Zuschnitt 71 Wohnbau mit System - Mehrgeschossige Wohnbauten in Holz ergeben Sinn, haben System und zeichnen sich durch hohe Wohnqualität aus ...

 
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Zuschnitt Zeitschrift über Holz als Werkstoff und Werke in Holz   September 2018 Nr. 71 | 18. Jahrgang | Euro 8 | isbn 978-3-902926-29-6   proHolz Austria

                                     zuschnitt 71
                                      Wohnbau mit System
                                      Mehrgeschossige Wohnbauten in Holz
                                      ergeben Sinn, haben System und zeichnen
                                      sich durch hohe Wohnqualität aus.
Inhalt                         Seite 3                         Themenschwerpunkt
                                                                                                 Editorial
                                                                  Zuschnitt 71.2018              Text Anne Isopp                 Seite 6 – 7
                                                                                                 Seite 4                         Bewährte Holzbausysteme
                                                                                                 Essay                           für den mehrgeschossigen
                                                                                                 Vorfertigung, Serie, Standard   Wohnbau
                                                                                                 Text Bettina Götz und           Text Stefan Krötsch
                                                                                                 Richard Manahl                  Seite 8 – 9
                                                                                                                                 Mehr Nutzfläche durch
                                                                                                                                 dünnere Außenwände
                                                                                                                                 Wohnbau in Graz
                                                                                                                                 Text Anne Isopp

Zuschnitt 72.2018 Das Ornament – erscheint im Dezember 2018

Ein Ornament ist ein sich meist wiederholendes, oft abstraktes Muster
mit symbolischer Funktion. Ist Holz nicht an sich schon ornamental?
Man schaue sich nur die Maserungen an und bedenke, in welches andere
Material man so leicht jegliches Muster fräsen kann. Im Bundwerk sind
die einzelnen Balken so kunstvoll miteinander verwoben, dass die Kon-
struktion selbst zum Ornament wird. Wir machen uns auf die S­ uche nach
dem Ornament im Holz.

Titelbild                          Impressum                        Offenlegung nach § 25        Redaktionsteam                  Fotografien
Wohnhaus am Dantebad,              Medieninhaber und                Mediengesetz                 Anne Isopp (Leitung)            Stefan Müller-Naumann s. 1, 16, 19
München                            Heraus­geber                     Arbeitsgemeinschaft der      Martina Zuzanakova              Marc Lins s. 2
                                   proHolz Austria                  österreichischen Holzwirt-   (Assistenz)                     Iwan Baan s. 5
Zuschnitt                         Arbeitsgemeinschaft der           schaft nach Wirtschafts­     Kurt Zweifel                    Atlas Mehrgeschossiger Holzbau,
issn 1608-9642                     ös­t erreichischen Holzwirt-     kammergesetz (wkg § 16)      redaktion @ zuschnitt.at        Detail Business Information GmbH,
Zuschnitt 71                       schaft zur Förderung der                                                                      München 2017 s. 6
isbn 978-3-902926-29-6            ­A nwendung von Holz              Ordentliche Mitglieder       Lektorat                        Pierer.net Photography s. 9
                                   Obmann Christoph Kulterer        Fachverband der Holz­-       Esther Pirchner, Innsbruck      Wilmar König s. 10 li.
www.zuschnitt.at
                                   Geschäftsführer                  indus­t rie Österreichs                                      paul ott photographiert s. 10  M.
Zuschnitt erscheint viertel­       Georg Binder                     Bundesgremium des Holz-      Gestaltung                      Günter Richard Wett s. 10 re.
jährlich, Auflage 12.000 Stk.      Projektleitung Zuschnitt         und Baustoffhandels          Atelier Andrea Gassner,         Pez Hejduk s. 11
Einzelheft euro 8                  Kurt Zweifel                                                  Feldkirch; Andrea Gassner,      Daniel Shearing s. 13
Preis inkl. USt., exkl. Versand    A-1030 Wien                      Fördernde Mitglieder         Reinhard Gassner,               gewoba s. 14
                                   Am Heumarkt 12                   Präsidentenkonferenz der     Marcel Bachmann                 Nikolai Wolff, Fotoetage s. 15
                                  T +43 (0)1 ⁄ 712 04 74            Landwirtschaftskammern                                       Sebastian Schels s. 17 o.
                                   info @ proholz.at                Österreichs                  Druck                           Quirin Leppert s. 17 u.
                                   www.proholz.at                   Bundesinnung der Zimmer-     Grasl FairPrint, Bad Vöslau     Claudia Luperto s. 20, 21, 22, 23
                                                                    meister, der Tischler und    gesetzt in Foundry Journal      Tomaz Gregoric s. 25
                                  Copyright 2018 bei proHolz        andere Interessenverbände    auf GardaPat 13 Kiara           Gabriele Kaiser s. 27
                                  Austria und den AutorInnen        der Holzwirtschaft                                           Bildrecht, Wien⁄ Wolfgang
                                  Die Zeitschrift und alle in                                    Bestellung⁄ Aboverwaltung       Günzel s. 28
                                  ihr enthaltenen Beiträge          Editorialboard               proHolz Austria
                                  und Abbildungen sind ­            Reinhard Gassner, Schlins    info @ proholz.at
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                                  und strafbar.
Seite 10 – 11                 Seite 12 – 13                  Seite 16 – 17               Seite 20 – 23                     Seite 25
„Das System darf nicht die    Mit der Erfahrung kommt        Münchener Wohnungsbau­      Eine Baustelle – zwei Systeme –   Seitenware
Freiheit und Lockerheit der    die Materialeffizienz         sofortprogramm              neun Häuser                       proHolz Masterclass 2018
Gestaltung beeinträchtigen“    Von Murray Grove bis          Immer wieder Holzbau        Suurstoffi in Risch-Rotkreuz      Text Uroš Rustja
Im Gespräch mit dem Holz-     ­Dalston Lane                  Text Roland Pawlitschko     Text Hubertus Adam                Seite 26 – 27
baupionier Hubert Rieß         Text Oliver Lowenstein        Seite 18 – 19               Seite 24                          Wald – Holz – Klima
Text Markus Bogensberger       Seite 14 – 15                 Installationssysteme für    Wohnbau in Serie                  Bäume im Trockenstress
                              Ein Tragwerk für 22 mögliche   den mehrgeschossigen        Begriffe und Initiativen          Text Alois Pumhösel
                              Grundrisstypen                 Wohnbau in Holz             Text Anne Isopp                   Seite 28

                                                                                                                                                      Editorial
                              Bremer Punkthäuser gehen       Sechs Grundprinzipien       Literatur                         Holz(an)stoß

                                                                                                                                                      Inhalt
                              in Serie                                                                                     Thomas Bayrle
                              Text Kerstin Kuhnekath                                                                       Text Stefan Tasch

                                                                                                                                                      2
                                                                                                                                                      3   zuschnitt 71.2018
Editorial

Anne Isopp

In diesem Zuschnitt geht es, vereinfacht gesagt, um mehrge-                struktive Möglichkeiten gibt, zeigen wir jene Lösungen, die sich
schossige Wohnbauten in Holz. Dabei kommen viele Gedanken-                 bewährt haben und auf die holzbauerfahrene Architekten und
stränge zusammen und es gilt, diese zu einem roten Faden                   Tragwerksplaner gerne zurückgreifen. Dem Bewährten gegenüber
miteinander zu verweben. Anlass für dieses Heft ist der große              steht die Angst vor der Routine, die Angst vor der Banalität, bei
­Bedarf an leistbarem Wohnraum. In vielen europäischen Städten             der die Qualität dem Effizienzgedanken weicht. Auch diese Angst
 ist die Nachfrage viel höher als das Angebot, sodass Politik und          wollen wir nehmen, denn es ist beides möglich: Wohnhäuser effi-
 Wohnungswirtschaft in den kommenden Jahren viele, viele neue               zient und nach einem bewährten System zu errichten, daraus
 Wohnbauten errichten müssen. Der Holzbau bietet neben den                 ­individuelle Lösungen zu entwickeln und nicht auf Qualität zu
 gewohnten Qualitäten die Möglichkeit der seriellen Fertigung               verzichten. Denn wer auf Bewährtes zurückgreift, kann sich aufs
 und der hohen Vorfertigung, die ein rasches und für die Anrainer           Wesentliche konzentrieren. Serielle, industrialisierte Baumethoden
 störungsarmes Bauen möglich macht. Wir folgen dem Strang der               lassen wirtschaftliche und architektonisch hochwertige Lösungen
 technischen Möglichkeiten und verbinden ihn mit dem Strang                 zu. Genau hier liegt eine Chance für den Holzbau und für den
 der bewährten Herangehensweisen. Da es im Holzbau viele kon-               Wohnbau. In Wahrheit sind die beiden ein gutes Team.

                                                                                                              Edition Wohnbau in Holz
                                                                                                              Die neue Edition liefert zahlreiche
                                                                                                              Argumente, warum es Sinn ergibt,
                                                                                                              mehrgeschossige Wohnbauten in
                                                                                                              Holz zu errichten, und zeigt
                                                                                                             ­gebaute Beispiele.
                                                                                                              Kostenlos zu bestellen unter:
                                                                                                              shop.proholz.at

      Wien                              Berlin                                  München
      1,87 Mio.                         3,58 Mio.                                   1,57 Mio.
      2,0 Mio.                          3,83 Mio.                                   1,85 Mio.

13.000                                                                       8.500
Wohnungen⁄ Jahr                                                              Wohnungen⁄ Jahr
davon 9.000 gefördert                   20.000                               davon 2.000 gefördert
                                        Wohnungen⁄ Jahr
                                        davon 5.000 gefördert

Bevölkerungswachstum und Wohnungsbauprogramme
Einwohner in Millionen 2017 und 2035
Geplante Anzahl neuer Wohnungen⁄ Jahr bis 2021
Essay
Vorfertigung, Serie, Standard

Bettina Götz und Richard Manahl

Unser Bauen ist heute mehr denn je geprägt von individueller         In der Stapelung von vorgefertigten Bauteilen, obwohl diskredi-
Formfestlegung bei zugleich standardisierter Nutzung und objekt-     tiert durch die massenhaften Betonplattenbauten der 1950er
bezogener Vor-Ort-Herstellung. Der Wunsch der Benutzer nach          Jahre und danach, die keinerlei Spielräume für Gestaltung oder
räumlich großzügigen Bauten mit geringer Vorprägung der Nut-         Raumanspruch ermöglichen, sollte trotzdem der Weg zu einer
 zungsart würde jedoch vielmehr einen zeitgemäßen und adäquaten      neuen und brauchbaren Einfachheit zu finden sein: durch das
 Umgang mit den heutigen Möglichkeiten der Produktion benöti-        Übereinanderstellen vorgefertigter Holzmodule, die – räumlich
gen, nämlich der Herstellbarkeit von hochwertigen, vorgefertigten    und lastabtragend mit Infrastruktur ausgestattet – autonom
und damit schnell montierbaren Raumstrukturen.                       funktionieren können, oder durch eine Stapelung von vorgefertig-
 Unsere beliebtesten städtischen Wohnformen sind nach wie vor        ten Decks, freien Flächen, die dann einen Ausbau mit einfachen,
 die gründerzeitlichen Spekulationsbauten. Für ihre Zeit waren sie   nicht lastabtragenden und brandanspruchslosen Bauelementen
 hochgradig standardisierte, nutzungsoffen konzipierte Bauten        ermöglichen und somit wiederum den Einsatz vorgefertigter
 mit großer Raumhöhe und großzügiger Erschließung. Meist nur         Holzelemente erlauben.
 eingeschränkt durch Fenster- und Kaminwand weisen die in Bezug      Während das einfache Aufeinanderstapeln gleicher Einheiten
 auf ihre Verwendung nicht vorgegebenen straßenseitigen Räume        dicht an dicht fast zwangsläufig zu Monotonie nicht unähnlich
 einen hohen Freiheitsgrad in Längsrichtung auf und werden           dem Plattenbau führen wird (schon der dabei verwendete Begriff
 hofseitig begleitet von den jeweils zugehörigen Funktionsräumen.    der „Raumzelle“ ist entlarvend), sind beim offenen Deck mit
 Damit wurden, auch unter Berücksichtigung aller hier nicht er-      ­f reier Füllung Varianz und Leerstelle Programm. Durch die Ver-
 wähnten Problematiken, im 19. Jahrhundert unsere Städte nach-           wendung von Boxen als Trag- und Infrastruktur mit dazwischen
 haltig erweitert. Einer der wesentlichen Faktoren dafür, dass das       eingehängten einfachen Deckenelementen für ergänzende,
 funktioniert, ist die grundsätzliche Offenheit der Strukturen im     ­nutzungsneutrale Räume könnten solche Varianzen auf ähnliche
 vorvorigen Jahrhundert, insofern als eine Raumwidmung „Zimmer“        Art auch bei den gestapelten Schachteln erreicht werden.
 in Wien vor 1930 z. B. sowohl Wohn- als auch Geschäftsräume           Für eine spätere Um- und Weiternutzung bleiben eben die schon
 umfasste, eben weil sowohl Raumhöhe als auch Raumzuschnitte           ­erwähnten Voraussetzungen wie großzügige Raumhöhe und
 dementsprechend neutral gehalten waren. Vor der gleichen Frage      einfache Veränderbarkeit des Inneren wesentliche Grundbedin-
 zur Erweiterung der Stadt stehen wir heute wieder, mit der klaren   gung.
 Erkenntnis, dass diese Offenheit in keiner Weise mehr zugelassen    Einer der wenigen Beiträge in der Hauptausstellung der diesjäh-
 ist – sowohl in der Stadterweiterung des 20. als auch des bishe-    rigen Biennale, der sich mit Wohnungsbau oder Vorfertigung
rigen 21. Jahrhunderts.                                                 ­beschäftigt, ist ein Projekt von Michael Maltzan in Los Angeles.
Das 20. Jahrhundert fand im großmaßstäblichen Wohnungsbau                Das Projekt zeigt exemplarisch Möglichkeiten und zugleich auch
auch bei der Thematik der Vorfertigung bedauerlicherweise zu             Grenzen der gestapelten Schachteln auf: Über einer frei ge-
keinen nachhaltigen Lösungen. So blieben die innovativsten               formten, mehrgeschossigen Topografie aus Ortbeton, unter der
­Anstrengungen, das Bauen auf intelligente Weise mithilfe einer          in Bezug zum Straßenniveau allgemeine städtische Funktionen
 neuen Technologie zu standardisieren, fast ausschließlich auf           zu finden sind, werden die vorgefertigten hölzernen Boxen zu
 kleine oder kleinteilige Objekte beschränkt: auf Einfamilienhäu-        nachbarschaftlich zusammengefassten Cluster-Türmchen aufge-
 ser wie die Case Study Houses oder die ikonischen Objekte von           stapelt und schaffen es so, zu einer merk- und identifizierbaren
 Fuller oder Prouvé. Und so sehr sich am Anfang des Jahrhunderts         stadträumlichen Figur mit innenräumlichen Qualitäten auch im
 die Fünf Punkte zu einer neuen Architektur von Le Corbusier auf         Bereich der seriellen, gestapelten Raumzellen zu werden.
 eine Neudefinition des architektonischen Denkens auswirkten,
 für eine standardisierte, vorgefertigte Bauweise waren sie nicht
                                                                     Bettina Götz und Richard Manahl führen zusammen das Büro artec Archi-
 gedacht. Schlussendlich triumphierte im Osten wie im Westen         tekten in Wien. Bettina Götz ist zudem Professorin für Entwerfen und Baukon-
 die anspruchslose vorgefertigte Betonplatte, wahlweise auch mit     struktion an der Universität der Künste in Berlin. 2018 erschien bei Park Books
 Fenster- oder Türloch und einer Raumhöhe von 2,5 Metern.            ein Buch zur Arbeitsweise von artec Architekten.

                                                                                                       Wohnungen für ehemalige Obdachlose in Los Angeles:
                                                                                                         Auf einer Betonplattform stapeln sich vorgefertigte
                                                                                                                                     Raummodule aus Holz.
Themenschwerpunkt Wohnbau mit System
Bewährte Holzbausysteme für den mehrgeschossigen Wohnbau

                          vertikale Bauelemente

horizontale Bauelemente                           Rahmenbauwand       Brettsperrholzwand               Skelettbau                     Brettstapelwand

Brettsperrholzdecke

Brettstapeldecke

Holz-Beton-Verbunddecke

Kastendecke

Balkendecke

Bewährte Anwendung im Wohnbau
Mögliche, aber weniger häufige ­Anwendung im Wohnbau
Unter dem Begriff Holzbau ist eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Konstruktionen subsumiert: Von stabförmig bis zu flächig wirkenden Tragwerksteilen gibt es
­f ließende Übergänge. Bauteile im Wohnbau können ebenso als Leichtbau- wie als Massivholz­e lemente ausgeführt werden. Außerdem sind Hybridkonstruk­t ionen
 aus Holz und Beton oder Holz und Stahl üblich.
Wohnbau mit System
Stefan Krötsch

 Generell eignet sich Holz für den Wohnbau sehr gut, denn Wohnungsgrundrisse                          Gängige Deckensysteme

                                                                                                                                                        6
                                                                                                                                                        7
e­ rlauben durch meist geringe Deckenspannweiten und Wände als lineare Auflager                       Als Geschossdecken werden häufig Mas-
 sehr wirtschaftliche Konstruktionen, wenn sie diszipliniert geplant sind. ­Außerdem                  sivholzdecken aus Brettsperrholz- oder

                                                                                                                                                        zuschnitt 71.2018
lassen sich hochwärmegedämmte Gebäudehüllen – die im Wohnbau eine wich­                               Brettstapelelementen verwendet, die sich
 tigere Rolle spielen als bei anderen Bauaufgaben – robust, raumsparend und kosten-                   geometrisch und konstruktiv einfach fügen
günstig um­setzen. Auch die Gebäudehöhe von Holzbauten stellt keine ernsthafte                        lassen und im Vergleich mit filigranen
 ­Beschränkung mehr dar, nachdem sich die Gesetzgebung verändert und die Bautech-                     ­Deckenkonstruktionen in der Regel einen
  nik in den letzten Jahren rasant entwickelt hat.                                                     schlankeren und hohlraumfreien Decken-
                                                                                                       aufbau ermöglichen. Denn die Anforde-
                                                                                                       rungen an Brand- und Schallschutz sowie
                                                                                                       die Reduktion des Schwingungsverhaltens
Allgemeine Standardausführungen, wie sie               Mischbauweisen                                  lassen sich dabei mit sehr einfachen Maß-
vom Bauen mit mineralischen Baustoffen                 Im deutschsprachigen Raum scheint sich          nahmen umsetzen. Durchlaufträ­gerwir­kun­
bekannt sind, haben sich im Holzbau noch               dagegen eine Kombination von Außenwän-          gen über Trennwände hinweg ­werden der
nicht etabliert. Viele mehrgeschossige                 den aus Rahmenbauelementen (= Tafelbau)         Flankenschallübertragung ­wegen meist
Wohngebäude aus Holz sind nach wie vor                 und Massivholzdecken zu etablieren, die        vermieden. Bei größeren Spann­weiten kön-
Prototypen. Trotz großer Vielfalt lassen             mit unterschiedlichen Arten von Innen-           nen Massivholzdecken mit Aufbeton als
sich aber für den mehrgeschossigen Woh-              wänden kombiniert werden. Rahmenbau-             Verbundkonstruktion ausgeführt werden.
bau Konstruktionen identifizieren, die sich          wände sind nicht nur sehr materialeffizient
zu bewähren scheinen.                                in der Lastabtragung, sondern können               Raumzellenbauweise
                                                     auch sehr kostengünstig hochwärme­                 Inzwischen gibt es einige Beispiele von
Brettsperrholzkonstruktionen                         dämmend ausgeführt werden. Außerdem                Wohnheimen in Deutschland und Öster­
Einige internationale Projekte aus den               ermöglichen sie eine weitgehende Vorfer-         reich, die aus vorgefertigten Raumzellen
letzten Jahren sind relativ sortenreine              tigung im Werk, einschließlich der Fenster       ­gefügt sind. Offenbar kompensiert die
Konstruktionen mit Außen- und Innenwän­              und der Fassadenbekleidung. Das hoch-             ­r ationalisierte, industrieähnliche Fertigung
den sowie Decken aus Brettsperrholz­                 komplexe Bauteil Außenwand und kompli-             Nachteile aus großem Transportvolumen
elementen. Die Verbindungen und Decken-              zierte Anschlussdetails können damit               oder aus der Herstellung doppelter Bau-
auflager sind meist linear, geometrisch              ­unter optimalen Bedingungen besonders             teile, wenn die Bauaufgabe auf einem
schlicht und großteils als simple Ver-                zuverlässig hergestellt werden. Allerdings        großen Wiederholungsfaktor basiert. In
schraubungen ausgeführt. Mit vorgefer­                können ­Rahmenbauwände nicht in her-              Schweden ermöglicht die Serienfertigung
tigten Elementen lässt sich schnell der                kömmlicher Form verwendet werden,                bereits die Herstellung von gewöhnlichen
Rohbau des Gebäudes herstellen. Je nach                wenn sie Gebäude mit mehr als drei oder          Wohnungsgrundrissen aus Raumzellen
Anforderungen können Wände und De-                     vier Geschossen tragen sollen, denn die          zu konkurrenzfähigen Konditionen. Und
cken sichtbar bleiben oder direkt beplankt             Querholzpressungen von Rähm und                  im Gegensatz zum konventionellen Bauen
werden, sodass die Konstruktion weitge-                Schwelle hätten zu starke Setzungen zur          lässt jede Volumensteigerung hier deut-
hend hohlraumfrei ausgeführt werden                    Folge. In der Schweiz werden daher seit          liche Rationalisierungsvorteile erwarten.
kann. Diese Bauart ermöglicht eine relativ             einiger Zeit Rahmenbauwände eingesetzt,
standardisierte Planung, industrielle Ferti-           deren Ständer über die gesamte Höhe der        Einfach statt banal
gung und unkomplizierte Montage. Die                   Wand durchlaufen und Lasten über Hirn-         Holz ist ein äußerst vielseitiger Baustoff
meisten Beispiele finden sich daher in                 holzkontakt in die Ständer darüber- und        und darüber hinaus ein Sympathieträger.
Ländern ohne handwerkliche Holzbautra-                 darunterliegender Wände übertragen.            Seine natürliche Materialität wird als
dition. Nachteilig sind der ­hohe Holzbe-             ­Außerdem können einzelne Ständer durch         ­authentisch, gesund und hochwertig emp-
darf und die Einschränkungen im Vorferti-              Stützen stärkeren Querschnitts ersetzt          funden. In einer Zeit, in der die Qualität
gungsgrad, der selten über den Rohbau                  werden, um punktuell hohe Lasten abzu-          kostengünstigen Wohnens zu einer immer
hinausgeht.                                            tragen. So kann die Flexibilität von Ske-       drängenderen sozialen Frage wird, kann
                                                       lettbauten mit dem hohen Vorfertigungs-         die Sinnlichkeit von Holz den Unterschied
                                                       grad von Rahmenbaukonstruktionen                zwischen Einfachheit und Banalität aus-
                                                       kombiniert werden.                              machen.

Stefan Krötsch
Eigenes Architekturbüro in München in Partnerschaft mit Florian Braun. Seit März 2018 Professor für
Baukonstruktion und Entwerfen an der htwg Konstanz. Zusammen mit Hermann Kaufmann und Stefan
Winter Autor des Atlas Mehrgeschossiger Holzbau.
Mehr Nutzfläche durch dünnere Außenwände
                                                                         Wohnbau in Graz

                                                                         Anne Isopp

                                                                         So wie in anderen Städten gibt es auch in Graz viele Familien,
                                                                         Paare und Alleinstehende, die sich auf dem freien Markt nur
                                                                         schwer eine Wohnung leisten können und sich bei der Stadt für
                                                                         eine Gemeindewohnung angemeldet haben – zurzeit gibt es um
                                                                         die tausend Vormerkungen.
                                                                         Auch in Graz ist die Nachfrage nach leistbaren Wohnungen weit
                                                                         größer als das Angebot. Deshalb hat die Stadt nach fast fünfzig
                                                                         Jahren wieder begonnen, selbst Gemeindewohnbauten zu errich-
                                                                         ten. Das erste Projekt wird gerade umgesetzt. Zudem werden
                                                                         nach wie vor sogenannte Übertragungswohnbauten errichtet,
                                                                         bei denen einem gemeinnützigen Wohnbauträger Grundstücke
Geschossdecke – Brettsperrholz      Parkett 10 mm                        zur ­Verfügung gestellt werden. Dieser errichtet und verwaltet
Deckenstärke 48,3 cm
                                    Estrich 60 mm                        dort geförderte Mietwohnungen, welche nach dem Ende der Bau-
                                    pe-Folie
Brandschutz R 60
                                    Trittschalldämmung 30 mm
                                                                         rechtszeit, etwa nach achtzig Jahren, ins Eigentum die Stadt Graz
Schallschutz 46 dB (Trittschall),
                                    Trittschalldämmung 50 mm             übertragen werden. Die Zuweisung an die Mieter erfolgt immer
60 dB (Luftschall)
                                    Splittschüttung 60 mm                durch die Stadt Graz.
                                    pe-Folie
                                                                         Um einen solchen Übertragungswohnbau handelt es sich auch
                                    Brettsperrholz 200 mm
                                    Mineralwolle 60 mm                   beim Gebäude in der Max-Mell-Allee am Rosenhain in Graz,
                                    Gipskarton 12,5 mm                   einem gutbürgerlichen Viertel. Hier entstanden 38 Wohnungen
                                                                         auf einem Grundstück der Stadt Graz. Gebaut und ­verwaltet wird
                                                                         es von einem gemeinnützigen Wohnbauträger. Das Grundstück
                                                                         liegt, umgeben von viel Grün, etwas abseits von der Hauptstraße
                                                                         und grenzt an ein Studenten- und ein Pflegeheim. Der Bauträger
                                                                         forderte schon im Wettbewerb ein Gebäude in Holzbauweise,
                                                                         aus Gründen der Ökologie und der schnelleren Verfügbarkeit.
                                                                         Nussmüller Architekten, die schon viel Erfahrung im Wohnbau
                                                                         und im Holzbau haben, ­gewannen den Wettbewerb. Die Kubatur
                                                                         des Gebäudes folgt der dreieckigen Grundstücksform. Man
                                                                         ­nähert sich dem Gebäude auf der leicht ansteigenden Allee und
                                                                          steht dann vor dem massiven Sockel mit Tiefgarage, über dem
                                                                          sich ein zart konstruierter, viergeschossiger Holzbau erhebt.
                                                                          ­Umlaufende Balkone und ein in unregelmäßigen Abständen ver-
                                                                         setzter Lattenschirm gliedern die Fassade. Der ­Zugang zu den
                                                                         Wohnungen erfolgt über ein Atrium.

                                                                         Gefordert war ein wirtschaftliches Konstruktionssystem
                                                                         Im Wettbewerb wurde ein wirtschaftliches und materialgerechtes
                                                                         Konstruktionssystem gefordert. „Die Wirtschaftlichkeit liegt in
Wohnungstrennwand – tragend            Außenwand – nicht tragend         der Regelmäßigkeit“, sagt Tragwerksplaner Josef Koppelhuber.
Wandstärke 22,5 cm                                Wandstärke 38,2 cm     „Ein regelmäßiger Grundriss erlaubt eine wirtschaftliche Konstruk-
Brandschutz R 60                                    Brandschutz R 60     tion. Dieses Vieleck ist wirtschaftlich nicht günstig, weil es für
Schallschutz 61 dB                                 Schallschutz 50 dB
                                                                         alle mehr Aufwand bedeutete. Aber es ist natürlich sehr sinnvoll
Gipskarton 12,5 mm                               Holzschalung 24 mm      für dieses Grundstück, weil es dieses optimal ausnutzt“, so
Mineralwolle 50 mm                               Hinterlüftung 90 mm
                                                                         ­Koppelhuber, den die dreieckige Gebäudeform mit den drei jeweils
Brettsperrholz 100 mm                                   Winddichtung
Trittschalldämmung 30 mm                       Gipsfaserplatte 12,5 mm    geknickten Schenkeln und dem Loch in der Mitte an einen Wankel-
Brettsperrholz 100 mm                              Holzriegel 180 mm,     motor erinnert.
Mineralwolle 50 mm                         dazwischen Mineralwolle        Die Wohnungen sind sternförmig um das zentrale Atrium ange-
Gipskarton 12,5 mm                             Gipsfaserplatte 12,5 mm
                                                              pe-Folie
                                                                          ordnet. Die ursprüngliche Planung sah eine reine Brettsperrholz-
                                                  Mineralwolle 50 mm      bauweise vor. Das Holzbauunternehmen aber schlug aus ökono-
                                                   Gipskarton 12,5 mm     mischen Gründen Außenwände in Holzrahmenbauweise vor.
                                                                          Mit der geringeren Dicke der Holzrahmenbauwände konnten noch
                                                                          einmal rundherum 8 cm geförderte Nutzfläche gewonnen werden.
                                                                         Die Innenwände und Decken sind in Brettsperrholz ausgeführt,
                                                                         das Stiegenhaus in Stahl­beton. „Man muss nicht alles aus einem
                                                                         Material bauen, sondern sollte die Bauweisen dort einsetzen, wo
                                                                         sie sinnvoll sind“, sagt Projektleiter Jakob Kocher. Tragwerksplaner
Wohnbau mit System
                                                                                                                                                        9
                                                                                                                                                        8
                                                                                                                                                        zuschnitt 71.2018
Koppelhuber hingegen war davon weniger begeistert: Die                              Der Wohnqualität im Inneren tut das keinen Abbruch. Hier wur-
Schwierigkeit bei der Kombination ist das unterschiedliche Setz-                    den teilweise die tragenden Brettsperrholzwände sichtbar belas-
maß. Um bis zu 5 mm pro ­Geschoss setzen sich die Holzrahmen-                       sen und nur dort, wo die Schall- und Brandschutzanforderungen
bauwände mehr als die Brett­sperrholzplatten, und das muss in                       es erforderten, mit Gipskarton verkleidet. Die Decken wurden
der Detaillierung entsprechend beachtet werden. Für Josef                            hingegen alle aus Kosten- und Schallschutzgründen mit Gipskar-
­Koppelhuber sind bis zu vier Geschosse in einer solchen Misch-                      ton verkleidet. Bei den ebenfalls von Nussmüller Architekten ge-
 bauweise vertretbar, darüber hinaus aber würde er davon abra-                       planten frei finanzierten Holzwohnbauten in Reininghaus wurden
 ten. Generell bevorzugt er eine reine Brett­sperrholzbauweise.                      die tragenden Massivholzdecken sichtbar belassen, erzählt Stefan
                                                                                     Nussmüller. Dafür sei aber der Fußbodenaufbau aufwändiger und
 Unterschiede im geförderten und frei finanzierten Wohnbau                           damit auch teurer. Dies war bei diesem Wohnbau in der Max-
 So elegant das äußere Erscheinungsbild dieses Wohnbaus ist,                         Mell-Allee nicht möglich. Die maximale Gesamtbruttomiete liegt
 so ungelenk wirkt dagegen das Atrium. Ursprünglich sollten auch                     hier bei 8 Euro pro Quadratmeter. Die Stadt Graz will das Image
 hier die einzelnen Zugangsebenen wie bei den äußeren, umlau-                        des Gemeindewohnbaus verbessern und allen betroffenen
 fenden Balkonen aus Brettsperrholzplatten, die von einer Form-                     ­Bevölkerungsschichten schmackhaft machen. Dies dürfte ihr mit
 rohrkonstruktion getragen werden, ausgeführt werden. Im Zuge                        diesem Bau gelingen.
 von Einsparungsmaßnahmen schwenkte man dann auf eine
­Betonkonstruktion um. Diese ist jedoch weder schön detailliert
 noch sauber ausgeführt.

Standort Max-Mell-Allee 6, Graz⁄ A
Bauherr Gem. Wohn- u. Siedlungsgenossenschaft Ennstal reg. Gen.m.b.H., Liezen⁄ A,
www.wohnbaugruppe.at
Planung Nussmüller Architekten, Graz⁄ A, www.nussmueller.at
Statik Dipl.-Ing. Josef Koppelhuber, Rottenmann⁄ A, www.koppelhuber.at
Holzbau Strobl Bau, Weiz⁄ A, www.strobl.at
Fertigstellung 2018
Anzahl Wohnungen 38 (gefördert)
Nettonutzfläche 2.500 m2                                                                                           5m
„Das System darf nicht die Freiheit und
­Lockerheit der Gestaltung beeinträchtigen“
Im Gespräch mit dem Holzbaupionier
Hubert Rieß

Markus Bogensberger

Vor etwas mehr als zehn Jahren erschien das mittlerweile nur mehr antiquarisch er-
hältliche Buch „Rieß wood3 – modulare Holzbausysteme“, in dem ein Überblick über
die Arbeiten von Architekt Hubert Rieß im Bereich Holzbau vermittelt wurde.
Der Schwerpunkt dieser Publikation lag in der Beschäftigung mit den Potenzialen von
modularer Vorfertigung für den Geschossbau und vor allem im Bereich des Wohn-
baus. Hubert Rieß hat diesbezüglich eine Vorreiterrolle eingenommen und sowohl
technische als auch soziale, städtebauliche und vor allem architektonische Aspekte
in seine Projekte und Überlegungen einbezogen. Einen wesentlichen Beitrag in die-
sem Buch stellt ein nach wie vor sehr lesenswertes Gespräch über die Verwendung
von Holz im Geschossbau von Hubert Rieß mit Otto Kapfinger und Ulrich Wieder
dar. Das folgende Interview knüpft an die damaligen Aussagen des österreichischen
Holzbaupioniers an.

                                                 physiker verfügbar waren, die die entspre-     Die damaligen Herausforderungen waren
                                                 chenden Expertisen für Holzkonstruktionen      oft sehr grundsätzlicher Natur. Die ausfüh-
                                                 erstellen konnten. Man konnte zu dieser        renden Firmen entstammten oft einem
                                                 Zeit noch nicht auf die Erfahrungen einer      Zimmereibetrieb und mussten sich erst an
                                                 professionellen Holzbauindustrie zurück-       ihre Rolle als Generalunternehmer gewöh-
                                                 greifen, allerdings verlief die Entwicklung    nen. Die anspruchsvolle Logistik und ein-
                                                 in der Folge sehr schnell.                     fach anmutende Aufgaben wie der Schutz
                                                 Ein wesentlicher Fortschritt wurde durch       der Rohbauten vor Regen führten immer
                                                 das Modellvorhaben „Mietwohnungen in           wieder zu folgenreichen Komplikationen.
                                                 Holzsystembauweise“ Anfang der 1990er
                                                 Jahre in Bayern erzielt. Man hat sich
                                                 ­damals dazu entschlossen, Unterkünfte in
                                                  Holz-Systembau zu errichten. Dafür waren
Zeltweg (1989)                                    mehrere Gründe ausschlaggebend, etwa
                                                  die Ökologisierung des Bauens, die Stär-
Markus Bogensberger: Das Architekturbüro          kung der bayerischen Holzindustrie, aber
Rieß gilt als einer der Pioniere im Holz-         vor allem die erwartete Geschwindigkeit
Geschossbau. Wie ist es zu dieser Positio-        der Umsetzung, weil innerhalb kurzer Zeit
nierung gekommen?                                 eine große Anzahl an Wohnungen für
Herbert Rieß: In der Anfangsphase unserer         Menschen aus den ehemaligen Ländern
Auseinandersetzung mit dem Werkstoff              des Ostblocks errichtet werden musste.
Holz waren kaum taugliche Bauordnungen            Unser Büro wurde damals eingeladen,
und wenige Erfahrungen vorhanden. So              ein Pilotprojekt in Schwabach bei Nürnberg
wurde im Rahmen des experimentellen               zu realisieren. Wir haben in der Folge wei-
Wohnbauprogramms „Modell Steiermark“              tere Projekte in Bayern umsetzen können,
1985 der erste Wohnbauwettbewerb in Holz­         und besonders unser Wohnbau in Wald­          Grünangersiedlung in Graz (1999)
bauweise für ein Projekt in Zeltweg aus­          kraiburg ist auf hohe Resonanz in der Fach­
geschrieben. Die damaligen Vorschriften           welt gestoßen.                                Die Projekte in Bayern stellten auch einen
haben allerdings ein solches Gebäude noch                                                       Impuls für den Holzbau in Österreich dar.
gar nicht zugelassen.                                                                           Es fanden zahlreiche Exkursionen zu
Die Geschossdecken und das Erdgeschoss                                                          ­diesen Bauten statt und das Interesse von
mussten damals massiv ausgeführt werden,                                                         PolitikerInnen, BauträgerInnen und auch
weil noch keine Konsulenten und Bau­                                                             ArchitektInnen war geweckt. Vor allem in
                                                                                                 der Steiermark, einem traditionellen Holz-
                                                                                                 land, wurde die Initiative ergriffen.
                                                                                                 So konnten wir in Judenburg ein sehr
                                                                                                 ­gelungenes vier­geschossiges Demonstra-
                                                                                                tiv-Wohnprojekt mit massivem Sockel
Rieß wood – modulare Holzbausysteme.
                                                                                                  ­errichten. In dieser Zeit wurden auch bau-
Entwicklung und Zukunft modularer Systeme⁄           Waldkraiburg⁄ D (1996)
Development and Perspectives in Prefab Systems                                                     physikalische Herausforderungen wie et-
Otto Kapfinger, Ulrich Wieler (Hg.)                                                                wa schalltechnische Fragen behandelt.
Wien-New York 2007
Wohnbau mit System
                                                                                                                                                  10
                                                                                                                                                  11
                                                                                                                                                   zuschnitt 71.2018
Wohnbau in der Spöttelgasse in Wien (2003)

Es folgten zahlreiche weitere Projekte in      Vor etwa zehn Jahren haben sich zahl-         nicht per se ansehen. Das System darf nicht
ganz Österreich. In Wien wurde dann die        reiche ArchitektInnen damit beschäftigt,      die Freiheit und Lockerheit der Gestaltung
Verwendung von Massivholz aus brand-           eigene Holzbausysteme zu entwickeln.          beeinträchtigen. Ich möchte daher anre-
schutztechnischen Gründen gefordert.           Die Art und Wahl des Systems ist aller-       gen, den diesbezüglichen Diskurs verstärkt
Zu dieser Zeit war erstmals Kreuzlagenholz     dings nicht so wesentlich. Bedeutsam          zu führen und auch wieder in Versuchspro-
in Österreich gut verfügbar und dieser         ist vielmehr, dass die Entwürfe den Mög-      jekte zu investieren, um die positive Ent-
Werkstoff hat die Möglichkeiten des Holz-      lichkeiten der mittlerweile sehr leistungs-   wicklung des Geschossbaus in Holz voran-
baus wesentlich erweitert. Mein Büro hat       fähigen Firmen entsprechen und kosten-        zutreiben.
sich in der Folge intensiv mit den Möglich-    günstig und fehlerfrei umgesetzt werden
keiten der Raummodulbauweise ausein­           können.
                                                                                             Markus Bogensberger
andergesetzt. In enger Zusammenarbeit
                                                                                             Geschäftsführer des Haus der Architektur in Graz,
mit dem Bautechnikzentrum der Techni­          Die Schaffung von Wohnraum ist vor            Architekturdiplom an der tu Graz, 2000 bis 2013
schen Universität Graz haben wir für           allem in den Ballungsräumen gegenwärtig       Architekturbüro Supernett, 2006 bis 2012 Universi-
­deren Entwicklung Forschungsförderungs-       ein wichtiges Thema. Welche Rolle können      tätsassistent am Institut für Gebäudelehre der
 mittel lukriert.                              hier Holzbausysteme einnehmen?                tu Graz, Publikationen zu architektonischen und
                                               Momentan herrscht besonders im Wohn-          städtebaulichen Fragestellungen

Welche Erfahrungen sind rückblickend für       bau ein regelrechter Boom. In einer sol-
Sie wesentlich?                                chen Phase ist es wichtig, die kulturellen
Unser Büro hat aufgrund der fehlenden          und architektonischen Aspekte des Bau-
Praxis aller Beteiligten viel Energie inves­   ens nicht aus den Augen zu verlieren.
tieren und auch immer wieder Enttäu-           So gehören auch intelligente und effi­
schungen verkraften müssen. Auch die           ziente Grundrissstrukturen und hohe ge-
­eigene Haltung, Typen nicht mehrfach zu       stalterische Qualität zu unabdingbaren
 errichten und jedes einzelne Projekt          Voraussetzungen für gelungenen Holzbau.
 ­individuell zu planen und zu verbessern,     Aus meiner Sicht sollte man Projekten in
  hat einen hohen Aufwand generiert.           Modulbauweise ihre Konstruktionsweise
Mit der Erfahrung kommt die Materialeffizienz
                                                                       Von Murray Grove bis Dalston Lane

                                                                       Oliver Lowenstein

                                                                       Der Wohnbau in der Dalston Lane ist der neueste und zugleich
                                                                       ambitionierteste Holzbau des Londoner Architekturbüros Waugh
                                                                       Thistleton. Mit seinen 12.500 m2 Wohnfläche und 3.400 m2
                                                                         Büro- und Verkaufsflächen wurde er auf einem schmalen, schwer
                                                                         zugänglichen Grundstück mit einer kleinen Baumannschaft und
                                                                         in kurzer Zeit gebaut. Allein die hohe Vorfertigung führte zu
                                                                       ­einer erheblich geringeren Verkehrs- und Lärmbelastung für den
Geschossdecke – Brettsperrholz     Bodenbelag 17 mm                     Stadtteil. Die Decken sind aus 140 bis 180 mm starken Brett­
Deckenstärke 50 cm
                                   Estrich mit Fußboden-                sperr­holzplatten, die Wände aus 100 bis 160 mm starken Platten.
                                   heizung 50 mm
Brandschutz R 60
                                   pe-Folie
                                                                         Die Gesamtkonstruktion wiegt gerade einmal 3.500 Tonnen.
Schallschutz 50 dB (Luftschall),
                                   Trittschalldämmung 35 mm            Ein Stahlbetonbau hätte im Vergleich dazu bis zu 10.700 Tonnen,
57 dB (Trittschall)
                                   Brettsperrholz 140 – 180 mm          ­also drei Mal so viel gewogen, aber über 35 Prozent weniger
                                   abgehängte Decke mit Dämmung
                                                                         Wohnfläche verfügt.

                                                                       Hinter Backsteinen versteckt
                                                                       Der Wohnbau besteht aus drei Bauteilen mit fünf bis zehn
                                                                       ­Geschossen, liegt etwas zurückversetzt von der Straße und wirkt
                                                                        viel zurückhaltender als die angrenzenden Wohnhochhäuser des
                                                                        Dalston Square. Von den 121 Mietwohnungen sind 15 gefördert,
                                                                        im Erdgeschoss und ­Untergeschoss befinden sich Büro- und Ver-
                                                                       kaufsflächen. Backsteine in drei Rottönen und einem Schwarzton
                                                                       bekleiden die ­Außenfassaden. Sie spiegeln die Bautradition der
                                                                       lokalen vikto­r ianischen Lagerhäuser wider und lassen von der
                                                                       dahinterliegen­den wabenförmigen Tragstruktur aus Holz kaum
                                                                        etwas erahnen. Mit dieser Strategie begegnen Waugh Thistleton
                                                                        seit Jahren der großen Skepsis der Bauträger gegenüber dem
                                                                        Baustoff Holz.
                                                                        Andrew Waugh von Waugh Thistleton, in Großbritannien einer
                                                                        der größten Verfechter der Holzmassivbauweise, überzeugte die
                                                                        Bauträger von Regal London davon, nicht drei Betonturmblöcke
                                                                        mit jeweils zwanzig Geschossen zu bauen, sondern niedrigere
                                                                        ­G ebäude aus Holz, die aber die gleiche Raumdichte aufweisen
                                                                         und zu wettbewerbsfähigen Kosten errichtet werden konnten.
                                                                         „Nur bei zwei unserer zwanzig Holzgebäude wurden wir ausdrück-
Wohnungstrennwand – tragend                    Außenwand – tragend       lich darum gebeten, in Holz zu bauen“, so Waugh. Überhaupt
Wandstärke 20,5 – 24,5 cm                Wandstärke 41,8 – 47,8 cm       sind alle neueren Projekte von Waugh Thistleton wie Gray’s Inn
Brandschutz R 90                                   Brandschutz R 90      Road, King’s Cross oder der Vorort Aubervilliers in ­Paris in ihrer
Schallschutz 62 dB                                Schallschutz 42 dB
                                                                       Höhenentwicklung zurückhaltend. Andrew Waugh kritisierte in den
Gipskarton zweilagig 15 mm                    Ziegelfassade 102,5 mm   letzten Jahren immer schärfer den Bau von Hochhäusern, sei es
Installationsebene 25 mm                 Unterkonstruktion 50 mm
                                                                       aus Holz oder aus anderem Material.
Brettsperrholz 100 – 140 mm                   Kerndämmplatte 110 mm
Installationsebene 25 mm                              Winddichtung
Gipskarton zweilagig 15 mm             Brettsperrholz 100 – 160 mm     Ohne Holzbauerfahrung begonnen
                                         Installationsebene 25 mm      Mit ihrem ersten Wohnbau aus Brettsperrholz, dem achtgeschos-
                                       Gipskarton zweilagig 15 mm
                                                                       sigen Murray Grove (2008), hatten Waugh Thistleton Architects
                                                                       den Weg für den mehrgeschossigen Wohnbau in Holz bereitet.
                                                                       Weltweit entstehen seitdem immer mehr und höhere Holzhäuser.
                                                                       Seit Murray Grove propagiert das Studio – so wie drmm auch –
                                                                       sehr stark das Bauen mit Holz und plädiert für eine Architektur,
                                                                       die auf modernen vorgefertigten Holzwerkstoffen basiert. Aber
                                                                       Waugh und seine Kollegen betonen sogleich, dass sie im Holzbau
                                                                       selbst ohne Erfahrung begonnen haben. Erst durch Murray Grove
                                                                       lernte das damals noch kleine Team im Laufe des Projekts und
Standort Dalston Lane, London⁄ UK
                                                                     Bauherr Regal Homes, London⁄ UK, www.regal-london.co.uk
                                                                     Planung Waugh Thistleton Architects, London⁄ UK, waughthistleton.com
                                                                     Statik Ramboll, London⁄ UK, www.ramboll.co.uk
                                                                     Holzbau B & K Structures, Derby⁄ UK, www.bkstructures.co.uk

                                                                                                                                               Wohnbau mit System
                                                                     Fertigstellung 2017
                                                                     Anzahl Wohnungen 121 (davon 15 geförderte)
                                                                     Nettonutzfläche 12.500 m2

                                                                     5m

                                                                                                                                              12
                                                                                                                                              13
                                                                                                                                               zuschnitt 71.2018
darüber hinaus viel über das Bauen mit Holz. In den folgenden        und ihr Team längst von reinen Brettsperrholzkonstruktionen
Jahren wuchs ihre Expertise rund ums Bauen mit Brettsperrholz        in Richtung hybrider Bauteile bewegt. Heute setzen sie dort,
weiter. Seit einigen Jahren widmen sich Waugh Thistleton voll-       wo es Sinn ergibt, auch andere, passendere und effizientere
kommen dem Holzbau. Damit können sie stärker auf Nachhaltig-         ­Holzfertigprodukte ein, bei ihrem aktuellen Fabrik­gebäude
keit setzen.                                                          ­Leamington Spa Vitsœ sind dies Leimholzträger und ­Buchen­-
                                                                       furnierschichtholz. Man sieht, dass auch Waugh Thistleton nicht
Materialeffizient                                                      auslernen und ihre Expertise mit jedem neuen Projekt weiter
Wie hoch mittlerweile das Holzbauwissen von Waugh Thistleton           wächst.
ist, zeigt sich auch am ausgeklügelten Tragwerk von Dalston
Lane. Im Vergleich zum Wohnbau Murray Grove ist die proto­
                                                                     Oliver Lowenstein
typische Brettsperrholzstruktur viel materialsparender konzipiert.   ist Chefredakteur von Fourth Door Review, einem britischen Kultur- und
Hier werden die Brettsperrholzplatten nach oben hin immer            Ökologiemagazin.
­dünner. Zudem haben sich Andrew Waugh, Anthony Thistleton           www.fourthdoor.co.uk
Ein Tragwerk für 22 mögliche Grundrisstypen
                                                                       Bremer Punkthäuser gehen in Serie

                                                                       Kerstin Kuhnekath

                                                                       Das Thema serieller Wohnungsbau weckt in Deutschland
                                                                       ­gemischte Gefühle. Die einen denken an die Monotonie grauer
                                                                        Plattenbauten der Nachkriegszeit, die vor allem in der ddr aus
                                                                        der Wohnungsnot heraus im Schnellverfahren errichtet wurden.
                                                                        Die anderen sehen darin eine tolle Lösung, um den städtischen
                                                                        Wohnungsmangel schnell in den Griff zu bekommen. Die Angst,
                                                                        dass die Qualität der gebauten Umwelt unter der Serienanferti-
Geschossdecke – Holz-Beton-Verbund                                      gung von Häusern leidet, steht dabei zurecht im Raum.
Deckenstärke 42 cm                 Bodenbelag
(ohne Bodenbelag)                  Zementestrich 70 mm                 Bezahlbar, barrierefrei und flexibel
Brandschutz R 60                   Trittschalldämmung 30 mm
                                                                       Das Projekt Bremer Punkt von lin Architekten aus Berlin hat das
Schallschutz 59 dB (Luftschall),   Dämmung mit
43 dB (Trittschall)                Installationsschicht 60 mm
                                                                       Potenzial, sich als gelungener serieller Wohnungsbau zu
                                   Überbeton 140 mm                    ­bewähren. Der Entwurf ist aus dem Ideenwettbewerb „Unge-
                                   liegendes Brettschichtholz 120 mm   wöhnlich Wohnen“ hervorgegangen, den die Bremer Wohnungs-
                                                                       baugesellschaft gewoba 2011 auslobte. Gesucht wurde eine
                                                                        ­Strategie zur baulichen Erweiterung der Gartenstadt Süd, einer
                                                                         Siedlung aus den späten 1950er Jahren nach Plänen von Max
                                                                         Säume und Günther Hafemann. Die Neubauten sollten als Stadt-
                                                                         bausteine zur Aufwertung der Siedlung beitragen, ohne den
                                                                         ­Bestand zu entwerten – ein Spagat, den lin geschafft haben.
                                                                          ­Ihre Idee ist so simpel wie feinsinnig: In unmittelbarer Nähe zu
                                                                           den Zeilenbauten steht ein viergeschossiger Würfel auf einer
                                                                           Grundfläche von rund 14 mal 14 Metern. Seine Kompaktheit
                                                                           ­erlaubt ihm, sich überall einzufügen. Auch im Inneren ist die
                                                                            Anpassungsfähigkeit wichtig.
                                                                            Der Ergänzungsbau soll heutige Wohnbedürfnisse erfüllen und
                                                                            bezahlbaren, barrierefreien und flexiblen Wohnraum schaffen.
                                                                            Anfang 2017 wurden drei Prototypen, darunter der hier abgebil-
                                                                             dete, fertiggestellt. Die Fassaden erhalten durch unterschiedlich
                                                                             große Fenster und Loggien ihre charakteristische Struktur, die
                                                                            ­Erschließung erfolgt über den Laubengang. In der Folge wurden
                                                                             die Prototypen weiterentwickelt. Für eine bessere Energiebilanz
                                                                             und eine Vergrößerung des Wohnraums verzichtete man auf den
                                                                             Laubengang zugunsten eines innen liegenden Erschließungskerns
                                           Außenwand – tragend               und installierte statt der Loggien Balkone. Die Grundfläche des
                                              Wandstärke 36,6 cm             Würfels ist größer geworden und beeinträchtigt seine Kompakt-
                                                 Brandschutz R 60            heit. Seit Juli wird die optimierte Variante des preisgekrönten
                                                Schallschutz 47 dB
                                                                             Würfels seriell gefertigt.
                                                       Putz 10 mm
                                        Mineralwolllamelle 50 mm
                                            Gipsfaserplatte 18 mm
                                         Holzständer 60 x 240 mm,
                                          dazwischen Mineralfaser
                                                  osb-Platte 15 mm
                                            Gipsfaserplatte 15 mm
                                            Gipsfaserplatte 18 mm
Wohnbau mit System
                                                                                                                                                                          14
                                                                                                                                                                          15
                                                                                                                                                                           zuschnitt 71.2018
                                                                                          Der Prototyp hat Loggien, die optimierte Variante wird Balkone haben.

Ein Tragwerk – 22 Wohnungsgrundrisse
Bei der Konstruktion handelt es sich um einen Hybridbau. Die                              Von hier aus berechnet er für viele mehrgeschossige Holzbauten
Außenwände werden in Holzrahmenbauweise vorgefertigt. Zur                                 in Deutschland die Statik, unter anderem für das Berliner Büro
Gebäudeaussteifung dienen ein Treppenhauskern aus Beton                                   Kaden & Lager. „Die hier gewählte Konstruktion hat sich bewährt“,
­sowie die Decken, die als Holz-Beton-Verbund ausgeführt sind.                            sagt Götz: „ein schmaler Treppenhauskern aus Beton zur Ausstei-
 Die Lasten werden über die Außenwände, den Kern und zwei                                 fung, Stahlträger, die links und rechts vom Kern abgehen und auf
 Stahlträger abgetragen. So entstehen stützenfreie Räume, die                             denen die Hybriddecken ruhen. Die Spannweite sollte nicht
 22 verschiedene Wohnungstypen in Größen von 30 bis 135 m2                                ­größer sein als 6 Meter. Holzrahmenbau für die Außenwände,
 erlauben. Das Tragwerk und die Grundrisskonfigurationen sind                              i­nnen Trockenbau.“ Bei einer Konstruktion nach Baukastenprinzip
 so aufein­ander abgestimmt, dass das immer gleiche Tragwerk alle                          müssen Tragwerk und Konstruktion auf das serielle Bauen maß-
 Wohnungstypen flexibel aufnehmen kann. Die Rohbauzeit je                                  genau abgestimmt sein. Denn bei häufiger Wiederholung wird
 Würfel beträgt nur vier Wochen: zwei für den Treppenhauskern                              der anfänglich mühsame Prozess kostengünstig. Die Maschinen
 aus ­Beton-Halbfertigteilen und zwei weitere für den Holzbau und                          werden dann einmal eingestellt und es wird vielfach produziert.
 die Ortbetondecken.                                                                       Beim seriellen Bauen geht es normalerweise um eine günstige
                                                                                           Herstellung hoher Stückzahlen und einen Wiedererkennungswert.
Vom Prototyp zur Serienreife                                                               Wenn es wirklich gelingt, mit Gebäudekopien etwas Bestehendes
Die serielle Vorfertigung, wie sie schon lange bei Einfamilienhäu-                         zu ergänzen und den Ort zu bereichern, haben wir im aktuellen
sern eingesetzt wird, spiele im mehrgeschossigen Wohnungsbau                               Wohnungsmangel durch den seriellen Wohnungsbau etwas ge-
eine immer größere Rolle, berichtet der Statiker Tobias Götz von                           wonnen. Wie oft das Prinzip der Wiederholung allerdings funktio-
der deutschen Dépendance des Statikbüros Pirmin Jung.                                      niert, ohne monoton zu sein, wird sich erst zeigen müssen.

                                                                                           Kerstin Kuhnekath
                                                                                           geboren 1977, Tischlerlehre in Düsseldorf, Architekturstudium in Köln und
                                                                                          ­Valencia, ein Jahr freie Autorin in Berlin, u. a. für Bauwelt und Baunetz,
                                                                                           mehrere Jahre im pr- und Marketingbereich für Architekturbüros. Sie arbeitet
Standort Gartenstadt Süd, Bremen⁄ D                                                        als freie Autorin und Beraterin in Berlin.
Bauherr gewoba Aktiengesellschaft Wohnen und Bauen, Bremen⁄ D, www.gewoba.de
Planung lin Architekten Urbanisten, Berlin⁄ D, www.lin-a.com
Ausführungsplanung Kahrs Architekten, Bremen⁄ D, www.kahrs-architekten.de
Statik Pirmin Jung Deutschland, Sinzig⁄ D, www.pirminjung.ch
Holzbau öhs Ökologischer Holzbau Sellstedt, Schiffdorf-Sellstedt⁄ D, www.oehs.de
Fertigstellung 2016 (3 Prototypen realisiert), seit Juli 2018 neue Standardtypen in Bau
Anzahl Wohnungen 8 Wohnungen (gefördert)⁄ Haus                                            Prototyp (li.) und
Nettonutzfläche 427 m2 (Prototyp), 515 m2 (neuer Standardtyp)                             neuer Standardgrundriss              5m
Münchener Wohnungsbausofortprogramm
Immer wieder Holzbau

Roland Pawlitschko

 Angesichts des großen Bedarfs an bezahlbarem Wohnraum und                  kommen und anerkannten Flüchtlingen vorsah. Wie gut dieses
 steigender Flüchtlingszahlen beschloss der Stadtrat der Landes-            Nutzungskonzept funktioniert, zeigt sich in allen Projekten an
 hauptstadt München Anfang 2016 das Wohnungsbausofortpro-                   einer hohen Bewohnerzufriedenheit. Das erste von dieser arge
 gramm „Wohnen für Alle“ – mit dem Ziel, in vier Jahren bis zu              geplante Gebäude ist das noch im Jahr 2016 als Parkplatzüber-
 3.000 zusätzliche geförderte Wohnungen zu schaffen. Bei der                bauung fertiggestellte Pilotprojekt Dantebad mit hundert Wohn-
 Realisierung von Wohnungen innerhalb dieses Programms entschied            einheiten (s. Zuschnitt 60, S. 25). Nach Plänen von Florian Nagler
 sich die städtische Wohnungsbaugesellschaft gewofag für ein                Architekten entstand ein Wohnriegel mit aufgeständertem Erd­
 Verhandlungsverfahren über Projektsteuerungsaufgaben für bis               geschoss, über dem sich der Wohnungsbau als viergeschossige
 zu 500 Wohnungen, bei dem die „arge Preuss GmbH und Maier                  Holzkonstruktion aus Brettsperrholzdecken und -wänden in die
 Neuberger Architekten GmbH – Bündnis Wohnen für Alle 2016“                 Höhe entwickelt. Die Einhaltung des Zeit- und Kostenbudgets
 den Zuschlag erhielt. Die bei dieser Projektgröße häufig ange-             gelang durch den hohen Vorfertigungsgrad – die Konstruktion
 wendeten Instrumente Wettbewerb oder Gutachterverfahren                    wurde ebenso wie die Holz-Fassadenelemente und die Bäder mit
­kamen hier aufgrund der sehr kurzen Fristen nicht zum Einsatz.             weitgehend fertigen Oberflächen vorfabriziert.
 Um trotz des extrem engen Zeitrahmens (erste Wohnungen                     Die Entscheidung für das Material Holz basierte dabei nicht auf
 sollten bereits Ende 2016 fertig sein) möglichst kostengünstige,           Vorgaben der Stadt oder der Wohnungsbaugesellschaft, die sich
 aber auch architektonisch und städtebaulich hochwertige Ge­                nicht zuletzt wegen der anvisierten Vorfertigung für das Vergabe-
 bäude realisieren zu können, arbeitete die arge mit mehreren im            modell des Generalunternehmers entschied. Wesentlich war nach
 Wohnungsbau versierten Partner-Architekturbüros zusammen.                  einer material- und systemoffenen Ausschreibung vielmehr jene
 Sie teilten sich die Planungsarbeit auf, um ­spezifische Lösungen          Kombination aus Preis und Bauzeit, die die wirtschaftlichste
für die jeweilige Situation zu finden. ­Wesentlich dabei war, dass          ­Lösung versprach. Und so entstand das zweite Projekt der arge
 die zu errichtenden Wohnungsbauten laut städtischer Vorgabe                 (81 Wohneinheiten, fertiggestellt im Frühjahr 2017 in der Boden-
 keine temporären Unterkünfte sein sollten, sondern langfristig              seestraße) nach Plänen von 03 Architekten als Holzhybridbau mit
 nutzbare, nachhaltig in das städtebauliche Gefüge integrierte               Holz-Fertigteilfassaden. U-förmig platzierte, drei- und fünfge-
 Stadtbausteine. Damit einher ging ein integratives Belegungs-               schossige Gebäude bilden dabei eine hofartige Struktur, die den
 konzept, das ein Miteinander von Münchenern mit geringem Ein-               Lärm der Bodenseestraße fernhält und zugleich intensiv genutzte
                                                                             Erholungsflächen bietet. Beim dritten Projekt in der Schittgabler-
                                                                             straße von Laux Architekten kam ein Holzbau mit Brettstapel­
                                                                             decken und -wänden zum Einsatz. Hier lassen acht zwei- und
                                                                             dreigeschossige Gebäude eine Abfolge von Höfen mit Obstbäu-
                                                                             men, Nutzgärten und Spielplatzflächen entstehen.

Dantebad
                                                                                                            Wohnen für Alle ist ein Bauprogramm
Standort Postillonstraße 18 – 20, München⁄ D
Bauherr gewofag Wohnen GmbH, München⁄ D, www.gewofag.de
                                                                                                            der Stadt München, um rasch zusätzliche
Planung Florian Nagler Architekten, München⁄ D, www.nagler-architekten.de                                   geförderte Wohnungen zu errichten.
Statik Franz Mitter-Mang Ingenieurbüro, Waldkraiburg⁄ D
Holzbau Huber & Sohn GmbH & Co. kg, Bachmehring⁄ D, www.huber-sohn.de
Fertigstellung 2016
Anzahl Wohnungen 100
17  Wohnbau mit System
                                                                                                                                                                 16
                                                                                                                                                                     zuschnitt 71.2018
                                                                                               Bodenseestraße
                                                                                               Standort Bodenseestraße 166, München⁄ D
                                                                                               Bauherr gewofag Wohnen GmbH, München⁄ D, www.gewofag.de
                                                                                               Planung Arge Preuss GmbH und Maier Neuberger Architekten
                                                                                               GmbH – Bündnis Wohnen für Alle 2016, München⁄ D, www.mn-arc.eu
                                                                                               mit 03 Architekten, München⁄ D, www.03arch.de
                                                                                               Statik Sacher GmbH Ingenieure & Sachverständige, München⁄ D,
                                                                                               www.sacher-gmbh.com
                                                                                               Holzbau Gebr. Schmölzl GmbH & Co. kg, Bayerisch Gmain⁄ D, firma.schmoelzl.de;
                                                                                               Bau und Service Hillebrand GmbH, Wals⁄ A, www.hillebrand.at
                                                                                               Fertigstellung 2017
                                                                                               Anzahl Wohnungen 81

„In der Gesamtbetrachtung sind Holzbauten bei uns bisher eher        wichtiger Aspekt. Doch auch das im Holzbau geringere Gewicht
als Ausnahmen zu werten“, sagt Klaus-Michael Dengler, Sprecher       kann eine entscheidende Rolle spielen – bestes Beispiel hierfür
der Geschäftsführung der gewofag. Diese drei realisierten Pro-       sind Aufstockungen im Bestand.“ Tragfähige Strategien zur Kom-
jekte haben der Wohnungsbaugesellschaft wertvolle Erkennt-           pensation der Mehrkosten im Holzbau sind offenbar vorhanden:
nisse geliefert: „Durch die Modul- beziehungsweise Systembau-        Im Münchener Prinz-Eugen-Park baut die gewofag aktuell 181
weise und die damit einhergehende Generalunternehmer-Vergabe         Wohnungen in Holz-Hybridbauweise und im Rahmen des Woh-
konnten wir beim Vergabeverfahren und bei der Umsetzung einen        nungsbausofortprogramms planen Maier Neuberger Architekten
entscheidenden Zeitvorteil generieren. Eine wichtige Erkenntnis      in der Erwin-Schleich-Straße derzeit das vierte Projekt der arge
hierbei ist, dass der Planungsphase eine sehr große Bedeutung        mit 52 Wohnungen. Da bei letzterem erneut systemoffen ausge-
zukommt, wenn im Anschluss schnell gebaut werden soll. Gerade        schrieben wird, steht die genaue Bauweise heute allerdings noch
in dichter bebauten Siedlungen kann es ein entscheidender Vor-       nicht fest.
teil sein, die Bauphase deutlich schneller abschließen zu können.“
Kurze Bauzeiten reduzieren nicht nur baustellenbedingte Beein-
trächtigungen der Anwohner, sie wirken sich auch positiv auf die     Roland Pawlitschko
                                                                     ist freier Architekt, Autor und Redakteur sowie Architekturkritiker.
Kostenbilanz aus. „Die Mehrkosten im Holzbau schätzen wir grob
                                                                     Er kuratiert Ausstellungen rund ums Thema Architektur und Öffentlichkeit,
bei zehn Prozent ein“, sagt Dengler. „Insofern bedarf es einer       organisiert Architekturexkursionen und veröffentlicht Artikel und Aufsätze
­genauen Abwägung, ob sich diese Mehrkosten aufgrund anderer         in Büchern, Zeitschriften und Tageszeitungen. Roland Pawlitschko lebt und
 Faktoren dennoch auszahlen. Schnelligkeit ist hier wieder ein       arbeitet in München.

                                                                                                       Schittgablerstraße
                                                                                                       Standort Schittgablerstraße, München⁄ D
                                                                                                       Bauherr gewofag Wohnen GmbH, München⁄ D, www.gewofag.de
                                                                                                       Planung Arge Preuss GmbH und
                                                                                                       Maier Neuberger Architekten GmbH – Bündnis Wohnen für Alle 2016,
                                                                                                       München⁄ D, www.mn-arc.eu mit Laux Architekten, München/D,
                                                                                                       www.lauxarchitekten.com
                                                                                                       Statik Staudacher Ingenieure, Tegernsee⁄ D,
                                                                                                       www.staudacher-ingenieure.de
                                                                                                       Holzbau Huber & Sohn GmbH & Co. kg, Bachmehring⁄ D,
                                                                                                       www.huber-sohn.de
                                                                                                       Fertigstellung 2017
                                                                                                       Anzahl Wohnungen 46
Installationssysteme für den mehrgeschossigen
Wohnbau in Holz Sechs Grundprinzipien

Im Wohnbau müssen viele unterschiedliche Ver- und Entsorgungsleitungen auf begrenz-
tem Raum bei zugleich niedrigen Kosten verteilt werden. Auch wenn es im ­Bereich der
 haustechnischen Installationen eine Vielzahl an vorgefertigten und flexibel einsetzbaren
 Komponenten gibt, werden die Leitungen zwischen den einzelnen Komponenten jedoch
 erst vor Ort auf der Baustelle erstellt. Dies verlängert die Bauzeit und führt durch ge-
 werkeübergreifende Arbeiten zu erhöhtem Koordinationsaufwand und ­oftmals zu Kom-
plikationen und Verzögerungen im Bauablauf. Fast zwei Drittel der Baumängel gehen
auf Planungs- und Ausführungsfehler zurück.
Im Rahmen des Forschungsprojekts Holzbau der Zukunft erarbeitete der Lehrstuhl für
Bau­klimatik und Haustechnik der Technischen Universität München einen Leitfaden
für ­Gebäudetechnik im mehrgeschossigen Holzbau. Werden diese Grundprinzipien
­b eachtet, können schon in einer ­f rühen Planungsphase entscheidende Weichen für ein
 flexibles und vorgefertigtes Installationssystem gestellt und Ausführungsmängel ver-
 mieden werden.

Richtlinien für die Planung und Gestal-         Trennung der Installationen von Trag-                   Vorkonditionierte Hohlräume Um den Vor­
tung von flexiblen, ­vorgefertigten Installa-   werk und Ausbau                                         fertigungsgrad zu steigern und die Aus-
tionen im mehrgeschossigen Holzbau              Für die Vorfertigung, die Montage, zukünf-              führungsqualität zu erhöhen, werden die
                                                tige Erweiterungen und den Rückbau ist die              Leitungen in vorgefertigten Hohlräumen
 Zentrale Trassenführung Alle Medien            Trennung der Installationen von der Trag-               verlegt. Diese können in die Bauteile inte-
 für die Ver- und Entsorgung sind in einem      konstruktion und den Ausbauelemen­t en                  griert sein. Die Hohlräume sind aus einem
 zentralen vertikalen Schacht zusammen­         notwendig. Um dies zu erreichen, sind ­eine             Material, das den nötigen Wärme-, Schall-
gefasst. Dieser übernimmt die ­Verteilung       weitgehende Unabhängigkeit der Ebenen                   und Brandschutz ermöglicht. Sie können
vom Haustechnikraum aus in die jewei-           und eine klar abgegrenzte Versorgungs-                  zugleich Montagehilfe für die Rohre und
ligen Wohneinheiten. In den Wohnein-            trasse sowie die Vermeidung von Leitungs-               Leitungen sein und das nötige Gefälle für
heiten werden die Rohre und Leitungen           führungen in konstruktiven Elemen­t en                  Entwässerungsleitungen schon vorgefer-
in einer zentralen horizontalen Trasse          und in leicht veränderbaren Ausbauele-                  tigt aufweisen.
geführt. Dies verringert den baulichen          menten notwendig. Leitungen und Rohre
Aufwand, reduziert die brand- und schall-       sollten reversibel verbunden werden.                    Vorgefertigte Komponenten Der Einsatz
schutztechnisch zu behandelnden Durch­                                                                  von vorgefertigten Technikkomponenten,
brüche und erleichtert den Einbau, die          Dauerhafte Zugänglichkeit Alle Leitungs-                Rohren und Sanitärelementen vereinfacht
Wartung und Reparatur sowie mögliche            trassen und haustechnischen Komponen-                   und beschleunigt die Montage. Bei der Wahl
Erweiterungen bis hin zu Ausbau und             ten müssen gut zugänglich sein. Dies wird               der Komponenten ist darauf zu achten,
­Erneuerung.                                    erreicht durch eine entsprechende Posi­                 dass genormte Anschlüsse und handelsüb-
                                                tion in der Wohneinheit und die Möglich-                liche Modulgrößen die Verwendung von
                                                keit, die Verkleidungen über die gesamte                herstellerunabhängigen Produkten ermögli­
                                                Trassenlänge und alle Technikkomponen-                  chen. So können auch in Zukunft die Kompo-
                                                ten einfach und zerstörungsfrei zu öffnen               nenten repariert und ausgetauscht werden.
                                                und wieder zu verschließen.

                                                Platzreserven Für Montage und Reparatur
                                                sind entsprechende Montageräume um
                                                die Rohre und Leitungen vorzusehen. Um
                                                das Installationssystem auch für die Zu-
                                                kunft zu rüsten, müssen in den Installa­
                                                tionstrassen entsprechende Platzreserven
                                                heute schon eingeplant sein.

                                                Teilprojekt 12 – Modulare, vorgefertigte Installa­t ionen in mehrgeschossi­g en Holzbauwerken,
                                                Lehrstuhl für Bauklimatik und Haustechnik der Technischen Universität ­München,
                                                Projektleitung Prof. Gerhard Hausladen, München, April 2008
                                                Download: http:⁄ ⁄ hdz.devweb.mwn.de⁄ hdz⁄
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