Im Austausch - KARL& FABER Journal 2021 - Kunst der Sammlung Dr. Sonja Lechner Johann König - Karl ...
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JETZT EINLIEFERN! Liebe Leserinnen und Leser, liebe Freunde unseres Hauses, das vergangene Jahr hat uns alle vor große Herausforderungen gestellt. Auf Einlieferungsschluss Frühjahr 2021 die sich ständig ändernden Umstände mussten wir alle mit Flexibilität und Ein- Alte Meister & 19. Jahrhundert: Mitte April 2021 fallsreichtum reagieren. Für uns bei KARL & FABER bedeutete das vor allem, die Moderne & Zeitgenössische Kunst: Mitte Mai 2021 Digitalisierung voranzutreiben. Neben unseren klassischen Online-Only-Auk tionen haben wir als erstes Auktionshaus in Deutschland ein neues Auktions- format eingeführt: die Real-Time-Onlineauktion, eine live übertragene Auktion Einlieferungsschluss Herbst 2021 ohne Saalpublikum, aber mit Telefon- und Internetbietern. Wir waren auf Ins- Alte Meister & 19. Jahrhundert: Mitte September 2021 tagram, Facebook, YouTube und Pinterest sehr aktiv und haben das Konzept „KARL & FABER im Austausch” entwickelt. Dabei haben wir uns immer wieder Moderne & Zeitgenössische Kunst: Anfang Oktober 2021 auf das konzentriert, was die Existenzberechtigung des Kunstmarkts aus- macht: das Sammeln. Zwei Auszüge unserer Austausch-Gespräche mit diesem Schwerpunkt finden Sie im vorliegenden Journal. Während Johann König und Rupert Keim den Grund des Sammelns diskutieren, stellen Sonja Lechner und Sheila Scott sich der Frage, ob Künstlerinnen gezielt gefördert werden sollten. Der Artikel „Glitter in Their Eyes“ verdeutlicht, dass immer mehr Sammler und vor allem eine wachsende Zahl finanziell unabhängiger Sammlerinnen auf das Potenzial der Kunst von Frauen setzen. Ab S. 58 gibt eine Münchner Sammlerin eine sehr persönliche Antwort auf die Frage, ob Frauen anders sammeln als Männer. Letztendlich hat unser Verständnis für und Know-how über Sammeln auch zu einer Sonderauktion einer Ulmer Privatsammlung geführt. Mehr über diesen White Glove Sale erfahren Sie ab S. 64. Das Sammeln vereint uns, das ist gerade in diesen Zeiten ein schönes Gefühl. Der Erfolg unserer Maßnahmen aber hängt von Ihnen, unseren Freunden des Hauses, ab. Sie haben uns mit Begeisterung zugesehen, sind uns auf den Social-Media-Kanälen gefolgt und haben mitgeboten, sodass 2020 zum erfolg- reichsten Jahr in der langen Geschichte unseres Auktionshauses werden konn- te. Dafür sind wir Ihnen sehr dankbar. Trotz all diesen wundervollen digitalen Möglichkeiten: Der direkte Kontakt mit Ihnen fehlt uns! So hoffen wir, dass wir Sie bald wieder in unseren Räumen in München, Hamburg oder Düsseldorf begrü- ßen dürfen oder Sie zu Hause oder in Ihrer Galerie aufsuchen können. Bis dahin soll Ihnen dieses Journal ein bisschen vom KARL & FABER -Feeling vermitteln. Ihr Dr. Rupert Keim, Geschäftsführender Gesellschafter & Ihre Sheila Scott, Geschäftsführerin Folgen Sie uns auf Facebook, Instagram, YouTube, Pinterest und LinkedIn karlundfaber.de Grußwort 1
JETZT EINLIEFERN! Einlieferungsschluss Frühjahr 2021 Alte Meister & 19. Jahrhundert: Mitte April 2021 Moderne & Zeitgenössische Kunst: Mitte Mai 2021 Einlieferungsschluss Herbst 2021 Alte Meister & 19. Jahrhundert: Mitte September 2021 Moderne & Zeitgenössische Kunst: Anfang Oktober 2021 Termine 2021 Expertentage 4 Vorbesichtigungen & Auktionen 5 Kontakt KARL & FABER München 6 Repräsentanten & Dependancen 8 Top-Ergebnisse 2020 11 Titelthema KARL & FABER – Die Kunst der Sammlung 34 Warum sammeln wir Kunst? 36 „I didn't want to be a woman artist. I just wanted to be an artist.“ 44 „Glitter in Their Eyes“ 52 Sammeln Frauen anders als Männer? 58 Perfekte Paarung – Der Private Deal 60 Rückblick 2020 Tendenzen der Abstraktion 64 Echtzeit made in Munich 69 Der andere Blick – Kolumne von Max Scharnigg 70 Ausblick 2021 Ausblick Zeitgenössische Kunst 72 Ausblick Moderne Kunst 75 Ausblick Kunst des 19. Jahrhunderts 78 Ausblick Alte Meister 80 Praxistipps Ins Schwarze getroffen 84 Impressum 88 Inhalt 3
EXPERTENTAGE FRÜHJAHR 2021 AUKTIONEN FRÜHJAHR 2021 ALTE MEISTER & KUNST DES 19. JAHRHUNDERTS EINLIEFERUNGSSCHLUSS Hamburg 2./3.3. Mitte April 2021: Alte Meister & 19. Jahrhundert Tegernsee 4.3. Mitte Mai 2021: Moderne & Zeitgenössische Kunst Basel & Zürich 10. – 12.3 München & Süddeutschland 15. – 19.3. LIVE-AUKTIONEN IN MÜNCHEN Salzburg & Wien 22./23.3. Düsseldorf 24./25.3. Mittwoch, 16. Juni 2021: Alte Meister & Kunst des 19. Jahrhunderts London 24./25.3. Mittwoch, 14. Juli 2021: Moderne & Zeitgenössische Kunst New York 12. – 16.4. Donnerstag, 15. Juli 2021: Moderne & Zeitgenössische Kunst MODERNE & ZEITGENÖSSISCHE KUNST REAL-TIME-ONLINEAUKTION Hamburg 2./3.3. Mittwoch, 21. April 2021: Made in Munich (Zeitgenössische Kunst) Wien 11./12.3. Mailand 16. – 20.3. ONLINE-ONLY-AUKTIONEN Schweiz 23. – 25.3. Frankfurt am Main 24./25.3. Mittwoch, 10. März bis Mittwoch, 24. März 2021: Alte Meister & Kunst des 19. Jahrhunderts London 24./25.3. Mittwoch, 14. April bis Mittwoch, 28. April: Moderne & Zeitgenössische Kunst Berlin 24./25.3. Freiburg 24./25.3. Mittwoch, 26. Mai bis Mittwoch, 9. Juni 2021: Alte Meister & Kunst des 19. Jahrhunderts Fünfseenland 30./31.3. Mittwoch, 23. Juni bis Mittwoch, 7. Juli 2021: Moderne & Zeitgenössische Kunst München 12. – 16.4. New York 12. – 16.4. Düsseldorf 22./23.4. Brüssel 23./24.4. VORBESICHTIGUNGEN FRÜHJAHR 2021 ALTE MEISTER & KUNST DES 19. JAHRHUNDERTS Wir freuen uns auf ein persönliches Gespräch und Ihre Einlieferung! Hamburg Mittwoch, 26. und Donnerstag, 27. Mai 2021 Vereinbaren Sie mit uns einen persönlichen Termin, Düsseldorf Freitag, 28. und Samstag, 29. Mai 2021 auch außerhalb der Expertentage. München Montag, 7. bis Dienstag, 15. Juni 2021 KARL & FABER Kunstauktionen GmbH MODERNE & ZEITGENÖSSISCHE KUNST Amiraplatz 3 · Luitpoldblock · D 80333 München T + 49 89 22 18 65 · F + 49 89 22 83 350 Düsseldorf Freitag, 18. Juni und Samstag, 19. Juni 2021 info@karlundfaber.de Hamburg Montag, 21. Juni und Dienstag, 22. Juni 2021 Wien Donnerstag, 24. Juni 2021 Expertentage für die Herbstauktionen 2021 auf karlundfaber.de München Montag, 5. Juli bis Dienstag, 13. Juli 2021 (Änderungen vorbehalten) Alle Orte sowie weitere Termine auf karlundfaber.de (Änderungen vorbehalten) 4 Expertentage Vorbesichtigungen & Auktionen 5
KONTAKT KARL & FABER MÜNCHEN KONTAKT KARL & FABER MÜNCHEN GESCHÄFTSFÜHRUNG MODERNE KUNST Dr. Rupert Keim Geschäftsführender Sheila Scott Annegret Thoma Benedikt Müller Gesellschafter Geschäftsführerin Expertin Moderne Kunst Experte Moderne Kunst + 49 89 22 18 65 + 49 89 24 22 87 16 + 49 89 24 22 87 222 + 49 89 24 22 87 228 info@karlundfaber.de sscott@karlundfaber.de athoma@karlundfaber.de bmueller@karlundfaber.de ZEITGENÖSSISCHE KUNST ALTE MEISTER & KUNST DES 19. JAHRHUNDERTS Heike Birkenmaier Dr. Julia Runde Nina Wieland Leiterin Kunst des 15. Leiterin Expertin bis 19. Jahrhunderts Katharina Wieland Zeitgenössische Kunst Zeitgenössische Kunst + 49 89 24 22 87 15 Leiterin Druckgrafik + 49 89 24 22 87 29 + 49 89 24 22 87 220 hbirkenmaier@ + 49 89 24 22 87 231 jrunde@karlundfaber.de nwieland@karlundfaber.de karlundfaber.de kwieland@karlundfaber.de Caroline Klapp Alexandra Liebherr Expertin Expertin Zeitgenössische Kunst Zeitgenössische Kunst + 49 89 24 22 87 12 + 49 89 24 22 87 18 cklapp@karlundfaber.de aliebherr@karlundfaber.de KARL & FABER Kunstauktionen seit 1923 Amiraplatz 3 · München T + 49 89 22 18 65 F + 49 89 22 83 350 info@karlundfaber.de 6 Kontakt Kontakt 7
KARL & FABER IN IHRER NÄHE / UNSERE REPRÄSENTANTEN NIEDERLASSUNG HAMBURG DEPENDANCE DÜSSELDORF Christiane Zapp Gabrielle J. Fehse Erika Wiebecke Alexa Riederer von Paar Tegernsee, Rheinland Schweiz Repräsentantin Repräsentantin + 49 179 242 10 38 + 41 6 1 2 72 12 13 + 49 40 82 24 38 23 +49 211 91 19 41 14 czapp@karlundfaber.de gfehse@karlundfaber.de ewiebecke@karlundfaber.de ariederer@karlundfaber.de Anastasia Gabrielle Hoyos Benedikt Graf Douglas Frauke Willems Österreich Österreich Repräsentantin Hamburg +43 660 516 67 67 + 43 66 01 35 08 02 + 49 40 82 24 38 23 ghoyos@karlundfaber.de bdouglas@karlundfaber.de fwillems@karlundfaber.de Teresa Meucci Dr. Amelie Beier Johanna Dürbaum Italien London Expertin + 39 33 38 63 32 55 + 44 7 94 152 73 37 + 49 40 82 24 38 23 tmeucci@karlandfaber.com abeier@karlundfaber.de jduerbaum@karlundfaber.de Dr. Sabine Caroline Wilson US Market Liaison New York + 1 9 17 328 10 15 swilson@karlandfaber.com KARL & FABER Hamburg KARL & FABER Düsseldorf Magdalenenstraße 50 · 20148 Hamburg Mannesmannufer 7 · 40213 Düsseldorf Termine nach Vereinbarung: Termine nach Vereinbarung: hamburg@karlundfaber.de duesseldorf@karlundfaber.de 8 Repräsentanten Dependancen 9
Neue Website Top-Ergebnisse 2020 karlundfaber.de Entdecken Sie die neue Webseite von KARL & FABER und nutzen Sie unseren individuell auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Service. „KARL & FABER in München Folgen Sie uns auf Facebook, verkündet die beste Bilanz seit Instagram, Pinterest, YouTube und LinkedIn Bestehen mit knapp 20 Millionen @ karlundfaber @ Karl & Faber Kunstauktionen Euro und 320 Ergebnissen im @ karlandfaber @ Karl & Faber Kunstauktionen fünf- und sechsstelligen Bereich.“ @ Karl & Faber Kunstauktionen GmbH Christian Herchenröder, Handelsblatt vom 18./19./20.12.2020 11
KARL & FABER IN ZAHLEN Drei wesentliche Wachstumsgründe: Gegen den Trend: Während der europäische Kunstauktionsmarkt 2020 um 30 % gegenüber 1. Wir bieten Ihnen als Einlieferer individuelle, maßgeschneiderte Lösungen abgestimmt auf dem Vorjahr einbrach, zeigte der deutsche Kunstauktionsmarkt mit einem Plus von 4 % ein Ihre Bedürfnisse. solides Wachstum. 2. Wir haben über die letzten Jahre zum Nutzen aller Beteiligten regelmäßig in Technologie, Internet und Social Media investiert und damit unsere Reichweite und die Anzahl der aktiven KARL & FABER hat als einziges süddeutsches Kunstauktionshaus seinen Umsatz gesteigert, Bieter enorm erhöht. und das um fulminante 30 % (Quelle: Artnet). Mit einem Umsatz von über 20 Mio. EUR in 2020 3. Wir sind ein über Jahre gewachsenes Team aus erfahrenen Expertinnen und Experten, das in gehört KARL & FABER zu den fünf großen Häusern in Deutschland. seiner Diversität wichtige Entscheidungen optimal für unsere Einlieferer gemeinsam erarbeitet. KARL & FABER konnte seinen Marktanteil in Deutschland 2020 um 25 % steigern. KARL & FA- Sowohl teure Einzelobjekte (siehe S. 14–33, 54) als auch ganze Sammlungen (siehe S. 64–67) BER hat sich von allen größeren Kunstauktionshäusern der D-A-CH-Region seit 2011 am dy- haben wir dadurch sehr erfolgreich verkauft und an neue Sammler vermittelt. Wir freuen uns, auch namischsten entwickelt (plus 249%). Sie bald bei uns willkommen zu heißen! Indiziertes Wachstum der letzten zehn Jahre im Vergleich Europa Deutschland KARL & FABER Durchschnitt der Top 5 der deutschen Kunstauktionshäuser Quelle: Artnet, Datenabfrage Feb. 2021 (Jahresumsatz > 10 Mio. EUR) exklusive KARL & FABER Markt für Bildende Kunst des 15.–21. Jahrhunderts 300 % 250 % 200 % 150 % 100 % 50 % 0% 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 12 13
ZEITGENÖSSISCHE KUNST GÜNTHER UECKER Ergebnis: € 256.250* Sonderauktion Tendenzen der Abstraktion Wolkenfeld, 1967 „Mit taxgerechten 205.000 Euro den höchsten Preis erzielte Günther Ueckers genageltes „Wolkenfeld“ von 1967.“ Johannes Sander, Kunstmarkt.com, 12.01.2021 Nägel und weiße Farbe auf Leinwand auf Holz, 43 × 43 × 7,5 cm © VG BILD-KUNST, BONN 2021 *INKLUSIVE AUFGELD 14 Top-Ergebnisse Zeitgenössische Kunst 15
JORINDE VOIGT Ergebnis: € 175.000* Perm I, Perm II, Perm III, 2007 Weltrekord! Tinte über Bleistift auf festem Velin (3- teilig), 114,5 × 300 cm (Perm I), 114,5 × 200 cm (Perm II) und 114,5 × 100 cm (Perm III) „Bei der Gegenwartskunst, deren Ergebnisse sich vorwiegend im fünfstelligen Bereich bewegen, © VG BILD-KUNST, BONN 2021 setzte das Haus einen Auktionsrekord für Jorinde Voigt. Die dreiteilige Zeichnung „Perm I bis III“ übernahm ein Frankfurter Käufer für 175.000 Euro.“ Sabine Spindler, Handelsblatt, 24./25./26.07.2020 *INKLUSIVE AUFGELD 16 Top-Ergebnisse Zeitgenössische Kunst 17
GEORG BASELITZ Ergebnis: € 225.000* KIKI SMITH Ergebnis: € 137.500* Rude, 1992/93 Assembly II, 2009 Weltrekord! Tusche, Buntstift und lithographische Kreide auf Nepalpapier, Collage, 8 Glühbirnen aus Papiermaché, Holz, Glimmer und Schnur, 211 × 324 × 7 cm „Heftig umworben waren auch zwei Arbeiten von Kiki Smith. Die große Papierarbeit „Assembly“ von 2009 kostete 137.500 Euro. Die Bronze „Fox on the Ground“ von 2004 wurde für 125.000 Euro ebenfalls nach New York verkauft. Für eine © 2021 GEORG BASELITZ Papierarbeit als auch für eine plastische Arbeit © 2021 KIKI SMITH, COURTESY PACE GALLERY der Künstlerin sind das Rekordpreise.“ Öl auf Leinwand, 162 × 130 cm Sabine Spindler, Handelsblatt, 24./25./26.07.2020 *INKLUSIVE AUFGELD 18 Top-Ergebnisse Zeitgenössische Kunst 19
MODERNE KUNST MAX LIEBERMANN Ergebnis: € 512.500* Allee im Tiergarten mit Spaziergängern, einer Droschke und einer Straßenbahn, 1925–27 „Der Rückzug auf klassische Werte gilt in Krisenzeiten als typisches Verhalten. Das bestätigte vorige Woche die Auktion von KARL & FABER mit moderner und zeitge- nössischer Kunst. Ein Berliner Sammler machte Max Liebermanns impressionistische Ansicht „Allee im Tiergarten“ aus der Zeit zwischen 1925 und 1930 mit 512.500 Euro Öl auf Leinwand, 51,5 × 71,5 cm (alle Preise mit Aufgeld) zum teuersten Kunstwerk der Auktion.“ Sabine Spindler, Handelsblatt, 23.07.2020 *INKLUSIVE AUFGELD 20 Top-Ergebnisse Moderne Kunst 21
FRANZ MARC Ergebnis: € 437.500* PABLO PICASSO Ergebnis: € 375.000* Recto: Abstrakte Formen – Homme à l’agneau, mangeur de Verso: Rötliches Tier, 1913/1914 pastèque et flûtiste, 1967 Braune Kreide auf Velin, 48 × 63 cm „Die besten Plätze belegte die Klassische Moderne. So auch in der Dezember-Auktion, als Franz Marcs mit dem Aquarell „Rötliches Tier“ und schwarzen „Abstrakten Formen“ recto und © SUCCESSION PICASSO / VG BILD-KUNST, BONN 2021 verso gefülltes Blatt durch einen Neukunden an die Spitze kam, der mit 350.000 Euro die untere Schätzung bestätigte.“ Bleistift über Tusche bzw. Aquarell und Tempera über Bleistift auf Skizzenblatt, 22 × 17 cm Brita Sachs, FAZ, 16.01.2021 *INKLUSIVE AUFGELD 22 Top-Ergebnisse Moderne Kunst 23
GABRIELE MÜNTER Ergebnis: € 312.500* LYONEL FEININGER Ergebnis: € 231.250* Dame im Park (Mariahalde), 1914 B-B Town, 1946 Öl auf Leinwand, 39,5 × 66,5 cm Öl auf Malpappe, 33 × 40 cm © VG BILD-KUNST, BONN 2021 © VG BILD-KUNST, BONN 2021 *INKLUSIVE AUFGELD 24 Top-Ergebnisse Moderne Kunst 25
KUNST DES 19. JAHRHUNDERTS ÉTIENNE ALPHONSE DINET Ergebnis: € 250.000* Joueur de flûte. Environs de Laghouat, 1897 „Bei den Gemälden legte der französi- sche Orientalist Étienne Alphonse Dinet einen Höhenflug hin mit dem Gemälde „Joueur de flûte. Environs de Laghouat“ von 1897. […] Seine Gruppe von Berbern am Lagerfeuer, einst in der Sammlung von Piotr Chtchoukine, rief viele Bieter auf den Plan und endete mit dem Hammer- Öl auf Leinwand, 46 � 72,5 cm schlag bei 200.000 Euro […], das Fünf- fache der Schätzung.“ Brita Sachs, FAZ, 14.08.2020 *INKLUSIVE AUFGELD 26 Top-Ergebnisse Kunst des 19. Jahrhunderts 27
CARL SPITZWEG Ergebnis: € 50.000* JOHANN GEORG VON DILLIS Ergebnis: € 37.500* Der Geologe, um 1850 Süddeutsche Landschaft mit Wanderern, um 1820/30 Öl auf Velin, auf feste Pappe aufgezogen, 21,6 × 33,6 cm Öl auf Karton, 34,5 × 29 cm *INKLUSIVE AUFGELD 28 Top-Ergebnisse Kunst des 19. Jahrhunderts 29
ALTE MEISTER SEBASTIAN VRANCX Ergebnis: € 106.250* Die Plünderung nach der Schlacht, um 1625 „Bei den Alten Meistern hatte zuvor der Antwerpener Sebastian Vrancx mit seiner um 1625 gemalten „Plünderung der Schlacht“ gepunk- tet, die ein russischer Bieter für 85.000 Euro (40.000/60.000) nahm.“ Brita Sachs, FAZ, 16.01.2021 Öl auf Holz, 60 � 113,5 cm *INKLUSIVE AUFGELD 30 Top-Ergebnisse Alte Meister 31
JACOB PHILIPP HACKERT Ergebnis: € 87.500* ALBRECHT DÜRER Ergebnis: € 47.500* Im Englischen Garten von Caserta, 1800 Das ungleiche Paar (Der Liebesantrag), um 1495 Öl auf Leinwand, 118 × 167 cm Kupferstich auf Bütten mit Wz „Hohe Krone“ (Meder Wz. 20), 15 × 14 cm *INKLUSIVE AUFGELD 32 Top-Ergebnisse Alte Meister 33
Die Gründe, Kunst zu kaufen und zu Titelthema sammeln, können sehr verschieden sein. Aber eines haben alle Samm- DIE KUNST lungen gemeinsam: Stets ist ihr Be- DER sitzer stolz, etwas Schönes, Seltenes und Wertvolles erworben zu haben. SAMMLUNG Sammlungen haben nichts Endgülti- ges, sind nicht festgefügt und haben einen eigenen Lebenszyklus. Sie und Ihre Sammlung durch diesen Zyklus langfristig zu begleiten, das verstehen wir bei KARL & FABER als die Kunst der Sammlung®. Warum sammeln wir Kunst? S. 36 „I didn't want to be a woman artist. I just wanted to be an artist.“ S. 44 „Glitter in Their Eyes“ S. 52 Sammeln Frauen anders als Männer? S. 58 Perfekte Paarung – Der Private Deal S. 60 34 35
WARUM SAMMELN WIR KUNST? Geschieht es aus Leidenschaft oder monetärem Interesse? Welche Ziele stecken dahinter? Sammeln Frauen anders als Männer? Dr. Rupert Keim, Geschäftsführender Gesellschafter von KARL & FABER Kunstauktionen, im Austausch mit Johann König, Galerist & Geschäfts- führer der KÖNIG GALERIE. FOTOGRAFIE MURAT ASLAN 36 Titelthema
Dr. Rupert Keim: Herzlich Willkommen, liebe Freunde und Kunden von KARL & FABER. Ich begrüße Sie zu unserer neuesten Folge von KARL & FABER im Austausch und freue mich sehr, heute Johann König aus Berlin als Gast zu haben. Obwohl die meisten von Ihnen den Namen Johann König schon ge- hört haben – schließlich ist er der „Popstar unter den deutschen Galeristen“ – stelle ich ihn noch einmal kurz vor: 1981 in Köln geboren, Mitglied einer weit verzweigten Kunstfamilie. Deinen Vater Kasper kennt man gut, auch deinen Onkel Walther König, und du hast Brüder und Schwäger, die im Kunstbereich unterwegs sind. Wo- für man dich aber kennt, ist die Tatsache, dass du dich beim Hantieren mit Schwarzpulver und Patronen einer Schreckschusspistole verletzt und seit- her einen Teil deines Augenlichts verloren hast. Daher rührt auch der Titel deiner 2019 erschienenen Biografie „Blinder Galerist“. Nichtsdestotrotz hast du im Jahr 2002 eine Galerie gegründet, mit der du immer weitergewachsen bist, von einem Ort zum anderen. Du warst in Berlin erst am Rosa-Luxemburg-Platz, dann in einer Industriehalle in der Johann König und Dr. Rupert Keim haben eins gemeinsam: die Leidenschaft für die Kunst. Nähe vom Martin-Gropius-Bau und bist jetzt in der Kirche von St. Agnes, wo du auch Messen veranstaltest. Seitdem bist du auch quasi ein Priester des deutschen Kunsthandels, denn in St. Agnes ist die Messe regelmäßig zu Gast. 2017 folgten dann noch Eröffnungen von Galerien in London und JK: Das ist total unterschiedlich. Jeder und jede hat eine andere Motivation. in Tokio. Das heißt, du bist auf einem regen Expansionskurs. Zu Beginn un- Zum Beispiel erlebe ich oft, dass es gar nicht unbedingt um einen monetären seres Gesprächs möchte ich aber gar nicht so viel hören über Handel und von Zuwachs geht. So habe ich die deutsche Künstlerin Alicja Kwade, über die ak- deiner Tätigkeit als Galerist, sondern mehr zu einem anderen Thema: tuell viel berichtet wird, bereits aus der Akademie heraus ausgestellt und ge- Warum sammeln Menschen Kunst? kauft. Da ist es so, dass sich die Kunden damit identifizieren und sich nicht nur freuen, wenn ein Werk im Wert steigt, sondern auch, wenn eine Künstlerin oder Johann König: Man sammelt immer aus Leidenschaft. Selbst wenn es nach- ein Künstler eine Karriere macht. Das Sammeln von gerade jungen Positionen gelagerte monetäre Interessen wie eine steuerliche Motivation gibt oder es ist die beste Kunstförderung, die es gibt. Weil das Geld, das man einsetzt, di- Geltungsdrang ist, steht trotzdem die Leidenschaft an erster Stelle. Dann ist rekt bei den Künstlern ankommt oder bei den Galerien, die sie vertreten. Aber der Wunsch groß, etwas aufgrund der Identifikation damit zu besitzen. So genauso wichtig ist auch der Zweitmarkt – etwa über die Auktionshäuser – geht’s mir zumindest, wenn ich von einem Kunstwerk begeistert und emotio- fürs Primärmarktgeschäft. Denn wenn es keinen Zweitmarkt gibt, gibt es auch nal bewegt bin. Das entsteht aber auch nur dann, wenn die Möglichkeit be- keinen Erstmarkt. Ich wundere mich, warum viele Kolleginnen und Kollegen steht, dass man das käuflich erwerben kann. In meinem Geschäft erlebe ich das nicht sehen. Aber das ist ein anderes Thema. Neben der Motivation, früh gerade die zweite große Krise beziehungsweise die dritte – als ich anfing mit dabei zu sein, gibt es eine, die ich oft auf Messen bemerkt habe. Da gibt es zum der Galerie steckten wir in dieser Post-Neuer-Markt-Dotcom-Krise. Dass sich Beispiel einen Sammler aus Chicago, der immer eine Sammlung von hundert der Kunstmarkt momentan erstaunlich gut durchlaviert, das hat auch mit der Kunstwerken hat und immer die besten haben will. Immer wenn er zu dem Leidenschaft zu tun, mit der alle Teilnehmer ihr Geschäft machen und auch Schluss kommt, dass ein Kunstwerk besser ist, also bedeutender, relevanter kaufen – ob als Händler oder Sammler, man kann einfach oft nicht anders. als eines der hundert, die er schon hat, verkauft er eines, um davon ein ande- res zu finanzieren. So ist es jetzt auch bei meiner guten Freundin Julia Sto- RK: Primär ist es also die Leidenschaft, die Identifikation mit etwas, sprich Sam- schek, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die bedeutendste Mediensammlerin zu meln durch Identifikation. Wenn du mit deinen Kunden sprichst, was spürst du sein. Das hat sie auch geschafft. Alle sind durch unterschiedliche Motivationen GOTTHARD GRAUBNER © VG BILD-KUNST, BONN 2021 da, wenn es um dieses Thema geht? Merkst du, dass sie bei dir kaufen, weil du getrieben, aber meist ist es ein sehr Entrepreneurial Approach, ein unterneh- zeitgenössische Künstler vertrittst? Und weil diese letztendlich diejenigen merischer Ansatz. Abgesehen von den künstlerischen Positionen, die ich ver- sind, die Themen und Probleme unserer heutigen Welt am besten adressieren, trete – ob primär oder sekundär – was Sammlerinnen und Sammler und mich wir uns dadurch angesprochen fühlen und uns deswegen mit ihrem Werk verbindet, ist eben auch so eine Art Unternehmergeist, nämlich teilzuhaben an identifizieren? Warum kaufen die Kunden bei dir deine Künstler? einer Entwicklung, in welcher Form auch immer. 38 Titelthema Warum sammeln wir Kunst? 39
„DA DENKE ICH AUCH les kaufen können. Da bremse ich mich immer wieder. Wobei es auch schön ist, das zu haben. Aber wenn ich Sammler begleite, was wir ja tun für Firmen oder DARAN, WAS GERHARD Privatsammlungen, und gemeinsam Entscheidungen getroffen werden, dann tue ich das natürlich als professioneller Berater viel analytischer. So erinnere ich RICHTER EINMAL sie daran, dass wir uns das Ziel gesetzt haben, in eine Richtung zu gehen und eine Linie zu verfolgen. Das Budget sollte nicht für Spontankäufe draufgehen. Das Problem ist oft, dass man etwas von einer Position kaufen will, das Topwerk SAGTE: ,WIRKLICH GUTE nicht bekommt und dann ein Nebenwerk kauft. Als Berater ist man freier und fokussierter, als wenn es eine emotionale Sache ist. Da nimmt man sich oft vor, BILDER VERSCHWINDEN eine Nacht darüber zu schlafen, macht das aber doch nicht. Dann wird es – wie in unserer eigenen Sammlung – ein bisschen ein Sammelsurium. Aber das ist NICHT. AM ENDE natürlich auch ein Abbild der eigenen Persönlichkeit, der selbst erlebten Ver- gangenheit und Geschichte. Vieles hat man ja auch von Reisen mitgebracht LANDEN SIE DOCH IM und das ist auch ganz schön so. Als Berater ist es oft besser zu sagen, bis Sum- me X kaufst du, was dir vor die Flinte kommt, und wenn es substanzieller wird, muss man schauen, ob es zu den Zielen passt, die man sich gesetzt hat. MUSEUM.‘ IN DER RK: Also geht manchmal mit einem der Jagdinstinkt durch, weil man irgend- REGEL STIMMT DAS.“ etwas erlegen will? Obwohl das, was einem vor die Flinte läuft, gar nicht das ist, was man erlegen will? JK: Genau, das passiert mir natürlich dauernd, und ich habe ja niemanden, der mich korrigiert. RK: Unternehmergeist, weil sich etwas bewegt – gerade im zeitgenössi- schen Bereich. Das heißt, man möchte dabei sein, wenn sich etwas in eine RK: Agieren Männer da anders als Frauen? Ist der Jagdinstinkt beim Mann positive, schöne Richtung entwickelt. Und das andere ist auch ein sozialer ausgeprägter als bei Frauen? Sind die geplanter in ihrem Vorgehen, etwas Aspekt, schlicht und einfach, dass man einen bestimmten Künstler, eine be- weniger getrieben? stimmte Künstlerin auf ihrem Weg begleiten und unterstützen will, sodass er/sie den weiter gehen kann. JK: Interessant ist, dass die Kunstmarktstudie von Clare McAndrew zu dem Schluss kommt, dass Frauen die besseren Sammler seien. Sie sammeln dem- JK: Genau, zum einen auf die Künstlerinnen und Künstler bezogen, aber nach konzentrierter, langfristiger und kontinuierlicher – was immer das heißt. zum anderen haben auch wir das ganz stark in der Corona-Krise gemerkt. Bei uns ist das ein Mischmasch, wir kaufen oft auch Sachen, die meiner Frau Da meldeten sich Sammlerinnen und Sammler und fragten, ob sie uns unter- wichtig sind. Oder wir verkaufen welche aus dem gleichen Grund nicht. Es stützen können, wenn sie etwas kaufen. Das war eine Zusammenarbeit auf war aber auch schon so, dass wir ein Werk installiert und unabhängig vonein allen Ebenen. ander gemerkt haben, dass es nicht das ist, was wir erwartet haben ... RK: Du sagst in einem Interview mit „Collectors Agenda“, du glaubst, dass RK: … dass es einem dann doch nicht so viel gibt, wie man beim Kauf vermu- deine Frau und du wohl bessere Berater als Sammler seid. Ihr habt ja selbst tet hat. Man steht ja doch im Dialog mit dem Kunstwerk, das man erwirbt. einige hundert Kunstwerke zu Hause. Warum ist es leichter, jemand anderen zu beraten? JK: Ja. Und dann gibt es Sachen, die vermisst man, und es gibt andere, von denen man überrascht ist. Das kann dann auch wieder eine Kraft sein. Manch- JK: Zum Beispiel nehme ich mir immer wieder vor, nicht so Kleinkram zu kaufen, mal gibt es Editionen, an denen man sich täglich erfreut. Allerdings leben wir so im Vorbeigehen Editionen, Jahresgaben und Subskriptionseditionen für Pu- nicht mit so viel Kunst, weil wir kleine Kinder haben. Aber als Galerist, als der blikationen, weil das am Ende des Jahres auch wieder 20.000 bis 30.000 Euro ich den potenziellen Wert oder die ganze Marktanalyse im Hinterkopf habe, sind, die man dafür ausgibt. Dafür hätte man sich auch auch etwas Substanziel- kann ich durch kein Museum laufen, ohne Mängel zu sehen oder mir zu über- 40 Titelthema Warum sammeln wir Kunst? 41
legen, wie haben die das oder jenes gemacht. Das höre ich auch von vielen Besuch. So eine kleine Rigips-Galerie hat natürlich nicht die Erfahrung wie Sammlern. Geht es dir auch so? St. Agnes oder die Kollegen von Sprüth Magers in ihrem ehemaligen Ball- saal. Und das Erleben von Kunst in Architektur ist natürlich eine vom Künst- RK: Du meinst die „Déformation professionnelle“? Natürlich wird man mit ler oder von der Künstlerin komponierte Ausstellung. Das ist etwas anderes jedem Jahr, in dem man handelt oder sammelt, anspruchsvoller. Ich muss als eine Vorbesichtigung beim Onlinebieten. gestehen, das Level steigt immer höher, bis man wirklich befriedigt ist von Die Rezeption von Kunstwerken in von Galerien veranstalteten Aus- einer guten Arbeit. Das ist manchmal fast undankbar und wird nicht immer stellungen ist ohne Frage spannender als der Messebesuch. Auch wenn wir dem Werk gerecht. Aber das ist, wie die Sprossen einer Leiter hinaufzustei- jetzt vielleicht alle ein bisschen weniger Umsatz machen, haben wir auch gen. Man muss erst ein paar nehmen, um schauen zu können, wie man wei- weniger Kosten. Für die Kunst ist es besser, so wie es jetzt ist, statt auf zwölf terkommt, wo es hingeht. Wie du sagtest: Jede Sammlung ist auch ein Stück Messen im Jahr präsent sein zu müssen. Biografie. So wie wir uns und auch unser Kontext sich verändern, entwickelt sich die Sammlung mit einem. RK: Schauen wir mal, was die Zukunft bringt. Ich bin sehr gespannt. Vielen Dank Johann, dass du da warst. JK: Ja, ich bin auch am Überlegen, was langfristig das Ziel ist. Hin und wieder erwirbt man ja relevante Werke. Ob man nach einem Vorbild wie Beyeler ei- nen Ort schafft, für den man Stück für Stück sammelt. Er hat als Händler und Auszüge aus dem Gespräch vom Sammler mit der Fondation Beyeler einen unglaublichen Ort geschaffen. Aber 11. November 2020 bei KARL & FABER. selbst diese prominente Sammlung kann natürlich bei Weitem nicht mithalten Den kompletten „Austausch“ finden mit der des Kunstmuseums Basel. In der öffentlichen Hand sind die Werke in Sie als Video unter folgendem QR-Code der Regel auch besser aufgehoben. Da denke ich auch daran, was Gerhard Richter einmal sagte: „Wirklich gute Bilder verschwinden nicht. Am Ende lan- Transkription: Ronja Vogel den sie doch im Museum.“ In der Regel stimmt das. Redaktion: Nicola Scheifele RK: Noch eine Frage: Wir sind in heißen Corona-Zeiten – wer im Kunstmarkt ist der Gewinner der Krise? JK: Die Auktionshäuser haben auf jeden Fall einen Vorteil. Wenn das nötige Vertrauen da ist und die Professionalität über Condition Reports und Ähnli- ches, tun sich durch die vermeintlich oder häufig niedrigen Schätzpreise Chancen auf – vor allem durch die Transparenz. Diese ist das größte Pro blem, das wir im Primärmarkt haben. Durch Corona ist dort jetzt mehr Trans- parenz in der Preispolitik entstanden, was einen Schub bewirkt hat. Die Ver- lierer sind die Messen. RK: Dann darf ich einen Punkt zurückgeben: Was die Leute aber wieder mehr Johann König gehört zu den bedeutendsten Galeristen Deutschlands. Als zu schätzen wissen oder was sie vermissen in der jetzigen Zeit, das ist et- Sohn einer Schauspielerin und eines Ausstellungskurators ist er seit seiner was, das ihr als Galeristen besser liefern könnt als wir Auktionshäuser: das Kindheit von Kunst umgeben. Nach einem Unfall mit explodierenden Schwarz- gemeinsame Erleben, Mitfiebern, Entwickeln mit einem Künstler oder einer pulverkugeln aus einer Schreckschusspistole verlor Johann König 1992 einen Künstlerin. Diese auf ihrem Weg zu begleiten, sie zu treffen und diesen per- Großteil seines Augenlichts. Dennoch gründete er 2002, im Alter von 21 Jah- sönlichen Bezug auch zum Schöpfer des Kunstwerks zu haben. Das ist et- ren, die KÖNIG GALERIE für zeitgenössische Kunst in Berlin, die 2015 in die was, was ihr liefern könnt, die Auktionshäuser aber nicht so. ehemalige St. Agnes Kirche in Berlin-Kreuzberg einzog und 2017 weitere Standorte in London und 2019 in Tokio eröffnete. In seiner 2019 veröffentlich- JK: Besondere Galerieausstellungen sind vermutlich auch Gewinner. So ist ten Biografie „Blinder Galerist“ beschreibt er seinen Alltag mit der Sehbehin- ein Besuch bei uns aufgrund der Architektur einmalig – wie in vielen ande- derung. Seit 2020 veranstaltet Johann König auch die Kunstmesse „Messe in ren Galerien. Man muss leider sagen, je größer, desto besonderer ist der St. Agnes“ mit Kunstwerken aus dem Primär- und Sekundärmarkt. 42 Titelthema Warum sammeln wir Kunst? 43
„I DIDN’T WANT TO BE A WOMAN ARTIST. I JUST WANTED TO BE AN ARTIST.“ * Künstlerinnen sind in der Kunstwelt nach wie vor weniger präsent als ihre männlichen Kollegen. Wie lässt sich ein Paradigmenwechsel herbeiführen? Und wie kann der Kunstcharakter über den Gendergedanken siegen? Diese und andere Fragen erörterte Sheila Scott, Geschäftsführerin und Leiterin Moderne Kunst bei KARL & FABER, vorigen Sommer im Austausch mit Dr. Sonja Lechner, Geschäfts führerin Kunstkonnex Artconsulting. FOTOGRAFIE ULRIKE MYRZIK 44 Titelthema
Sheila Scott: Liebe Freunde des Hauses KARL & FABER, ich begrüße Sie herzlich zu einer weiteren Folge von KARL & FABER im Austausch. Ich freue mich sehr, heute Frau Dr. Sonja Lechner bei uns zu haben. Sie ist Finnin und Deutsche, in Deutschland aufgewachsen, hat Kunstgeschichte an der Lud- wig-Maximilians-Universität München studiert und 1999 mit einem M. A. abgeschlossen. 2005 kam die Promotion über Caravaggio als Aktmaler. Seit 2001 ist sie selbstständige Kunstberaterin, 2005 war sie Mitbegründerin von Kunstkonnex Artconsulting und ist dort seit 2016 alleinige Geschäftsführe- rin. Sonja, du engagierst dich ja seit Langem für das Thema Frauen in der Kunst. Du veranstaltest etwa das Event Ladies Art Lunch, wobei du die Män- ner nicht vergisst: Es gibt auch einen Gentlemen Art Lunch. Aber generell sind Frauen ein Thema für dich, immer wieder auch in deinen Vorträgen. Bei uns dieses Mal zum Glück auch. In unserer Auktion 296 haben wir sehr schöne, wichtige Arbeiten von zeitgenössischen Künstle- rinnen – wie Katharina Grosse, Isa Genzken, oder Jorinde Voigt –, aber auch in der Moderne. Etwa ein Porträt von Paul Girieud aus dem Jahr 1908, das Sheila Scott und Dr. Sonja Lechner im Gespräch über das Thema Frauen in der Kunst. Emily Charmy zeigt, eine Künstlerin, die zeitgleich mit ihm gearbeitet hat. Sie war ebenfalls berühmt-berüchtigt, weil sie Akte malte, und zwar weibliche. Ein Skandal damals. Diese Bewegung hin zu Künstlerinnen auf dem Kunst- markt, die gibt es bereits seit den 1970er Jahren, bald 50 Jahre. Sonja, warum len: Helene Schjerfbeck war in Finnland seit jeher bekannt, seit ihrer aktiven ist das immer noch ein aktuelles Thema? Zeit. Als junge Studentin in München schlug ich kühn vor, über sie zu pro- movieren. Ich erhielt eine abschlägige Antwort mit der Begründung, dass Dr. Sonja Lechner: Die amerikanische Kunsthistorikerin Linda Nochlin stellte die gesamte Literatur auf Finnisch abgefasst sei – zum damaligen Zeitpunkt, 1971 in ihrem Essay die Frage: „Why have there been no great women artists?“ also um 2000. Die hätte ich rezipieren können. Aus meiner Sicht wäre ich die Damit trat sie etwas los, worauf sich auf jeden Fall etwas geändert hat. Aber ideale Partnerin gewesen, um die Künstlerin in Mitteleuropa weiter zu veror- der längst anstehende Paradigmenwechsel ist ausgeblieben. Das liegt an der ten. Aber der, bei dem ich damals vorsprach, hätte diese Arbeit nicht korri- simplen Tatsache, dass bis nach dem Ersten Weltkrieg den meisten Frauen gieren können, zumindest was die Forschungslage anbelangt, weil er des Fin- der Zutritt zu den Akademien, wo die Ausbildung stattfand, verwehrt war. Wir nischen nicht mächtig war. Es scheiterte an diesem Sprachhindernis. Zum haben natürlich über die Jahrhunderte hinweg immer wieder Einzelgestalten, Glück ist sie jetzt auch ohne meine Mithilfe etabliert und ich wurde bei einem die hervorstechen. Aus meiner Sicht als Kunsthistorikerin ist es unsere Auf- anderen Professor promoviert. Aber das ist eines dieser Beispiele, wie man- gabe, diese weiter zu erforschen und ihnen diese Sichtbarkeit zu verleihen, che Frauen lokal zwar Berühmtheit erlangen, aber nicht international. Da gilt die sie brauchen, um in der Kunstgeschichte ihren Platz – gleichberechtigt es weiter zu forschen. neben Männern – zu bekommen und in der Folge auf dem Kunstmarkt bei der Und auf der anderen Seite: Warum ist das Thema noch immer viru Preisgestaltung ähnlich bewertet zu werden. Ein Beispiel: Artemisia Gentile- lent? Kunst ist ein Beispiel oder ein Seismograf für die Machtverhältnisse schi, die als Barockmalerin schon damals bekannt und geachtet war. und die Zustände in der Gesellschaft. Solange wir alle nicht in jedem Be- Durch die weitergehenden kunsthistorischen Forschungen hat sie an reich gleichberechtigt sind, solange sind es auch die Künstlerinnen nicht. Renommee immens gewonnen und wird jetzt auf demselben Niveau wahr- Und solange diejenigen, die über Kunst und deren Preisgestaltung ent- genommen wie andere Barockmaler. 2018 Jahr erwarb die National Gallery scheiden, nicht auch Frauen in Spitzenpositionen sind, solange wird es die- in London ihr Selbstbildnis als Heilige Katharina. Das Werk ist jetzt im Mu- ses Gefälle geben. seum zugänglich, gleichberechtigt neben anderen, und hat damit natürlich auch eine Ausstrahlung auf alle anderen Gebiete. Dieses Segment gilt es SS: Das ist klar in der zeitgenössischen Kunst zu sehen. Der teuerste Künst- nicht zu vernachlässigen: Auf der einen Seite die Künstlerinnen, die teilwei- ler, Jeff Koons, verkaufte sich 2019 mit seiner Rabbit-Skulptur für 91,1 Millio- se noch gar nicht bekannt sind, an die Oberfläche zu holen, wie uns das nen Dollar. Die teuerste zeitgenössische Künstlerin ist Georgia O’Keeffe, ihr Beispiel der schwedischen Malerin Hilma af Klint zeigt. Aus meiner Zweit- Gemälde Jimson Weed/White Flower No. 1 erzielte 2014 knapp den halben heimat Finnland kann ich da von einer ganz persönlichen Erfahrung erzäh- Betrag. Seither gab es keinen höheren Preis für Werke von Frauen. Für frei- 46 Titelthema Paradigmenwechsel im Kunstmarkt 47
die das fördern, was ihnen vertraut ist: Frauen. Ein Beispiel: Als ich Kunstge- schichte studierte, bestand unser Semester gefühlt zu 90 Prozent aus Frauen. Wohin ich blickte, sah ich Frauen. Wenn ich mir jetzt die Museumslandschaft, etwa in München, anschaue, dann sind auch hier die meisten Spitzenpositio- nen von Männern besetzt, Frau Dr. Angelika Nollert ist als Direktorin der Neu- en Sammlung eine rühmliche Ausnahme. Das Gefälle zwischen denen, die Kunstgeschichte studieren, und denen, die letztendlich machtvoll in unserem Segment agieren, ist immer noch beachtlich. Gerade geschieht ein Umbruch. In der Münchner Akademie der bilden- den Künste ist der überwiegende Teil der Professoren weiblich. Wir haben da nicht nur Spitzenkünstlerinnen wie Pia Fries, Karin Kneffel, Karen Pontoppi- dan oder Anke Doberauer, sondern auch Frauen, die vermutlich selbst erleb- ten, dass ihnen nicht immer nur der rote Teppich ausgerollt wird. Wir kennen beide etwa die Zäsur der Mutterschaft, was das für eine Karriere bedeutet. Sie haben sicher erlebt, dass es Irrungen, Wirrungen und steinige Pfade gibt. Deshalb fördern und unterstützen sie auch Künstlerinnen, die sich in ähnli- chen Situationen befinden, davon gehe ich aus. Bis das zum Tragen kommt, braucht es aber Zeit. Wir sind da mitten im Umbruch, aber es ist sehr wichtig, dass auch wir in unserem Bereich das tun, was wir tun können, um Künstlerin- nen Sichtbarkeit zu verleihen. Dr. Sonja Lechner und Sheila Scott ist es ein wichtiges Anliegen, sich für Künstlerinnen starkzumachen. SS: Im Moment wird Kunst oft von älteren Leuten gekauft, die eine finanzi- elle Stabilität haben. Da ist es sehr oft der Mann, der das Geld hat und dem- entsprechend kauft. In einem Artikel im „Handelsblatt“ vom Mai 2020 stand, dass es eine neue Begeisterung für Werke weiblicher Künstler gebe. Viele berufliche Künstlerinnen ist es schwierig, in führende Positionen zu kommen. ihrer Werke verzeichneten hohe Kurssprünge. Ist ja toll! Und dann schreiben Wie kann man sie fördern? sie, ich zitiere: „Fast könnte man meinen, die #Metoo-Debatte hätte den Kunstmarkt mit frischem Elan belegt.“ Glaubst du auch, dass diese Debatte SL: Inzwischen sind Künstlerinnen in Ausstellungen, Galerien, Museen und einen Einfluss auf das Kaufverhalten hatte? im Bewusstsein der Menschen präsent. Unsere Generation und erst recht die nach uns folgenden machen diesen Unterschied nicht mehr. Aber in der SL: Was mich 2018 schon erstaunte, als die Debatte noch aktueller war als Preisbildung schlägt sich das nicht gleichermaßen nieder. Kunst ist nicht er- heute, war, dass damals im Ranking der einflussreichsten Personen im Kunst- folgreich, wenn ein Werk nur extraordinär ist, es bedarf auch eines Netzwerks markt David Zwirner natürlich auf Platz 1 stand, aber die #Metoo-Debatte auf aus Galeristinnen, Galeristen, Museumsmenschen, Sammlerinnen und Samm- Rang 3. Sie hielt tatsächlich Einzug in einen Bereich, der nicht unbedingt da- lern, die diesen Kunstwerken die Achtung, die Würdigung und monetäre für vorgesehen war. Aber es zeigt, was ich vorher angesprochen habe: Kunst Wertschätzung entgegenbringen, die es verdient. Ich habe dazu beim jüngs- ist ein Seismograf für die Machtverhältnisse in der Gesellschaft. In dem Mo- ten Ladies Art Lunch einen interessanten Artikel aus der „Times“ zitiert. ment, wenn #Metoo an die Öffentlichkeit bringt, wie Macht missbraucht wer- Der handelte von Ergebnissen, die Neurowissenschaftler herausgefun- den kann, betrifft es natürlich den Kunstbereich. Es gab bestimmt keinen di- den haben. Danach fördert das menschliche Gehirn das, was ihm vertraut ist. rekten Einfluss, indem man jetzt sagte: „Nun kaufen wir erst recht.“ Aber es Wenn wir vom momentanen Status quo ausgehen, dass die Spitzenpositionen schuf ein Bewusstsein, dass die Gleichberechtigung, wie wir sie vielleicht an- jedes Bereiches, nicht nur unseres Kunstbereiches, immer noch vorwiegend nehmen, noch gar nicht existent ist. Es ist nicht so sehr der Aspekt, ob be- von Männern besetzt sind, dann fördern diese unbewusst, ich unterstelle da wusst oder unbewusst Werke von männlichen Künstlern gekauft werden, es keine Absicht – zumindest nicht bei jedem – das, was sie kennen und ihnen ist vielmehr eine Frage der Möglichkeiten. Aus den vergangenen Jahrhunder- vertraut ist. Wir brauchen also im Kunstbereich in den Spitzenpositionen – im ten und den jüngsten Jahrzehnten gibt es eben viel weniger Künstlerinnen. Museum, in den Galerien und auch bei engagierten Sammlerinnen – Frauen, Rein quantitativ stehen ihre Werke hintan. Erst jetzt kommt eine Generation, 48 Titelthema Paradigmenwechsel im Kunstmarkt 49
„WAS ZÄHLT IST GUTE SS: Insofern würdest du auch nicht empfehlen, jetzt auf diesen Trend aufzu- KUNST – EGAL OB DIESE springen, Künstlerinnen zu kaufen, nur weil sich die Preise gut entwickeln und es gerade eine gute Investition ist? EINE FRAU ODER EIN SL: In der Kunstberatung muss ich natürlich die monetären Werte berück- sichtigen. Da müssen wir ganz genaue Prognosen aufzeigen und die lassen MANN GESCHAFFEN HAT.“ sich bei vielen Künstlerinnen über die Jahre schon längst verfolgen. Natür- lich empfehle ich Künstlerinnen, aber nicht, weil sie Frauen sind, sondern weil ihre Kunst herausragend ist. die ganz selbstverständlich ausgebildet wird von Professorinnen, die als SS: Wir sollten also weg von diesem Gendergedanken und einfach die Kunst Künstlerinnen international erfolgreich sind. Damit sind Quantität und Quali- anschauen, für das, was sie ist? tät erstmals gleichwertig. Vorher hatten Frauen nicht die gleichen Chancen. Sie waren vom System exkludiert und konnten nicht in dem Maß partizipieren SL: Die amerikanische Malerin Isabel Bishop sagte etwas Wunderbares, das wie Männer. Das ist jetzt anders. Bei Kunstkonnex ist zum Beispiel eine Säule ich in vielen Vorträgen schon zitiert habe: „I didn’t want to be a female artist, die Kunstberatung, die andere sind die Kuratierungen. Wenn uns Museen, Ga- I always wanted to be an artist.“ Das bringt es auf den Punkt. Es gibt ja auch lerien oder Institutionen damit beauftragen, dann kuratieren wir. Eins meiner kein Pendant. Man sagt nicht Picasso, der große männliche Künstler. Herzensprojekte ist das Kunstforum Münchner Bank. Wir zeigen dort zwei Mal im Jahr ausschließlich Kunst der Akademie München. Von Absolventen, Meis- SS: Das ist ein sehr schönes Abschlusswort. Vielen Dank, dass Du hier warst! terklasseschülern oder Studierenden. Dabei habe ich bisher stets darauf ge- achtet, gleichwertig Positionen männlicher und weiblicher Künstler zu zeigen. Das wurde dann absolut entsprechend rezipiert, sowohl in der Presse als auch Auszüge aus dem Gespräch vom bei den Sammlern. Da gab es überhaupt kein Gefälle, was die Verkäufe betraf. 7. Juli 2020 bei KARL & FABER. Das Besondere an diesem Format ist, dass die Münchner Bank nicht an den Den kompletten „Austausch“ finden Verkäufen partizipiert, die Künstler bekommen alles, was sie dort verkaufen. Sie als Video unter folgendem QR Code: Dementsprechend war es schön zu sehen, dass es keine Präferenzen gab, etwa nur männliche Künstler zu sammeln. Es ging vielmehr vollkommen gleichwertig Transkription: Ronja Vogel vonstatten. Das langfristige Ziel sollte sein, dass sich die Frage nach Gender im Redaktion: Nicola Scheifele Kunstbereich überhaupt nicht mehr stellt, sondern sich die Kunst am Markt durchsetzt, in den Museen erhalten bleibt und kunsthistorisch gewürdigt wird, * Isabel Bishop die den Namen Kunst auch verdient. SS: Da stimme ich dir zu. Eine Frage noch: Du sagtest, Frauen müssten Frau- en unterstützen. Kannst du als Beraterin bei Kunstkonnex gezielt Künstle- rinnen unterstützen oder ist das mit dieser Funktion nicht vereinbar? Dr. Sonja Lechner promovierte 2005 an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit einer Doktorarbeit zum Thema „Nuda veritas - Caravaggio als SL: Wenn ich mich für Gleichberechtigung einsetze, dann gilt das auch für Aktmaler. Rezeption und Revision von Aktdarstellungen der römischen Reife- Männer. Daher zählt für mich der Wert des Kunstwerkes und zwar nicht in zeit“. Seit 2001 arbeitet die Kunsthistorikerin als selbständige Kuratorin, Kunst- erster Linie der monetäre. Aber natürlich versuche ich Positionen von Künst- beraterin und Rednerin. 2005 gründete sie Kunstkonnex Artconsulting mit und lerinnen, die vielleicht noch nicht bekannt sind, ans Licht zu bringen und mit ist seit 2016 alleinige Geschäftsführerin. Sie berät Unternehmen und Privat- in die Beratung zu inkludieren, vor allem eben auch in die Kuratierungen. Ich sammler bei der Pflege und Erweiterung von Kunstsammlungen. Ob in von ihr versuche alles, was in meiner Macht steht, um Gleichberechtigung tatsächlich kuratierten Ausstellungen, in ihren Vorträgen oder Veranstaltungen wie dem walten zu lassen. Für mich zählt dabei aber nur: Was ist gute Kunst? Ob sie von regelmäßig stattfindenden „Ladies Art Lunch“ – die Gleichberechtigung von einem Mann geschaffen wurde oder von einer Frau, ist für mich zweitrangig. Frauen in der Kunstwelt ist eines ihrer zentralen Anliegen. 50 Titelthema Paradigmenwechsel im Kunstmarkt 51
GLITTER IN THEIR EYES…* Männer setzen beim Kunstkauf gerne auf große Namen und bestehende Werte. Das lassen aktuelle Zahlen vermuten: Auch 2020 standen auf der Liste der 100 auf Auktionen meist- verkauften Künstler nur fünfzehn Frauen.1 Selbst Kiki Smith, für die wir in diesem Jahr bei KARL & FABER Rekordpreise erzielen konnten, ist nicht unter diesen. Von Caroline Klapp FOTOGRAFIE CHRIS SANDERS 52 Titelthema
Die männlichen Künstler der Gruppe pflegten in heftigen Trinkgelagen und mit großspurigen Prahlereien Macho-Attitüden 4, die zu den heftigen Gesten, dem Action-Painting sowie den riesigen Formaten des Abstrakten Expressi- onismus gut zu passen schienen. Alles, was psychologisch verletzlich, per- sönlich, zerbrechlich, zart, selbstoffenbarend, exzentrisch oder gar „handge- macht“ war – also all das, was heute in der zeitgenössischen Kunst am meisten geschätzt wird – wurde damals leicht abwertend als „feminin“ abge- tan. Zwar gab es damals in New York eine erstaunliche Anzahl einflussreicher Galeristinnen wie Peggy Guggenheim, Betty Parsons, Martha Jackson und etwas später Ileana Sonnabend. Aber sie vertraten vor allem männliche Künstler. Jackson Pollock umgab bereits 1956, als er in den Hamptons töd- lich verunglückte, eine Art Star-Kult. Das führte dazu, dass seine Werke bald international zu hohen Preisen gehandelt wurden. Die Galeristinnen wieder- um wollten und mussten beweisen, dass sie sich gegen die männlichen Händler behaupten konnten und taten das, was jeder Geschäftsmann tut: Sie lenkten ihren Fokus auf das, was sich besser verkauft. Bis heute beträgt das Verhältnis der in Galerien vertretenen Künstler durchschnittlich 30 % KIKI SMITH, Fox on the ground, 2004, Bronze mit grüner Patina, 105 � 244 � 5 cm, Frauen zu 70 % Männer. Dass die Museumswelt noch bis in die 1990er Jahre Ergebnis: € 125.000 (Taxe: € 25.000/35.000) eine rein männliche war, half der Sache der Frauen ebenfalls nicht. Kuratorin- nen kämpften häufig nicht für Künstlerinnen, weil sie glücklich waren, Kura- torinnen an großen Museen zu sein – in der Regel unter männlichen Chefs. Die Ende der 1960er Jahre aufkommende Frauenbewegung führte zu einem Der Löwenanteil dieses überschaubaren Marktanteils verteilt sich nämlich neuen Selbstverständnis der Frauen, auch in der Kunst. Sie wurden sichtbar auf nur fünf Künstlerinnen: Yayoi Kusama, Joan Mitchell, Louise Bourgeois, und positionierten sich mit einem neuen Selbstbewusstsein. Georgia O’Keeffe und Agnes Martin. Blickt man zurück ins New York der Carolee Schneemann und Valie Export befördern mit radikalen, tabu- 1940er/1950er Jahre, die Stadt, in der außer Georgia O’Keeffe alle von ihnen überschreitenden Performances wie „Eye body“ in New York und dem „Tapp- künstlerisch geprägt wurden, landet man in einer Zeit, in der geschlechter- und Tastkino“ in Wien den gesellschaftlichen Diskurs um Körperlichkeit, spezifische Klischees selbstverständlich waren: Künstlerische Genies, das Sexualität und Geschlechterrollen. Marina Abramovic erweitert mit über alle waren Männer. So soll Hans Hoffmann zu Lee Krasner einmal gesagt haben, Schmerzgrenzen hinaus gehenden Körper-Performances tradierte Kunstbe- eine ihrer Zeichnungen sei so gut, dass man nicht vermuten würde, dass sie griffe. Jenny Holzer erreicht seit Anfang der 1980er Jahre mit ihren „Truisms“ von einer Frau stamme 2. und der Survival Series (1983–1984), die plötzlich auf riesigen Plakatwänden Solche Ungeheuerlichkeiten waren damals an der Tagesordnung. Nach- in New York prangen, eine bisher nie da gewesene Öffentlichkeit. 1989 in zulesen ist vieles davon im Katalog zur Ausstellung „Women of Abstract Ex- stalliert sie eine monumentale 163 Meter lange Leuchtschrift-Spirale ent- pressionism“, die das Denver Art Museum mit 60-jähriger Verspätung 2016 lang der Innenwände des New Yorker Guggenheim Museums und wird im all jenen Künstlerinnen widmete, die den Abstrakten Expressionismus ent- gleichen Jahr als erste Künstlerin überhaupt berufen, die USA auf der 44. scheidend mitgeprägt hatten. In der kunsthistorischen Aufarbeitung blieben Biennale in Venedig 1990 zu repräsentieren. sie oft nur Fußnoten: Die künstlerische Leistung selbst der Bekanntesten un- Kiki Smith zeigt zu dieser Zeit in New York ihre ersten lebensgroßen, ter ihnen wurde lange marginalisiert. Lee Krasner, Helen Frankenthaler und aus Reispapier gefertigten Skulpturen, die in bisher so nicht da gewesener Joan Mitchell erzielen heute auf dem Kunstmarkt ähnliche Preise wie ihre Offenheit das Wesen des weiblichen Körpers und seiner Befindlichkeiten männlichen Kollegen. Damals wurden sie vor allem als die Ehefrauen von thematisieren. Ebenso wie die fantastische Louise Bourgeois, die zu dieser Jackson Pollock, Robert Motherwell und Jean-Paul Riopelle rezipiert. Cle- Zeit bereits 80 Jahre alt ist und in ihrem Studio in Greenwich Village an den ment Greenberg, der bekannteste Chronist des Abstrakten Expressionismus, legendären „Cells“ arbeitet. Jenseits aller feministischen Bestrebungen ge- © 2021 KIKI SMITH, COURTESY PACE GALLERY erwähnt auf 1269 Seiten seiner gesammelten Kritiken Joan Mitchell ein ein- lang all diesen Künstlerinnen vor allem eines: Sie schufen bzw. schaffen ziges Mal und das nur beiläufig 3. Die Frauen wurden im Kunstdiskurs schlicht- großartige, signifikante Kunst. Auch wenn der Marktanteil aller von Frauen weg übergangen. seit 2008 verkauften Kunst immer noch unter dem der allein von Picasso 54 Titelthema Glitter in Their Eyes 55
„UNSERE SUBJEKTIVE Bei der Veranstaltung „Karin Kneffel und die Sammlung Hermann Lange“ am 11.2 2020 WAHRNEHMUNG SPIEGELT war das Franz Marc Museum zu Gast bei KARL & FABER. DIESE ZAHLEN NICHT Dr. Cathrin Klingsöhr-Leroy, Direktorin Franz Marc Museum (Mitte), moderierte das Gespräch zwischen der international WIDER UND DIE PRÄSENZ gefeierten Malerin Karin Kneffel (links) und der Kunsthistorikerin Christiane Lange (rechts). VON KÜNSTLERINNEN AUF INTERNATIONALEN BIENNALEN UND MESSEN NIMMT BESTÄNDIG ZU.“ verkauften Werke liegt: Unsere subjektive Wahrnehmung spiegelt diese Zahlen nicht wider und die Präsenz von Künstlerinnen auf internationalen Biennalen und Messen nimmt beständig zu. Mit einer zunehmenden Anzahl an bedeutenden internationalen Museumsausstellungen, den dazugehöri- gen Publikationen und der Vertretung durch große Galerien weltweit hat sich in den letzten Jahren eine subtile Verschiebung in der Dynamik des Marktes vollzogen. Immer mehr Sammler und auch vor allem eine wachsen- de Zahl finanziell unabhängiger Sammlerinnen setzt auf das Potenzial der Kunst von Frauen. In dem (vor der Pandemie) bis auf den letzten Platz besetzten Aukti- onssaal von KARL & FABER hatten im Frühjahr 2020 die Leiterin des Franz Marc Museums Dr. Cathrin Klingsöhr-Leroy, die Kunsthistorikerin Christiane Lange und die Malerin Karin Kneffel über eines ihrer im Franz Marc Museum zentral präsentierten großformatigen Werke diskutiert. Es ging um Malerei, die Auseinandersetzung mit kunsthistorischen Traditionen und internatio- Caroline Klapp M. A. ist Expertin für zeitgenössische Kunst, seit Anfang 2017 nale Erfolge, die Karin Kneffel als Künstlerin aktuell feiert. Unser Haus führte bei KARL & FABER. Davor war sie über sechs Jahre Direktorin der Galerie die Fokussierung auf die Kunst von Frauen mit einem eigenen Kapitel fort, Karl Pfefferle in München. Sie schreibt über aktuelle Themen der zeitgenös- das wir im Katalog unserer Herbstauktion herausragenden Positionen femi- sischen Kunst unter anderem regelmäßig für FRESKO, das Kunst- und Kul- nistischer Kunst widmen konnten. Die Verkaufsquote lag bei über 90 %. turmagazin des Münchner Merkur. KARL & FABER konnte 2020 im Bereich der Zeitgenössischen Kunst für GEORGE RICKEY © VG BILD-KUNST, BONN 2021 Werke von Jorinde Voigt, Carla Accardi, Katharina Grosse und Kiki Smith 1 ArtnetNews: Bidders at the three big Auction houses are overwhelmingly male, Dec 2, 2020 2 Ausst.Kat.: Woman of Abstract Expressionism, Denver Art Museum and Yale University, 2016, S. 153 internationale Rekordpreise erzielen und verkaufte damit mehr Kunst von 3 Ausst.Kat. Abstract Expressionism, Royal Academy of Arts, London 2017, S. 15 Frauen als jemals in seiner Firmengeschichte zuvor. Eine höchst erfreuliche 4 Ausst.Kat.: Woman of Abstract Expressionism, Denver Art Museum and Yale University, 2016, S. 69 Tendenz, die wir in Zukunft gerne fortsetzen. * Patti Smith, 2000 56 Titelthema Glitter in Their Eyes 57
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