I . Wirtschaftspolitische Themen und Analysen
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M O N AT S B E R I C H T 0 3 - 2 0 1 9 2 Auf einen Blick Happy Birthday, Wirtschaftsministerium! Am 21. März 1919 wurde das Reichswirtschaftsminis Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Berlin terium, der Vorläufer des heutigen Bundeswirtschafts ein. Der Vorsitzende der BMWi-Geschichtskommission, ministeriums, errichtet. Gab es im Kaiserreich lediglich ein Prof. Albrecht Ritschl, Sprecher der Unabhängigen Geschichts Reichswirtschaftsamt, so wurde dies von der ersten Reichs kommission zur Aufarbeitung der Geschichte des BMWi, regierung der Weimarer Republik in das Reichswirtschafts- wird auf 100 Jahre Ministeriumsgeschichte zurückblicken, ministerium überführt. Große Erfolge, allen voran die Ein- während der Präsident des ifo Instituts, Prof. Clemens Fuest, führung der Sozialen Marktwirtschaft, kennzeichnen die den Blick auf die Herausforderungen des neuen Jahrhunderts Geschichte des Ministeriums ebenso wie Brüche, zum Bei- richten wird. Eine Podiumsdiskussion wird der Frage nach- spiel die Instrumentalisierung des Hauses durch die Natio- gehen, wie viel Politik die Wirtschaft braucht. nalsozialisten. Auf den Social-Media-Kanälen des BMWi können Sie die Zur Erinnerung an die wechselvolle Geschichte des Hauses Veranstaltung am 20. März ab 18 Uhr unter anderem im lädt Bundesminister Peter Altmaier am Vorabend des Grün Livestream verfolgen. dungsjubiläums, am 20. März 2019, zu einem Festakt in das
3 M O N AT S B E R I C H T 0 3 -2 0 1 9 Diskussionspapier zu Künstlicher Intelligenz in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur Künstliche Intelligenz, also die Wahrnehmung von kognitiven Fähigkeiten durch Maschinen, ist aktuell von hohem Interesse in der öffentlichen und politischen Diskussion. Im Juli 2018 hat das Bundeskabinett Eckpunkte für eine Strategie Künstlicher Intelligenz der Bundesregierung beschlossen. Auf Künstlicher Intelligenz (KI) beruhende Systeme gelten Die Literaturübersicht zeigt, dass KI und mit dieser ver- als vielversprechende Innovationen, um die physische knüpfte Technologien das Potenzial haben, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Maschinen um geistiges Lern- und Strukturen wesentlich zu verändern. Negative Effekte auf Denkvermögen zu ergänzen Die gegenwärtigen Anwen- bestimmte, auch kognitive Tätigkeiten können durch dungsfelder reichen von Autonomem Fahren über Internet- KI-basierte Wachstums- und Beschäftigungsimpulse in sicherheit bis hin zu Übersetzungsdiensten. Die kommer- anderen Bereichen (über-)kompensiert werden. ziellen KI-Anwendungen befinden sich allerdings erst im Anfangsstadium und ihre Auswirkungen sind derzeit Neben den Auswirkungen auf Beschäftigung und Produk kaum absehbar. tivität bzw. Wirtschaftswachstum stehen auch Effekte auf Marktstruktur, Einkommensverteilung und Innovation im Auch in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur sind Fokus der wissenschaftlichen Diskussion. Eine Mehrheit Künstliche Intelligenz und ihre Auswirkungen zunehmend der Wissenschaftler warnt dabei vor negativen Auswirkun- Gegenstand der Debatte. In einem aktuellen Diskussions- gen auf die Einkommens- und Vermögensverteilung sowie papier des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie den Wettbewerb. wird der Stand der wissenschaftlichen Forschung und Dis- kussion zu KI übersichtsartig dargestellt.
M O N AT S B E R I C H T 0 3 - 2 0 1 9 4 Die Forschung rät dazu, potenziellen negativen Auswirkun- gen durch wirtschaftspolitische Maßnahmen frühzeitig zu begegnen, ohne jedoch dabei die Entwicklung Künstlicher Intelligenz und darauf basierender Anwendungen zu behindern. Das aktuelle Diskussionspapier sowie die bisherigen BMWi- Diskussionspapiere finden Sie unter https://bit.ly/2SrtaY1. Kontakt: Christoph Menzel Referat: Wirtschaftspolitische Analyse
5 M O N AT S B E R I C H T 0 3 -2 0 1 9 Wirtschaftspolitische Termine des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie März 2019 04.03. Energieministerrat 08.03. Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe (Januar) 11.03. Produktion im Produzierenden Gewerbe (Januar) 11./12.03. Eurogruppe/ECOFIN 14.03. Pressemeldung des BMWi zur wirtschaftlichen Lage Ende März 2019 Schlaglichter (Newsletter und Veröffentlichung auf Website) April 2019 02.04. Informeller Energieministerrat (Rumänien) 04.04. Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe (Februar) 05.04. Produktion im Produzierenden Gewerbe ( Februar) 05./06.04. Informeller ECOFIN-Rat (Rumänien) 12.04. Pressemeldung des BMWi zur wirtschaftlichen Lage 12.04. Informelles Treffen der Kohäsionsminister 17.04. Frühjahrsprojektion der Bundesregierung Ende April 2019 Schlaglichter (Newsletter und Veröffentlichung auf Website) Mai 2019 02.05. Informeller WBF-Rat (Rumänien) 07.05. Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe (März) 08.05. Produktion im Produzierenden Gewerbe (März) 15.05. Pressemeldung des BMWi zur wirtschaftlichen Lage 16./17.05. Eurogruppe/ECOFIN 27.05. WBF-Rat 28.05. Handelsministerrat Ende Mai 2019 Schlaglichter (Newsletter und Veröffentlichung auf Website) In eigener Sache: Die „Schlaglichter“ als E-Mail-Abonnement Der Monatsbericht des Bundesministeriums für Darüber hinaus können auf der Homepage des Wirtschaft und Energie ist nicht nur als Druck Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie exemplar, sondern auch im Online-Abo als elektro- auch einzelne Ausgaben des Monatsberichts sowie nischer Newsletter verfügbar. Sie können ihn Beiträge aus älteren Ausgaben online gelesen unter der nachstehenden Internet- werden: Adresse bestellen: www.bmwi.de/schlaglichter www.bmwi.de/abo-service
M O N AT S B E R I C H T 0 3 - 2 0 1 9 6 Grafik des Monats Der Strompreis … … ist ein wichtiger Kostenfaktor für Industrieunternehmen und beeinflusst auch ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit. Ein EU-weiter Vergleich zeigt dabei große Unterschiede auf: Im ersten Halbjahr 2018 zahlten industrielle Verbraucher in Deutschland und dem Vereinigten Königreich mit 12,2 bzw. 12,8 Cent pro Kilowattstunde am meisten für Strom; in Frankreich fielen dagegen für die gleiche Menge lediglich knapp 8 Cent an. Ein Blick auf die Entwicklung in den letzten zehn Jahren zeigt, dass die Strompreise in fast allen Ländern der EU gestiegen sind. Besonders ausgeprägt waren die Preissteigerungen dabei im Vereinigten Königreich und Frankreich, hier jedoch von einem deutlich niedrigeren Niveau aus. Strompreise für Industriekunden im internationalen Vergleich*. 14 12 10 Cent pro Kilowattstunde 8 6 4 2 0 Frankreich Spanien Vereinigtes Niederlande Deutschland Italien EU 27 Königreich 1. HJ 2008 1. HJ 2018 *. Verbrauchsmenge von 2 GWh bis 20 GWh pro Jahr. Ohne Mehrwertsteuer und erstattungsfähige Steuern und Abgaben. Quelle: Eurostat.
7 M O N AT S B E R I C H T 0 3 -2 0 1 9 Überblick über die wirtschaftliche Lage durch die Entlastung von Bürgerinnen und Bürgern bei • Die deutsche Wirtschaft hat sich im Jahresend Steuern und Abgaben sowie die Erhöhung der monetären quartal 2018 stabilisiert. Sozialleistungen.2. • Die vorausschauenden Konjunkturindikatoren Vom weltwirtschaftlichen Umfeld gehen lediglich gedämpfte bleiben zurückhaltend. Solide binnenwirtschaftliche Signale aus. Sowohl bei der industriellen Erzeugung als auch Auftriebskräfte und fiskalische Impulse sorgen beim Welthandel war im vergangenen Jahr eine verlangsamte aber zu Jahresbeginn für etwas Schub. Entwicklung zu beobachten. Zuletzt, Stand November 2018, gingen sie sogar etwas zurück. Der Stimmungsindikator IHS • Die Industrieproduktion hat sich zum Jahresende Markit PMI für die globale Industrie lag im Januar 2019 auf 2018 stabilisiert, insbesondere die Kfz-Produktion dem niedrigsten Stand seit über zwei Jahren. Auch der ifo zog wieder an. Bei hohen Auftragsbeständen kam Index zum Weltwirtschaftsklima gab für das erste Quartal es bis zuletzt noch nicht zu einer Belebung der 2019 eine abgekühlte Stimmung insbesondere für die ent- Auftragseingänge. Das Baugewerbe boomt weiter- wickelten Volkswirtschaften wieder. Angesichts der Indika- hin. toren und der derzeitigen Ballung globaler Risiken gehen die internationalen Organisationen in ihren letzten Prognosen • Die Einkommen steigen unterstützt durch die Fis- von einer weniger dynamischen, aber dennoch merklich kalpolitik kräftig und sorgen für eine rege Konsum aufwärtsgerichteten Entwicklung der Weltwirtschaft aus. nachfrage der privaten Haushalte. Die schwache weltwirtschaftliche Dynamik spiegelt sich auch • Die Erwerbstätigkeit nimmt weiter zu und der in den deutschen Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen Rückgang der Arbeitslosigkeit setzt sich fort. wider. So nahmen die Exporte im Dezember saisonbereinigt und in jeweiligen Preisen um 2,0 % ab. Im Quartalsvergleich sind die Ausfuhren nominal leicht gestiegen (+0,9 %). Preis- bereinigt dürfte diese Steigerung jedoch geringer ausfallen. Die deutsche Wirtschaft hat sich im vierten Quartal 2018 Die Unternehmen gehen hier aktuell nicht von einer deutli- stabilisiert. Das Bruttoinlandsprodukt blieb in etwa auf dem chen Belebung aus: Die ifo Exporterwartungen fielen auf Niveau des Vorquartals (0,0 %).1. Im dritten Quartal war es den niedrigsten Stand seit über zwei Jahren. Die nominalen etwas überraschend um 0,2 % zurückgegangen. Die Kon- Importe von Waren und Dienstleistungen verringerten sich junktur wurde durch erschwerte außenwirtschaftliche im Dezember saisonbereinigt um 0,3 %. Im Quartalsvergleich Rahmenbedingungen und binnenwirtschaftliche Sonder ergab sich ein Plus von 1,5 %. Bei steigenden Importpreisen effekte gedämpft. Die steigende Nachfrage nach Konsum- dürfte sich preisbereinigt ebenfalls ein schwächerer Anstieg und Investitionsgütern wurde bei neutralem Außenbeitrag ergeben. Insgesamt deuten die Indikatoren auf eine verhal- teilweise aus den Lagern bedient. Während die Handels- tene Entwicklung der Ausfuhren in den kommenden Mona- konflikte und der Brexit-Prozess weiterhin für Verunsiche- ten hin. Über das vergangene Jahr hinweg hat sich der Leis- rung sorgen, schreitet die heimische Pkw-Industrie bei der tungsbilanzüberschuss kontinuierlich um 12,1 Mrd. Euro Bewältigung der WLTP-Problematik voran und die von der auf 249,1 Mrd. Euro abgebaut. Binnenschifffahrt abhängigen Produktionsstandorte wer- den nicht mehr durch Niedrigwasser behindert. Die voraus Bei der Produktion im Produzierenden Gewerbe zeigte sich schauenden Konjunkturindikatoren, wie z. B. die Geschäfts- im Dezember der vierte leichte Rückgang in Folge. Die Indus erwartungen oder die Auftragseingänge des Verarbeitenden trie hat ihre Produktion hingegen wieder etwas ausgeweitet Gewerbes, sind zwar weiterhin zurückhaltend, wichtige (+0,2 %), konnte die kräftige Einschränkung der Produktion binnenwirtschaftliche Auftriebskräfte wirken jedoch fort. im Baugewerbe (-4,1 %) aber nicht gänzlich kompensieren. Die Beschäftigung und die Einkommen sowie die Investiti- Im vierten Quartal insgesamt ergab sich ein Minus in der onen in Bauten nehmen kräftig zu. Hinzu kommen ab der Industrie von 1,3 % und im Baugewerbe von 0,6 %. Die Auf- Jahreswende spürbare fiskalische Impulse, nicht zuletzt tragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe verringerten sich 1. Meldung des Statistischen Bundesamts zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2018 vom 14. Februar 2019. 2. In diesem Bericht werden Daten verwendet, die bis zum 15. Februar 2019 vorlagen. Soweit nicht anders vermerkt, handelt es sich um Verände- rungsraten gegenüber der jeweiligen Vorperiode auf Basis preisbereinigter sowie kalender- und saisonbereinigter Daten.
M O N AT S B E R I C H T 0 3 - 2 0 1 9 8 im Dezember bei sehr geringen Großaufträgen kräftig um wicklung der Neuzulassungen von Pkw bei privaten Halter- 1,6 %. Ohne die volatilen Großaufträge nahmen sie hinge- gruppen fort (+4,5 %). Damit stiegen die Zulassungszahlen gen um 3,5 % zu. Im vierten Quartal insgesamt lagen die den vierten Monat in Folge. Insgesamt deutet alles auf eine Auftragseingänge nach drei rückläufigen Quartalen erst- weiterhin positive Entwicklung der privaten Konsumaus- mals wieder um 0,3 % über dem Vorquartal. Stützend wirkte, gaben hin. dass die Aufträge in der Kfz-Industrie um 10,2 % gegenüber dem schwachen dritten Quartal zulegten. Auch wenn das Am Arbeitsmarkt setzen sich die Besserungstendenzen trotz Auftragspolster mit einer Reichweite von 5,7 Monaten der aktuell schwächeren Konjunktur fort. Die Zunahme der hoch blieb, wirken die externen Risiken weiterhin dämp- Erwerbstätigkeit hielt im Dezember mit 42.000 Personen im fend auf die Industriekonjunktur. Andererseits könnte sich bisherigen Tempo an. Jahreszeitlich üblich war die Beschäf- der Erholungsprozess in der Automobilindustrie beschleu- tigung nach den Ursprungszahlen mit 45,1 Mio. Personen nigen und positiv auf andere Vorleistungsbereiche aus- etwas niedriger als im Vormonat. Die sozialversicherungs- strahlen. Der Bauboom dürfte sich nach den deutlich pflichtige Beschäftigung nahm im November aber erneut gestiegenen Aufträgen im jüngsten Quartal fortsetzen. kräftig zu. Die Nachfrage der Unternehmen nach Arbeits- kräften blieb, wenn auch leicht abgeschwächt, hoch. Signale Mit der guten Beschäftigungs- und Einkommensentwick- z. B. aus der Arbeitnehmerüberlassung deuten auf eine lung stiegen die Konsumausgaben der privaten Haushalte etwas ruhigere Entwicklung in den nächsten Monaten hin. im Jahr 2018 um 1,0 %. Nach einem überraschenden Rück- Die Zahl der Arbeitslosen verringerte sich im Januar saison- gang im 3. Quartal 2018 haben die privaten Haushalte ihre bereinigt leicht um 2.000 Personen; in Ursprungszahlen stieg Konsumausgaben im 4. Quartal wieder erhöht. Die verfüg- sie im jahreszeitlich üblichen Rahmen auf knapp über 2,4 baren Einkommen stiegen 2018 um 3,2 %, allerdings nahm Mio. Personen. Damit erhöhte sich auch die Arbeitslosen- auch die Sparquote der privaten Haushalte zu, was den An quote auf 5,3 %. Die Langzeitarbeitslosigkeit geht konti stieg der Konsumausgaben etwas dämpfte. Im vierten Quar- nuierlich zurück, der Vorjahresstand wurde um rund 11 % tal stiegen die Umsätze im Einzelhandel (ohne Kfz) um 0,2 %, unterschritten. Die Stärkung der Wirtschaftskraft struktur- obwohl es im Dezember zu deutlichen Umsatzeinbußen schwacher Regionen bleibt eine Herausforderung. von 3,1 % kam. Im Januar 2019 setzte sich die positive Ent- Konjunktur auf einen Blick* Entwicklung von Bruttoinlandsprodukt, Produktion und Auftragseingang in der Industrie sowie ifo Geschäftserwartungen 6 18 5 15 4 12 3 9 2 6 1 3 0 0 -1 -3 -2 -6 -3 -9 2015 2016 2017 2018 2019 Bruttoinlandsprodukt (Quartale) (linke Skala) Industrieproduktion (linke Skala) Auftragseingang in der Industrie (linke Skala) ifo Geschäftserwartungen in der Gewerblichen Wirtschaft (rechte Skala) * zentrierte gleitende 3-Monats-Durchschnitte bzw. Quartale, saisonbereinigt, Veränderungen gegenüber Vorperiode in v. H. bzw. Salden bei ifo Quellen: StBA, BBk, ifo Institut.
9 M O N AT S B E R I C H T 0 3 -2 0 1 9 Nationale Industriestrategie 2030 Strategische Leitlinien für eine deutsche und europäische Industriepolitik Zielsetzung: • Das Ziel der „Nationalen Industriestrategie 2030“ • Die Mittel der Wahl zur Erreichung der Ziele sind grund besteht darin, gemeinsam mit den Akteuren der Wirt- sätzlich marktwirtschaftlich, privatwirtschaftlich und schaft einen Beitrag zu leisten zur Sicherung und Wie- eigenverantwortlich. Staatliches Handeln kann nur dererlangung von wirtschaftlicher und technologischer ausnahmsweise, nur vorübergehend und nur in Fällen Kompetenz, Wettbewerbsfähigkeit und Industrie- von grundlegender Bedeutung in Betracht kommen, Führerschaft auf nationaler, europäischer und globaler wenn sich alle anderen Optionen als unzureichend Ebene in allen relevanten Bereichen. erwiesen haben. • Dies ist eine notwendige Voraussetzung, um die volks- • Indem wir willkürlichen Eingriffen anderer in markt- wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands insge- wirtschaftliche Prozesse entschlossen entgegentreten samt und damit seine Arbeitsplätze und den Wohl- und unsere eigenen wirtschaftlichen Interessen konse- stand seiner Bürgerinnen und Bürger langfristig zu quent wahren, leisten Deutschland und die Europäische sichern und auszubauen. Union langfristig auch einen Beitrag zur Entstehung einer Globalen Sozialen Marktwirtschaft, die für alle zu • Ein Ziel ist dabei der schrittweise Ausbau des Anteils mehr Markt und mehr Wohlstand führen kann. der Industrie an der Bruttowertschöpfung auf 25 Pro- zent in Deutschland und 20 Prozent in der Europäi schen Union bis zum Jahr 2030.
M O N AT S B E R I C H T 0 3 - 2 0 1 9 10 Ausgangslage: Grenzen ihres Gebrauchs brauchen wir eine Debatte, die offen, vorurteilslos und ergebnisorientiert geführt werden Die heutige Stärke Deutschlands im internationalen Wett- muss. bewerb beruht zu einem erheblichen Teil auf der Stärke sei- ner Industrie. Mit einem Anteil der Industrie von 23 Pro- zent an der Bruttowertschöpfung liegt Deutschland mit an Herausforderungen: der Spitze aller Länder in der EU und auch international auf einem hervorragenden Platz. Die hervorragende wirtschaftliche Ausgangslage ist nicht gottgegeben. Sie wird vom internationalen Wettbewerb Wir sind als Wirtschaftsnation im internationalen Vergleich sowie durch willkürliche Eingriffe anderer Staaten und auch deshalb so erfolgreich, weil wir stets an unserem Unternehmen immer wieder infrage gestellt und muss industriebasierten Wirtschaftsmodell festgehalten haben. daher stets aufs Neue errungen und bestätigt werden: Die deutsche Industrie ist hoch wettbewerbsfähig und innovationsstark. Sie investierte 2015 rund 53 Milliarden • Dem Vorteil sehr viel niedrigerer Lohn- und Fertigungs- Euro in Forschung und Entwicklung. Dies entspricht 85 kosten in wichtigen Schwellenländern stand bislang ein Prozent der internen Aufwendungen der Privatwirtschaft großer Vorsprung der deutschen Industrie im Hinblick insgesamt, also fast viermal so viel, wie ihrem Anteil an der auf Technologie und Qualität gegenüber. Dieser Vor- Bruttowertschöpfung entspricht. sprung schmilzt langsam, aber deutlich ab, weil die be treffenden Länder durch umfassende Konzepte zur Ent- Zu den industriellen Schlüsselbereichen, in denen Deutsch- wicklung von technologischem Know-how, durch Joint land bereits heute und immer noch führend ist, gehören Ventures oder durch Unternehmensübernahmen in Eu u. a.: ropa schnell aufholen und ihre Fähigkeiten ausbauen. Dadurch steigt der Wettbewerbsdruck auch dort, wo • die Stahl-, Kupfer- und Aluminium-Industrie deutsche Unternehmen bislang konkurrenzlos waren. Durch langsam steigende Lohn- und Sozialkosten in den • die Chemieindustrie aufstrebenden Ländern wird diese Verschiebung nur teil- weise egalisiert. • der Maschinen- und Anlagenbau • So hat Deutschland bereits in den siebziger Jahren seine • die Automobilindustrie bis dahin führende Stellung zum Beispiel in der Unter- haltungselektronik an Länder wie Japan und Südkorea • die optische Industrie verloren. Dieser Verlust hat sich seither als scheinbar endgültig gezeigt. • die Medizingeräteindustrie • Dies trug später dazu bei, dass Europa auch in den neuen • der GreenTech-Sektor Bereichen der Telekommunikationstechnologie und der Computerelektronik (einschließlich Smartphones, Tablets • die Rüstungsindustrie usw.) nicht Fuß gefasst hat. • die Luft- und Raumfahrtindustrie sowie • Die Produktion der neuartigen Kohlefaserwerkstoffe findet größtenteils außerhalb von Deutschland statt. • die additive Fertigung (3D-Druck) • Die Automobilindustrie, deren Erfolg für die Zukunft des Ohne seinen hohen Anteil an Industriearbeitsplätzen Standortes Deutschland von sehr großer Bedeutung ist, könnte Deutschland sein hohes Einkommensniveau sowie sieht sich seit geraumer Zeit erheblichen Herausforde- sein hohes Niveau an Bildung, Umweltschutz, sozialer rungen gleichzeitig gegenüber, die noch nicht erfolgreich Sicherheit, Gesundheitsversorgung und Infrastruktur bewältigt sind: Die Vorgänge um erhöhte und manipu- nicht aufrechterhalten. Deshalb liegt die Stärkung seiner lierte Abgaswerte, die Entwicklung von alternativen An industriellen Basis im gesamtstaatlichen Interesse und trieben und von Elektromobilität sowie die bedeutende Auftrag. Hierzu braucht der Staat geeignete Instrumente Innovation des Autonomen Fahrens und die Entstehung und Mittel. Darüber und über die Voraussetzungen und völlig neuartiger Mobilitätskonzepte überhaupt.
11 M O N AT S B E R I C H T 0 3 -2 0 1 9 • Weltweit erfolgreiche Internetunternehmen der Platt- nige jedes einzelnen Dax-Unternehmens übersteigt. formökonomie entstehen derzeit noch fast ausschließ- Diese Entwicklung ging an Deutschland bislang vorbei. lich in den USA und in China. Nicht hingegen in Deutsch Erfolgreiche deutsche und europäische Start-ups in land und den meisten Ländern der EU. Eine Änderung diesem Bereich finanzieren sich ab einer bestimmten dieses Zustands ist bislang nicht in Sicht. Hier besteht Wachstumsphase zunehmend über Venture Capital- Handlungsbedarf. Fonds in den USA. Dadurch werden sie Schritt für Schritt US-amerikanische Unternehmen, und zwar • Im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) sind wir in umso mehr und schneller, je erfolgreicher sie sind. der Forschung noch in guter Position. Bei der Kommer- zialisierung praktischer Anwendungen besteht jedoch Bislang konnten die Verluste in all diesen Bereichen durch bereits erheblicher Nachholbedarf. Der Abstand zu den Zuwächse in anderen, traditionell starken Bereichen ausge- führenden Internetunternehmen scheint derzeit eher zu glichen werden. So hat die deutsche Automobilindustrie wachsen als zu schrumpfen: Kein deutsches Unternehmen ihre Spitzenposition in den vergangenen Jahrzehnten investiert so viel in diesen Bereich wie jedes einzelne enorm ausgebaut. Im sogenannten Oberklassesegment der großen US-Plattform-/Software-/Mobile-Hard werden inzwischen rund 80 Prozent der verkauften Autos ware-Unternehmen. Deutschland muss seine unterneh- von deutschen Unternehmen weltweit gefertigt. Dieser merischen, wissenschaftlichen und politischen Kräfte im Prozess hat immerhin dazu geführt, dass die Zahl der Bereich der Künstlichen Intelligenz bündeln. Es gilt, den industriellen Arbeitsplätze in Deutschland auf einem Wettbewerbsrückstand zu den großen Technologiekon- hohen Niveau erhalten wurde. Insgesamt hat Deutschland zernen aufzuholen, Datensouveränität herzustellen und derzeit so viele Arbeitsplätze wie noch nie in seiner die wirtschaftlichen Potenziale der neuen Schlüsseltech- Geschichte. nologie voll auszuschöpfen. Gerade in den Bereichen traditioneller Stärke werden die • Es besteht die Gefahr, dass Europa im Bereich der neuen umwälzenden Folgen von Innovation und Digitalisierung Biotechnologien den Anschluss an die internationale immer stärker. Dadurch wird der bisher ausbleibende Entwicklung überhaupt nicht erst findet oder wieder Erfolg in den erwähnten Zukunftstechnologien zum verliert. unmittelbaren Risiko für künftige langfristige Erfolge in den Bereichen traditioneller Stärke. Unsere traditionelle • In fast allen innovationsstarken Bereichen, insbesondere Stärke in den industriellen Kernbereichen können wir auf denen der Digitalisierung und der KI, entstehen neue, Dauer nur bewahren, wenn wir auch in den neuen große und weltweit erfolgreiche Unternehmen, die über Zukunftsfeldern stark sind. gewaltige Kapital- und Marktmacht verfügen, die dieje-
M O N AT S B E R I C H T 0 3 - 2 0 1 9 12 Die Veränderungen gehen in schnellem Tempo weiter: Jedenfalls durch die vorgehende US-Administration wurde diese Entwicklung umfassend begleitet und • Anhand wissenschaftlicher Untersuchungen können unterstützt. Die jetzige Administration ist bestrebt, wir davon ausgehen, dass sich die Zahl der Arbeits- durch eine Politik des „America First“ traditionelle plätze insgesamt eher erhöhen als verringern wird, Industriesparten wie Stahl, Aluminium, Automobilwirt- dass aber eine große Zahl bisheriger Arbeitsplätze von schaft und Landwirtschaft durch höhere Zölle und bila- der Transformation betroffen sein wird. terale Vereinbarungen zu revitalisieren und zu schützen und bereits verlorene Wertschöpfungsanteile wieder in • Aufgrund der disruptiven Natur vieler Veränderungen die USA zurück zu verlagern. besteht aber die Gefahr, dass neue, innovative und zukunftsfähige Arbeitsplätze nicht unbedingt in den • Zu den Stärken der japanischen Wirtschaft gehören Ländern und Regionen entstehen werden, in denen neben der Autoindustrie und der Elektronikindustrie bestehende Arbeitsplätze durch technologischen Fort- insbesondere die KI, vernetzte Maschinen und Robotik. schritt und Produktivitätssteigerung wegfallen. Der japanische Konzern Softbank hat einen Investitions- fonds (Vision Fund) für Netzwerktechnologien (Künst • Daraus ergibt sich für Deutschland und Europa die liche Intelligenz, vernetzte Maschinen und Robotik) auf- Gefahr eines erheblichen Verlustes an Wertschöpfung, gelegt, der binnen eines Jahrzehnts auf 100 Milliarden falls es nicht gelingt, auch bei den disruptiven Techno- US-Dollar anwachsen soll. logien eine Führungsposition zu bekommen. • Ein industriepolitisch besonders erfolgreiches Land ist Wenn man die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit der die Volksrepublik China, die 2015 die Agenda „Made in deutschen Industrie langfristig erhalten will, muss man China 2025“ beschlossen hat. Durch aktive Industrie rechtzeitig globale Entwicklungslinien erkennen und politik sollen dort Schlüsseltechnologien in zehn Sekto abschätzen können. Das Wissen um momentane Stärke ren gestärkt werden. Dazu gehören u. a. die Informa darf nicht zur Blindheit für kommende Veränderungen tionstechnik, High-End-Robotics, Luft- und Raumfahrt, führen. Der japanische Sony-Konzern feierte seinen größ Maritime Industrie, Elektromobilität, Transport und ten Absatz an Musik-CDs zu einem Zeitpunkt, als der Eisenbahn, Biopharmazeutika, Medizintechnik. 2017 Höhepunkt dieses Tonträgers bereits erreicht und bald kündigte China an, im Bereich der Künstlichen Intelli- darauf überschritten war und man dann keine Chance genz bis 2030 zum weltweiten Spitzenreiter werden zu mehr sah, den Walkman technologisch auf die Stufe des wollen. Der chinesische Staatskonzern CMG beschloss iPod zu hieven. im Juli 2018, einen 15 Milliarden US-Dollar umfassen den Technologiefonds zu gründen (China New Era Tech- Wir brauchen eine unabhängige, umfassende und scho nology Fund). Er soll in Technologiefirmen in China, nungslose Analyse der Stärken und Schwächen aller Volks aber auch global investieren. Mit dem Projekt der neuen wirtschaften in der Europäischen Union, einschließlich der Seidenstraße versucht China, vorausschauend Absatz- jenigen Deutschlands. Die vorliegenden Untersuchungen märkte und Logistik zu sichern. Diese Strategie, die sind oft unvollständig oder in ihren Bewertungsmaßstäben Prinzipien der Marktwirtschaft mit vorausschauender nicht transparent. Wir müssen wissen, wo wir stehen, und flankierender Politik verbindet, hat bislang große damit wir gemeinsam die Zukunft meistern können. Früchte getragen. In China sind Unternehmen mit Welt- geltung entstanden, ganze Industriebereiche könnten in Andere Länder, die zu unseren Hauptwettbewerbern zäh- den nächsten Jahren zum technologischen Monopol die- len, haben bereits seit geraumer Zeit reagiert und sich neu ser Unternehmen werden. Mit der Folge, dass funktio- aufgestellt. Beispiele hierfür, ohne dass sie kopiert werden nierender internationaler Wettbewerb dann nicht mehr müssen, sind insbesondere: möglich wäre. • In den USA wird die technologische Entwicklung vor Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Herausforde allem durch große Technologiekonzerne wie Apple, rungen der Zukunft in wichtigen Ländern, mit denen wir Amazon, Google, Microsoft und General Electric voran- im Wettbewerb stehen, ebenfalls und sogar erheblich frü- getrieben. Diese investieren insgesamt dreistellige Mil her erkannt und auf die politische Tagesordnung gesetzt liardenbeträge in Forschung und Entwicklung für KI, wurden, mit weitreichenden Konsequenzen auch für Digitalisierung, Autonomes Fahren und Biotechnologie. Deutschland und Europa:
13 M O N AT S B E R I C H T 0 3 -2 0 1 9 Industriepolitische Strategien erleben in vielen Teilen Die wichtigste Basisinnovation heute ist die Digitalisierung der Welt eine Renaissance, es gibt kaum ein erfolgreiches und insbesondere die rasante Verbreitung von Anwendun Land, das zur Bewältigung der Aufgaben ausschließlich gen der Künstlichen Intelligenz: und ausnahmslos auf die Kräfte des Marktes setzt. Die Entstehung einer globalen Plattformökonomie auf Es gibt ganz offenbar Strategien rascher Expansion mit Weltmarktniveau ist eine logische und zwangsläufige Wei der klaren Zielrichtung, neue Märkte für die eigene terentwicklung von Marktwirtschaft im Weltmaßstab im Volkswirtschaft zu erobern und – wo immer möglich – Zeitalter des Internets. Sie kann Verfügbarkeit und Trans- zu monopolisieren. parenz von Preisen enorm erhöhen und damit zur Interna- tionalisierung von Waren- und Dienstleistungsströmen Daneben gibt es Tendenzen zu Abschottung und Protek sowie zur Entstehung von mehr Wettbewerb beitragen. tionismus, von denen sich schon jetzt absehen lässt, dass Umgekehrt kann eine Monopolisierung durch einige ihr Erfolg zweifelhaft sein wird. wenige Unternehmen auch zu weniger Markt führen. Die Politik hat die Gesamtheit dieser Entwicklungen viel Die großen Internetplattformen verfügen inzwischen über zu lange ignoriert. Sich damit zu beschäftigen und eigene enorme Mengen an Kapital und Daten, werden ihrerseits Konzepte zu entwickeln ist notwendig, denn auch in zum Treiber von Innovation und verändern Wertschöp unseren Partnerländern findet diese Beschäftigung auf fungsketten weltweit. politischer Ebene statt und werden Weichen gestellt. Für den dauerhaften Erfolg einer großen Volkswirtschaft Eine deutsche und europäische Politik, die grundlegende ist es daher unverzichtbar, an der Wertschöpfung der wirtschaftspolitische Herausforderungen verdrängt und Plattformökonomie angemessen teilzuhaben. Dies ist in unbeantwortet lässt, würde die eigenen Unternehmen in Deutschland und Europa bislang nicht der Fall. Darin einer schwierigen Phase alleine lassen und schwächen. besteht ein großes Risiko, auch in anderen Bereichen Wett- bewerbspositionen zu verlieren. Noch sind in den großen, überaus relevanten Bereichen der Mobilität, der Gesund- Basisinnovationen als Game-Changer: heitswirtschaft und des digitalen Cloud-Learning (Distance Learning) die Karten nicht endgültig verteilt. Weltweit Innovation ist ein kontinuierlicher Prozess, den es immer arbeiten jedoch auch in diesen Bereichen viele Unterneh- gegeben hat und geben wird. In längeren zeitlichen Abstän- men an globaler Führung. den ereignen sich jedoch „Basisinnovationen“, die grund legende Auswirkungen auf wichtige oder gar alle Bereiche Die Anwendungen der Künstlichen Intelligenz stellen ver- der Volkswirtschaft und ihrer Wertschöpfungsketten haben. mutlich die bislang größte Basisinnovation seit Erfindung Sehr häufig sind diese Innovationen „disruptiv“, das heißt, der Dampfmaschine dar. Denn sie erstrecken sich auf alle sie brechen radikal mit bisherigen Verfahren oder Techno Wirtschafts-, Industrie- und Dienstleistungsbereiche, auf logien und ersetzen sie durch neue. Sie sind eine enorme Logistik und Verkehr, auf berufliches, privates und soziales Herausforderung für jedes hochentwickelte Industrieland. Leben gleichermaßen. Anwendungen, die sich durch Oft sind sie auch geographisch und in Bezug auf bisherige maschinelles Lernen ständig selbst optimieren und weiter- Marktführer disruptiv und führen dann zu erheblichen entwickeln, sind eine neue, zusätzliche Beschleunigung von Verwerfungen in sehr kurzer Zeit. Innovationsprozessen. Zu den entscheidenden KI-Anwen- dungen der Zukunft gehören das Autonome Fahren und Beispiele hierfür sind die Erfindung der Dampfmaschine, die medizinische Diagnostik. Deutschland ist im Bereich der Eisenbahn, die Nutzbarmachung der Elektrizität, der der Forschung noch gut aufgestellt, hinkt aber bei der Verbrennungsmotor und das Automobil, das Flugzeug, praktischen Anwendbarkeit deutlich hinterher. Radio und TV, Computer und Internet. Sollte bei dem Automobil der Zukunft die digitale Plattform Nur wer über die neuen Technologien verfügt und sie für Autonomes Fahren mit Künstlicher Intelligenz aus den beherrscht, kann seine Position im Wettbewerb dauerhaft USA und die Batterie aus Asien kommen, hätten Deutsch behaupten. land und Europa mehr als 50 Prozent der Wertschöpfung
M O N AT S B E R I C H T 0 3 - 2 0 1 9 14 in diesem Bereich verloren. Die damit verbundenen Aus Innovationstempo als Game-Changer: wirkungen gingen weit über den Bereich der Automobil wirtschaft hinaus. Diese Problematik betrifft deshalb nicht Im Vergleich zu früheren Zeiträumen hat sich das Innova nur die Unternehmen der Branche, sondern alle wirtschaft tionstempo heutzutage enorm beschleunigt. Bereits zu lichen und staatlichen Akteure gleichermaßen. Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Möglichkeiten von Fernsehen, Telekopie (Fax) und Mobiltelefon grundsätzlich Die Verbindung von Maschine und Internet (Industrie 4.0) erkannt. Es dauerte gleichwohl viele Jahrzehnte, bis die ist ein weiterer außerordentlich wichtiger Game-Changer. technische Entwicklung eine Umsetzung und Kommer Die bisherige Trennung zwischen der „realen“ Welt der zialisierung möglich machte. (Produktions-)Maschinen und der „virtuellen“ Welt des Internets wird zunehmend aufgehoben. Maschinen sind Seit etwa 15 Jahren hat sich das Innovationstempo – insbe- über das Internet mit anderen Maschinen und mit Men- sondere in den relevanten Digital- und Zukunftsbereichen – schen verbunden. Das Internet bekommt eine neue Dimen- radikal beschleunigt. Damit wächst die Gefahr, den Anschluss sion, Industrieproduktion ohne Nutzung des Internets ist an solche Entwicklungen zu verlieren. Unternehmen und wirtschaftlich nicht mehr denkbar. Die Frage, welche Seite Volkswirtschaften, denen dies widerfährt, werden dadurch bei dieser Fusion von Maschine und Netz im „Lead“ sein vom „rule-maker“ zum „rule-taker“, zur verlängerten Werk wird, ist alles andere als geklärt, die Veränderung hat gerade bank derjenigen Länder, die rechtzeitig gehandelt haben. erst begonnen. Durch die Verbindung von wesentlichen Aspekten der digi- Zu weiteren Game-Changer-Technologien der Zukunft gehö talen Revolution mit traditioneller Forschung und Umset- ren vermutlich die Nano- und die Biotechnologie, neue zung wird das Innovationstempo noch einmal drastisch Werkstoffe und Leichtbautechnologien sowie die Entwick- zunehmen. lung des Quanten-Computings.
15 M O N AT S B E R I C H T 0 3 -2 0 1 9 Dazu wird der Einsatz von Anwendungen der KI wesentlich • Wir müssen vorhandene Stärken ausbauen und gleich- beitragen. Entscheidungen, ob man in einem bestimmten zeitig einen Aufholprozess in Bereichen starten, in Bereich in den Innovationswettbewerb einsteigt, müssen denen andere besser sind als wir. Die Erfahrung hat künftig wesentlich schneller innerhalb eines kurzen Zeit- gezeigt, dass Industriebereiche, die einmal an andere fensters getroffen werden und sind weit weniger reversibel, Wettbewerber „verloren“ sind, kaum oder nur sehr als dies in früheren Innovationszyklen der Fall war. schwer wiederzugewinnen sind. Deshalb müssen wir um jeden industriellen Arbeitsplatz kämpfen. Die falsche Unterscheidung in „alte schmutzige“ Industrien und Orientierungspunkte einer nationalen „saubere neue“ Industrien führt in die Irre. Industriepolitik: • Die Stärkung des industriellen Mittelstandes ist von • Die Frage der industriellen und technologischen Sou- zentraler Bedeutung, da hier eine besondere Stärke veränität und Kapazität unserer Volkswirtschaft ist die unseres Landes liegt. Viele mittelständische Unterneh- entscheidende Herausforderung für die Bewahrung der men haben mit hochspezialisierten Produkten und Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Unsere Volkswirt- Anwendungen Teile des Weltmarktes „erobert“ (Hidden schaft muss auch künftig dem weltweiten Wettbewerb Champions), verfügen über eine enorme technologische in allen wesentlichen Bereichen gewachsen sein, insbe- Kompetenz und Wettbewerbsfähigkeit. Sie werden sondere, wenn es um Schlüsseltechnologien und Basis durch den raschen Fortgang von Innovation und ins innovationen geht. besondere Digitalisierung aber vor gewaltige Herausfor- derungen gestellt, da ihre besonderen technologischen • Der Anteil der Industrie an der Bruttowertschöpfung Fähigkeiten oftmals in anderen Bereichen liegen. Sie ist ein quantitatives Ziel und reicht als Orientierungs- brauchen noch mehr als bisher maßgenaue Angebote punkt alleine nicht aus. Er ist aber ein wichtiger Indi und Unterstützung. kator, ob die Entwicklung in die richtige oder falsche Richtung geht. Ein Ausbau auf 25 Prozent an der Brutto • Nationale und europäische Champions: wertschöpfung wird in Deutschland für sinnvoll und Größe zählt – Size matters! möglich gehalten. Wesentlich schwerer ist die Aufgabe Durch die Herausbildung eines umfassenden Weltmarktes für die EU insgesamt, da der Prozess der De-Industriali- in immer mehr Bereichen stellt sich zunehmend die sierung in vielen Ländern noch in vollem Gange ist. Eine Frage nach der kritischen Größe, die für einen industri- Trendumkehr liegt aber im deutschen volkswirtschaft- ellen Akteur erforderlich ist, um am internationalen lichen Interesse, da von einer industriellen Renaissance Wettbewerb erfolgreich teilzunehmen, bzw. bestimmte in Europa wichtige Impulse für alle Länder zu erwarten Produkte und Dienstleistungen anbieten zu können. sind. Perspektivisch soll der Industrieanteil in der EU Große Verkehrsflugzeuge werden nur von Unternehmen insgesamt daher auf 20 Prozent bis zum Jahre 2030 ab einer bestimmten Größe gebaut. Die Schaffung und steigen. Modernisierung von Eisenbahnsystemen führt zu Groß projekten von 30 Milliarden US-Dollar und mehr. Große • Der Erhalt geschlossener Wertschöpfungsketten ist von Internetplattformen, die auf dem Weltmarkt erfolgreich hoher Bedeutung: Wenn von der Grundstoffproduktion sind, brauchen eine enorme Menge an Kapital. Ebenso über die Veredelung und Verarbeitung bis hin zu Vertrieb, ist es im Anlagenbau, dem internationalen Finanz- und Dienstleistungen, Forschung und Entwicklung alle Teile Bankwesen und bei vielen anderen Aufgaben: Sie verlan- einer Wertschöpfungskette in einem Wirtschaftsraum gen große und starke Akteure, die mit Wettbewerbern vorhanden sind, werden die einzelnen Glieder der Kette aus den USA oder China auf Augenhöhe sind. widerstandsfähiger, ist es wahrscheinlicher, dass ein Wettbewerbsvorsprung erreicht oder ausgebaut werden Wenn es in einem Land an Unternehmen fehlt, die die kann. Deshalb brauchen wir eine ganzheitliche Betrach- notwendige kritische Größe erreichen, um bedeutende tung und Analyse, wo bisherige Wertschöpfungsketten Projekte zu realisieren und sich im internationalen bereits unterbrochen oder gefährdet sind, sowie die Ver- Wettbewerb gegen große Konkurrenten zu behaupten, ständigung auf geeignete Maßnahmen, um eine weitere führt dies faktisch zum Ausschluss von einem bedeuten Erosion zu verhindern oder umzukehren. den und wachsenden Teil des Weltmarktes.
M O N AT S B E R I C H T 0 3 - 2 0 1 9 16 Es ist deshalb Anlass zur Sorge, dass in Deutschland seit mehr Technologie- und Innovationsführerschaft betrof- Jahren kaum noch neue Unternehmen dieser Größen- fen sind, ist es vorrangig Sache der privaten deutschen ordnung entstehen, stattdessen frühere Weltmarktführer Wirtschaft und ihrer Akteure, derartige Übernahmen wie AEG oder Grundig schon lange ihre Stellung verloren durch eigene Angebote zu verhindern. Der Staat kann in haben. In den USA und in China sind in den letzten 20 diesen Fällen ermutigen und unterstützen. Jahren zahlreiche neue große Weltmarktkonzerne ent- standen, insbesondere im Bereich der Telekommunika Nur in sehr wichtigen Fällen soll der Staat für einen tionstechnologien, des Internets und der Digitalisierung. befristeten Zeitraum selbst als Erwerber von Unterneh- Dies hat in einigen Bereichen zu einem enormen mensanteilen auftreten können. Insgesamt darf sich der Zuwachs an Wertschöpfung für diese Länder geführt. Anteil staatlicher Beteiligungen langfristig aber nicht erhöhen. Deshalb kommt die Schaffung einer nationalen Oft scheitern deutsche oder europäische Fusionen, die Beteiligungsfazilität in Betracht, über deren Umfang mit Blick auf den Weltmarkt sinnvoll und notwendig regelmäßig dem Parlament zu berichten ist. Der Über- sind, an der Fokussierung auf nationale und regionale nahme neuer Beteiligungen muss grundsätzlich die Märkte im geltenden Recht. Das europäische und deut- Privatisierung anderer Beteiligungen gegenüberstehen. sche Wettbewerbsrecht müssen überprüft und gegebe- nenfalls geändert werden, damit für deutsche und euro- • Ob und inwieweit der Staat von grundsätzlich gege- päische Unternehmen ein internationaler Wettbewerb benen Handlungsmöglichkeiten Gebrauch macht, muss „auf Augenhöhe“ möglich bleibt. nach einem neuen volkswirtschaftlichen Verhältnis- mäßigkeitsprinzip beurteilt und entschieden werden: Bereits bestehende Champions wie Siemens, Thyssen- Krupp, Automobilhersteller oder Deutsche Bank gibt es 1. Je geringer die volkswirtschaftliche Bedeutung eines zum Teil seit 100 Jahren und länger, sie haben sich seit- Vorgangs, desto weniger darf der Staat in den Wirt- her erfolgreich am Weltmarkt behauptet. Airbus ist eine schaftsprozess eingreifen. große neuere Erfolgsgeschichte, doch auch seine Grün- dung liegt mittlerweile 50 Jahre zurück. 2. Je größer die volkswirtschaftliche Bedeutung eines Vorgangs, desto größer muss der Spielraum des Der langfristige Erfolg und das Überleben solcher Unter Staates für aktive und aktivierende Gestaltung sein. nehmen liegt im nationalen politischen und wirtschaft Dies kann bei Herausforderungen, die für eine Volks- lichen Interesse, da sie erheblich zur Wertschöpfung bei wirtschaft existenziell sind, bis zur zeitlich befristeten tragen und in vielen Fällen auch für das hervorragende Übernahme von Anteilen oder Gewährung von Bei- Image deutscher Wirtschaft und Industrie weltweit mit hilfen gehen. verantwortlich sind. 3. Grundsätzlich ist jeder Eingriff auf dasjenige Maß zu • Viele Unternehmen versuchen, ihre Position auf bestimm beschränken, das zur Erreichung des volkswirtschaft- ten Märkten durch die Übernahme von Unternehmen lichen Ziels notwendig und geeignet erscheint. in anderen Ländern zu verbessern. Deutschland war und ist ein offenes Land, in dem solche Übernahmen auch 4. Im Hinblick auf die für die Wertschöpfungskette sehr künftig möglich und erwünscht sind, da dies unserem bedeutende Frage der Batteriezellproduktion Verständnis von Marktwirtschaft entspricht. erscheint z. B. eine staatliche Förderung bis hin zur Unterstützung der Bildung von Konsortien sinnvoll Die staatliche Untersagung von Unternehmensübernah- und ausreichend. men durch ausländische Wettbewerber ist auch künftig an strenge Voraussetzungen zu knüpfen und darf im Ein 5. Bei den überragend wichtigen Fragen von Plattform zelfall nur dann erfolgen, wenn dies zur Abwehr von Ge ökonomie, Künstlicher Intelligenz und Autonomem fährdungen der nationalen Sicherheit, einschließlich des Fahren erscheint demgegenüber – wie seinerzeit im Bereichs der kritischen Infrastrukturen, erforderlich ist. Falle von Airbus – eine unmittelbare staatliche Betei- ligung zur Erreichung des Ziels erforderlich und Bei Übernahmeversuchen, bei denen nicht in erster gerechtfertigt (KI-Airbus). Linie das staatliche Sicherheitsinteresse, sondern viel-
17 M O N AT S B E R I C H T 0 3 -2 0 1 9 Ordnungspolitische Prinzipien: Unternehmens, ob es in neue Technologien investiert oder nicht. Als Ergebnis unternehmerischen Handelns • Die Politik muss die Rahmenbedingungen für indus müssen Erfolg und Scheitern gleichermaßen möglich trielle Produktion in Deutschland im Hinblick auf die sein, wenn Marktwirtschaft tatsächlich gelingen soll. Wettbewerbsfähigkeit wichtiger Branchen ständig über- prüfen und verbessern. • Der Staat soll auch nicht willkürlich in den Wettbewerb zwischen einzelnen Unternehmen eingreifen, weder im In den vergangenen Jahrzehnten haben sich diese Rah- nationalen noch im internationalen Wettbewerb. Nur so menbedingungen durch staatliche Eingriffe z. B. aus kann der Prozess der optimalen Ressourcenallokation Gründen des Umweltschutzes, des Klimaschutzes, der gelingen, kann sich der bessere Anbieter behaupten, ent- Energiewende oder der Sozialpolitik zum Teil deutlich steht der größte Mehrwert für alle. verändert. Dies hat die Kosten und damit die Wettbe- werbsposition gegenüber Ländern, in denen dies nicht • Die Prinzipien des Marktes und des komparativen Vor- der Fall ist, verschlechtert. teils (Ricardo) sind unverändert gültig. Ihre Beachtung und Durchsetzung liegt im Interesse aller Beteiligten. Sie Soweit der Staat Eingriffe, die aus übergeordneten poli bedeuten, dass der Erfolg einer einzelnen Volkswirtschaft tischen Gründen erforderlich sind, in ihren wettbe nicht zu Lasten einer anderen Volkswirtschaft erfolgt. Viel werbsschädlichen Wirkungen ausgleicht, ist dies keine mehr können alle gemeinsam wachsen und stärker wer- Subvention, sondern die Wiederherstellung von Ver- den, wenn sie diese Prinzipien erkennen und anwenden. gleichbarkeit im Wettbewerb. Dies muss im Einklang mit EU-Recht möglich sein. • Deutschland bekennt sich deshalb zum Prinzip freier und offener internationaler Märkte, auch dort, wo dies Bereiche, in denen Handlungsbedarf besteht, sind z. B.: möglicherweise eigenen Unternehmen zum Nachteil –– Strom- und Energiepreise gereicht. Wir wollen weltweit Zölle und Abgaben senken –– Höhe der Unternehmensbesteuerung und abschaffen, insbesondere für Industrieprodukte in –– Höhe der Sozialabgabenquote (dauerhaft unter allen Bereichen. 40 Prozent muss garantiert sein) • Wir wollen den Multilateralismus stärken und aus- bauen, weil er die beste Garantie gegen Protektionismus • Der Staat darf zu keinem Zeitpunkt in betriebswirtschaft jeder Art ist und außerdem wesentlich zur Schaffung liche Entscheidungen einzelner Unternehmen eingreifen. von wirtschaftlicher und politischer Stabilität beiträgt. Jedes Unternehmen muss selbst entscheiden können, welche Strategie es verfolgt, welche Investitionen es tätigt. • Freie und offene Märkte setzen vergleichbare Rahmen- Dies folgt aus der zwingenden Einheit von Entscheidung bedingungen für alle Marktteilnehmer und Wettbe- und Verantwortung. Deshalb ist es Sache eines jeden werber voraus (level playing field). Diese entstehen nicht
M O N AT S B E R I C H T 0 3 - 2 0 1 9 18 von selbst, zumal einige Staaten sich nicht an geltende auch europäische Industriepolitik sein. Grundsätzlich gilt: Regeln halten. Deutschland muss deshalb im Interesse Die Staaten, die zum Binnenmarkt gehören, haben gemein- seiner Wirtschaft intensiv auf die Beseitigung bestehen- same Wirtschaftsinteressen, da höhere Wertschöpfung in der Ungleichheiten und Benachteiligungen hinwirken. einem dieser Staaten auch den Volkswirtschaften aller anderen Mitglieder des Binnenmarktes zugutekommt. • Sofern es in absehbarer Zeit nicht gelingt, ein level play ing field für Globale Soziale Marktwirtschaft herzustel- Deshalb braucht auch die Europäische Union eine Industrie len, müssen Deutschland und Europa aktiver als in der strategie, die auf den Strategien der wichtigsten EU-Indus Vergangenheit gegen Wettbewerbsverzerrungen durch trieländer aufbauen muss. Unser Ziel muss es sein, die andere Länder vorgehen. Sonst besteht die Gefahr, dass industrielle Wettbewerbsfähigkeit Europas insgesamt zu leistungsfähige Unternehmen durch Eingriffe anderer stärken. Der Prozess der De-Industrialisierung in vielen Staaten benachteiligt und ins Aus gedrängt werden. Dies EU-Staaten muss nach und nach beendet und umgekehrt umfasst: werden. Dies wird nur gelingen, wenn sich die EU-Mitglied staaten gemeinsam diesem Ziel verpflichten. 1. Überprüfung und ggf. Reform des geltenden Beihilfe- und Wettbewerbsrechts. Bislang wird in der Europäischen Union und im Euroraum sehr viel über fiskalische Fragen, aber viel zu wenig über 2. Ermöglichung von zeitlich begrenzten Beihilfen in grundlegende wirtschaftspolitische Fragen diskutiert und Bereichen von Innovationen mit hoch innovativen entschieden. Es gibt mehrere unterschiedliche Ratsforma Basiswirkungen, in denen das Erlangen von Wettbe- tionen, in denen über einzelne Aspekte von Wirtschafts werbsfähigkeit im volkswirtschaftlichen Interesse politik diskutiert wird (Wettbewerbsfähigkeitsrat, Handels- geboten ist. rat, Telekommunikationsrat, Energierat), aber keinen zentralen europäischen Ort, an dem alle unterschiedlichen 3. Wirksameres Vorgehen gegen Dumping und Miss- Aspekte zusammengeführt, diskutiert und entschieden brauch marktbeherrschender Stellungen. werden können. 4. Erleichterung von Unternehmenszusammenschlüssen Das europäische Format „Friends of Industry“ war ein erster in Bereichen, in denen Größe eine unabdingbare richtiger Schritt. Über diesen unverbindlichen Austausch Voraussetzung für unternehmerischen Erfolg ist. hinaus braucht die Europäische Union künftig einen „Rat der Industrieminister“, durch den die Zahl der bestehen- den Einzelräte allerdings nicht erhöht, sondern reduziert Die europäische Dimension: werden soll. Angesichts der großen Errungenschaft des Europäischen Binnenmarktes muss deutsche Industriepolitik immer
19 M O N AT S B E R I C H T 0 3 -2 0 1 9 Weiteres Vorgehen: Ebenso ein Fahrplan mit konkreten Umsetzungsschritten, soweit gesetzliche Änderungen oder sonstige Maßnahmen Eine überzeugende und erfolgreiche Entwicklung und erforderlich sind (z. B. Wettbewerbsrecht, Beteiligungsfazi Umsetzung einer Industriestrategie setzt das Zusammen- lität). wirken aller wesentlichen Akteure voraus. Sie müssen gemeinsam Schwerpunkte und Maßnahmen vereinbaren. Auf der Grundlage der Nationalen Strategie wird sich die Die Gesamtverantwortung des Staates für das Wohl seiner Bundesregierung sodann für die rasche Erarbeitung und Bürgerinnen und Bürger bleibt davon unberührt. Verabschiedung einer entsprechenden EU-Industriestrate- gie einsetzen und in den übrigen Mitgliedstaaten für eine Der vorliegende Entwurf ist deshalb ein erster Aufschlag. Er intensive Befassung mit industriepolitischen Themen beansprucht weder Vollständigkeit noch ungeteilte Zustim- werben. mung. Er wird in den kommenden Wochen Gegenstand einer intensiven Diskussion mit relevanten Akteuren aus Für den Erfolg der Strategie ist es wichtig, dass in regelmä- Industrie, Wirtschaft, Gewerkschaften und Wissenschaft ßigen Abständen eine fokussierte Bewertung der tatsächli sein. Ebenso mit den Fraktionen des Deutschen Bundes- chen industriepolitischen Entwicklung und der Angemes- tages und den Ländern. senheit der Politik der Bundesregierung erfolgt, ohne dass damit die Aufsetzung eines neuen, komplizierten und auf- Im Anschluss daran soll die überarbeitete Strategie inner- wendigen Monitoring-Prozesses verbunden wird. Ich halb der Bundesregierung abgestimmt und vom Bundes schlage vor, dass dies erstmalig zu Beginn des Jahres 2021 kabinett beschlossen werden. erfolgen soll. Zur Einordnung und Motivation der Strategie sagt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier: Der vorliegende Entwurf entwickelt erstmals eine zusam- der Staatsraison der Bundesrepublik Deutschland. Es wird menhängende und an grundsätzlichen Erwägungen orien- von Wirtschaft, Sozialpartnern und Staat gemeinsam tierte nationale und europäische Industriestrategie. Mit ihr gewährleistet. soll eine rationale Antwort auf eine der wichtigsten Fragen der Gegenwart ermöglicht werden: Ermöglicht wurde unser hohes Maß an Wohlstand durch die Soziale Marktwirtschaft. Sie hat sich als weltweit erfolg- Wie können wir unser hohes Maß an privatem und öffent reichstes Wirtschaftsmodell durchgesetzt. Sie war und ist lichem Wohlstand dauerhaft erhalten und ausbauen – jeder Form von Planwirtschaft überlegen. Vor 40 Jahren unter den Bedingungen zunehmender Globalisierung, wurden sogar in China Elemente von Marktwirtschaft ein- enorm beschleunigter Innovationsprozesse und expansiv geführt. Seit dem Ende des Kalten Krieges erlebt die Markt- beziehungsweise protektionistisch betriebener Wirtschafts wirtschaft einen weltweiten Siegeszug. politik anderer Länder? In Deutschland hat es gleichwohl immer wieder industrie Seit Ludwig Erhard hat unser Staat unmittelbar Verantwor- politische Eingriffe des Staates in die Wirtschaft gegeben: tung für die Schaffung und den Erhalt von Wohlstand Von der Airbus-Gründung im Jahre 1969 über „Rettungsver- übernommen. Sein Programmsatz „Wohlstand für alle“ suche“ für einzelne Unternehmen (Salzgitter, Holzmann, formuliert ein weitreichendes politisches Versprechen an Opel, Quelle) bis hin zur Ansiedlung von Photovoltaik- alle Bürgerinnen und Bürger, über alle sozialen Schichten Unternehmen oder der Produktion von Halbleitern und hinweg. Mikrochips. Manche Eingriffe gingen fehl, weil sie zu kurz griffen und der Staat ganz grundsätzlich nicht der bessere In über sieben Jahrzehnten ist es gelungen, dieses Verspre- Unternehmer ist. Und weil sie – anders als z. B. bei Airbus – chen in einem Maße einzulösen, das sich seinerzeit niemand auf punktuelle Effekte zielten, Fehlallokationen auslösten, vorstellen konnte. Heute ist das Wohlstandsversprechen aber keinerlei strategische Funktion erfüllten. von Ludwig Erhard – neben Freiheit und Sicherheit – Teil
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