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[extra] ILS-TRENDS Die neue Datenmü(n)digkeit? Pandemiedaten zwischen Politikberatung und Raumforschung Von: Datenbasiertes Monitoring wurde während der Coronapandemie zu einem maß- Prof. Dr. Stefan Fina geblichen Informationsinstrument für das Krisenmanagement. Nie zuvor in der Chris�an Gerten Geschichte hing der Lebensalltag von Mensch und Gesellschaft derart eng von der Dr. Bas�an Heider Interpretation von Zahlen ab wie in der Pandemie. Eine unmittelbare Folge ist eine zunehmende Datenmündigkeit (engl. „data literacy“) von weiten Teilen der Ge- Gastbeitrag von: sellschaft für die Interpretation von Indikatoren wie der 7-Tage-Inzidenz. Im weiteren Nadine Blätgen Verlauf wurde allerdings deutlich, dass Dunkelziffern und verzögerte Melde- Bundesins�tut für Bau-, ketten zu Glaubwürdigkeitsproblemen, oder Datenmüdigkeit, führen können. Neben Stadt- und Raumforschung diesen gesellschaftspolitischen Auswirkungen sind für die Raumforschung die Potenziale von Pandemiedaten von besonderem Interesse. Welche neuen Ana- Unter Mitarbeit von: lysemöglichkeiten sind durch die Datensammlungen zum Pandemiegeschehen Ka�nka Gehrig-Fi�ng entstanden? Wie können damit Raumentwicklungstrends in Grafiken und Ju�a Rönsch Karten visualisiert werden? Welche drängenden Fragestellungen ergeben sich Benjamin Scholz für Stadt- und Raumforschung? Die vorliegende TRENDS[extra]-Ausgabe zeigt ausgewählte Anwendungen und diskutiert diese mit einem kritischen Blick auf ihre Aussagekraft und den weiterführenden Forschungsbedarf. Disruptive Ereignisse kündigen sich nicht warnende Stimmen, mitunter auch fahr- an. Im Nachgang kann man zwar viel- lässig, ignoriert. Dennoch kommen die 2.2022 fach feststellen, dass es Hinweise für auf- kommende Problem- und Notlagen, wie Ereignisse in ihrem Umfang und ihrem zeitlichen Ablauf dann doch überraschend. Naturkatastrophen, Finanzkrisen oder Pan- Manche Beobachter*innen sprechen dies- demien, gab. Möglicherweise wurden bezüglich von einem „Risikoparadox“.
Textbox 1 Dabei werden in Entscheidungspro- aktualisierten Daten – die Raumbeobach- zessen Gefahren deshalb weiterhin Gastbeitrag des tung stützt sich bis dahin auf üblicherweise ausgeblendet, weil man bislang ver- Bundesinstituts für jährlich vorliegende Daten – verarbeiten zu können. Mit dieser Software ist es möglich, die schont geblieben ist. Investitionen in Vorsorgemaßnahmen unterbleiben, da Bau-, Stadt- und für die Zwecke der Raumbeobachtung auf- sie ohne konkrete Gefahrenlage nicht Raumforschung bereiteten Daten und Befunde nicht nur au- tomatisiert wöchentlich zu ergänzen und zu legitimiert werden können. Risikovor- sorge wird so zum Paradox (Renn von Nadine Blätgen analysieren, sondern die räumlichen Ana- 2008). Der Ausbruch von COVID-19 zu Corona regional lysen in interaktiven Tabellen und Visua- (Coronavirus SARS-CoV-2) war und lisierungen auch der (Fach-)Öffentlichkeit ist ein Ereignis, auf das die Welt nicht www.bbsr.bund.de/corona-regional zur Verfügung zu stellen. Die so entwickelte vorbereitet war. Zum Zeitpunkt der Zu Beginn der Coronapandemie im interaktive Anwendung Corona regional Erstellung dieses TRENDS[extra]- Frühjahr 2020 wurde schnell der Ruf (BBSR 2020) bietet seit Juli 2020 Wissen- Heftes erlebt Deutschland die vierte nach verlässlichen, räumlich differen- schaftler*innen ein Analysetool, das sowohl Welle („Omikron“) mit milderen Krank- zierten Daten zum Infektionsgesche- die COVID-19-Fall- und -Todesfallzah- heitsverläufen, Beschränkungen werden hen laut. Die gewünschten Informatio- len als auch weitere Daten zur Belegung sukzessive aufgehoben. Das Krisen- nen bezogen sich vor allem auf die von Intensivbetten und zum Impfgeschehen management löst sich somit von inzidenz- raumzeitliche Verbreitung des Virus in einer raumzeitlichen Kulisse bereitstellt. abhängigen Kontaktbeschränkungen. sowie die Lage von Hotspots und die Zuvor wurden Infektionswellen mehr räumliche Verteilung der Neuinfekti- Die Nutzer*innen können Karten, Dia- oder weniger erfolgreich mit einem onen. Auch wurde früh die Frage ge- gramme und tabellarische Auswertungen komplexen Regelwerk an solchen Be- stellt, ob Stadt-Land-Unterschiede hin- interaktiv nach den eigenen Bedürfnissen schränkungen gebrochen, das, be- sichtlich der Virusverbreitung beste- verändern und so auch eigene Fragestel- gleitet von Impfkampagnen, eine Grund- hen (u.a. Hamidi et al. 2020; Förtsch/ lungen beantworten, ohne die Daten selbst immunität der Bevölkerung anstrebt. Rösel 2020). beschaffen und aufbereiten zu müssen. Der Erfolg der Impfkampagnen steht Das Tool funktioniert vornehmlich über die aus wissenschaftlicher Sicht allerdings Die Laufende Raumbeobachtung des visuelle Analyse, ergänzt um tabellarische in einer komplexen Wechselwirkung Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Auswertungen. mit der Impfbereitschaft der Bevölke- Raumforschung (BBSR) griff diese rung, der Wirksamkeit von Impfstoffen Fragen auf, indem die zur Verfügung Die Entwicklung von Corona regional im bei neu aufkommenden Mutationen stehenden täglichen Fallzahlen des BBSR zeigt, dass unter der Voraussetzung des Virus, und dem Zusammenspiel von Robert Koch-Instituts mit den eigenen verlässlicher und valider Datengrundlagen, Bevölkerungsimmunität mit Kontakt- regionalen Datenbeständen kombiniert wie z.B. der Fallzahlenstatistik des Robert beschränkungen. Diesbezüglich kommt und analysiert wurden. Die Kombination Koch-Instituts, die laufende Raumbeobach- datengestützten Informationsplattfor- der COVID-19-Fallzahlen (RKI 2020) tung mit ihrer Daten- und analytischen Kom- men, die umfassend über den Verlauf der mit den BBSR-eigenen Raumtypen, er- petenz schnell einen Beitrag zur Beant- Pandemie informieren, seit Beginn möglichte deskriptive Analysen u.a. zu wortung raumwissenschaftlicher Frage- der Krise eine bedeutende Rolle zu. Stadt-Land-Unterschieden und lieferte stellungen im Zusammenhang mit disrupti- Geodatenbasierte Dashboard-Anwen- damit auch bessere Erkenntnisse zur ven Ereignissen liefern kann. Eine Weiter- dungen informieren mit Hilfe aus- raumzeitlichen Verbreitung des Virus entwicklung des Tools und eine parallele gewählter Indikatoren über den Ver- nach siedlungsstrukturellen Merkmalen. Entwicklung hinsichtlich der Effekte der lauf von erfassten Ansteckungen Die nebenstehende Abbildung zeigt z.B. Lockdown-Maßnahmen auf kurzfristige Ent- („Inzidenzen“), Hospitalisierungen und die 7-Tage-Inzidenz mit einem erkenn- wicklungen am Arbeitsmarkt sind in Arbeit. Todesfällen. Der Begriff Dashboard baren Zeitversatz zwischen den Raumty- steht dabei für datenbasierte Visuali- pen beim Verlauf der Omikron-Welle, für sierungen im Informationsmanagement, die in kreisfreien Großstädten der Schei- wie sie z.B. vom Robert Koch-Institut telpunkt deutlich früher überschritten für tagesaktuelle Berichte zum An- wurde. Diese Beobachtung stützt die steckungsgeschehen entwickelt wurden. These, dass sich das Infektionsgesche- hen zunächst in den international stärker Nadine Blätgen beschreibt im neben- vernetzten kreisfreien Großstädten aus- stehenden Gastbeitrag (Textbox 1) die breitet, bevor es sich in anderen Raum- Internetplattform Corona regional des typen fortsetzt und länger hält. Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Über verschie- Für den Aufbau der Plattform war der dene Visualisierungsformen (Karten, Dia- Einsatz von Business Intelligence Soft- gramme, Tabellen) werden auf der Platt- ware notwendig, um die hochfrequent form z.B. die Unterschiede in der Pan- demieverbreitung zwischen Stadt und Land aufgezeigt. Das zu Beginn der 2
management attestiert, bedarf einer vertie- zubringen. Auch dieser Aspekt ist Aufgabe fenden Ursachenforschung und Ausein- von Raumforschung. andersetzung mit den gesellschaftspo- litischen Rahmenbedingungen für die Digi- In diesem Zusammenhang setzen die An- talisierung von Verwaltungsprozessen. Die wendungsbeispiele dieses Heftes auf Beurteilung und kritische Würdigung ver- Forschungsfragen, die die politikleitenden fügbarer Analysepotenziale kann diesbe- Indikatoren des Pandemiedatenmanage- züglich dabei helfen, die Problemlagen ments in einen Kontext sozialräumlicher besser zu verstehen und sich über diese Ungleichheit setzen, und zeigen anschlie- Abb. 1: Inzidenz und Lockern, © Harm Bengen Kenntnisse konstruktiv in Forschungs- ßend Analysepotenziale für Zukunftsfragen stränge zur Weiterentwicklung von Daten- von Anpassung und Widerstandsfähigkeit Pandemie vielfach diskutierte, stärkere kulturen und Informationstechnologien ein- in der Raumentwicklung auf. Im Fußbereich Ansteckungsrisiko in städtisch geprägten Räumen konnte so nicht bestätigt werden. Diese Erkenntnis trug schnell dazu bei, eine aufkommende Stadt-Land-Kontroverse um Textbox 2 pandemiegerechtes Leben zu relativieren (Siedentop/Zimmer-Hegmann 2020). Statt- Sozioökonomische dessen erhärten sich Evidenzen für ein Raumtypen Hamburg Ausbreitungsmuster, bei dem Ansteckungs- wellen in den international vernetzten Metro- in Deutschland polen ankommen, sich in die Peripherie Berlin (aus der ILS-Studie Ungleiches ausbreiten, dort in sozial benachteiligten Deutschland 2019, Fina et al. 2019) Räumen auf eine höhere Vulnerabilität der Bevölkerung treffen und stärker nach- wirken. Diese vorweggenommene Erkennt- Die nebenstehende Disparitäten- Köln Dresden nis aus den datenbasierten Analysen dieses karte zeigt Raumtypen, die sich Frankfurt a.M. Heftes stützt Thesen aus der kritischen durch ähnliche raumstrukturelle Raumforschung, die sich mit der Situation Stärken und Schwächen voneinan- und Betroffenheit marginalisierter und der abgrenzen. Stuttgart privilegierter Gruppen auseinandersetzen (Mullis 2021). Mit Hilfe einer geostatistischen Clus- München teranalyse wurden über ein Set an Fragestellungen für die Raumforschung sozioökonomischen Indikatoren, ge- gliedert nach Themenbereichen, ver- Dynamische Groß- und Mittelstädte mit Exklusionsgefahr Die nachfolgenden Anwendungsbeispiele gleichbare Abweichungen vom Starkes (Um-) Land Deutschlands solide Mitte dieses Heftes zeigen diesbezüglich nicht Bundesdurchschnitt ermittelt und Ländlich geprägte Räume mit persistenten Strukturlasten nur raumanalytische Möglichkeiten durch zu Raumtypen zusammengefasst. Städtisch geprägte Regionen im andauernden Strukturwandel die Nutzung von Pandemiedaten auf. Sie erläutern auch, wie aus dem kombinierten Die Grundlage ist eine umfassende Ideenfundus theoretischer Debatten und Datensammlung sozioökonomischer • Wanderungen: Binnen- explorativer Datenanalysen belastbare Kennwerte auf der Ebene kreisfreier wanderungssaldo Forschungshypothesen für die Raumfor- Städte und Landkreise, aus denen schung werden. Datenbasierte Erkenntnisse folgende repräsentative Indikatoren Die Charakterisierung der Raum- wirken dabei als Korrektiv für evidenzarme (kursiv gesetzt) ausgewählt wurden: typen durch die Autor*innen der theoretische Beiträge, die anfällig sein Studie führte zu den in der Legen- • Wirtschaft, Arbeitsmarkt und de ersichtlichen Namen für die je- können für selektive („selection bias“) oder Beschäftigte: Hoch qualifizierte weiligen Raumtypen. interessengeleitete („confirmation bias“) Beschäftigte Deutungsmuster. Beispielhaft hierfür steht In Grüntönen eingefärbte Raum- der Themenschwerpunkt um das „Ende des • Lebens- und Bildungschancen: typen bieten durchschnittlich bes- Städtischen“ in sub\urban: zeitschrift für Altersarmut, Kinderarmut sere Lebensbedingungen für die kritische stadtforschung, in dem z.B. die • Wohlstand und Gesundheit: Mehrheit der Bewohner*innen, als Trendverläufe aus Dashboards wie Corona Lebenserwartung, Erreichbarkeit die in Rottönen eingefärbten Raum- von hausärztlicher Versorgung, typen. Der Gelbton repräsentiert den regional des BBSR für die Erklärung der Raumtyp mit zumeist durchschnitt- höheren Betroffenheit marginalisierter Gehälter lichen Werten. Gruppen genutzt werden (vgl. Mullis 2021). • Staatliches Handeln und Partizi- Auch die pauschale Reproduktion von pation: kommunale Schulden, Weitere Informationen und Bericht Kritiken, die Deutschland mit dem selektiven Wahlbeteiligung, Breitband- unter: www.fes.de/ungleiches- Verweis auf die „bessere“ Datensituation verfügbarkeit deutschland in anderen Ländern ein schlechtes Krisen- TRENDS [extra] 2.22 3
auf den Doppelseiten 4/5, 6/7 und 10/11 Institutionen verfolgt. So gibt es im erfolgt mittels Standardisierung der Impfun- werden zentrale Indikatoren aus dem Kri- deutschen Gesundheitswesen bislang gen für die Grundgesamtheit der Einwoh- senmanagement (Inzidenz, Todesfälle, Imp- weder Impfregister noch digitale Kranken- ner*innen nach kreisfreien Städten und fungen) nach sozioökonomischem Raum- akten, und nur eingeschränkte Möglich- Landkreisen. Diese Angaben werden mit Be- typ differenziert. Die Konstruktion der Raum- keiten bei der systematischen Nutzung von völkerungszahlen aus den Abgrenzungen typen wird in Textbox 2 erläutert. Die Inzi- z.B. Einwohnermeldedaten für die inner- von kreisfreien Städten und Landkreisen denzen je 1.000 Einwohner*innen (EW) städtische Raumbeobachtung. Im Ver- des Bundesamtes für Kartografie und von März 2020 bis Januar 2022 sind da- gleich zu anderen Ländern stand der Auf- Geodäsie (VG250) verknüpft. bei als Mittelwerte pro Monat aufge- bau eines Informationsmanagements für tragen. Es folgen die Todesraten je 1.000 die Pandemie somit auf einer weniger Die in Abb. 2 gezeigten Werte werden da- Einwohner*innen und die Impfungen nach soliden Grundlage. Zwar wurden auch in bei bewusst nicht als Impfquote be- derselben Auswertungslogik, d.h. eben- anderen Ländern Infektions-„Dunkelziffern“ zeichnet, denn nicht alle Impfungen er- falls als Mittelwerte eines Monats. im Zusammenhang mit regional variie- folgen am Hauptwohnsitz der Geimpften. renden Testkapazitäten thematisiert, aller- In den Anmeldeverfahren zur Impfung gilt “Bad” data = Best available data? dings treten systematische Ausfälle und jedoch, bis auf ortsunabhängige Kampag- Unterbrechungen in der Datenübermittlung nen, eine Registrierungspflicht nach Wohn- Die Konzeption und Kommunikation zen- – durch föderal organisierte und unzu- ort, sodass das Muster der Impfungen pro traler Indikatoren, wie der Inzidenz und der reichend digitalisierte Behörden – in 1.000 Einwohner*innen durchaus inter- Hospitalisierungsrate, hat die öffentlichen Deutschland besonders häufig auf. Die pretationsfähig ist. Die Karte zeigt im Diskurse über den Pandemieverlauf maß- Informationskanäle des Krisenmanage- helleren Ockerfarbton die Kreise an, in geblich beeinflusst. Als Kennziffer mit ments werden so zum Medium einer daten- denen die deutschlandweit geringste Impf- Zeigerwirkung für die Ansteckungsgefahr basierten Wissenschaftskommunikation, bereitschaft vorherrscht, gemessen an der und ihrer geographischen Variation wurde die tagesaktuell geprüft und hinterfragt Anzahl der dritten Impfungen („Booster“). nicht nur die Interpretation der Indikator- wird und deshalb ganz besonders auf Bis auf wenige Ausnahmen verlaufen verläufe zum Politikum, indem sie bekann- ihre Qualitätssicherung achten muss. Im diese Kreise in einem Band von Teilen termaßen zur Begründung von Kontakt- wissenschaftlichen Kontext bedeutet dies, Brandenburgs und Sachsen-Anhalts über beschränkungen und Lockdowns heran- Transparenz über Quellen herzustellen, Sachsen und Thüringen bis nach Nord- gezogen wurde. Die Dringlichkeit, mit mögliche Verzerrungen zu dokumentieren, bayern und weiter nach Baden-Württem- der aus den Daten interpretationsfähige die eigene Arbeit einer unabhängigen berg, unterbrochen von wenigen kreis- Informationen werden mussten, verhalf Begutachtung zuzuführen und kritische freien Städten mit hohen Impfzahlen auch modernen digitalen Technologien zur Rückmeldungen zur Korrektur von Feh- pro 1.000 Einwohner*innen. Wie bereits Verarbeitung der großen Datenmengen lern und der Verbesserung von For- angesprochen, üben diese Städte sicher- zu neuer Aufmerksamkeit. Inwiefern die schungsdesigns zu nutzen. Datenplatt- lich eine gewisse Versorgungsfunktion für Qualität der gesammelten Daten aller- formen wie Zenodo oder GitHub bieten ihr Umland aus. Dieser relativierende Effekt dings politische Entscheidungen legiti- hierfür Möglichkeiten, die bspw. für die dürfte allerdings nur anteilig auf benachbarte miert, ist Gegenstand kontroverser De- Veröffentlichung, Versionierung und Doku- Landkreise zutreffen, in anderen Landes- batten. Vielfach diskutiert wurde z.B., mentation der Impfdaten des RKI genutzt teilen tritt er kaum auf. Insofern verbleibt dass Länder wie England oder Israel werden. durchaus die Erkenntnis einer regional schneller und besser aufgestellt waren, stark variierenden Impfbereitschaft. um das Pandemiegeschehen mit Infor- Höhere Impfbereitschaft bei mationsinstrumenten zu verfolgen und Zu- höherer Betroffenheit? Die Karte in Abb. 3 macht deutlich, dass die sammenhänge zwischen Betroffenheiten regional unterschiedliche Betroffenheit die und sozialräumlichen Lebensbedingungen Entsprechend der eingangs formulierten räumliche Varianz in der Impfbereitschaft zu erforschen. Theorie des Risikoparadoxes kann ver- nicht zu erklären vermag. Die höchsten mutet werden, dass die regional variie- Werte für die kumulierten Ansteckungen seit Die Ursachenforschung für die Probleme im rende Anzahl der Impfungen durch Er- Beginn der Krise sind in den Grenzkreisen Informationsmanagement hierzulande ver- fahrungen wie hohe Inzidenzen geprägt zu Tschechien und Österreich zu finden. weist auf eine Datenkultur, die eine ver- wird. Mit den Methoden des Geomoni- gleichsweise restriktive Handhabung im torings kann die Impfrate nach der dritten Für dieses räumliche Muster wurde in Umgang mit personenbezogenen Daten Impfung („Booster“) in thematischen Karten manchen Medien ein Zusammenhang und dem Informationsaustausch zwischen dargestellt werden. Der räumliche Vergleich zwischen überdurchschnittlichen Wähler- 1,2 Ansteckungen je 1.000 EW 1. Lockdown „Lockdown light“ 1,0 0,04 Mrz - Mai 20 0,04 0,04 Nov - Dez 20 0,8 0,02 0,02 0,02 0,6 0 0 0 0,4 0,2 0,0 Mrz 20 Apr 20 Mai 20 Jun 20 Jul 20 Aug 20 Sep 20 Okt 20 Nov 20 Dez 20 Jan 21 4 Mittelwert der monatlichen Ansteckungen Dynamische Groß- und Mittelstädte mit Exklusionsgefahr Starkes (Um-) Land
anteilen für coronaskeptische Parteien und ihrer Nichtbefolgung von Kontaktbe- schränkungen vermutet. Die Abbildung selbst erlaubt darauf keinen Rückschluss, Hamburg Hamburg zumal den weniger strengen Coronamaß- nahmen in Osteuropa in diesem geo- Berlin Berlin grafischen Zusammenhang Beachtung geschenkt werden muss („Grenzlagen- effekt“). Für den Erklärungsgehalt des Dresden räumlich-visuellen Vergleichs beider Karten Köln Dresden Köln verbleibt somit insgesamt die Erkenntnis, Frankfurt Frankfurt a.M. a.M. dass eine höhere Betroffenheit nach Inzidenzen keinen merklichen Einfluss auf die Impfbereitschaft nimmt. Stuttgart Stuttgart Sozioökonomische Disparitäten München München in der deutschlandweiten Betroffenheitsanalyse Weitere wissenschaftliche Hypothesen Dreifach-Impfungen pro 1.000 EW Kumulierte Ansteckungen pro 1.000 EW zur Erklärung von Ungleichgewichten bis unter 400 bis unter 75 in der Betroffenheit verweisen auf den 400 bis unter 450 75 bis unter 95 Themenkomplex der sozioökonomischen 450 bis unter 500 95 bis unter 110 Benachteiligung (vgl. Wachtler et al. 2020). 500 bis unter 550 110 bis unter 125 Diesbezüglich besteht die Möglichkeit, 550 und mehr 125 und mehr die Zusammenhänge mit Methoden des Geomonitorings explorativ zu untersuchen. Abb. 2: Impfungen (dreimal geimpft) pro 1.000 Ein- Abb. 3: Kumulierte Ansteckungen pro 1.000 Ein- Die in Textbox 2 erläuterte Studie des wohner*innen (Stand: 21.01.2022, Quelle:https:// wohner*innen (Stand: 21.01.2022, Quelle: https:/ ILS enthält diesbezüglich eine Bestands- github.com/robert-koch-institut/COVID-19- /www.corona-datenplattform.de/dataset/infektio- aufnahme sozioökonomischer Disparitäten, Impfungen_in_Deutschland) nen (zugangsbeschränkt))1 die in der folgenden Analyse genutzt wird. Dabei zeigt sich eine markante Auffälligkeit demografische Aspekt den großen Ab- schlechten Erreichbarkeiten von ärztlicher bei den pandemiebedingten vorzeitigen stand gegenüber allen anderen Gebiets- Versorgung. Todesfällen innerhalb der fünf Raumtypen, kulissen? Der Bevölkerungsanteil der über wie sie im Zeitverlauf der Abbildung zu den 65-Jährigen, die ein höheres Risiko für Inwiefern diese Faktoren allerdings tat- kumulierten Todesfällen auf der Doppelseite einen schweren Verlauf haben, liegt hier sächlich eine Rolle spielen, lässt sich auf 6 und 7 zunehmend deutlich zu Tage tritt: bei 27,4 Prozent, in den anderen Raum- der Analyseebene von Indikatoren nur un- Der Gebietstyp der „ländlich geprägten typen zwischen 19,7 („Dynamische Groß- zureichend beantworten. Hierfür werden Räume mit persistenten Strukturlasten“ und Mittelstädte mit Exklusionsgefahr“) kleinräumigere Erkenntnisse zu Wirkungs- hat gegenüber allen anderen eine mehr als und 22,2 Prozent („Solide Mitte“). Dieser beziehungen benötigt, die sich mit Hilfe doppelt so hohe COVID-19-Sterblichkeit. Vergleich deutet darauf hin, dass der um ca. geostatistischer Verfahren konkreter Varia- Für diese Beobachtung liegt die Erklärung fünf Prozentpunkte höhere Anteil an blen auswerten lassen. Die hierfür not- nahe, dass im Gebietstyp der ländlich ge- Einwohner*innen in der anfälligen Alters- wendigen kleinräumigen Informationen sind prägten Räume mit persistenten Struktur- kohorte alleine nicht ausreicht, um eine für die Raumforschung nur über Koope- lasten besonders viele ältere Menschen mit doppelt so hohe Todesrate zu erklären. rationen mit der Städtestatistik zugänglich. einem höheren Risiko für einen schweren Weitere strukturelle Schwächen in diesem Im Rahmen des sogenannten Kommunal- Verlauf leben. In diesem Zusammenhang Raumtyp sind die generell niedrige Lebens- panels des ILS besteht eine derartige verweist die Disparitätenstudie auf die Land- erwartung, die geringste in allen sozio- Kooperation mit der Stadt Düsseldorf, für flucht jüngerer Alterskohorten, während ökonomischen Raumtypen, sowie das die im Folgenden vertiefende Analysen überdurchschnittlich viele ältere Menschen ausgedünnte Angebot der medizinischen vorgestellt werden. zurückbleiben. Doch erklärt dieser einzelne Grundversorgung mit vergleichsweise 2. Lockdown „Bundesnotbremse“ Neue Maßnahmen 2G / 3G Bürgertests 2G / 2G+ ab Dez 21 Dez 20 - Apr 21 Apr - Jun 21 ab Aug 21 kostenpflichtig Okt - Nov 21 Feb 21 Mrz 21 Apr 21 Mai 21 Jun 21 Jul 21 Aug 21 Sep 21 Okt 21 Nov 21 Dez 21 Jan 22 TRENDS [extra] Deutschlands solide Mitte 2.22 Ländlich geprägte Räume mit persistenten Strukturlasten 5 Städtisch geprägte Regionen im andauernden Strukturwandel
abhängigen und der erklärenden Variable Siedlungsdichte 99 (EW/ha Wohnbaufläche) nachgewiesen werden. 95 Arbeitslosenquote 90 In der Interpretation zeigt die Abbildung, dass der Anteil der Haushalte mit einem Anteil Haushalte Nettoeinkommen von über 5.000 Euro ohne Schulabschluss und der Anteil der Bewohner*innen mit Migrationshintergrund einen statistisch Anteil Haushalte mit über 5000 € Nettoeinkommen hochsignifikanten Zusammenhang mit den COVID-Inzidenzen aufweisen. Bewoh- Anteil Bewohner*innen ner*innen von wohlhabenden Stadtteilen mit Migrationshintergrund haben demnach ein geringeres Risiko, sich -300 -200 -100 0 100 200 300 mit SARS-CoV-2 zu infizieren, während das Die Positionierung der Punkte symbolisiert den, mit Hilfe eines multivariaten Regressionsmodells geschätzten, Zusammenhang Risiko in migrantisch geprägten Stadtteilen zwischen den COVID-19-Inzidenzen je 100.000 Einwohner*innen1 und der jeweiligen unabhängigen Variable. Die farblich signifikant höher ist. abgestuften Balken symbolisieren Konfidenzintervalle (99%, 95%, 90%). Berührt der Balken die (rote) Null-Linie, ist der geschätzte Koeffizient unter Annahme des gewählten Konfidenzintervalls statistisch nicht signifikant. Weitere Faktoren, wie die Arbeitslosen- 1 Stand 12. April 2021 Quelle: Eigene Berechnungen mit Daten von microm, infas 360, Stadt Düsseldorf und frei verfügbaren Daten von Zeit Online quote und der Anteil der Haushalte ohne Schulabschluss, weisen zwar ausge- Abb. 4: Zusammenhang zwischen Infektionsrisiko und sozialräumlichen Einflussfaktoren in der prägtere Korrelationen mit den Inzidenzen Stadt Düsseldorf auf. Diese sind allerdings nur bei einem Konfidenzniveau von 90 Prozent statistisch Sozialräumliche Betroffenheit hohen Inzidenzzahlen zu untersuchen. Eine signifikant. in Düsseldorf Replikation dieser Analyseergebnisse er- möglicht methodische Ergänzungen mittels Die Verhaltenskomponente: Auf der Ebene von Stadtteilen werden multivariater Regressionsanalysen. Damit Ansteckungen nach Lebensstil benachteiligte soziale Lagen durch sozio- wird der Erklärungsgehalt von Einfluss- demografische und sozioökonomische faktoren auf eine abhängige Variable Die aufgezeigten Korrelationen erhärten Variablen charakterisiert. Hinzu kommen (hier: Inzidenzen) statistisch bewertbar. Die die Anzeichen eines Zusammenhangs z.B. der Sozialstatus und die Wohnlage, von Zeit Online für die Stadt Düsseldorf zwischen hohen Inzidenzen und sozialer die nach Erkenntnissen der Sozialraum- bereitgestellten und aus weiteren Quellen Lage, sie erklären diesen Befund aber nicht forschung eine entscheidende Rolle bei der ergänzten Daten illustrieren diese Möglich- abschließend. Weiterführende Hypothesen Ausbreitung des Virus spielten. So zeigte die keit des Geomonitorings. verweisen auf sozialräumliche Milieueffekte, sogenannte Gutenberg-Gesundheitsstudie2, nach denen die Lebenseinstellung und das dass Personen in prekärer Wohnsituation Abb. 4 zeigt die statistische Belastbarkeit damit verbundene Verhalten im Alltag Risiko- (d.h. beengte Lebensverhältnisse oder eine der Ergebnisse für fünf ausgewählte faktoren für eine Ansteckung darstellen. Diese hohe finanzielle Wohnkostenbelastung) ein Variablen, mit farblicher Abstufung des These lässt sich mit Hilfe der Sinus-Geo- 1,6-fach höheres Risiko einer COVID-19- sogenannten Konfidenzintervalls der Ana- Milieus® überprüfen (siehe Textbox 3). Infektion haben als der Durchschnitt. Dieser lyse. Damit ist eine Art Toleranzbereich Eine Analyse für die Stadt Düsseldorf Zusammenhang ist statistisch robust, es gemeint, innerhalb dessen die Analyse zeigt den Zusammenhang zwischen der handelt sich allerdings lediglich um eine aussagekräftig ist. Im Zentrum der Balken Inzidenz pro 100.000 Einwohner*innen auf Korrelation. Vorsicht ist jedoch geboten, symbolisiert ein Punkt den Schätzwert für Stadtteilebene (x-Achse) und dem Anteil beengte Wohnverhältnisse und finanzielle den Zusammenhang zwischen der abhän- von vier ausgewählten Milieus in Prozent Probleme pauschal als Risikofaktoren zu gigen Variable (Inzidenzen auf Stadtteil- der Haushalte (y-Achse). deklarieren, also Kausalität zu unterstellen. ebene) und der entsprechenden erklären- den Variable. Je breiter die Balken, desto Die Regressionsanalysen zeigen für alle Eine Analyse von Zeit Online (Endt et al. höher ist die Unsicherheit, dass der ab- vier vorgestellten Milieus einen hoch- 2021) zu COVID-19-Infektionen auf Stadt- gebildete Schätzwert nicht dem realen signifikanten Zusammenhang (Konfidenz- teilebene verfolgte diesbezüglich den Ana- Wert entspricht. Berührt das Konfidenz- niveau ≥ 99,9%). Die Milieus der mittle- lyseansatz, den Zusammenhang zwischen intervall die Null-Linie, kann kein statistisch ren bis höheren sozialen Lage haben ein benachteiligenden Lebensbedingungen und signifikanter Zusammenhang zwischen der deutlich geringeres Risiko, an COVID-19 3,0 Kumulierte Todesfälle je 1.000 EW 1. Lockdown DIVI-Intensiv- „Lockdown light“ 2,5 Mrz - Mai 20 register Nov - Dez 20 0,1 Apr 20 0,1 0,1 erste Engpässe in der KH-Versorgung 2,0 1,5 0 0 0 1,0 0,5 0,0 Mrz 20 Apr 20 Mai 20 Jun 20 Jul 20 Aug 20 Sep 20 Okt 20 Nov 20 Dez 20 Jan 21 6 Monatlich kumulierte Todesfälle Dynamische Groß- und Mittelstädte mit Exklusionsgefahr Starkes (Um-) Land
5.000 ß = -420.41 SE = 95.74 R² = 0.28 ß = -177.71 SE = 34.11 R² = 0.36 Textbox 3 4.000 Sinus-Geo-Milieus® 3.000 Mit insgesamt zehn unterschied- lichen Gruppen bieten die Sinus- 2.000 Milieus® ein wissenschaftlich Sozialökologisches Milieu Milieu der Performer fundiertes Abbild der Stadtgesell- 1.000 6 10 14 18 22 26 6 10 14 18 22 26 schaft. Die Milieus werden auf Ba- COVID-Fälle je Anteil des SINUS-Milieus an allen Haushalten in Prozent sis ihrer Grundorientierung (Werte, 100.000 EW Lebensziele, Einstellungen) und der 5.000 sozialen Lage eingeteilt (vgl. Sinus- ß = 205.29 SE = 40.06 R² = 0.37 ß = 90.31 SE = 18.10 R² = 0.36 Institut 2018). 4.000 In unserer Analyse liegt der Fokus auf folgenden vier Milieus: 3.000 • Das Sozialökologische Milieu 2.000 ist das engagierte und gesell- Traditionelles Milieu Hedonistisches Milieu schaftskritische Milieu, welches 1.000 sich durch ein ausgeprägtes 6 10 14 18 22 26 6 10 14 18 22 26 ökologisches und soziales Anteil des SINUS-Milieus an allen Haushalten in Prozent Wissen sowie Achtsamkeit und Multikulturalismus auszeichnet. Die Diagramme beschreiben den, mittels univariater Regressionsmodelle geschätzten, Zusammenhang zwischen COVID-19-Inzidenzen je 100.000 Einwohner*innen1 und ausgewählten SINUS-Milieus® (Anteil an allen Haushalten). Alle Schätzer sind statistisch hoch signifikant (Konfidenzniveau ≥ 99,9%). • Das Milieu der Performer ist die Stand 12. April 2021 effizienzorientierte Leistungselite, 1 Quelle: Eigene Berechnungen mit Daten von microm und frei verfügbaren Daten von Zeit Online die eine hohe Technik- und IT- Affinität hat und stark konsum- Abb. 5: Zusammenhang zwischen Infektionsrisiko und Milieuzugehörigkeit in der Stadt Düsseldorf orientiert ist. zu erkranken. Das zeigen die negativen Milieu, beide der unteren Mittelschicht Soziale Lage Liberal- Korrelationen zwischen den Infektions- zugeordnet, ein positiver Zusammenhang Oberschicht/ Intellektuelle Obere Mittelschicht 7% Performer zahlen und den jeweiligen Milieuanteilen zwischen Inzidenz und Milieuzugehörigkeit Konservativ- 8% Etablierte Sozial- in Abb. 5. Die Beta-Werte (ß) der Milieus, vor. Auch bei diesen beiden Gruppen 10 % Expeditive ökologische 9% die die Steigung der Regressionskurve be- variieren die Beta-Werte und damit das Mittlere 7% Adaptiv- Mittelschicht Pragmatische schreiben, unterscheiden sich jedoch. An- jeweilige Risiko. Die Regressionslinie des Bürgerliche Mitte 11 % 13 % Traditionelle gehörige des sozialökologischen Milieus traditionellen Milieus hat mit einem Beta- 11 % Untere Hedonisten scheinen sich deutlich weniger zu infizieren Wert von 205,29 eine deutlich positivere Mittelschicht/ 15 % Unterschicht Prekäre 9% (ß = -420,41) als die Performer (ß = -177,71). Steigung als die der Hedonisten, der Diese Beobachtung erscheint in der Inter- Zusammenhang ist also schwächer (ß = Grund- Tradition Modernisierung Neuorientierung pretation schlüssig, SINUS schreibt dem 90,31). Dieser Befund könnte auch mit der orien- Pflichterfüllung, Individualisierung, Multi- Refokussierung, tierung Ordnung Selbstverwirklichung, Optionalität, neue sozialökologischen Milieu eine hohe Acht- Alterszusammensetzung dieser Gruppen Genuss Pragmatismus Synthesen samkeit zu, Performer dagegen werden zusammenhängen: Das traditionelle Milieu • Das Traditionelle Milieu reprä- als leistungs- und konsumorientiert be- repräsentiert einen Großteil der älteren sentiert die bodenständige, schrieben. Sie dürften demzufolge wäh- Bevölkerung. Corona-Infektionen waren bis bescheidene und traditionelle rend der Pandemie im gesellschaftlichen zur Verbreitung der Delta-Variante für diese Arbeiterkultur, die einen Großteil und beruflichen Leben (Einkaufen, Arbeits- Gruppe besonders riskant. Dagegen setzt der älteren Generation reprä- platz trotz Homeoffice-Möglichkeiten auf- sich die Gruppe der Hedonisten eher aus sentiert. suchen) aktiver geblieben sein und sich einer erlebnisorientierten, jüngeren Genera- • Das Hedonistische Milieu ist die somit höheren Ansteckungsrisiken aus- tion zusammen, bei denen eine COVID- spaß- und erlebnisorientierte gesetzt haben. Infektion häufiger symptomfrei verläuft Unterschicht, die unbekümmert und seltener erkannt wird. und freizeitorientiert ist. Im Gegensatz hierzu liegt sowohl beim traditionellen als auch beim hedonistischen 2. Lockdown „Bundesnotbremse“ Strategische Patientenverlegungen Dez 20 - Apr 21 Apr - Jun 21 Dez 21 Feb 21 Mrz 21 Apr 21 Mai 21 Jun 21 Jul 21 Aug 21 Sep 21 Okt 21 Nov 21 Dez 21 Jan 22 TRENDS [extra] Deutschlands solide Mitte 2.22 Ländlich geprägte Räume mit persistenten Strukturlasten 7 Städtisch geprägte Regionen im andauernden Strukturwandel
Im Allgemeinen bestätigen diese klein- 160 1. Lockdown „Lockdown light“ räumigen Analysen für Düsseldorf den Mrz - Mai 20 Nov - Dez 20 Zusammenhang zwischen Betroffenheit, 140 2. Lockdown sozialräumlicher Lage und Lebensstil. Die Brilon Dez 20 - Apr 21 Wahrscheinlichkeit einer Infektion steigt in 120 benachteiligten sozialen Lagen. Die Gründe hierfür sind vielfältig: geringeres Bildungs- Düsseldorf 100 niveau, beengte Wohnverhältnisse, ge- ringe finanzielle Mittel zum Selbstschutz Krefeld 80 oder unflexible Arbeitsorte. Wie viel höher dieses Risiko ausfällt, hängt vom Alltags- 60 verhalten ab, das über den Lebensstil charakterisiert werden kann. 40 „Bundesnotbremse“ Neue Maßnahmen 2G / 3G Fallstricke datengetriebener Analysen Apr - Jun 21 ab Aug 21 20 Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Die oben genannten Interpretationen sind 20 21 22 aber nicht zwingend allgemeingültig und Abb. 6: Indexierte Passantenfrequenzen in ausgewählten Einkaufsstraßen Nordrhein-Westfalens auf alle anderen Raumtypen übertragbar. (Quelle: Hystreet.com) Auf der Seite der zu erklärenden Variable ist zu bedenken, dass die gemeldete Inzi- Die Datenexploration mit Hilfe von Indi- Wo ist die Kundschaft? denz auf Stadtteilebene stark von der katoren und geostatistischen Verfahren stellt Die Krise des Einzelhandels lokalen Testfrequenz abhängt, die zwischen aber einen wichtigen Baustein für die einzelnen Städten und Stadtteilen variiert. Hypothesenbildung dar, auf dem sich an- Die langfristigen Auswirkungen der Corona- Da sich die Inzidenzen in Wellen entwickeln, schließende Forschungsdesigns empirisch pandemie auf die Zentren sind nicht ab- spielt auch das gewählte Zeitfenster eine aufbauen können. zusehen. Um die Attraktivität der Zentren Rolle für die Ausbreitungsmuster. Bei und des Einzelhandels für die Bevölkerung den erklärenden Variablen ist zu berück- Auswirkungen der Krise abzuschätzen, können Bewegungsdaten sichtigen, dass Indikatoren mit Zeiger- auf Wirtschaft und Gesellschaft genutzt werden. Eine Option stellen die wirkung genutzt werden, für die (z.B. aus Daten von Hystreet.com dar, mit denen anderen Studien) Erkenntnisse zum Er- Für viele Menschen machte sich die Pan- Aktivitätsmuster für ausgewählte Innen- klärungsgehalt vorliegen. Die räumliche demie im ersten Lockdown weniger stadtlagen auch während der Corona- Verbreitung von Armut oder bestimmter durch eine unmittelbar erlebte An- pandemie verfolgt werden konnten. Die Lebensmodelle kann allerdings Dynamiken steckung bemerkbar, sondern sehr viel Passantenfrequenzen werden per Laser- unterliegen, so dass sich der Erklärungs- unmittelbarer durch die ergriffenen Maß- scanning ermittelt, wie sie in Abb. 6 bei- gehalt im Zeitverlauf verändert. Gerade nahmen von Kontaktbeschränkungen und spielhaft für drei Einkaufsstraßen in nord- Kennziffern zu sozialen Milieus sind an- Veränderungen in Berufsleben und Aus- rhein-westfälischen Städten dargestellt fällig für Scheinkorrelationen, wenn sich bildung. Angestellte fanden sich im Home- sind (Düsseldorf Mitte: Flinger Straße, abhängige und unabhängige Variablen office oder in der Kurzarbeit wieder. Krefeld Mitte: Hochstraße, Brilon West: gegenseitig bedingen, ohne dass dies in Lehrer*innen, Schüler*innen und Studieren- Bahnhofstraße). statistischen Auswertungen berücksichtigt de mussten die Voraussetzungen für di- wird. gitale Unterrichtsmethoden schaffen. Für Da die Städte von unterschiedlicher Größe Selbstständige, Einzelhandel und Gewerbe sind und die absolute Anzahl an Pas- Auch wenn sich die gezeigten Korre- fielen plötzlich Aufträge weg, nicht selten sant*innen zwischen den Städten variiert, lationen nur schwer verallgemeinern lassen folgten existenzielle Sorgen um die Trag- wurden die Werte für diese Analyse an- und keine Rückschlüsse auf kausale Zu- fähigkeit nachfrageschwacher Geschäfts- hand des Basismonats Januar 2020 in- sammenhänge erlauben, stellen statistische modelle. Staatliche Unterstützungsleistun- dexiert. Der Verlauf orientiert sich also an Analysen zu den sozialräumlichen Deter- gen halfen Berufstätigen und Unternehmen dem Ausgangswert für Januar 2020 (Index: minanten in der Variabilität von Inziden- zunächst, steigende Ausgaben für die 100). Besonders zu Beginn des ersten zen doch anschlussfähige Beiträge für die Krisenbewältigung und Folgekosten zu Lockdowns von März bis Mai 2020 ist die Stadtforschung und Planungspraxis dar. stemmen. Die diesbezüglich in Kauf ge- Passantenfrequenz in den Einkaufsstraßen Mit weiterführenden geostatistischen Me- nommene Neuverschuldung belastet aller- aufgrund der Schließung des Einzelhandels thoden lassen sich z.B. Inzidenzen an- dings die staatliche Investitionsfähigkeit an und der geltenden Kontaktbeschränkungen näherungsweise modellieren. Auf dieser anderer Stelle. stark zurückgegangen. Durch die städtische Grundlage können in der Risikovorsorge Funktion als Arbeitsstandort und die ver- vulnerable Stadtteile und potenzielle Hot- Die folgenden Ausführungen beschreiben bleibenden Einkaufsmöglichkeiten für den spots rechtzeitig identifiziert und Maßnah- für Nordrhein-Westfalen ausgewählte Be- täglichen Bedarf ging die Kurve allerdings men ergriffen werden. Geomonitoring kann troffenheiten und Anpassungsvorausset- nicht noch stärker zurück. Dies fällt be- diesbezüglich tiefergehende Analysen auf zungen, wie sie mit den Methoden des sonders für Düsseldorf auf, wo ein der Individualebene sicher nicht ersetzen. Geomonitorings dargestellt werden können. steigender Trend schon im April einsetzte. 8
Offensichtlich nutzten die Menschen den frequenzen zu verzeichnen hat. Das lässt verhalten in deutschen Innenstädten ver- einsetzenden Frühling für das Aufsuchen sich unter anderem durch restriktivere ändern könnte. Die Bewegungsdaten von der Einkaufsstraßen. Über die Sommer- Maßnahmen ab August 2021 erklären. Hystreet.com bieten diesbezüglich die monate 2020 zeigte sich eine Belebung der Die Auswirkungen der Zugangsbe- Möglichkeit, ein kontinuierliches Monitoring Innenstädte, die, mit Ausnahme von Krefeld, schränkungen zum Einzelhandel haben aufzubauen. Diese Möglichkeit nutzt mittler- auf einem höheren Niveau lag als zu Beginn Düsseldorf jedoch deutlich weniger stark weile auch das Statistische Bundesamt als des Jahres. Ab September zeichnete sich betroffen als Brilon. Zwar sinken die sogenannten Konjunkturfrühindikator im ein negativer Trend ab. Dieser setzt zuerst Passantenfrequenzen im November 2021 Dashboard Deutschland. durch den sogenannten „Lockdown light“ wieder, doch das Weihnachtsgeschäft lässt mit eingeschränkten, aber nicht unzugäng- die Straßen wieder voller werden, bevor Sprunghafter Anstieg lichen Einkaufsmöglichkeiten in geringem im Januar die Zahlen erwartungsgemäß der Arbeitslosigkeit Umfang ein und verstärkt sich im wieder zurückgehen. zweiten Lockdown. Durch das Aufheben Der krisenbedingte Anstieg der Arbeits- von Restriktion am Ende des zweiten Inwieweit sich die Innenstädte von den losigkeit ist eine ökonomisch und sozial Lockdowns zeigten sich ab April 2021 bisherigen Entwicklungen erholen, hängt nachwirkende Folge der Pandemie. wieder erhöhte Frequenzen. Düsseldorf neben dem weiteren Pandemieverlauf Ökonomisch gesehen entfallen Ein- und Brilon erreichen ab Juni 2021 wieder sicherlich auch von der Konkurrenz des kommensteuern, der Sozialstaat hilft mit das Vorjahresniveau, während Krefeld Onlinehandels ab, dessen Zulauf auch Unterstützungsleistungen aus. Sozial ge- bis Januar 2022 geringere Passanten- langfristig das bisher gekannte Einkaufs- sehen ist eine Neuorientierung auf dem Bielefeld Bielefeld Münster Münster Veränderung der Anzahl der Arbeitssuchenden in Prozent Dortmund bis unter -30 Dortmund Düsseldorf -30 bis unter -20 Düsseldorf -20 bis unter -10 -10 bis unter 0 Köln 0 bis unter 10 Köln Aachen 10 bis unter 20 Aachen August 2020 20 bis unter 30 Dezember 2021 gegenüber März 2020 gegenüber August 2020 30 und mehr Stadt- und Gemeindetypen Veränderung Veränderung Veränderung 125 August 2020 Dezember 2021 Dezember 2021 gegenüber März 2020 gegenüber August 2020 gegenüber Januar 2020 in Prozent in Prozent in Prozent 120 115 110 105 23,4 -16,0 Großstadt 1,9 100 23,4 -18,6 Nordrhein-Westfalen -1,3 95 22,8 -21,2 Mittelstadt -4,7 26,2 -21,4 Kleine Kleinstadt -7,6 und Landgemeinde 25,7 -25,5 Größere Kleinstadt -8,7 90 Nordrhein-Westfalen 2017-2019 -9,7 1. Lockdown „Lockdown light“ 2. Lockdown Mrz - Mai 20 Nov - Dez 20 Dez 20 - Apr 21 85 Jan 20 Feb 20 Mrz 20 Apr 20 Mai 20 Jun 20 Jul 20 Aug 20 Sep 20 Okt 20 Nov 20 Dez 20 Jan 21 Feb 21 Mrz 21 Apr 21 Mai 21 Jun 21 Jul 21 Aug 21 Sep 21 Okt 21 Nov 21 Dez 21 Abb. 7: Entwicklung der Anzahl der Arbeitssuchenden in den Gemeinden NRWs 2020 bis 2021 TRENDS [extra] 2.22 9
Arbeitsmarkt in Krisenzeiten besonders schwierig, Krisenbelastungen und Pers- pektivlosigkeit verstärken sich gegenseitig. Bielefeld Bielefeld Münster Münster Für das Geomonitoring gibt es in der Landesdatenbank Nordrhein-Westfalen Datengrundlagen für ein Monitoring der Arbeitslosigkeit, die mit hoher Aktualität Dortmund Dortmund monatsweise herausgegeben werden. Düsseldorf Düsseldorf Abb. 7 zeigt unten die indexierte Ent- Köln Köln wicklung der Arbeitslosenzahlen für die Aachen Aachen unterschiedlichen Gemeindetypen NRWs im Jahresverlauf 2020, die der gängigen Klassifikation von Stadt- und Gemeinde- typen3 (kreisfreie Großstädte, Mittelstädte, Homeoffice-Quote in Nordrhein-Westfalen Homeoffice-Potenziale in Nordrhein-Westfalen Größere Kleinstädte, Kleine Kleinstädte in Prozent in Prozent und Landgemeinden) des BBSR folgen. Die bis unter 25,0 bis unter 52 gestrichelte Linie zeigt als Referenzszenario 25,0 bis unter 27,5 52 bis unter 54 die saisonale Entwicklung der Jahre 2018 27,5 bis unter 30,0 54 bis unter 56 und 2019 auf Landesebene. In Folge des 30,0 bis unter 32,5 56 bis unter 58 ersten Lockdowns lässt sich zwischen März 32,5 und mehr 58 und mehr und August 2020 ein steiler Anstieg der Arbeitslosenzahlen über alle Gemeindetypen Abb. 8: Homeoffice-Quote in Nordrhein-West- Abb. 9: Homeoffice-Potenziale in Nordrhein- beobachten. Ab September 2020 beginnen falen im August 2021 (Quelle: www.corona- Westfalen (Quelle: www.corona-datenplattform. sich die Arbeitslosenzahlen dann wieder datenplattform.de/dataset/arbeitsmarktstruktur) de/dataset/arbeitsmarktstruktur) zu erholen bis sie sich im Dezember 2021 auf Landesebene leicht unterhalb ihres Ausgangsniveaus vom Januar 2020 ein- während der Phase des größten Anstiegs Krisenresilienz durch eine pendeln. Unterbrochen wird diese Ent- zwischen März und August 2020 (oben diversere Wirtschaftsstruktur? wicklung nur von einem erneuten sprung- links) und während der anschließenden haften Anstieg zwischen Dezember 2020 Phase der Erholung zwischen August 2020 Studien des Instituts für Berufs- und und Januar 2021 in Folge des zweiten und Dezember 2021 (oben rechts). Arbeitsmarktforschung begründen die Lockdowns. In der Phase der Erholung Insgesamt lassen sich nur schwer ein- regionalen Unterschiede in der Ent- lassen sich deutliche Unterschiede deutige räumliche Muster der Entwicklung wicklung der Arbeitslosigkeit mit der zwischen den oben beschriebenen Ge- der Arbeitslosenzahlen festmachen. Deut- Branchenbetroffenheit (Sieglen et al. 2021). meindetypen ausmachen. Während das liche Anstiege gab es in der ersten Phase Niveau in den Großstädten im Dezember sowohl in ländlichen Regionen (große Teile Die Arbeitslosigkeit hat zu Beginn der 2021 immer noch leicht oberhalb des des Münsterlandes und des Sauerlandes) Pandemie vor allem für Beschäftigte in Ausgangswertes liegt, verzeichneten die als auch in Großstädten wie Köln oder der Kultur- und Veranstaltungsbranche, im Kleinstädte und Landgemeinden über den Wuppertal. Ein starker Anstieg der Ar- Gastronomie- und Beherbergungsgewerbe Gesamtzeitraum deutliche Rückgänge. beitslosigkeit in der ersten Phase ging in sowie in der Reisebranche stark zuge- Eine Ursache dafür mag darin zu finden der Regel mit einem ähnlich starken Rück- nommen. Auch die Automobilindustrie war sein, dass sich eher urban verortete Dienst- gang in der zweiten Phase einher. Aus- von den Auswirkungen der Coronakrise leistungszweige, wie die Gastronomie-, nahmen von dieser Regel lassen sich stark betroffen. Allerdings konnten ins- Kultur- und Veranstaltungsbranche, über- in einigen Großstädten beobachten. So besondere fest angestellte Beschäftigte durchschnittlich langsam von den Folgen folgten auf die starken Anstiege in Köln im produzierenden Gewerbe über Maß- der Pandemie erholen. und Düsseldorf von um die 30 Prozent nur nahmen der Kurzarbeit beschäftigt bleiben Rückgänge von deutlich unter 20 Prozent. (Hamann et al. 2021). Lokale Ökonomien Die Karten in Abb. 7 zeigen ergänzend mit einer starken Abhängigkeit von den die prozentuale Entwicklung der Arbeits- besonders betroffenen Branchen dürften losenzahlen in den einzelnen Gemeinden demnach stärker unter den wirtschaftlichen 14 Impfstoffzulassung Impstoffzulassung von Impfstoffzulassung Beginn der flächendeckenden Aufhebung der Impfungen je 1.000 EW 12 BioNTech, Moderna Johnson & Johnson Impfungen durch Impfpriorisierung Erste Impfung und AstraZeneca niedergelassene Ärzte 10 in Deutschland 8 6 4 2 0 Dez 20 Jan 21 Feb 21 Mrz 21 Apr 21 Mai 21 Jun 21 10 Mittelwert der monatlichen Impfungen/Tag Dynamische Groß- und Mittelstädte mit Exklusionsgefahr Starkes (Um-) Land
Folgen von COVID zu leiden haben als Bildungsforschung (IAB). Die in Abb. 8 haben. Bei allen Unzulänglichkeiten, die im wirtschaftlich diversifiziertere Regionen. und 9 gezeigten Karten für Nordrhein- unmittelbaren Informationsmanagement Allerdings ist nicht nur die Branchenstruktur Westfalen machen das große Potenzial zum Pandemiegeschehen zu Tage traten, ausschlaggebend, auch die Größenstruktur deutlich, das in den meisten Städten und wurden doch zahlreiche Datenquellen in der Unternehmen und der Grad der Wissens- Landkreisen bislang zu weniger als der einem neuen gesellschaftlichen Klima von intensität der regionalen Wirtschaft spielen Hälfte ausgeschöpft wird. Aktuelle Schwer- Offenheit und freier Verfügbarkeit von eine Rolle. Kleine Unternehmen waren punkte (Abb. 8) liegen in den wirtschaftlich Daten für die Allgemeinheit entwickelt und durch die Pandemie in der Regel härter dynamischen Städten entlang der Rhein- aufgebaut. So entstand eine Reihe web- betroffen als große, hoch qualifizierte Be- schiene (Bonn, Köln, Leverkusen, Düssel- basierter Plattformen (Dashboards) und schäftigte weniger als geringer qualifizierte dorf), in Mülheim an der Ruhr, Hamm und Indikatorentwürfen, die in einem bislang (Hamann et al. 2021). Münster. ungekannten Ausmaß politische Ent- scheidungen beeinflussten. Insgesamt wird die ökonomische Resilienz Die Potenzialmodellierung in Abb. 9 be- von Regionen gegenüber globalen Krisen zieht sich auf Homeoffice-fähige Arbeits- Manche Indikatoren wurden dabei direkt an von einem komplexen Zusammenspiel plätze am Wohnort der Beschäftigten. Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen unterschiedlicher Faktoren bestimmt. Hier wird deutlich, dass weit über die gekoppelt und im Umkehrschluss von Dazu zählen neben der wirtschaftlichen Hälfte aller Beschäftigten in Nordrhein- Kritikern der Maßnahmen in Frage gestellt. Spezialisierung und Diversifizierung auch Westfalen zukünftig – zumindest teilweise In diesem Sinne verläuft zwischen den die Exportabhängigkeit und die Vernetzung – von zu Hause aus arbeiten könnten. Impulsen einer neuen „Datenmündigkeit“ innerhalb regionaler und überregionaler Konzentrationen finden sich im Umland und ihrem aus Skepsis geborenen Gegen- Wertschöpfungsketten (Vöpel/Wolf 2018: der großstädtischen Arbeitsmärkte ent- part, der „Datenmüdigkeit“, eine bedenk- 225). Ein umfassendes Geomonitoring lang von Rhein und Ruhr. Dies kann weit- liche gesellschaftliche Polarisierungslinie. wirtschaftlicher Vulnerabilität und Resilienz, reichende Auswirkungen auf die städ- Diese kann zur Glaubwürdigkeitskrise für im Sinne eines „Frühwarnsystems“, sollte tischen Büroflächenmärkte oder auch das datengetriebene Anwendungen werden. diese Aspekte in ihrer Gesamtheit er- Berufspendelgeschehen haben. fassen. Dies ist ein ambitioniertes und Die am ILS - Institut für Landes- und Stadt- komplexes Unterfangen, für das nicht nur entwicklungsforschung verfolgten Metho- Datenquellen erforderlich sind, die über den des Geomonitorings lernen aus dieser die amtlichen Beschäftigungsstatistiken Erfahrung. Als „Frühwarnsystem“ für hinausgehen (z.B. kommerzielle Unter- Ausblick raumstrukturelle Entwicklungen erleben nehmensdatenbanken), sondern auch ein Datenanalysen für die Stadt- und Raum- Mehr an Grundlagenforschung zu den Ein- Ausgewählte Methoden und Analyseer- forschung eine steigende Aufmerksamkeit. flussfaktoren regionalwirtschaftlicher Re- gebnisse des Geomonitorings für Frage- Explorative Methoden schöpfen aus einem silienz. stellungen von Krisenbetroffenheit und an- stetig wachsenden und herausfordernden passung in der Coronapandemie illustriert die Datenpotenzial. Dabei ist es von besonderer Die Zukunft der Arbeit: Homeoffice- vorliegende Ausgabe von TRENDS[extra]. Bedeutung, dass Ergebnisse möglichst Quoten und -Potenziale in Nordrhein- Mit den datentechnischen Möglichkeiten transparent und fundiert beschrieben und Westfalen von Pandemiedaten werden Zusammen- interpretiert werden, um möglichen Fehl- hänge zwischen räumlichen Wirkungs- schlüssen vorzubeugen. Ein Beispiel für die langfristigen Folgen komplexen untersucht und dadurch neues der Pandemie auf zukünftige Arbeits- und Wissen und Ansatzpunkte für vertiefende Diesbezüglich thematisieren die Analysen Beschäftigungsverhältnisse ist sicherlich Forschung erzeugt. Dies geschieht über dieses Heftes Fragen der räumlichen Be- das in der Krise entdeckte Potenzial, von neuartige Kombinationen von Datenquellen, troffenheit und Anpassung im Pandemie- zu Hause aus zu arbeiten. Geschätzte ihrer Verarbeitung mit geostatistischen geschehen über eine Verknüpfung von aktuelle Quoten und zukünftige Potenziale Prozessierungsmethoden, und der (inter- Pandemie- und sozialräumliche Daten. Ein werden in der Corona-Datenplattform als aktiven) Ergebnisvisualisierung in Karten wesentliches Ergebnis ist, dass die sozial- regionalisierte Kennziffern bereitgestellt. und Grafiken. räumliche Ungleichheit in Deutschland eine Zugrunde liegt eine von Alipour et al. Marginalisierung benachteiligter Gruppen 2020 entwickelte Methode auf Basis des Ausgangspunkt sind neue Daten und Tech- bewirkt. Die höhere Anfälligkeit dieser High-Frequency Online Personal Panels nologien, die durch die Pandemie einen Gruppen, gepaart mit einer geminderten (HOPP) des Instituts für Arbeitsmarkt- und deutlichen Entwicklungsschub erfahren Anpassungskapazität und Fähigkeit zur Schließung vieler Impfzentren, Empfehlung für Einführung von 2G- und 2G-plus-Regeln STIKO Impfempfehlung Auffrischungsimpfung für 12-17-Jährige Jul 21 Aug 21 Sep 21 Okt 21 Nov 21 Dez 21 Jan 22 TRENDS [extra] 2.22 Deutschlands solide Mitte Ländlich geprägte Räume mit persistenten Strukturlasten 11 Städtisch geprägte Regionen im andauernden Strukturwandel
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