Hausärztliche Leitlinie Asthma bronchiale und COPD
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Hausärztliche Leitlinie Asthma bronchiale und COPD Therapie des Asthma bronchiale und der COPD Konsentierung Version 3.00 05. April 2006 Revision bis spätestens F. W. Bergert April 2009 M. Braun D. Conrad K. Ehrenthal J. Feßler J. Gross Version 3.10 vom 06.06.2006 K. Gundermann H. Hesse U. Hüttner B. Kluthe W. LangHeinrich A. Liesenfeld E. Luther R. Pchalek J. Seffrin A. Sterzing H.-J. Wolfring U. Zimmermann
Inhaltsverzeichnis 02 Kontext und Kooperation 24 Hausärztliche Schnittstellen 03 Verantwortlichkeit 25 Differentialdiagnose Asthma und COPD 04 Asthma 26 Chronisch obstruktive Bronchitis (COPD) Definition und Epidemiologie Definition und Epidemiologie 05 Allgemeines Diagnostik 27 Hausärztliche Schlüsselfragen: COPD-Therapie 06 Grundsätze und Ziele Asthmamanagement 28 Therapie der COPD Therapieziele 07 Hausärztliche Schlüsselfragen: Asthmatherapie Managementprogramm Probleme in der Betreuung von Schweregrade der COPD Asthmapatienten 29 Stufenplan für die Langzeittherapie der COPD 08 Hausärztliche Aufgaben 30 Exazerbationen Praxishinweise zur Behandlung der COPD 09 Therapie des Asthma bronchiale Allgemeine / präventive Maßnahmen 31 Anmerkungen 10 Pharmakotherapie Therapie der bronchialen Verschleimung 11 Schweregrad des Asthma bronchiale beim Schwerer, anhaltender Reizhusten Erwachsenen [11] Implementierung 12 Stufenplan für die Langzeittherapie des Asthma bronchiale bei Erwachsenen [11] 32 Zusammenfassung 13 Praxishinweise 14 Rasch und lang wirksame β2- 34 Literatur Sympathomimetika, Anticholinergika 15 Inhalative Glucocorticoide 38 Anhang 16 Orale Glucocorticoide, Theophylline Hinweise zur Raucherentwöhnung 17 Cromoglycinsäure, Nedocromil und 39 Materialien zur Raucherentwöhnung Leukotrienantagonisten 40 Langzeitsauerstofftherapie 18 Kombinationspräparate 41 Studien zu Asthma und COPD 19 Asthmaanfall bei Erwachsenen 45 Statistik 20 Asthma bei Schwangeren 47 Evidenzkategorien 21 Asthma bei Kindern 48 Informationen zur Leitliniengruppe Hessen 50 Disclaimer und Internetadressen 01 Hausärztliche Leitlinie »Therapie des Asthma bronchiale und der COPD« Version 3.10 I 6. Juni 2006
Kontext und Kooperation Bisher veröffentlichte Leitlinien Die Leitliniengruppe Hessen wurde 1998 mit dem Ziel gegründet, hausärztliche Leitlinien zu Ì Asthma bronchiale und COPD ausgewählten Themen der Pharmakotherapie für Antikoagulation die Arbeit in Pharmakotherapiezirkeln zu erstellen. Chronische Herzinsuffizienz Die hausärztlichen Qualitätszirkel »Pharmakothe- Diabetes mellitus Typ 2 rapie« gehören zu einem Programm der KV Hes- Fettstoffwechselstörung sen zur Qualitätssicherung. Die Verantwortung für Geriatrie Teil 1: Allgemeine Geriatrie die Inhalte der Leitlinie liegt bei der Leitlinien- Geriatrie Teil 2: Spezielle Geriatrie gruppe. Hausärztliche Gesprächsführung Hypertonie Die Pharmakotherapiezirkel und die Leitlinienarbeit Palliativversorgung werden von der KV Hessen ohne inhaltliche Ein- Psychosomatische Medizin flussnahme und ohne Verantwortung für die Inhal- Schmerzen te gefördert. Stabile Angina pectoris Venöse Thromboembolien Die Moderation der Leitliniensitzungen, die wissen- schaftliche Begleitung und Konzeption hausärzt- Die Leitliniengruppe Hessen ist daran interessiert, licher Leitlinienerarbeitung sowie die Evaluation Rückmeldungen und Anregungen von Kollegen erfolgt durch die PMV forschungsgruppe, Univer- und Kolleginnen zur Anwendung der Leitlinie in der sität zu Köln. Praxis zu erhalten. Bitte teilen Sie Ihre Meinung und Vorschläge der PMV forschungsgruppe mit. Ein Training in Methoden der Evidenzbasierung Vielen Dank. und Unterstützung in der Strukturierung der Leit- linien erfolgte durch das Ärztliche Zentrum für PMV forschungsgruppe Qualität in der Medizin (ÄZQ, Berlin). Im Rahmen Stichwort »Leitlinien« eines BMGS-Projektes wurde (bis 5/2003) das Herderstraße 52-54 Gesamtprojekt vom ÄZQ begleitet und mitevalu- 50931 Köln iert. Die erarbeiteten Leitlinien werden über das Fax: 0221-478-6766 ÄZQ [www.leitlinien.de] und die PMV forschungs- Email: pmv@uk-koeln.de gruppe regelmäßig im Internet veröffentlicht. http://www.pmvforschungsgruppe.de 02 Hausärztliche Leitlinie »Therapie des Asthma bronchiale und der COPD« Version 3.10 I 6. Juni 2006
Verantwortlichkeit Ì Zusammensetzung der Leitliniengruppe Ì Unabhängigkeit Ì Ziele und Arbeitsweise Zusammensetzung der Leitliniengruppe Ziele und Arbeitsweise Die Mitglieder der »Leitliniengruppe Hessen – Die Leitliniengruppe Hessen versteht die Leitlinien Hausärztliche Pharmakotherapie« sind praktizie- als Orientierungs- und Entscheidungshilfen für rende Hausärzte aus dem Bereich der KV Hessen die Versorgungsaufgaben des Hausarztes. Die und seit z. T. mehr als 10 Jahren als Moderatoren Leitlinien enthalten therapeutische Handlungsem- hausärztlicher Pharmakotherapiezirkel tätig. Sie pfehlungen für typische Beschwerdebilder und entwickeln zu ausgewählten hausärztlich relevan- Behandlungssituationen – für den »Normalfall«. ten Indikationsgebieten Leitlinien. Die Leitlinien Patienten, die Besonderheiten aufweisen, müssen sind Bestandteil des Projektes »Hausärztliche bedarfsgerecht nach ihren individuellen Gegeben- Qualitätszirkel Pharmakotherapie«. Sie dienen heiten behandelt werden. Die Empfehlungen wer- gleichermaßen der Schulung der Moderatoren wie den – so weit möglich – durch Studien und mit der Teilnehmer der Pharmakotherapiezirkel. Die Evidenzgraden (s. u.) versehen. Besonderen Wert Leitlinien werden in gedruckter Form (KVH aktuell legt die Leitliniengruppe auf nichtmedikamentöse Pharmakotherapie) und im Internet [www.leitlinien. und patientenaktivierende Maßnahmen. Deren de, www.pmvforschungsgruppe.de] veröffentlicht. niedrigere Evidenzbewertung bedeutet nicht, dass sie weniger relevant sind, sondern zeigt nur, dass Unabhängigkeit sich diese Maßnahmen weniger für die Standard- Die inhaltliche Arbeit der Leitliniengruppe ge- untersuchungsmethoden der evidenzbasierten schieht selbstständig und ohne äußere Einfluss- Medizin (wie randomisierte klinische Studien, dop- nahme. Die Mitglieder der Leitliniengruppe Hessen pelblind) eignen und dass es schwierig ist, für sind ehrenamtlich mit Vergütung ihrer Spesen diese Untersuchungen Sponsoren zu gewinnen. durch die KV Hessen tätig. Die KV Hessen entsen- Die in den Leitlinien formulierten Grundsätze beru- det weder Mitglieder in die Leitliniengruppe, noch hen auf einer sorgfältig durchgeführten Leitlinien- werden ihnen Leitlinien vor der Veröffentlichung und Literaturrecherche [53]. Bestehen bereits vorgelegt. Es bestehen keine finanziellen oder evidenzbasierte Leitlinien zur Thematik, werden inhaltlichen Abhängigkeiten der »Hausärztlichen die für die hausärztliche Pharmakotherapie wich- Leitliniengruppe Hessen« zu irgendwelchen weite- tigen Empfehlungen übernommen. Soweit entspre- ren Einrichtungen oder anderen Interessenten. chende Untersuchungen fehlen, werden aufgrund von therapeutischen Erfahrungen der praktizie- renden Hausärzte im Konsens verabschiedete Empfehlungen gegeben. Zu einzelnen Fragen werden Expertenmeinungen eingeholt. Erst dieses pragmatische Vorgehen ermöglicht eine Leitlinien- arbeit durch Hausärzte und schont die knappen Ressourcen. Die Leitliniengruppe beschreibt ihre Arbeitsweise in einem allgemeinen Leitlinienreport und erstellt außerdem zu jeder Leitlinie einen spezifischen Report. 03 Hausärztliche Leitlinie »Therapie des Asthma bronchiale und der COPD« Version 3.10 I 6. Juni 2006
Asthma Ì Definition und Epidemiologie Vorbemerkung Definition und Epidemiologie Die vorliegende Leitlinie orientiert sich maßgeblich Asthma ist eine chronisch entzündliche Erkran- an den nationalen Versorgungs-Leitlinien (NVL) kung der Atemwege mit einer variablen Obstruk- der Bundesärztekammer, Arbeitsgemeinschaft der tion dieser, die spontan oder nach Therapie rever- Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesell- sibel ist. schaften und Kassenärztlichen Bundesvereinigung zu Asthma [11]. Die Leitliniengruppe Hessen sieht Asthma kann die Lebensqualität der Betroffenen es als wichtig und gewinnbringend an, eine eigene erheblich reduzieren, wobei Einschränkungen der Leitlinie für den ambulanten Bereich zu verfassen, körperlichen Belastbarkeit ebenso eine Rolle um die Aspekte, die die hausärztlich tätige Ärztin spielen wie emotionale und soziale Faktoren. Bei und den hausärztlich tätigen Arzt betreffen, zusam- Kindern kann Asthma negative Folgen für die mengefasst und spezifisch für den ambulanten weitere körperliche (Bsp. Minderwuchs) und geisti- Bereich darzustellen. ge Entwicklung haben. Das Asthma bronchiale gehört zu den Volkskrank- heiten mit einer Prävalenz von ca. 5% bei Er- wachsenen und 10% bei Kindern [11]. Nachdem die Prävalenz der Asthma-Erkrankungen über Jahre kontinuierlich zugenommen hat [34], zeigen neuere Studien, dass die Zunahme in westlichen Ländern zum Stillstand zu kommen scheint [60]. Asthma besitzt eine erhebliche volkswirtschaftliche Relevanz. Gemäß einer Analyse liegen die Kosten pro Patient bei 2.200 € - 2.700 €/Jahr bei mittel- schwerem allergischem Asthma und bei 7.900 € - 9.300 €/Jahr bei schwerem Asthma [11]. Asthma ist eine potenziell tödlich verlaufende Krankheit mit 2.422 Todesfällen im Jahr 2003 in Deutschland (Totenscheindiagnose) [54]. 04 Hausärztliche Leitlinie »Therapie des Asthma bronchiale und der COPD« Version 3.10 I 6. Juni 2006
Asthma Ì Allgemeines Ì Diagnostik Allgemeines zum Asthma [11] Diagnostik Zur Behandlung des Asthma bronchiale stehen Für eine an den Patienten angepasste optimale heute potente Medikamente mit gesicherter Wir- Therapie ist eine genaue Diagnostik erforderlich: kung zur Verfügung. Beim Asthma liegt eine weit- Anamnese einschließlich Familienanamnese gehend standardisierte Therapie in Form von Stu- Körperliche Untersuchung fenschemata vor, die durch Präventivmaßnahmen Standardisierte Tests (Lungenfunktion, Bron- und allgemeine Maßnahmen ergänzt wird. cholysetest, diagnostische Therapieversuche) Folgende Diagnostik gehört in die Hand des Vorwiegend besteht die Therapie im Einsatz von allergologisch spezialisierten Arztes: kutane Arzneimitteln, die als Bedarfstherapeutika (»Re- Allergietestung (Prick-Test), Bestimmung von liever«) oder als Langzeittherapeutika (»Control- allergenspezifischen Immunglobulinen (RAST = ler«) eingesetzt werden. allergenspezifisch), Provokationsmethoden Die Bestimmung des gesamt-IGE (RIST) hat in Präventivmaßnahmen (z. B. Allergenkarenz, der Regel keine Konsequenzen Nikotinabstinenz) zur Primärprävention bzw. zur Differenzierung zwischen allergischem (extrin- Prävention von Exazerbationen eines manifesten sischem) und nicht allergischem (intrinsischem) Asthma (Sekundärprävention) sind vor allem im Asthma Kindesalter von Bedeutung. Auslöser oder Trigger definieren Differenzierung in Schweregrade vornehmen Die spezifische Immuntherapie (»Hyposensibili- sierung«) nach qualifizierter Diagnostik wird bei überwiegend durch Allergene (z. B. Pollen, Milben, Schimmelpilze) verursachtem Asthma empfohlen. Eine adäquate Notfallausrüstung muss wegen möglicher Anaphylaxie vorhanden sein. Für die Effektivität von Komplementär- / Alterna- tivmedizin beim Asthma (z. B. Akupunktur, Homöopathie, manuelle Therapie, Massage, Yoga, Hypnose, diätetische Maßnahmen) liegen keine Wirknachweise vor. 05 Hausärztliche Leitlinie »Therapie des Asthma bronchiale und der COPD« Version 3.10 I 6. Juni 2006
Asthma Ì Grundsätze und Ziele Ì Asthmamanagement Grundsätze der Asthmatherapie [11] Definition der patientenrelevanten Therapieziele Die Therapie verlangt ein »Asthmamanagement« (Beschwerdefreiheit, volle Belastbarkeit) sowie und besteht aus verschiedenen Maßnahmen. Bei der medizinischen Ziele und deren Kontrolle der Mehrzahl der Patienten kann das Asthma unter Angabe bzw. Berücksichtigung von Stu- wirksam gebessert werden, eine Heilung ist in der fentherapieschemata. Regel nicht möglich. Reduzierung der bronchialen Hyperreagibilität, Vermeidung von Asthmaanfällen durch begrün- Das Asthmamanagement beinhaltet: dete, rationale Pharmakotherapie. Ausführliche Information des Patienten und ggf. Zu Diagnostik und Therapieplanung sowie bei seiner Angehörigen (bei Kindern) über das Therapieproblemen ist die Hinzuziehung eines Krankheitsbild und Einbeziehung in die Pulmologen ratsam. Behandlung. Schulung des Patienten und seiner Angehöri- gen. Dies ist ein kontinuierlicher Prozess. Der Patient soll sein Krankheitsbild verstehen und befähigt werden, Selbsthilfemaßnahmen durch- zuführen [23] {A}. Ziele der Asthmatherapie [11] Hierzu erforderlich ist ein »Managementprogramm« [11] mit Vermeidung akuter / chronischer Symptome und Objektivierung des Schweregrades Beschwerden Patientenschulung Wiederherstellung einer normalen oder Vermeidung von Asthmaauslösern (Prävention) bestmöglichen Lungenfunktion Behandlungsplan für die Dauertherapie Vermeidung von Asthmaanfällen, Behandlungsplan für den Asthmaanfall Exazerbationen Regelmäßige Therapiekontrolle (u. a. Peakflow) Vermeidung von stationären Aufenthalten Ermöglichung normaler körperlicher Aktivitäten einschließlich Sport Verhinderung der Verzögerung der körperlichen/ geistigen Entwicklung durch Asthma bei Kindern Zufriedenheit des Patienten / Angehörigen mit dem Asthmamanagement Verbesserung der Lebensqualität Erhöhung der Lebenserwartung 06 Hausärztliche Leitlinie »Therapie des Asthma bronchiale und der COPD« Version 3.10 I 6. Juni 2006
Hausärztliche Schlüsselfragen: Asthmatherapie Ì Probleme in der Betreuung von Asthmapatienten Aus Sicht der Leitliniengruppe Hessen bestehen folgende Probleme: Inkonsequente, unzureichende Therapie, unzu- reichende Beachtung von Stufenschemata, ins- besondere des Einsatzes inhalativer Corticoste- roide (ICS) und ggf. der langwirkenden ß2-Sym- pathomimetika. hoher Verbrauch rasch wirksamer, inhalati- Zu ver β2-Sympathomimetika; oftmals unzurei- chende Therapiekontrolle (auch der Ver- brauchsmenge, insbesondere an β2-Sympatho- mimetika). Fehlende Therapie- / Verlaufskontrolle durch Peakflow-Messung. Cortisonangst der Patienten. Nebenwirkung und Handhabung von Theo- phyllin. Technische Schwierigkeiten bei der Handha- bung von Dosieraerosolen. Fehlendes Mundspülen nach ICS-Inhalation. Komedikation von z. B. NSAR, Phenprocou- mon, Betablockern (auch Augentropfen). Entscheidung zur Osteoporoseprophylaxe bei Dauertherapie mit Corticoiden. Motivierung des Patienten und / oder der Ange- hörigen zur Tabakabstinenz. Umsetzung von Allergenkarenz, besonders wenn Haustiere beteiligt sind oder der Arbeits- platz betroffen ist. Unzureichende Schulung der Patienten. 07 Hausärztliche Leitlinie »Therapie des Asthma bronchiale und der COPD« Version 3.10 I 6. Juni 2006
Hausärztliche Schlüsselfragen: Asthmatherapie Ì Hausärztliche Aufgaben Aufgaben der hausärztlichen Betreuung Der Erfolg der Therapie wird durch die Erstel- Bei der Betreuung von Asthmapatienten in der lung eines individualisierten Therapieplans für hausärztlichen Praxis sind unter Berücksichtigung den Patienten mit Hinweisen auf die Anpassung der festgestellten Probleme folgende Aspekte für der Therapie an veränderte Peakflow-Werte die Qualität der Versorgung von besonderer unterstützt. Ein Notfallplan sollte dem Patienten Bedeutung: vorliegen. Bei der Schulung des Patienten sollte Präzise, eindeutige Diagnoseeinstufung des auf den Nutzen und die Art der Durchführung Asthmaschweregrades vornehmen. der Peakflow-Messung (Peakflow-Kalender) Der Patient ist ausführlich über das Krankheits- eingegangen und die korrekte Anwendung der bild und die Bedeutung der nichtmedikamen- Applikationssysteme vorgeführt werden tösen Maßnahmen zu informieren (s. Stufen- (s. Praxishinweise). Für die Arztpraxis ist es schema). empfehlenswert, dass sie sich auf möglichst Noxen (Allergene / Trigger) sind abzuklären; wenige Applikationssysteme beschränkt (bes- hierbei ist auch an Berufsnoxen zu denken. sere Kenntnis der Systeme, bessere Schulung). Eltern asthmakranker Kinder sollten besonders Der Hausarzt muss den Patienten motivieren, nachdrücklich zum Nichtrauchen aufgefordert ein Asthmatagebuch zu führen, in dem Be- werden. schwerden und die Medikation eingetragen Die Therapie muss konsequent nach Stufen- werden (z. B. Tagebücher der Deutschen schema umgesetzt werden. Dem Patienten ist Atemwegsliga, Burgstraße 12, 33175 Bad die Bedeutung und Art der Anwendung der Lippspringe). Bedarfs- und Dauermedikation, hier insbeson- Die Verlaufskontrolle erfordert eine Bewertung dere der Einsatz von inhalativen Glucocorti- der Peakflow-Messungen, Lungenfunktions- coiden (ICS) ggf. in Kombination mit lang- kontrolle mit Spirometrie und ggf. Therapie- wirkenden β2-Sympathomimetika, zu erläutern korrektur aufgrund von Arzneimittelneben- und damit seine mit dieser Therapie verbun- wirkungen. denen Ängste zu nehmen. Der Patient muss verständliche Hinweise für die Der Patient muss wissen, dass langwirkende Anwendung der Arzneimittel und Hinweise auf β2-Sympathomimetika nicht ohne ICS ange- mögliche Nebenwirkungen erhalten (z. B. Mund wendet werden dürfen. ausspülen nach Anwendung der ICS wegen der Gefahr von Mundsoor und Heiserkeit, Auftreten von Unruhe, Zittern, Herzklopfen als mögliche Nebenwirkung von Theophyllinen bei höherem Blutspiegel). Der Patient sollte evidenzbasierte Informatio- nen erhalten (z. B. www.gesundheitsinforma tion.de, www.patienten-information.de) 08 Hausärztliche Leitlinie »Therapie des Asthma bronchiale und der COPD« Version 3.10 I 6. Juni 2006
Therapie des Asthma bronchiale Ì Allgemeine / präventive Maßnahmen Allgemeine / präventive Maßnahmen [11] Die Prävention von Asthma umfasst die Primär- prävention zur Vermeidung der Entwicklung von Asthma und die Sekundärprävention zur Verhin- derung der Exazerbation des manifesten Asthma: Raucherentwöhnung bzw. Verhinderung von Passivrauchen. Allergenkarenz soweit möglich. Ein Nutzen- nachweis von Milbenüberzügen, Pollenfilter, Sprays, besonderen Matratzen etc. liegt gegen- wärtig nicht vor [11]. Ausschaltung von Triggerfaktoren wie Umwelt- allergene, Allergene / Irritationen am Arbeits- platz, Luftschadstoffe (Ozon, SO2, NO2), Medi- kamente (β-Blocker, Salicylsäure, nichtstero- idale Antirheumatika). Vermeidung viraler / bakterieller Infektionen; aber kein Nutzennachweis für Schutzimpfungen gegen Influenza [16] und Pneumokokken [51] gegeben. Atemgymnastik (in Einzelfällen sinnvoll, Evidenz liegt nicht vor). Körperliches Training (Sport) mit dem Ziel einer besseren Leistungsfähigkeit und damit Abnah- me der Belastungsdyspnoe [11]. Therapiekontrolle durch Peakflow-Messung. Für spezifische Immuntherapie (Hyposensibili- sierung) sind Abnahme der Symptomatik, Ver- minderung der bronchialen Hyperreagibilität und Medikamentenreduktion belegt [1]. Sie ist risikoreich und sollte nur nach sorgfältiger Abwägung durch allergologisch versierte Ärzte durchgeführt werden. Psychosoziale Therapien (Verhaltenstraining, Stressmanagement, Entspannungstechniken) sind etablierte Elemente der stationären pneu- mologischen Rehabilitation [11]. Bei Kindern und Jugendlichen kann eine Familientherapie positive Effekte aufweisen [11]. 09 Hausärztliche Leitlinie »Therapie des Asthma bronchiale und der COPD« Version 3.10 I 6. Juni 2006
Therapie des Asthma bronchiale Ì Pharmakotherapie Pharmakotherapie [11] Die Therapeutika werden in 2 Gruppen eingeteilt: Ziel der Pharmakotherapie ist die Verringerung der Bronchodilatatorische Medikamente, sog. asthmatischen Entzündung der Atemwege und eine »Reliever« zur Bedarfsmedikation Reduzierung der bronchialen Hyperreagibilität so- Entzündungshemmende Medikamente, die wie der Atemwegsobstruktion. »Controller« als Dauermedikation zur Langzeit- kontrolle Einteilung der Arzneimittelgruppen Reliever = Bedarfstherapeutika Controller = Langzeittherapeutika rasch wirksame β2-Sympathomimetika Glucocorticosteroide (inhalativ, systemisch) Inhalatives lang wirksames β2-Sympathomime- Alternative bei Kindern und Jugendlichen: tikum Anticholinergika Retardiertes Theophyllin Theophyllin Retardiertes orales β2-Sympathomimetikum (für Erwachsene) Antileukotriene Zusätzlich bei Kindern und Jugendlichen: Cromone Theophyllin 10 Hausärztliche Leitlinie »Therapie des Asthma bronchiale und der COPD« Version 3.10 I 6. Juni 2006
Therapie des Asthma bronchiale Ì Schweregrad des Asthma bronchiale beim Erwachsenen [11] 1 2 3 4 Stufe Geringgradig Mittelgradig Schwergradig Intermittierend persistierend persistierend persistierend Asthmasymptome intermittierende > 1 x pro Woche, täglich anhaltend täglich tagsüber Symptome < 1 x < 1 x pro Tag pro Woche Asthmasymptome ≤ 2 x pro Monat > 2 x pro Monat > 1 x pro Woche häufig nachts Exazerbationen, Exazerbationen Exazerbationen täglich Bedarf an Häufige Exazer- Charakteristika kurz (Stunden bis beeinträchtigen inhalativen, rasch- bationen, nur wenige Tage), körperliche Aktivität wirksamen ß2-Sym- begrenzte physi- ansonsten be- und Schlaf pathomimetika, sche Aktivität mög- schwerdefrei, Beeinträchtigung lich normaler PEF von körperlicher zwischen Exa- Aktivität und Schlaf zerbationen bei Exazerbation Lungenfunktion: FEV1 oder PEF: FEV1 ≥ 80% des FEV1 ≥ 80% des FEV1 > 60-< 80% FEV1 ≤ 60% des Sollwertes Sollwertes des Sollwertes Sollwertes oder ≥ 80% PBW ≥ 80% PBW PEF 60-80% PBW PEF ≤ 60% PBW Variationsbreite des < 20% 20-30% > 30% > 30% PEF am Tag (Tagesvariabilität) PEF Variabilität in % = Durchschnitt der höchsten FEV1-Forciertes exspiratorisches Volumen in der Werte abends minus Durchschnitt der niedrigsten ersten Sekunde der Ausatmung = Einsekunden- Werte morgens während der Kontrollperiode, kapazität geteilt durch den höchsten Wert x 100. PEF-Peak expiratory flow = exspiratorischer Spit- Beispiel: (400-300)/400 x 100 = 25 zenfluss PBW = persönlicher Bestwert 11 Hausärztliche Leitlinie »Therapie des Asthma bronchiale und der COPD« Version 3.10 I 6. Juni 2006
Therapie des Asthma bronchiale Ì Stufenplan für die Langzeittherapie des Asthma bronchiale bei Erwachsenen [11] Stufe 4 schwergradig persistierend Stufe 3 Dauertherapie: mittelgradig persistierend ICS in hoher Dosis + lang wirksames β2-Sym- Stufe 2 Dauertherapie: pathomimetikum geringgradig persistie- ICS in niedriger bis (Salmeterol Formoterol) rend mittlerer Dosis + lang- und eine oder mehrere wirksames β2-Sympatho- der zusätzlichen Optio- Stufe 1 Dauertherapie: mimetikum (Salmeterol, nen: intermittierend ICS niedrige Dosis Formoterol) - retardiertes Theophyllin Dauertherapie: - systemische Cortico keine In begründeten Fällen steroide (intermittierend Alternativen zu langwirk- oder dauerhaft) in der samen β2-Sympathomi- niedrigsten noch effek- metikum oder zusätz- tiven Dosis liche Optionen: - Steigerung der Dosis des ICS - Montelukast - retardiertes Theophyllin - retardiertes orales ß2- Sympathomimetikum Bedarfsmedikation: Inhalatives rasch wirksames β2-Sympathomimetikum Allgemeine Maßnahmen (auf jeder Stufe konsequent umzusetzen): Allergenkarenz {B}, Noxenausschaltung {B}, Raucherentwöhnung {B}, Atemgymnastik, Krankengymnastik {C}, Inhalationstherapie {C}, Therapieselbstkontrolle mit Peakflowmeter {C} *ICS = inhalative Corticosteroide 12 Hausärztliche Leitlinie »Therapie des Asthma bronchiale und der COPD« Version 3.10 I 6. Juni 2006
Therapie des Asthma bronchiale Ì Praxishinweise Praxishinweise abrufbar unter http://www.leitlinien.de/ Es stehen folgende Systeme zur Verfügung: versorgungsleitlinien/index/dokumente/index/ - Pulverinhalat asthmaindex/asthmapraxis/view oder erhältlich - FCKW-freie Dosieraerosole bei Domomed Kommunikationsagentur und - Düsen- / Ultraschallvernebler Verlag für Medizin, Hacklenburg 54, 48147 Wegen Koordinationsproblemen zwischen Aus- Münster, Telefon: +49 (0)251-23 62 40, lösung und Beginn der Inspiration sollten druck- Telefax: +49 (0)251-23 62 70. Auch die Fach- ausgelöste Systeme nur mit Inhalationshilfen informationen zu den einzelnen Präparaten (Spacer) verwendet werden. Dieses Problem enthalten mitunter brauchbare Anleitungen zur kann durch atemzuggetriggerte Systeme Handhabung. umgangen werden. Pulversysteme stellen keine hohen Anforde- Hinweise für die Anwendung von Dosier- rungen an die Koordination, allerdings muss der aerosolen [55]: Patient noch ausreichend Atemfluss haben. Es 1. Schutzkappe entfernen ist darauf zu achten, ob der Patient in der Lage 2. Dosieraerosol kräftig schütteln ist, das jeweilige Applikationssystem richtig 3. Tief ausatmen anzuwenden. Daher: 4. Mundstück des Dosieraerosols umschließen Schulung: Die Handhabung von Dosieraero- 5. Langsam und tief einatmen und gleichzeitig solen / Spacern ist dem Patienten unbedingt zu Sprühstoß auslösen demonstrieren und der Patient sollte seine 6. Dosieraerosol aus dem Mund nehmen und Anwendung dem Arzt vorführen. Dabei sind je ca. 5 Sekunden den Atem anhalten nach Inhalationssystem unterschiedliche 7. Langsam ausatmen Anwendungstechniken erforderlich [11]: 8. Dosieraerosol mit der Schutzkappe verschlie- a) treibgasgetriebene Dosieraerosole: lang- ßen same und tiefe Inhalation, langes Anhalten des Nach Anwendung von ICS Mundausspülen! Atems nach Inspiration verbessert die Deposi- tion und Merke: b) Pulverdosieraerosole: rasche, tiefe Inspi- Überprüfung der Dauertherapie auf Erfordernis. ration aus maximaler Exspiration (Vitalkapa- Reduktion in Anpassung an Schweregrad. Die zitätsmanöver). Brauchbare Anleitungen zur ICS-Dosis kann alle 2 bis 3 Monate um 25% bis Benutzung von Inhalationssystemen mit den zum Erreichen der niedrigsten ICS-Dosis zur unterschiedlichen Inhalationshilfen und Expan- Erhaltung der Asthmakontrolle reduziert werden der aus dem BDA Manual Asthma (ifap Service [63]. -Institut für Ärzte und Apotheker GmbH und Deutscher Hausärzteverband) sind elektronisch 13 Hausärztliche Leitlinie »Therapie des Asthma bronchiale und der COPD« Version 3.10 I 6. Juni 2006
Therapie des Asthma bronchiale Ì Rasch und lang wirksame β2-Sympatho- mimetika, Anticholinergika Wirkstoff Dosierung für Erwachsene Hinweis Rasch wirksame Im akuten Anfall: Standard der Bedarfsmedikation bei ß2-Sympathomimetika 1-2 Hübe (bis max. 4) im Erwachsenen, Jugendlichen und Kinder zur Fenoterol Abstand von 5-15 min. Unterbindung eines Asthmaanfalls. Wirk- Salbutamol zeitlicher Abstand bis zum eintritt bei Inhalation in Minuten, Mono- Terbutalin erneuten Einsatz: 3-4 h therapie nur in Asthmastufe 1, d. h. nur als max. Tagesdosen: je nach einmalige bzw. bis zu 2 x/wöchentliche Präparat: 8-12 Hübe/Tag Anwendung lang wirksame 2x1 Inhalation/Tag: Nicht als Monotherapie, nur in ß2-Sympathomimetika morgens und abends Kombination mit ICS einsetzen Formoterol 48 µg/Tag Eine Metanalyse zeigt erhöhte Raten an (max. Dosis 290 µg/Tag) schweren Exazerbationen und asthma- bedingten Todesfällen bei einer Therapie mit Salmeterol DA: 2 x 2 Inhalationen à 25 µg langwirksame ß2-Sympathomimetika im (max. 2 x 4) Vergleich zu Placebo [48]. Die in der Pulver: 2 x 1 Inhalation à 50 µg SMART-Studie beobachtete Übersterblich- (max. 2 x 2) keit auch bei Salmeterol plus ICS muss weiter abgeklärt werden [40]. Wirkeintritt: Salmeterol: 10-20 Min Formoterol: 1-3 Min Anticholinergika Dosierung: 1-2 Sprühstöße Alternative nur für Patienten, die ß2-Sym- Ipratropium max. Dosis bis 4 x tgl. pathomimetika schlecht tolerieren [35]. Bei KHK sind Anticholinergika bevorzugt einzu- setzen [35]. Schwächer als ß2-Sympathomi- metika, langsamer Wirkeintritt. Positiver Effekt in der Kombination mit ß2-Sympa- thomimetika auf die pulmonale Funktion und Reduktion der Hospitalisierungsrate [46]. Informationen aus den Fachinformationen der einzelnen Arzneistoffvertretern [5, 6, 7, 9, 10, 24, 25, 41, 44] 14 Hausärztliche Leitlinie »Therapie des Asthma bronchiale und der COPD« Version 3.10 I 6. Juni 2006
Therapie des Asthma bronchiale Ì Inhalative Glucocorticoide Wirkstoff Dosierung für Erwachsene Hinweis Inhalative 2 x 1 Inhalation/Tag Basis der Dauertherapie Glucocorticoide (ICS) niedrige-mittlere-hohe Dosis Systemische Nebenwirkungen können Beclometason ≤ 500 ≤ 1000 ≤ 2000 µg grundsätzlich auch bei inhalativen Gluco- Budesonid ≤ 400 ≤ 800 ≤ 1600 µg corticoiden auftreten; insbesondere bei Fluticason ≤ 250 ≤ 500 ≤ 2000 µg Verabreichung von höheren Dosen über einen langen Zeitraum. Daher: geringste effektive Dosis bestimmen. Systemische Wirkungen bei Inhalationstherapie um ein Vielfaches geringer als bei oraler Therapie. Diese systemischen NW auf das endokrine System als Cushing-Syndrom, adrenale Suppression, Wachstumsverzögerung, Ver- minderung der Knochendichte werden auch unter Therapie mit Fluticason nur sehr selten (d. h. < 1/10.000) beobachtet [24]. Bei Umstellung von oraler Therapie auf Inhalationsbehandlung orales Glucocorti- coid unbedingt ausschleichen. Potentestes inhalatives Glucocorticoid ist Fluticason. Anwendung nur mit Spacern bei Treibgas- dosieraerosolen; besser: Pulverinhalatoren. Wegen der Gefahr von Mundsoor unbe- dingt Ausspülen des Mundes nach Anwen- dung. Ciclesonid anfänglich: 1 x 160 μg/Tag Ciclesonid ist ein neues inhalatives Gluco- später: 1 x 80 μg/Tag corticoid. Ciclesonid wird im Sinne eines normalerweise abendliche Prodrugs nach perioraler Inhalation in den Gabe. Lungen enzymatisch zum Hauptmetabolit umgewandelt, der ausgeprägte entzün- dungshemmende Wirkung besitzt und den aktiven Metaboliten darstellt. Somit werden diesem Präparat minimale lokale und syste- mische Nebenwirkungen zugeschrieben [35]. Informationen aus den Fachinformationen der einzelnen Arzneistoffvertretern [2, 5, 6, 7, 9, 10, 24, 25, 41, 44] 15 Hausärztliche Leitlinie »Therapie des Asthma bronchiale und der COPD« Version 3.10 I 6. Juni 2006
Therapie des Asthma bronchiale Ì Orale Glucocorticoide, Theophylline Wirkstoff Dosierung für Erwachsene Hinweis orale Glucocorticoide Initial: Bei mehr als 6-monatiger oraler Therapie Prednisolon Mittlere Dosierung (> 7,5 mg Corticoid) adäquate Osteoporose- Prednison 40-80 mg/d Prednisolon oder prophylaxe Methylprednisolon Prednison Als hochdosierte Stoßtherapie beginnen Flucortolon 32-40 mg/d Methylpredniso- und schnell auf Erhaltungsdosis abbauen. lon Hinweis und Beispiel für Dosierung einer bis 100 mg/d Flucortolon Stoßtherapie: Anzustrebende Erhaltungsdosis Bei akuter Verschlechterung / Exazerbation ist ≤ 7,5 mg/d Prednison oder (Stufe 4) Durchführung einer Steroidstoß- Prednison-Äquivalent bzw. das therapie mit Prednisolon (75 mg/d, ab 4. Tag orale Glucocorticoid auf eine 50 mg/Tag, ab 7. Tag 25 mg/d). Beenden Inhalative Therapie umzu- der Cortisontherapie ohne Ausschleichen am setzen. 10. Tag. Retardiertes Theophyllin 2 Dosen/d; die klinische Erfah- Beachte Stufenschema! Für Erwachsene nur rung zeigt, dass Patienten Einsatz als retardiertes Theophyllin zur abends eine höhere therapeu- Dauertherapie. tische Retard-Dosis benötigen Wichtig: Angabe »aut idem« auf dem Rezept als morgens. Die verschiedenen (siehe Spalte Dosierung) Retardformulierungen weisen in Bronchialerweiternde und antientzündliche Geschwindigkeit, Ausmaß der Wirkung. Bei Dauertherapie: Serumkonz. Resorption, Bioverfügbarkeit von 10 mg/l (5 bis 15 mg/l) ausreichend, und pharmakokinetischem Profil > 20 mg/l hohe UAW-Quote. Interaktionen. deutliche Unterschiede auf [35]. Bei Dauertherapie / Therapie des nächtli- Daher müssen die Dosierungen chen Asthma Einsatz als Retardpräparat [28, präparatespezifisch und patien- 61]. Wegen UAW (u. a. Herzrhythmus- tenindividuell gewählt werden störung, Reflux) sollte Theophyllin kritisch und sind nicht einfach aus- eingesetzt werden [49]. tauschbar. Wichtig für Verord- nung: aus diesem Grund »aut idem« Angabe auf dem Rezept, damit kein alternatives Präparat abgegeben wird! Informationen aus den Fachinformationen der einzelnen Arzneistoffvertretern [8, 37, 38] 16 Hausärztliche Leitlinie »Therapie des Asthma bronchiale und der COPD« Version 3.10 I 6. Juni 2006
Therapie des Asthma bronchiale Ì Cromoglycinsäure, Nedocromil und Leukotrienantagonisten Wirkstoff Dosierung für Erwachsene Hinweis Cromoglicinsäure 4 x 2 mg/Tag = 4 x 2 Nur bei Kindern und Jugendlichen gemäß NVL (DNCG) Sprühstöße als DA zur Dauertherapie als Alternative zu ICS 4 x 20 mg/Tag (Inhalations- einzusetzen (Stufe 2). lsg., Inhalationskps.) Die Angaben zur Effektivität sind widersprüch- 4 x 200 mg/Tag (oral Kps.) lich [11]. Die Wirksamkeit von Cromoglicin- säure gegenüber Placebo ist nicht belegt [58]. Der zuvor überbewertete günstige Effekt von Cromoglicinsäure beruht möglicherweise auf einem Publication Bias. Bei Inhalationen kann es zu bronchialen Irritationen kommen. Nedocromil 2-4 x 4 mg/Tag Nur bei Kindern und Jugendlichen gemäß NVL = 2-4 x 2 Sprühstöße/Tag zur Dauertherapie als Alternative zu ICS einzu- setzen (Stufe 2). Als Treibgasdosieraerosol (nicht bei Kindern unter 6 Jahren). Deutlich schwächer als ICS, wirksamer als Cromoglicinsäure. Montelukast 10 mg oral/Tag Antientzündliche Wirkungen bzw. Responder- (Leukotrienrezeptor- quote ca. 50-60% der Patienten [35]. Effektiv antagonist) vor allem bei Anstrengungs- und Analgetika- asthma [32]. Cave: Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln, da durch CYP P450 3A4 metabolisiert. Da ein Nutzen für die Kombinationstherapie aus Montelukast und ICS bei Erwachsenen belegt ist, kann bei Unverträglichkeit oder Kontraindikation von Betasympathomimetika auf diese Kombination als Reservemedikation zurückgegriffen werden. Diese Fälle werden eher die Ausnahme sein (z.B. bei rezidivie- rendem schweren Zoster). Die Kombination von Montelukast mit Salmeterol zeigt keinen zusätzlichen Nutzen [29]. Informationen aus den Fachinformationen der einzelnen Arzneistoffvertretern [8, 37, 38] 17 Hausärztliche Leitlinie »Therapie des Asthma bronchiale und der COPD« Version 3.10 I 6. Juni 2006
Therapie des Asthma bronchiale Ì Kombinationspräparate Beachte, dass Dosierungen für Kinder und Jugendliche mitunter unterschiedlich sind! Wirkstoff Dosierung für Erwachsene Hinweis Kombinationspräparate Bis zu 4 x 2 Hübe/Tag für Sinnvolle Kombination für Bedarfstherapie, Fenoterol / Erwachsene als Dauertherapie da unterschiedliche Angriffspunkte, aber Ipratropiumbromid keine Überlegenheit gegenüber Einsatz der Bedarfsmedikation: akut 2 Hübe Einzelkomponenten [3]. Gemäß einer Meta- analyse Verbesserung der Lungenfunktion [46]. Budesonid / 1-2 x tgl. 1-2 Inhalationen Bei Einsatz ICS / lang wirksames β2-Sym- Formoterol pathomimetika muss ein rasch wirksames Fluticason / 2 x 1 Inhalation/Tag β2-Sympathathomimetika als Reliever weiter Salmeterol verfügbar sein. Es gibt erste Hinweise auf einen überadditiven Effekt bei Einsatz von inhalativen Steroiden und lang wirksamen β2-Sympathomimetika [39]. Cromoglicinsäure 4 x 2 Sprühstöße/Tag Nicht sinnvolle, nicht evidenzbasierte (DNCG) / Reproterol* Kombination aus relativ schwachem Cromoglicinsäure / 4 x 2 Sprühstöße/Tag Controller (i. d. R. 4 x tgl. Dosierung) mit Fenoterol einem Reliever, der bedarfsweise einge- nommen werden sollte und bei Anwendung der Kombinationen hoch dosiert ist [3]. Positive Effekte dieser Kombinationen zeig- ten sich nur bei Kurzzeitstudien mit Kindern, die unter einem Anstrengungsasthma leiden [59]. Eine Evidenz für die Dauertherapie mit diesen Präparaten besteht nicht. * CAVE: Präparate mit Cromoglicinsäure / Reproterol enthalten zum Teil einen problematischen Aromastoff (Dentomint®) 18 Hausärztliche Leitlinie »Therapie des Asthma bronchiale und der COPD« Version 3.10 I 6. Juni 2006
Asthmaanfall bei Erwachsenen Ì Symptome, Schweregrade und Therapie des Asthmaanfalls [11, 14] Merkmale Mittelschwerer Anfall Schwerer Anfall Hinweise auf lebensbedrohliche Situation Sprechdyspnoe normale Sprache Sprechdyspnoe Erschöpfung, Konfusion Atemfrequenz < 25/min ≥ 25/min Kein Atemgeräusch Pulsfrequenz < 110/min ≥ 110/min Bradykardie Peakflow > 50% Soll oder Bestwert ≤ 50% Soll oder Bestwert < 33% Soll oder Bestwert bzw. < 100 l/min SaO2< 92% PaCO2 normal oder erhöht weiter möglich: frustrane Atemarbeit / flache Atmung, Zyanose, art. Hypotension, Koma Behandlung 2-4 Hübe rasch wirk- 2-4 l Sauerstoff/min Siehe schwerer Asthma- sames β2-Sympath. über Nasensonde anfall – weitere Therapie im z. B. Salbutamol DA, 2-4 Hübe rasch wirk- Krankenhaus ggf. nach 10 min sames β2-Sympath. keine Sedativa geben wiederholen z. B. Salbutamol DA, 25-50 mg Prednisolon ggf. in 10 min-Inter- oder Äquivalent oral vallen wiederholen 50-100 mg Prednisolon oder Äquivalent i.v. Terbutalin 0,25 mg = 1/2 Amp. á 0,5 mg s.c. Besonderheit Behandlung kann zu Hause Umgehende Einweisung in Notarztwagen anfordern stattfinden. Besserung ein Krankenhaus muss eintreten, bevor der Arzt den Patienten verlässt. Hinweis: Im schweren akuten Anfall sollten wegen Den Einsatz von Theophyllin hält die Leitlinien- eines unzureichenden inspiratorischen Flusses gruppe für problematisch (Intoxikationsgefahr). keine Pulverinhalatoren eingesetzt werden. 19 Hausärztliche Leitlinie »Therapie des Asthma bronchiale und der COPD« Version 3.10 I 6. Juni 2006
Asthma bei Schwangeren Ì Asthmatherapie in der Schwangerschaft und in der Stillzeit Asthmatherapie in der Schwangerschaft und in der Stillzeit [11] Es gelten prinzipiell die gleichen Empfehlungen wie bei nicht schwangeren Patientinnen [3]. Eine unzureichende Therapie mit zwangsläufiger Verschlechterung der Asthmasymptomatik der Mutter stellt eine hochgradige Gefährdung des Embryos dar. β2-Sympathomimetika, Anticholinergika und DNCG sind nicht teratogen. Therapie mit Montelukast sollte während der Schwangerschaft nicht begonnen werden; sie kann fortgesetzt werden, sofern die Therapie zuvor schon bestand und Therapieerfolg mit anderen Mitteln nicht zu erreichen war. 20 Hausärztliche Leitlinie »Therapie des Asthma bronchiale und der COPD« Version 3.10 I 6. Juni 2006
Asthma bei Kindern Ì Schweregrad des Asthma bronchiale bei Kindern [11] Stufe 1 Intermittierend 2 Geringgradig 3 Mittelgradig 4 Schwergradig (intermittierende, persistierendb persistierendb persistierendb rezidivierende, (episodisch bronchiale symptomatisches Obstruktion)a Asthma) c Asthmasymptome: - intermittierend Husten Intervall zwischen > 1 x/Woche anhaltend tägliche tagsüber - leichte Atemnot Episoden < 2 Monate Symptome nachts vorhanden häufig d Lungenfunktion Nur intermittierend Nur episodisch auch im Intervall obstruktiv; obstruktiv; obstruktiv; Lungenfunktion (Lufu) oft Lungenfunktion dann noch normal: pathologisch: - FEV1 > 80% des - FEV1 < 80% des SoW - FEV1 < 80% des - FEV1 < 60 % des Sollwertes (SoW) - und / oder MEF25-75 Sollwertes SoW - MEF25-75 bzw. MEF50 bzw. MEF50 < 65% - und / oder MEF25-75 - oder PEF < 60% PBW > 65% - PEF-Tagesvariabilität bzw. MEF50 < 65% - PEF-Tagesvariabilität 20-30% - PEF-Tagesvariabilität > 30% - PEF-Tagesvariabilität < 20% Lufu im Intervall meist > 30% noch o.p.B.: im Intervall o.p.B. - FEV1 > 80% des SoW - und / oder MEF25-75 bzw. MEF50 > 65% - PEF-Tagesvariabilität < 20% b FEV1-Forciertes exspiratorisches Volumen in der ersten Von einer bronchialen Überempfindlichkeit auch im symptom- Sekunde der Ausatmung = Einsekundenkapazität; freien Intervall ist bei den Schweregraden II, III u. IV auszu- PBW = persönlicher Bestwert; MEF25-75 = maximal expirat. gehen. c Fluss zwischen 25-75% inspiratorischer Vitalkapazität (VK); z. B. bei alltäglicher körperlicher Belastung d MEF25 = maximaler exspiratorischer Fluss bei 25% der VK; Individuelle Maximalwerte sind zu berücksichtigen. Ggf. Über- MEF75 = maximaler exspiratorischer Fluss bei 75% der VK blähung beachten (FRC > 120% des Sollwertes). Lungen- a Chronische Entzündung und Vorliegen einer Überempfindlich- funktion im Säuglings- und Kleinkindalter nur in Spezial- keit der Bronchialschleimhaut nicht obligat. Somit definitions- einrichtungen messbar. gemäß dann noch kein Asthma. Z. B. Auftreten der obstruktiven Cave: Bis zu 30% der Kleinkinder erkranken oft verkannt an Ventilationsstörung bei Säuglingen und Kleinkindern infektge- »spastischer Bronchitis«. 5% der Kinder erkranken an triggert vor allem in der kalten Jahreszeit und bei Schulkindern chronisch rezidivierendem Asthma nach sporadischem Allergenkontakt (z. B. Tierhaarallergie). 21 Hausärztliche Leitlinie »Therapie des Asthma bronchiale und der COPD« Version 3.10 I 6. Juni 2006
Asthma bei Kindern Ì Stufenplan für die Langzeittherapie des Asthma bronchiale bei Kindern [11] Stufe 4 schwergradig persistierend1 Stufe 3 Dauertherapie: mittelgradig ICS in hoher Dosis plus persistierend1 langwirksames ß2- Sympathomimetikum Stufe 2 Dauertherapie: und eine oder mehrere geringgradig ICS in mittlerer Dosis der zusätzlichen persistierend plus eine der folgenden Optionen: Optionen: Stufe 1 Dauertherapie: - Montelukast4 - inhalatives, lang inter- 1. Wahl: - ret. Theophyllin wirksames β2-Sym- mittierend Niedrig dosiertes ICS: - systemisches pathomimetikum3 Alternativtherapien: Corticoid (inter- Dauertherapie: - Theophyllin - Cromone (DNCG, mittierend oder keine2 - Montelukast4 Nedocromil) dauerhaft) in der - Montelukast4 niedrigsten noch Versuch über 4-8 effektiven Dosis Wochen möglich Bedarfsmedikation: Rasch wirksames ß2-Sympathomimetikum – Alternativen: Anticholinergika (z. B. Ipatropiumbromid), Theophyllin in Lsg., evtl. auch kombiniert mit rasch-wirksamem ß2-Sympathomimetikum. Erfahrung der Leitliniengruppe im klinischen Alltag: Durch Gabe von 1-2 Hüben rasch-wirksamem ß2-Sympathomimetikum vor einer körperlicher Belastung (z. B. Sportunterricht) profitieren die Patienten sehr Allgemeine Maßnahmen (auf jeder Stufe konsequent umzusetzen): Allergenkarenz, Noxenausschaltung, Beseitigung von Passivrauchen, Atemgymnastik, Krankengymnastik, Inhalationstherapie, Therapieselbstkontrolle mit Peakflowmeter, falls möglich 4 ICS: inhalative Corticosteroide Bei Belastungsasthma als Monotherapie zugelassen, bei 1 Vor Dosissteigerung des ICS bzw. vor add on Therapie oder Kleinkindern (1-6 Jahre) ist Montelukast den langwirksamen Gabe oraler Cortocoide: Vorstellung in einem allergologisch- ß2-Sympathomimetika vorzuziehen, für Stufe 4 in Deutschland pneumologischen Schwerpunkt (Praxis / Zentrum). noch nicht zugelassen. 2 Eine vorübergehende anti-entzündliche inhalative Therapie Anmerkung: Montelukast wirkt bronchodilatatorisch und anti- z. B. bei rezidivierenden, infektgetriggerten Bronchialobstruk- entzündlich [19, 43]. Es verbessert die Asthmasymptomatik und tionen im Säuglings- oder Kleinkindesalter sowie bei kurzfris- kann dazu beitragen, die Dosis der ICS zu reduzieren [20, 50]. tigem Allergenkontakt (z. B. Birkenpollen, sporadischer Tier- Ein positiver Effekt bei Anstrengungsasthma [29, 32] und Ana- kontakt) älterer Kinder ist möglich. lgetikaasthma ist belegt. Ein Nutzen der Kombinationstherapie 3 Im Vorschulalter kaum Wirksamkeits- oder Sicherheitsdaten, von Montelukast und ICS ist bei Kindern nicht belegt [29] deshalb hier nur in Ausnahmefällen. 22 Hausärztliche Leitlinie »Therapie des Asthma bronchiale und der COPD« Version 3.10 I 6. Juni 2006
Asthma bei Kindern Ì Symptome, Schweregrad und Therapie des Asthmaanfalls des Asthma bronchiale bei Kindern [11] Merkmale Mittelschwerer Anfall Schwerer Anfall Hinweise auf lebensbedrohliche Situation Sprechdyspnoe Unvermögen einen längeren Unvermögen zu sprechen oder Erschöpfung, Verwirrtheit; Satz während eines Nahrung aufzunehmen Stumme Lunge; bei ausblei- Atemzuges zu vollenden bender klarer Besserung ist Pulsabfall präfinales Zeichen! Atemfrequenz < 30/min > 5J >30/min; 2-5J > 40/min PEF nicht messbar; Pulsfrequenz < 120/min > 5J >120/min; 2-5J > 130/min SaO2 < 85%; PaCO2 erhöht Peakflow < 80% des Bestwertes < 50% des Bestwertes (4,5-6 kPa) weiter möglich: sitzende Haltung, Arme seitlich abgestützt; Zyanose, art. Hypotonie, Koma Behandlung - 2-4 Hübe rasch wirksames - 4-8 Hübe rasch wirksames Siehe schwerer Asthmaanfall β2-Sympath. z. B. Salbuta- β2-Sympath. z. B. Salbutamol – weitere Therapie im mol DA, ggf. nach 20 min DA, ggf. nach 10 min wieder- Krankenhaus wiederholen holen - 1 mg/kg KG Prednisolon - 2-3 l/min Sauerstoff über oder Äquivalent oral Maske oder Nasensonde evtl. 2-3 l/min Sauerstoff - 2 mg/kg KG Prednisolon i. V. über Maske oder Nasen (oder Äquivalent) sonde (Ziel: SaO2 > 92%) Bei mangelndem Ansprechen auf ß2-Sympathomimetika: frühzeitig und auch wiederholt zusätzlich Ipratropiumbromid zur Inhalation (20 µg/Hub als Dosieraerosol oder 250 µg/ Dosierung als Fertiginhalat zusammen gemischt mit Sympathomimetika-Inhala- tionslösung) Besonderheit Behandlung kann zu Hause Bei unzureichendem Anspre- Notarztwagen anfordern stattfinden. Es muss deut- chen auf Initialtherapie umge- liche Besserung eintreten, hende Überführung unter bevor der Arzt den Patienten Notfallbedingungen in ein verlässt. Krankenhaus 23 Hausärztliche Leitlinie »Therapie des Asthma bronchiale und der COPD« Version 3.10 I 6. Juni 2006
Hausärztliche Schnittstellen Schnittstellen in der hausärztlichen Versorgung Zur Erstdiagnose, Diagnostik, Therapieplanung sowie bei Therapieproblemen bei Asthma (ein- schließlich des kindlichen Asthma) ist ggf. der Pulmologe einzubeziehen, ebenfalls bei Ver- schlechterung des Krankheitsbildes (massive Exazerbationen). Nicht beherrschbare Asthmaan- fälle erfordern einen Notarzteinsatz bzw. Kranken- hausbehandlung. Bei chronisch persistierendem Krankheitsbild sind Kontrolluntersuchungen, gegebenenfalls Therapie- korrekturen durch den Facharzt erforderlich. 24 Hausärztliche Leitlinie »Therapie des Asthma bronchiale und der COPD« Version 3.10 I 6. Juni 2006
Differentialdiagnose Asthma und COPD Ì Anhaltspunkte für Unterscheidung Anhaltspunkte für eine differentialdiagnostische Unterscheidung von Asthma und COPD geben die folgenden Merkmale (zit. nach [63]: S. 713). Merkmal Asthma COPD Alter bei Erstdiagnose variabel, häufig Kindheit meist 6. Lebensdekade Tabakrauchen kein direkter Kausalzusammenhang direkter Kausalzusammenhang Hauptbeschwerden anfallsartig auftretende Atemnot Atemnot bei Belastung Verlauf variabel, episodisch progredient Allergie häufig selten Obstruktion variabel persistierend Reversibilität der > 20% FEV1 < 15% FEV1 Obstruktion Bronchiale regelhaft vorhanden gelegentlich Hyperreaktivität Ansprechen auf Cortison regelhaft vorhanden gelegentlich 25 Hausärztliche Leitlinie »Therapie des Asthma bronchiale und der COPD« Version 3.10 I 6. Juni 2006
Chronisch obstruktive Bronchitis (COPD) Ì Definition und Epidemiologie Definition und Epidemiologie [26, 63] Die COPD verursacht jährlich ca. 25 Millionen Eine chronische Bronchitis liegt vor, wenn Arbeitsunfähigkeitstage und – niedrig gerechnet – Husten und Auswurf über mindestens drei Monate ca. 5,93 Milliarden Euro Kosten in Deutschland. in zwei aufeinander folgenden Jahren bestehen (WHO-Definition). Der Übergang in die chronisch 90% der Erkrankten sind Raucher bzw. Ex- obstruktive Bronchitis ist zusätzlich durch eine Raucher. permanente Atemwegsobstruktion mit wechseln- der Dyspnoe gekennzeichnet. Als Krankheit ist die COPD durch eine progre- diente durch Gabe von Bronchodilatatoren / Gluco- Beim chronischen Lungenemphysem besteht corticoiden nicht vollständig reversible Atem- eine irreversible Erweiterung und Zerstörung der wegsobstruktion gekennzeichnet. Eine Heilung ist Lunge distal der terminalen Bronchioli. nicht möglich. Die Prävalenz der chronischen Bronchitis wird auf An relevanter Komorbidität der COPD sind die 10% bis 15% der Erwachsenen geschätzt; der koronare Herzkrankheit mit und ohne Linksherz- Anteil der chronisch obstruktiven Bronchitis ist insuffizienz sowie das Bronchialkarzinom zu nicht bekannt. Weltweit ist die COPD z. Zt. die nennen, die mit einer adäquaten Diagnostik erfasst vierthäufigste Todesursache. In der hausärztlichen werden müssen. Praxis sind mehr als 5% der Fälle COPD-Patienten wie nach eigenen Erfahrungen Datenanalysen aus Pharmakotherapiezirkeln zeigen. 26 Hausärztliche Leitlinie »Therapie des Asthma bronchiale und der COPD« Version 3.10 I 6. Juni 2006
Hausärztliche Schlüsselfragen: COPD-Therapie Ì Allgemeines zur COPD-Therapie Ì Hausärztliche Aufgaben Allgemeines zur Therapie der COPD [63] Wie sich in Studien zeigte, ist ein Einsatz von Die Langzeittherapie der COPD ist in Abhän- kardioselektiven Betablockern bei COPD- gigkeit vom Schweregrad eine Stufentherapie Patienten mit einer KHK, Herzinsuffizienz oder wie beim Asthma bronchiale. Mit einer medi- Hypertonie möglich [47] – aber unter strenger kamentösen Therapie lässt sich eine weitere Überwachung! Ihre Effektivität wird im Coch- Verschlechterung der Lungenfunktion i. d. R. rane Review nicht bewertet und muss sich im nicht verhindern {A}. Einzelfall erweisen. Da grundsätzlich für diese Basismedikamente sind β2-Sympathomimeti- Präparate bei Patienten mit einer starken ka, Anticholinergika und Theophyllin {A}. Die COPD eine Kontraindikation besteht, sollte Wahl zwischen β2-Sympathomimetika und nur ein Einsatz von ß1-selektiven ß-Blockern Theophyllin hängt vom individuellen Anspre- (z. B. Metoprolol, Bisoprolol) erfolgen. Mit chen (Responder identifizieren) und den uner- niedriger Dosierung muss begonnen werden, wünschten Nebenwirkungen ab. Theophyllin dann Dosissteigerung unter Lungenfunktions- ist in der Langzeittherapie effektiv {A}, stellt kontrolle. aber wegen möglicher Nebenwirkungen, Interaktionen und geringer therapeutischer Hausärztliche Aufgaben [63] Breite einen Bronchodilatator 3. Wahl dar [12]. Jeder länger anhaltende Husten bedarf der Anders als beim Asthma bronchiale stellt die diagnostischen Abklärung. Behandlung mit ICS keine Basistherapie dar. Die Patienten sind aufzuklären, dass der chro- Nur bei ausgewählten Patienten (FEV1 nische Husten nicht bagatellisiert werden darf, < 50%/gehäuften Exazerbationen) ist die ICS- sondern konsequent behandelt werden muss. Behandlung effektiv. Vor einer Dauerbehand- Reduktion inhalativer Noxen. Die wirksamste lung mit ICS sollte deshalb ein Therapiever- Maßnahme zur Reduktion des COPD-Risi- such über ca. 3 Monate unternommen kos ist der Verzicht auf das Rauchen. werden. Bei einer Besserung der Sympto- Raucherentwöhnungsprogramme mit Ver- matik (Lungenfunktion und / oder klinische haltenstherapie, sozialer Unterstützung und Symptomatik) sollte sie fortgesetzt werden. ggf. Pharmakotherapie zur Behandlung der Eine orale Glucocorticoid-Dauertherapie sollte Nikotinabhängigkeit können die Erfolgsquote vermieden werden [45] {A}. von Entzugsprogrammen steigern (Anhang). Der zu häufige Einsatz von rasch wirksamen Unter- / Übergewicht beeinflusst die Prognose ß2-Sympathomimetika und Anticholinergika der COPD. Häufig liegt Untergewicht vor, was weist oftmals auf ein Therapieproblem hin. mit eingeschränkter Belastbarkeit und vermin- COPD-Patienten profitieren von körperlichem derter Lebensqualität korreliert. Gewichtsnor- Training (Ausdauersport), Atemgymnastik, malisierung kann zur Verbesserung der Atemschulung (z. B. Pfeifatmung im Sitzen) Symptomatik führen. [12]. Management der Exazerbation – Hauptursa- Bei respiratorischer Insuffizienz ist die Sauer- che sind bronchiale Infekte – mit zusätzlicher stofflangzeittherapie effektiv (zit. nach [36] medikamentöser Therapie (s. Stufenplan), {A}). ggf. mit Antibiotika. 27 Hausärztliche Leitlinie »Therapie des Asthma bronchiale und der COPD« Version 3.10 I 6. Juni 2006
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