Herzens angelegenheiten - magazin von selbsthilfegruppen in mittelfranken ausgabe 2020 www.kiss-mfr.de - Kiss Mittelfranken
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magazin von selbsthilfegruppen in mittelfranken ausgabe 2020 · www.kiss-mfr.de Herzens angelegenheiten
Corona, oder: Kann mal jemand kurz die Welt retten? Liebe Leserinnen und Leser, Geschäftsstelle: eine Pandemie, mit dem eigentlich recht sympathischen Namen Corona, Selbsthilfekontaktstellen Kiss Mittelfranken e. V. hält uns alle fest im Griff. Am Plärrer 15 90443 Nürnberg Die Welt ist zum Risikogebiet geworden: Ausnahmslos alle Menschen sind Telefon 0911 234 94 49 betroffen. Covid-19 macht keinen Unterschied zwischen alt oder jung, reich Fax 0911 234 94 48 oder arm, nimmt keine Rücksicht auf gesellschaftliche Stellungen. www.kiss-mfr.de Vieles, was für uns selbstverständlich war, ist in Frage gestellt und war vor magazin@kiss-mfr.de einem Jahr nicht mal denkbar. Manchmal kann ich es immer noch nicht glauben, dass wir mit Masken einkaufen gehen, nicht einfach so verreisen können oder gar von lieben Menschen Abstand halten sollen. „Ja, klar, das weiß ich doch alles, will ich auch nicht dauernd lesen.“ – höre ich die eine Leserin oder den anderen Leser aufstöhnen. Außerdem was hat das überhaupt mit Herzensangelegenheiten zu tun? Als wir die jetzige Ausgabe mit dem Thema Herzensangelegenheiten plan- ten, war die Welt noch „in Ordnung“, wenn sich das überhaupt so sagen Impressum lässt. Der Titel war gekoppelt an die inhaltliche Ausrichtung des Nürnberger kiss.magazin von Gesundheitsmarkt, der nun ja auch nicht stattfinden konnte, wie Sie sicher selbsthilfegruppen in mittelfranken wissen. Jahrgang 14 / September 2020 Herausgeber: Seit dem haben sich für mich viele neue Herzensangelegenheiten ergeben: Selbsthilfekontaktstellen Ich erfahre gerade sehr oft und mit großer Freude, dass sich Menschen in Kiss Mittelfranken e. V. Am Plärrer 15, 90443 Nürnberg diesen Zeiten vielmehr öffnen: So rückt zum Beispiel unsere Hausgemein- Telefon 0911 234 94 49 Fax 0911 234 94 48 schaft näher zusammen – aus einer flüchtigen Gassibekanntschaft sind www.kiss-mfr.de Erika und Andreas geworden, mit denen sich wundervoll humorvoll übers magazin@kiss-mfr.de Leben philosophieren lässt. Chefredakteurin: Gabriele Lagler Redaktionelle Mitarbeit: Wir können nicht kontrollieren, was in der Zukunft passieren wird. Aber wir Friederike Kreil und Teilnehmende aus Selbsthilfegruppen können kontrollieren, was wir tun im Hier und Jetzt. Verantwortlich, acht- Manuskripte sind nach sam, bewusst. Und das ist wichtig und kommt von Herzen. Absprache mit der Redaktion willkommen. Rücksendung nur Dank an alle die mit Bildern, Texten, guten Ideen das kiss.magazin 2020 aus gegen Rückporto. Namentlich vollem Herzen wieder zu etwas ganz Besonderem machen. gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Nun wünsche ich Ihnen eine inspirierende Herzenslektüre, viele Herzensbe- Titelbild: antifalten / photocase.de Gestaltung: gillitzer.net gegnungen, bleiben Sie zuversichtlich und geben Sie gut auf sich acht. Druck: Gutenberg Druck+Medien GmbH Auflage: 5000 Herzlichst, kiss.magazin ist kostenlos und erscheint in loser Folge. Ihre Gabriele Lagler Foto: Franziska Heurung 2 3
J ede*r hat eines, ein Herz. Manche ein kleines oder schwaches. Andere ein sprichwörtlich großes oder noch größeres. Manchmal stolpert Im Falle von überbordender, selbstloser Zu- neigung heißt es − bildlich gesprochen − jemand „trägt sein Herz außerhalb seines Körpers“. Das es, gerät außer Takt. Neben den körperlichen Ur- bedeutet im übertragenen Sinn, dass jemand sachen ist oft auch die Seele, die Psyche beteiligt. gefühlsmäßig außerordentlich verletzlich ist, z.B. In beiden Fällen braucht es Unterstützung, das Elternliebe zu den Kindern. Herz. Aber es schlägt unermüdlich ca. 100.000- Wie wichtig dieser einzigartige Muskel ist, mal am Tag, pausenlos. Millionenfach bis zu macht sich auch in der Sprache bemerkbar. „Mein unserem Lebensende. Herz“ ist auch ein Kosename für einen geliebten, „Mein Herz macht bum-budi-bum, macht kostbaren Menschen. bum-budi-bum“ so heißt eine Zeile in einem Und kostbar ist es doch, dieses unser Herz, alten Schlager. Wie es weitergeht, weiß ich nicht das so fleißig und unermüdlich alles am Laufen mehr, aber wenn mich die Erinnerung nicht trügt, hält. Sprechen Sie doch mal mit Ihrem Herzen. ist die Kernaussage dieses Liedes, dass das Herz Sagen Dankeschön und fragen, womit kann ich schneller schlägt, wenn man den geliebten Men- dir, mein Herz, eine Freude machen? Hören Sie schen sieht… genau hin, auf das, was es Ihnen sagen will, Ihr Wenn es nicht so gut läuft in der Liebe, wird Herz. einem „das Herz gebrochen“. Jeder versteht das, Zum Schluss noch eines: Wer etwas „mit Herz- hat es vielleicht selbst schon erlebt. Dass es blut“ tut, widmet sich dieser Sache engagiert, tatsächlich ein Broken-Heart-Syndrom gibt, an fleißig, mit großem Einsatz und Hingabe − so wie dem man leiden, evtl. sogar versterben kann, ist die Macher*innen der diesjährigen Ausgabe des mittlerweile medizinisch erwiesen. Kiss-Heftes. Eine*r hat das „Herz am rechten Fleck“ sagt man über eine Person, die aufrichtig, verlässlich Christa B. und integer ist. Jemand, von dem man eine hohe Meinung hat. Bum-budi-bum, bum-budi-bum Foto: Pixabay Sprechen Sie doch mal mit Ihrem Herzen. Sagen Dankeschön und fragen, womit kann ich dir, mein Herz, eine Freude machen? 4 5
Mir liegt besonders am Herzen… … meinen eigenen Befindlichkeiten, körperlich und seelisch, Rechnung zu tragen, sprich, dass es mir gut geht. … die Liebe zu den Menschen, die mir etwas bedeuten. … mein eigenes. Dieses kleine, schwache, das unregelmäßig schlägt, stol- pert, manchmal rast, sich überschlägt, gebrochen wurde und trotzdem alles am Laufen hält und mich funktionieren lässt. … meinem Herzen mal DANKE zu sagen für die unermüdliche Arbeit, die es leistet. … mehr zu tun für mein Herz, ihm Freude zu bereiten, es zu fordern und es auch mal ausruhen zu lassen. … das Genießen nicht zu verlernen oder es noch besser zu erlernen. … glücklich zu sein mit mir selbst und den Menschen, die ich schätze und liebe. … meine Kreativität ausleben zu können in allen Bereichen. … Ordnung zu schaffen; mich von Dingen zu trennen, die im wahrsten Sinn des Wortes, überflüssig geworden sind. … Klarheit und Struktur zu schaffen. … Freude zu haben und Freude zu bereiten. … zu genießen mit allen Sinnen, mich verführen zu lassen oder selbst zu verführen. Christa Foto: .marqs / photocase.de Herzenssache SPRACHE Sprache ist etwas Spannendes, Faszinierendes, Wunderbares. Sie dient dem Austausch, dem Dialog, der Verständigung, der Formulierung von Standpunkten und – unterstrichen von Mimik und Gestik – dem Ausdruck von Gefühlen. Sprache ist bestens erforscht: Fachsprache, Dia- lekte, Sprechakte, Gebärdensprache, Schriftspra- che, Körpersprache… bergen keine Geheimnisse mehr. Sprache beruht auf willkürlichen Konven- tionen. Doch trotz aller Regeln verhindert das strenge Diktat von Grammatik und Orthografie Du, du liegst mir im Herzen Doch, doch darf ich dir trauen nicht, dass wir gar zu oft aneinander vorbeireden, du, du liegst mir im Sinn. dir, dir mit leichtem Sinn? verstummen, sprach- und hilflos kapitulieren. Du, du machst mir viel Schmerzen, Du, du kannst auf mich bauen, Sprache wird verunglimpft, misshandelt. Be- weißt nicht wie gut ich dir bin. weißt ja wie gut ich dir bin. sonders absurde Beispiele liefert das Marketing: Über den Werkstatttoren einer renommierten So, so wie ich dich liebe Und, und wenn in der Ferne, Automarke prangt in großen Lettern DIALOGAN- so, so liebe auch mich. mir, mir dein Herz erscheint NAHME! Die, die ewig für dich. Dann, dann wünsch ich so gerne Denken beim Gebrauch der Sprache ist nur dass uns die Liebe vereint. scheinbar Nebensache! Melodie und Text: traditionell seit 1820 Christine D. 6 7
M enschen sind verschieden – so sagt man. Und doch gleichen sich viele Lebensläufe wie ein Ei dem anderen. Schule, Ausbildung oder Aber hatten wir als Kinder alle die gleichen Träume? Klar, Berufe wie Business Development Specialist kannten wir im Sandkasten-Alter Studium, Arbeit, Familie, Rente, Tod. Fehlt es uns noch nicht. Dafür Bäcker*in, Schneider*in, Arzt an Fantasie, dass unsere Lebensentwürfe so aus- bzw. Ärztin, Lokführer*in, Schriftsteller*in oder tauschbar sind oder wollen wir wirklich alle das Astronaut*in. Natürlich kann nicht jede*r einen Gleiche? Sicherlich gibt es viele Menschen, die der wenigen begehrten Erwerbsarbeitsplätze als sich eine Familie wünschen, einen gut bezahlten Raumfahrer*in ergattern, aber wie viele wun- Job, schöne Urlaube, ein tolles Auto. Aber ist es derbare Sternenbeobachter*innen haben wir das, was unser Herz zum Singen bringt? Macht verloren, weil wir ihnen gesagt haben, sie seien uns das wirklich glücklich? zu unsportlich, zu schlecht in Mathe oder Phy- Ich weiß, dass ich schon früh das Gefühl hatte, sik, zu kurzsichtig. Hätten sie ihre Passion nicht anders zu sein. Ich hätte zum Beispiel lieber eine anderweitig ausleben können, beispielsweise Mathe-Klausur geschrieben als auf eine Party zu als Hausmeister*in bei der NASA? Wahrschein- gehen. Soziale Phobie hieß es damals. Kommuni- lich hätte es nie eine*n hingebungsvollere*n kativ, aber nicht gesellig, sage ich selber 20 Jahre Hausmeister*in gegeben. später. Für mich ist diese Unterscheidung Realität Warum müssen so viele Kindheitsträume und gleichzeitig Rettung, da ich mich früher nicht sterben, nur weil wir nicht die perfekten forma- verstanden habe. Wie kann man kommunika- len Ausgangsvoraussetzungen haben? In seinem tiv sein und doch nicht gerne mit einer Gruppe Film „Alphabet“ sagt Erwin Wagenhofer, dass feierwütiger Jugendlicher um die Häuser ziehen? 98% der Kinder hochbegabt geboren werden Ein Spagat, der mich sehr belastete. Auch andere – am Ende der Schullaufbahn sind es nur noch werden tagtäglich in solche Schemata gepresst. 2%. Wie traurig. Wie viel vergeudetes Potenzial! Die einen zerbrechen daran oder zumindest fast. Können wir uns das noch leisten? In Zeiten von Die anderen ordnen sich mehr oder weniger „globaler Erwärmung“, Artensterben, Krankheiten, einfach ein oder eher unter. Das Ergebnis: Aus- Kriegen und Flüchtlingswellen? Vielleicht hätte tauschbare Standardlebensläufe. der*die Astronaut*in aus der Kindheit darauf eine Antwort. Aber wir werden es nie erfahren, Paulo Coelho wurde 1947 in Brasilien geboren. Sein Anders und Foto: Pixabay weil die Person aus Schmerz und Enttäuschung Leben war geprägt von vielen Umbrüchen und Neu- Börsenmakler*in geworden ist und nun auf anfängen bevor er endlich seinem Herzenswunsch Lebensmittelpreise spekuliert. So zahlt sie es der folgte und Schriftsteller wurde. In seine Bücher Welt heim, die ihr gesagt hat, sie wäre nicht gut flossen viele seiner Erfahrungen ein wie Psychiat- trotzdem wertvoll genug für ihren Traum. In die Sterne schaut sie rieeinweisungen als Jugendlicher, Haftaufenthalte schon lange nicht mehr. während der Militärdiktatur oder seine Pilgerreise Was also ist meine Herzensangelegenheit? nach Santiago de Compostela. Coelhos erster Roman Jeder Mensch hat einzigartige Talente und Fähig- „Der Alchimist“ handelt vom andalusischen Hirten keiten. Anstatt Menschen auszugrenzen, die nicht Santiago, der seiner Bestimmung folgt und dabei einem (seelenlosen) Ideal entsprechen, wünsche etwas viel wertvolleres findet als den Schatz, den ich mir, dass jede*r sein Potenzial zum Wohle er ursprünglich gesucht hat. „Der Alchimist“ wurde (oder gerade deshalb?) aller ausleben kann. Denn glückliche Menschen, die sich jeden Tag für das einsetzen können, was weltweit millionenfach verkauft. (Quellen: Wikipedia sowie „Der Alchimist“ von 2006 ihnen wichtig ist, arbeiten in meinen Augen effizi- im Diogenes-Verlag) enter, sind innovativer, motivierter und resilienter. Eigenschaften, die wir angesichts der globalen Susanne G. Herausforderungen so dringend brauchen wie vielleicht nie zuvor. Paulo Coelhos Alchimist hat Millionen von Her- zen auf der ganzen Welt bewegt. Als Rechtswis- senschaftler hätte er wahrscheinlich weit weniger Träumen und Herzensangelegenheiten Flügel verleihen können. Aber sein Lebenslauf ist auch alles andere als austauschbarer Standard. 8 9
Diese Tücher werden wirklich einfach nur aus Bienenwachs und Baumwollstoff hergestellt?! Z ugegeben: Das Thema Nachhaltigkeit ist schon seit Längerem in den Medien und hat uns alle schon einmal mehr oder weniger über Ab da achteten wir darauf unseren Ar- beitsalltag nachhaltiger zu denken. Das heißt nicht, dass wir alles gleich perfekt machen. … F ahrgemeinschaften bilden, falls es nicht mög- …u lich ist, nseren Referent*innen nachhaltige Geschen- die eigenen Angewohnheiten nachdenken lassen. Darum geht es auch nicht. Aber so entdecken wir ke überreichen (z.B. Honig, Biosaft), Damit aber ein Thema wie dieses für die Men- immer mal wieder etwas, das wir ändern können. … e s uns immer wieder bewusst machen, dass schen zu einer Herzensangelegenheit werden So schufen wir kurze Zeit später z.B. Plastikmüll- wir ein Teil vom großen Ganzen sind und so kann, braucht es manchmal Geduld und langan- beutel für benutzte Papierhandtücher ab. viel an Verantwortung dafür übernehmen wie haltende Motivation. Oft stecken wir sogar erst es uns möglich ist. andere Menschen mit unserer Begeisterung an, Heute wissen wir auch, dass wir… wenn es von Herzen kommt. Dann sprühen wir … E-Mails nicht mehr ausdrucken, Bestimmt stoßen wir in Zukunft noch auf weitere nur so und der Funken kann sozusagen über- … Recyclingpapier verwenden, falls wir sie doch Möglichkeiten, um nicht nur das Büro, sondern springen. So hat es auch bei uns etwas gedauert ausdrucken müssen, den Büroalltag nachhaltiger zu gestalten. Dazu bis der Gedanke von Nachhaltigkeit im Ar- … als Give-aways keine Plastikprodukte weiterge- haben wir in unserem Team schon mehrere Fun- beitsalltag bei Kiss vollständig ankam. Am Anfang ben, ken entzünden können. Denn, wie Sie vielleicht waren manche sogar zeitweise etwas genervt, … f ür die Öffentlichkeitsarbeit keine Softshell- gemerkt haben: Nachhaltig denken, ist mittler- wenn es wieder darum ging, wie wir bei uns im Jacken mit Kiss-Logo kaufen, da sie das Wasser weile zu unserer Herzensangelegenheit gewor- Büro von Kiss nachhaltiger werden könnten. Da stark belasten, den. tauchten dann Fragen auf wie: Nur in schwarz- … z ur Arbeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln weiß ausdrucken und so viel wie möglich auf ein oder dem Fahrrad fahren, Elisabeth, Franziska und Marion Dokument platzieren? Sollen Fehldrucke oder gelesene Artikel noch als Notizpapier anstelle von bunten Post-its verwendet werden? Nun gut. Wir beschlossen, es einfach mal zu probieren. Einmal gestartet versetzten uns manche Dinge dann doch in Erstaunen. Nachfüllbare Edding- Stifte tauchten an den FlipCharts auf, was wiede- Überleben* Wenn Foto: PolaRocket / photocase.de rum irgendwie genial war. Oder Bürohilfsmittel mit der wunderbaren Bezeichnung „klammerlo- Ein weiter Weg stand mir/uns bevor ses Heftgerät“, die unsere alten Tacker ersetzten, als das große Leid begann bei denen doch eh ständig kaputte Klammern jeder Schritt ging ins Nichts klemmten. Da waren wir baff, was es alles so gibt war durch Grau verhüllt Funken und fingen an, wie wild altes Schmierpapier mit und die Farben wurden schwarz dem klammerlosen Heftgerät zu „tackern“. Irgendwann merkten wir dann, dass der Welch großen Schmerz trägt ein kleiner Mensch Funken oder besser die Schar an Funken von wenn die Bürde allzu schwer springen nachhaltigen Ideen wohl doch so langsam auf keine Hand, die sich reicht uns alle übergesprungen ist. Spätestens als diese und die Last fortnimmt hübschen, wiederverwendbaren Wachstücher die so manches Kind zerbricht im Büro von einer unserer Kolleg*innen eta- bliert wurden, die als Dankeschön für unsere Kein heller Streif am Horizont Referent*innen und Ehrenamtlichen gedacht wa- zeigt den Weg durch das Labyrinth ren, waren wir komplett begeistert. Diese Tücher Irrweg oft, Lauf im Kreis werden wirklich einfach nur aus Bienenwachs doch die Hoffnung bleibt und Baumwollstoff hergestellt?! dass der Regenbogen kommt Rosemarie G. * kann mit der Melodie von „Amazing Grace“ gesungen werden. 10 11
Das Selbsthilfeparadoxon Foto: markusspiske / photocase.de D er Duden erklärt den Begriff „Herzensange- legenheit“ als etwas, das „für jemanden ganz persönlich von besonderer Wichtigkeit“ ist. Fol- Nun, an dem Begriff werden wir nichts ändern können. Der ist längst im allgemeinen Sprach- gebrauch verwurzelt (was ja auch die erklärte uns zusammensetzen sollten. Für Hilfesuchende gilt es, alle Möglichkeiten zu nutzen, die erreich- bar sind. Dazu gehören unbedingt auch „Außen- gen wir also dem Duden, dann ist die Selbsthilfe Absicht dabei ist, wenn man eine „griffige“ Be- stehende“. Genauso dringend wie unsere Selbst- für uns alle eine Herzensangelegenheit. zeichnung erfindet). hilfegruppe, brauchen wir die Unterstützung von Und über etwas, dem man besondere Wich- Umso mehr müssen wir bei jeder sich bieten- Therapeut*innen, Ärzt*innen, Seelsorger*innen tigkeit beimisst, denkt man auch viel und häufig nach. Jedenfalls geht mir das so. Und daher frage den Gelegenheit klarmachen, dass wir eben nicht meinen: „Hilf dir mal schön selber“. usw. Bei denen ist eine objektive, von unserem Problem freie Betrachtungsweise der Situation „Ich kann mir doch selbst eben ich mich schon lange, wie Folgendes zusammen- Sondern, dass es der Ansatz der Selbsthilfe notwendig. Wie z.B. sollte therapeutisches Perso- nicht helfen, was soll ich also in geht: ist: „Es gibt mehrere Leute, die alle das gleiche nal einer alkoholsüchtigen Person einen erfolg- „Selbsthilfe“ ist gerade für die notwendig, die Problem haben wie du. Und wenn du deren ganz versprechenden Ausweg anbieten können? einer Selbsthilfegruppe?“ sich selbst eben nicht helfen können. individuelle Wege kennenlernst, mit dem gemein- Immerhin: In einem Punkt trifft der Ausdruck Das scheint doch paradox! samen Problem umzugehen, kannst du dir aus „Selbsthilfe“ tatsächlich im Sinne des Wortes zu: Ich fürchte, dieser Widerspruch könnte man- den verschiedenen Anregungen einen eigenen Wer sich einer Selbsthilfegruppe anschließt, tut che davon abhalten, die benötigte Hilfe in einer Weg kombinieren. Einen Weg, der zu dir passt. einen wichtigen Schritt, sich „selbst“ zu helfen. „Selbsthilfe“gruppe zu suchen. „Ich kann mir Den findest du aber alleine nicht (wie du ja schon Allein das sollte für uns alle schon Grund doch selbst eben nicht helfen, was soll ich also in weißt), dazu brauchst du eine Gruppe.“ genug sein, weiter daran zu arbeiten, dass mög- einer Selbsthilfegruppe?“ Was „Selbsthilfe“ also eigentlich meint: Alle, lichst viele die Selbsthilfe zu ihrer „Herzensange- Das Problem haben wir Selbsthilfeaktiven die daran mitarbeiten, sind (vom gleichen Prob- legenheit“ machen! selbst geschaffen. Wir haben versucht, das, lem) Betroffene, die versuchen, sich Hilfe zu er- was in unseren Gruppen vor sich geht, in einen arbeiten, ohne „Beratung“ von Außenstehenden. Konrad H. kurzen, prägnanten Begriff zu pressen. Was wir Außenstehenden, die von uns nicht als grenzen- eigentlich meinen: Nur die Gesamtheit der Grup- los kompetent anerkannt werden könnten, weil pe kann helfen. Und durch den dafür gewählten sie unser Problem nicht haben und deshalb auch Begriff „Selbsthilfe“ wird das unscharf. Für uns ist nicht wirklich kennen können („…hat ja keine natürlich klar, was gemeint ist. Aber für jeman- Ahnung, wie das wirklich ist, woher auch…“). den, der Hilfe sucht und das Instrument der Freilich kann die Selbsthilfe nur eines von vie- Selbsthilfe noch nicht kennt? len Mosaiksteinchen sein, die wir Hilfesuchenden 12 13
mehr dar. Blöd ist nur, dass es unserem limbi- und mögliche emotionale Bedrohungen? Haben schen System völlig egal ist, ob einem im Super- wir gelernt, trotz Belastungen, wie Quarantäne, markt ein echtes Wollnashorn entgegen trabt Ausgangsbeschränkungen usw. noch geduldig oder ein Mensch die letzte Großpackung Klopa- und freundlich zu Kollegen, Freunden oder Fami- pier wegnimmt. Der einzige Filter ist: „Fühle ich lienmitgliedern zu sein? mich bedroht?“ und wenn in solchen Situationen das limbische System „ja“ sagt, dann wird eine Wenn Sie Lust haben Ihr limbisches System zu der Notfallroutinen aktiviert: Angriff, Flucht oder trainieren, hier kommen meine drei Lieblings Starre. Im Supermarkt schwingen wir dann inner- trainingsideen. lich drohend die Keule, schimpfen lauthals über die Hamsterkäufer, drehen uns um oder hauen ab Entspannung wörtlich nehmen oder tun so, als wären wir gar nicht da. Angriff, Unser limbisches System kapiert blitzschnell, Flucht oder Starre führen nicht zu Lösungen, wenn es angreifen, flüchten oder erstarren soll, sondern heizen emotionalen Notfallsituationen denn genau dann spannen wir ganz viele Muskel- und Herausforderungen in Krisenzeiten noch gruppen an. Kein Frühmensch, der noch bei Trost mehr an. Sei es der Umgang mit Ausgangsbe- war, hätte völlig entspannt mit einem Säbel- schränkungen oder Versorgungsängsten, wenn zahntiger gekämpft. Also Muskeln entspannen! leere Regalreihen suggerieren „kauf schnell ein, Welche Methode einem liegt? Von Atemübungen, es ist nicht genug für alle da“. Unser emotionales über progressive Muskelentspannung bis zu Lach- Gleichgewicht kommt nicht nur durch Schlaf- Yoga ist alles geeignet, was die Muskeln ent- mangel oder Hunger ins Kippen, wir fühlen uns spannt und dem limbischen System rückkoppelt: leider sehr schnell von unseren Mitmenschen, Entspann dich, Baby. bzw. in sozialen Situationen missverstanden und angegriffen. Aber keine Krisensituation, kein Be- Perspektivwechsel drohungsszenarium wird besser, wenn man wie Es entspannt das limbische System ungemein, ein Steinzeitmensch die Keule schwingt, flüchtet wenn man die Situation für sich neu bewertet. oder wie betäubt hofft, dass der Kelch an einem Statt einem tobenden limbischen System, weil vorübergeht. nichts so klappt, wie man es sich vorstellt, kann Und als wäre es nicht schon schwierig genug, man sich auch über genau das eine freuen, das Hilfe! Mein Großhirn mit einem tobenden limbischen System umzuge- heute geklappt hat. Und wenn es das Wissen ist, hen, kommt noch der Totalausfall des Großhirns dass man noch selbständig auf die Toilette gehen dazu. Denn wo ist unser geschätztes Großhirn bei kann. Ein Perspektivwechsel, eine Änderung des den ersten Anzeichen eines schnaubenden limbi- Blickwinkels auf das eine kleine oder größere po- geht spazieren. schen Systems? Es verlässt die Kommandobrücke sitive „Ding“ des Tages entspannt das limbisches und geht spazieren, bis sich unser limbisches Sys- System. tem beruhigt und entspannt hat und damit unse- rem Großhirn signalisiert: Alles palleti, wir haben Humor für Profis den Säbelzahntigerangriff überlebt. Und das Ein ganz schneller Entspannungshelfer für das kann dauern. In Krisenzeiten wandern Großhirne limbische System ist Humor. Lachen signalisiert stundenlang umher, während die Großhirneigen- dem limbischen System, dass keine Gefahr droht. I n unseren zweieinhalb Millionen Jahren auf Erden haben wir als Menschheit zwar viel verbockt, aber auch was auf die Reihe bekom- Das mit der Zeit ist allerdings ist ein prob- lematischer Punkt: Denn das Schlimmste, was einem als Frühmensch so passieren konnte, tümer vor dem Fernseher oder Laptop sitzen und verbale Keulen schwingen oder in Starre verfal- len. Die Variante Flucht wird in solchen Fällen Wer lacht, steht nicht kurz vor dem Verspeist- Werden. Und Lachen können wir alle, jeder schmunzelt, wenn es eine entspannte Situation men. Denn wir haben eine großartige Bonus- war nicht, dass das Klopapier alle war, sondern auch gern genommen – Aus„flüchte“, warum ist, wenn lustige Geschichten oder Witze erzählt ausstattung im Kopf. Wir leisten uns ein Gehirn dass ein Säbelzahntiger um die Ecke kam. Eine man selbst ausschließlich vernünftig handelt, nur werden. Allerdings ist das: Lachen für Ama- mit einem limbisches System und einem richtig Situation, in der man nicht in aller Ruhe Prog- alle anderen nicht. Nur raus, raus, raus aus der teure. Wenn es sowieso nett ist, dann kann ja großen Großhirn. nostizieren, Rechnen oder sonst was anfangen Bedrohung ruft das limbische System. Oder ganz wirklich jeder lachen oder humorvoll sein. Ganz Mit unserem Großhirn können wir lesen, konnte. Es war Schnelligkeit gefragt: Vom Groß- einfach: Angst macht dumm. anders in Krisenzeiten. Da ist einem nicht mehr rechnen, kombinieren, Muster erkennen, Dinge hirn unabhängig und automatisiert übernahm in Optimale Denkbedingungen für unser Groß- zum Lachen, da steht man stets kurz vor der prognostizieren, Annahmen treffen, komplexe Bedrohungssituationen das limbische System das hirn haben wir, wenn das limbische System eini- „Kernschmelze“. Und genau dann ist Humor und Sachverhalte durchdenken, Strategien entwer- Kommando. Das limbische System ist ein sehr germaßen entspannt ist. Und die gute Nachricht Lachen essentiell, dann lachen die Profis. Denn fen, Ideen entwickeln und schöpferisch tätig alter Teil des Gehirns, dort finden sich unsere ist, Training macht es dem Menschen möglich, die wissen, dass Angst dumm macht und Humor sein. Energetisch ist das zwar Wahnsinn, weil wir Emotionen wie Angst oder Freude. Wenn wir uns auch in Extremsituationen Panik zu vermeiden; gescheit. immerhin beachtliche 20% unserer Energie für angegriffen oder in Bedrängnis fühlen, stellt uns das limbische System ist trainierbar. Alle Men- unser Hirn aufwenden müssen, obwohl das gera- das limbische System ratzfatz drei Reaktionsmög- schen, die mit ängstigenden Situationen beruflich Margit Hertlein de mal 2% unseres Körpers ausmacht. Und neben lichkeiten zur Verfügung: Kämpfen, Flüchten, zu tun haben, tun es. Piloten trainieren Notlan- Illustration: Sandra Schulze so viel Energie für unser Gehirn, braucht der Neo- Totstellen. So konnten unsere Vorfahren beim dung im Flugsimulator, Rettungssanitäter lebens- cortex neben Energie vor allen Dingen viel Zeit. Säbelzahntigerangriff überleben. Jetzt sind aber rettende Handgriffe, ärztliches und pflegerisches Unser Großhirn ist ein souveräner Kapitän auf der Säbelzahntiger oder Wollnashörner ausgestorben, Personal herausfordernde Einsätze und was ist Kommandobrücke, aber laaangsam. stellen also für uns Menschen keine Bedrohung mit uns? Trainieren wir unser limbisches System 14 15
Foto: Pixabay Ganz spontan Nichts, was ich höre oder sehe, ist wahr – bis es mein Herz berührt. Es ist auch dann wahr, wenn es wissenschaftlich nicht bewiesen werden kann. Im Gespräch mit anderen achte ich nicht darauf, ob der Inhalt im Kopf ankommt, sondern ob das Gesagte tief in mein Herz hineinsinkt. Rudi B. 16 17
Foto: Pixabay Was hat Kunst mit Seele zu tun? E s gibt tausende Bilder und Skulpturen, soge- nannte Kunstwerke, die wie vom Fließband abrollen. In jedem Möbelhaus gibt es das „pas- sende“ Bild gleich zur Sitzgarnitur dazu. Hat nicht viel mit Kunst zu tun, finde ich. Andersrum: In einer bekannten Fernsehsen- dung, da kommt jemand mit einem Gemälde (stand zwanzig Jahre im Keller) und sagt, es passt nicht zum Mobiliar, man wäre modern eingerich- tet. Da krieg ich die Krise! Ein gutes Bild passt immer, sage ich. Da könnte man zu diskutieren anfangen: Was ist überhaupt „modern“? Man denke nur an Wenn sich der Anker löst ... Picasso und seine Kunst, da sagen immer noch viele, den modernen Kram verstehe ich nicht, dabei ist seine Kunst doch schon über hundert Jahre alt. A nkern bedeutet Sicherheit, Zurückfinden, Halt geben, Beständigkeit. Wenn der An- ker gelöst wird, geht die Reise los. Unerwartet, Worauf will ich hinaus? Mal abgesehen von den Fließbandbildern, ist doch jedes Bild entstanden, weil sich jemand ohne Warnung und Zeit zum Vorbereiten, Darü- etwas dabei gedacht hat. Es muss anderen nicht bernachdenken, Kraftholen. Die Welt steht still, gefallen, aber jemand hat sich mit Thema und diesen Moment nur, dann dreht sie sich weiter Material auseinandergesetzt, jemand hat seine – ohne dich. Nichts ist mehr dort, wo es war. Der Seele hineingemalt. Jemand hat vielleicht wäh- Anker fehlt. Die Wege trennen sich – kurz oder rend einer Krankheit dieses Medium als Hilfs- lang, für immer oder kurze Zeit. Mut verlässt mittel kennengelernt und siehe da, es entstand mich, Leere versucht in mein Herz zu gelangen etwas Einzigartiges. © Sabine Weiß und macht es schwer. Vielleicht ist es auch der Auch das Schreiben (man sagt ja nicht Anker, der noch da ist – unbewusst und doch umsonst „schreib dir das von der Seele“) kann spürbar. Immer da gewesen, nur nicht mehr greifbar. Zu weit weg, aber nicht verloren, immer während einer Krankheit zur Heilung beitragen. Ausgedachtes, Tatsachen, Erinnerungen, Träume, Manchmal braucht dabei, nur der Ort ist ein anderer. Hilft mir, nicht Ängste. All das kann man ausdrücken – auf die es nur einen Anstoß abzutreiben, wenn die Trauer zu gegenwärtig eine oder andere Weise. Manchmal braucht es ist – nur ein anderer Ort, immer dabei, jetzt im nur einen Anstoß und es fließt, zuerst stockend, und es fließt, zuerst Herzen – Herzenssache. zögerlich, aber dann! Ein Bild oder ein Text muss nicht unbedingt stockend, zögerlich, Simone K. für einen Außenstehenden „schön“ sein, wichtig ist, das eigene Empfinden, die eigene Kreativität aber dann! herauszukitzeln. Und was auch ganz wichtig da- bei ist: sich die Zeit nehmen, sich darauf einlas- sen und die Zeit mal vergessen. Ingrid J. 18 19
Man muss viel Geduld mit sich selbst haben, in „Herzensangelegenheiten“ das Richtige zu tun. Frauen – Alkohol Ich gehe jedes Mal beschenkt aus der Gruppe heraus, weil die Damen so starke und tolle Persön- lichkeiten sind und mir die Motivation zur Vorbe- Mit Herz und drumherum reitung auf das nächste Gruppentreffen geben. Alkoholerkrankungen kann man nicht heilen, aber sie führen zu einer Weiterentwicklung der und Verstand betroffenen Frauen, die damit die Chance auf ein abstinentes und trotzdem erfülltes Leben haben. U nsere Frauengruppe (Betroffene und Ange- hörige) ist die einzige in Stadt und Landkreis Ansbach und noch weiter im Umkreis. 2017 habe Persönlich wünsche ich mir, dass noch viele Frauen den Mut haben und eine solche hilfreiche Gruppe an den anderen Kiss-Standorten gründen. I hr Anliegen ist mir eine Herzensangelegen- heit.“ Diesen Satz hört man häufig insbeson- dere von Politiker*innen und besonders oft in ich mit großartiger Unterstützung von Kiss Ans- Wer Kontakt aufnehmen möchte, kann sich an Wahlzeiten. Dabei will ich deren gute Absichten bach und der Ingangsetzerin die Selbsthilfegrup- Kiss Ansbach wenden. nicht abstreiten. Und doch ist es ein Unterschied, pe ins Leben gerufen. ob man sich fremder Angelegenheiten annimmt „Frauen trinken anders“, das heißt: stiller, Ruth B. oder ob man selbst betroffen ist. „Mit Herz und allein, zu Hause, heimlich. Kinder, Haushalt, Verstand“ leben, das bedeutet, mit Emotionen Beruf und perfekte Ehefrau – das alles erzeugt und Ratio leben. Das ist jedoch nicht immer so enormen Druck. Wer einsam ist und schwere leicht getrennt zu halten. Wo ist die Grenze? Schicksalsschläge erlebt, ist anfälliger für eine Als mir so richtig bewusst geworden ist, dass Suchterkrankung. Bei ihnen funktioniert das meine Frau Alkoholikerin ist, war es für mich eine Versteckspiel eine ganze Zeit. Der Leidensdruck Herzensangelegenheit – im wahrsten Sinn des muss sehr groß sein, bevor sie nach Hilfe suchen Wortes – ihr zu helfen. Ich wusste zwar nicht wie, und sich eingestehen, dass sie die Kontrolle ver- sah darin aber eine Aufgabe, der ich mich stellen loren haben. wollte und musste. Denn ich hatte es u.a. auch in Nach dem Entzug ist die Nachsorge wichtiger meinem Beruf gelernt, einer schwierigen Situa- als alles andere. Hier greift die Selbsthilfegruppe tion nicht aus dem Weg zu gehen, sondern sich nur für Frauen einen wichtigen Stabilitätsfaktor ihr zu stellen. Ich musste lernen, dass nur „Hilfe auf. Die Sucht ist ein lebenslanger Begleiter. zur Selbsthilfe“ etwas bewegen kann. Das ist oft Darüber zu sprechen, hilft damit umzugehen. schwer, oft eine Belastung und für Außenstehen- Den Kampf dagegen aufgeben und zur Ruhe de häufig nicht begreifbar. „Du kannst sie jetzt kommen, zufrieden sein. Wir führen sehr offene doch nicht im Stich lassen“ – das wollte ich auch und lockere Gespräche, die in einer gemischten nicht. Ich habe sie nicht im Stich gelassen, wollte Gruppe wahrscheinlich nicht so geführt würden. mich nicht trennen und habe es auch nicht. Und Unsere Runde geht altersmäßig von jung bis doch habe ich viele Fehler gemacht, denn ich … Auch andere Süchte wie Rauchen, Drogen, hatte nicht immer den Mut, ihr zu widersprechen Medikamente sind unsere Themen. – aus Angst vor einem Rückfall. Man muss viel Jeden zweiten und vierten Dienstag im Monat Geduld mit sich selbst haben, in „Herzensange- treffen wir uns bei Kiss in Ansbach von 18.00 – legenheiten“ das Richtige zu tun. Die Selbsthilfe- 19.30 Uhr. Zusätzlich besuchen wir jeden ersten gruppe hilft dabei. Freitag im Monat die Entzugsstationen im Be- zirkskrankenhaus Ansbach. Reimar Foto: Marco Ceron / photocase.de 20 21
„Es gab mich viele Foto: cw-design / photocase.de Jahre gar nicht mehr.“ Ich habe sie glücklicher weise… I ch habe sie glücklicherweise: Die Familie und die Freunde, die, nachdem die Diagnose „Par- kinson“ feststand, gesagt haben: „Wir schaffen und engagiert sich die meisten Angehörigen verhalten. Aber ich konnte auch spüren, wie sehr die Belastung für sie über die Jahre zunahm, bis dass ich den Partner, der so ruhig und zuverläs- sig neben mir steht, Stück für Stück vereinnah- me. Schließlich weiß ich, nicht zuletzt auch auf die Angehörigen, um gezielt auch das „Nach- her“ aufgreifen zu können und um den Weg des Verbliebenen zurück ins normale Alltagsleben zu das“. Das war vor zwei Jahren. Die Krankheit lässt kaum noch Zeit für eigene Bedürfnisse übrig Grund meiner langjährigen Berufserfahrung im erleichtern. Meine persönliche Hoffnung bleibt, sich und mir Zeit, aber ich weiß, sie wird mich blieb. Ich erinnere mich da an eine Angehörige, Bereich der Altenpflege, dass die mir Naheste- dass ich mich den kommenden Hürden zu stellen bis an mein Lebensende begleiten und sie wird die eine dringend notwendige OP fast zu lange henden mich zwar auf dem Weg begleiten, ihn weiß und mein Glaube nicht verloren geht, dass langsam, aber stetig höheren Einsatz von mir und verschob, weil ihrem kranken Ehemann davor aber nur begrenzt mitgehen können. In unseren es neben dem beruhigenden „Wir“ ein „Ich“ und meinem Umfeld fordern. Immer neue Hürden bangte, in dieser Zeit auf eine Kurzzeitpflegesta- Selbsthilfegruppen nehmen die Fachvorträge „Du“ gibt, ja, geben muss. warten auf mich und wollen genommen werden. tion zu wechseln. Oder an den erschreckenden einen wichtigen Raum ein. Diese, die Krankheit Bin ich doch bisher lieber die Flussläufe entlang- Satz: „Es gab mich viele Jahre gar nicht mehr. begleitenden Fortbildungen sind für uns alle Heide FöMa 25.12.2019 geradelt als über die Alpen. Ich meinte immer, Ich musste mich nach seinem Tod erst mühsam − Betroffene und Angehörige gleichermaßen Hindernisse zu überwinden sei nicht meine Stär- wieder finden.“ So wie den Gedanken, dass die − von großer Bedeutung und Hilfe im Alltag. ke, ich umging sie lieber geschickt. Ich weiß, die hinterbliebenen Partner dann oft feststellen, dass Sie bieten jede Menge Stoff und Anregungen nun vor mir liegenden Veränderungen werden sie mit dem Ende ihrer bisherigen Aufgaben ihren für anschließende Gespräche. Hier drängt sich mich fordern und werden mir keine Wahl lassen. Lebensinhalt verloren haben und dass ihre sozia- mir auch die besondere Situation der pflegen- Ich muss und will mich den Hürden stellen. Was len Kontakte außerhalb der Deutschen Parkinson den Angehörigen als ein weiterer Schwerpunkt mich aber umtreibt, ist der Gedanke, dass das, Gesellschaft (DPG) so gut wie nicht mehr vorhan- auf. Ich denke dabei an praktische Themen wie was kommt, nicht nur mein Leben, sondern auch den sind. häusliche Pflege und die speziellen Bedürfnis- das Leben meiner Angehörigen verändern wird. se der Parkinsonpatient*innen. Psychologische In den letzten zwei Jahren habe ich das Glück Das Gehörte treibt mich um. Themen wie es um die eigenen Bedürfnisse und gehabt, viele Menschen zu treffen, die mir durch Und doch ist es wahrscheinlich, dass auch ich dem seelischen Wohlergehen steht oder „wie ihre Gespräche meinen Blickwinkel erweitert vor lauter Beschäftigung mit mir selbst und dem, und wann erkenne ich meine eigenen Grenzen?“. haben. Dabei wurde mir deutlich, wie liebevoll was mit und in mir passiert, nicht wahrnehme, Gesprächskreise in diesem Fall vielleicht nur für 22 23
D a ich selber 2017 die Diagnose „Mittelschwe- re Depression mit Panik- und Angststörung“ erhalten habe, weiß ich, dass die Krankheit bin erkältet“ oder „ich habe mir das Bein gebro- chen“. Mir ist es selbst widerfahren, dass man als Betroffene gerne mal in eine Schublade gescho- Depression doch immer noch unbekannt und von ben wird, z.B. in der Arbeit. Hier habe ich – nach- vielen nicht als Krankheit anerkannt ist. dem ich mich für eine andere Stelle im Betrieb Deswegen ist es mir eine Herzensangelegen- beworben hatte – nach meiner Erkrankung zu hö- heit damit in die Öffentlichkeit zu gehen. Mich zu ren bekommen, dass man mich ja nicht überfor- outen und damit für etwas mehr Offenheit beim dern möchte. Nicht, dass ich wieder krank werde Umgang mit Depressionen zu erreichen. Selbst- und man mich deswegen nicht berücksichtigen verständlich ist dies leider nur ein Tröpfchen, könne. Ich bin seit November wieder berufstätig aber viele Tröpfchen können dann doch etwas und seitdem gerade zweimal eine Woche wegen bewirken. einer Grippe krank gewesen. Ein Mensch mit De- Ich habe letztes Jahr an der Mut-Tour teilge- pression kann sehr wohl leistungsfähig sein. nommen und habe im August die Strecke Lübeck Auf Grund meiner persönlichen Erfahrung, – Berlin in einer Gruppe von sechs Personen per dass Sport und Bewegung mir unwahrscheinlich Tandem zurückgelegt. Wir sind autark unterwegs, guttun, habe ich mich dazu entschlossen, eine d.h. wir wissen morgens nicht, wo wir abends Selbsthilfegruppe in Rothenburg o.d. Tauber zu unsere Zelte aufschlagen werden. Wir gehen gründen. Seit September 2019 laufen wir jeden einkaufen und kochen abends unser Essen auf zweiten Mittwoch in der Gruppe für ca. eine dem Gaskocher. Wir leisten Öffentlichkeitsarbeit, Stunde 4-5 km. Wir, als Betroffene, haben die wir geben Interviews, wurden sogar einmal vom Möglichkeit, uns auszutauschen und zu bewegen. MDR gefilmt, wir reden mit Passant*innen. Und Die Gemeinschaft macht es möglich, dass man es spiegelt sich überall das gleiche Bild wider: Der sich gerne bewegt. Die Gewissheit, ich kann über Umgang mit dem Thema Depression ist in unse- meine Erkrankung reden, ohne mich rechtferti- rer heutigen Zeit immer noch mit Scham behaf- gen zu müssen, ohne mich erklären zu müssen, tet. Dabei – so finde ich – ist es eine Krankheit. da mein*e Gesprächspartner*in weiß, von was Foto: Pixabay Ich schäme mich doch auch nicht zu sagen: „ich ich rede, hilft so sehr. Mir tut die Gruppe unheim- Eine Wundersame Rettung lich gut und auch die Rückmeldung aller gibt mir recht und bestärkt mich, weiterzumachen. Depression ist eine unsichtbare Krankheit, eine Depression kann in jedem Alter auftreten. unsichtbare Sie kann jede*n treffen. Ich denke, die Unsicht- barkeit der Krankheit macht es schwer, diese als das anzuerkennen, was es ist: eine Krankheit. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es für Außen- N eulich berichtete eine Frau im Radio von einer wundersamen Rettung: Sie selbst hatte mitten auf der Straße einen Herzstillstand und verletzt habe und dass mein braves, treues Herz sich dazu entschlossen hatte, weiterzuschlagen. Dieses Erlebnis hat mich stark geprägt. Ich bin stehende sehr schwierig ist, es zu verstehen. Bei fiel in Ohnmacht. Glücklicherweise fuhr hinter ihr dadurch seelisch reifer geworden und habe die Krankheit Ausbruch meiner Depression hat es sehr lange ein Arzt, der erste Hilfe leistete und sie wieder- Angst vor Schicksalsschlägen − auch solchen gedauert bis ich die Depression als Krankheit für beleben konnte, bis der Rettungswagen kam. Das ganz anderer Art − verloren. Vorher war es für mich anerkannt habe. Aber auch ein Stück weit weckte in mir eine Erinnerung aus dem Jahr 2015. mich eine Horrorvorstellung, von der Straße weg deswegen, weil man nichts darüber weiß, es als Damals ist mir das Gleiche passiert, sogar im in einem Krankenhaus zu landen, ohne Pyjama, Schwäche gilt. Und deswegen möchte ich mich gleichen Stadtviertel und ganz in der Nähe, wo es ohne Zahnbürste und Handy. Jetzt weiß ich: Es dafür einsetzen, dass man offener mit dem The- der Frau passiert war. kommt alles nicht so schlimm wie befürchtet und ma umgehen kann. Dass jemand, den die Krank- Zu Bewusstsein kam ich erst nach ca. drei Stun- irgendwie geht es immer weiter. Meine innere heit trifft, sich offen darüber äußern kann. den in einer Notfallklinik. Niemand dort konnte Gelassenheit auf dem Krankenbett gab mir so viel mir sagen, wer mich gefunden hat, wie lange ich Energie, dass ich kurze Zeit später wieder nach Tanja KH auf der Straße gelegen bin und was man dort mit Hause konnte. mir angestellt hatte. Ich wollte auch nicht weiter nachforschen, sondern fühlte nur eine tiefe Ralf W. Dankbarkeit, dass ich mich beim Fallen nur leicht Ich schäme mich doch auch nicht zu sagen: „Ich bin erkältet.“ 24 25
„Was hatte ich nur für Erwartungen: Doch noch an das menschliche Interesse der Mediziner*innen Ich dachte, zu glauben!?“ es wäre interessant mit uns zu reden. D ie letzten Tage habe ich mir überlegt, was ich als meine Herzensangelegenheit sehe. Es fielen mir wirklich einige Sachen ein, denn ich Tja, was soll ich sagen? Gute Gespräche hatten wir drei unter uns und mit einer weiteren Person aus unserer Selbsthil- habe doch ein großes Herz. Erst dachte ich an fegruppe. Die Mediziner*innen blieben unter sich eine Art Dank an meinen Papa, der mein Anker in und unterhielten sich am Buffet. Lediglich die einer schweren Zeit für mich war oder an meinen stellvertretende Veranstalterin wechselte kurz ein wunderbaren Sohn, der die Liebe meines Lebens paar Worte mit uns und bedankte sich für unser ist oder meine Mama und meinen Mann, die Kommen. Die Zeit verging, es wurde leerer und mir immer zur Seite stehen. Doch dann bin ich nach einer weiteren Stunde begannen wir, unsere gestern mit etwas konfrontiert worden, mit dem Sachen wieder einzupacken und wir traten den ich nicht gerechnet hätte und was mich merkwür- Heimweg an. digerweise sehr getroffen hat. Bei mir hat sich große Enttäuschung breitge- Wir waren eingeladen, die Selbsthilfegruppe macht, gepaart mit einer gehörigen Portion Wut. des Bundesverbands für Schilddrüsenkrebs bei So viel Desinteresse habe ich schon lange nicht einem Fachsymposium für Ärzt*innen zu ver- mehr erlebt. Ich kam mir dabei so naiv vor. Was treten. Also machten wir uns mit jeder Menge hatte ich nur für Erwartungen: Doch noch an das Infomaterial im Gepäck zu dritt auf, um einen menschliche Interesse der Mediziner*innen zu spannenden Abend zu erleben. Völlig unvorein- glauben!? Uns als Krebspatient*innen für „se- genommen und mit guter Laune kamen wir an, henswert“ zu halten!? Ich hatte gehofft, es kämen wurden vom Hausmeister herzlich begrüßt und Ärzt*innen, die sich für uns als Menschen, als bekamen unseren Platz zugewiesen. Nach und Betroffene interessieren würden. Ich dachte, es Foto: lz@larszahner.com / photocase.de nach trafen die Besucher*innen des Symposi- wäre interessant mit uns zu reden, über unsere ums ein. Zu Beginn der Veranstaltung begaben persönliche Geschichte, unser Zurechtkommen Krebs darf und muss kein Tabuthema sein. wir uns mit vielen Ärzt*innen, Mediziner*innen mit den Behandlungen, unsere Wünsche an die Niemand möchte allein sein, alleine kämpfen, und Interessierten in den Hörsaal. Nach ca. zwei Ärzt*innen, über das, was uns wichtig ist. Doch allein mit den Folgen klarkommen. Krebs hat kein Stunden waren die hochinteressanten Vorträge weit gefehlt, es kam niemand... Gesicht, bis es dein eigenes ist. Niemand weiß, zu Ende und wir eilten voller Erwartung auf gute Ich fand es so entwürdigend, am Infostand zu wie sich die Ängste, die Ungewissheit und jeder Gespräche und Interesse an unserer Gruppe zu stehen ohne beachtet zu werden. Ich wollte doch neue Tag anfühlen, außer man erlebt es selbst. unserem Infostand. nichts verkaufen, ich war doch nur da, um den Die Aufgabe der Liebenden, Freund*innen, Krebsverband zu repräsentieren. Angehörigen oder Bekannten ist es, da zu sein, Deshalb ist meine Herzensangelegenheit: die Hand zu reichen und sie auch hinterher nicht „Let‘s talk about Krebs“ („Lass uns über Krebs loszulassen! Das wünscht man sich – als betroffe- reden“). ne Person. No one fights alone („Niemand kämpft allei- ne“)! Gewiss, Krebskranke müssen das Meiste mit sich selbst ausmachen, Entscheidungen selbst treffen, doch mit der Gewissheit, dass jemand für mich da ist und Interesse an mir zeigt, ist es doch ein ganzes Stück einfacher! Simone K. 26 27
Wussten Sie eigentlich, dass … … Frauen Herzinfarkt-Symptome oft zu lange ignorieren, weil andere Dinge ihnen in dem Augenblick wichtiger erscheinen? … der Herzinfarkt bei Frauen oft andere Symptome zeigt als allgemein ver- mutet? Ungewohnte Kurzatmigkeit, plötzlich auftretende Übelkeit, Schwä- che- und Angstgefühl, Blässe, konstante Schmerzen im Hals- und Nacken- bereich, anhaltende Schmerzen im Oberbauch, Druck- und Engegefühl im Brustbereich… … es bei den Reichen und Mächtigen in der Geschichte oft üblich war − oder sogar Tradition wie bei den Habsburger*innen − das Herz gesondert vom Körper, vielleicht an einem anderen Ort, zu bestatten? … Sie auch nach Ihrem Tod Ihr Herz noch verschenken können? Haben Sie einen Organspendeausweis? Christa B. Foto: Fiebke / photocase.de Ein sehr individueller persönlicher Bezug Wir haben einige Personen gefragt, was Ihnen Sophie (24 Jahre) spontan zum Thema „Herzensangelegenheit Das Wort Herzensangelegenheit beinhaltet für einfällt. mich, dass man einen sehr individuellen, persön- lichen Bezug zu etwas hat, was einen bewegt und Iris (59 Jahre) angeht. Meine Herzensangelegenheit ist es, mich Mein Kind in meinen Gedanken Respekt, wobei ich natürlich den gegenseitigen Respekt meine, denn das ist keine Einbahnstraße. selbst zu verwirklichen. Ich möchte ein Buch schreiben und illustrieren. Außerdem möchte ich Ich will mein Kind erziehen. meinen Katzen das beste Leben ermöglichen, das Ich frage mich: Was lernst du, Matthias (54 Jahre) ich ihnen geben kann. wenn die Welt nicht existiert? Schon seit Menschengedenken werden mit dem Was kannst du machen, Herzen sprichwörtliche, zentrale, emotionale Magnus (55 Jahre) wenn das Universum keine Prinzipien hat? Eigenschaften verbunden. Beispielhaft fallen mir Herzensangelegenheit ist für mich Achtsamkeit Was würdest du richtig machen, hier Redensarten wie „das Herz am richtigen mit meinen Mitmenschen und mit mir selbst. wenn du keine Zeit dafür hast? Fleck haben“, „sein Herz verlieren“ oder „ein Herz Was würdest du machen, aus Stein haben“ ein. Was ist also in diesem Kon- Ingrid (75 Jahre) wenn deine Natur nicht zu den Dingen passen würde? text eine „Herzensangelegenheit“? Jede*r sollte Heute bin ich meine Herzensangelegenheit, All diese Fragen… sich Mühe machen, diese vielschichtige Frage heute tue ich etwas für mich! Foto: suschaa / photocase.de Mein Verstand oder meine Urteilskraft ist nur eine Begrenzung. die eigene Person betreffend zu beantworten: Dann denke ich, dass die Erziehung eine lebendige Seele hat, die man nicht Was sind meine „Herzensangelegenheiten“? Wir anfassen kann. alle haben sicher unterschiedliche, individuelle Die Erziehung ist nur eine Kombination von Wünschen für die Moral und Antworten parat! Und das ist auch gut so. Ich eine Spur von Kunst: Alles was von der Seele kommt und der Physik folgt. wünsche mir jedenfalls, dass bei allen von uns Ich erinnere mich an seine Geburt und verfolge sein Leben: Er ist mein Kind! ein friedvoller, verträglicher Umgang mit Mit- menschen und Natur als Antwort ganz vorne mit Koffi G. dabei ist. 28 29
Außergewöhnliche Zeiten brauchen außergewöhnliche Kontakte #stayathome Oder: Wie haben Selbsthilfegruppen in Zeiten von Corona Kontakt gehalten? W ir haben bei den Selbsthilfegruppen in Mit- telfranken nachgefragt, wie sie ihre Treffen in Zeiten des Lockdowns gestaltet haben. Möglichkeit, sich so zu „treffen“. Vielleicht wäre das auch eine Idee, um z. B. Fachvorträge überre- gional stattfinden zu lassen. Es ist sehr spannend, uns jedenfalls alle darauf, möglichst bald wieder mit unseren regelmäßigen Treffen sowie unserem Programm, den Aktionen, den Vorträgen und und Meditationen. Probiert es aus, danach fühle ich mich auf jeden Fall viel besser und komme mehr in die Liebe zu mir selbst und zu den ande- welche Möglichkeiten sich auftun, wenn der Referent*innen durchstarten zu können. ren. Blinde sind aufs Hören angewiesen „physische Kontakt“ Alternativen braucht. MS-Gruppe Roth, Jens B. Christa Ich schreibe jetzt mal in Vertretung für alle Be- Positiv ist, dass sich die Gruppenmitglieder troffenen in unserer Blinden- und Sehbehinder- (die „alten Hasen“) schon seit längerem privat Die Videokonferenz ist sehr intensiv So fühle ich mich nicht ganz abgehängt tengruppe. vernetzt hatten. Schwierig ist es für Teilneh- Soweit mir bekannt ist, halten die Gruppenmit- Kein Austausch in der gewohnten Gemeinschaft, Aufgrund der Kontaktsperre fehlt uns der mende, die neu dazu kommen möchten oder die glieder untereinander über Telefon, WhatsApp wo die Befindlichkeiten auch ohne Sprechen Austausch in der Gruppe sehr, ganz besonders die keinerlei Handy oder PC haben (ja, auch das gibt usw. Kontakt. Meetings können ja nicht stattfin- erkennbar werden. Dafür schafft auch das Telefon Begegnung mit den Anderen. Aber ich rufe die es heutzutage noch). den. nur schwer Ersatz und mit dem Internet sind nur Leute immer mal wieder an, um so den Kontakt Trauergruppe „Begleitet sein“ für jung verwitwete Zwei Gruppen haben regelmäßig zu den nor- wenige vertraut. Die Gruppenleitung ist stärker zu halten oder um Informationen weiterzugeben. Menschen im Raum Ansbach, Stefanie S. malen Meetingzeiten ein Meeting über Telefon. als sonst gefragt, aber sie ist auch hilfloser. Dann Gerade die Teilnehmenden, die alleine leben, sind Da ich zu einer dieser Gruppen gehöre, kann ich ein Dankeschön per Post: „Jetzt wird es offen- sehr dankbar dafür. Wenn man blind oder sehbe- …und es gibt die „lustige“ WhatsApp Gruppe sagen, dass das sehr gut und (fast) wie ein „rich- sichtlich, wie wertvoll Gemeinschaften sind!“ hindert ist, ist man sehr aufs Hören angewiesen. Zufällig, fast zur selben Zeit der Corona-Pande- tiges“ Meeting funktioniert. Trotzdem vermisse Oder: „Vielen Dank für die Informationen, so füh- Da tut es gut, wenn man mal anruft oder angeru- mie, als es mit Absagen der Treffen und weiteren ich den persönlichen Kontakt. le ich mich nicht ganz abgehängt“. Eine Teilneh- fen wird. Ich sehe das als meine Aufgabe an. Einschränkungen für uns alle losging, haben wir Eine sehr kleine Gruppe (z. Z. nur drei Perso- merin am Telefon: „Ihr fehlt mir!“ – Jetzt glaube Blinden- und Sehbehindertengruppe Rothenburg o. zwei WhatsApp Gruppen ins Leben gerufen, da nen) macht das regelmäßige Meeting über eine ich doch, dass wir durchhalten bis zum Wiederse- T., Ruth F. immerhin 24 unserer 31 Teilnehmenden Whats- Videokonferenz. Das klappt sehr gut und ist sehr hen... denn auch mir fehlt das Gruppentreffen! App nutzen. So ist es neben den üblichen Rund- intensiv. Frauen mit Zuversicht – eine Selbsthilfegruppe für Das Telefonmeeting ist eine Bereicherung mails und den Telefonaten untereinander eine Zwei Probleme haben wir aber durch die derzeiti- Frauen nach Krebs, Heidi T. In der Corona Zeit gibt es täglich Telefonmeetings weitere gute Möglichkeit zu kommunizieren. ge Situation: zu unterschiedlichen Themen: OA, CODA, AA, Die eine Gruppe ist eine „sachliche“ WhatsApp- • Neue Mitglieder können uns derzeit nur sehr Mobilitätsverzicht, Konsumverzicht, Besuchs NA… Gruppe, die rein für den informativen, MS-be- schwer erreichen. Über die Homepage von Al- verzicht Ich habe damit sehr gute Erfahrungen ge- zogenen Austausch sowie die schnelle Info-Wei- Anon können keine Kontakte in den Regionen Knapp fünf Wochen sind nun seit den Ausgangs- macht, weil thematisch und zeitlich auch für tergabe bzw. schnellere Abfrage von Antworten weitergegeben werden. Das bedeutet, dass beschränkungen vergangen und dennoch kommt jede*n etwas dabei ist. Telefonmeetings sind oder Entscheidungen genutzt werden soll – (hier uns auf diesem Weg Neue nicht zeitnah finden mir diese Zeitspanne schon wie eine Ewigkeit vor. für mich eine Bereicherung, weil ich europaweit sollen keine lustigen Filmchen, Texte, Bilder etc. können. Für unser letztes Treffen der Kriegsenkelgruppe, Menschen kennenlerne. Einzig was fehlt, ist der gepostet werden). • Wir finanzieren uns und die ganze Organisation das am 20. April 2020 hätte stattfinden sollen, persönliche Kontakt. Der hat natürlich eine ganz Und es gibt die andere, die „lustige“ Whats- ausschließlich über die Spenden unserer Mit- haben wir uns sowohl online als auch per Whats- andere Qualität. App Gruppe, bei der gerade diese ganzen wit- glieder, die am Ende des Meetings eingesam- App vernetzt, was eigentlich ganz spannend war. OA, Yüksel K. zigen Filmchen, Texte & Bilder etc. gewünscht melt werden. Da es keine Meetings geben kann, Aber auf Dauer ersetzt das natürlich nicht den bzw. willkommen sind, um den anderen gibt es im Augenblick auch keine Einnahmen. persönlichen Austausch mit den Gruppenmit- Ermutigungen und schöne Verse Gruppenmitglieder*innen den Alltag etwas zu Al-Anon Familiengruppen in Mittelfranken, gliedern, ihre Gestik und Mimik, ihr Lachen und Wir haben eine WhatsApp Gruppe, dort schrei- erheitern. Hier sind nur all diejenigen dabei, die Werner O. Weinen beim Erzählen ihrer eigenen Geschichten be ich immer wieder Ermutigungen und schöne das auch wünschen. und der ihrer Vorfahren. Verse rein. Und ich habe meine private Telefon- So wurden bereits in den letzten Wochen, ne- An meine Wegbegleiter*innen Kriegsenkel Erlangen, Monika R. nummer eingestellt, damit telefonischer Kontakt ben der üblichen Rundmail und den Telefonaten, Für mich ist diese Zeit der Ruhe und des Zuhause jederzeit möglich ist. einige „sachliche“ Infos getauscht und, wie ihr Seins eine Zeit, um nach innen zu schauen, um Wie gut, dass wir dank moderner Medien nicht Das erste Gruppentreffen fiel aus. Das zwei- euch denken könnt, täglich zig „lustige“ Sachen an meinem “Bewusstsein” und meiner “Entwick- allein sind te Treffen habe ich über die virtuelle Plattform geteilt. lung” zu arbeiten. Dies bedeutet, achtsam zu sein Die Familien, die in der Selbsthilfegruppe „Rü- bei ZOOM ausgerichtet. Mehrere Teilnehmende Ansonsten geht es unseren Gruppenmitglie- und nach meinen Gedanken und Emotionen zu ckenwind – Eltern mit besonderen Kindern“ waren dabei und nur eine hatte technische Prob- dern, soweit ich es mitbekommen habe, den schauen, die mich täglich begleiten und die, die engagiert sind, traf der Lockdown hart. Da ist die leme mit der APP. Es war schön, uns alle mal wie- Umständen entsprechend gut. Es ist ja für alle ich nicht mehr haben möchte, aufzulösen. Dafür Mama, die ihr Kind seit Mitte März nicht mehr der zu sehen und zu hören. Ich finde es eine gute Menschen eine besondere Situation. Wir freuen gibt es im Internet mittlerweile viele Anregungen sehen darf, weil einerseits die Pflege zu Hause, 30 31
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