EINE GUTE IDEE SCHWERPUNKT INNOVATION - NR. 3 / 2018 - Raiffeisenlandesbank OÖ
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Das Finanzmagazin der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich Aktiengesellschaft Die vorbereitete Bank. NR. 3 / 2018 www.rlbooe.at/business EINE GUTE IDEE SCHWERPUNKT INNOVATION Digitalisierung extrem: Mobilität von morgen: Wie Afrika: Die Chancen der 20 Patrick Kramer und die digitale Transformation des Menschen 24 sich die Automotive Industries verändern müssen 32 österreichischen Exporteure auf dem Schwarzen Kontinent
Unternehmen Sicherheit. Im Wirtschaftsleben lassen sich manche unliebsamen Ereignisse einfach nicht ausschließen. Daher ist ein Part- Unsere Kernkompetenzen: ner an Ihrer Seite besonders wichtig, der diese Gefah- All Risk Lösungen renquellen kennt und mit einem durchdachten System Internationale Versicherungsprogramme abfedert. Die RVM Versicherungsmakler betrachten Ihre Betriebliche Altersvorsorge Risikosituation ganzheitlich und entwickeln zukunftswei- Kreditversicherungen sende Lösungen. So schützen Sie Ihr Unternehmen Lösungen im Haftpflichtbereich rechtzeitig vor dem Fall der (Zu-)Fälle. Absicherung von Bauprojekten Transport- und Fuhrparklösungen Financial Lines Kontaktieren Sie uns einfach. Wir informieren Sie gerne, wie Sie auch Ihr Unternehmen wirksam absichern können! Tel.: +43(0)732/6596-25651 E-Mail: office@rvm.at RVM Versicherungsmakler Wir entwickeln Sicherheit www.rvm.at
VORWORT INNOVATIONSKRAFT: RAIFFEISEN OÖ UNTERSTÜTZT MUT ZU NEUEN IDEEN Dr. Heinrich Schaller, Vorstandsvorsitzender der Raiffeisenlandesbank OÖ. W irtschaftlicher Erfolg ist in Europa heute enger mit der eispiel: Syn Trac, ein oberösterreichisches Unternehmen mit Sitz in Bad B Innovationskraft der Unternehmen verknüpft als je zuvor. Goisern, startet mit einem neuartigen Vielzweckfahrzeug, mit Einsatz- In den meisten Branchen ist die Fähigkeit, neue Produkte, möglichkeiten in Kommunen, Land- und Forstwirtschaft oder beim Zivil- Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle zu entwickeln und Katastrophenschutz, am Markt durch. Begleitet und finanziert wird und anzubieten, der Wettbewerbsfaktor Nummer eins. Nicht nur die das geplante Wachstum durch die Raiffeisen KMU Beteiligungs AG der Globalisierung, sondern auch der schnelle digitale Wandel, neue Techno Raiffeisenlandesbank OÖ und die Raiffeisenbank Salzkammergut eGen. logien, anspruchsvollere Kunden und die große Masse an verfügbarem Über weitere spannende Innovationen aus der Automobilbranche lesen Wissen treiben Innovationen in einem enormen Tempo voran. Österreich Sie in dieser Ausgabe des Magazins business. ist dafür ein guter Boden: Das Land hat hervorragend ausgebildete Men- schen, knapp fünf Prozent sind in der Forschung oder Entwicklung von Vorreiter bei digitalen Lösungen neuen Produkten, Lösungen und Systemen beschäftigt. Auch die Finanzwelt setzt zunehmend auf digitale Innovationen. Diese Umso wichtiger ist, dass innovative Geschäftsideen rasch und erfolg- beeinflussen nicht nur die Art und Weise, wie wir unsere Bankgeschäfte reich umgesetzt werden und heimi- abwickeln, sondern bieten auch völlig neue sche Betriebe auf den Exportmärkten Möglichkeiten. 94 Prozent der Kunden von Erfolge verbuchen können. Die Bereit- schaft der Unternehmen zu Innova WIR VERBINDEN, Raiffeisen OÖ erledigen Transaktionen be- reits elektronisch, nur mehr sechs Prozent tion und Risiko muss gefördert und durch moderne Finanzierungsmög- WAS ZUSAMMENGEHÖRT. werden am Bankschalter durchgeführt. Raiffeisen OÖ ist in der Entwicklung digi lichkeiten unterstützt werden, das gilt taler Lösungen Vorreiter und bietet – auch für junge Start-ups genauso wie für Industrieunternehmen sowie Klein- in Zusammenarbeit mit Fintechs – einfache und praktische Lösungen an. und Mittelbetriebe. Die Möglichkeiten gehen dabei heute weit über die Besonders für Firmenkunden bedeuten Services wie das ELBA-business klassische Kreditfinanzierung hinaus. Raiffeisen OÖ stellt sich auf die oder die Express Überweisung echten Mehrwert. Unser Ziel ist, das Wirt- Potenziale, Möglichkeiten und Visionen der Unternehmen ein und beglei- schaftsleben zu erleichtern, sowohl on- als auch offline. Nachhaltiger tet diese mit perfekt auf sie zugeschnittenen Produkten, Dienstleistungen Erfolg gelingt im Rahmen einer langfristigen Partnerschaft. und höchster Beratungskompetenz. Wir verbinden, was zusammen In dieser Ausgabe des Magazins business lesen Sie außerdem über gehört: Unsere Kunden vertrauen auf unsere professionelle Exportfinan- spannende Innovationen in der Immobilienbranche, Automatisierung und zierung, unser Know-how und u nser weltweites Partnernetzwerk. Digitalisierung im Handel sowie über Innopolis, Russlands Silicon Valley. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen mit der Lektüre! Stabiler, starker Partner Ihr Das den Kunden zur Verfügung gestellte Finanzierungsvolumen konnte die Raiffeisenlandesbank OÖ (Konzern) in den ersten sechs Monaten 2018 um 1,1 Milliarden Euro steigern. Eine harte Kernkapitalquote von 14,9 Prozent zum Halbjahr steht dabei nicht nur für besondere Stabilität. Es bedeutet auch, dass wir wichtige Impulse am Markt geben können, Dr. Heinrich Schaller, damit unsere Kunden ihre Chancen bestmöglich nutzen. Aktuelles Vorstandsvorsitzender der Raiffeisenlandesbank OÖ Aktiengesellschaft. © RLB OÖ/Erwin Wimmer Ihr schnellster Weg zum Erfolg: QR-Code scannen und die aktuelle business-Ausgabe mit vertiefenden Storys, Interviews und Videos online auf unserem Blog weiterlesen: https://info-channel.rlbooe.at/ Die vorbereitete Bank. business 03
INHALT/IMPRESSUM 3 VORWORT Dr. Heinrich Schaller, Vorstandsvorsitzender 6 INNOVATION Patentweltmeister oder Ideenschlusslicht? Österreichs Innovationsfreude im europäischen und weltweiten Vergleich 10 INDUSTRIE & HANDEL 4.0 Digitale Preisschilder und Maschinen, die sich selbst warten: Wie Industrie und Handel morgen funktionieren 14 DIE ZUKUNFT DES GELDES Warum Kryptowährungen kein Geldersatz sind und das persönliche Beratungsgespräch digitale Banktechnologien auch in Zukunft ergänzt 16 DIGITALE WELTEN Wie Österreichs Bundesregierung die Wirtschaft digitalisiert – und innovative Hubs Industrie und Start-ups vermählen 20 UPDATE: MENSCH Während Siri und Alexa gerade erst Einzug in unser Leben halten, digitalisiert sich ein deutscher Wissen- 32 WIRTSCHAFTSDYNAMO schaftler mit smarten Implantaten bereits selbst Viele denken bei Afrika an Hungersnot, Krieg und Flucht – dabei wächst die Wirtschaft dieses Kontinents in atemberaubendem Tempo 24 MOBILITÄT VON MORGEN Autonom, umweltfreundlich, leise – wie das Auto der Zukunft funktioniert und wann es wirklich auf 36 RUSSLANDS SILICON VALLEYS die Straße kommt Der russische Staat setzt wieder auf Innovation per Reißbrett und baut ganze Städte für Forscher und Erfinder auf die grüne Wiese 28 GEBAUTE UTOPIEN Das Haus wird neu erfunden – und bietet mit umweltfreundlichen Materialien und digitalen 40 FÜR SIE GELESEN Services mehr Wohnkomfort als je zuvor Buchempfehlungen für den Businessalltag Impressum/Offenlegung Medieninhaber und Herausgeber: Raiffeisenlandesbank Oberösterreich Aktiengesellschaft, Europaplatz 1a, A-4020 Linz. Aktionäre der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich Aktiengesellschaft sind zu rund 98,92 Prozent die RLB Verbund registrierte G enossenschaft und zu rund 1,08 Prozent die RLB Holding registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung OÖ. Nähere Details sind im Internet unter www.rlbooe.at/impressum a brufbar. • Vorstand: Dr. Heinrich Schaller, Mag. Michaela Keplinger-Mitterlehner, Mag. Stefan Sandberger, Mag. Reinhard Schwendtbauer, Mag. Markus Vockenhuber • Konzept und Produktion: PG The C orporate Publishing Group GmbH (CPG), Zelinkagasse 6, 1010 Wien, Tel.: +43/1/405 46 40-762, s .wagner@cpg.at • Für den Inhalt verantwortlich/Chefredaktion: Wolfgang Aschenwald und Alexandra Stefanov (Corporates), Mag. Carola Berer (Konzern- © phonlamaiphoto – stock.adobe.com marketing) • Inhaltliche Rückfragen und Anregungen: Alexandra Stefanov, alexandra.stefanov@rlbooe.at, Tel: +43 732 6596 23113 • Bestellung oder Abbestellung des Magazins: business@rlbooe.at • Beratung: Mag. Stefan Schatz/CPG • Autoren dieser Ausgabe: Mag. Harald Fercher, Mag. Markus Mittermüller, Mag. Robert Prazak, Mag. Leo Szemeliker • Layoutkonzept: CPG • A rtdirection: G erald Fröhlich/CPG • Lektorat: Mag. Charlotte Babits • Redaktionsmanagement: Silvia Wagner/CPG • Geschäftsführung CPG: Markus Wagner, Tel.: +43/1/405 46 40-768, m.wagner@cpg.at • Druck: Paul Gerin GmbH & CoKG, 2120 Wolkersdorf • Coverbild: iStock Offenlegung nach § 25 Mediengesetz: Herausgeber, Medieninhaber und Verleger: R aiffeisenlandesbank Oberösterreich Aktiengesellschaft, Europaplatz 1a, A-4020 Linz. Grundlegende Richtung und Blattlinie: business ist das Finanzmagazin der Raiffeisenlandesbank OÖ und beleuchtet wichtige Finanz- und W irtschaftsthemen. Das Magazin informiert über interessante Chancen und Entwicklungen, nützliche Services und zahlreiche Best-Practice-Beispiele. Es ist politisch unabhängig und b ekennt sich zur sozialen Marktwirtschaft und zur Integration in Europa. Im Sinne leichterer Lesbarkeit werden geschlechtsspezifische B ezeichnungen meist nur in ihrer männlichen Form angeführt. Satz- und Druckfehler vorbehalten. 04 business
© xxxx, Sunny studio – stock.adobe.com, Getty Images/iStockphoto, Schreinerkastler und cetus Baudevelopment Die vorbereitete Bank. 10 06 24 28 20 business 05
INNOVATION „INNOVATION IST, WENN DER MARKT HURRA SCHREIT“ Text: Harald Fercher Erfindungen werden erst dann zu Innovationen, wenn sie sich am Markt durchsetzen. Österreich hat eine lange Tradition mit vermarktbaren Ideen und schickt sich gerade an, wieder an die Weltspitze vorzustoßen. E in Kleber, der nicht klebt. Wer zum Teufel Voraussetzungen, um der österreichischen Stahlindustrie die Zukunft zu braucht so etwas? Nun sicher nicht jene sichern. Klar ist hingegen, dass der Bedarf infolge des Wiederaufbaus Forscher, die eigentlich an einem wir- mehr als rasant steigen wird. Das größte Problem: Das österreichische kungsvolleren, stärkeren und noch kräfti- Schrottaufkommen reicht nicht aus, um mit den damals herkömmlichen geren Kleber gearbeitet haben. Allein: Der Kleber, Methoden wie dem Siemens-Martin-Verfahren oder dem Elektroverfah- der nicht klebt, sondern nur ein Zettelchen vorüber- ren auch nur annähernd den Bedarf zu decken. Neue Ideen müssen her, gehend mit einem glatten Untergrund verbindet, um den gerade erst den Fängen der deutschen Kriegsindustrie entrisse- wurde zu einem Bestseller. Er bescherte jener Fir- nen Stahlwerken in Oberösterreich und der Steiermark das ökonomische ma, deren Mitarbeiter ihn erfunden haben, viele Um- Überleben zu sichern. satzmilliarden. Noch heute ist das Produkt eines der Die Lösung: das Linz-Donawitz-Verfahren (oder kurz: LD-Verfahren). Eine meistverkauften rund um den Globus. Innovation, die auf vorangegangene Forschungen und Entwicklungen Aus der Not eine Tugend machen. Wir schreiben das aufbaut, diese perfektioniert und am Ende die Stahlerzeugung revolutio- Jahr 1948: In Österreich fehlt es an Energie bzw. Ma- niert. Anfang 1953 wird in Linz weltweit das erste LD-Stahlwerk offiziell terial zur Energieerzeugung. Auch Stahlschrott gibt es eröffnet, im Mai desselben Jahres wird bereits das zweite LD-Werk in kaum. Billiges Eisenerz ist vorhanden, der steirische Donawitz in Betrieb genommen. In der Folgezeit wächst die österreichi- Erzberg hat genug davon. Trotzdem nicht die besten sche Stahlindustrie „(...) schneller als die im übrigen Westeuropa. Da- 06 business
Erfindergeist ist gefragt. Zur Innovation wird eine Erfindung erst, wenn sich die Idee am Markt durchsetzt. durch verdoppelte sich fast der österreichische Anteil an der westeuropäischen Stahlproduktion“, heißt es IN ÖSTERREICH IST DIE KO in einer Publikation der voestalpine zur Entwicklung des LD-Verfahrens. Noch heute wird das Verfahren in OPERATION MIT HOCHSCHULEN den meisten Stahlwerken der Welt eingesetzt. STARK AUSGEPRÄGT. Innovation ist, wenn der Markt Hurra schreit. „OPEN INNOVATION – STRATEGIE FÜR ÖSTERREICH“ Zwei Beispiele für Ideen, die die Welt, wenn schon nicht verändert, so zumindest beeinflusst haben. © Sunny studio – stock.adobe.com Zwei Beispiele, die zeigen, was eine Innovation aus- macht. Eine Innovation ist nicht lediglich eine Erfin- Zurück nach Österreich, diesmal ins Jahr 1958. In diesem Jahr kehrt dung. Zur Innovation wird die Erfindung oder eine einer der Väter des LD-Verfahrens an die Stätte seiner Ausbildung zu- Idee erst dann, wenn sich diese Idee am Markt durch- rück. Herbert Trenkler, zuvor Hüttendirektor der VÖEST – wie die heutige setzt. Oder, wie es ein anonymer Zeitgenosse einmal voestalpine AG damals noch hieß – in Linz, wird Ordinarius für Eisenhüt- formuliert hat: „Innovation ist, wenn der Markt Hurra tenkunde an der Montanuni Leoben. Er setzt jene Tradition fort, für die schreit.“ die kleinste technische Uni Österreichs noch heute weit über die Gren- Die vorbereitete Bank. business 07
INNOVATION Doch nicht nur die Montanuni, auch andere österreichische Universitäten erfreuen sich, wenn es ums Thema Innovation geht, großer Beliebtheit. In dem Strategiepapier der österreichischen Bundesregierung „Open Innovation – Strategie für Österreich“ heißt es: „Stark ausgeprägt ist (hier) vor allem die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Wissen- schaft, insbesondere mit Hochschulen: Österreichische Unternehmen arbeiten doppelt so oft (22 Prozent ) wie der EU-Durchschnitt (11 Pro- zent) mit Hochschulen zusammen.“ Vermarktung verschlingt Milliarden Kooperation als Schlüssel zum Erfolg. Innovationen, vor allem deren Post-it: Etablierung am Markt, kosten Geld – viel Geld. Wie viel Geld in der globa Vor fast 40 lisierten Welt mitunter investiert wird, um eine Innovation zu vermarkten, J ahren wurde zeigt das Beispiel Apple. In einem einzigen Jahr (2015) hat der Compu- einer der fünf terkonzern 1,8 Milliarden US-Dollar in Werbung für seine iPhones, iPads, gebräuchlichsten etc. investiert. Zum Vergleich: Der steirische Chiphersteller ams, dessen Büroartikel der Produkte auch in den iPhones stecken, erzielte 2017 einen Umsatz von Welt erfunden. 1,2 Milliarden US-Dollar. Früher war das Unternehmen übrigens unter Aus Versehen. dem Namen austriamicrosystems bekannt. Der Oberösterreich-Konnex: Gegründet wurde austriamicrosystems 1981 als Joint Venture der voest alpine mit dem US-Elektronikkonzern American Microsystems. Zurück zu Apple: Noch mehr Geld – nämlich 12,7 Milliarden US-Dollar – investiert Apple jährlich in Forschung und Entwicklung (F&E). Summen, ES BESTEHT NOCH POTENZIAL die von der klein- und mittelständisch dominierten Unternehmenswelt in Österreich beim besten Willen nicht aufzutreiben sind. Das spiegelt sich BEI DER STEIGERUNG DES im jährlichen Ranking der innovativsten Unternehmen des renommierten US-Wirtschaftsmagazins Forbes wider: Unter den 100 gelisteten Unter- INNOVATIONSOUTPUTS. nehmen ist kein einziges aus Österreich zu finden. Aber auch keines aus Deutschland. Angeführt vom Cloud-Computing-Unternehmen Service- ÖSTERREICHISCHER FORSCHUNGS- UND TECHNOLOGIEBERICHT Now, wird die Liste von US-Companies dominiert, die bestgelistete Firma aus Europa liegt auf Platz 29 – und gehört dem Luxuslabel Hermès. Andererseits erlauben die KMU-dominierte Struktur und der Fokus auf zen Österreichs bekannt ist: das Zusammenspiel zwi- schmale Nischen auch kaum rot-weiß-rote Sprenkel im Forbes-Ranking. schen Wissenschaft und Forschung auf der einen Die Voraussetzung fürs Listing heißt: ein Unternehmenswert von mindes- sowie Wirtschaft und Industrie auf der anderen Seite. tens zehn Milliarden US-Dollar und sieben veröffentlichte Jahresge- Mit mehr als 400 Industriepartnern weltweit und zahl- schäftsberichte in Folge. Österreichs oft familiengeführte Unternehmen reichen Partnerschaftsabkommen mit führenden setzen aber selten auf Börsennotierung, sondern lieber auf ein anderes Universitäten und Forschungsinstituten zählt die Instrument: Kooperation. Eine Möglichkeit, die an Attraktivität gewinnt – Montanuni zu den bestens vernetzten Universitäten zeigen zumindest die Fakten. „In den vergangenen beiden Jahrzehnten Österreichs. Eine Innovationsbrutstätte par excel- hat sich die Anzahl österreichischer Unternehmen mit Innovationskoope- lence, wie man so sagen würde. rationen auf 22 Prozent aller Unternehmen, das entspricht 51 Prozent der innovationsaktiven Unternehmen, mehr als verdoppelt“, heißt es in der Studie „Open Innovation“. Das stimmt zuversichtlich, noch zuversichtlicher stimmt allerdings die Höhe der Mittel, die hierzulande in Forschung und Entwicklung fließen. 12,34 Milliarden Euro sollen es nach einer Schätzung der Statistik Austria heuer werden. Ein Plus von 5,6 Prozent gegenüber 2017. Österreichs © Fotolia, Hartwig Zögl, beugdesign – stock.adobe.com Forschungsquote (F&E-Investitionen im Verhältnis zum BIP) steigt damit neuerlich auf mittlerweile 3,19 Prozent. Mit 3,09 Prozent war die Alpen- republik schon 2016 hinter Schweden (3,25 Prozent ) Vizeeuropameister und weltweit die Nummer sieben. Österreich zählt damit zu den forschungsintensivsten Ländern der Welt und ist in diesem Teilindikator für Innovation längst in die Gruppe der so- genannten „Innovation Leader“ aufgestiegen. Auch bei einem anderen Indikator, der Anzahl internationaler Patentanmeldungen, hat sich Öster- 12,34 Milliarden reich deutlich verbessert. Übrigens, was glauben Sie, in welchem Bun- Euro fließen in desland 2017 die meisten Erfindungen eingetragen wurden? Richtig, Österreich in Oberösterreich führt mit 610 Erfindungen. (Details siehe Grafik – Quelle: F&E-Projekte. Österreichisches Patentamt). 08 business
INNOVATION EU-INNOVATIONSRANKING Im European Innovation Scoreboard (EIS) wird anhand von 27 Indikatoren die Entwicklung der Innovationstätigkeit in den EU-Mitgliedsstaaten gemessen. Die folgende Tabelle zeigt den aus den Indikatoren errechneten Gesamtscore der einzelnen Länder. Zur besseren Lesbarkeit wurden alle Werte mit 100 multipliziert. 1 SCHWEDEN 71,0 11 FRANKREICH 55,1 2 DÄNEMARK 66,8 12 SLOWENIEN 46,5 3 FINNLAND 64,9 13 TSCHECHIEN 41,5 14 PORTUGAL 40,6 4 NIEDERLANDE 64,8 15 MALTA 40,3 5 VEREINIGTES KÖNIGREICH 61,3 16 SPANIEN 40,0 6 LUXEMBURG 61,1 17 ESTLAND 39,7 18 ZYPERN 38,6 7 DEUTSCHLAND 60,3 19 ITALIEN 37,1 20 LITAUEN 35,9 8 BELGIEN 59,3 9 IRLAND 58,5 21 UNGARN 33,2 22 GRIECHENLAND 32,8 10 ÖSTERREICH 57,9 23 SLOWAKEI 32,3 24 LETTLAND 28,5 25 POLEN 27,0 26 KROATIEN 25,8 27 BULGARIEN 22,9 28 RUMÄNIEN 15,7 Quelle: European Commission, European Innovation Scoreboard 2018 https://ec.europa.eu/growth/industry/innovation/facts-figures/scoreboards_en Ein „Alzerl“ fehlt noch. Förderquote, Patente und Er- beiden davor platzierten Ländern. Es fehlt also nur mehr ein kleines biss- findungen sind die eine Seite der Medaille, um in allen chen, ein „Alzerl“, wie man in Oberösterreich sagen würde, um an die Scannen Sie Innovationsbereichen in die Liga der „Innovation Lea- Spitze zu kommen. Wo dieses bisschen zu finden ist, beschreiben die den QR-Code der“ aufzusteigen, braucht es aber noch mehr. Die Autoren des Österreichischen Forschungs- und Technologieberichts und sehen Sie Alpenrepublik befindet sich allerdings auf dem besten 2018 folgendermaßen: „Auf der anderen Seite ist diese Dynamik (noch) das Ranking der Weg und hat sich im European Innovation Score- nicht in allen Teilen des gesamtwirtschaftlichen Innovationsprozesses weltweit innova- board erfolgreich in der Gruppe der „Strong Innova- gleichermaßen festzustellen. So bestehen noch Potenziale zur Steige- tivsten Unter- tors“ etabliert. In der seit 2010 von der Europäischen rung des Innovationsoutputs. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, nehmen: Kommission alljährlich veröffentlichten Untersuchung dass es oft einen längeren Zeitraum braucht, um höhere Inputs in höhere zur Innovationskraft ihrer Mitgliedsländer hat sich die Innovationsoutputs umzusetzen.“ Auf gut Deutsch: Das Hurra des Mark- österreichische Punktezahl um neun Prozent erhöht. tes zu Innovationen „made in A“ muss noch etwas lauter werden. Der EU-Schnitt liegt bei einer Verbesserung von 5,8 Übrigens, der Kleber, der nicht kleben wollte, war die Grundlage für den Prozent. Im 2018er-Ranking ist Österreich zwar wie- weltweiten Siegeszug der Post-it-Haftnotizen – erfunden von den der von Platz sieben auf zehn zurückgefallen, befindet Forschern der US- Firma 3M (mehr zur Geschichte finden Sie hier: sich aber punktezahlmäßig auf Augenhöhe mit den http://bit.ly/2KeZnhc). •• Die vorbereitete Bank. business 09
INDUSTRIE UND HANDEL 4.0 VON NULLEN UND EINSERN Das Jausensackerl wird via App zusammengestellt und die Fabriksmaschine schlägt selbst vor, wie sie effizienter arbeiten könnte. Die Digitalisierung wird Industrie und Handel tiefgreifend verändern. Schon jetzt zeigen innovative Vorreiter, wohin die Reise geht. Text: Markus Mittermüller Die vierte industrielle R evolution ist zum Greifen nahe. Künftig könnten sich Maschinen selbst a nalysieren und eigenständig Maßnahmen zur Effizienz steigerung vornehmen. D ie „denkende Fabrik“ ist die Zukunft: Die Produktion analy- siert sich dabei selbst – sämtliche Produktionsschritte, den Output oder die dafür verbrauchte Zeit – und schlägt von sich aus vor, was alles davon optimiert werden kann. Laut Experten wird es noch rund fünf Jahre dauern, bis diese sogenannten „Vorschlagssysteme“ auch tatsächlich breit eingesetzt werden kön- nen. Doch schon heute sind Industrie und Handel ohne Digitalisierung, STIWA: Daten in Vernetzung und Automatisierung undenkbar. Was unter dem Begriff aussagekräftige Industrie 4.0 respektive Handel 4.0 firmiert, zielt auf höhere Produkti- Analysen um- vität und Flexibilität, mehr Innovation und geringeren Ressourcenver- wandeln. brauch. Wie diese vierte industrielle Revolution in der Praxis aussieht, zeigt etwa die STIWA Group vor, ein führendes Unternehmen im Be- reich Produkt- und Hochleistungsautomation. Maik Hering ist Produktmanager am Standort H agenberg, wo die STIWA Group INDUSTRIE 4.0 HEISST: DIE ihren Geschäfts- bereich Manu- RICHTIGE INFO ZUR RICHTIGEN facturing S oftware an ZEIT AN DER RICHTIGEN STELLE. gesiedelt hat. MAIK HERING, STIWA GROUP 10 business
Robert S choßleitner SCHON 1992 WUSSTEN WIR: verantwortet den Geschäfts- DIE DATEN AUS UNSEREN bereich Manu- facturing MASCHINEN SIND ESSENZIELL. S oftware der ROBERT SCHOSSLEITNER, STIWA GROUP STIWA Group.. haben wir erkannt, dass die Daten, die in unseren Maschinen entstehen, von essenzieller Bedeutung sind. Unser Ziel war, alle Bewegungen daten- © STIWA Group, phonlamaiphoto - stock.adobe.com technisch erfassen und analysieren zu können“, erklärt Robert Schoß leitner, Leiter des Geschäftsbereichs Manufacturing Software. Diese Weit- sicht hat sich ausgezahlt. „Heute erfassen wir mit unserer Software eine Vielzahl von Daten, die sich mit aktuellen Technologien in aussagekräftige Analysen umwandeln lassen“, so Schoßleitner. Was das tatsächlich Softwareentwicklung im Fokus bringt? „Mit unserer Lösung lassen sich Probleme in der Produktion Bereits im Jahr 1992 haben die Oberösterreicher, die schnell eingrenzen, identifizieren und beheben. Das kann beispielsweise heute in Attnang-Puchheim komplexe Anlagen für bei Rückrufaktionen in der Automotive-Industrie von großer Bedeutung Autohersteller oder die Leichtindustrie herstellen, einen sein“, erklärt Schoßleitner. Standort im Softwarepark in Hagenberg gegründet Zumal vor knapp zwei Jahren ein völlig neues Analysewerkzeug in Ha- und auf Softwareentwicklung gesetzt. „Schon damals genberg entwickelt wurde und seither bei STIWA zum Einsatz kommt. Die vorbereitete Bank. business 11
INDUSTRIE UND HANDEL 4.0 „Früher hatten wir starre, standardisierte Berichte mit den Daten von genau einer Anlage. Einige PDF-Seiten, die an sämtliche Personen im Unternehmen gingen“, erinnert sich Produktmanager Maik Hering. Diese Zeit ist mit dem AMS Analysis-CI getauften Softwaretool endgültig vorbei. „Industrie 4.0 bedeu- tet, die richtige Information an der richtigen Stelle im Unternehmen zum richtigen Zeitpunkt verfügbar zu machen“, erklärt Hering die heutigen Anforderungen. Und das funktioniert mittels „Selfservice“. Egal ob Geschäftsführer, Produktionsplaner oder Experte für die Qualitätssicherung – jeder kann sich jene Daten, die für ihn relevant sind, mit wenigen Klicks selbst zusammenstellen. Und das nicht nur für sämtliche Anlagen im Werk – sondern auch für die dort produ- zierten Teile, die einzeln bewertbar sind. Innovationskette Auf dem Campus WU begeistert der Digital Der digital befeuerte Modernisierungsschub hat Leadership Store die Wiener Studenten seit 2016. längst auch das produzierende Gewerbe erfasst. Die Günzburger Steigtechnik GmbH ist ein gutes Beispiel, wie schlaue Unternehmer schon jetzt die Weichen für wickelt wie strategische Projekte zur nachhaltigen Zukunftssicherung. die Technologien von morgen stellen. Der bayrische Als erster inhabergeführter Mittelständler hat sich Günzburger Steigtech- Spezialist für Leitern, Roll- und Klappgerüste sowie nik auch am Technologiezentrum Augsburg beteiligt, wo sich Hightech- Rettungstechnik, Podeste und Sonderkonstruktionen Industriekonzerne und Forschungsinstitute begegnen. „Wir sind ständig stach schon bisher durch seinen Erfindungsreichtum auf der Suche nach neuen Technologien, damit unsere Steigtechnikpro- hervor. Mehrfach wurde das Unternehmen mit Nie- dukte noch leichter, noch ergonomischer und immer noch besser wer- derlassung nahe Vöcklabruck in seiner 120-jährigen den. Daher müssen wir offen sein für neue Werkstoffe, neue Antriebs- Firmengeschichte für seinen Innovationsgeist ausge- und neue Verbindungstechniken. Dieses Streben nach innovativen Ideen zeichnet, 2018 wurde es bereits zum vierten Mal in die für die Zukunft vereint alle Mieter im TZA. Und genau das macht dieses Top-100-Innovatoren im deutschen Mittelstand ge- Netzwerk so spannend“, erklärt Ferdinand Munk, Geschäftsführer der reiht. Mit Jahresbeginn hat das Unternehmen ein Günzburger Steigtechnik. ganz besonderes Projekt ins Leben gerufen: die Inno- vationswerkstatt, die Kompetenzen interner und ex- Digital Leadership Store terner Experten bündelt, neue Produkte ebenso ent- Für neue Ideen ist auch der Handel offen, individueller „Selfservice“ steht besonders hoch im Kurs. Bereits vor Jahren hat Spar Selbstbedienungs- kassen – die sogenannten Self-Checkouts – eingeführt. Mittlerweile nut- Günzburger zen zwischen 25 und 45 Prozent der Kunden die Möglichkeit – an 40 S teigtechnik: Der Standorten in ganz Österreich. Ein erster Schritt zum Supermarkt der Zu- Familienbetrieb kunft. Wie dieser aussehen könnte, zeigt der Digital Leadership Store am setzt auf Inno- Campus der Wirtschaftsuniversität Wien. vation. © Günzburger Steigtechnik, WU, HERTHA HURNAUS, Hersteller, Spar-Gruppe Ferdinand Munk treibt als G eschäftsführer des Familien betriebes G ünzburger Steigtechnik I nnovationen voran. 12 business
Im Frühjahr 2019 soll der Store 2.0. seine P forten auch auf dem Campus der Johannes Kepler Universität (JKU) öffnen. Mit der „Snack away“-App können nicht nur IM DIGITAL INNOVATION FORUM Studenten ihre WERDEN NEUE TECHNOLOGIEN Symbolbild Weckerl via Smartphone ZUSAMMENGETRAGEN konfigurieren, HANS K. REISCH, VORSTANDSDIREKTOR SPAR-GRUPPE bestellen und bezahlen. Entstanden sind diese Einkaufslösungen der Zukunft sen zur Abholung bereit, wer an den Self-Checkouts bargeldlos bezahlt, im Rahmen einer Forschungskooperation mit dem sitzt binnen weniger Minuten wieder im Hörsaal“, so Alois Huber, Spar- Institut für Handel und Marketing der WU Wien und Geschäftsführer für Ostösterreich. Wie viel zu bezahlen ist, zeigen elek dem Digital Innovation Forum von Spar. „Spar hat die- tronische Preisetiketten. Diese Form der Preisauszeichnung nennt sich ses Forum eingerichtet, in dem Mitarbeitende aus ESL.inclusive und ist eine Schienenlösung, durch die bis zu sieben Eti- Vertrieb, Marketing, IT und unterschiedlichsten ande- ketten von einer Batterie mit Strom versorgt und Aktionen und Rabatte ren Bereichen außerhalb üblicher Organisationsstruk- für Kunden deutlicher sichtbar gemacht werden. turen neue Technologien zusammentragen, ihre Ein- Aber auch das Sortiment selbst ist im Umbruch. Die Initiative „Young & satztauglichkeit bei Spar bewerten und bis zum Urban by Spar“ fördert kreative Jungunternehmer, Food-Start-ups wie Prototyp entwickeln. Mit diesem internen Thinktank Fritz Kola, Club Mate, Veganz oder Neni haben mit dieser Initiative schon können wir frühzeitig Trends erkennen und mit viele treue Käufer gefunden. Die nächste Generation, wie das öster tragen“, erklärt Hans K. Reisch, Vorstandsdirektor für reichische Protein-Eis „Frozen Power“ oder NEOH CrossBar, ein fast Finanzen und Filialen. zuckerfreier Fitnessriegel, steht ebenfalls schon im Regal. App stellt Weckerl zusammen Maschine lernt von selbst Der Spar-Markt am Campus WU hat sich aufgrund In welche Richtung entwickelt sich der digitale Pfad weiter? Im Handel Scannen Sie des studentischen Publikums vor allem auf Snacks legt man einen Fokus auf den Ausbau der Onlineshops – derzeit sind bei den QR-Code, und Convenience-Artikel spezialisiert. Das Problem Spar über 20.000 Artikel bestellbar – und des dazugehörigen Vertriebs. um herauszu dabei: Bei Vorlesungsschluss oder -pausen waren Die Industrie setzt auf weltweite Datenverknüpfung. „In zwei Jahren wird finden, wie Ihr Warteschlangen an der Frischetheke und im Kassen- es so weit sein, dass die Maschine aus ihrem Datenbestand automati- digitales Weckerl bereich unvermeidlich. Bis eine digitale Lösung Ab siert lernt“, ist STIWA-Mann Maik Hering überzeugt. Das heißt dann schmeckt: hilfe schuf. „Snack away“ heißt die App, mit der User etwa: Schon bevor ein Defekt an einer Anlage auftritt, wird eine voraus- ihr Weckerl nach eigenen Wünschen am Smartphone schauende Wartung durchgeführt. Und gleichzeitig analysiert, ob das zu konfigurieren, bestellen und kurz darauf in der Filiale produzierende Teil nicht in einer anderen Niederlassung schneller und abholen. Zur Auswahl stehen dabei nicht weniger als ressourcenschonender hergestellt werden könnte. Der Strom aus Nullen 3.000 Variationen. Zusätzlich können Säfte, Obst und und Einsen, auf dem schlussendlich die ganze Digitalisierung basiert, ist andere Snackartikel geordert werden. „Das fertige damit der neue Treibstoff, der den Motor der Wirtschaft auch nach dem Jausensackerl steht im Kühlbereich neben den Kas- fossilen Zeitalter am Laufen hält. •• Die vorbereitete Bank. business 13
GELD GELD LEBT VOM VERTRAUEN G Vor knapp 3.000 Jahren hat Geld den Tauschhandel eld gab es eigentlich immer. Erst in Form von tauschbaren Gütern wie Fellen und Lebensmitteln, später in Form von abgelöst und die Wirtschaft revolutioniert. Die Digitali- Kostbarkeiten wie zum Beispiel Perlen oder Muscheln (was sierung stellt Münzen und Scheine trotzdem infrage: auch prompt den ersten Fälschungsskandal initiierte – aber Bargeld ist für das moderne Leben viel zu langsam das ist eine andere Geschichte). König Krösus von Lydien hat dann ca. 700 vor Christus das Münzgeld erfunden und damit die Wirtschaft erst geworden. Aber was ist die Alternative? richtig in Schwung gebracht (die Geschichte des Geldes gibt es auf Text: Harald Fercher der Seite der OeNB – Link: https://www.oenb.at/Ueber-Uns/Geldmu- seum/publikationen/Geschichte-des-Geldes.html). Die Grundlage des modernen Währungssystems war geschaffen. Digitale Bankdienstleistungen beliebt 3.000 Jahre später ist alles anders. Die Ausgabe von Bargeld wird in frage gestellt, IT-Spezialisten schaffen digitale Kryptowährungen und Banken feilen an individuellen Bankstrategien mit höchster Kunden orientierung: „Die Digitalisierung betrifft inzwischen so gut wie alle Lebensbereiche. Die Mobilität unserer Kundinnen und Kunden ist heute wesentlich höher als früher und damit steigen sowohl das Bedürfnis als auch die Bereitschaft, immer mehr finanzielle Angelegenheiten digital abzuwickeln“, argumentiert etwa Waltraud Perndorfer, Geschäftsbe- reichsleiterin PRIVAT BANK der Raiffeisenlandesbank OÖ. „Wir setzen auf modernste digitale Bankdienstleistungen und stellen fest, dass deren Waltraud Nutzung ein massives Wachstum erfährt.“ Als Beispiel nennt sie das P erndorfer, innovative Onlinebanking-Portal „Mein ELBA“: „Dieses neue Finanzpor- © PRIVAT BANK, iStock Geschäfts- tal bietet neben maximalem Komfort auch Sicherheit und Schnelligkeit. bereichsleiterin So können zum Beispiel bequem von zu Hause aus rund um die Uhr PRIVAT BANK Überweisungen und Wertpapiertransaktionen getätigt, der aktuelle der Raiffeisen- Finanzstatus abgefragt und Portfolioanalysen erstellt werden. Moderne landesbank OÖ. Apps bieten darüber hinaus Zugang zum Electronic Banking am Smart- 14 business
Heute wie damals: Vertrauen ist der Schlüssel zu einer langfristigen P artnerschaft auf Augen höhe und somit Basis für Geldgeschäfte – ob a nalog oder digital. IMMER MEHR FINANZIELLE Kryptowährungen sind kein Geldersatz Aber egal, ob Kartenzahlung, Internetüberweisung vom Bankkonto, E- ANGELEGENHEITEN WERDEN Commerce-Zahlung, Instant Payment oder Person-to-Person-Bezahl lösung (P2P Payment): Bezahlt wird wohl weiterhin in traditionellen Wäh- DIGITAL ABGEWICKELT. rungen. Der im Vorjahr ausgebrochene Hype um Bitcoin und andere Kryptowährungen ist nach einer atemberaubenden Berg- und Talfahrt WALTRAUD PERNDORFER, LEITERIN PRIVAT BANK DER RLB OÖ der Kurse – mit einer beispiellosen Steigerung von 1.800 Prozent in knapp einem Jahr samt ebenso rasantem Absturz kurze Zeit später – und ein paar handfesten Betrugsskandalen wieder abgeflaut. Experten waren schon vorher sicher, dass die digital erschaffenen Währungen kaum als phone mit b esonderen Zahlungsverkehrsfunktionen futuristischer Ersatz von Euro, Dollar & Co. taugen. und der Möglichkeit, unkompliziert und in Echtzeit Zahlreiche Studien von Wirtschaftsinstituten und Universitäten kommen Geld von Smartphone zu Smartphone zu versenden.“ daher zum Schluss, dass aus volkswirtschaftlicher Sicht schon das Schnelligkeit wird im Geldverkehr ohnehin immer Design der Kryptowährungen ungeeignet ist, um darauf ein Geld- oder wichtiger. Raiffeisen hat bereits reagiert und bietet als Währungssystem aufzubauen. Zu unsicher ist die Kursentwicklung, eine der ersten Banken Europas die sekunden- durch das Fehlen einer beaufsichtigenden Nationalbank ist der Speku schnelle Raiffeisen Express Überweisung auf Basis lation Tür und Tor geöffnet. QR-Code scannen des SEPA-Instant-Payment-Standards an, die seit und alles über Ende 2017 auch im Onlinebanking („Mein Elba“) zur Digitale Services als komfortable Ergänzung die Raiffeisen Verfügung steht und den gleichen Sicherheitsstan- Bitcoin & Co. verfehlen damit die Grundvoraussetzung, um sich als Geld Express dards wie eine SEPA-Überweisung unterliegt. In der zu eignen: das Vertrauen in seinen Wert. Wegen der zentralen Bedeutung Ü berweisung neuen Version von ELBA-business/-kompakt ist die dieser gefühlten Sicherheit werden auch die Banken ihre bisherige zen e rfahren: Expressüberweisung jetzt auch für Firmenkunden trale Rolle beibehalten. Und neben praktischen Services, Innovationen verfügbar. von Fintechs und Robo-Advisors (automatisierte Anlageberater) auch Die Raiffeisenlandesbank OÖ wird den Zahlungs das gute alte Servicegespräch anbieten. Oder – wie es PRIVAT-BANK- verkehr in den kommenden Jahren weiter revolutio- Chefin Perndorfer formuliert: „Die PRIVAT BANK versteht sich als ver- nieren und ermöglicht beispielsweise schon jetzt lässlicher Begleiter und vor allem persönlicher B erater ihrer Kunden. schnelle und sicher durchführbare In-App-Käufe und Modernste Banktechnologien werden selbst verständlich eingesetzt, -Verkäufe von KEPLER-Fondsanteilen. oberste Priorität hat aber immer die persönliche Betreuung.“ •• Die vorbereitete Bank. business 15
INNOVATIONSREISE DATEN STATT WORTEN Über die Notwendigkeit der digitalen Transformation sind sich alle einig. Ein Problem könnte das Tempo sein: Zwischen den sich rasant entwickelnden technolo gischen Möglichkeiten und der konkreten Umsetzung in Unternehmen klafft mitunter eine Lücke. Die Linzer Start-up-Szene könnte diese schließen. Text: Uschi Sorz 16 business
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INNOVATIONSREISE Ö sterreich soll zu den international füh- ist es, neue Technologien zu forcieren, Innovationen voranzutreiben und renden digitalen Wirtschaftsstandorten Forschung und Ideenreichtum zu stärken“, so die Ministerin. gehören“, hält die digitale Roadmap der Bundesregierung fest. Das will auch die Strategien gefragt Ministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstand- Ein Statement, das bei Wirtschaftstreibenden gut ankommt. Immerhin ort Margarete Schramböck. Für die Digitalisierung möchte laut einer im Juni vom Beratungsunternehmen Deloitte präsen- des Landes hat ihr Ressort in den nächsten fünf tierten Studie im kommenden Jahr die Hälfte der befragten österreichi- Jahren 100 Millionen Euro zur Verfügung. „Das ist schen Unternehmen in robotergesteuerte Prozessautomatisierung inves- ein wichtiges Signal“, betonte sie bei ihrer ersten tieren. Weitere 37 Prozent können sich eine mittelfristige Investition in Budgetrede im Parlament. Im Wirtschaftsbereich diesem Bereich vorstellen. Gerhard Marterbauer, Partner bei Deloitte etwa gehe es um eine nachhaltige Unterstützung Österreich: „Die heimischen Finanzchefs konzentrieren ihre Investitions- der Unternehmen. Schließlich sind bis 2023 gerade bereitschaft auf den digitalen Fortschritt und versprechen sich davon vor in Wirtschaft und Industrie die größten Umbrüche allem effizienzsteigernde Effekte.“ durch die digitale Transformation zu erwarten, so Allerdings hatte noch im Vorjahr die Studie „Supply Chain 4.0“ der TU das Ergebnis einer aktuellen Expertenbefragung Wien heimischen Firmen einen fehlenden Masterplan für die Digitalisie- (Delphi-Studie) des Centre for Informatics and rung bescheinigt. Befragt hatte man 40 namhafte Industrieunternehmen. Society der TU Wien. „Obwohl durchschnittlich 86 Prozent ihre IT-Budgets erhöht haben, hat Tatsächlich präsentierte Schramböcks Ministerium im nur etwa die Hälfte davon einen konkreten Digitalisierungsplan“, konsta- Juni eine eigene Digitalisierungsagentur (DIA), die in tierte man damals am Institut für Fertigungstechnik und Hochleistungs- enger Abstimmung mit in allen Ressorts installierten lasertechnik der TU. Problematisch sei etwa die mangelnde Bereitschaft, Chief Digital Officers agiert. Sie solle auch Impulsge- Prozess- und Maschinendaten mit Anlieferern zu teilen. „Diese stellen ber für die digitale Transformation der Wirtschaft sein. jedoch die Grundlage für eine optimale Lieferkette dar.“ Ein Manko, das In den Handlungsfeldern digitale Infrastruktur, Wirt- etwa die WKO OÖ beheben will: Auf der von ihr initiierten Website schaft, Bildung & Gesellschaft, Forschung, Entwick- www.wkdigitalisierungskompass.at finden sich dazu Vorzeigebeispiele lung & Innovation sowie Datenschutz & Datenwirt- mit gelungenen Umsetzungen sowie die Möglichkeit, eine auf den eige- schaft schaffe die DIA eine Plattform zur Koordination nen Betrieb zugeschnittene Strategie-Checkliste zu erstellen. und Abstimmung unterschiedlicher Akteure. Und sie werde Anlaufstelle für nationale wie internationale Innovative Versicherungslösungen Digitalisierungsfragen sein. „Der Schlüssel zum Erfolg Zum Digitalisierungsvorreiter im Finanzsektor ist die Raiffeisenbanken- gruppe OÖ geworden. Die auf innovative Versicherungslösungen spe zialisierte Tochter RVM Versicherungsmakler etwa ist mit einer web basierten Softwarelösung der Konkurrenz voraus: „Wir haben iClaim für ZIEL: VERNETZUNG ALLER unsere Kunden zur effizienten und transparenten Schadenabwicklung entwickelt. Die digitale Plattform vernetzt alle Beteiligten im Schadenpro- BETEILIGTEN AUF EINER zess und beschleunigt die Kommunikationswege“, erklärt Markus Mühl- berger, Mitarbeiter von RVM/Select Versicherungsmakler. Das neue Pro- DIGITALEN PLATTFORM. gramm ist schon jetzt ein Erfolg: „Insbesondere Logistikunternehmen und Wohnbauorganisationen schätzen unsere Dienstleistung in diesem MARKUS MÜHLBERGER, RVM/SELECT VERSICHERUNGSMAKLER Bereich und vertrauen auf das bewährte Service. Das System ist flexibel und für jegliche Art der Abwicklung von Massenschäden interessant.“ Damit, so Mühlberger, sei eine papierlose und transparente Form der Schadenabwicklung möglich: „iClaim ist durch tagesaktuelle Abfragen und standardisierte Risikoberichte ein wesentliches Instrument zur Dokumentation und Steuerung des Risikomanagements. Diese selbst entwickelte Plattform hat sich zu einem wichtigen Bestandteil unserer breit gefächerten Dienstleistungspalette entwickelt. Banking trifft Gründerspirit Trotz des großen Erfolgs von iClaim bleibt keine Zeit, sich auf den Lor- beeren auszuruhen. Der Innovationsdruck bleibt auch in Zukunft hoch. Daher hat sich die Raiffeisenlandesbank OÖ letzten Herbst mit „think300“ Markus den idealen Reisebegleiter für den Weg in die digitale Zukunft zur Seite M ühlberger, geholt. „Wir wollen in puncto Digitalisierung ein Vorreiter sein“, erklärt M itarbeiter Barbara Wagner von der Raiffeisenlandesbank OÖ. „Und mit dieser Koo von RVM/Select peration ist eine tolle Win-win-Situation entstanden.“ Auf der einen Seite © Foto Strobl, RLB OÖ Versicherungs- steht das Know-how und seriöse Standing einer regional verankerten makler: „iClaim Bank mit hohem Kundenvertrauen. Auf der anderen eine lebendige Start- ist ein großer up-Szene, für die digitale Geschäftsmodelle zur Grundausstattung gehö- Erfolg.“ ren. Zudem bietet die Partnerschaft mit „think300“ Zugang zu dem Start- 18 business
RLB-OÖ-Vorstand Stefan Sandberger, Michaela Lindinger, CEO von think300, Barbara Wagner von der RLB OÖ und Michael Eisler, Vorstand von startup300. WIR WOLLEN BEI DER reite man in der Tabakfabrik den Boden. Hier wachse ein Ökosystem heran, in dem sich Start-ups, Unternehmen und Business Angels auf DIGITALISIERUNG EIN Augenhöhe begegnen. „Wir lernen voneinander und arbeiten miteinan- der zum wechselseitigen Nutzen.“ So kann echte Innovation entstehen. VORREITER SEIN. Startup Finance Manager Gibble als erstes gemeinsames Baby STEFAN SANDBERGER, VORSTAND RAIFFEISENLANDESBANK OÖ Das erste aus dieser Zusammenarbeit erwachsene Projekt steht kurz vor dem Abschluss: Im Frühjahr wird Gibble an den Start gehen. Die Lösung erleichtert Start-ups das für Fördergeber und Investoren nötige Re- porting, mit Gibble kann Business Angels in Echtzeit Einblick in Finanz- up-Ökosystem der startup300 AG sowie dem daten und Kennzahlen gewährt werden. „Gründer fokussieren oft auf Start-up-Campus „factory300“ am Areal der Linzer Produktentwicklung und Sales“, weiß Lehner. Für Investoren und Förde- Tabakfabrik. Wagner ist an ein bis zwei Tagen pro rer sei es aber wichtig, die „Vitalfunktionen“ ihrer Start-ups stets über- Woche vor Ort. „Die Atmosphäre ist voller Energie“, sichtlich und zeitnah parat zu haben. Und eine Voraussetzung, um im Kri- schildert sie. Dass Banker und Start-ups miteinander senfall keine wertvolle Zeit zu verlieren. „Zugleich macht die einheitliche diskutieren, gemeinsam an Events und Workshops Struktur der App die Reportings für uns Business Angels besser ver- teilnehmen und einander ihre Problemstellungen gleichbar“, so Michael Eisler, Vorstand von startup300. „Dieses Bench- vorlegen können, sei ein großes Plus. „Für uns mit marking ist unheimlich wertvoll.“ Umgekehrt bekämen die Start-ups mit unseren traditionellen, weisungsgebundenen Struk Gibble ein leicht zu bedienendes automatisiertes Reportingtool, das turen ist deren offene, kreative, oft visionäre Mentalität auch Möglichkeiten wie Vorschaurechnungen oder eine Cashbestand- und Agilität inspirierend.“ Start-ups seien typischer- Frühwarnfunktion enthält. Die Features der App gingen aus der Zusam- weise schnelle Entscheider, lösungszentriert, flexibel menarbeit zwischen think300 und der Bank hervor. „Ein gelungenes Bei- und praktisch permanent mit Produktoptimierung spiel, wie die Entwicklung innovativer Dienstleistungen im Zusammenspiel Einfach QR-Code beschäftigt. zwischen Corporate-Strukturen und Gründern funktionieren kann“, meint scannen und „Linz hat enormes Potenzial“, sagt Business Angel Eisler. Und streut der Bank Rosen: „Ein Kompliment an die Raiffeisenlan- einen ersten und Vorstand der startup300 AG Bernhard Lehner. desbank OÖ, die so freies Arbeiten ermöglicht hat.“ Blick auf Gibble Nämlich gut ausgebildete IT-Fachkräfte aus den um- Für die Bank sei dies ein erster Schritt in eine ausbaufähige Richtung, werfen: gebenden Schulen, Affinität zur Mechatronik und erklärt Wagner. „Wir halten etwa auch das Angebot von eigenen Banking- Materialwissenschaft und die hohe Kompetenz der Dienstleistungen auf einer Plattform gebündelt mit Lösungen durch Ko- Johannes Kepler Universität u. a. im Bereich künst operationen von Fintechs für sehr smart.“ Der Trend aus den USA zeige, liche Intelligenz und Machine Learning. „Wenn es ge- dass man Bankkunden durch maßgeschneiderte Vernetzung auf Basis lingt, all das noch stärker mit dem Thema Gründen zu leistungsfähiger Infrastruktur noch mehr Nutzungskomfort bieten könne. verknüpfen, haben wir die Chance, einen Leuchtturm Und das ist schließlich der eigentliche Zweck der Kooperation der Bank mit internationaler Reichweite zu schaffen.“ Dem be- mit innovativen Einrichtungen wie startup300. •• Die vorbereitete Bank. business 19
INTERVIEW: PATRICK KRAMER 20 business
INTERVIEW: PATRICK KRAMER UPDATE: MENSCH Wie die Digitalisierung den Menschen verändert, zeigt die immer engere Verbindung von Mensch und Maschine – ob durch digitale Assistenten, wie Siri auf dem iPhone oder Smart Speaker wie Alexa, die großflächig Einzug in den privaten Wohnraum halten. Im Interview mit einem der weltweit einflussreichsten Vordenker im Bereich digitale und biologische Transformation, Dr. Patrick Kramer, erfahren wir, dass die nächste Stufe der Digitalisierung unter die Haut geht. Text: Alexandra Stefanov Die vorbereitete Bank. business 21
INTERVIEW: PATRICK KRAMER H aben Sie ein Smartphone? Wenn ja, dürfen wir Ihnen gratulieren: Die Digitalisierung hat offiziell Einzug in Ihre Hosentasche gehal- ten! Vielleicht haben Sie auch schon über- legt, sich einen Smart Speaker namens Alexa anzu- schaffen, oder aber Sie verfügen bereits über einen Kühlschrank, der Ihnen mitteilt, was „Ihnen“ fehlt. Die Digitalisierung transformiert alles und macht nicht in unseren Hosentaschen oder Wohnzimmern halt. Die nächste Transformationsstufe wird den Zwischen- schritt über ein Smartphone nicht mehr benötigen – denn sie geht unter die Haut. Wie das Öffnen von Türen oder das Bezahlen an der Kassa in Zukunft aussehen könnte, erzählt uns Dr. Patrick Kramer im Interview, denn er erledigt solche Alltagsaufgaben schon lange nur mehr mit einer lässigen Handbe wegung. business: Den Begriff Cyborg kennt man vorrangig aus der Science-Fiction-Literatur und aus Holly- woodfilmen. Was genau macht Sie zum Cyborg? Patrick Kramer: Ich bin ein Cyborg, weil ich meh- rere Mikrochip-Implantate in meinem Körper habe. Man darf diesen Begriff aber jetzt nicht so wissen- schaftlich ernst nehmen. Er ist hauptsächlich durch Hollywood geprägt. Sobald wir an Cyborgs den- ken, haben wir den Sechs-Millionen-Dollar-Mann, Robocop oder Darth Vader vor Augen. Viele moder- ne Cyborgs dieser Zeit sind jedoch Menschen, die beispielsweise einen Herzschrittmacher haben oder aus medizinischen Gründen Implantate tra- gen. Bei einer Rentnerin mit künstlichem Hüftge- lenk würde man vermutlich nicht gleich an Robo- cop denken. Wenn ich mich also als menschlicher Cyborg bezeichne, ist das mit ein bisschen Augen- weil für uns ein Leben ohne Technologie nicht mehr möglich wäre. zwinkern zu verstehen. Aber die Entwicklung Und damit beziehe ich mich jetzt nur auf unsere Alltagstätigkeiten, wie schreitet rasant voran. Man denke an Prothesen, die Benutzung eines Smartphones oder das Autofahren. die mit dem menschlichen Nervengerüst verbun- den sind und über Gehirnschnittstellen kontrolliert business: Wann werden smarte Implantate nicht nur für Experten wie werden können. Das gab es vor ein paar Jahren Sie, sondern auch für die breite Gesellschaft normal sein? noch nicht. Wenn wir die Frage philosophisch be- Patrick Kramer: Weltweit befinden wir uns bei Menschen mit smarten trachten, sind wir im weitesten Sinn alle Cyborgs, Mikrochip-Implantaten bereits im sechsstelligen Bereich. Wenn ich mir anschaue, dass wir vor zwei, drei Jahren noch bei rund 20.000 waren, geht es rasch voran. Warum: Es gibt drei Dinge, die wir Menschen im- mer mit uns führen, sobald wir das Haus verlassen: Haustürschlüssel, Portemonnaie und Handy. Ohne diese drei Dinge geht keiner von uns mehr freiwillig vor die Tür. Ich schleppe diese Sachen also immer mit mir herum und mache mir ständig Gedanken, ob ich alles dabei habe und ob das Handy auch aufgeladen ist. Mit der ersten Generation von Mikrochip-Implantaten ist es jetzt möglich, das Thema Haustürschlüs- sel und was da noch alles dranhängt zu vernachlässigen. Ich führe ein schlüsselloses Leben, und es ist superangenehm. Ich will nie wieder zum klassischen Schlüssel zurück. Das macht für mich keinen Sinn mehr. In der zweiten Generation der Implantate geht es darum, dass Ein Digiwell- wir das Portemonnaie nicht mehr brauchen. Wenn wir mal einen Blick Implantat, durch in unser Portemonnaie werfen und das Bargeld beiseitelassen, sehen Röntgenstrahlen wir nur Karten. Und diese Plastikkarten dienen in erster Linie der Iden- sichtbar tifikation, sei es als Mitarbeiter, als Mitglied im Fitnessstudio oder als g emacht. Versicherter. Und manche Identifikationskarten haben eine Bezahl- 22 business
INTERVIEW: PATRICK KRAMER Ein Digiwell-I mplantat vor dem Einsetzen. business: Wie viele Menschen kamen schon zu Ihnen, und was war der am häufigsten gewünschte Nutzen? Patrick Kramer: Ich schätze, dass ich bei rund 2.500 Menschen ein Implantat gesetzt habe. Zu Beginn kamen viele Elektrotechnik- Studenten – wir würden allgemein von Nerds sprechen –, um Anwen- dungsmöglichkeiten auf Bits und Bytes genau zu analysieren und auszuloten. Zu mir kamen aber auch schon ganze Familien, die sich für entsprechende Funktionalitäten für ihr Smart Home ausstatten ließen. Wir sind hier wirklich in der Mitte der Gesellschaft angekom- men – mehr Mainstream als Vater, Mutter, Kind geht nicht. Aktuell kommen auch viele Selbstständige, die sich Ihre Visitenkarten und Homepage-Links implantieren lassen. Das hat viel mit Selbstvermark- tung zu tun. Beim Visitenkartentausch kann man sich beim Gegen- über als glaubhaft innovativ positionieren, wenn man statt der Über- „Unsere Kinder gabe einer Papierkarte nun seine Hand reicht. Am häufigsten sind brauchen kein aktuell tatsächlich Smart-Home-Applikationen und Visitenkarten ge- wünscht. Handy mehr. Sie business: Kann mein digitales Ich gehackt oder getrackt werden? werden erleben, Patrick Kramer: Die Frage können Sie sich eigentlich selber beant- worten, denn um zu wissen, wo ich bin, müsste ich ein Signal an einen wie man von GPS-Satelliten irgendwo im Weltall schicken. Wenn ich das mit mei- nem Handy mache – weil ich beispielsweise die Navigationsfunktion Gehirn zu Gehirn nutze –, ist mein Akku nach zwei Stunden alle. Ich habe in einem Implantat aber keine Batterie. Das heißt also nein. Bei den Implan kommuniziert.“ taten haben Sie eine Antenne, die so minimal ist, dass Sie beim Sicherheitscheck am Flughafen nicht piepsen. Gehen Sie mal mit Ihrem Portemonnaie durch die Sicherheitsschleuse. •• funktion hinterlegt. Die zweite Generation zielt auf den Bereich der Identifizierung ab und darauf, dass ich keine Karten mehr mit mir herumschleppen muss. Wir wissen aus der Marktforschung, dass 80 Prozent der Menschen an einem Implantat in Reiskorngröße interessiert wären, wenn es ihnen er- ZUR PERSON möglichen würde, auf Karten und Portemonnaie zu verzichten. Das ganze Plastikzeug ist ja auch ein Dr. Patrick Kramer zählt zu den weltweit einfluss- Umweltfaktor. Die Möglichkeit ist hier dann quasi reichsten Vordenkern, wenn es um die nächste ein App-Store mit diversen Applikationen – aber Stufe der Digitalisierung geht. Er ist Experte für nicht mehr für Ihr Handy, sondern für Ihr Implantat. digitale und biologische Transformation, Perfor- Die erste Generation der Implantate löst also den mance-Management und Zukunftsagent. Dr. Kramer Haustürschlüssel ab, die zweite Generation das verfügt über langjährige Erfahrung in führenden Über den Portemonnaie, und die dritte Generation beschäftigt internationalen IT-/Beratungshäusern. Als Gründer QR-Code sich mit der Kommunikation. Heute halte ich mein und Geschäftsführer der Plattform „Digiwell – g elangen Sie iPhone X in der Hand. Ich gehe mal davon aus, dass Upgrading Humans!“ beschäftigt er sich mit den direkt zum wir das iPhone 20 nicht mehr in der Hand halten entscheidenden Themen des digitalen Wandels TEDx-Talk von müssen, um zu kommunizieren. Das heißt, die Im- und der menschlichen Transformation. Dr. Kramer: plantate werden sich weiterentwickeln, kleiner wer- Beim Netzwerkempfang der Raiffeisenlandesbank den, leistungsstärker, und in einigen Jahren haben OÖ AG am 1. Oktober 2018 wird Dr. Kramer erst- wir die ersten Gehirnimplantate, die eine Kommuni- malig in Oberösterreich die Möglichkeiten von © www.digwell.com kation von Gehirn zu Gehirn ermöglichen. Vielleicht Smart Implants erklären und durch ein Live- nicht in den nächsten zehn Jahren, aber ich bin Biohacking hautnah erlebbar machen. überzeugt, dass meine Kinder noch erleben werden, www.digiwell.com wie man von Gehirn zu Gehirn kommuniziert. Die vorbereitete Bank. business 23
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