Hypertonie und Typ 2- Diabetes - bei chronischer Nierenerkrankung - Österreichische Ärztezeitung
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S TAT E O F T H E A R T Hypertonie und Typ 2-Diabetes © SPL, picturedesk.com bei chronischer Nierenerkrankung 22 ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG 1/2 | 25. Jänner 2022
DFP-Literaturstudium S T A T E O F T H E A R T Kommt es bei einer chronischen Nierenerkrankung zusätzlich zu einem Typ 2-Diabetes und/oder einer Hypertonie, ist dadurch nicht nur das Risiko für eine terminale Nieren- insuffizienz erhöht, sondern führt auch überproportional häufig zum Auftreten von schweren kardiovaskulären Komplikationen wie Myokardinfarkt oder Insult. Von Gert Mayer und Lukas Buchwinkler* D Die Prävalenz des Typ 2-Diabetes mellitus (T2DM) wie auch jene der Hypertonie nimmt weltweit massiv zu. Als Folge entwi- ckeln parallel dazu auch mehr Patienten eine diabetische und/ oder hypertensive Nierenerkrankung. Darüber hinaus können ein Typ 2-Diabetes oder eine Hypertonie aber auch den Ver- lauf anderer chronischer Nierenerkrankungen (Chronic Kidney Disease, CKD) wie zum Beispiel den einer Glomerulonephritis komplizieren. Unabhängig davon erhöht das Zusammentreffen von Typ 2-Diabetes/Hypertonie und einer chronischen Nieren- erkrankung nicht nur das Risiko für eine terminale Nieren- insuffizienz, sondern führt auch überproportional häufig zum Auftreten von schweren kardiovaskulären Komplikationen wie eines Patienten individuell zu „kalibrieren“. Darüber hinaus kann eine Selbstmessung oder das Monitoring auch zur Über- wachung der Therapie (zum Beispiel „Zeit im Zielbereich“ von 70–180 mg/dl) und – bei Insulin- oder Sulfonylharnstoffthera- pie – zur Reduktion der Gefahr von Hypoglykämien herangezo- gen werden. Die HbA1c-Zielwerte sind individuell festzulegen. Bei früher chronischer Nierenerkrankung, fehlenden makrovas- kulären Erkrankungen, wenigen Komorbiditäten, hoher Lebens- erwartung und geringem Hypoglykämierisiko können auch Werte
Hypertonie und Typ 2-Diabetes bei chronischer Nierenerkrankung » Die Natriumzufuhr sollte 2g pro Tag (dies entspricht 5g Koch- min/1,73 m2 zu halbieren (unter Umständen auch schon bei ei- salz) nicht übersteigen und die Patienten sollten angehalten ner eGFR unter 60 ml/min/1,73 m2, wenn das Risiko für ein aku- werden, sich im Schnitt 150 Minuten pro Woche mit moderater tes Nierenversagen besteht); bei Werten unter 30 ml/min/1,73 m2 Intensität körperlich zu betätigen. Bei Adipositas erleichtert eine muss Metformin abgesetzt werden. Bei einer Therapiedauer über Gewichtsreduktion die metabole Kontrolle und die Blutdruck- vier Jahre gilt es, den Vitamin B12 Spiegel zu überwachen. einstellung. Allerdings gibt es bei Diabetes mellitus Typ 2 und chronischer Nierenerkrankung keinen Nachweis für die Effizi- Canagliflozin, Dapagliflozin und Empagliflozin haben in gro- enz in Bezug auf die Reduktion von klinisch „harten“ Endpunk- ßen Studien gezeigt, dass sie in der Lage sind, kardiovaskuläre ten. Während also viele Bereiche der Lebensstilmodifikation Endpunkte bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 zu verhin- individuell angepasst werden können, gilt eine generelle Emp- dern. In einer Metaanalyse wurde das Herz-Kreislaufrisiko um fehlung zur Nikotinabstinenz. 11 Prozent (95 Prozent, Konfidenzintervall 4–18 Prozent), aber auch die Progression der Nierenerkrankung signifikant redu- Medikamentöse antidiabetische Therapie ziert (36 Prozent, Konfidenzintervall 28–43 Prozent). Eine nach dieser Metaanalyse erschienene Untersuchung bestätigte die- Patienten mit einer eGFR >30 ml/min/1,73m2 se Ergebnisse. Der primäre Endpunkt (> 50 Prozent Abnahme Metformin und SGLT2-Hemmer sind die Substanzen der ersten der eGFR, Nierenversagen, renaler oder kardiovaskulärer Tod) Wahl, solange die geschätzte glomeruläre Filtrationsrate über 30 trat in einer mit Dapagliflozin behandelten Gruppe 39 Prozent ml/min/1,73 m2 liegt. Andere Medikamente kommen vor allem (28–49 Prozent) weniger häufig auf als unter Placebo. Wie auch als Alternative bei Unverträglichkeit oder zusätzlich bei Verfeh- in anderen Studien war der Effekt der Therapie unabhängig von len der HbA1c-Zielwerte zum Einsatz. Die Auswahl in diesen Fäl- der Stoffwechseleinstellung oder der eGFR beziehungsweise len richtet sich primär nach den Präferenzen der Patienten und Albuminurie zu Studieneinschluss. Günstige Effekte von Empa- deren Begleiterkrankungen, vorzugsweise sollten aber GLP-1- gliflozin und Dapagliflozin auf die eGFR wurden auch bei Herz- Agonisten verwendet werden. insuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion berichtet. Metformin senkt effektiv das HbA1c und das Körpergewicht und Die Nebenwirkungsrate ist – abgesehen von mykotischen Uro- führt auch bei chronischer Nierenerkrankungg per se nicht zu genitalinfektionen – gering und diese treten bei fortgeschrittener Hypoglykämien. In der United Kingdom Prospective Diabetes- chronischer Nierenerkrankung wegen der reduzierten Glukos- Studie nahm unter Metformin auch die kardiovaskuläre Ereig- urie kaum auf. Diabetische Ketoazidosen wurden bei behan- nisrate ab. Eine Einnahme kann – wenn auch selten – mit einer delten Diabetikern selten berichtet; Hypoglykämien treten nur Laktatazidose assoziiert sein. Da Metformin renal eliminiert bei einer Komedikation mit Insulinen oder Sulfonylharnstoffen wird, wird empfohlen, die Dosis unterhalb einer eGFR von 45 ml/ auf. SGLT2-Hemmer induzieren eine Gewichtsabnahme, eine » Tab. 1.: Einflussfaktoren* Primäre Indikation Gut geeignet Weniger gut geeignet Reduktion eines sehr hohen kardiovasku- GLP-1-RA läres Risikos Starke Blutzuckersenkung GLP-1-RA, Insulin DPP IV-Hemmer, Thiazolidinedione, Alpha-Glukosidase-Inhibitoren Vermeiden von Hypoglykämien GLP-1-RA, DPP IV-Hemmer, Thiazolidinedi- Sulfonylharnstoffe, Insulin one, Alpha-Glukosidase-Inhibitoren Vemeiden von Injektionen DPP IV-Hemmer, Thiazolidinedione, Sulfonyl- GLP-1-RA, Insulin harnstoffe, Alpha-Glukosidase-Inhibitoren, orale GLP-1-RA Gewichtsabnahme GLP-1-RA Sulfonylharnstoffe, Insulin, Thiazolidine- dione eGFR
Hypertonie und Typ 2-Diabetes bei chronischer Nierenerkrankung » milde Diurese und senken den Blutdruck; eine Anpassung der Tab. 2.: Prophylaxe und Therapie von Begleittherapie kann daher notwendig werden. Der zu Beginn kardiovaskulären Erkrankungen* der Therapie häufig zu beobachtende geringe Abfall der eGFR sollte nicht als Begründung herangezogen werden die Thera- Alle Patienten Stoffwechsel- und Blutdruckkontrolle, pie wieder abzusetzen. Er ist reversibel und nach einer kurzen Lipidmanagement, Diätberatung, kör- Zeit folgt eine Stabilisierung der eGFR, die längerfristig höhere perliches Training, Nikotinabstinenz eGFR-Werte sichert. Die Therapie sollte auch nicht beendet wer- Die meisten RAS-Blockade und SGLT2-Hemmer den, wenn die eGFR unter 25 ml/min/1,73 m2 abfällt, sondern Patienten erst im Dialysestadium. Derzeit wird empfohlen, bei Patienten, die die HbA1c-Werte nicht erreichen, SGLT2-Hemmer in das Manche Patienten Plättchenaggregationshemmung Therapieregime mit aufzunehmen. Bei Patienten im metabolen Zielbereich sollte die bestehende Diabetestherapie reduziert *bei Patienten mit Typ 2-Diabetes und einer chronischen Nierenerkrankung werden, bevor SGLT2-Hemmer verschrieben werden. Obwohl wahrscheinlich auch nierentransplantierte oder immunsuppri- mierte Patienten von SGLT2-Hemmern profitieren, wird derzeit noch von einem Einsatz abgeraten, da unklar ist, ob die Immun- aber vor allem auch des intraglomerulären Blutdrucks kann es suppression das Risiko für Infektionen nicht zu deutlich erhöht. zum Anstieg des Serumkreatinins kommen, wobei eine Zunah- me um 30 Prozent innerhalb der ersten zwei bis vier Wochen Langwirksame GLP-1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1-RA) sind als nach Therapiebeginn beziehungsweise Dosiserhöhung toleriert Drittlinientherapie etabliert. Die Substanzen Liraglutid, Sema- werden kann. Bei einer darüberhinausgehenden Verschlechte- glutid und Dulaglutid reduzieren das kardiovaskuläre Risiko und rung muss ein Volumenmangel oder eine Nierenarterienstenose haben einen positiven Einfluss auf die Albuminurie. Zumindest ausgeschlossen beziehungsweise die Begleitmedikation kritisch in bestimmten Stadien der CKD verlangsamen Liraglutid und hinterfragt werden (zum Beispiel Einnahme von nichtsteroi- Dulaglutid auch den Abfall der eGFR. Während man bei SGLT2- dalen Antirheumatika). Eine weitere potentiell kritische Neben- Hemmern von einem Klasseneffekt ausgeht, dürfte dies jedoch wirkung der Blockade des Renin-Angtiotensin-Systems ist die bei GLP-1-RA nicht der Fall sein. Hyperkaliämie. Tritt diese innerhalb der ersten zwei bis vier Wo- chen nach Therapiebeginn oder einer Dosiserhöhung ein, sollte Patienten mit einer eGFR
Hypertonie und Typ 2-Diabetes bei chronischer Nierenerkrankung » dar. Trotzdem wird sie oft nicht optimal behandelt. Als Gründe • der Blutdruck eines Patienten entspricht dem Mittelwert von werden häufig das meist fortgeschrittene Lebensalter oder Ko- ≥2 Messungen zu ≥2 Zeitpunkten, Messwiederholungen in ein morbiditäten der Patienten angegeben. bis zwei Minuten Abstand. Diagnostik und Zielblutdruckwerte Es wird jedoch keine klare Empfehlung abgegeben, ob oszillo- metrischen, automatisierten oder auskultatorischen Messme- Die korrekte Blutdruckmessung ist die Basis aller Empfeh- thoden der Vorzug zu geben ist. lungen. So werden zum Beispiel die Zielblutdruckwerte in groß- en klinischen Studien untersucht, in denen die Blutdruckmes- Zur Ergänzung der Messungen in der Ordination werden auch sung exakt standardisiert durchgeführt wird. In Anbetracht der Messungen zu Hause empfohlen – unter anderem, um das Labilität des Blutdruckes muss daher, wenn man die Ergebnisse Therapieansprechen zu beurteilen und Störfaktoren wie den in die klinische Praxis überführt, dieselbe Sorgfalt angewendet Weißkittel-Effekt (normaler Blutdruck zu Hause, Hypertonie werden. Damit im Zusammenhang steht eine Reduktion der in der Ordination) oder eine maskierte Hypertonie (normaler Nebenwirkungsrate und eine erhöhte Adhärenz. Blutdruck in der Ordination, Hypertonie zu Hause) zu erfassen. Die Erstdiagnose sollte durch eine 24h-Blutdruckmessung abge- Zur standardisierten Messung gehören unter anderen: sichert werden, diese Methode ist besonders hilfreich zur Eva- • Messung am über fünf Minuten sitzenden Patienten; Füße am luation des nächtlichen Blutdruckverhaltens. Boden, Rücken angelehnt, Blase entleert; • eine halbe Stunde vor der Messung die Vermeidung von Rau- Als Zielblutdruck bei einer chronischen Nierenerkrankung chen, Koffein sowie körperlicher Anstrengung; wird unabhängig vom Ausmaß einer Proteinurie, dem Vorhan- • vermeiden von Sprechen von Patient und Untersucher wäh- densein eines Diabetes mellitus und dem Alter ein systolischer rend der Messung; Wert
DFP-Literaturstudium: Hypertonie und Typ 2-Diabetes bei chronischer Nierenerkrankung Insgesamt müssen vier von sechs Fragen richtig beantwortet 1) Welche Art beziehungsweise Menge der Eiweißzufuhr sein, um zwei DFP-Punkte im Rahmen des Diplom-Fortbil- wird empfohlen bei einem Patienten mit Typ 2-Diabetes und dungs-Programms der Österreichischen Ärztekammer zu einer CKD mit einer eGFR von 35 ml/min/1,73 m2? (eine Antwort richtig) erwerben. Eine Frage gilt als korrekt beantwortet, wenn alle a) vorwiegend tierisches Protein möglichen richtigen Antworten markiert sind. b) 0,2g/kg Körpergewicht/Tag c) 0,8g/kg Körpergewicht/Tag www.aerztezeitung.at/DFP-Literaturstudium d) 2g/kg Körpergewicht/Tag 2) Welche Antidiabetika sollten bei einem Patienten mit einem Typ 2-Diabetes und einer eGFR von 45 ml/min/1,73 m2 E-Mail: dfp@aerzteverlagshaus.at in der Erstlinientherapie eingesetzt werden? Bitte deutlich ausfüllen, da sonst die Einsendung (eine Antwort richtig) nicht berücksichtigt werden kann! a) Metformin und DPP IV-Hemmer b) Metformin und SGLT2-Hemmer Name: c) Metformin und Sulfonylharnstoffe d) Insulin und DPP IV-Hemmer 3) Welche Aussage ist korrekt: (eine Antwort richtig) ÖÄK-Arztnummer: a) Zu Beginn einer Therapie mit einem ACE-Hemmer sinkt das Serumkreatinin leicht ab. Adresse: b) Nach einem initialen geringen irreversiblen Abfall der eGFR stabilisieren SGLT2-Hemmer die Nierenfunktion. c) Alle Patienten mit einem T2DM und einer CKD sollten mit Aspirin behandelt werden. d) Eine Blockade des RAS bei Patienten mit einer CKD, E-Mail-Adresse: Hypertonie und Normoalbuminurie stabilisiert die Nieren- funktion besser als andere Antihypertonika. 4) Welche Aussage ist bei Patienten mit CKD richtig? (eine Antwort richtig) Zutreffendes bitte ankreuzen: a) Oszillometrische sind auskultatorischen Blutdruckmessme- Turnusarzt/Turnusärztin thoden überlegen. b) Eine 24h-Blutdruckmessung bringt kaum Zusatzinformationen. Arzt/Ärztin für Allgemeinmedizin c) Als maskierte Hypertonie bezeichnet man eine Hypertonie Facharzt/Fachärztin für ohne klinische Symptomatik oder Endorganschäden. d) Eine halbe Stunde vor der Messung sollte Rauchen, Koffein und körperliche Anstrengung vermieden werden. Ich besitze ein gültiges DFP-Diplom. 5) Welche Aussage zu Lebensstilinterventionen bei Patienten Ich nutze mein DFP-Fortbildungskonto. mit einer chronischen Nierenerkrankung ist richtig? (eine Bitte die DFP-Punkte automatisch buchen. Antwort richtig) a) Die Optimierung des Lebensstils verhindert Myokardinfarkte Altersgruppe: und Insulte. < 30 31–40 41–50 51–60 > 60 b) Sie profitieren kaum von einer Kochsalz Restriktion. c) Eine körperliche Betätigung von mindestens 150 Minuten Ich willige in die Zusendung von Werbematerial per Post pro Woche ist wünschenswert, kann aber häufig aufgrund von Komorbiditäten nicht erreicht werden. oder E-Mail über die Produkte der Verlagshaus der Ärzte GmbH ein. Diese Einwilligung kann ich jederzeit mittels E-Mail an d) Eine Reduktion von Gewicht und Alkoholkonsum trägt nicht relevant zur Blutdrucksenkung bei. office@aerzteverlagshaus.at widerrufen. Informationen zum Datenschutz finden Sie auf Seite 54 oder unter 6) Welche Antihypertonika können gut kombiniert werden? (eine Antwort richtig) www.aerztezeitung.at/kontakt/impressum a) ACE-Hemmer und Sartane b) RAS-Blocker und Dihydropyridine c) Betablocker und Nicht-Dihydropyridine d) ACE-Hemmer und direkte Renin-Inhibitoren 30 ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG 1/2 | 25. Jänner 2022
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