Industrie 4.0: Ein umfassender Ansatz - Hauptmerkmale und Auswirkungen auf KMU - Chain Project
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Projektpartner Organisationen Editor: Bojan Jovanovski, FH JOANNEUM Techn. Editor: Clarissa Maierhofer, FH JOANNEUM Lektor: Clemens Fischer, FH JOANNEUM Autorenliste (in alphabetischer Reihenfolge) Admira Boshnyaku, European Center for Quality Ltd. Bojan Jovanovski, FH JOANNEUM Clemens Fischer, FH JOANNEUM Denitsa Seykova, European Center for Quality Ltd. Emilie Chapotot, ESTIA Fernando Sousa, AidLearn Martin Tschandl, FH JOANNEUM Vítor Hugo Ferreira, Polytechnic of Leiria Projektname Changing SME business by industry 4.0 Projektacronym Chain Project Projektnummer 2018-1- PT01-KA203-047330 Projektlaufzeit 01.11.2018 – 31.10.2020 I
Gutachter (in alphabetischer Reihenfolge) António José da Silva Pina, CTP - Portugal Tourism Confederation Emmanuel DUC, SIGMA Clermont Ileana Pardal Monteiro, APGICO - Portuguese Association of Organisational Creativity and Inno- vation Michael Georg Grasser, Medizinische Universität Graz Nikolaus Dontscheff, EATON Corporation Vitaliy Mezhuyev, University Malaysia Pahang Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung CC BY-NC-ND Dies ist die restriktivste unserer sechs Kernlizenzen. Sie erlaubt lediglich Download und Weiter- verteilung des Werkes unter Nennung Ihres Namens, jedoch keinerlei Bearbeitung oder kommer- zielle Nutzung. Dieses Projekt wurde mit Unterstützung des Erasmus + -Programms der Europäischen Union finanziert. Die Unterstützung der Europäischen Kommission für die Erstellung dieser Veröffentlichung stellt keine Billigung des Inhalts dar, die nur die Ansichten der Autoren widerspiegelt, und die Kommission kann nicht für die Verwendung der darin enthaltenen Informationen verantwortlich gemacht werden. II
Inhalt 1. Einleitung 1 2. Theorie der Innovation und der technischen Revolution 4 2.1 Technische Revolutionen 5 2.2 Das Informationszeitalter 8 2.3 Wie geht es weiter? 8 3. Definition von Industrie 4.0 10 3.1 Digitalisation und Digitalisierung 11 3.2 Industry 4.0 13 4. Technologische und organisatorische Transformation 15 4.1 Organisatorische Innovation 15 4.2 Die Transformation von I4.0 18 4.2.1 Die Auswirkung von IT-Investments auf das Unternehmen - eine kurze Übersicht 18 4.2.2 Kunden 21 4.2.3 Prozesse und Wertschöpfungsketten 21 4.2.4 Produkte 23 4.2.5 Entscheidungen / Organisation 23 4.2.6. Verlagerung der Anforderungen an die Mitarbeiter 25 5. Innovation und neue Business Models 29 5.1 Business Model Definition 29 5.2 Business Model Innovation 30 5.3 Geschäftsmodellentwicklung in Industrie 4.0 31 5.4 Neue Geschäftsmodelltypen in Industrie 4.0 33 6. Auswirkungen auf KMU 40 6.1 Vorteile durch die Einführung von Industrie 4.0 41 6.2 Hindernisse für KMU in Bezug auf die Umsetzung von Industrie 4.0 45 7. Conclusio 50 8. Glossar 53 9. Literaturverzeichnis 56 9.1 Kapitel 1 - Einleitung 56 III
9.2 Kapitel 2 - Theorie der Innovation und der technischen Revolution 56 9.3 Kapitel 3 - Definition von Industrie 4.0 57 9.4 Kapitel 4 - Technologische und organisatorische Transformation 59 9.5 Kapitel 5 - Innovation und neue Business Models 62 9.6 Kapitel 6 – Auswirkungen auf KMU 64 9.7 Glossar 65 IV
Abkürzungen und Akronyme AI/KI Künstliche Intelligenz GF Geschäftsmodell CPS Cyber Physikalische Systeme EU Europäische Union BIP Bruttoinlandsprodukt HB Hochschulbildung I4.0 Industrie 4.0 IKT Informations- und Kommunikationstechnologie IoP Internet der Menschen IoT Internet der Dinge IoTS Internet der Dinge und Dienste MES Manufacturing Execution Systems OECD Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung PSS Produktservice-System F&E/R&D Forschung und Entwicklung KMU Kleine und mittlere Unternehmen US / USA Vereinigte Staaten von Amerika V
Zur Begrüßung Doris Kiendl Leiterin des Instituts für Internationales Management, Fachhochschule JOANNEUM, Graz, Österreich Vitor Hugo dos Santos Ferreira Chain Projekt Koordinator, Polytechnische Hochschule Leiria, Portugal Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, In weniger als einem Jahrzehnt hat sich Industrie 4.0 von einer unklaren Vision zu einem Konzept für die Digitalisierung der europäischen Industrie entwickelt. Es zielt auf die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen ab. Dazu werden Produkt-, Prozess- und Geschäfts- modell-Innovationen durch die Implementierung verschiedener Technologie-Lösungen entwi- ckelt. Der Geltungsbereich von Industrie 4.0 ist sehr breit gefächert und umfasst Tools und Platt- formen wie zum Beispiel: Internet of Things, Big Data und Cloud-Computing, Autonome Systeme, Künstliche Intelligenz etc. Diese Vielfalt trägt zu unendlichen Möglichkeiten für Unternehmen bei, schafft aber auch hohe Eintrittsbarrieren für Unternehmen mit begrenzten Ressourcen, die dazu beitragen können, dass die Technologie und Produktivität der kleinen und mittleren Unterneh- men (KMU) zusätzlich zurückbleibt. Diese Broschüre soll Industrie 4.0 den KMU näherbringen und erste Einblicke in das Kon- zept, seinen Umfang und seine potenziellen Auswirkungen auf die Innovations- und Wettbe- werbsfähigkeit von KMU geben. Diese Broschüre ist ein Arbeitswerkzeug zur Unterstützung der Anfangsphase der Implementierung von Industrie 4.0. Es wurde im Rahmen des Projekts "Chan- ging SME business by Industry 4.0" - dem CHAIN-Projekt, das durch das Erasmus+-Programm - Strategische Partnerschaften im Hochschulbereich finanziert wird, entwickelt. Das CHAIN-Projekt zielt darauf ab, zur Digitalisierungsinitiative der europäischen Industrie beizutragen. Derzeit erleben wir einen Prozess der "Entindustrialisierung", der zum Teil auf den Anstieg der Produktion in anderen Teilen der Welt und die zunehmende Automatisierung zurück- zuführen ist. Als Reaktion auf diesen Rückgang der Bedeutung der Industrie hat sich die Europäi- sche Kommission im Jahr 2012 das Ziel gesetzt, dass das verarbeitende Gewerbe VI
bis 2020 20% der gesamten Wertschöpfung in der EU ausmachen soll. Industrie 4.0 (I4.0) könnte die Produktivität und Wertschöpfung der europäischen Industrie steigern und das Wirtschafts- wachstum stimulieren. Im Rahmen ihrer neuen digitalen Binnenmarktstrategie will die Europäi- sche Kommission alle Industriesektoren bei der Nutzung neuer Technologien und beim Übergang zu einem intelligenten Industriesystem unterstützen. Was I4.0 anstrebt, ist die Verbesserung des Herstellungsprozesses durch die Anwendung von Atomisierung und Datenerfassung. Die Auswir- kungen werden durch Anwendungssensoren, Mikrocomputer und Funkgeräte hervorgerufen, die es der gesamten Fabrik ermöglichen, nicht nur ihre physikalische Ausführungsform, sondern auch ihre cyberphysikalische Struktur zu erhalten. Diese Tatsache, Cloud-Computing und andere hoch- moderne Technologien ermöglichen es den Maschinen, in Echtzeit miteinander zu kommunizie- ren, was eine bessere Leistung, eine größere Flexibilität bei der Produktanpassung, eine Senkung der Arbeitskosten, eine geringere Abfallmenge und eine Optimierung der Ausfallzeiten der Ma- schinen ermöglicht. CHAIN zielt darauf ab, eine Grundlage für die Schaffung neuer Kompetenzen für Hochschulstudenten und KMU (Manager und Eigentümer) zu schaffen, um den Wandel durch diese "Revolution" zu bewältigen. Europa muss lernen, mit einer tiefgreifenden Digitalisierung der Gesellschaft umzugehen, die bereits die Grenzen zwischen Arbeitnehmern und Selbständi- gen, Waren und Dienstleistungen oder Verbrauchern und Produzenten verwischt. Es gibt Heraus- forderungen für KMU bei der Teilnahme an I4.0 Lieferketten (Kosten, Risiken, geringere Flexibili- tät und geringere strategische Unabhängigkeit). CHAIN wird ein Positionspapier zu I4.0 erstellen, das neben der Definition von I4.0 und seinen wichtigsten Definitionselementen eine Diskussion über Innovation und I4.0, eine Überprüfung der Theorien von Innovation und technologischer Revolution und anschauliche Beispiele für die Auswirkungen der Transformation auf Wirtschaft und Gesellschaft im Allgemeinen und insbesondere auf KMU aufzeigt. Das Positionspapier um- fasst des Weiteren eine Reihe von Fallstudien, die Strategien und Praktiken beleuchten, die in der Folge von KMU im Zusammenhang mit der wachsenden Digitalisierung und den Herausforderun- gen des neuen Phänomens und den praktischen Auswirkungen auf Arbeit, Beschäftigung, Kom- petenzen und Geschäftsmodelle umgesetzt werden. CHAIN wird ein Handbuch für Lernende und Lehrende erstellen, das die Grundlage für einen Kurs über I4.0 bilden wird. Darüber hinaus wird eine interaktive Dokumentation über I4.0, die sich an mehrere Zielgruppen richtet, online verfüg- bar sein. Wir wünschen Ihnen eine erfolgreiche Reise in der vierten industriellen Revolution und hof- fen, dass wir Sie begleiten und unterstützen können, um an Ihr Ziel zu gelangen. Doris Kiendl, FH JOANNEUM Graz, Juli 2019 Vítor Hugo Ferreira, Polytechnische Hochschule Leiria Leiria, Juli 2019 VII
1. Einleitung Bojan Jovanovski, FH JOANNEUM “Europa wird seine führende Rolle nur dann behaupten können, wenn die Digitalisierung der Branche erfolgreich und schnell verläuft. Es bedarf gemeinsamer Anstrengungen in ganz Europa, um die Investitionen anzuziehen, die wir für das Wachstum der digitalen Wirtschaft benötigen” Günther H. Oettinger, Beauftragter für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft Industrie 4.0 ist die neue industrielle Revolution, die sich auf die Digitalisierung und Integra- tion der Wertschöpfungskette konzentriert. Diese vierte industrielle Revolution verändert die Produktionsprozesse und die logistischen Aktivitäten entlang der Lieferkette. Das Hauptziel der Implementierung von Industrie 4.0 in einem Unternehmen ist es, eine höhere Produktivität und Flexibilität zu erreichen. Dies kann nicht nur Ein Geschäftsmodell be- schreibt die Grundlagen für durch Verbesserungen im Produktionsprozess durch schrittweise und die Schaffung, Bereitstel- wegweisende Prozessinnovationen erreicht werden, sondern auch lung und Erfassung von durch eine gründliche technologische und organisatorische Transforma- Werten in einem Unterneh- men. (Osterwalder & tion und Aktualisierung des Geschäftsmodells des Unternehmens. Diese Pigneur, 2010, S. 14) Aspekte werden in den folgenden Kapiteln dieser Publikation systema- tisch diskutiert. Die Implementierung von Industrie 4.0 unterstützt eine kontinuierliche Weiterentwick- lung von Systemen, in denen die Interaktion und sogar die Integration verschiedener bisher eher unabhängiger Geschäftselemente erreicht wird. Viele große Unternehmen, die über die Ressour- cen und Strategien für die Entwicklung verfügen, haben die Bedeutung der Einführung dieser neuen Praktiken erkannt. Zu Beginn dieses Jahrzehnts nutzten die Early Adopters die Gelegenheit, einen zusätzlichen Wettbewerbsvorteil zu entwickeln, indem sie "das Spiel" verketteten und als Voraussetzung für den Aufholprozess und die Erhaltung von Marktanteilen einsetzten. Diese zweite Welle bezieht zunehmend kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ein, von denen sich viele noch in der Phase des Auswahlprozesses und der Kosten-Nutzen-Analyse befinden. Um sie in diesem Prozess zu unterstützen, bietet Kapitel 6 eine Analyse der wichtigsten Vorteile und Hür- den für KMU bei der Umsetzung von Industrie 4.0. Dennoch wird, wie auch bei den vorangegan- genen Revolutionen, erwartet, dass wenn die Veränderungen viele Segmente des Unternehmens und des Ökosystems beeinflussen, diejenigen, die sich nicht anpassen können, nicht überleben werden. Porter (1990) betont die Bedeutung der Wettbewerbsfähigkeit auf Mikroebene (als Un- ternehmen) für die Wettbewerbsfähigkeit auf Makroebene (als Nation). Er unterstreicht auch die Bedeutung einer gut geführten Innovation für die Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen. Auf nationaler Ebene wurde die Wettbewerbsfähigkeit von verschiedenen Autoren unterschiedlich 1
definiert. Delgado et al. (2012) definieren "grundlegende Wettbewerbsfähigkeit als das erwartete Leistungsniveau pro Person im erwerbsfähigen Alter angesichts der Gesamtqualität eines Landes als Wirtschaftsstandort". Sie betonen, dass die Wettbewerbsfähigkeit über das erwartete Niveau der Produktivität pro Arbeitnehmer hinausgehen muss, da der Wohlstand darin besteht, eine hohe Produktivität zu erreichen und gleichzeitig einen hohen Anteil der verfügbaren Arbeitskräf- tekapazitäten zu mobilisieren. Silvia, (2006), die unterschiedliche Literaturdefinitionen analysiert, stellt drei Hauptmerkmale für die Definition der Wettbewerbsfähigkeit auf makroökonomischer Ebene vor: Wettbewerbsfähigkeit als Produktivität; Wettbewerbsfähigkeit als Fähigkeit, Wohl- stand zu schaffen; Wettbewerbsfähigkeit als Fähigkeit, auf externen Märkten zu verkaufen. Glück- licherweise sind die Auswirkungen der Implementierung von Industrie 4.0 auf die Wettbewerbs- fähigkeit des Unternehmens für die politischen Entscheidungsträger offensichtlich geworden. Liao et al. (2017) haben 18 staatliche Politikbereiche untersucht, die alle auf den nationalen Initi- ativen der deutschen Wirtschaft 4.0 basieren und zu dem Schluss kommen, dass ihre Hauptziele für mehr als die Hälfte von ihnen (55,6%) darin bestehen, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, zu erhalten oder wiederzugewinnen, und dass sogar noch mehr (61,1%) erwarten, das Wirt- schaftswachstum zu unterstützen. Um diese Ziele zu erreichen, werden spezifische Aktivitäten, hauptsächlich im Zusammenhang mit Innovation und Technologie (66,7%), durchgeführt und auf drei Objekte angewandt: Mensch (61,1%), Produkt (55,6%) und Infrastruktur (44,4%). Die Bedenken angesichts der Herausforderung, den Anteil des verarbeitenden Gewerbes am BIP der Europäischen Union zu verringern, trugen dazu bei, dass die Industrie 4.0 sehr ernst genommen wurde. Eines der wichtigsten Dokumente ist eine Mitteilung der Europäischen Kom- mission an das Parlament zur "Europäischen Industriellen Renaissance" im Jahr 2014 (KOM, 2014 /14). Cloud-Computing, Big Data und Data Value Chain Entwicklungen, neue industrielle Anwen- dungen des Internets, Smart Factories, Robotik, 3D-Druck und Design als neue technologische Möglichkeiten der industriellen Modernisierung. Die Schlussfolgerungen dieses Dokuments zielen darauf ab, die industrielle Wettbewerbsfähigkeit durch bereichsübergreifende Politiken, ver- stärkte Investitionen auf lokaler, nationaler und EU-Ebene zu erhöhen und setzen sich das spezi- fische Ziel, den Beitrag der Industrie zum BIP bis 2020 auf 20% zu erhöhen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Europäische Kommission im Zeitraum 2014-2020 80 Mrd. EUR für Forschung und Innovation einschließlich der Unterstützung der Entwicklung von Schlüsseltechnologien, das Programm Horizon 2020, bereitgestellt. Laut der Veröffentlichung "Horizon 2020 First Results" der Europäischen Kommission (2015) wurden bereits in der Aufbau- phase, den ersten 100 Calls, viele Schlüsselindikatoren des Programms erreicht. Die gestiegene Zahl der beteiligten neuen Institutionen (38%, dreimal so viele wie in der letzten Aufforderung des RP7-Programms), die hohe Beteiligung der KMU (das Ziel eines Budgets von 20% für KMU wurde erreicht) und fast alle Zuschuss-Vereinbarungen (95%) wurden im Zielzeitraum unterzeich- net. Leider werden wir noch einige Jahre auf die nachträgliche Evaluierung des Programms und auf die Messung der tatsächlichen Auswirkungen auf die Transformation der Industrie warten müssen. Heute ist klar, dass der Schwerpunkt des Programms der Europäischen Kommission und 2
des Programms Horizon 2020 die lokalen, regionalen und nationalen Regierungen in ganz Europa ermutigt hat, verschiedenste finanzielle und nicht-finanzielle Unterstützung für die Re-Industria- lisierung und die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union zu gewähren. Bei den meisten dieser Akteure liegt der Schwerpunkt auf der Förderung von Innovationen durch die Weiterentwicklung des Ökosystems und der Unterstützung von KMU bei Umstrukturierung, Mo- dernisierung und Wissensaufbau. Insgesamt drängt die europäische Landschaft die KMU einerseits, die Umsetzung von In- dustrie 4.0 auf ihre Agenda zu setzen, und andererseits bietet sie umfangreiche Unterstützung bei diesem Prozess an, weshalb es der richtige Zeitpunkt für den Start ist. Diese Publikation soll der erste Schritt zur Vorbereitung auf diesen wichtigen Weg sein. 3
2. Theorie der Innovation und der technischen Revolution Fernando Sousa, AidLearn "Geschwindigkeit ist die neue Währung des Geschäftslebens." Marc Benioff, CEO, Salesforce Innovation als Forschungsmodell hat ihre Wurzeln in den Bereichen Wirtschaft und Inge- nieurwesen, später in der Soziologie, Politikwissenschaft und Pädagogik und erst seit kurzem in der Sozialpsychologie. Wie von Rowley, Baregheh und Sambrook (2011) erwähnt, erschwert die Vielfalt der Modelle, Rahmenbedingungen, Klassifizierungen und Innovationsdefinitionen das Verständnis des Zusammenhangs zwischen allen von verschiedenen Forschern gemeldeten Defi- nitionen sowie der Beziehung zwischen den verschiedenen Arten von Innovationen. Schumpeter (1934) ist anerkanntermaßen der Erste, der erklärt, dass Innovation die Einführung eines neuen Produkts, eine dem Markt unbekannte Qualität, eine neue Qualität eines bestehenden Produkts, eine neue Produktionsmethode oder eine neue Form der kommerziellen Verwendung eines be- stehenden Produkts, ein neuer Markt für den betreffenden Sektor, unabhängig davon, ob der Markt bereits existiert oder nicht, neue Lieferanten von Rohstoffen oder Halbfertigprodukten o- der eine Form von Monopolen ist. Schumpeter und andere Wissenschaftler auf seinem Gebiet wie Freeman (1982) änderten die Sichtweise auf das statische Gleichgewicht aus dem Maschinen- bau und der klassischen Ökonomie, indem sie die Suche nach einer Beziehung zwischen makro- ökonomischen Maßnahmen oder der Erforschung neuer Technologien allmählich aufgaben. Statt- dessen konzentrierten sie sich auf die Frage der nationalen Innovationssysteme (mit einem sys- temischen Ansatz oder der Analyse des Innovationsprozesses auf organisatorischer oder institu- tioneller Ebene) als einen Prozess, der nicht nur technisch, sondern vor allem sozial ist und politi- sche und Lernfunktionen charakterisiert. Ausgehend von einer Erfindungsperspektive, wie bei Cebon et al. (1999) besteht der Nut- zen, einer Erfindung in der Herstellung neuer Produkte oder Dienstleistungen, oder bei der Opti- mierung der bestehenden, oder bei der Verbesserung der Herstellungsweise oder deren Vertrieb. Diese Orientierung hat sich nach und nach demokratisiert und das Erfordernis der absoluten Neu- heit aufgegeben. Wie auch Damanpour (1984) beschreibt, ist die Umsetzung einer Idee, die in Bezug auf ein Produkt, ein Artefakt, ein System, eine Richtlinie, ein Programm oder eine Dienst- leistung entwickelt oder angenommen wurde, für das Unternehmen nur dann neu, wenn sie ein- geführt wird. In jüngster Zeit besteht die Tendenz darin, die Richtung zum Kunden und zum Markt zu verstärken, wie Coakes und Smith (2007) es nennen die richtigen Produkte zur richtigen Zeit in den richtigen Märkten mit dem richtigen Vertriebsnetz einzuführen und sie dann bei Bedarf wei- ter zu aktualisieren, zu optimieren oder zu entfernen. Es gibt verschiedene Ansätze, um die einzelnen Formen von Innovationen zu identifizie- ren. Während Cebon et al. (1999) vorschlagen, die Einführung von Produkten und Prozessen von 4
ihrer Entwicklung zu trennen, wird auf klassischere Weise zwischen Produkt- und Prozessinnova- tionen unterschieden. Laut Adams (2006) stimmen die meisten Autoren darin überein, dass die Innovationsfähigkeit oder die organisatorische Innovation eine dritte wichtige Kategorie von In- novationen ist, die das Potenzial der Beschäftigten darstellt, Veränderungen zum Nutzen der Or- ganisation zu fördern. Wie Huhtala und Parzefal (2007) erklären, dass um auf dem globalen Markt wettbewerbsfähig zu bleiben, Unternehmen kontinuierlich innovative und qualitativ hochwertige Produkte und Dienstleistungen entwickeln und ihre Arbeitsweise erneuern müssen und zwar ba- sierend auf der kontinuierlichen Innovationsfähigkeit ihrer Mitarbeiter. Auch wenn Innovation durch die Übernahme oder Entwicklung eines Produkts oder einer Dienstleistung erfolgen kann, die durch Investitionen in F&E oder Technologieakquisition verfüg- bar ist, kann das Unternehmen nur durch die Schaffung und Aufrechterhaltung einer kreativen Belegschaft ein Potenzial entwickeln, das anfällig für Probleme und schwierige Situationen ist, die nicht nur durch Investitionen gelöst werden können (Cebon et al., 1999). Und obwohl es wahr ist, dass sich die Nutzung des Innovationspotenzials der Arbeitskräfte im Allgemeinen nicht in radika- len Innovationen widerspiegelt (Love/Roper, 2004), ist zu beachten, dass das größte Innovations- potenzial in kleinen stufenweisen Innovationen liegt, die heute mehr als 80% jeder eingeführten Innovation ausmachen. Diese Innovation steht in direktem Zusammenhang mit Formen der Zu- sammenarbeit, die zunehmend die Grundlage für Innovationen bilden (Uzzi/Spiro, 2005). 2.1 Technische Revolutionen Wenn wir uns die Entwicklung der Art und Weise ansehen, wie sich die Menschen organi- sieren, um ihre Arbeit zu erledigen, stellen wir fest, dass wir uns in einem technologischen Zyklus befinden, der die industrielle Revolution der 1970er Jahre fortsetzt, als die durch den Zweiten Weltkrieg zerstörten Länder wie Deutschland und Japan in die Weltwirtschaft zu drängen began- nen. Es war das Ende des fordistischen Vertikalmodells der großen Mehrspartenunternehmen (M-Form) aus den 1930er Jahren, in welchen professionelle Manager (statt der Eigentümer) die verschiedenen Produktionsstufen innerhalb des Unternehmens koordinierten. Dieses Modell wurde weitgehend von Ökonomen und Soziologen wie Joseph Schumpeter, Talcott Parsons, Her- bert Simon oder Alfred Chandler, Webers Anhängern, theoretisch umgesetzt (Langlois, 2015). Die moderne Organisation hat ihre Wurzeln in der nordamerikanischen Revolution im Transportwesen (Eisenbahn- und Dampfschiffe) und in der Kommunikation (Telegrafen- und See- kabel) der 1870er Jahre, die den Weg für die Revolution in Produktion und Vertrieb freimachte (Chandler, 1990). Deshalb wurden die Eisenbahnunternehmen bereits in den 1850er Jahren zu den Pionieren im Management, als es bereits 9.000 Meilen Strecken gab, wobei das typische Un- ternehmen weniger als 50 Meilen bis nicht mehr als 500 Meilen zurücklegte. Um sie herum be- fanden sich Unternehmen, die sich auf bestimmte Arten von Waggons spezialisiert hatten, mit den entsprechenden Warenlagern, wie es bei den Ölwaggons oder Schlafwagen der Fall war. 5
Diese Unternehmen entwickelten interne Verwaltungsabläufe, Buchhaltung und statistische Kon- trolle sowie die Trennung von Verwaltung und Eigentum, da die Finanzierung ein Wachstum über das verfügbare Familienkapital hinaus erforderte. Die Art der Zusammenarbeit zwischen den Eisenbahngesellschaften zur Standardisierung der Anlagen war ein neues Phänomen, aber angesichts des Wettbewerbsdrucks wenig erfolg- reich. Es waren die mittleren Führungskräfte, die in den 1880er Jahren ein integriertes Netzwerk ermöglichten, das immer professioneller wurde. Die Verbände traten noch vor dem Bau eines Systems als Lösung auf, da der Rückgang des Verkehrs die Senkung der Zölle erzwang. Die Speku- lanten haben die Vorfälle jedoch beschleunigt, was zur Fusion und zur Existenz von Unternehmen wie dem südlich von Santa Fe führte, damals die größten der Welt. Bereits 1890 waren die Eisen- bahnen in ihrer heutigen Form vorhanden, und ab 1893 spielten Bankiers wie J. P. Morgan eine grundlegende Rolle und ersetzten den Staat als zentralistische Instanz der Regierung. Und wäh- rend Bankiers große Macht in den Vorständen hatten, hatten professionelle Manager noch mehr, was den Unternehmen die Eigenschaft des Managementkapitalismus und nicht des Finanzkapita- lismus verlieh. Noch immer war in den USA, in den anderen Sektoren, die Entwicklung im Vertrieb schnel- ler als in der Produktion, insbesondere bei Getreide und Baumwolle, da die notwendigen Innova- tionen eher organisatorisch als technologisch bedingt waren. Vor 1850 verkauften Großhändler auf Provisionsbasis, außer in Städten, und Warenhändler kauften direkt von Bauern und verkauf- ten an Produktionsunternehmen. Nach dem Bürgerkrieg wurden die Großhändler durch Massen- händler in Form von Supermärkten, Versandhandel und Filialen ersetzt. Macy's und Bloomingda- le's (1869) in Supermärkten sowie Sears & Roebuck im Versandhandel gingen über das Konzept des Supermarktes hinaus und bildeten Vertriebsnetzwerke und ersetzten den Großhandel durch eine einheitliche Preispolitik. Obwohl sie die Produktion von Waren einschlossen, die sie nicht zu erwünschten Preisen, Spezifikationen oder Qualitäten fanden, konzentrierten sie sich lieber aus- schließlich auf den Verkauf. Sie begannen auch mit der Werbung und gründeten die ersten Wer- beagenturen. Die zweite industrielle Revolution (1850-1970) war gekennzeichnet durch die Trennung zwischen dem Eigentum des Unternehmens und der Unternehmensleitung, die von angestellten Experten durchgeführt wurde, sowie durch eine funktionale oder bereichsspezifische Spezialisie- rung (Multidivision, oder M-Form). General Motors, der mit Alfred Sloan (1920) das postfordisti- sche Modell schuf, markierte den Beginn des modernen Unternehmens, das bis in die 1970er Jahre bestand. Es war die Ära des Stahls und der Elektrizität, die in Verbindung mit dem Verbren- nungsmotor eine radikale Erhöhung der Transportgeschwindigkeit und der Massenproduktion er- möglichte. Die eigentliche Revolution in der Produktion war jedoch nicht die Elektrifizierung, son- dern 60 Jahre später (1920) ihre organisatorische Anpassung an einzelne Maschinen, wie 1911 die Platzierung der Antriebsriemen an den Montagelinien. Trotz der großen Veränderungen nach 1871 (Deutsche Einheit, Lange Depression 1873-79, Deutsch-Französischer Krieg und Pariser 6
Kommune), 1914-18 (Erster Weltkrieg), 1929-34 (Große Depression) und 1939-45 (Zweiter Welt- krieg) gilt diese Zeit nur als eine Revolution, die die Erfindung des Sozialstaates, zunächst von Bismarck, in Preußen, im späten 19. Jahrhundert und dann in England und den nordischen Län- dern umfasste. Die Weltwirtschaftskrise zeigte die Unfähigkeit des Privatsektors, das Wachstum durch ein ausgewogenes Verhältnis von Angebot und Nachfrage aufrechtzuerhalten, was zu einer schrittweisen Zunahme der staatlichen Intervention in der Gesellschaft führte, mit Keynes als Vor- bote, akzentuiert durch den Zweiten Weltkrieg und die Krise der Mega-Regierungen in den 1970er Jahren. Diese Revolution veränderte die Lebensmittel- und Getränkeindustrie (z.B. Quaker Hafer mit der Frühstückszerealienindustrie, Heinz mit automatischer Verpackung, Nestlé mit Kondens- milch), was vor allem auf die Innovationen von Thomas Edison und Werner von Siemens zurück- zuführen ist, die, wie bereits erwähnt, die Massenproduktion durch die Verteilung von elektri- scher Energie ermöglichten. In den USA gehörten Unternehmen wie Otis, Singer, Eastman und Westinghouse zu den ersten, die das enorme elektrische Potenzial der Niagarafälle nutzten. Aber es war die Leichtwaffenindustrie, die in den 1850er Jahren das so genannte "ameri- kanische Produktionssystem" hervorbrachte, das später von Firmen wie Singer in der Zeit nach der Depression 1880 perfektioniert wurde, wo 75% der Nähmaschinen auf der Welt hergestellt wurden. Die Innovation in den Büros kam später mit Remington (der von Waffen zu Schreibma- schinen wechselte) und vor allem in den 1970er Jahren mit der Computerisierung, die mit der Industrialisierung der Dienstleistungen begann. Diese Zeit ist vielleicht am besten bekannt als Fordismus und Massenproduktion, das Mar- kenzeichen der amerikanischen Industrie, obwohl diese Bezeichnung nur Alfred Sloan, CEO von General Motors (Sloan, 1963), zugeschrieben werden kann. Obwohl von der Automobilindustrie propagiert, tauchten Massenproduktionstechniken zunächst in der liquid- oder semi-liquidverar- beitenden Industrie auf, wie beispielsweise Rohöl und dann Getreide, Baumwolle und Tabak. Innovation, wenngleich bevorzugt für Maschinen, erhöhte Qualität der Rohstoffe, inten- sive Anwendung von Energiequellen und Design von Fabriken, war vor allem organisatorisch, re- volutionierte die Arbeiterbewegung in der Produktion, sowie Formen der Koordination und Kon- trolle durch das Management. Die Ölindustrie ist ein Beispiel für eine kontinuierliche Produktion. Gegründet 1859 in Titusville, Pennsylvania, dauerte es etwa 20 Jahre, bis Rockefeller zwei Drittel des weltweiten Öls mit nur drei großen Erdölraffinerien produzierte. In Branchen wie Baumwolle, Textilien oder Möbel wäre dies nicht möglich gewesen, da die Produktion die Verbrauchsmöglich- keiten des Marktes überschritten hätte. Es war in der Tat die Verringerung des Verbrauchs wäh- rend der Depression der 1870er Jahre, die die Notwendigkeit organisatorischer Innovationen ge- genüber technologischer Innovation betonte. 7
2.2 Das Informationszeitalter Die dritte industrielle Revolution (1970-?), mit der Ölkrise und dem Aufkommen der nach dem Weltkrieg erholten Volkswirtschaften (Deutschland und Japan), markierte das Ende des gro- ßen vertikalen Unternehmens. Es war die Ära der Spezialisierung, in der sich Unternehmen auf- lösten und verlagerten, wobei nur Design, Entwicklung und Marketing beibehalten wurden. An- gesichts der von Milton Friedman inspirierten neoliberalen Politik, die eine Deregulierung favori- sierte (z.B. Thatcher, Jelzin, Carter und Reagan), sowie den Vorteilen des Internets und neuer Technologien, wurden die Unternehmen nach dem Prinzip von Ronald Coase (1937) pulverisiert, dem zufolge das Unternehmen, wenn die Transaktionskosten die Organisationskosten über- schreiten, Einheiten oder Subunternehmertätigkeiten autonomisieren muss. Die elektronische Revolution war ähnlich wie bei der Elektrizität. 1956 wurde die Funk- kommunikation durch das transatlantische Kabel ersetzt und 1965 die Satellitenkommunikation installiert. Bereits in den 1970er Jahren koordinierte der Computer Produktion, Marketing und Finanzen, insbesondere bei multinationalen Unternehmen, in denen Telefonleitungen gemietet wurden. Unternehmen wie Xerox, Texas Instruments oder Motorola sind durch die neuen Tech- nologien entstanden und haben sich aufgrund einer breiteren Auswahl an Lieferanten und Pro- duktverkäufen sowie einer verstärkten vertikalen Integration etabliert. Das 21. Jahrhundert betonte die Spezialisierung (und "Fordismus"-Modularisierung), aber es hat die Dezentralisierung umgekehrt, da das Wissen in die Innovation integriert werden musste, zusammen mit dem Bedarf an Regulierung im Zusammenhang mit dem 11. September, der Krise und den Finanzskandalen. Die Politik von Trump, vielleicht die bedeutendste Marke die- ses Jahrhunderts, bewegt sich jedoch wieder im deregulierenden Sinne und verstärkt die Ten- denz, die bereits eingetreten ist, die regionalen Wissenscluster wiederherzustellen, die durch Ver- lagerungen stark reduziert wurden, zusammen mit der Fähigkeit zur Innovation. 2.3 Wie geht es weiter? Die Zeiten einfacher Produktinnovationen scheinen vorbei zu sein, denn die vierte indust- rielle Revolution (auch bekannt als Industrie 4.0) führt zu neuen Innovationsökosystemen, die eine größere Komplexität in unser endgültiges Innovationsangebot integrieren. Und dieses expo- nentielle Tempo des Wandels hängt zunehmend von kooperativen Plattformen ab, die das Ergeb- nis umsetzen, da wir über beispiellose Rechenleistung, Speicherkapazität und Zugang zu verschie- denen Wissensquellen verfügen, kombiniert mit neuen Technologien in Bereichen wie künstliche Intelligenz, Robotik, 3D-Druck, Nanotechnologie, Biotechnologie, Materialwissenschaften und Quantencomputer. Auch die technologische Frage allein scheint nicht auszureichen, um die 4.Re- volution in einfachen Worten zu erklären möglicherweise, weil sie in der Bottom-Up-Perspektive stattfindet, bei der Unternehmen täglich neue digitale Lösungen einführen. Zum 8
einen sehen wir Fortschritte und Rückschritte in Organisationsmodellen, mit Vergleichen in ver- schiedenen Entwicklungsstadien (in einer Art "Revolution durchschnittlich 2,2"). Darüber hinaus erleben wir das Zusammenspiel von Unternehmen, die für die Verschmelzung physischer, digita- ler und biologischer Grenzen stehen, mit anderen Unternehmen, die ein klassischeres Modell ha- ben (das ebenfalls aktualisiert und erfolgreich auf dem Markt ist). Auf der anderen Seite stehen wir vor der Krise des Staates, mit einer Krise der Ideen und als Feind der Freiheit, in Bezug auf Glauben, Meinungsäußerung, Privatleben und Eigentum (Micklethwait/Wooldridge, 2014). Unter Beibehaltung der organisatorischen Perspektive bringt uns das XXI. Jahrhundert die Zunahme der vertikalen Spezialisierung oder "De-Vertikalisierung", die in den 90er Jahren durch die Verlagerung und Spezialisierung des Produktionsprozesses verstärkt wurde, in dem Unterneh- men Design, Entwicklung und Marketing (Branding), nicht aber Herstellung und Wartung, After- Sales oder gar Forschung behalten konnten. So wie die Globalisierung der USA nach dem Bürger- krieg durch Standardisierung und Produktionsvolumen revolutionär war, so ist auch das heutige Outsourcing eine Antwort auf die Möglichkeiten der Koordination und Erweiterung der technolo- gisch zulässigen Märkte. In gewisser Weise ist es eine Rückkehr zum modularen Fordismus-Sys- tem, aber in einer nicht-vertikalen Weise, bei der die Verteilung letztendlich die Hauptrolle bei der Wertschöpfung spielt, verstanden als die Fähigkeit, dem Endverbraucher den größtmöglichen Nutzen bei minimalen Kosten zu bieten. Wenn wir Zweifel an der Entwicklung des Organisationsmodells haben, so ist dies nicht der Fall mit der Gewissheit, dass Kreativität und Wissen weiterhin die Grundlage für Innovationen sein werden. Unabhängig von der gewählten Organisationsform wissen wir, dass die zunehmende Spezialisierung des Wissens zunehmend auf kollaborativen Teams basieren wird, deren Integra- tion ausgefeilte soziale Techniken erfordert, um kollektive Innovationen hervorzubringen. Teams, die sich von Führungsformen leiten lassen, die in der Lage sind, die Anpassung zwischen Zielen und Mitteln vorzunehmen, wenn sich die äußeren Bedingungen ändern. Gerade in der Aufrechterhaltung eines Gleichgewichts zwischen den Arbeitsabläufen des Unternehmens, die in der Lage sind, automatische Formen der Problemlösung zu generieren, und der Schaffung neuer, veränderungswirksamer Fähigkeiten, wird der Stellenwert des Menschen die Entwicklung von Organisationen weiter vorantreiben. Ein Wissen, das aus einem stillschwei- genden und subjektiven Charakter besteht, kaum außerhalb der Netzwerke, in denen es etabliert ist, übertragbar ist und mehr in den Verbindungen zwischen Individuen als in Individuen selbst ansässig ist. 9
3. Definition von Industrie 4.0 Martin Tschandl, FH JOANNEUM Clemens Fischer, FH JOANNEUM Emilie Chapotot, ESTIA Rund 80% aller europäischen Exporte sind Industriegüter. Die europäische Industrie trägt zu 16% zum BIP der EU bei und beschäftigt rund 32 Millionen Menschen in mehr als 2 Millionen Unternehmen. Diese Zahlen zeigen, dass die Branche der Motor für Wohlstand und Wachstum in Europa ist (Plattform Industrie 4.0, 2019). Seit vielen Jahrzehnten ist ein kontinuierlicher Prozess der industriellen Automatisierung und Digitalisierung eine der Quellen für den Erfolg europäi- scher Unternehmen im globalen Wettbewerb. Im Jahr 2011 hat eine politische Initiative auf der Hannover Messe diesen Prozess mit der Marke „Industrie 4.0“ als Vorschlag für die Entwicklung eines neuen Konzepts der deutschen Wirtschaftspolitik auf der Grundlage von Hightech-Strate- gien gekennzeichnet (Mosconi, 2015), um die Wirtschaft zu erhalten und die industrielle Wettbe- werbsfähigkeit zu fördern. In nahezu allen europäischen Ländern ist die Industrie heute gezwun- gen, die Digitalisierung zu forcieren und systematisch voranzutreiben, um effizienter (Kostensen- kung), flexibler (individuelle Produkte ohne Erhöhung der Kosten pro Stück) produzieren zu kön- nen und vor allem um neue, digitalisierte Geschäftsmodelle zu generieren. Die Digitalisierung ist damit zu einem unverzichtbaren Erfolgsfaktor für europäische Unternehmen geworden (Tschandl/Kogleck, 2018). Bevor Industrie 4.0 als weltweit verbreitetes Konzept massiv genutzt wurde, wurden viele strategische Initiativen ergriffen (Abbildung 3-1). Die Abgrenzung der einzel- nen Initiativen bezieht sich vor allem auf die geografische Herkunft: „Smart Manufacturing“ in den USA, „Internet +“ in China, „Industrie du Future“ in Frankreich und schließlich „Industrie 4.0“ in Deutschland. Darüber hinaus zwingt das allgegenwärtige Aufkommen von IoT-Lösungen in un- serem täglichen Leben die Industrie dazu, ihre Organisation an ein hohes Maß an Konnektivität anzupassen. Die Umsetzungen neuer Praktiken, die durch das Internet und digitale Technologien entstanden sind, erreichten nun auch die herstellende Industrie. Dieses Bedürfnis nach Verbin- dung startete einen umfassenden Wandel und generiert ein neues Leitbild - Industrie 4.0, welches auf einer ganzheitlichen Organisation von Prozessen basiert. Diese neue Organisation entscheidet dezentral mit Informationen, die über alle Unternehmenseinheiten verteilt sind. Auf diese Weise reagiert das Unternehmen schneller und agiler auf Veränderungen im Ökosystem. Die Führungs- kräfte der Wirtschaft müssen ihre Geschäftsmodelle überarbeiten, um mit dem Übergang zu In- dustrie 4.0 zu beginnen. Ein erfolgreiches Modell passt sich den neuen Gegebenheiten im Zusam- menhang mit veränderter Endverbrauchernutzung und neue Zielausrichtungen an, welche sich direkt auf die aktuellen Geschäftsmodelle und Organisationen auswirken. Industrie 4.0 wird zu- nehmend mit der Definition von Digitalisierung verbunden und dieser Begriff wird zunehmend im Kontext der digitalen Transformation von Unternehmen verwendet (Hihigoyen, 2019). In Hinblick auf die digitale Disruption ist die digitale Transformation ein wichtiges und strategisches Thema für Unternehmen jeder Größe geworden (Ducrey, 2019). 10
Abbildung 3-1: Überblick über europäische Initiativen zur Digitalisierung der Industrie (Europäische Kommission - Stand 11/2018) 3.1 Digitalisation und Digitalisierung Fraysee (2013) hat seine Definition von Digitali- Internet der Dinge - Eine globale Infrastruk- sierung auf drei verschiedene Ansätze gestützt: Erstens tur für die Informationsgesellschaft, die fort- schrittliche Dienste ermöglicht, indem (phy- ist Digitalisierung aus geschäftlicher Sicht eine teilweise sische und virtuelle) Dinge miteinander ver- oder vollständige Veränderung eines Produkts, einer bunden werden, die auf vorhandenen und Dienstleistung, einer Marke oder einer Geschäftstätig- sich weiterentwickelnden interoperablen keit in der digitalen Welt. Diese Transformation berück- Informations- und Kommunikationstechno- logien basieren. (ITU-T, 2012) sichtigt auch Informationstechnologie und Kommunika- tion sowie die damit verbundene Nutzung des Konsums. Zweitens entspricht es aus organisatori- scher Sicht dem Verhalten der Veränderung, die mit der Integration von IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie) in die Prozesse und die Arbeitsorganisation einhergeht. Drittens kann es als die Explosion des Lebens definiert werden, die täglich mit mehreren Bildschirmen verbunden ist. Brennen und Kreiss gründen ihre Definition jedoch auf der dritten Sichtweise von Fraysee, dem sozialen Leben und dem Umgang der Menschen in den 10er Jahren des 21. Jahr- hunderts (Brennen/Kreiss, 2014; Bloomberg, 2018). 11
Im engeren Sinne der Digitalisierung (engl. digitalisation) im industriellen Kontext kann sie definiert werden als die Transformation von Geschäftsmodellen mittels digitaler Technologien und deren internetbasierter Internet of Things (IoT) -Vernetzung zur Wertschöpfung (Wallmüller, 2017; BMWI, 2015). Dies schließt die zunehmende Umwandlung (aller) analogen Informationen in Daten, die mit der Informationstechnologie verarbeitet werden können (engl. digitisation) mit ein. Die Digitalisierung kann auf drei Ebenen erfolgen: (1) Digitalisierung ist die Umwandlung von ana- Produkte und Dienstleistungen, (2) Prozesse und Ent- logen Informationen in beliebiger Form (Text, scheidungen und (3) Geschäftsmodelle (Matzler et al., Fotos, Sprache usw.) in digitale Form. (Schallmo und Williams, 2018) 2016). Im Allgemeinen impliziert die Digitalisierung die In- Digitalisation impliziert die Integration digi- tegration digitaler Technologien in den Alltag durch die Di- taler Technologien in den Alltag durch die Di- gitalisierung von allem, was digitalisiert werden kann. gitalisierung von allem, was digitalisiert wer- Folglich kann Digitalisierung definiert werden als die Um- den kann. (Schallmo und Williams, 2018) wandlung von analogen Informationen in beliebiger Form (Text, Fotos, Sprache usw.) in digitale Form (Schallmo/Williams, 2018) mit geeigneten elektroni- schen Geräten (z. B. einem Scanner oder speziellen Computerchips). Damit können die Informa- tionen über digitale Schaltkreise, Geräte und Netzwerke verarbeitet, gespeichert und übertragen werden. In diesem Zusammenhang werden in der Literatur drei Begriffe verwendet, die sich teil- weise überschneiden: Digitalisierung, Internet der Dinge (IoT) und Industrie 4.0. Die Begriffe überlappen sich teilweise und lassen sich analytisch folgendermaßen unter- scheiden (siehe Abbildung 3-2): Digitalisierung umfasst den gesamten Bereich IoT auf Konsumen- tenseite (Consumer IoT, z.B. Smartphones, TV-Geräte) und einen großen Teil von Industrie 4.0, wobei sich letzteres zu einem Teil mit IoT überschneidet (Industrial IoT), aber auch Bestandteile hat, die ohne Internettechnologie funktionieren können (z.B. Automatisierung, Manufacturing Execution Systems). Abbildung 3-2: Begriffsabgrenzungen in der Digitalisierung (Bischof/Tschandl/Brunner, 2017) 12
Ein kleinerer, aber umso wichtigerer Teil von Industrie 4.0 enthält keine digitalen Techno- logien, hier geht es um Lean Production/Management und den Menschen (z.B. Akzeptanzthe- men). Schließlich gibt es auch digitale Technologien, die außerhalb der Begrifflichkeiten von IoT und Industrie 4.0 stehen (z.B. digitale Funkübertragung) (Bischof/Tschandl/Brunner, 2017). 3.2 Industrie 4.0 Industrie 4.0 ist die vierte in einer Reihe industrieller Revolutionen (Lasi et al., 2014). Drei industrielle Revolutionen haben bisher zu Paradigmenwechseln im Herstellungsprozess geführt, wie z. B. Wasser- und Dampfmechanisierung, Massenproduktion in Montagelinien und Automa- tisierung durch IT-Lösungen (Danjou et al., 2018). Die vierte industrielle Revolution markiert eine neue Etappe in der Transformation der Unternehmensorganisation. Während der gesamten Im- plementierung des Industrie 4.0-Phänomens wurden je nach Anwendungskontext viele Definitio- nen generiert. Der Begriff Industrie 4.0 sowie die Digitalisierung sind jedoch noch nicht einheitlich definiert. Wesentliche Bestandteile von Industrie 4.0 sind die technische Integration von Cyber- Physikalische Systeme in Produktion und Logistik und deren Vernetzung über das Internet der Dinge und Dienste (IoTS) sowie die Auswirkungen auf Wertschöpfung, Geschäftsmodelle, Arbeits- organisation und Downstream Dienstleistungen. Spezifischer und weit verbreitet ist die Definition von „Plattform 4.0“ (Obermaier, 2016), für welche der Begriff der vierten industriellen Revolution ein Synonym für eine neue Ebene der Organisation und Kontrolle der gesamten Wertschöpfungs- kette über den gesamten Lebenszyklus von Produkten ist. Grundlage dafür ist die Verfügbarkeit aller relevante Informationen in Echtzeit in einem Netzwerk in dem alle Entitäten involviert sind, welche in den Wertschöp- Internet der Menschen - Alle Netz- fung-Prozess involviert sind. Durch die Kombination von Perso- werkfunktionen berücksichtigen, dass nen, Objekten und Systemen entstehen dynamische, in Echtzeit Internetgeräte persönliche Geräte von Benutzern sein können, und nut- optimierte und sich selbst organisierende unternehmensüber- zen daher Modelle des menschlichen greifende Wertschöpfungsnetzwerke, die nach verschiedenen Verhaltens, um die Funktionsweise Kriterien wie Kosten, Verfügbarkeit und Ressourcenverbrauch dieser Geräte im Netzwerk zu bestim- men (Conti M., Passarella A., 2017) optimiert werden können. Kagermann et al. (2013) beschreiben Industrie 4.0 als eine Sammlung von sieben Konzep- ten. Intelligente Fabriken, cyber-physische Systeme, Selbstorganisation, neue Systeme für Ver- trieb und Beschaffung, neue Systeme für die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen, Anpassung an menschliche Bedürfnisse und soziale Verantwortung der Unternehmen. Hermann et al. (2014) legen die Definition von Industrie 4.0 in Bezug auf die Fähigkeit nahe, neue Produkte für die Intensivierung von Vielfalt und Komplexität mit geringen Kosten und gerin- gen Auswirkungen auf die Umwelt zu entwerfen und bereitzustellen. Das bedeutet, dass Industrie 4.0 eine Reihe von Technologien und Konzepten im Zusammenhang mit der Reorganisation der Wertschöpfungskette präsentiert (Hermann et al., 2015). 13
Zezulka et al. (2016) besagt, dass Industrie 4.0 für drei miteinander verbundene Faktoren verwendet wird; Digitalisierung und Integration von einfachen und komplexen technischen, Digi- talisierung von Produkten und Dienstleistungen, neue Marktmodelle. Alle menschlichen Aktivitä- ten sind dank Internetlösungen (IoT-Internet of Things, IoS-Internet of Services (Lasi et al., 2014; Ning/Liu, 2015) und IoP-Internet of People) miteinander verbunden. Diese Technologien unter- stützen Unternehmen, während des gesamten Lebenszyklus von Systemen miteinander kommu- nizieren und Daten des Produktionsinhabers verwenden. Moef et al. (2018) definiert er Industrie 4.0 in seinen Forschungsergebnissen, die auf der Identifizierung von Risiken, Chancen und kritischen Erfolgsfaktoren für Industrie 4.0 in KMU ba- sieren, die sich insbesondere auf die gezielte Steuerung von KMU konzentriert, dass die Industrie 4.0 ein Ansatz der industriellen Steuerung, der auf eine Echtzeit-Flusssynchronisierung und eine einheitliche und kundenspezifische Auftragserstellung (Build to Order) durch Kunden abzielt, ist. Die Entwicklung aufgrund neuer Technologien und neuer Marktmodelle unterstreicht die Notwendigkeit, neue Herausforderungen in Bezug auf Management, Fähigkeiten, Arbeitsplätze und Organisation zu identifizieren. Es wird in dem von der Europäischen Kommission veröffent- lichten White Paper (COM (2017) 2025) erwähnt, dass um die neuen Möglichkeiten zu nutzen und gleichzeitig negative Auswirkungen zu mindern, massive Investitionen in Kompetenzen und ein grundlegendes Umdenken in den Bereichen Bildung und lebenslanges Lernen erforderlich sind. Dies ist das Hauptziel des CHAIN-Projekts zur Veränderung des KMU-Geschäfts durch die Einfüh- rung von Industrie 4.0-Konzepten und die Vorbereitung einer neuen Zukunft mit strategischen Leitlinien für Hochschulstudenten. 14
4. Technologische und organisatorische Transformation Vítor Hugo Ferreira, Polytechnic of Leiria 4.1 Organisatorische Innovation Innovation ist einer der Haupttreiber der organisatori- Innovation ist die Implementierung eines schen Transformation. Es ist beinahe eine Tatsache, dass Or- neuen oder erheblich verbesserten Pro- ganisationen durch die Einführung von Innovationen in der dukts (Gut oder Dienstleistung) oder Pro- Lage sein werden, sich wachsenden Herausforderungen zu zesses, einer neuen Marketingmethode oder einer neuen Organisationsmethode stellen, erfolgreich zu sein und Ländern mit günstigen Ar- in Bezug auf Geschäftspraktiken, Arbeits- beitskosten einen Schritt voraus zu sein (Cardozo et al., platzorganisation oder Außenbeziehun- 1993). In einem OECD-Bericht (2010) wurde das Potenzial von gen. - Oslo Manual (OECD, 2005:46) Innovation für langfristiges Wirtschaftswachstum sowie des- sen entscheidende Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung und die Wettbewerbsfähigkeit von Nationen und Unternehmen hervorgehoben (Cefis/Marsili, 2006; Tellis/Prabhu/Chandy, 2009). I4.0 und seine „Hauptkomponenten“ sind Innovationen, die Unternehmen dabei helfen können, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Das Innovationsspektrum und die damit verbundenen Konzepte sind vielfältig. Die Autoren unterscheiden zwischen "Verbreitung" und "Übernahme" von Innovationen (Kimberly/Evanisko, 1981) sowie zwischen den Studien "Innovation" und "Neigung zur Innovation" (Van de Ven/Ro- gers, 1988). Obwohl sich diese Konzepte möglicherweise überschneiden, konzentrieren sich meh- rere Studien auf die Übernahme von Innovationen in Organisationen und untersuchen organisa- torische Eigenschaften, welche die organisatorische Innovation verbessern oder beeinträchtigen. Die Adaption von Innovationen soll die Generierung, Entwicklung und Umsetzung neuer Ideen oder Verhaltensweisen umfassen. Eine Innovation kann ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung, Produktionsprozesstechnologie, Struktur oder ein neues Verwaltungssystem oder Programm für Mitglieder der Organisation ein neuer Plan sein. Innovation kann daher auch als Übernahme eines Geräts, Systems, Programms, Prozesses, Produkts, einer Dienstleistung oder einer Richtlinie definiert werden, welche für die übernehmende Organisation neu sind, unabhän- gig davon, ob sie intern erzeugt oder von außen erworben wurden (Daft, 1982; Damanpour/Evan, 1984; Zaltman/Duncan/Holbek, 1973). Einige der in den vorhergehenden Kapiteln behandelten Konzepte sind Teil einer neuen Denkweise für Industrie und Unternehmen, da die Übernahme von Industrie 4.0 ein Teil eines Innovationsprozesses ist. Dieser Innovationsprozess ist jedoch nicht nur technologisch, sondern auch organisatorisch (die Übernahme dieses Rahmens ist organisatorisch Innovation). 15
In ihrer Forschung präsentieren Ram et al. (2016) die Verfeinerung des von Rogers (1995) entwickelten Innovationsprozessmodells, das sich aus den Phasen der Initiierung, Übernahme, Implementierung und Verwendung zusammensetzt und zu Leistungseffekten führt. Die Autoren definieren die Phasen des Innovationsprozesses wie Initiierung, Übernahme, Implementierung und Nutzung. Initiation ist definiert als die Phase, die darauf abzielt, einen Bedarf zu erkennen, um Lösungen zu finden, geeignete Innovationen zu identifizieren und einige zur Annahme vorzu- schlagen (Damanpour/Schneider, 2006). Die Adoptionsphase, ist für Bouwman et al. (2005) eine Entscheidungsphase, in der Unternehmen über Investitionen in Innovation reflektieren. Es ist ein Schritt, der die Bewertung der vorgeschlagenen Idee aus technischer, finanzieller und strategi- scher Sicht widerspiegelt und die Entscheidung ermöglicht, eine Idee anzunehmen und Ressour- cen für deren Erwerb, Änderung und Anpassung bereitzustellen (Damanpour/Schneider, 2006). Diese Phase durchläuft möglicherweise die Mehrheit der europäischen Unternehmen in Bezug auf Industrie 4.0. Die Implementierungsphase umfasst Rahmenstrategien, Prozessinnovation: Eine neue oder we- welche dem potenziellen Widerstand der Benutzer entgegen- sentlich verbesserte Produktions- oder wirken und die Benutzer mit den Anwendungen vertraut ma- Liefermethode. Dies beinhaltet we- chen und schulen können. Sie bilden eine Brücke, um die orga- sentliche Änderungen an Techniken, Ausrüstung und/oder Software. (OECD, nisatorische Adoptionsentscheidung in eine Reihe individueller 2005) Adoptionsentscheidungen umzusetzen (Bouwman et al. 2005). Die Nutzung ist definiert als die Phase, in der die Mitglieder ei- Marketinginnovation: Eine neue Mar- ketingmethode, die wesentliche Ände- ner Organisation beginnen, technologische Innovationen in ih- rungen im Produktdesign oder in der ren täglichen operativen Aktivitäten anzuwenden (Bouwman Verpackung, Produktplatzierung, Pro- et al. 2005). Unternehmen setzen Innovationen ein, um Leis- duktförderung oder Preisgestaltung tungsverbesserungen zu erzielen (Damanpour/Schneider, beinhaltet. (OECD, 2005) 2006). Daher hängt die Verbreitung und Adoption von I4.0 ein- Produktinnovation: Eine Ware oder deutig von der Verbreitung des Konzepts ab, aber auch von der Dienstleistung, die neu ist oder erheb- Fähigkeit der Unternehmen, die Vorteile dieses Konzepts zu er- lich verbessert wurde. Dies beinhaltet signifikante Verbesserungen bei tech- kennen. nischen Spezifikationen, Komponenten und Materialien, Software im Produkt, Einer Studie des Beratungsunternehmens Deloitte (2018) Benutzerfreundlichkeit oder anderen zufolge ist nur ein Drittel der befragten Führungskräfte sehr zu- funktionellen Eigenschaften. (OECD, versichtlich, in dieser Zeit des Wandels als Verwalter für ihre 2005) Organisation fungieren zu können. Darüber hinaus sind nur Organisatorische Innovation: Eine 14% der Befragten der festen Überzeugung, dass ihre Unter- neue Organisationsmethode in den Be- nehmen in der Lage sind, die mit Industrie 4.0 verbundenen reichen Geschäftspraktiken, Arbeits- Veränderungen umfassend zu nutzen. Und obwohl Führungs- platzorganisation oder Außenbezie- hungen. (OECD, 2005) kräfte angeben, dass ihre aktuellen Technologieinvestitionen stark von Technologien getrieben werden, die neue Geschäfts- modelle unterstützen können, geben nur sehr wenige an, dass sie ein stabiles Geschäftsmodell für Investitionen in fortschrittliche Technologie haben (Deloitte, 2018). Auf die Frage nach den 16
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