins Krankenhaus kamen. Später dem danach zunächst in Rüsselsheim in Familienmitglieder dazuzunehmen. Patenonkel, der Vera nochmal sehen diesem Ehrenamt tätig war. Auch dafür sorgen, dass nach dem wollte. „Ich habe intuitiv das getan, Rettungseinsatz und vor dem geru- was ich von Herzen für diese Menschen Ist die 53-Jährige im seelsorgerischen fenen Bestatter, die Angehörigen tun konnte.“ Notdienst, trägt sie in einer Zwölf- Abschied nehmen können. Wenn gewünscht, kann und darf Sylvia Üffing die Verstorbenen aussegnen. Bis zu vier Stunden verbringen Seelsorger bei den Trauernden. Leicht ist das Gesehene auch für die eigene Seele nicht: Oft geht es um Suizid, oder aber auch um plötzlichen Kindstod. Da kommt noch dazu, dass die Polizei gerufen werden muss. „Es sind schreckliche Fragen, die die Polizei stellen muss.“ Sylvia Üffing steht dann zur Seite.
T I T E LT H E M A H O S P I Z · 1 5 Wie sie jahrelang schon vielen Es war Anfang der 2000er Jahre, als Sylvia Üffing nickt. „Tod und Sterben Menschen beim Thema Tod ge- Sylvia Üffing aus dem Nichts in bedeuten immer Krise.“ Sie hat sich holfen hat. solch einer dramatischen Situation mit vielen Facetten auseinander steckte. Zwischen Kleve und Goch gesetzt, möchte demnächst lernen, Von Februar 2017 an arbeitete sie kam sie zu einem Unfall. Eine Frau wie sie Familien begleiten kann, die bis Ende des Jahres 2018 haupt hatte einen Müllwagen überholen Totgeburten zu betrauern haben. beruflich als Palliativ-Care-Mitar- wollen, war mit dem Auto im beiterin für AUXILIUM. Davor Straßengraben gelandet. Gemeinsam Wer so viel hilft, wenn es ums Ster- war sie unter anderem Trauer mit einem anderen Unfallzeugen ben geht – gibt es da Gedanken um begleiterin und Koordinatorin im startete sie die Reanimationsversuche, den eigenen Tod? Rüsselsheimer Hospiz, hat auch als übernahm die Mund-zu-Mund- palliative Fachkraft gearbeitet. Beatmung. Vergeblich, die 40-Jährige Die 53-Jährige überlegt kurz, Angefangen hat die Mutter einer starb. Die zwei Kinder, die ebenfalls antwortet: „Dann bin ich Privatper- Tochter und zweier Söhne, die 1965 im Auto saßen, überlebten. Der son. Wenn ich diesen Hut mal aufsetzen in Rhede geboren wurde, ihre Vater und Ehemann bat anschlie- muss, habe ich alle anderen Hüte nicht berufliche Karriere als Kranken- ßend alle Beteiligten zu einem mehr auf. Dann stecke ich in der schwester mit der Ausbildung in Gespräch. „Da hat sich der Kreis Krise”. Dann kann hoffentlich ihr Geldern. „Ich war immer die Person, geschlossen, das hat allen geholfen“, und ihren Angehörigen geholfen zu der die Kolleginnen gesagt haben: berichtet Sylvia Üffing von dem werden, so wie es Sylvia Üffing fast Kannst du mal schauen?“ Dann, Treffen. Auch ihr selbst: Denn ihre ihr ganzes Leben lang bisher im wenn es ums Sterben ging. Erinnerung spielte ihr das Erlebte Ehrenamt („Ich möchte der Gesell- immer wieder vor. Die Nähe bei schaft etwas zurückgeben“) oder im der Beatmung. „Ich habe die Frau Beruf getan hat. Für manche ist es nicht mehr aus meinem Gesicht nicht einfach, solch ein Leben mit bekommen.“ dem Tod nachzuvollziehen. Auch „Ich habe intuitiv Damals merkte sie zum ersten Mal, für ihre Tochter Anna, die nun selbst als Krankenschwester arbeitet, das getan, was ich wie sehr und wie intensiv das Reden lange Zeit nicht. Aber: „Während und das gemeinsame Verarbeiten ihrer Ausbildung hat sie in einem von Herzen für helfen. Hospiz gearbeitet. Seitdem kann diese Menschen Hat die Ausbildung zur Seelsorgerin sie mich viel besser verstehen.” n tun konnte.“ auch bei der Palliativ-Arbeit geholfen? Peter Schneider
16 · AUS DEM VEREIN Bevor ich sterbe, möchte ich … Eine Mitmachaktion der besonderen Art Bianca Ferse berichtet über eine Mitmachaktion der beson schrieb. Mehr nicht. Nach einem Tag war die Wand gefüllt mit den deren Art, die im kommenden September im Mittelpunkt der persönlichen Gedanken und Träu- Kooperationspartnerschaft zwischen dem Kirchenfenster men anderer Menschen. Schwalbe 6 und AUXILIUM steht. Mittlerweile ist daraus ein welt weites Kunstprojekt mit insgesamt Schon seit einigen Monaten pla- Abteilungsleiter Friedhofswesen mehr als 500 Tafeln in beinahe 80 nen und organisieren Pfarrerin beim Grünflächenamt. verschiedenen Ländern geworden. Annette Majewski, Ralf Michels Mit diesem interaktiven Projekt und Bianca Ferse das aus den Ihren Ursprung hat die Aktion bei möchten die beteiligten Planerinnen USA stammende Kunstprojekt der Konzept-Künstlerin Candy und Planer nun auch in Wiesbaden „Before I die, I want to …“. Zu Chang, die einen nahen Angehöri- zur Auseinandersetzung mit dem Deutsch: „Bevor ich sterbe, möchte gen verloren hatte und einen Weg Leben im Bewusstsein der eigenen ich …“ Mit im Boot sind Susanne suchte, mit dem Verlust umzugehen. Endlichkeit anregen. „Bevor ich Fichtl, Seelsorgerin für Kranken- In ihrer Heimatstadt New Orleans sterbe, möchte ich…“, dieser Satz haus, Hospiz und Palliative Care gestaltete sie eine große Tafel an anfang, auf große Tafeln geschrie- beim evangelischen Dekanat einer Hauswand, in der sie den Satz ben, soll mitten in der Stadt dazu Wiesbaden, und Oliver Dequis, „Before I die, I want to …“ nieder- einladen, einen Moment innezuhal-
AUS DEM VEREIN · 17 Aus der Aktion der Künstlerin Candy Chang ist ein welt- weites Kunstprojekt mit mehr als 500 Tafeln in 80 Ländern geworden. ten und über das eigene Leben nachfolgenden Woche werden die Freitag, 20. September 2019, nachzudenken. Es geht darum, Tafelwände voraussichtlich an die 11–17 Uhr, Wünsche aufzuschreiben und mit folgenden Orte wandern: Platz der Deutschen Einheit/ anderen ins Gespräch zu kommen. vor Elly-Heuss-Schule Die Anonymität des öffentlichen Montag, 16. September 2019 Raumes kann dabei auch Men- 11–17 Uhr, Samstag, 21. September 2019, schen, die eher zurückhaltend sind, Mauritiusplatz 9–14 Uhr, ermöglichen, ihre Hoffnungen und Dern’sches Gelände/Markt n Sehnsüchte sichtbar zu machen und Dienstag, 17. September 2019 mit anderen zu teilen. 11–17 Uhr, Luisenplatz/Bushaltestelle I N F O R M AT I O N Auch wenn das Projekt erst im September stattfindet, soll an dieser Mittwoch, 18. September 2019 Einzelheiten zu dieser Mitmachaktion Stelle schon auf die damit verbun- 11–17 Uhr, entnehmen Sie bitte den Flyern, die im denen Termine hingewiesen werden. Dernsches Gelände/Bushaltestelle Sommer ausgelegt werden, und den Start ist am Tag des Friedhofs am Webseiten von AUXILIUM (www.hvwa.de) 15. September von 10.30 bis 15 Uhr Donnerstag, 19. September 2019 und des Kirchenfensters Schwalbe 6 auf dem Südfriedhof, begleitet von 11–17 Uhr, (www.schwalbe6.de) sowie der Presse. einem Rahmenprogramm. In der Elly-Heuss-Schule/Schulhof Begleitprogramm 17. September 2019 Lesung des Buches von Bronnie Ware: „5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen”, AUXILIUM, Luisenstraße Filmvorführung Film zum Thema im Caligari Termin/Titel 21. September, 15-17 Uhr Abschlussveranstaltung mit einer dokumentarischen Projektvorstellung, Kirchenfenster Schwalbe 6
18 · AUS DEM VEREIN Filmtipp Constantin Müller und die Lust am Ehrenamt Ein Gespräch mit Constantin Müller ist etwas ganz besonde- res. 28 Jahre jung, erfolgreicher Werbefilmer, Regisseur und seit 2014 ehrenamtlicher Hospizbegleiter bei Bärenherz, dem Kinderhospiz in Wiesbaden. Mia und die Eule Habe ganz neue Sichtweisen für mich (D 2018) gewonnen. Mein Leben ist reicher Regie: Constantin Müller geworden. Ich kann jedem nur Bildgestaltung: Markus Ott empfehlen ein Ehrenamt anzunehmen“. Produktion: Kontrastfilm Seine Eindrücke als Hospizbegleiter hat Constantin Müller in einem Kurzfilm verarbeitet – „Mia und die Eule“. In dem dreißigminütigen Film begibt sich die 8-jährige Mia auf eine Reise, um ein Versprechen N ihrer gerade verstorbenen Schwester AUSZEICHNUNGEN zu erfüllen. Ein berührender Film, ach seiner Ausbildung in dem Mia auf schmerzliche und Independent Shorts Awards, Los Angeles als Regisseur findet zugleich magisch-humorvolle Weise Winner Best Child/Young Actress, April 2018 Constantin Müller lernt mit dem Tod ihrer Schwester Independent Shorts Awards, Los Angeles schnell den Weg in die umzugehen. Winner Best Student Short, April 2018 Selbständigkeit. Ein Der Film ist seit Anfang des Jahres Independent Shorts Awards, Los Angeles Erlebnis bei einem auf dem Markt und auf internatio- Winner Best Student Director, April 2018 Dreh, bei dem zwei Kinder die nalen Festivals sehr erfolgreich. n International Cult Film Festival, Kalkutta Hauptrolle spielen, gibt ihm zu Winner Best Short, Februar 2018 denken. Er erfährt, dass Erfolg, Gudrun Pfundt Geld nicht selbstverständlich und auch nicht alles im Leben sind. Etwas fehlt. Ungewöhnlich für sein Alter? Obwohl Freunde und Familie skeptisch sind, nimmt er Kontakt zu Bärenherz auf und beginnt 2014 eine Qualifizierung als Hospizbegleiter. „Während der Qualifizierung habe ich Erfahrungen gemacht die mich echt umgehauen haben. Einen eigenen Abschiedsbrief schreiben zum Beispiel oder später die Fotoaufnahmen eines gerade verstorbenen Kindes mit seiner Mutter und den Geschwistern. Man kann sagen, die Qualifizierung und die Arbeit als ehrenamtlicher Hospiz- begleiter haben mein Leben verändert. Ich fühle mich unheimlich geerdet.
AUS DEM VEREIN · 19 Buchtipp Roland Schulz: So sterben wir V om ersten bis zum „Es ist ein paradoxes Phänomen: Auch letzten Satz des Buches in der Moderne ist der Tod allgegen- bin ich selbst direkt wärtig, jeden Morgen in der Zeitung, angesprochen. Von jeden Abend im Fernsehen, rund um „Tage vor deinem die Uhr im Internet – aber im Alltag Tod…“ bis zum ist er kaum sichtbar. Der Fortschritt Schluss des Kapitels über die Trauer. der Medizin, der Wandel der Gesell- Es geht um mein Sterben, um mei- schaft, die Kultur der Moderne haben Roland Schulz nen Tod. Mich entziehen, auf später den handfesten Tod aus der Wahrneh- So sterben wir verschieben, von einem professio- mung verdrängt. Manche Menschen Unser Ende und was wir nelleren Standpunkt aus betrachten? sehen den ersten Leichnam ihres darüber wissen sollten Funktioniert nicht. Ich muss mich Lebens im Alter von fünfzig, sechzig Piper, München, 2018 auseinandersetzen, berühren und Jahren, wenn ihre Eltern sterben.“ ISBN 978-3-492-05568-0 bewegen lassen. 20 Euro Sterben – ein Prozess am Lebens- Der Journalist Roland Schulz be- ende, den jeder durchlaufen wird. schreibt in drei großen Kapiteln, Seit je wissen die Menschen darum wie in Deutschland heute gestorben Sie entwickelten philosophische wird: Sterben – Tod – Trauer. Das und religiöse Vorstellungen, gestalten „Auch wenn es in den Augenblicken sind die Themen der Hospizarbeit. den Abschied mit kulturell unter- nach deinem Tod kaum jemand für Akribisch recherchiert bei Ärzten, schiedlich geprägten Traditionen und möglich hält – so wie sich deine Ge- Palliativmedizinern, Hospiz- und Ritualen. Hier steht, was ich erleben beine im Grab zersetzen, wie die Schrift Trauerbegleitern, Pflegepersonal, werde. auf deinem Stein verwittert und die Bestattern, in der Rechtsmedizin Erinnerung an dich verblasst, so und bei den Behörden – und prak- Tod – von drei Menschen, einer al- schwindet auch die Intensität der tisch erfahren in Gesprächen mit ten Frau im Pflegeheim, einem Trauer um dich. Die Intensität. Die Sterbenden, Angehörigen, Nahe kleinen Kind und einem jungen Trauer an sich nicht. Sie bleibt. Oft ein stehenden und Betreuern. Mann, erfahren wir, was nach dem Leben lang. Doch auch die Menschen, Sterben mit dem toten Körper ge- die um dich trauern, werden sterben. Deses Buch hilft, Sterben und Tod schieht. Und mit ihnen vergehst auch du, mit wieder ins Bewusstsein der Gesell- jedem Tod mehr. So lange bis an einem schaft zu rücken – mir bewusst zu Trauer – Starre, Chaos der Gefühle, Tag außer Sicht ... die letzten Spuren machen; das Sterben als erfahrbaren unwirkliche Erlebnisse, eigenartige deines Lebens verwehen und dein Sterben Teil des Lebens und den Tod als Erfahrungen, zerschlagene Hoff- und Tod vollkommen sein werden.“ n Grenze des Erfahrbaren und unse- nung, Einsamkeit, Schuld, auch res Wissens. Groll und Wut. Und doch: Ruth Reinhart-Vatter Die Bande der Liebe werden mit dem Tod nicht durchschnitten. THOMAS MANN
20 · AUS DEM VEREIN Kultursensible Begleitung am Lebensende Rückblick auf den Wiesbadener Hospiztag 2019 Am 16. März fand zum 23. Mal der Hospiztag statt. Eine unserer multikulturellen Welt. Karl-Georg Mages, Vorsitzender schöne Tradition der stetig wachsenden Palliativgemeinde des Hospizvereins Wiesbaden in Wiesbaden und eine gelungene Veranstaltung für alle AUXILIUM, hielt die Begrüßungs- Engagierten und an diesem Thema Interessierten. rede. A Dr. Martin Nörber, Referatsleiter für Bürgerschaftliches Engagement uf diesen Tag hatten von Hospizium, Träger des Hospi- im Ministerium für Soziales und die Organisatoren zes Advena und des Hospizvereins Integration, und Dr. Oliver Franz, wochenlang hingear- Wiesbaden AUXILIUM. Bürgermeister der Stadt Wiesbaden, beitet: Mitarbeiterinnen Wie all die Jahre zuvor stand auch übermittelten Grußworte. Alle des Caritasverbands dieser 23. Hospiztag unter einem Ehrenamtlichen und beruflich Enga- Wiesbaden-Rheingau- besonderen Motto: „Kultursensible gierten erhielten dabei viel Lob Taunus e.V., des Evangelischen Ver- Begleitung am Lebensende“ – ein und Anerkennung für die geleistete eins für Innere Mission (EVIM), spannendes und wichtiges Thema in Arbeit. Von links: Erhard Weiher (katholischer Krankenhausseelsorger in Mainz), Susanne Fichtl (evangelische Krankenhausseelsorgerin in Wiesbaden), Leila Haas (Abschiedsrednerin und Trauerbegleiterin für konfessionslose Menschen), Imran Karkin (muslimische Pflegewissenschaftlerin aus Aschaffenburg), Sara Majerczik (Sozialarbeiterin im Altenzentrum der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt), Dorothea Mihm (Mitglied der buddhistischen Praxis Adarsha Frankurt), Elke Urban und Stefan Schröder
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