Fintech, Forderungen, Fraud - EF 19 - Regis24
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CHALLENGE ACCEPTED: Mit Herausforderungen ist es so eine Sache. Meistens stellen sie sich uns ungefragt in den Weg. Es gibt aber auch Herausforderungen, die wir bewusst suchen. Nie- mand erwartet von uns, sie anzunehmen – wir selbst sind es, die sich und der Welt etwas beweisen möchten. E 2 lon Musks Pläne zur Marsbesiedelung sind eine solche 3 Herausforderung. Es ist ein gigantisches und ziemlich ver- rücktes Vorhaben, das Musk mit seinem Raumfahrtunterneh- men SpaceX da realisieren möchte. Nichtsdestotrotz macht SpaceX rasante Fortschritte: Gegründet erst 2002, ist das Un- ternehmen inzwischen zum Weltmarktführer für Satellitenstarts aufgestiegen. Bereits 2024 soll der erste Mensch auf dem Mars landen. Die Erfüllung des Traums, Menschen auf anderen Planeten anzusiedeln, rückt in greifbare Nähe. Am 14. und 15. November 2019 haben wir auf dem Entschei- derforum in Berlin mit Fachleuten aus den Branchen Fintech, E-Commerce, Inkasso und Forderungsmanagement, Payment und Banking gesprochen. Es ging unter anderem um die Regulie- rung der Märkte etwa durch PSD2, die DSGVO und die geplan-
VISION IS EVERYTHING te Begrenzung der Inkassogebühren, aber auch um veränderte Marktbedingungen aufgrund neuer, disruptiver Technologien und einer anspruchsvolleren Kundschaft. Für viele der anwesenden EntscheiderInnen handelt es sich dabei um durchaus ernstzu- nehmende Herausforderungen für ihre jeweiligen Unterneh- men. Doch obwohl sicherlich keine von ihnen mit den Widrig- keiten einer Marsmission vergleichbar ist, war auf dem Ent- scheiderforum viel von der Aufbruchstimmung zu spüren, die zur Bewältigung außergewöhnlicher Herausforderungen gebo- ten ist. In unserem Trendreport 2020 äußern sich EntscheiderInnen in exklusiven Interviews und zukunftsweisenden Diskussionen dazu, welche Herausforderungen, aber auch, welche Chancen sie für die kommenden Jahre sehen. Lassen Sie sich inspirieren! Ihr Urs Bader CEO Regis24
Inhalt Regulierung als Chance begreifen 8 Datenverarbeitung mit Augenmaß 10 „Das Thema ‚Kontakt‘ ist die größte Hürde.“ 12 „Denken Sie groß – Die Zukunft der Datenhaltung“ 18 Konferenzen im digitalen Zeitalter? Dafür gibt’s doch ‘ne App! 22
“Ich denke, es ist natürlich, wenn man ein gemeinsames Ziel hat, dass man gemeinsam stärker ist als alleine. Das ist ganz klar. Das ist auch im Sport so. Mit einzelnen Spielern gewinnst du einzelne Spiele, im Team gewinnst du schlussendlich Meisterschaften. Das ist das Entscheidende.” Urs Meier
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REGULIERUNG ALS CHANCE BEGREIFEN Das Thema „Regulierung“ ist aktuell wieder im Rahmen der PSD2- Richtlinie in den Fokus gerückt. Auf dem Entscheiderforum haben wir die TeilnehmerInnen gefragt, wie sie die DSGVO, PSD2 und an- dere Regulierungen wahrnehmen und was sie generell von Regulie- rung halten. Ist sie immer nur ein Hemmnis oder kann sie auch inno- 8 vationstreibend sein? 9 E ines tut Regulierung jedenfalls nicht – polarisieren. Unter den Teil- nehmerInnen des Entscheiderforums ner Branche durch Regulierungen in Grenzen. Er findet es unerlässlich, dass versucht wird, die VerbraucherInnen herrschte Konsens darüber, dass Ver- zu schützen, und sieht Unternehmen braucherschutz, Datenschutz und Da- in der Pflicht, verantwortungsvoll mit tensicherheit sowie fairer Wettbewerb Kundendaten umzugehen. Als allzu essenziell sind. Regulierung sei not- großes Hemmnis nehme er Regulierun- wendig und wichtig – aber eben auch gen auch deswegen nicht wahr, weil eine enorme Herausforderung. Als ein „die regulatorischen Behörden ver- Hemmnis erweisen sich Regulierungen standen haben, dass es für bestimmte nur dann, wenn sie mehr Probleme als neue Geschäftsmodelle wichtig ist, Nutzen schaffen, und nur für diejeni- einen Kompromiss zu finden“. Valerio gen, die sie nicht mitgestalten. vertraut auf ein „vernünftiges und prag- matisches Miteinander von Industrie, Nach Einschätzung von Roberto Gesetzgebung und Politik.“ Valerio (Risk42) halten sich hierzu- lande die Beeinträchtigungen sei-
“Regulierung ist gerade in der Bankenwelt ein Muss, führt aber auch zu Schwierigkeiten - zum Beispiel in Bezug darauf, dass sich Gesetze immer wieder ändern.” Als Vertreterin der Bankenwelt hat dafür gesorgt, dass wir endlich Klarheit Mélanie Dufour (NIBC Bank) ein dahingehend haben, was erlaubt ist zwiegespaltenes Verhältnis zu Regu- und was nicht. In Deutschland haben lierung. So führe sie regelmäßig zu wir uns auch vorher schon an diese Schwierigkeiten, weil es für viele Un- Sachen gehalten. Wir haben aber jetzt ternehmen nicht leicht sei, mit den ein einheitliches Spielfeld, mit amerika- sich immer wieder ändernden Ge- nischen oder chinesischen Anbietern setzen Schritt zu halten. „Aber: Wir zum Beispiel, die jetzt der gleichen Roberto Valerio müssen auch den Sinn dieser Ge- Regulierung unterworfen sind.“ Auf setzgebungen verstehen“, sagt Dufour. PSD2 angesprochen, konstatiert Kipp: „Und wir müssen den Kontakt mit den „Wir haben bereits angefangen, uns Regulatoren suchen, um sicherzu- über PSD3 Gedanken zu machen und stellen, dass die Gesetze auch aus sind gerade dabei, in den Austausch der Perspektive der Wirtschaft zweck- mit dem Regulator zu gehen.“ Es gehe mäßig sind.“ Zudem sieht Dufour hinter darum, gemeinsam zu überlegen, jeder Herausforderung auch Chancen, welche Themen im Sinne einer weite- die insbesondere Unternehmen im ren europäischen Harmonisierung Mélanie Dufour Finanzen- und Technologiebereich vorangetrieben werden müssen. sehr gut für sich nutzen könnten. Nicolas Kipp (RatePay) sieht die Regulierungen der zurückliegenden Jahre ausgesprochen positiv: „Generell bin ich ein großer Fan von vielen der Gesetzesvorhaben, die wir gesehen haben. Die DSGVO beispielsweise hat Nicolas Kipp
DATENVERARBEITUNG MIT AUGENMASS Wenn es um das Verarbeiten von Kundendaten geht, kommt es schnell zu einem Konflikt zwischen gegenläufigen Interessen: Unternehmen wollen eine bestmögliche Customer Experience bieten und müssen dafür Daten erheben und speichern. Die VerbraucherInnen wiederum wollen sowohl maximale Convenience als auch möglichst wenig von 10 sich preisgeben. Wie lässt sich dieser Widerspruch auflösen? 11 I n einem Punkt herrscht über alle Branchen hinweg Einigkeit: Ver- braucherInnen und ihre schützens- Das sieht auch Jacob von Ingelheim (Klarna) so: „Die DSGVO ist schlagend, an die müssen wir uns alle halten. Deswe- werten Interessen müssen ernst ge- gen: Daten sind sicher. Bei uns und bei nommen werden und mit Daten muss allen anderen Marktteilnehmern. Dennoch ein vernünftiger Umgang gewährleistet steht für uns die Convenience für den sein. Dafür sind ein regulatorischer Rah- Endkunden im Fokus. Und dafür brauchen men und die richtige Gesetzgebung wir Daten. Damit alles ‘smoooth’ ist, wie ausschlaggebend. wir bei Klarna sagen, reduzieren wir die Gleichzeitig wünschen sich Kundinnen Datenpunkte. Die Kunden sollen so weni- und Kunden eine möglichst unkompli- ge Daten wie möglich eingeben müssen, zierte Bedienbarkeit von Webseiten und damit wir zu einer positiven Kaufentschei- Onlineshops, wollen beim zweiten und dung kommen. Das heißt: Je mehr Daten dritten Besuch wiedererkannt werden wir schon haben, desto einfacher ist es, und personalisierte Angebote unter- desto weniger ‚Friction‘ gibt es für den breitet bekommen. Convenience steht Kunden, und das führt hoffentlich dazu, hoch im Kurs. dass alle Teilnehmer zufrieden sind.“
Ähnlich äußert sich der Unternehmens- Dafür werden Daten benötigt. Die Daten, und Wirtschaftsberater Gunnar Seydler: die wir an unsere Kunden herausgeben, Für ihn ist nicht die Menge der Daten ermöglichen es ihnen, ihren eigenen entscheidend, sondern deren Qualität. Kunden zu vertrauen.“ Von der sogenannten 360-Grad-Sicht auf den Kunden hält Seydler daher Viel Zuversicht quer durch die verschie- wenig: „Ich werde immer nur einen denen Branchen gibt es im Hinblick auf Teilbereich des Kunden betrachten. verbesserte und neue Technologien Und auch dann bleibt die Frage: Ist das sowie Harmonisierungsbestrebungen sinnvoll? Oder sammle ich hier nur tote seitens der Gesetzgebung. Die Öffnung Daten? Nicht Daten allein sind ent- der API, beispielsweise, werde eine ent- scheidend, sondern ihre Qualität sprechend höhere Flexibilität bringen, und dazu die Qualität meines Filters: die wiederum eine höchst attraktive Sammle ich tote Daten, die einfach Customer Experience bietet, wie heute Jacob von Ingelheim nur ‚Geräusch‘ sind, oder habe ich ein schon bei Authentifizierungs- und Au- zielführendes Signal? Von letzterem torisierungsprozessen. will ich möglichst viel, von ersterem möglichst wenig, und beides muss gut Ein weiteres Thema in diesem Zusam- zu filtern sein.“ menhang, das als große Herausfor- derung, aber auch als klare Chance Steven Renwick (Regis24), hält etwas gewertet wird, ist die automatisierte weniger Convenience zugunsten von Steuerung von Daten. Sandra Szech Steven Renwick Sicherheit und Datenschutz für ange- (HFG/LZI) beobachtet, dass es insbe- messen. Es gehe immer um Vertrauen: sondere für etablierte Unternehmen Unternehmen müssten darauf vertrauen keine einfache Aufgabe ist, sich an die können, dass eine Käuferperson auch datengetriebene Economy anzupas- diejenige ist, als die sie sich ausgibt. sen: „Datenhoheit, Datensteuerung, Auf der anderen Seite müssten Ser- automatisierte Datenverarbeitung – das vice-Provider eine Menge tun, um sind gewaltige Herausforderungen für vertrauenswürdiger zu werden und Dienstleister, die in den Neunzigern sicherzustellen, dass die Kundschaft oder früher gestartet sind. Um diese Sandra Szech sich auf sie verlassen kann. Hier sieht Transformation zu gestalten und das Renwick auch Auskunfteien klar in der Geschäftsmodell entsprechend zu Verantwortung: „Es geht darum, den modernisieren, braucht es eben gute Kunden zu kennen und zu verstehen. Partner.“
„DAS THEMA ‚KONTAKT‘ IST
DIE GRÖSSTE HÜRDE.“ 12 13 v.r.n.l. Sebastian Ludwig, Geschäftsführer coeo Inkasso GmbH; Stephan Stricker, CEO PAIR Finance GmbH; Dr. Marcus Siegl, Managing Director Deutsche Multiauskunftei; Urs Bader, CEO Regis24 GmbH
"Wie die Inkasso-Branche sich neu erfindet” - unter diesem Aufhänger kasso), Stephan Stricker (PAIR Finance), Dr. Marcus Siegl (Lowell) und gen sowie mögliche Weiterentwicklungen in der Inkasso-Branche. Macht die individuelle Ansprache im Forderungsmanagement Sinn? sonen. Genau daran scheitert leider die „Eine individuelle Ansprache ist in individuelle Ansprache über spezifische Summe richtig und wichtig, um gute Kanäle – und meist überhaupt die Kon- Lösungen zu finden und Eskalation zu taktaufnahme!“ vermeiden. Die Tonalität, der richtige Zeitpunkt, altersspezifische Kanäle, psychologische Aspekte – all diese „Ja, das Thema ‚Kontakt‘ ist die absolut 14 Variablen in der individuellen Ansprache größte Hürde.“ 15 setzen voraus, dass grundsätzlich eine Zahlungsfähigkeit und -willigkeit besteht.“ „Die wenigsten Daten, die uns zur Verfügung stehen, sind kommunika- tionsrelevante Daten. Wir reden über KI „Es gibt bei der Ansprache und den und Machine Learning: Mit deren Hilfe Kommunikationskanälen noch viel kann nicht nur die Kommunikation mit Spielraum zum Experimentieren. In der Kunden gesteuert werden, sondern Regel geht es um analytische Fragestel- auch der eigene Prozess, zum Beispiel lungen, beispielsweise die ‚best time in Hinsicht auf die Entscheidungsfin- to call‘ und so weiter. Solche Analysen dung bezüglich wirtschaftlicher und erfordern Daten. Von denen sind auch unwirtschaftlicher Fälle und der ent- viele vorhanden, wir stehen aber noch sprechenden Bearbeitung. Dafür und ganz am Anfang, dieses Datenpoten- für neue Technologien, Algorithmen, tial auch zu nutzen. Gleichzeitig fehlen Machine Learning und auch für alles, uns relevante Daten, beispielsweise was die Regulierungen mit sich bringen, Mobilfunkdaten sowie Daten zur sind strukturierte und einsetzbare einwandfreien Identifikation von Per- Daten essenziell.“
diskutierten in einem spannenden Panel Sebastian Ludwig (coeo In- Urs Bader (Regis24) über aktuelle und langfristige Herausforderun- Sinn, weil es eine unnötige Vorverurtei- Wie kann das sein, dass so viele lung darstellt. Konkret heißt das für uns Daten fehlen? zweierlei: Zum einen bedarf es natür- lich einer gewissen Härte im Rahmen gerichtlicher Maßnahmen, denn ein nicht unwesentlicher Teil der Konsu- menten nutzt das System zu Lasten „In der Energiebranche, beispielsweise, der Gesellschaft aus. Deshalb suchen ist immer noch das Geburtsdatum ein wir nach Wegen, durch intensiveren Pflichtfeld anstatt der Telefonnummer Austausch die eigentlichen Ursachen oder einer E-Mailadresse.“ herauszufinden und lösungsorientier- ter zu arbeiten. Darüber hinaus wollen wir weg von der Stigmatisierung in „Die Telefonnummer ist ganz selten ein der Kommunikation und streben einen Pflichtfeld, in weniger als 20 Prozent Begriffswechsel an von ‘Schuldner‘ zu der Onlineshops.“ ‘Konsument‘.“ Brauchen säumige Kunden eine „härtere Gangart“? „Das Umdenken in der Kommunikation ist für uns ein essenzielles Thema. Der ‚Mensch‘ steht im Mittelpunkt und muss auch als solcher angesprochen und behandelt werden, nicht nur im „Hier muss differenziert werden. Das Inkasso, sondern auch in den Vorpro- Spektrum im Forderungsmanagement zessen. Kein erfolgreiches Inkassoun- ist breit: von Zahlungswilligkeit über ternehmen heute kann die Zukunft wiederkehrende strukturelle Probleme erfolgreich gestalten, wenn das nicht bis hin zu betrügerischen Absichten. verstanden wird.“ Der Begriff ‘Schuldner‘ wirft all diese Segmente in einen Topf, und das wie- derum macht in der Ansprache keinen
Kann sich Inkasso weiterentwickeln von einer Institution mit beitreibender zu einer mit beratender und helfender Funktion? ten Austausch zu kommen, sodass „Wichtig ist es, die Sicht des Kunden Gesprächsangebote und Hilfestellungen einzunehmen. Inkasso kann zum einen angenommen werden.“ ex ante helfen, Schuldenspiralen zu vermeiden und zum anderen in der Schuldensituation zusätzliche Lö- 16 sungswege anbieten, wie zum Beispiel Wenn Sie 15 Jahre in die Zu- Ratenzahlungsvereinbarungen oder kunft springen und mal gucken, 17 Zahlungspausen. Die Branche sollte kreativ sein, um mehr Lösungswege wie man Inkasso dann macht, anzubieten.“ wie sieht das dann aus? „Mehr Beratung, mehr Hilfestellung ist völlig richtig! Durchaus sinnvoll und bei uns bereits in der praktischen Anwen- “15 Jahre! Die Prognose für die nächs- dung ist es beispielsweise, Anreize für ten drei Jahre ist ja schon schwierig. die Schuldenbegleichung zu schaffen. Auf jeden Fall werden innerhalb der Davor muss aber eine nicht zu unter- nächsten fünf Jahre Daten deutlich in- schätzende Hürde genommen werden: tensiver genutzt werden, da stehen wir Zu erkennen, mit wem man es ‚am an- noch ganz am Anfang: Daten werden deren Ende‘ zu tun hat, ist auf dem brei- eine bessere Analyse-Basis für eine ten Spektrum, das ich schon erwähnte, optimierte Konsumentensegmentierung enorm schwer. Und es muss erst ein- sein. Es wird einen Wechsel geben mal das nötige Vertrauen aufgebaut von einer rein statistischen zu einer werden, um in den lösungsorientier- kausalanalytischen Datenauswertung.
“Daten ermöglichen viel Gutes, aber auch viel Grenz- wertiges – Technologie begreife ich hier als Enabler, die Finanzindustrie effizienter zu gestalten. Die richtige Gesetzgebung, die die Interessen der Verbraucher schützt, ist dabei wesentlich.” Mehr Ursachenforschung bringt mehr lassen: Der Schuldner wird seine Schuld Antworten auf die Frage ‚Warum ist bezahlen müssen. Für mich bleibt bei eine Person in der Situation, in der sie allem wesentlich, dass auch im Inkasso gerade ist?‘ und ermöglicht dadurch der Faktor ‚Mensch‘ essentiell ist.“ eine kausale Ansprache und Lösungs- findung. Und ganz wichtig: Das nega- tive Inkasso-Image muss sich in eine „Wir werden in fünf Jahren viel tech- positive Richtung verändern. Wün- nologischer agieren. Daten, die heute schenswert wäre die Wahrnehmung noch wichtig sind, werden nicht mehr von Inkasso als makro-ökonomisch so eine Relevanz haben und von neuen sinnvolle Dienstleistung. Dafür muss Daten ersetzt werden, zum Beispiel sich der Dienstleister ändern, aber von Verhaltensdaten. E-Mailadressen auch die öffentliche Wahrnehmung.“ werden als ‚unique identifier‘ an Bedeu- tung gewinnen sowie auch die Daten- punkte um die E-Mailadresse herum. „Für mich stellt sich eher die Frage, was in fünf Jahren überhaupt noch Technologie wird letztendlich dafür sor- da sein wird, nicht, was sich bis dahin gen, dass die Inkasso-Industrie effizien- verändert. Zweifellos werden all die be- ter, digitaler und kundenorientierter sprochenen technologischen Themen wird.“ dafür sorgen, dass wir effizienter und kundenorientierter sein werden, und die Beitreibung im Sinne des Kunden wird stärker ansteigen. Wir sollten aber auch Faktoren, die in der Inkasso-Industrie stabil bleiben werden, nicht außer Acht
„DENKEN SIE GROSS” DIE ZUKUNFT DER DATENHALTUNG Kann ein zentral verwalteter, transparenter und ökonomischer Um- gang mit Daten echten Mehrwert für VerbraucherInnen schaffen? Hendrik Nehnes, Chief Technology Officer bei Regis24, ist davon überzeugt. Im Interview erläutert er, warum. 18 Im Moment speichert jedes Unterneh- Hier liegen alle Informationen zu einer men seine eigenen Daten. Welchen Person vor, die ihre digitale Identität 19 Anreiz hätte es für VerbraucherInnen, bilden, und auf die sie umfassenden ihre Daten bei einem zentralen Anbieter Zugriff hat. zu speichern? Wir könnten so Vieles besser machen, Viele Unternehmen, die auf ihren Daten wenn wir die ganzen Daten, die es gibt, sitzen, denken, ihr Wissen ist Macht. anonymisiert für zum Beispiel Data Sci- Selbst in der Medizin. Aber man könnte ence nutzen würden. Und wenn ich „wir“ wirklich Vieles verändern, wenn die sage, meine ich damit nicht nur ein oder Daten zentral verwaltet würden. Euro- zwei Firmen, sondern die Allgemeinheit. paweit. Das ist wie mit Umweltschutz: Dafür müssten die Gesetze vermutlich Wenn du nur hier in Deutschland aktiv sinnvoll erweitert und transparente wirst, bringt das nichts. Meines Erach- und glaubhafte Kontrollmechanismen tens ist das mit der digitalen Identi- umgesetzt werden. tät ganz genauso. Das muss größer gedacht werden. Der Schlüssel ist aus Für mich steht der gesellschaftliche meiner Sicht die Zusammenführung von Mehrwert im Vordergrund. vielen verschiedenen, separat verwen- deten Datenquellen zu einer einzigen:
WIEVIELE DATEN WERDEN PRO MINUTE ERZEUGT? 1.000.000 18.100.000 4.500.000 Facebook Logins Textnachrichten Youtube Videos Quelle: DOMO, visualcapitalist 4.497.420 277.777 511.200 Suchanfragen Instagram Stories Tweets 390.030 231.840 1.389 App-Dowloads Skype Anrufe Reservierungen Was verstehst du unter transparenter bestimme Handlung haben kann: Wenn Datenhaltung? du beispielsweise deine Daten löschen möchtest, kann das zur Folge haben, Transparenz spielt aus meiner Sicht dass dein Kauf auf Rechnung in einem auf zwei Ebenen eine wesentliche Onlineshop nicht möglich ist. Solche Rolle. Die eine ist die, auf der du als Informationen helfen VerbraucherInnen, VerbraucherIn Datenhoheit über alles für sie sinnvolle Entscheidungen zu hast, was du preisgibst. Das heißt, du treffen. kannst deine Daten und damit verknüpf- te Verläufe jederzeit einsehen, und du In den letzten Jahren ist der Diebstahl kannst auf deine Daten zugreifen und von digitalen Identitäten zu einem immer entscheiden, ob du sie beispielsweise größer werdenden Problem geworden löschen möchtest. Transparenz geht – mit negativen Folgen sowohl für Ver- für mich aber schon vorher los, nämlich braucherInnen als auch für Unterneh- bei einer angemessenen, kundenorien- men. Wirkt dein Ansatz dem entgegen? tierten Aufklärung jenseits der rechtlich verpflichtenden AGB. Das heißt, dir wird Mir geht es darum, VerbraucherInnen sichtbar und leicht verständlich erklärt, auf einfachem Wege Mittel zur Verfü- was an welcher Stelle mit deinen Daten gung zu stellen, am Wirtschaftsleben passiert und welche Auswirkungen eine weiterhin teilnehmen zu können, sodass
er oder sie beispielsweise nicht von Umfassend transparent zu sein – ich einem Onlineshop ausgeschlossen glaube, das ist der Schritt in die Zukunft. werden kann, weil die digitale Identität gestohlen worden ist oder weil auf Welche positiven Effekte siehst du Grundlage nicht gut nachvollziehbarer noch? Scores vermeintlich keine Kreditwürdig- keit besteht. Ein Shop möchte, wenn er Das würde ich gerne am Beispiel etwas verkauft, wissen, ob die Person in Spam erläutern: Ich kriege zur- der Lage ist, zu zahlen. Auf Grundlage zeit selbst enorm viel Spam. Ich echter und relevanter Daten könnte für lösche diese Mails manuell und wenn einen konkreten Fall im Moment des ich Glück habe, hört das in zwei, drei Kaufs gesagt werden, „ja“ oder „nein“. Monaten wieder auf. Aber viel ele- Und wenn dafür nicht ausreichend ganter wäre doch, wenn ich mithilfe Daten vorhanden sind, kann die Person von durch Hashes verschlüsselten beispielsweise per PSD2 Zugriff auf ihr E-Mailadressen, die wie all meine Konto gewähren, und entsprechende anderen Daten an einem Ort verwaltet Algorithmen ermitteln dann die relevan- würden, in der Lage wäre, auszuwählen: 20 ten Werte – natürlich ohne Details zu Diesen Newsletter möchte ich weiter 21 einzelnen Transaktionen zu speichern. beziehen, jene Mail ist Spam, und Mails So kann die Aussage über die Zuverläs- mit dem Inhalt XY möchte ich nicht sigkeit dieser Person wieder angepasst mehr bekommen. Im Endeffekt kann ich werden. bestimmen, was ich bekommen möchte Das alles ist natürlich nur auf der Grund- und was nicht, das heißt, ich möchte lage von Vertrauen möglich. Und Ver- nicht belästigt werden, sondern einen trauen wiederum kann nur hergestellt Mehrwert haben. Vielleicht möchte ich werden, wenn relevante Sachverhalte an Weihnachten eine konkrete, auf mich transparent dargestellt werden. Meines zugeschnittene Liste mit Geschenk- Erachtens ist die zentrale Frage: Wer vorschlägen für meine Freunde und hat die Hoheit über die eigenen Daten? Familie bekommen, und mir keine Ich bin der festen Überzeugung, dass, Gedanken darüber machen müssen. wenn die Leute entscheiden dürften, Oder ich möchte genau das nicht. Das welche Daten aufbewahrt werden sollen will ich aber jederzeit selbst bestimmen und welche nicht, und wenn erklärt wird, können. Insgesamt hätte so ein Kon- was mit den Daten gemacht wird und strukt einen großen Mehrwert für jede warum, sie ihre Daten an diesem einen einzelne Person, unabhängig davon, wo zentralen Ort auch speichern würden. dieses Konstrukt liegt.
KONFERENZEN IM DIGITALEN ZEITALTER? DAFÜR GIBT’S DOCH ‘NE APP! 22 23 K onferenzen, Tagungen, Meetups und andere Live-Formate sind beliebt wie nie. Wie kommt das? Wieso Wir haben unsere Konferenzteilnehmer- Innen gefragt: Was macht den analogen Kontakt von Mensch zu Mensch auch in haben wir nicht längst unsere gesamte Zeiten von Skype, Webex, Facetime und Kommunikation ins Netz verlagert? Slack so wertvoll? Die Zahl der digitalen Kanäle wird im- mer größer, die Technik ausgefeilter, Die Antworten summieren sich zu die Auswahl an Tools immer breiter einem eindrucksvollen Plädoyer für und das WLAN ausfallsicherer und persönliche und vertrauensvolle Be- schneller. Dennoch nehmen vielbe- ziehungen als Basis für wirtschaft- schäftigte Businessleute häufige und lichen Erfolg. Und sie geben Anlass weite Reisen in Kauf, um Events wie zur begründeten Hoffnung auf ein Wie- dem Regis24-Entscheiderforum höchst- dersehen beim Entscheiderforum 2020. persönlich beizuwohnen.
Gunnar Seydler Jacob von Ingelheim „Ich weiß nicht, ob die Anwesenden „Es ist eine andere Art von Aus- das alles auch über Slack machen tausch, wenn man sich persönlich würden. Die Tools kommen und trifft, im Gegensatz zu Slack oder gehen immer schneller, die Moden Hangout oder was auch immer. Ich werden kürzer. Also sich auf ein Tool glaube, dass wir am Ende des Tages zu beschränken, halte ich für gefähr- schon noch alle irgendwie Menschen lich.“ sind und Interaktion wichtig ist.“ Steven Renwick Christian Lücke „Ich bin ein großer Fan von Online- „Wir nutzen auch Videotelefonie und Meetings und Videokonferenzen. Chat-Software, aber sich persönlich Aber die Gelegenheit, jemandem zu treffen, sich bei einem Bierchen die Hand geben und in die Augen oder Kaffee auszutauschen und schauen zu können, macht einen Trends zu besprechen, ist wichtiger. riesigen Unterschied, wenn es darum Die Atmosphäre, die Regis24 hier geht, eine vertrauensvolle Beziehung geschaffen hat, ist das Spannende aufzubauen. Und das ist es ja, was und der Grund dafür, warum die Wirtschaft im Kern ist: ein Geflecht Leute herkommen.“ vertrauensvoller Beziehungen zwi- schen Partnern.“
Roberto Valerio Sandra Szech „Ich glaube nach wie vor, dass „Naja, am Ende sind Dienstleistun- der persönliche Austausch in der gen für Menschen. Und Menschen Branche wichtig ist. Ich glaube müssen diese Dienstleistung kaufen, auch, dass man nicht alles über und es ist wichtig, dass Menschen Video-Conferencing lösen kann. miteinander reden, sich austauschen Der direkte Austausch der Akteure und netzwerken. Das wirkliche, wahre ist extrem wichtig: Man lernt jedes Leben, das Einander-Sehen und -Er- Mal dazu, man lernt jedes Mal neue leben, haben eben immer noch etwas Personen kennen. Ich würde mich für sich. Da sind solche Events wie ja nicht mit fünf oder mit zehn völlig heute deutlich wertvoll.“ fremden Personen per Video-Tele- fonie verabreden. Das Entscheider- 24 forum hat wirklich einen sehr guten Mix an Leuten zusammengebracht.“ 25 Mélanie Dufour „Ich glaube, man kann Kommunika- tion zum Teil digitalisieren, aber der menschliche Kontakt kann nie ganz durch Technologie ersetzt werden. Nicolas Kipp Denn Vertrauen ist das, worauf un- sere ganze Industrie, die Finanzin- „Menschliche Beziehungen haben dustrie, basiert. Wenn wir ausschlies- immer noch Bedeutung und werden slich über Skype kommunizieren und sie auch immer haben. Klar: Die kein Verhandlungsgespräch Face-to- Inhalte kann man auch effizienter face führen würden, könnte diese digital austauschen – die persönli- Vertrauensbeziehung einfach nicht che Note geht dabei aber verloren.“ entstehen.“
EIN HERZ FÜR DATENKRAKEN Alle Bilder: Regis24, Aurica Voss, unsplash, freepik
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