Hufschmied in Piber 61. Jahrgang - Alpenländischer Kulturverband Südmark
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Hufschmied in Piber Heft 4 61. Jahrgang 2014
Inhalt Lot und Waage 61/4 (2014) 1914 – Entscheidung für den Krieg.............................................................................1 Die Steiermark im Ersten Weltkrieg ............................................................................9 Weltkriegs-Gedenken im Banater Bergland und in der Untersteiermark..................11 Volksgruppen-Symposium in Wien – 60 Jahre VLÖ................................................13 Banater und Untersteirer beim Aufsteirern................................................................16 24. Deutsche Kulturdekade im Banater Bergland .....................................................18 Der Klapotetz von Reschitz .......................................................................................24 Gedenkfeier in Tüchern .............................................................................................26 Aus der Untersteiermark............................................................................................28 Herbstfahrt auf den Spuren der phantastischen Realisten .........................................30 Spontane Grenzlandwanderung .................................................................................34 Brahms-Abend: „Wach auf, mein’ Herzensschöne“..................................................36 Anna Aldrian – Trägerin des Dombrowski-Preises 2014 (Literatur) ........................38 Ausschreibung des Dombrowski-Preises 2015 (Musik)............................................39 Willibald Völsing †....................................................................................................40 Umschau ....................................................................................................................40 Buchvorstellungen .....................................................................................................41 Unsere nächsten Veranstaltungen ..............................................................................49 Zum Titelbild: Im Gestüt Piber werden die Pferde von einem gestütseigenen Huf- schmied beschlagen. Siehe Bericht über die Herbstfahrt 2014 des AKVS auf Seite 30. Die Meinung der Autoren unserer Beiträge muß sich nicht unbedingt mit jener der Schriftleitung decken; sie kann Anregung zur Diskussion und Spiegel der Meinungsvielfalt – auch innerhalb unseres Verbandes – sein. Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Alpenländischer Kulturverband Südmark, ZVR 031834376. Schriftleitung: Dr. Reinhold Reimann Alle: A-8010 Graz, Joanneumring 11/1, Tel. ++43 / (0)316 / 82 53 18, Fax ++43 / (0)316 / 82 53 13, Netz: akvs@kulturverband.at; www.suedmark.at/AKVS. Bankverbindung: Steiermärkische Bank- und Sparkassen-AG, BLZ 20815, Girokonto 0000-065086, IBAN AT132081500000065086, BIC STSPAT2G Hersteller: Alexander Bauer Druck und Grafik, 8020 Graz, Annenstraße 19. Erscheinungsort Graz, Verlagspostamt 8010 Graz. P. b. b. Postnr. GZ 02Z033165 M
Heft 4 61. Jahrgang 2014 1914: Entscheidung für den Krieg Die Rolle des Generalstabschefs Conrad von Hötzendorf Von Lothar Höbelt Bei unserem heurigen Kul- die Russen gegen die Japaner ... turverbandstag (11. Juni 2014) Krieg zu führen ist zu dieser Zeit hielt der bekannte Wiener Histo- nichts Schuldhaftes. Insofern ist riker Univ.-Prof. Dr. Lothar es also ziemlich anachronistisch, Höbelt die Festrede – frei und den Begriff Schuld in die De- temperamentvoll, wie man es batte zu werfen. von ihm gewohnt ist. Hier finden Dieser Krieg hat sich freilich unsere Leser eine für den Druck ganz anders entwickelt als alle eingerichtete Fassung. anderen zuvor – er hat sehr viel Die Mißverständnisse im Fall Conrad länger gedauert, sehr viel mehr Opfer ge- beginnen schon beim Namen: Freund und fordert. Zum ersten Mal sind wirklich wäh- Feind meinen, er heiße mit Vornamen rend der Kämpfe sehr viel mehr Leute ge- Conrad. Nein – es ist wie bei Schiller: storben als an Krankheiten; vorher mußte Franz heißt die Kanaille! Aber ob nun man schon sehr viel Pech haben, um von Kanaille oder nicht – Hötzendorf ist nur das einer feindlichen Kugel getroffen zu wer- Prädikat, der Familienname war Conrad. den, die Menschen sind viel eher an Ty- Die Conrads waren eine südmährische phus, Cholera oder Tuberkulose zugrunde Familie, Verwalter adeliger Güter, eine gegangen; außerdem zog der Krieg auch Offiziersfamilie, die bald nach Wien kam. das Hinterland, die „Heimatfront“, massiv Die Debatten, die da jetzt angestoßen in Mitleidenschaft: Die ganze Gesellschaft wurden um die Frage, ob Conrad ein wurde auf den Kopf gestellt, der Mittel- Kriegstreiber war, ob er sozusagen am stand verlor seine Ersparnisse usf. Ersten Weltkrieg schuld war, sind an sich Deshalb ändert sich nach diesem Krieg schon ein Anachronismus, denn Krieg zu auch die Einstellung zum Krieg. Der Krieg führen galt bis zum Ersten Weltkrieg über- an sich als Mittel der Politik wird geächtet. haupt nicht als etwas Schuldhaftes, im Was freilich nicht sehr viel geholfen hat – Gegenteil, es war etwas sehr Ehrenhaftes, heute erklärt man den Krieg eben nicht und absolut Selbstverständliches. Alle führten führt ihn trotzdem. Krieg – Cosi fan tutte! – die Serben gegen Ein Vierteljahrhundert hatte Kaiser die Bulgaren, die Briten gegen die Buren, Franz Joseph gemeinsam mit seinem
2 Lot und Waage 61/4 (2014) Generalstabschef regiert, dem Freiherrn gebracht. Das verleitet den Historiker na- von Beck-Rzikowsky, einem Breisgauer, türlich zu der Frage: Wenn er ohnehin also einem aus dem „außerösterreichischen weiß, daß der Kaiser nein sagt – wieso Deutschland“ Zugewanderten; Beck galt kommt er ihm dann damit alle fünf Nasen als eine Art Vize-Kaiser – kein idealer lang? Und daraus ergibt sich die Frage: Stratege, aber ein idealer Vorzimmer- Was will eine Armee? Nun, sie will, wie mensch für den Kaiser. Er ging 1906 – jede andere Bürokratie: Geld. Das heißt, quasi gestoßen vom Thronfolger Franz Conrad hatte immer den Schlußsatz: „Nun Ferdinand – in Pension. – wenn wir keinen Präventivkrieg wollen, dann müssen wir in Fragen der Rüstung Auf ihn folgt mit Conrad von Hötzen- einen entscheidenden Schritt vorwärts ma- dorf ein energischer, relativ junger Mann. chen. Das heißt: Wir brauchen mehr Er gerät zum Kaiser von Anfang an in ein Geld.“ Diese ständigen Rufe nach Prä- gewisses Spannungsverhältnis. Conrad hat ventivkrieg waren also nicht zuletzt eine die Lage so eingeschätzt (und er hatte da- Geldbeschaffungsmasche. Darüber muß mit nicht unrecht): Wenn wir wie die man sich im Klaren sein – Conrad mußte ja Engländer wären, nämlich eine Insel, hät- wissen, daß der Kaiser nicht ja sagen wird. ten wir unsere Ruhe – und kein Problem. Österreich hat jedoch das Pech, lange, Es ist völlig absurd zu meinen, Conrad trockene Grenzen zu haben. Und hinter hätte mit seiner Forderung nach einem jeder Grenze lauert ein potentieller Feind. Präventivkrieg den Ersten Weltkrieg ausge- Gerade, daß wir uns mit den Preußen ver- löst, denn der Kaiser hat ihm dies immer stehen …, aber die Russen, die Rumänen, verwehrt. Ein Indiz, das erkennen läßt, daß die Serben, die Montenegriner, wenn es Conrad 1914 sehr wenig mit der Entschei- hart kommt auch die Italiener als unsichere dung zum Krieg zu tun gehabt hat: Bei Kantonisten – also: rundherum Feinde. einer Sitzung des Ministerrates, zu der er Wenn die alle über uns herfallen, dann ha- zugezogen wurde und bei der man beriet, ben wir keine Chance. Also wäre es viel- ob man Krieg führen solle, fragte ihn der leicht geschickter, einen Präventivkrieg zu Politiker, der den Krieg als einziger wirk- führen gegen den einen oder anderen dieser lich verhindern hätte können, nämlich der potentiellen Gegner. Wobei er gern noch ungarische Ministerpräsident Tisza, der so hinzufügte: Es gibt keine Präventivkriege, etwas wie ein Bismarck der Ungarn war es gibt nur erfolgreiche oder erfolglose und gleich nach Kaiser Franz Joseph die Kriege – erfolglose immer dann, wenn man entscheidende Rolle spielte: „Also, was dem Gegner die Wahl des Zeitpunkts über- meinen Sie – werden die Dinge für uns in läßt. Zukunft schlimmer werden?“ Conrad ant- wortete: „Eher ja.“ Worauf Tisza sagte: Wann immer Conrad Derartiges forder- „,Eher‘ ist keine Antwort. Das gilt nicht.“ te, holte er sich beim alten Kaiser eine Abfuhr. Mit der Idee eines Präventivkrie- Conrad hat keine Rolle gespielt für den ges ist Conrad also gescheitert. Er hat diese Kriegsausbruch, obwohl er immer für den Pläne dennoch jedes Jahr beim Kaiser vor- Krieg war. Zwar – 1914 vielleicht schon
Lot und Waage 61/4 (2014) 3 nicht mehr. Das ist wiederum eine quellen- Conrad als Taktiker war ein Infanterist, kritische Frage, bei der man unterschied- der immer für die Gebirgstruppe eingetre- licher Meinung sein kann. Nachdem sich ten ist – die Bedeutung der Artillerie für dieser Krieg nämlich nicht so entwickelt den Krieg hat er vielleicht zu spät erkannt. hatte, wie man gehofft hatte – nachdem die Aber das gilt für alle anderen auch; allein ersten Niederlagen gekommen waren, die preußisch-deutsche Armee war da ein nachdem auch sein eigener Sohn gefallen bißchen weitsichtiger – sie hatte auch das war, mit dem er zwar Schwierigkeiten nötige industrielle Hinterland, um diese hatte, weil der mit Oberst Redl gut bekannt Idee mit Leben zu erfüllen. Man kann über war –, wurde er im Vorzimmer des Kaisers Conrad daher sehr wohl sagen, er habe das von einem Kollegen gefragt: „Na, warum eine oder andere falsch gesehen – aber am sind Sie denn nicht gleich gegen den Krieg Krieg selbst war er nicht schuld. Er hat ihn aufgetreten?“ Er gab zur Antwort: „Na, zwar immer gefordert, aber dem wurde nie das konnte ich doch nicht machen als stattgegeben. Soldat – das wäre mir ja als Feigheit vor Deshalb lohnt ein Blick darauf, warum dem Feind ausgelegt worden.“ der Kaiser und seine Umgebung dann 1914 für den Krieg optieren, ohne daß Conrad Am Kriegsausbruch 1914 ist Conrad dabei eine tragende Rolle spielt. Be- relativ unschuldig. Etwas anderes ist da kanntlich ist der Balkan zwischen 1912 und schon die Frage der eingeschlagenen Tak- 1913 in zwei Balkankriegen völlig umge- tik: Alle Militärs in Europa waren damals stülpt worden. Und die Österreicher haben überzeugt, in einem Krieg müsse man an- das gemacht, was Großmächte in solchen greifen, denn der Angreifer hat den Elan Fällen immer tun: Sie haben Ultimaten und die Moral für sich und wird dann am gestellt; und um diesen Ultimaten Nach- ehesten gewinnen. Und das hat sich 1914 druck zu verleihen, sind sie an den Grenzen als Trugschluß herausgestellt. Ein russi- aufmarschiert. Es gab aber in Österreich scher Offizier, den die Österreicher gefan- keine Marines, die man einfach so schicken gen hatten, hat ihnen das zweifelhafte hätte können, und es gab keine Fremden- Kompliment gemacht: „Tja, wissen Sie – legion, sondern man mußte, wenn man auf- so wie Sie haben nicht einmal die Japaner marschieren wollte, eines tun: Mobilisie- angegriffen…“ – womit er meinte: so ver- ren! Das heißt: Man hat Zigtausende Leute rückt. Diese selbstmörderische Tapferkeit von ihren Zivilberufen und von ihren Fa- der Österreicher in den ersten Kriegsmo- milien weggeholt, sie eingekleidet, licht- naten hat dazu geführt, daß wir die größten blau inzwischen, und hat sie nach Bosnien Verluste, die wir je hatten, im November geschickt. Und kaum waren die dort ange- 1914 verzeichnet haben; 1918, als zehnmal kommen, haben die Serben gesagt: „Ach, so viele Maschinengewehre im Einsatz wa- der G’scheitere gibt nach.“ Dann sind alle ren, gab es die geringsten Verluste – weil wieder zurückmarschiert, und das hat sich die Leute inzwischen gelernt hatten, in in den Jahren 1912 und 1913 dreimal so Deckung zu gehen. Am Anfang taten sie abgespielt. Ein deutschnationaler Abgeord- das nicht … neter sagte damals: „Das ist eine schöne
4 Lot und Waage 61/4 (2014) Blamage – eine halbe Milliarde an Zu- Berchtold und der Kaiser waren Ende schauerkosten! Um das Geld hätten wir 1913 übereingekommen: So etwas passiert uns die Prügel auch selber holen können.“ uns nicht noch einmal – daß wir da aufmar- schieren, in Wahrheit nichts gewinnen und Damals haben sich die Politiker um die dabei bankrott gehen. Und das heißt: Bei finanzielle Solidität noch gekümmert. Sie der nächsten Krise machen wir entweder haben gesagt: So kann es nicht weitergehen gar nichts – oder wir machen Krieg. Auch – wir werden ja schon im Frieden bankrott, der Kaiser sagte: Eine nächste Mobilma- wenn wir ständig diese ergebnislosen Mo- chung ohne Krieg darf es nicht geben. Die bilmachungen durchführen. Wir erringen Armee hält das nicht noch einmal durch, diplomatische Pyrrhussiege – die Serben von der Moral her – und die Finanzen auch geben dann zwar vielleicht ein kleines nicht. Stück Albanien auf –, aber davon haben wir nichts. Die Entwicklung läuft gegen uns, und wir haben nur noch die Spesen zu Denn wenn ein Staat für eine Interven- übernehmen. Die letzte dieser Krisen gab tion in Serbien Geld braucht, muß er es am es 1913, als es wieder einmal um ein Stück Markt zu hohen Zinsen aufnehmen. Die Albanien ging. Franzosen werden uns gewiß nicht aus Lie- be etwas borgen, die Deutschen brauchen Dankbarkeit ist keine politische Kate- ihr Geld selbst, und bei uns selbst ist nicht gorie, hat Kreisky einmal gesagt – aber viel da. Und dann kommt der ungarische wenn sie das wäre, müßte in Tirana ein rie- Finanzminister in den Ministerrat und sagt: siges Denkmal für den Grafen Leopold „Ein Balkanfeldzug würde unsere Geldver- Berchtold stehen, den österreichisch-unga- hältnisse in gröbere Schwierigkeiten brin- rischen Außenminister, der auf der Grün- gen. Eine Generalmobilmachung aber und dung eines unabhängigen Albanien be- ein großer Krieg, das wäre einfach. Denn stand. Berchtold war – gestatten Sie diesen dann setzen wir einfach die Bankakte außer Exkurs – ein herrlich nonchalanter Grand- Kraft und beginnen, Geld zu drucken, und seigneur, überhaupt nicht nationalistisch … dann wird der Krieg über die Inflation Immer, wenn es um Deutsch versus Tsche- finanziert.“ Das heißt, es kommt hier – chisch ging, hat er gesagt: „Da erklär ich nicht bei Conrad, der hat sich mit den Fi- mich neutral.“ Sein Trumpf war: Er war nanzen nicht beschäftigt – dieses seltsame der einzige, der mit Kaiser und Thronfolger Syndrom bei den Zivilisten auf, die aus reden konnte. Die Apotheose seiner Unvor- einem gewissen Verantwortungsgefühl für eingenommenheit finden wir wohl 1939, als die Finanzen heraus sagen: Ein Krieg ist man ihm mitteilte, eine Beflaggung seines vielleicht leichter zu machen als diese stän- Schlosses am 20. April würde „oben“ gut digen Interventionen, denn den Krieg zah- ankommen. Nichts leichter als das, meinte len wir dann nicht mehr aus einer Porto- er – und hißte zum gegebenen Zeitpunkt die kassa, die wir nicht haben, sondern den deutsche Fahne, zusammen mit der tsche- finanzieren wir durch die Inflation, wie es chischen und der ungarischen. Soll niemand im Ersten Weltkrieg dann auch alle ge- sagen, er habe nicht beflaggt … macht haben.
Lot und Waage 61/4 (2014) 5 Jedenfalls ist völlig klar: Die Zivilisten daß er die Giftkapsel, die er mit hat, nicht sind es, die 1913/1914 zu den „Falken“ richtig zerkaut, dann springt er in den Fluß werden und sagen: „Entweder – oder; so und überlebt dennoch. Erst dem sechsten wie es bisher war, kann es nicht weiterge- Attentäter fährt der Erzherzog wirklich vor hen.“ Jeder Apparat hat eine gewisse den Revolver, noch dazu bleibt er stehen, Schwerfälligkeit und macht Dinge am lieb- weil das Auto reversieren muß – und sten nach Schema F – wir machen es so, Gavrilo Princip schießt. wie wir es immer gemacht haben. Aber ge- nau das hört sich 1914 auf: So, wie wir es Im Heeresgeschichtlichen Museum in immer gemacht haben, so geht es nicht Wien kann man den Wagen des Thron- mehr – und daher kommt 1914 die Ent- folgers sehen: Wo schießt Princip hin? Die scheidung zum Krieg. Noch einmal Droh- erste Kugel geht ins Auto, nicht auf den im gebärden gegen die Serben, das bringt offenen Fond sitzenden Erzherzog, sie nichts. Entweder wir machen gar nichts, schlägt durch die Karosserie und trifft die oder wir führen Krieg. Die Ermordung des Erzherzogin im Unterleib, trifft eine Ader, Thronfolgers in Sarajevo war dann jene sie verblutet. Durch den Rückstoß zieht er Herausforderung, die ein wenig zu groß die Pistole hoch, drückt noch einmal ab, war, um gar nichts zu tun. und beim zweiten Mal trifft er den Erz- herzog am Hals. Das ist Zufall. Er hätte Die Ermordung des Thronfolgers, um genausogut beide Male daneben schießen nun irgendwelchen Verschwörungstheorien können, was zwar immer noch ein Skandäl- den Wind aus den Segeln zu nehmen, be- chen gewesen wäre, aber nicht unbedingt ruht auf einem gewissen Element des Zu- eine so heftige Reaktion provoziert hätte, falls. Wenn Sie den Thronfolger ermorden wie die Österreicher jetzt glauben zeigen wollen, dann gibt es auch schon 1914 eine zu müssen. deppensichere Methode: Sie nehmen einen Scharfschützen, setzen ihn in Sarajevo auf Natürlich, zum Kriegführen gehören die andere Seite des Flusses, und der kann immer zumindest zwei, und die zweiten ihn dann mit Blattschuß erlegen – gar kein sind in diesem Fall die Russen. Denen geht Problem. es langfristig weniger um Serbien, sondern um die Meerengen bei Konstantinopel. Was der serbische Geheimdienst ge- Denn wann immer am Balkan ein Unwetter macht hat, war nicht wirklich ein gezieltes herrscht, schließen die Türken die Meer- Attentat, sondern er wollte Unruhe stiften. engen, und die Russen bleiben auf ihrer Er schickt diese leicht verrückten jungen Ernte sitzen, weil sie diese nicht exportie- Leute vor – und dann kommt Schicksal, ren können. Die Russen wissen aber, daß dann kommt fatum dazu. Sechs Attentäter ihre eigentlichen Verbündeten, die Englän- sind da aufgereiht, vier verläßt im letzten der und die Franzosen, die Meerengen ih- Moment die Courage, die tun gar nichts. nen nicht gern überlassen würden, denn Der fünfte wirft eine Bombe, und zwar da- speziell die Franzosen haben viel Geld ins neben; er trifft das Auto danach, und der Osmanische Reich investiert und wollen Adjutant wird verwundet; er ist so nervös, deshalb nicht, daß es auseinanderbricht.
6 Lot und Waage 61/4 (2014) Die Engländer wiederum wollen keine rus- ganze Kriegsschuld! Das geht wirklich sische Flotte im Mittelmeer. Wann immer nicht!“ Und da hat er nicht Unrecht, der die Russen kleine Kriege gegen die Türkei Herr Polizeioffizier. geführt haben, haben sie gewonnen, und Jetzt verfolgen wir noch kurz Conrads dann kamen die europäischen Mächte und Karriere im Krieg weiter: Wer gewinnt haben ihnen alles wieder weggenommen. einen Krieg? Der, der als erster mit den Wenn es aber einen großen Krieg gibt, dann meisten Leuten am Schlachtfeld eintrifft. müssen die Westmächte zustimmen, daß Dafür gibt es einen großen Eisenbahn-Auf- die Russen Konstantinopel bekommen, marsch, der minutiös durchgeplant ist. Die weil sie von den Russen abhängig sind. einzigen, die diesen Aufmarsch total ver- Darin besteht für die Russen ein starker masselt haben, waren die Österreicher, weil Anreiz, jetzt Krieg zu führen, obwohl sie sie zuerst gegen Serbien aufmarschiert sind vielleicht zwei, drei Jahre später besser ge- und dann, ein paar Tage später, den Auf- rüstet gewesen wären. Die Frage lautet ja marsch gegen Rußland gewendet haben. nicht: Krieg oder nicht Krieg? Sie lautet Die Eisenbahn-Fachleute haben gesagt: immer: Krieg jetzt oder Krieg später. Doch „Ganz einfach, da fahren wir mit den Zü- die Russen sagen schon 1914 ja – und be- gen zurück in die Ausgangsstationen und schließen nicht, bis 1917 zu warten. Und fangen wieder von vorne an.“ Doch damit sobald sich die Österreicher und die Russen waren die Politiker nicht einverstanden: für den Krieg entschieden haben, bleibt den „Die sind gerade mit großem Hallo verab- Deutschen und den Franzosen nicht viel schiedet worden! Was sagt die Bevölke- anderes übrig, als mitzuziehen – denn sie rung dazu, wenn sie drei Tage später schon können ihre Verbündeten nicht im Stich wieder da sind? Die muß man umleiten.“ lassen. Ob sie es gern getan haben, oder Und zwar über Ungarn, und das wurde nicht – darüber lässt sich trefflich streiten. mühsam … Aber das Wesentliche ist: Die Entschei- In diesem Punkt haben die österreichi- dung war bereits gefallen. schen Militärs versagt, wenn es vielleicht auch gute Gründe dafür gab, daß Conrad Nebenbei: Unsere bundesdeutschen zuerst gegen Serbien zog – aber das hier zu Volksgenossen sind ja so veranlagt, daß sie erläutern, würde zu weit führen. Hier trifft immer, wenn die Frage nach der Schuld Conrad eine gewisse technische Schuld, sich stellt, „Hier!“ schreien – noch ehe sie aber in anderer Art als es der Chor der poli- wissen, worum es geht. In einem jüngst in tisch Korrekten im Sinn hat. Wien erschienenen Roman, einem Krimi- nalroman, der in der Nachkriegszeit spielt, Und dann gibt es große Schlachten im gibt es eine Szene, in der ein Polizeioffizier Osten, die für Österreich verlorengehen. auf den Tisch haut und sinngemäß Was Hindenburg in Ostpreußen gelungen schimpft: „Das ist zu viel! Also die Deut- ist, gelingt Conrad in Galizien ja nicht – schen – zuerst wollten sie den ganzen nämlich sich zwischen zwei russischen Osten, dann wollten sie den ganzen Armeen so zu positionieren, so zu manöv- Westen, und jetzt wollen sie auch noch die rieren, daß man zuerst die eine schlägt und
Lot und Waage 61/4 (2014) 7 dann die andere. Das ging in Ostpreußen daß der Kaiser wohl nachgeben würde, mit seinem Eisenbahnnetz, seinen Seen und wenn er als siegreicher Feldherr heimkehr- seinen Sperrforts, die gab es in Galizien te … und so war es dann auch. Nach der aber nicht. Schlacht bei Tarnow ergibt sich für Gina die Möglichkeit, sich scheiden zu lassen, So begann der Erste Weltkrieg mit gro- und zwar indem sie von einem ungarischen ßen Enttäuschungen. Dann kam mit dem General adoptiert wird – sie ist inzwischen Kriegseintritt Italiens ein massiver Ein- um die Vierzig –, dann ist sie nämlich Un- schnitt. Das ist der große Moment für Con- garin, und als Ungarin kann sie sich schei- rad. Die Italiener treten in den Krieg ein, den lassen. Ihr Ehemann hat dem Verneh- unterdessen ist eine große Offensive der men nach einen Kredit bekommen, dann Deutschen und der Österreicher in Rußland war er auch einverstanden. Gina läßt sich losgegangen; beide Generalstabchefs, Fal- also scheiden, es wird geheiratet, und dann kenhayn auf der einen, Conrad auf der – die Preußen waren von den Socken – anderen Seite, sagen: Jetzt machen wir mit zieht die Frau Gemahlin ins Hauptquartier unserer Großoffensive weiter, wir lassen in Teschen ein. Das Paar residiert nun dort die Italiener beiseite und schicken die Bal- in den Kaffeehäusern der Stadt, während kanarmee dorthin. die Preußen ihre Frauen und ihre Geliebten Churchill hat einmal gesagt: „Wenn das irgendwo verstecken müssen. Die waren britische Empire noch 1000 Jahre bestehen sauer. Und da kommt dann noch der Ar- würde, an die Luftschlacht um England meekommandant Erzherzog Friedrich und würde sich jeder erinnern als the finest meint: „Majestät, ist ja schön und gut, aber hour of the British Empire.“ The finest kirchenrechtlich gesehen ist die Gina wei- hour des österreichischen Reiches ist ein- terhin eine Konkubine …?!“ Worauf der deutig dieses kalkulierte Risiko: Wir tun großmütige Kaiser zur Antwort schreibt: so, als ob es die Italiener nicht gäbe und „Auf Dauer des Krieges ist der Marschall machen lieber erfolgreich im Osten weiter. mit dieser Frage nicht weiter zu behelli- Das war dann der größte Einzelerfolg des gen.“ Und Conrad resümiert: „Der Kaiser Krieges, die Offensive von Tarnow- ist wahrlich der erste Gentleman der Gorlice. Welt.“ Ein Sieg, der für Conrad auch dazu 1916 kommt der große Rückschlag für führt, daß er sich – und jetzt kommen wir Österreich im Osten, die Brussilow-Offen- endlich nach Graz – seinen höchst privaten sive. Die Diplomaten, die im Hauptquartier Traum erfüllen konnte. Er war seit 1907 waren, hatten mit Conrad und seinen Bera- unsterblich verliebt in eine verheiratete tern nur bedingt Freude – Generalstabs- Frau, nämlich Gina von Reininghaus, Gat- republik nannten sie diese Clique, die über- tin eines Grazer Industriellen und von Ge- all mitregieren will und im Hinterland alle burt eine Triestiner Italienerin. Damals gab möglichen Verhaftungen vornimmt, mit de- es in Österreich keine Scheidung, und eine nen die Politiker nicht einverstanden sind. Wiederverheiratung schon gar nicht. Aber 1916 setzt deshalb das Außenministerium Conrad hatte schon immer darauf gesetzt, gleichsam zum Gnadenstoß gegen Conrad
8 Lot und Waage 61/4 (2014) an. Ein Diplomat schreibt: „Conrads Ideen Ludendorff in Deutschland hat sich ge- sind als Ding an sich immer genial, nur in wissermaßen in die Sektiererei verrannt, der Praxis nicht durchführbar.“ Er war ein Hindenburg ließ sich zum Präsidenten genialer Stratege, doch das Instrument, mit wählen, was seinem Image zum Schluß dem er umzugehen hatte, war überfordert – auch nicht gut tat. Conrad von Hötzendorf mit dem konnte er das nicht machen. starb friedlich im dritten Band seiner Me- So wird Conrad zunächst entmachtet moiren. Und seine Generalstabsoffiziere und dann, Anfang 1917, vom neuen Kaiser haben seine Reputation vortrefflich ge- Karl als General nach Südtirol abgescho- wahrt, in „Österreich-Ungarns letzter ben – was das Beste ist, das ihm mit seiner Krieg“ finden sich nur leichte Anflüge lei- Reputation passieren konnte. Ludendorff ser Kritik zwischen den Zeilen. galt damals ja als der militärische Diktator Deutschlands, und so muß er auch die Kritik an seinen militärischen Entschei- ganze Schuld für die Niederlage auf sich dungen wäre eine lohnende Aufgabe. Aber nehmen. Conrad hingegen gab das Ober- dafür müßte man sich mit den Akten aus- kommando rechtzeitig ab und blieb daher einandersetzen und etwas vom Militär ver- auch nach dem Krieg ein Vorzeigegeneral, stehen: Und derlei fachliche Qualifikation ein Symbol der untergegangenen Monar- haben unsere Vergangenheitsbewältiger in chie. Einer seiner Adjutanten ging dann so- der Regel nicht. Aber zu sagen, daß er den gar zu den Sozialdemokraten, sogar dort Ersten Weltkrieg ausgelöst habe – ein ame- hatte er also seine Anhänger. Sein Begräb- rikanisches Buch trägt gar den Titel „Der nis 1925 ist ziemlich das einzige große Architekt der Apokalypse“ –: Das ist ein Staatsbegräbnis der Ersten Republik. wenig zu viel des „Guten“! DIPL.-ING.-BREINL INGENIEURKONSULENT FÜR VERMESSUNGSWESEN 8010 Graz, Stubenberggasse 5, Telefon (0 316) 82 95 47 Herstellung von Teilungs- und Widmungsplänen – Durchführung von allen techn. Vermessungen – meßtechnische Überwachung von Großbauvorhaben
Lot und Waage 61/4 (2014) 9 Die Steiermark im Ersten Weltkrieg Mitgliederabend am 12. November 2014 In den gut besetzten Gothen- Straßennamen und Kasernenbe- saal mußten vor Beginn der zeichnungen in Graz weisen auf Veranstaltung noch Stühle nach- weitere hier stationierte Ein- gebracht werden, als Univ.-Prof. heiten hin: Dreierschützengasse, Dr. Günther Jontes über die Be- Bosniakengasse, Reiterkaserne, züge unseres Landes und Aus- Kadettenschule in Liebenau wirkungen des Ersten Weltkrie- (heute BG/BORG HIB Graz ges auf dasselbe (gemeint war Liebenau) und weitere. das Herzogtum Steiermark ein- Namentlich die Obersteier- schließlich der Untersteiermark) mark (Mur-Mürz-Furche) war als Zentrum sprach. der Schwerindustrie ein wichtiger Pro- Da ist einmal der Umstand, daß der duzent von Rüstungsgütern, während für 1914 ermordete Thronfolger 1863 in Graz die Bereitstellung von Verpflegung die (Palais Khuenburg in der Sackstraße) gebo- Mittel- und Untersteiermark große Bedeu- ren wurde und sein Leichnam nach dem tung hatten. Bedingt durch den Einsatz und Attentat von Triest aus mit der Südbahn den Ausfall der Männer an der Front über- durch die Steiermark nach Wien gebracht nahmen immer mehr Frauen deren Funk- wurde. Noch eine interessante Einzelheit: tionen in Fabriken und in der Landwirt- Zur Zeit des von Österreich an Serbien schaft – eine erste echte „Emanzipation“ gestellten Ultimatums befand sich der ser- des weiblichen Geschlechtes. bische Generalstabschef, Radomir Putnik, auf Kur im oststeirischen Gleichenberg. Das 3. Korps (zuständig für die Länder Über die Jahre des Weltkrieges blieb die Steiermark, Kärnten, Krain und das Kü- Steiermark vom eigentlichen Kampfge- stenland) hatte seinen Standort in Graz. Es schehen verschont, sieht man von jenen hatte wesentlichen Anteil an den Ison- „Abwehrkämpfen“ ab, die unmittelbar zoschlachten, in welchen viele Steirer zum nach Kriegsende um die Festlegung der Einsatz kamen. Staatsgrenze zwischen Deutsch-Österreich In der Steiermark mußten 40.000 Ge- und dem „Königreich der Serben, Kroaten fangene und 25.000 Flüchtlinge in Lagern und Slowenen“ (ab 1929 Jugoslawien) ent- Aufnahme finden und versorgt werden, die brannten. Hungerblockade durch die Entente wirkte Zwei Regimenter hatten ihre Rekrutie- sich geradezu verheerend aus. Das größte rungsbezirke in der Steiermark: Das Infan- Lazarett für die Südfront befand sich in St. terieregiment Nr. 27 („Albert I., König der Michael in der Obersteiermark. Das heuti- Belgier“) in Graz und das Infanterie- ge Landeskrankenhaus Wagna bei Leibnitz regiment Nr. 47 („Graf von Beck-Rzi- ging aus einem Lazarettkrankenhaus des kowsky“) in Marburg an der Drau. Ersten Weltkrieges hervor.
10 Lot und Waage 61/4 (2014) Eine Reihe von „Russenstraßen“ zeugt Die Steiermark hatte im Ersten Welt- bis heute von dem Einsatz russischer krieg 43.000 Fronttote zu verzeichnen – Kriegsgefangener im Straßenbau. etwa drei Prozent der Bevölkerung des Landes! Kriegerdenkmäler im ganzen Land Auch der Kriegssteig des Grazer halten durch die dort angeführten Namen Schloßberges wurde damals von russischen fest, daß die Männer von ganzen Familien Kriegsgefangenen errichtet. an der Front geblieben waren. Allen unseren Mitgliedern, Freunden und Gönnern, die uns auch im vergangenen Jahr treu zur Seite gestanden sind und unsere Bestrebungen in selbstloser Weise unterstützt haben, wünschen wir auf diesem Wege ein besinnliches Weihnachtsfest sowie Gesundheit und Glück im kommenden Jahr! Wir verbinden diesen Wunsch mit unserem herzlichen Dank an die vielen Menschen, die unsere Arbeit für Heimat und Kultur, unseren Einsatz im steirischen Grenzland, in der Untersteiermark und im Banater Bergland durch ihre materielle und tätige Hilfe ermöglichen. Vorstand und Hauptleitung des AKVS
Lot und Waage 61/4 (2014) 11 Weltkriegs-Gedenken im Banater Bergland und in der Untersteiermark Im Rumänien diesseits der Karpaten gibt es nur wenige Denkmäler für Rumä- nen, die im Ersten Weltkrieg auf der Seite Österreich-Ungarns gefallen sind – wer hätte sie auch errichten sollen, fielen doch Siebenbürgen, der Großteil des Banats, das Marmarosch- und das Kreischgebiet 1920 an Groß-Rumänien, das sich in der Tradition des Siegerstaates Rumänien sah (bis zum Frieden von Trianon hatte das Königreich lediglich aus der Walachei, der Moldau und der Dobrudscha bestanden). Kriegerdenkmal in Hochenegg. „147 pa- dlim v prvi svetovni vojni 1914–1918“ – den 147 Gefallenen des Ersten Weltkrieges 1914–1918. Hingegen gibt es eine Reihe von Denkmä- lern für die Gefallenen der deutschen Volksgruppen – auch im Banater Bergland. Dort fanden von 23. bis 29. Juni 2014 Gedenkveranstaltungen in folgenden Orten statt: Bosowitsch/Bozovici, Sigismund bei Steierdorf, Gerlischte/Gârlis¸te, Nadrag/Na˘- drag, Deutsch-Saska/Sasca Montana˘, Mo- Kriegerdenkmal für die Gefallenen des ritzfeld/Ma˘ureni und Karansebesch/Ca- Ersten Weltkrieges in Moritzfeld ransebes¸.
12 Lot und Waage 61/4 (2014) Reschitz/Res¸i®a, die Hauptstadt des Ba- In Slowenien bestehen nicht wenige nater Berglandes, war am 27. Juni Ort der Denkmäler für die Gefallenen des Ersten zentralen Gedenkveranstaltung. Sie fand Weltkrieges – so etwa in Hochenegg/Voj- im Festsaal des Kreisrates Karasch-Severin nik bei Cilli/Celje in der Untersteiermark. in Reschitz in Anwesenheit des Vize- Unter den Gefallenen finden sich Ange- konsuls Siegfried Geilhausen vom deut- hörige des berühmten Steirischen Infante- schen Konsulat in Temeswar statt. Das rieregiments Nr. 87 „Freiherr von Succo- Hauptreferat des Gedenkens mit dem Titel vaty“, des Hausregimentes von Cilli. „Das Banater Bergland und der Erste Welt- krieg“ hielt Univ.-Prof. Dr. Rudolf Gräf, * der Prorektor der Klausenburger Babes¸- Bolyai-Universität, ein gebürtiger Reschit- zarer. Anschließend folgte die Präsentation Der österreichische Bundeskanzler des Buches „Carol Bereczky: Album mit (1961–1964) Alfons Gorbach, selbst 1917 Fotos aus dem Ersten Weltkrieg“ (Bespre- Teilnehmer an den Kämpfen an der Isonzo- chung siehe Seite 48). Front, wo er ein Bein verlor, sagte:
Lot und Waage 61/4 (2014) 13 14. VLÖ-Volksgruppensymposium in Wien 60 Jahre VLÖ Unter dem Motto „60 Jahre VLÖ – band der Volksdeutschen Landsmann- Interessensvertretung und Vertreter eines schaften Österreichs“ vorgestellt. Europas der Regionen“ hielt der Verband Die feierliche Eröffnung nahm der der Volksdeutschen Landsmannschaften Zweite Präsident des Niederösterreichi- Österreichs (VLÖ) sein bereits traditionel- schen Landtages, Mag. Johann Heuras, vor, les Volksgruppensymposium zum nunmehr auch das Außenministerium und die Kärnt- 14. Male ab und lud – wie schon in den ner Landesregierung hatten als Mitspon- Jahren zuvor – Vertreter der Heimatver- soren hohe Vertreter entsandt. triebenenverbände und Repräsentanten der deutschen altösterreichischen Minderheiten 160 Festgäste folgten der gemeinsamen in den Nachfolgestaaten der Donaumo- Einladung des VLÖ und des Parlamentes narchie sowie zahlreiche Interessierte von zu einem Festakt im Parlament unter dem 11. bis 13. September in das „Haus der Motto „60 Jahre VLÖ – Interessensver- Heimat“ in Wien ein. Anläßlich der Tagung tretung für Vertriebene und Verbliebene“. wurde die Gedenkschrift „60 Jahre Ver- Der Zweite Nationalratspräsident, Karl- In der Säulenhalle des Parlaments (v. l. n. r.): Mag. Udo Puschnig (Amt der Kärntner Landesregierung), Dr. Helge Schwab (AKVS), Erwin Josef ©igla (Banater Bergland), Gesandter Dr. Georg Woutsas (Außenministerium), ein Buchenlanddeutscher aus der Ukraine
14 Lot und Waage 61/4 (2014) Dr. Helge Schwab, Leiter des Arbeitskreises „Volkstanz“ heinz Kopf, Univ.-Prof. DDr. Oliver Rath- Thema „Europäisches Geschichtsbewußt- kolb und die Vertriebenensprecher aller sein“ Projekte zu entwickeln. Parlamentsparteien kamen zu Wort. Unter www.parlament.gv.at kann man die Parla- In mehreren Arbeitskreisen wurden u. mentskorrespondenz Nr. 796/2014 vom a. folgende Themen ausgearbeitet: Litera- 11. September 2014 nachlesen. tur, Kulinarik, Volkstanz, Trachten. Dabei Die eigentliche Arbeit widmete sich ging es vor allem darum, in den Hei- unter Anleitung des VLÖ-Generalsekre- matländern Projekte mit Ausstrahlungs- tärs, Ing. Norbert Kapeller, dem Thema kraft auch auf die Mehrheitsbevölkerung „EU-Projekte als Chance unserer gemein- und andere Volksgruppen zu entwickeln, samen Arbeit in Ostmittel- und Südost- sich mit anderen altösterreichischen deut- europa“ und stellte die umfangreichen schen Volksgruppen auszutauschen, um so Möglichkeiten von länderübergreifenden zur „Wahrung des gemeinsamen kulturel- Projekten vor, die es dem VLÖ und den len, sprachlichen und ethnischen Erbes der heimatverbliebenen deutschen altösterrei- heimatverbliebenen deutschen altösterrei- chischen Minderheiten – basierend auf dem chischen Minderheiten“ beizutragen, wie EU-Programm „Europa für Bürgerinnen Norbert Kapeller und der VLÖ-Bundesvor- und Bürger 2014–2020“ – ermöglichen sol- sitzende, Dipl.-Ing. Rudolf Reimann, ge- len, in den verschiedensten Bereichen zum meinsam betonten.
Lot und Waage 61/4 (2014) 15 Prälat Karl Rühringer (rechts vorne) bei der Führung durch den Stephansdom; hinten Dr. Helge Schwab (links) und Erwin Josef ©igla Eine Führung durch Domdekan Prälat mannschaften Österreichs (VLÖ) wurde Karl Rühringer (einem Südmährer) durch eine eigene Gedenkschrift publiziert, die den Dom zu St. Stephan mit einem gemein- im Rahmen des 14. VLÖ-Volksgruppen- samen Gedenk- und Dankgottesdienst in symposiums bei der Festveranstaltung im der Krypta war sicherlich ein zweiter Parlament präsentiert wurde“, so VLÖ- Höhepunkt für die Gäste aus Tschechien, Bundesvorsitzender Dipl.-Ing. Rudolf Rei- Polen, der Slowakei, Ungarn, der Ukraine mann und VLÖ-Generalsekretär Ing. Nor- (Buchenlanddeutsche!), Rumänien, Ser- bert Kapeller. bien, Kroatien und Slowenien und alle an- deren Teilnehmer. Auf knapp 85 Seiten wird dabei auf die Geschichte des VLÖ und der Heimat- Insgesamt ein hervorragend organisier- vertriebenen in Österreich eingegangen, tes und inhaltsreiches Symposium, das den darüber hinaus werden die einzelnen VLÖ als wichtigen Impulsgeber unserer Volksgruppen kapitelweise mit Illustratio- gemeinsamen Arbeit für unsere Minder- nen dargestellt. Auch die Situation der hei- heiten zeigte. matverbliebenen deutschen altösterreichi- H.S. schen Minderheiten in Ostmittel- und Südosteuropa wird beleuchtet. Gedenkschrift des Verbands der Der VLÖ gibt diese Schrift gegen Volksdeutschen Landsmannschaften Ersatz der Versandkosten kostenlos ab. Österreichs (VLÖ) Bestellmöglichkeiten: VLÖ – Haus der „Anläßlich des 60-jährigen Jubiläums Heimat, Steingasse 25, 1030 Wien; Tel. des Verbands der Volksdeutschen Lands- 0043 / 01 / 71 85 905; sekretariat@vloe.at
16 Lot und Waage 61/4 (2014) Banater und Untersteirer beim Aufsteirern Graz, Sonntag, 14. September 2014 Wie in den vergangenen Jahren hatte Nach intensivem Proben am Samstag- auch heuer der Verein Südmark Volkstanz- vormittag lud zu Mittag der Bürgermeister, gruppen aus Slowenien und dem Banater vertreten durch Herrn GR Mag. Andreas Bergland zur Teilnahme am Aufsteirern Molnar, zu einem Empfang mit Buffet ins eingeladen. Rathaus. Der Blick vom Rathausbalkon Bereits am Freitag reiste die Tanzgrup- und der Stadtbummel danach waren leider pe aus dem Banater Bergland an und wurde durch Regenwetter getrübt, so blieb nur die von Dipl.-Ing. Gerhard Krajicek herzlich Hoffnung auf besseres Wetter bei den empfangen. Die acht Tanzpaare unter der Auftritten am nächsten Tag. Leitung von Nelu Florea kamen diesmal Am frühen Sonntagvormittag kam die aus sieben Tanzgruppen und unterschied- Gruppe aus Cilli mit sechs Tanzpaaren, drei lichen Orten. In Graz erfolgten erstmals Musikern und deren Familien, begleitet gemeinsame Proben unter Krajiceks An- von Andrej Ajdicˇ. Der Wettergott hatte ein leitung und mit dem äußerst begabten jun- Einsehen, und es regnete erstmals seit drei gen steirischen Harmonikaspieler Simon Tagen nicht mehr. So waren die Auftritte Ankowitsch, der auch bei den Auftritten der Tanzgruppen geprägt von guter Stim- die musikalische Begleitung übernahm. mung, zumal zeitweise sogar die Sonne Die schwungvolle Volkstanzgruppe aus Cilli
Lot und Waage 61/4 (2014) 17 Die Gruppe aus dem Banater Bergland im Gemeinderats-Sitzungssaal des Grazer Rathauses; von rechts: Nelu Florea, GR Molnar, Dipl.-Ing. Gerhard Krajicek, Dr. Inge Mader, die jugendlichen Tänzer. durch das Gewölk blinzelte. Hervorzu- Alles in allem war das Aufsteirern 2014 heben ist, daß die Gruppe aus dem Banater eine gelungene recht gut besuchte Ver- Bergland ausschließlich deutsche Volks- anstaltung. Unser Dank gilt vor allem tänze aus Rumänien vorführte: Landler aus „Tanz mit Franz“ und dessen Obmann Großau (Siebenbürgen), Holzaktion (Ba- Dipl.-Ing. Krajicek für die finanzielle und nater Bergland), Zweischritt aus Wolfsberg ideelle Unterstützung, sowie jenen Mit- (Banater Bergland), Neppendorfer Landler gliedern des AKVS, die die Gruppen (Siebenbürgen), Siebenschritt aus dem betreut und begleitet haben. [Banater] Bergland, Banater Schottischer, Dr. Inge Mader Reschitzer Landler (Banater Bergland).
18 Lot und Waage 61/4 (2014) 24. Deutsche Kulturdekade Banater Bergland, 3. – 12. Oktober 2014 Wie alljährlich nahm auch heuer eine Tietz-Haus, das gerade vor zehn Jahren aus Abordnung unseres AKVS an den ersten Mitteln der BR Deutschland in Re- Tagen der Kulturdekade teil. Zu neunt wa- schitz/Res¸i®a errichtet worden war, mit ren wir in einem Kleinbus aus Graz ange- einer Feierstunde eröffnet. Der deutsche reist: Die Goasmoß-Musi (Alexander Lap- Vizekonsul aus Temeswar/Timis¸oara, Sieg- pi – Steirische Harmonika und Kontrabaß, fried Geilhausen, ergriff unter anderen pro- Lukas Gürtl – Steirische Harmonika, Jo- minenten Gästen das Wort, um den Weg zur hanna Spath – Querflöte), Elisabeth Thal- deutschen Vereinigung von 1989/90 nach- hammer, AKVS-Geschäftsführerin Dr. zuzeichnen. Inge Mader, Mag. Renate und Dr. Reinhold Der Nachmittag sah uns in Sekul/Secul Reimann sowie Johanna und Dipl.-Ing. bei Reschitz. Dort wurde zunächst in der Gerhard Krajicek, der den Bus besorgt und Kirche „Geburt Mariens“ in zwei Sprachen dankenswerterweise auch über die ganze (deutsch, rumänisch) die „Heimatmesse“ Strecke hin und zurück chauffiert hat. gefeiert, musikalisch gestaltet durch den Der erste Tag der Dekade, ein Freitag, ambitionierten Chor „Harmonia sacra“ aus fiel auf den 3. Oktober, den Tag der Deut- Reschitz. Danach traten auf dem Rasen vor schen Einheit. Dieser wurde im Alexander- der Kirche die Volkstanzgruppen aus Piatra Das Alexander-Tietz-Haus entsteht (2004)
Lot und Waage 61/4 (2014) 19 Das fertiggestellte Alexander-Tietz-Haus Neam® (Kreuzburg an der Bistritz; wörtlich (hier in der Reihenfolge des Auftretens): „Deutschstein“) und „Enzian“ aus Reschitz Goasmoß-Musi, Kinderchor „Menestrelul“ (Kleine und Große) sowie unsere Goas- aus Reschitz, der Reschitzer „Franz-Stür- moß-Musiker aus der Steiermark auf. mer-Chor“ (Frauenchor), das Banater- Der Abend vereinte die auswärtigen Bergland-Musikensemble, der Temeswarer Gäste aus Piatra Neam®, Baca˘u (alter deut- Liederkranz, der Volkstumskreis „Edel- scher Name Barchau, ung. Bákó) und unse- weiß“ aus Piatra Neam® (der nicht nur re Gruppe zu einem fröhlichen Begrü- tanzt, sondern auch mehrstimmig chorisch ßungsabend mit spontanem Gesang und singt), das Ensemble „Zwei plus“ aus Volkstanz beim „Oberen Dusˇan“ in Re- schitz – ein ungekünstelter, stimmungsvol- Baca˘u, der gemischte Chor der ukraini- ler Ausklang des Tages. schen Volksgruppe aus Karansebesch/Ca- Der folgende Samstag war zwei Musik- ransebes¸, ein buchenlanddeutscher Chor festen gewidmet: dem Musik- und Chor- aus Kimpolung/Câmpulung (Süd-Buko- treffen im Reschitzer Kulturpalais und dem wina), der gemischte Chor „Lyra 2000“ aus Steierdorfer Blasmusikfestival am Sitz des Reschitz. Die Darbietungen reichten von deutschen Ortsforums Steierdorf-Anina. geistlicher Chormusik und Madrigalen Deutlich mehr Gruppen als im Vorjahr über Heimat- und Volkslieder bis hinein in beteiligten sich am Musik- und Chortreffen den Bereich der Schlagermusik.
20 Lot und Waage 61/4 (2014) Die Goasmoß-Musi: Johanna Spath, Lukas Dipl.-Ing. Karl Ludwig Lups¸iasca – der Gürtl, Alexander Lappi (v. l. n. r.) Nestor des Banater-Bergland-Ensembles Die Volkstanzgruppe aus Piatra Neam® in Sekul
Lot und Waage 61/4 (2014) 21 Der Eingang zu „Alten Mühle“ in Deutsch- Prof. Ioan Sporea vor seinem Museum Saska Trachtenaufmarsch in Deutsch-Saska
22 Lot und Waage 61/4 (2014) Hervorhebenswert scheinen uns zwei Tracht gestellt wurden. Im Anschluß an Formationen: Das Banater-Bergland-En- den Gottesdienst reihten sich die Volks- semble (zwei Geigen, zwei Gitarren, her- tänzer aus Orawitz/Oravi®a, Reschitz und vorgegangen aus dem Banater-Bergland- Piatra Neam® zum gemeinsamen Auf- Trio), das bodenständige Instrumental- marsch, dem der buntgeschmückte Kirch- musik (Semenik-Walzer, „Drei Steirer“) weihbuschen vorangetragen wurde. An- brachte; und der Kinderchor „Menestrelul“, schließend tanzten die genannten Gruppen der das Publikum mit dynamischem Aus- einzeln und gemeinsam mit den Besuchern druck und frischer Unbekümmertheit be- der Kirchweih auf dem Platz vor der Kir- geisterte. che, und wieder spielten unsere die Tage hindurch bewährten Goasmoß-Musiker Als gemeinsamer Schlußchor wurde auf. das „Heimatlied der Banater Bergland- deutschen“ gesungen: Es ist das aus Ober- Saska wartete auch mit einer besonde- schlesien ins Bergland „gewanderte“ ren Überraschung für uns auf: Nach dem Tarnowitzer Fahrtenlied „Schon wieder Tanz führte uns Univ.-Prof. Dr. Ioan Spo- tönt vom Schachte her … Glück auf!“ rea in ein von ihm eingerichtetes kleines Lokalmuseum, das die Geschichte des vor- Im Unterschied zum Chortreffen wurde nehmlich von deutschen Bergleuten betrie- das Steierdorfer Blasmusikfest diesmal von benen historischen Bergbaus in Saska deutlich weniger Gruppen bestritten als im zeigt. Dr. Sporea hat auch die alte Dorf- Vorjahr – wir bedauerten das Fehlen der mühle von Deutsch-Saska zu einer kleinen hervorragenden Blasmusikkapellen aus Pension „Alte Mühle“ (La Vechea Moara˘) Temeswar und Karansebesch. Die Kapelle im alpenländischen Stil umgestaltet, wohin der rumänischen Volksgruppe aus Ritisˇevo er unsere Gruppe aus der Steiermark zu (rumän. Râtis¸or), einem mehrheitlich ru- einem großzügigen Mahl einlud. mänischen Dorf im serbischen Banat süd- lich von Werschetz/Vrsˇac, beeindruckte durch zündende Rhythmen. Die heimische Wieder einmal durften wir einprägsame Blasmusik aus Steierdorf-Anina sorgte für Tage erleben: Unsere „Erstlinge“, Dr. Inge den vertrauten „altösterreichischen“ Ton. Mader und die drei Goasmoß-Musikanten, Auftritte der Steierdorfer Kindervolkstanz- zeigten sich beeindruckt von der steiri- gruppe und unserer vortrefflichen Goas- schen Kultur hunderte Kilometer fernab moß-Musi rundeten das Programm ab. der Steiermark; wir anderen konnten darü- ber hinaus alte Freunde treffen und neue Ein besonderes Fest konnten wir am Freundschaften schließen. Sonntag miterleben: In Deutsch-Saska (Sasca Montana˘) wurde Kirchweih ge- RRR feiert. Die Messe war diesmal dreisprachig (deutsch, rumänisch, ungarisch); bemer- Die diesmalige Dekade wies noch zwei kenswert war, daß die Ministranten von besondere Höhepunkte auf, die in die Zeit Volkstänzern aus Reschitz in steirischer nach unserem Aufenthalt in Reschitz fielen:
Lot und Waage 61/4 (2014) 23 BRD-Orden für Erwin ©igla Im Zuge der Zehn-Jahres-Feier des Alexander-Tietz-Hauses am 6. Oktober 2014 wurde der Vorsitzende des Demo- kratischen Forums der Banater Berg- landdeutschen (DFBB), der zugleich Leiter der deutschen Alexander-Tietz-Bibliothek und Leiter des Kultur- und Erwach- senenbildungsvereines „Deutsche Vor- tragsreihe Reschitza“ ist, mit dem Ver- dienstkreuz am Bande des Verdienstordens der BR Deutschland „in Anerkennung der um die Bundesrepublik Deutschland er- worbenen besonderen Verdienste“ ausge- zeichnet. Die Überreichung des Ordens erfolgte durch den Botschafter der BR Deutschland in Bukarest, Werner Hans Erwin ©igla erhält das Verdienstkreuz aus Lauk. den Händen von Botschafter Lauk (rechts). Tietz-Preis für Udo Puschnig Mit dem höchsten Preis, den die Ba- nater Berglanddeutschen vergeben, dem 1999 erstmals vergebenen Alexander- Tietz-Preis, wurde heuer der Kärntner Mag. Udo Peter Puschnig ausgezeichnet. Er ist Unterabteilungsleiter für Entwick- lungsstrategien im Bereich Volksgruppen, Auslandskärntner und regionale Ko- operationen im Amt der Kärntner Lan- desregierung und hat sich seit eineinhalb Jahrzehnten in besonderem Maße der Berglanddeutschen angenommen. Beiden Ausgezeichneten gelten unsere Mag. Udo Puschnig (Mitte) mit dem herzlichen Glückwünsche! Alexander-Tietz-Preis
24 Lot und Waage 61/4 (2014) Der Klapotetz von Reschitz Der Klapotetz ist eine im steirischen Weinland zu beiden Seiten der Grenze ver- breitete Vogelscheuche. Sie besteht aus einem Windrad mit Noppenwelle und Schlägeln, die durch ihr rhythmisches Ge- klapper die Vögel (namentlich Stare) zur Zeit der Traubenreife fernhalten sollen. Über die Jahre hin haben sich die Vögel jedoch an das Geklapper gewöhnt und lassen sich dadurch kaum mehr vom „Naschen“ an den Trauben abhalten – und so ist der Klapotetz Sinnzeichen für die steirische Weinbautradition und für die vom Weinbau geprägte Landschaft gewor- den. Der Klapotetz wurde schon 1797 in einer Handschrift erwähnt. Erzherzog Johann besaß 1836 auf seinem Muster- weingut in Pickern/Pekre bei Marburg/ Maribor einen Klapotetz. Der Name des Windrades stammt aus dem Slowenischen: klopotati = klappern, klopotec = (Klappe- Der Klapotetz im Garten des Alexander- rer). Tietz-Hauses Jedenfalls ist der Klapotetz etwas typisch Steirisches. Dies veranlaßte unser Und so steht er nun, der Weinland- hochgeschätztes, den Berglanddeutschen Klapotetz aus der Steiermark, ein wenig als seit Jahren durch großzügige Förderung Fremdkörper im schön gepflegten Garten verbundenes AKVS-Mitglied Dr. Herwig des Alexander-Tietz-Hauses in Reschitz, Brandstetter dazu, unsere steirischen dem Kulturzentrum der Berglanddeut- Freunde im Banater Bergland zum Auf- schen, das sich in dicht verbautem Gebiet stellen eines Klapotetz in Reschitz/Res¸i®a, der Stadt befindet. Doch nicht nur die Her- der Hauptstadt des Banater Berglandes, zu kunft, sondern auch die Aufstellung des überreden; dies, obgleich sich die steirische Lärmerzeugers hat ihre Geschichte: Tradition des Banater Berglandes und die Moderne Klapotetze haben eine Sperre, Herkunft vieler seiner Bewohner auf die mit der man das Drehen des Windrades Obersteiermark und das oberösterreichi- (und damit das Geklapper) verhindern sche Salzkammergut (Bergbau!) gründen – kann. Nun wurde unser Reschitzer Kla- keinesfalls aber auf ein Weinbaugebiet! potetz bei schönem, windstillem Wetter an
Lot und Waage 61/4 (2014) 25 der beschriebenen Stelle angebracht – und nicht schlafen konnten und die anderen niemand sah sich veranlaßt, die Sperre zu lautstark bellten, sodaß die Nachtruhe der betätigen … Doch in der Nacht, da erhob ersten noch zusätzlich und andauernd ge- sich heftiger Wind, und der Klapotetz tat, stört war. Und als man endlich die Lärm- was er ja soll: er verursachte heftigen quelle geortet hatte, war keiner da, der Zu- Lärm. gang zum versperrten Garten verschaffen Dieser war nun den Bewohnern des hätte können! Stadtviertels und namentlich auch deren Diese Nacht ging dort wohl bei Mensch zahlreichen Hunden nicht nur völlig unbe- und Hund als nachhaltige Denkwürdigkeit kannt, sondern auch so lästig, daß die einen ein …
26 Lot und Waage 61/4 (2014) Gedenkfeier in Tüchern In Tüchern/Teharje bei Cilli/Celje (Un- Ljubljana und Agram/Zagreb gekommen tersteiermark) errichteten Tito-Partisanen sowie Vertreter von Kärntner Organisatio- zu Ende des Monats Mai 1945 ein Kon- nen und auch der Vorsitzende des Ver- zentrationslager, in dem vermutlich 5000 bandes deutschsprachiger Kulturvereine in slowenische Domobranzen und Regime- Slowenien, Andrej Ajdicˇ. Das zahlreiche gegner, kroatische Domobranen sowie Publikum bildeten Einheimische und 60 Deutsche aus der Untersteiermark und der Personen aus Österreich (zumeist aus Gottschee festgehalten und in den Folge- Kärnten), die sich auf einer Erinnerungs- monaten an verschiedenen Orten in der und Bildungsfahrt durch Unterkärnten und Umgebung von Cilli ermordet wurden; nur die Untersteiermark befanden. wenige hundert von ihnen überlebten. Das Lager wurde 1946 geschlossen. Rulitz wies in seiner Rede auf den sym- 2004 errichtete die Republik Slowenien bolischen Wert dieses „grenzüberschreiten- auf dem Gelände des ehemaligen Konzen- den Erinnerns“ hin – ein solches wäre vor trationslagers einen Gedenkpark für die 30 Jahren nicht denkbar, ja sogar gefährlich „verschwiegenen Opfer der Nachkriegs- gewesen. Er betonte die „Vielseitigkeit“ massaker“. Am 20. September 2014 war des Erinnerns, das allen Opfern politischer diese Erinnerungsstätte Ort einer Gedenk- Gewalt gelte, gleichgültig welcher ethni- feier mit Kranzniederlegungen. scher Zugehörigkeit oder politischer An- schauung sie gewesen sind. So stehe auch Hauptinitiator der Feier war der Kärnt- die Erinnerungs- und Bildungsfahrt der aus ner Historiker Dr. Florian Rulitz, der durch Österreich Angereisten unter dem Motto seine wissenschaftlichen Arbeiten über die „Der Wahrheit und der unerforschten Zeit- Geschehnisse in Kärnten und der Unter- geschichte auf der Spur“. steiermark zu Ende des Zweiten Weltkrie- ges und nach dessen Ende bekanntgewor- Die Abgeordnete Eva Irgl (SDS – Slo- den ist (u. a.: Die Tragödie von Bleiburg wenische Demokratische Partei, Vorsitzen- und Viktring. Hermagoras, Klagenfurt de der Kommission für Petitionen und 2011. 420 Seiten, ISBN 978-3-7086-0616- Menschenrechte im slowenischen Parla- 3, Euro 32,00). Rulitz kommt das Verdienst ment) führte aus, daß „die Zeit des Krieges zu, im deutschen Sprachraum der erste zu eine besondere Zeit“ sei und daher „andere sein, der sich mit diesem Themenkreis wis- Werte gelten“. Dennoch sei es schwer zu senschaftlich befaßt. Die seinen Arbeiten verstehen, daß Slowenien übersät sei mit nicht eben wohlgesonnene Klagenfurter Orten, an welchen Opfer politischer Gewalt slowenische Wochenschrift „Novice“ (= liegen. Ihre Namen habe der Wind vertra- Neuigkeiten) bezeichnet ihn als „umstritte- gen, genauso wie die Namen ihrer Henker nen Historiker“ (17. 10. 2014). – und von den Zeugen werde manches bis Zu der Feier am 20. September waren heute aus Furcht oder Feigheit verschwie- auch Parlamentsabgeordnete aus Laibach/ gen.
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