TÄTIGKEITSBERICHT DES BUNDESR ATES - Vorarlberg 2. Halbjahr 2017
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TÄT I G K E I T S B E R I C H T D E S B U N D E S R AT E S Vorarlberg Wien 2. Halbjahr 2017 1. Halbjahr 2018 B U N D E S R AT
Inhalt Grußworte der Bundesratspräsidenten Statements der Fraktionsvorsitzenden Martin Preineder, Edgar Mayer (ÖVP): Im Fokus des Bundesrates.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inge Posch-Gruska, Reinhard Todt (SPÖ): Den sozialen Zusammenhalt sichern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Monika Mühlwerth (FPÖ): Wohlbehalten in die Zukunft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Präsidentschaft Vorarlberg – Die Schwerpunkte Digitalisierung und Demokratie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Enquete: Die Zukunft der Europäischen Union. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Föderalismus stärkt Identität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Gemeinsam Perspektiven schaffen. Föderale Strukturen sind notwendig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Subsidiarität in konkrete Maßnahmen umsetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Internationale Kontakte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Präsidentschaft Wien – Die Schwerpunkte Soziale Auswirkungen der Digitalisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Digitale Zukunft sozial gerecht gestalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Armut schmerzt: Enquete gegen Armut in Kindheit und Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Von der Digitalisierung sollen alle profitieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Gedenken: Bundesratspräsident Todt gedenkt Otto Felix Kanitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Die neue Arbeitswelt sozial gestalten.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Überall ist Zukunft: Gesellschaft im digitalen Zeitalter gestalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Restitution: Bundesratspräsident Todt plädiert für Nachdenkprozess. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Internationale Kontakte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Todt: Die Digitalisierung muss sozial gerecht gestaltet werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Landeshauptmann Ludwig für Sozialpartnerschaft und Föderalismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Statistik Übersicht betreffend die Tätigkeit des Bundesrates – 2. Halbjahr 2017 | 1. Halbjahr 2018.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
VORWORT Bundesratspräsident © Parlamentsdirektion/PHOTO SIMONIS Edgar Mayer Der Bundesrat diskutiert wichtige Zukunftsthemen! Seit mehr als drei Jahren befasst sich der öster- Bundesländer und Regionen“ wurde dieses Thema reichische Bundesrat intensiv mit den Auswirkungen, intensiv diskutiert und die Länderkammer unterstrich den Chancen und Gefahren der Digitalisierung damit einmal mehr ihre europapolitische Kompetenz. für die Demokratie. Der Bundesrat hat sich die- Zielsetzung dieser Parlamentarischen Enquete war ser wichtigen Aufgabe abseits von ideologischen es, eine Debatte über die Zukunft Europas anhand oder parteipolitischen Interessen angenommen und des von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auch die Öffentlichkeit eingeladen, sich an dieser initiierten Juncker-Planes zu führen. Dabei soll- Diskussion zu beteiligen. Über die digitale Plattform te die Frage im Vordergrund stehen, in welchen www.digidem.at wurden viele Kommentare in die Politikbereichen ein Handeln der EU erforderlich ist Diskussion eingebracht, in denen Fragen wie die und welche Kompetenzbereiche besser auf Ebene der Auswirkung der Digitalisierung auf die politische und Nationalstaaten, der Regionen und der Kommunen mediale Kommunikation oder das demokratiepoli- behandelt werden können. tisch besonders sensible Thema E-Voting angespro- chen wurden. Mit diesem Themenbereich befasst sich auch die erst- Damit ist der Nachweis gelungen, dass unter mals in Wien abgehaltene 8. Subsidiaritätskonferenz Einbindung der Öffentlichkeit auch hochwertige des Ausschusses der Regionen (AdR). Diese Diskussionen möglich sind. Ein gelenkter Umgang Konferenz ist die wichtigste Veranstaltung des AdR mit der Digitalisierung ist ein wichtiger Schritt für zur Subsidiarität. Sie wird alle zwei Jahre veran- die Zukunft. Hier geht es um die Erhaltung von staltet und zielt darauf ab, die interinstitutionel- Meinungsfreiheit, Transparenz und Fairness und le Dynamik der Subsidiaritätskontrolle zu stär- damit um einen Schritt zur Erhaltung der Demokratie. ken und einen echten Dialog zwischen allen am In einem speziellen Symposium wurden die bisherig- Subsidiaritätsüberwachungsprozess beteiligten en Ergebnisse und künftige Herausforderungen der Parteien zu ermöglichen. Digitalisierung für die Politik diskutiert. Grundlage Wie Entscheidungen in der EU möglichst effizient dafür waren das vom Bundesrat herausgegebene und bürgernah getroffen werden können, war des- Grünbuch „Digitalisierung und Demokratie“ und halb auch das zentrale Thema. Die Frage, welche die Beiträge von BürgerInnen, die auf der digitalen Regierungsebene wofür zuständig ist, ist politisch Plattform eingebracht wurden. brisant. Das Subsidiaritätsprinzip in der EU soll Die Macht der im Internet stattfindenden sicherstellen, dass Entscheidungen möglichst bür- Meinungsbildung ist heute enorm. Beunruhigend gernah getroffen werden, d.h. die EU soll nur dort daran ist, dass diese Meinungsbildung dort auch tätig werden, wo die angestrebten Ziele nicht durch gelenkt oder manipuliert werden kann, sei es durch Maßnahmen auf nationaler, regionaler oder lokaler Fake News oder automatisierte Postings. Das wirft Ebene besser erreicht werden können. ernste Fragen für die Demokratie auf, wie sich Ich möchte mich abschließend auch bei allen auch im Nationalratswahlkampf bestätigt hat. Die Menschen sehr herzlich bedanken, die mich Lösung dieser Probleme ist daher letztendlich auch mit großem Engagement und Freude bei meiner eine Überlebensfrage für unsere Demokratie. Dieser Präsidentschaft unterstützt haben. Dem Bundesrat Diskussionsprozess wird im Zukunftsausschuss und war es dadurch möglich, aktuelle Zukunftsthemen zu im Verfassungsausausschuss des Bundesrates weiter diskutieren und Lösungsvorschläge zu erarbeiten, die behandelt und auf dieser Basis werden dann Anträge an wichtig für unser Land sind. den Nationalrat und die Bundesregierung formuliert. Ein weiterer großer Schwerpunkt meiner Präsidentschaft waren die Herausforderungen, die Österreich im Rahmen der EU zu bewältigen hat. In der Enquete „Die Zukunft der EU – aus Sicht der 4
Bundesratspräsident © Parlamentsdirektion/PHOTO SIMONIS Reinhard Todt Die Basis für ein gutes Miteinander Mir wurde die Ehre zuteil, von 1. Jänner bis 30. Juni 2018 In meiner Präsidentschaft beschäftigte ich mich mit zum zweiten Mal das Amt des Bundesratspräsidenten der sozialen Frage auf österreichweiter Ebene. Hier steht auszuüben. Das ehrt mich, weil der Bundesrat als Teil der für mich fest: Um die soziale Frage für die Zukunft zu österreichischen Gesetzgebung und als Länderkammer beantworten, müssen wir einen Fokus auf die digita- die Rechte der Länder wahrnimmt. Damit gewähr- le Dimension legen. Denn obwohl die fortschreitende leisten wir die Grundwerte und Grundrechte für alle Digitalisierung bereits in aller Munde liegt, läuft die Bewohnerinnen und Bewohner in unserem Land. Wir Diskussion nicht selten ins Leere, wenn es darum geht schaffen damit die Basis für ein gutes Miteinander und soziale Verantwortung zu übernehmen. Vom Fortschritt für den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. der Technik und der Digitalisierung sollen aber alle „Die digitale Zukunft sozial gerecht gestalten“ – mit Menschen etwas haben. Neue Technologien sollen der diesem Leitsatz gestaltete ich meine Präsidentschaft. Allgemeinheit nutzen und nicht nur wenigen Profiteuren. Als aus Wien entsandter Präsident des Bundesrates Die zunehmende Digitalisierung ist im Alltag omni- freut es mich, dass unsere Bundeshauptstadt hier präsent. Für Jung und Alt. Im Privatleben sowie im Einiges vorlegt. Berufsleben. Ich beobachte hier allerdings, dass es eine große 2018 wurde Wien zum neunten Mal in Folge zur lebens- Verunsicherung in der Gesellschaft gibt: So praktisch wertesten Stadt der Welt gekürt. Damit steht Wien seit zum Beispiel auf der einen Seite die Vorteile eines 2009 durchgehend an der Spitze des Mercer-Rankings. Smartphones sind, schürt die Digitalisierung auf der Da macht es Sinn, sich die Frage zu stellen: Was anderen Seite die Angst um den Arbeitsplatz. Wir alle bedeutet lebenswert? Wien bietet eine top Strom- kennen das Beispiel der Kassiererin im Supermarkt, und Wasserversorgung, ein sehr gutes öffent- die durch eine Maschine ersetzt wird. Diese Angst ist liches Verkehrsnetz, tolle Freizeitangebote von der verständlich. Denn obwohl Österreich zu den reichsten Gastronomie über Kunst und Kultur. Aber: Lebenswert Ländern der Welt zählt, ist Armut noch immer ein bedeutet mehr als das. Lebenswert ist eine Stadt, wenn reales Problem. Ich habe mich in meiner Präsidentschaft sie das Leben der Menschen, die in ihr leben, wert- insbesondere mit der Kinder- und Altersarmut ausein- schätzt – und hier kommen wir zu einer sozialen Frage. andergesetzt. Es handelt sich dabei um eine Gruppe von Es macht mich stolz, dass Wien diese soziale Frage einer halben Million schutzbedürftiger Menschen. mit einem Sicherheitsnetz beantwortet. Ein Netz, das Auch wenn wir im internationalen Vergleich relativ wir nicht durchlöchern, sondern Tag für Tag dichter gesehen besser abschneiden, steht für mich eines fest: weben müssen. Das fängt bei der Mindestsicherung Jeder Mensch, der von Armut betroffen oder gefährdet an und geht weiter mit dem sozialen Wohnbau über ist, ist einer zu viel. das Angebot der Kinderbetreuung bis hin zur gratis Wie es Bruno Kreisky schon sagte: „Man kann Umstände Nachhilfe. Auch im Bereich der digitalen Welt steht zur Kenntnis nehmen, darf aber nicht bereit sein, sie Wien für eine offene Stadt: mit dem Open Government hinzunehmen.“ stellt die Stadt Wien erhobene Daten online zur Wie können wir unsere digitale Zukunft sozial gerecht Verfügung. Die digitale Verwaltung ist in Wien so gestalten? Ich hoffe, der Antwort auf diese Frage mit gut ausgebaut wie in kaum einer anderen Stadt. Wien meiner Präsidentschaft eine Spur näher gekommen zu beteiligt sich mit den Städten Lyon und München an sein. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine spannen- dem gemeinsamen EU-Projekt „Smarter Together“. Mit de Lektüre! dem Public WLAN wird die Stadt Schritt für Schritt mit freiem Internet ausgestatten. Diese Maßnahmen Ihr Bundesratspräsident Reinhard Todt sind ein gutes Beispiel dafür, wie die Digitalisierung der Allgemeinheit zu Nutzen gemacht werden kann. Sie gestalten sich daher als wichtige Beiträge, um unsere digitale Zukunft sozial gerecht zu gestalten. 5
STATEMENTS DER FRAKTIONSVORSITZENDEN Ein erfolgreiches Jahr Die Fraktionen ziehen Bilanz Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit hatten, sich © Parlamentsdirektion/PHOTO SIMONIS © Parlamentsdirektion/PHOTO SIMONIS über eine Onlineplattform aktiv einzubringen und sich so am Diskussionsprozess zu beteiligen. Diese Einbindung kann als sehr gelungen bezeichnet werden und bestätigt, dass damit hochwertige Diskussionen möglich sind. Der Bogen der Themenbereiche, die im Bundesrat weiters diskutiert werden, spannt sich vom Juncker- Plan, der in der Enquete „Die Zukunft der EU – aus Sicht der Bundesländer und Regionen“ behandelt wurde, bis zur erstmals in Wien stattgefundenen Martin Preineder Edgar Mayer Subsidiaritätskonferenz des Ausschusses der Regionen Vorsitzender der Präsident des Bundesrates (AdR). Dabei stand im Fokus, wie Entscheidungen in der Bundesratsfraktion der ÖVP EU möglichst effizient und bürgernah getroffen werden können. Das Subsidiaritätsprinzip soll auch sicherstellen, Im Fokus des Bundesrates dass die EU nur dort tätig werden soll, wo die ange- Der Bundesrat hat einer inzwischen guten Tradition strebten Ziele nicht durch Maßnahmen auf nationaler, folgend mit Präsidenten Edgar Mayer aus Vorarlberg regionaler oder lokaler Ebene erreicht werden können. und Reinhart Todt aus Wien wieder wichtige Themen Auch in der Enquete „Älter, Jünger, Ärmer? Zukunfts- im Bereich der Digitalisierung aufgegriffen und in strategien gegen Armut in Kindheit und Alter“ wur- Form von spannenden Symposien im Parlament wie den von namhaften Expertinnen und Experten wich- „Digitalisierung und Demokratie“ und „Digitalisierung, tige soziale Herausforderungen unserer Zeit diskutiert sozial gerecht gestalten“ behandelt. Damit fand die und so eine Plattform geboten. Insbesondere ging Strategie des Bundesrates eine Fortsetzung, sich mit es darum, die Politik in die Verantwortung zu neh- aktuellen Herausforderungen der heutigen Zeit zu befas- men, damit die Gesellschaft nicht auseinanderdriftet. sen. Dabei wurden mit vielen großartigen Experten Bundesratspräsident Reinhard Todt hat u.a. am Ende Lösungsvorschläge erarbeitet, die wichtige Impulse im der Enquete betont, dass Armut ein gesellschaftliches politischen und gesellschaftlichen Prozess darstellen. Problem sei und durch soziale Maßnahmen gelöst Besonders erwähnenswert ist, dass dabei auch die werden könne. Kammer, die Stabilität und Vision miteinander ver- © Parlamentsdirektion/PHOTO SIMONIS © Parlamentsdirektion/PHOTO SIMONIS bindet, können wir über den Tellerrand der hekti- schen Tagespolitik hinweg politische Agenden verfol- gen. So ist der österreichische Bundesrat seit geraumer Zeit Vordenker im Bereich der Digitalisierung. Als Präsident des Österreichischen Bundesrates hat Reinhard Todt einen wesentlichen Aspekt des gesell- schaftlichen Zusammenlebens im digitalen Wandel fokussiert: Den sozialen Zusammenhalt. Unter dem Inge Posch-Gruska Reinhard Todt Motto „Digitale Zukunft sozial gerecht gestalten“ Vorsitzende der Präsident des Bundesrates wurden Strategien diskutiert, die Digitalisierung Bundesratsfraktion der SPÖ der Allgemeinheit anstatt wenigen Profiteuren zu Nutzen machen. Als sozialdemokratische Fraktion Den sozialen Zusammenhalt sichern ist uns wichtig die Kinder- und Altersarmut beson- Der Länderkammer kommt im Österreichischen ders hervorzuheben. In Österreich sind über eine Parlament eine besondere Verantwortung zu. Als halbe Million Kinder und Pensionierte durch Armut 6
gefährdet. Armut ist kein Schicksal, es liegt in Abschließend ist festzustellen, dass sich die unserer Verantwortung sie zu verhindern. In einer Verhältnisse im Österreichischen Bundesrat durch Zeit, in der soziale Kälte und Austeritätspolitik auf die Nationalrats- und Landtagswahlen geän- Kosten der Ärmsten zur politischen Tagesordnung dert haben. Bisher wurde die Zusammenarbeit im gehören, macht Todt soziale Gerechtigkeit und den Bundesrat stets als konstruktiv gelobt. Dass der Zusammenhalt der Menschen zur obersten Priorität. Innenminister dem Bundesrat als Kontrollorgan Edgar Mayer beleuchtete in seiner Präsidentschaft nicht mehr Rede und Antwort stehen möchte und digitale Partizipationsmöglichkeiten. Zudem hat sich bis auf Weiteres vertreten lässt, zeugt aller- er den Fokus der 8. Subsidiaritätskonferenz des dings von Geringschätzung. Die sozialdemokrati- Ausschusses der Regionen darauf gelegt, wie man sche Fraktion hat indessen auf 21 von 61 Mitgliedern Regionen besser in Entscheidungen der EU einbinden aufgestockt und stellt damit mehr als ein Drittel kann. Das ist ein wertvoller Beitrag zum Verständnis der Stimmen. Dies ist vor allem dann relevant, der EU. Die Subsidiarität ist ein wichtiges Prinzip, wenn es um die Kompetenzen der Länder geht. das nicht als Nationalismus-Keule missbraucht Aber auch im Bereich der Verfassung und einfacher werden darf. Wichtige Herausforderungen müssen Bundesgesetze kommt unserer Fraktion dadurch ein wir gemeinsam angehen. Dass z.B. eine ungarische vergrößerter Handlungsspielraum zu, dem wir uns Erntehelferin in Österreich drei Euro pro Stunde ver- bei Notwendigkeit bedienen werden. dient, ist nicht akzeptabel. Als sozialdemokratische Fraktion fordern wir ein klares Bekenntnis gegen Lohn- und Sozialdumping. Wohlbehalten einer dringenden Korrektur. Die Einführung von © Parlamentsdirektion/PHOTO SIMONIS in die Zukunft Deutschförderklassen ist nur ein erster Schritt. Das Parlament hat sich verändert. Nicht Die Übernahme des EU-Ratsvorsitzes mit 1. Juli 2018 nur räumlich, son- wird Österreich vor vielfältige Herausforderungen dern auch inhalt- stellen. Die Frage des Asylwesens in der EU muss lich. Wir sind aus geklärt werden; hier zeichnet sich vorerst keine ein- den altehrwürdigen heitliche Lösung ab. Viele Staaten lehnen ebenso wie Räumen des Gebäudes die österreichische Regierung ein Verteilen nach an der Ringstraße einem Schlüssel ab. Die Sicherung der Außengrenzen Monika Mühlwerth in die neu gebauten wird ebenso ein Thema sein wie die Frage des Vorsitzende der Pavillons im Bereich Westbalkans und seiner Staaten. Der „BREXIT“ Bundesratsfraktion der FPÖ der Hofburg gezogen. geht in seine Endphase und die endgültigen Verträge Mit dem Ergebnis für den Austritt 2019 fallen in die österreichische der Nationalratswahl 2017 wurde die Möglichkeit Ratspräsidentschaft. geschaffen, eine neue Koalition, bestehend aus ÖVP und FPÖ, zu bilden. Die neue Regierung hat es sich Die Ausgaben dürfen nicht erhöht werden und zum Ziel gesetzt, Österreich nunmehr wohlbehalten die EU wäre gut beraten, an sich selbst zu sparen. in die Zukunft zu bringen. Außerdem muss die EU definieren, welche Aufgaben sie künftig wahrnehmen soll, ohne jedes Detail im Die Digitalisierung schreitet weiter voran und wir Zusammenleben der Mitgliedstaaten regeln zu wollen. müssen die Menschen in Österreich fit für die Zukunft machen. Dabei ist die Bildung ein zentraler Das wir keine leichte Aufgabe sein, denn wir alle wis- Bestandteil. Bildung wird künftig noch viel mehr sen aus Erfahrung, dass man an einmal Eingeführtem eines der höchsten Güter sein als heute. Daher gilt nur allzu gerne festhält. Es wird also eine spannende es, allen Schülern das nötige Rüstzeug zu geben, aber Ratspräsidentschaft werden. auch für all jene die Voraussetzungen zu schaffen, die schon am Eingang zur Bildung scheitern, weil Ich bleibe nach wie vor bei meinem Credo, dass die sie die deutsche Sprache nicht beherrschen. Die EU nur im Einklang mit den Bürgern weiterhin Maßnahmen der Bundesregierung werden von der Bestand haben kann, aber keinesfalls ohne oder sogar Opposition abgelehnt; wenn aber nach dem bishe- gegen sie. rigen System ein Viertel aller Schüler nach neun Schon Victor Hugo (1802-1885) sagte: „Genau zu Schuljahren nicht ausreichend lesen, schreiben und wissen, wieviel von der Zukunft in die Gegenwart ein- rechnen kann, ist etwas schiefgelaufen und bedarf gehen kann, ist das Geheimnis einer guten Regierung.“ 7
SCHWERPUNKTTHEMA DIGITALISIERUNG Vortrag zum Thema „Der große Schwindel. Über die mediale Derealisierung der Politik“ © Parlamentsdirektion/Raimund Appel Digitalisierung und Demokratie „Digitalisierung und Demokratie“ war einer der Schwerpunkte der Bundesratspräsidentschaft von Edgar Mayer. Dazu wurde ein neues Grünbuch – das mittlerweile dritte des Bundesrates zum Thema – erstellt. Vor allem aber wurde die Bevölkerung eingeladen, sich an diesem Prozess aktiv zu beteiligen. Die enthaltenen Beiträge von ExpertInnen aus den das besagte Grünbuch diente. Zur Beteiligung eingela- unterschiedlichen Feldern reichen von der Bedrohung den waren alle BürgerInnen, die zu dem Themenbereich durch Hackerangriffe bis zu digitaler Bildung, von etwas beitragen mochten. Die Ergebnisse flossen in E-Voting bis zu neuen Beteiligungsmöglichkeiten und das weiterführende parlamentarische Symposium am von digitalen Amtswegen bis hin zur Zukunft der 4. Oktober 2017 im österreichischen Bundesrat und in Medien, Stichwort Social Media und Fake News. die Arbeit seiner Ausschüsse ein. Als nächsten Schritt initiierte Edgar Mayer eine faktische Onlinebeteiligungsmöglichkeit für alle Interessierten: Mayer für rege BürgerInnenbeteiligung die öffentliche Konsultation und Diskussion zu und Forcierung des Themas „Digitalisierung und Demokratie“ auf einer eigens ein- „Die Digitalisierung bietet jedem Einzelnen heute gerichteten Plattform, wobei als Diskussionsgrundlage neue Instrumente und Verfahren. Sie schafft beson- 8
ders politischen Institutionen digitale Möglichkeiten Wissenschaftsminister Harald Mahrer nannte in der Information und der direkten Mitwirkung von seiner Begrüßungsrede unter anderem das Thema Bürgerinnen und Bürgern. Auch der Bundesrat Datensouveränität als wichtige Aufgabe für die Politik. nützt diese Möglichkeiten und gibt ab heute allen Mit der Frage, wie sehr das Internet und die neuen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, sich online Medien die Rahmenbedingungen der Verbreitung an der Diskussion über Chancen und Gefahren der Digitalisierung für die Politik zu beteiligen“, sagte Bundesratspräsident Edgar Mayer im Rahmen der Kick-off-Veranstaltung zur Onlinekonsultation im Palais Epstein. „Es ist in unser aller Interesse, einerseits Mittel zur Förderung der Medienkompetenz und der digitalen Bildung zur Verfügung zu stellen und andererseits die qualitätsvolle Medien- und Meinungsvielfalt zu stär- ken“, so Mayer zum digitalen Kommunikationsumfeld. Diese Medienförderung dürfe sich nicht alleine auf traditionelle Medien beschränken, sondern müsse auch Onlinemedien umfassen. Im Hinblick auf die bevorstehende Nationalratswahl wies er darauf hin, dass der Einfluss sozialer Medien noch nie so groß war wie jetzt – mit offenen Auswirkungen. Der Bundesratspräsident unterstrich dabei seinen Wunsch, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger an der Onlinekonsultation beteiligen und appellierte an Meinungsmacher, diesen wichtigen Zugang in der Öffentlichkeit zu forcieren. Digitalisierung braucht Demokratie Bereits seit drei Jahren befasst sich der österreichi- sche Bundesrat intensiv mit den Auswirkungen, den Chancen und Gefahren der Digitalisierung für die Demokratie. In einem eigenen Symposium wurden die bisherigen Ergebnisse und künftige Herausforderungen der Digitalisierung für die Politik diskutiert. Grundlage dafür waren das vom Bundesrat herausgegebene Grünbuch „Digitalisierung und Demokratie“ und Präsident des Bundesrates Edgar Mayer bei der die Beiträge von BürgerInnen, die auf der digitalen Eröffnungsansprache © Parlamentsdirektion/Raimund Appel Plattform www.digidem.at eingebracht werden konn- ten. Dieser Diskussionsprozess werde noch weiterge- von Informationen wie auch von Desinformationen hen, sagte der Bundesratspräsident Edgar Mayer. verändert hat, befasste sich das erste Panel von ExpertInnen, die auch am Grünbuch mitgewirkt hat- ten. Die Vortragenden beleuchteten dabei vor allem „Die Macht der im Chancen und Gefahren für freie Meinungsbildung und demokratische Prozesse. Internet stattfindenden Politik kann bei Gefährdung freier Meinungsbildung ist Meinungsbildung nicht abseits stehen Die Macht der im Internet stattfindenden heute enorm.“ Meinungsbildung sei heute enorm, erklär- te Bundesratspräsident Edgar Mayer in seiner Edgar Mayer Eröffnungsrede zum Symposium. Beunruhigend daran sei, dass diese Meinungsbildung dort auch Auf Basis dieser weiteren Beratungen werde der gelenkt oder manipuliert werden kann, sei es durch Bundesrat dann Anträge an den Nationalrat und die Fake News oder automatisierte Postings. Das werfe Bundesregierung formulieren, kündigte Mayer an. ernste Fragen für die Demokratie auf. Die Lösung 9
SCHWERPUNKTTHEMA DIGITALISIERUNG dieser Probleme sei daher letztendlich auch eine umgehen. Eine der Debatten, die laut Mahrer Überlebensfrage für unsere Demokratie. viel intensiver geführt werden müsse, betrifft die Nach Meinung mancher ExpertInnen sei man bereits Datensouveränität der BürgerInnen. Jede und jeder mitten in einem Informationskrieg. Hier können gebe im Internet ständig Daten von sich preis, die Politik und Gesellschaft nicht teilnahmslos abseits von Unternehmen gespeichert und ausgewertet wer- stehen. Vielmehr gelte es, aktiv einzugreifen, damit den. Die Diskussion darüber, wer welche Daten über nicht am Ende die Demokratie als erstes Opfer des wen sammelt und was damit geschieht, stelle daher Informationskrieges zu betrauern sei, sagte Mayer. Der eine große gesellschaftspolitische Herausforderung österreichische Bundesrat habe sich dieser wichtigen dar, sagte der Wissenschaftsminister. Sie berühre Aufgabe abseits von ideologischen oder parteiischen auch die Debatte über notwendige Erweiterungen Interessen angenommen und auch die Öffentlichkeit ein- des Grundrechtekatalogs. Mahrer rief zu einem offe- geladen, sich an dieser Diskussion zu beteiligen. Mayer nen Diskurs über den digitalen Wandel auf, in den freute sich besonders darüber, dass der Nachweis gelun- möglichst viele gesellschaftliche Gruppen, wie etwa gen sei, dass unter Einbindung der Öffentlichkeit auch AkteurInnen aus den sozialen Netzwerken aber auch hochwertige Diskussionen möglich sind. Ein gelenkter aus Kunst und Kultur einbezogen werden sollten. Umgang mit der Digitalisierung sei ein wichtiger Schritt für die Zukunft. Hier gehe es um die Erhaltung von Veit Dengler: Neue Medien führen Meinungsfreiheit, Transparenz und Fairness und damit zu neuer Informationsunsicherheit um einen Schritt zur Erhaltung der Demokratie. Medienexperte Veit Dengler verglich die gesell- schaftlichen Auswirkungen des Internets mit der Mahrer: Digitale Demokratie Kommunikationskrise, die der Buchdruck im Europa braucht Datensouveränität des 16. und 17. Jahrhunderts auslöste. Auch heute Wissenschaftsminister Harald Mahrer hob aus- entstehe durch eine vorhin unbekannte Fülle an drücklich das Engagement des Bundesrates hervor, verfügbaren Informationen, die sich gleichzeitig der wenn es darum gehe, Debatten über gesellschaft- Überprüfbarkeit entziehen, Informationsunsicherheit lich relevante Themen anzustoßen. Die Frage, was und eine „Derealisierung“ des politischen Diskurses. die Digitalisierung für die Demokratien bedeute, sei Das erzeuge einen vorübergehenden „kollektiven ein wichtiges Zukunftsthema. Die technologische Schwindelanfall“, wie Dengler es formulierte. Früher Entwicklung erlaube einerseits die Ausweitung par- hätten sich über lange Zeiträume bestimmte Regeln tizipatorischer Prozesse. Andererseits sei das kein für den Umgang mit Informationen herausgebildet. Automatismus, sondern immer davon abhängig, wie Das Internet habe diese teilweise wieder außer Kraft Menschen mit den neuen digitalen Technologien gesetzt. Angesichts der gleichzeitig enorm gestiegenen Bundesminister Harald Mahrer Veit Dengler Fotos © Parlamentsdirektion/Raimund Appel 10
Möglichkeiten zur Überwachung und Manipulation eine grundsätzliche Neustrukturierung zu fördern. der WählerInnen könne man sich jedoch nicht dar- Moderne Medienförderung müsse daher über reine auf verlassen, dass das System sich wieder von selbst Presseförderung hinausgehen und auch digita- einpendele. Dengler sah die Gefahr, dass sich die le Medien einbeziehen. So sollten beispielsweise Menschen einer neuen Tyrannei freiwillig unter- BloggerInnen, unabhängige Medienprojekte oder werfen. Gefordert seien daher Medienkompetenz partizipative BürgerInnenmedien unterstützt wer- und ein neues System der Machtverteilung und den, um demokratiepolitisch wichtige Diskurse zu Machtkontrolle. fördern. Paul Murschetz: Medienförderung bleibt Wolf Schünemann: Soziale Medien wichtige demokratiepolitische Aufgabe des Staates verändern Wahlkämpfe Paul Murschetz vom Institut für Medien- und Wolf Schünemann von der Universität Hildesheim Kommunikationswissenschaft an der Alpen-Adria- beleuchtete die Rolle von sozialen Medien in Universität Klagenfurt ging unter dem Gesichtspunkt Wahlkampagnen. Welche Ausmaße der digitale der Medienökonomie der Frage nach, was eine Strukturwandel der Öffentlichkeit angenommen effektive staatliche Medienförderung leisten soll hat und welche neuen Mobilisierungsmöglichkeiten und kann. Sie müsse dort ansetzen, wo er bietet, habe sich bei Protestbewegungen und Marktmechanismen allein meist nicht greifen, um politischen Kampagnen schon vielfach gezeigt. ein ausreichend differenziertes Medienangebot zu Schünemann verwies auch darauf, dass gegenüber sichern, erklärte er. Medienförderung stelle damit früheren hochgesteckten Erwartungen derzeit zuneh- eine eminente demokratie- und kulturpolitische mend die Zweifel an der Qualität der politischen Aufgabe und auch Verpflichtung des Staates dar, bei der Beteiligung und Auseinandersetzung via Internet es darum gehe, Medien- und Meinungsvielfalt und ein in den Vordergrund getreten sind. Derzeit erfolge qualitativ anspruchsvolles Medienangebot zu stärken. eine Neubewertung der Onlinekommunikation und Der digitale Wandel stelle jedoch auch den Medienmarkt ihrer Vor- und Nachteile, welche laut Schünemann vor völlig neue Herausforderungen. Kritisch bewerte- eine ungefilterte Onlinekommunikation tendenziell te Murschetz in diesem Zusammenhang das der- infrage stelle. Er warnte in diesem Zusammenhang zeitige Fördermodell in Österreich, das aus seiner vor Hysterie und einer Überbewertung des Einflusses Sicht nicht ausreiche, um ein effektives, faires und von Fake News oder Social Bots. Die Politik soll- innovatives Medienökosystem sicherzustellen. Der te aber sehr wohl ordnend eingreifen und den österreichische Medienmarkt tendiere traditionell BetreiberInnen der Social Media Vorgaben machen, zu Oligopolen. Hier sei die Politik gefordert, auch die zu einem echten Wettbewerb führen. Paul Murschetz Wolf Schünemann 11
SCHWERPUNKTTHEMA DIGITALISIERUNG Myriam Dunn Cavelty: Cybersicherheit ten und letztlich ihre Aufgabe als Souverän eines muss auch Schutz der freien Meinungsbildung sein demokratischen Staates wahrnehmen zu können. Myriam Dunn Cavelty, vom Center for Security Für Swertz ergaben sich daher einige Empfehlungen Studies an der ETH Zürich befasste sich unter dem an den Gesetzgeber. Mit Änderungen bestehender Titel „Die Wahrheit stirbt zuerst“ mit moderner Gesetze wäre es seiner Ansicht nach möglich, die Informationskriegsführung und den Gefahren der passenden Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Verbreitung von Desinformationen. Cybersicherheit pädagogische Institutionen die wichtige Aufgabe sei lange Zeit nur unter dem Gesichtspunkt der der Medienbildung mit digitalen Medien betreiben Sicherung von sensiblen Infrastrukturen vor können. Das betreffe Kindergärten und Schulen Cyberattacken betrachtet worden. Erst in jüngster ebenso wie Jugendarbeit und Erwachsenen- und Zeit wurde man auf die Gefahr aufmerksam, dass Elternbildung. Wichtig sei es auch, Medienpädagogik staatliche Apparate auch versuchen können, die auf universitärer Ebene zu verankern. freie Meinungsbildung nicht nur in der eigenen Im Anschluss standen Expertenvorträge über Gesellschaft, sondern auch in anderen Ländern zu E-Voting, E-Government, Transparenz und Partizipation manipulieren. Diesen Aspekt müsse eine wirksa- auf dem Programm. Wesentliche Diskussionspunkte me staatliche Cybersicherheitsstrategie beachten. bei der darauf folgenden abschließenden Diskussion Notwendig sei nicht nur ein sorgfältiger Umgang mit waren für die rund 80 TeilnehmerInnen aus Politik kritischen Daten und ein höheres Bewusstsein für und Interessenvertretung, Verwaltung, Wirtschaft Datensicherheit. Erforderlich seien auch Strategien und Wissenschaft etwa das E-Voting, aber auch zur Abwehr von Desinformationen, mit denen Partizipationsprozesse, das Thema Fake News AkteurInnen von außen versuchten, demokratische und Kontrollsysteme sowie Klarnamenpflicht und Prozesse und freie Meinungsbildung zu behindern. Bildungsfragen. Neben Universitäten der unterschiedli- chen Fachrichtungen und VertreterInnen aus dem E- und Christian Swertz: Medienerziehung IT-Bereich waren etwa auch Sozialpartner, ehemalige muss gesetzlich verankert werden und aktive PolitikerInnen der Landes- und Bundesebene Die Erziehung des demokratischen Souveräns als samt BundesrätInnen und Nationalratsabgeordneten zentrale Aufgabe der Medienbildung stellte Christian vor Ort. Swertz vom Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien in den Mittelpunkt seiner E-Voting: Nutzenabwägung einerseits, Ausführungen. Das Internet eröffne Chancen der Zweifel an Umsetzbarkeit andererseits Partizipation und der persönlichen Entfaltung, damit Erich Neuwirth, Professor der Fakultät für Informatik Menschen ihren Platz in der Gesellschaft gestal- der Universität Wien, referierte seinen Standpunkt zu Myriam Dunn Cavelty Christian Swertz Fotos © Parlamentsdirektion/Raimund Appel 12
„E-Voting: Nutzen und Gefahren“. Konkret zeigte und die Politik nicht nur mit WissenschaftlerInnen er sich skeptisch bei der Frage nach Belegbarkeit und InteressenvertreterInnen, sondern auch direkt der korrekten Stimmabgabe. Aus seiner Sicht sei es mit Betroffenen in Austausch treten könne. Kovar auch schwierig, beim E-Voting etwa die Vorgaben konstatierte, dass Informationen bei politischen des Verfassungsgerichtshofes zu erfüllen, theoreti- Diskussionen derzeit nicht in ausreichendem Maß sche Manipulationsmöglichkeiten auszuschließen. ausgetauscht werden, was allerdings weniger an den Außerdem seien die Einhaltung der Grundprinzipien fehlenden Instrumenten liege, als vielmehr an einem der geheimen und anonymen Wahl, ebenso wie der noch nicht gelernten Umgehen mit den digitalen für E-Voting erforderliche technische Wissensstand Optionen. Für den Parlamentarismus sah er vonseiten aller BürgerInnen ad hoc nur schwer realisierbar. der Geschäftsordnung keine Behinderung, informelle Neuwirth schloss nicht aus, dass Internetwahlen auch in formelle Vorgänge zu integrieren. Daher gelte es, in Österreich in Zukunft in Frage kommen. Diese Prozedere zu entwickeln, um die Digitalisierung, derzeit einzusetzen hielt er allerdings für gefähr- die in der Zivilgesellschaft schon vorangeschrit- lich und verwies auf die große Herausforderung, ten ist, auch in der Politik zu nutzen. Dadurch dass Wahldaten einerseits verifizierbar sein müssten, könne Österreich im internationalen Vergleich einen andererseits die Anonymität zu garantieren sei. Dem Standortvorteil erlangen. schlossen sich auch DiskussionsteilnehmerInnen wie etwa Bundesrat Reinhard Todt an. Auch, dass der Fehlen nachhaltiger Gang zur Wahlurne an sich ein symbolischer Akt sei Onlinebeteiligungsprozesse und dieser nicht zu einem „voting alone“ vor dem PC Auch für Ursula Seethaler, Vorstandsvorsitzende werden dürfe, wurde in der Diskussion angesprochen. von Liquid Participation, fehlte es an nachhaltigen Onlinebeteiligungsprozessen. Sie unterschied in ihrem Digitalisierung als Chance für mehr Vortrag Top-down- und Bottom-up-Strategien. Bei Transparenz und BürgerInnenbeteiligung den Top-down-Strategien erkannte sie in Österreich Auf die Möglichkeiten zu OnlinebürgerInnenbetei- bereits Fortschritte, allerdings vermisste sie genaue ligungen ging Andreas Kovar, geschäftsführender Definitionen von Zielsetzungen, die verfolgt werden Gesellschafter der Kovar & Partners GmbH, ein. Als sollen. Bei Bottom-up-Strategien müsse vor allem wichtigste Vorteile von gesteigerter E-Partizipation darauf geachtet werden, dass Tools verwendet wer- erachtete er, dass es zu einem deutlichen Anstieg den, die an die jeweiligen E-Partizipationsformate in der Akzeptanz von Entscheidungen komme, angepasst werden können. Derzeit gebe es eine wenn BürgerInnen mitentscheiden können, kurz- vielfältige Auswahl an technischen Tools für bei- fristig auf Entwicklungen reagiert werden könne spielsweise NGOs oder Gemeinden, wodurch die Erich Neuwirth Andreas Kovar 13
SCHWERPUNKTTHEMA DIGITALISIERUNG Experimentierfreudigkeit der jeweiligen Institution Liquid Democracy, ein. Die „digitale Spaltung“, ausschlaggebend für die Auswahl der Anwendungen wonach die Medienkompetenz von Einkommen und sei. Hier einen klaren Kriterienkatalog festzu- Bildungsgrad abhängt, müsse durch bildungspolitische legen, würde auch ein wichtiger Impulsgeber für Maßnahmen aufgehalten werden. Außerdem fehle es ProgrammentwicklerInnen sein. Die Politik sei daher Parteien und Parlamenten an Mut, digitale Plattformen gefordert, klare Standards dafür aufzustellen, was nicht mehr nur als reine Distributionsmedien zu verste- Gemeinden oder Zivilgesellschaft benötigen, um hen. Nicht zuletzt brauche es verbindliche Verfahren zur nachhaltige Onlinebeteiligungsprozesse zu schaffen. digitalen Beteiligung, um eine dynamische Demokratie zu schaffen. Digitalisierung schafft neue Möglichkeiten zur Transparenz Digitale Gesellschaftsprozesse: Digitalisierung würde neue Möglichkeiten zur Effektivierung und Einbindung von NutzerInnen Transparenz schaffen, sagte Robert Harm von open3, „App statt Amt?“, fragte Maximilian Schnödl, dem Verein zur Förderung von openSociety, openGo- Chief Operating Officer von Accela und vernment und openData. Informationstransparenz Aufsichtsrat im Bundesrechenzentrum, in seinem sei ein wichtiger Faktor, um das Vertrauen in demo- Vortrag. Er plädierte für digitale Transformation kratische Prozesse zu stärken. Daten seien ein wich- von Behördenwegen, wodurch eine deutliche tiges Gut, von dem mehr benötigt würde, schließlich Effektivierung dieser Prozesse entstehen würde. sei Information auch ein öffentliches Gut, unter- Beispiele aus den USA oder Dubai würden zei- strich er und plädierte daher für Open Government gen, dass eine solche Transformation von vielen Data, wonach eine proaktive Informationsfreigabe Behördenwegen hin zu einer Erledigung im Internet durch den Staat umgesetzt werden solle. Lediglich vollzogen werden könne. Für Österreich ortete er wenn dadurch Privatsphäre und Sicherheit bedroht Nachbesserungsbedarf in verschiedenen Punkten. werden, dürfe Information zurückgehalten werden. Bei Standortfragen wie bei Betriebsgründungen, Hierzu wäre ein Informationsfreiheitsgesetz nötig, Baubewilligungen und Steuererklärungen hinke das Regelungen für Informationen festlege, wenn Österreich im internationalen Vergleich noch hin- diese nicht veröffentlicht werden dürfen. terher. Bei BürgerInnenservices war Österreich mit der Plattform help.gv.at lange Spitzenreiter im inter- Digitale Spaltung nationalen Vergleich, habe hier aber den Anschluss muss überwunden werden verpasst und müsse sich auf eine Weiterentwicklung Für Liquid Democracy trat Moritz Ritter, konzentrieren. Generell gelte es auch, Innovationen Geschäftsführer und Vorstandsmitglied des Vereins im Hinblick auf digitale Transformation verstärkt zu Ursula Seethaler Robert Harm 14
tale Welt übertragen würden, anstatt sie zu analysieren und in Hinblick auf die Digitalisierung weiterzuentwickeln. Man könne hier bei Usability und der Einbindung von UserInnen viel von kommerziellen Plattformen lernen. Die öffentliche Verwaltung habe zwar keine Konkurrenz zu befürchten, müsse aber auch in der digitalen Entwicklung handlungsfähig bleiben sowie Prozesse einfacher machen. Dabei müssten die Innovationskraft und Bedürfnisse von BürgerInnen berücksichtigt wer- den. Wichtig sei aber, dass Datenschutz und Freiwilligkeit der Angebote stets bewahrt blieben, um das Vertrauen in öffentliche Instanzen zu erhalten. Abschließende Diskussion Neben dem E-Voting wurden in der abschließenden Diskussion etwa auch Bundesratspräsident Edgar Mayer und Bundesminister Harald Mahrer im Partizipationsprozesse, das Thema Fake Gespräch Fotos © Parlamentsdirektion/Raimund Appel News und Kontrollsysteme sowie eine Klarnamenpflicht und Bildungsfragen fördern. Außerdem biete die Digitalisierung Chancen thematisiert. Partizipation brauche unterschiedlich- für die öffentliche Hand, effizientere Services anzu- ste Formen und jedenfalls Verbindlichkeit, meinte bieten und die Organisation zu verbessern. etwa Bundesrat Stefan Schennach. Ein drängendes Thema sei hinsichtlich Fake News auch die Frage, Ulrike Huemer, Chief Information Officer der Stadt wohin sich der Wert von politischem Inhalt entwickle Wien, kritisierte, dass Gesellschaftsprozesse der öffent- und welche Rolle das Parlament der Zukunft dabei lichen Hand bisher meist nur direkt in die digi- haben werde. Bundesrat Martin Preineder plädierte für Verantwortung beim Publizieren im Netz. Hier seien etwa Kontrollsysteme und Kennzeichnungsmaßnahmen zu überlegen, um feststellen zu können, woher falsche News kommen. Offene Daten werden gebraucht, so Preineder, in der Balance zwischen dem gläsernen Staat und den gläsernen BürgerInnen sei allerdings auf die Schnittstellen zu achten. Eine etwaige Klarnamenpflicht wurde kontrovers gese- hen. Gegen Argumente, wie etwa steigendes Niveau, seien auch Gründe zu beachten, warum es in man- chen Situationen auch Anonymität im Netz geben müsse, hieß es in der Debatte. Zum Thema Ausbildung kam einerseits die Anmerkung, dass die sogenann- ten „Digital Natives“ meist schlicht UserInnen seien und sich nicht mit Technikfolgen auseinandersetzen. Auf der Seite von InformatikerInnen wurde eine Art „Eid des Hippokrates“ für ProgrammiererInnen vorge- schlagen, damit nicht ohne Reflexion Geschäftsideen in die Welt gesetzt würden. Diskutiert wurde etwa auch, Demokratie „als Suchmaschine“ zu denken, im Sinne moderner, interaktiver Formen der Partizipation. Demgegenüber wurde eine Entwicklung Richtung Unmündigkeit befürchtet. Moritz Ritter 15
SCHWERPUNKTTHEMA ZUKUNFT DER EU Enquete zum Thema Die Zukunft der Europäischen Union Unter Beteilung namhafter, hochrangiger Politikerinnen und Politiker der unterschiedlichs- ten Ebenen sowie Expertinnen und Experten befasste sich der Bundesrat im November 2017 in einer Enquete mit der zukünftigen Entwicklung der EU aus der Sicht der Länder und Regionen. Enquete zum Thema „Die Zukunft der EU – aus Sicht der Bundesländer und Regionen“ im Großen Redoutensaal in der Hofburg © Parlamentsdirektion/Thomas Jantzen Im November 2017 lud Bundesratspräsident Edgar des EU-Parlaments in Wien, vom Außenministerium Mayer zu einer hochrangig besetzten Enquete zum und von Peter Bußjäger (Institut für Föderalismus, Thema „Die Zukunft der EU – aus Sicht der Bundes- Universität Innsbruck). Den Abschluss bildete eine länder und Regionen“ in den Großen Redoutensaal in Diskussion mit GemeinderätInnen zur Zukunft der der Hofburg. Dabei gaben EU-Kommissar Johannes EU und zu Erfahrungen aus der Praxis. Hahn, der Präsident des Ausschusses der Regionen Karl-Heinz Lambertz sowie die Landtagspräsidenten Bürgergerechte, bürgernahe und dezentrale EU Hans Penz (NÖ), Christian Illedits (Bgld), Viktor unter Einbeziehung der Länder und Gemeinden Sigl (OÖ) und Harald Sonderegger (Vlbg) Impulse zu Bundesratspräsident Edgar Mayer unterstrich den Themengebieten. Inhaltliche Vertiefungen kamen die Notwendigkeit, „dem Nationalismus einen zudem von den Vertretungen der EU-Kommission und vernünftigen Regionalismus entgegenzusetzen“. 16
Nationalistischen Strömungen sollte man mit den Prinzipien Freiheit, Gleichberechtigung und Rechtsstaatlichkeit entgegentreten. Zielsetzung die- ser Parlamentarischen Enquete sei es daher, eine Debatte über die Zukunft Europas anhand konkreter Politikbereiche zu führen, so Mayer. „Wer Zentralismus sät, wird Separatismus ernten!“, zitierte Mayer Salzburgs ehemaligen Landeshauptmann Franz Schausberger und wies auf den jüngsten Konflikt zwischen Katalonien und der spanischen Zentralregierung hin. Deshalb wolle man sich mit dem Regionalismus auseinandersetzen. Dabei sollte die Frage im Vordergrund stehen, in wel- chen Politikbereichen ein Handeln der EU erforderlich ist und welche Kompetenzbereiche besser auf Ebene der Nationalstaaten, der Regionen und der Kommunen behandelt werden können. Als ein Best-Practice- Beispiel nannte der Bundesratspräsident in diesem Zusammenhang die Arbeit des EU-Ausschusses des Bundesrates. In diesem führe man einen konstrukti- EU-Kommissar Johannes Hahn © Parlamentsdirektion/Thomas Jantzen ven und kritischen Dialog zwischen den Fraktionen hinsichtlich EU-Themen. Ebenso gut funktionie- ischen Regionen als einzelne Staaten anzuerkennen. re die Zusammenarbeit des Ausschusses mit den Unzufriedenheiten mit Autonomiestatuten müssten Bundesländern. im Dialog zu einem Kompromiss gebracht werden. Konflikte wie in Spanien dürften zudem nicht mit dem Hahn: Für eine gestärkte Strafrecht oder der Polizei gelöst werden. Katalonien und starke EU sei auch eine Sache Europas, so Lambertz. Laut EU-Kommissar Johannes Hahn müsse sich Für Lambertz ist die Zukunft Europas mit einem inten- die EU international stark positionieren: „Das siveren Dialog mit den EuropäerInnen verbunden. Als Standing Europas werde in den nächsten zehn bis positive Kraft sieht er dabei regionale Behörden und 20 Jahren global gesehen nicht mehr dasselbe sein. Verantwortliche von Gebietskörperschaften, die in der Andere Länder holten wirtschaftlich und politisch Bevölkerung gegenüber nationalen oder europäischen gesehen auf “, sagte der Kommissar für Europäische VerantwortungsträgerInnen größeres Vertrauen genie- Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen ßen würden. „Die Stimme der Städte und Regionen in seinem Statement. Es gelte, den gegenwärtigen müsse mehr gehört werden“, plädierte Lambertz. Einfluss Europas, „dieses Zeitfenster“, zu nutzen, um Unverzichtbar ist für den AdR-Präsidenten neben der internationale Kooperationen und Vereinbarungen wie Wahrung des Subsidiaritätsprinzips zudem ein Ausbau Freihandelsabkommen nach eigenen Standards und der Kohäsionspolitik in der Union. Vorstellungen abzuschließen. Noch sei Europa mit einem Viertel der globalen Wirtschaftsleistung ein wich- tiger weltwirtschaftlicher Player. In der Außen- und Sicherheitspolitik brauche es dem Kommissar zufolge andere und schnellere Formen der Entscheidungsfindung. Konkret bemängelte Hahn etwa das Einstimmigkeitsprinzip unter den 28 Mitgliedstaaten. Das bedeute für die Union nur ein reaktives Agieren. Laut den Angaben des Kommissars gibt es rund um Europa zirka 20 bis 25 Millionen Flüchtlinge oder Binnenflüchtlinge. Dahin gehend sei Europa ebenfalls gefordert, Krisengebiete im Rahmen der Nachbarschaftspolitik zu stabilisieren. Lambertz: Regionale Konflikte sind nicht mit dem Strafrecht zu lösen Mit Blick auf die Situation in Katalonien meinte der Präsident des Ausschusses der Regionen Karl- Heinz Lambertz, dass die Zukunft der Europäischen Präsident des Ausschuss der Regionen Karl-Heinz Lambertz Union nicht darin liegen könne, jede der 300 europä- © Parlamentsdirektion/Thomas Jantzen 17
SCHWERPUNKTTHEMA ZUKUNFT DER EU gen Subsidiaritätsprinzips. Dies bedeute, dass darauf Bedacht zu nehmen ist, dass Regelungen auf europä- ischer Ebene erst dann geschaffen werden, wenn durch sie ein substanzieller Mehrwert für Europa insgesamt, die Mitgliedstaaten und die Regionen sowie für die BürgerInnen zu erwarten sei. Bestünden Zweifel dar- über, auf welcher Ebene eine Regelung anzusiedeln ist, dann solle der föderalen beziehungsweise subsidiären Kompetenzzuordnung der Vorzug gegeben werden. Der Grundsatz der Subsidiarität gelte aber auch für die innerstaatliche Aufgabenzuteilung. „Nicht alles was zentral ist, ist billiger, nicht alles, was zentral ist, ist effizienter“. Penz sprach sich dagegen aus, dass aus der Europäischen Union ein „Superstaat“ mit den damit einhergehenden Bürokratiemonstern und Kompetenzirrungen wird. Europa ist seiner Meinung Präsident des Niederösterreichischen Landtages Hans Penz nach eine „Concordantia Discordantium“, ein Werk, © Parlamentsdirektion/Thomas Jantzen das ganz Verschiedenes, auch Widersprüchliches zur Übereinstimmung bringt. Ein großes Haus mit vielen Die Enquete des Bundesrates setzte ihre Beratungen Räumen, vielen Türen, vielen Kulturen und vielen mit den Stellungnahmen der Präsidenten der Arten von Menschen. Dieses Haus sei die Heimat Landtage von Niederösterreich, dem Burgenland, Europas, bekräftigte er abschließend. Oberösterreich und Vorarlberg fort, wobei vor allem das Subsidiaritätsprinzip im Mittelpunkt stand. Einig Illedits: Regionen wollen faire waren sich die Vortragenden, dass es starke Regionen und sozial gerechte Union brauche, weil Reformen nicht von oben verordnet wer- Der Austausch und die Vernetzung zwischen den den könnten. einzelnen Städten und Regionen in Europa, also den kleinsten Einheiten, ist für den Erfolg der Union Hans Penz: Gelebte Subsidiarität von zentraler Bedeutung, betonte auch der burgen- statt europäischer Superstaat ländische Landtagspräsident Christian Illedits. „Die Der niederösterreichische Landtagspräsident Hans Zukunft kann man am besten voraussagen, wenn Penz bedauerte, dass Europa in den letzten Jahren „zu man sie selbst gestaltet“, lautet der Leitspruch des einem geschundenen Wort geworden“ sei, „zu einem Informatikers Alan Kay. Diese Maxime solle auch für Synonym für Krise“. Auch wenn es durchaus berech- die Länder und Regionen gelten, wenn es um die Frage tigte Kritik gebe, so sei er sicher, dass die BürgerInnen der Neuausrichtung der EU geht. grundsätzlich Europa wollen. Sie wollen aber ein ande- res – eines, das sozial, solidarisch, human und bürger- nah ist. Penz hielt es daher für sehr wichtig, dass sich die Regionen intensiv in die Diskussion über die Zukunft der EU einbringen, da sie nahe an den Menschen dran sind. Im Hinblick auf den Rechtssetzungsprozess gebe es konkrete Forderungen vonseiten der Regionen, wie etwa die Verlängerung der Frist für die Subsidiaritätsprüfung von acht auf zwölf Wochen oder die Einführung einer „roten Karte“, wenn eine Mehrheit der Parlamente eine Subsidiaritätsrüge erteilt. Der Vorsitzende der österreichischen Landtags- präsidentenkonferenz war überzeugt davon, dass die von den Regionen eingebrachten Vorschläge und Anregungen nunmehr auch das entsprechende Gehör finden und dass die Kommission den Mehrwert eines stetigen Dialogs zu schätzen weiß. Was aus Sicht der Landesparlamente jedenfalls von besonderer Präsident des Burgenländischen Landtages Christian Illedits Bedeutung ist, sei die strikte Wahrung eines lebendi- © Parlamentsdirektion/Thomas Jantzen 18
führte Sigl aus. Aus der Sicht Oberösterreichs sei es viel- mehr zielführender, bestimmte Orientierungspunkte zu formulieren. So sei man etwa überzeugt davon, dass die Lösung der Zukunftsfrage der EU letztlich nur in einer Differenzierung liegen könne – in einer konsequenten Abwägung, wo mehr und wo weniger Tätigkeiten der Union erfolgen sollen. Das Subsidiaritätsprinzip sei der zentrale Schlüssel und müsse in den Mittelpunkt eines Zukunftsszenarios der Europäischen Union gestellt wer- den. Gleichzeitig müsse sichergestellt werden, dass eine solche „Multi-Level Governance“ tatsächlich eingehalten und kontrolliert werde. Sigl informierte darüber, dass der oberöster- reichische Landtag vor drei Jahren ein eigenes Subsidiaritätsprüfungssystem eingeführt hat. Die Abgeordneten haben damit ein wichtiges Instrument in der Hand, um konkrete oberösterreichische Interessen Präsident des Oberösterreichischen Landtages Viktor Sigl im Rahmen der EU-Politik zu identifizieren und zu © Parlamentsdirektion/Thomas Jantzen kommunizieren. Gegenstand der Prüfungen ist ein streng formaler Ansatz, nämlich die Frage, ob die Ebenso wie Kommissionspräsident Juncker war Illedits Union bei ihren Rechtssetzungsvorhaben das Prinzip der Meinung, dass es an der Zeit sei, ein neues euro- der Subsidiarität einhält. „Inhaltliche, quasi politi- päisches Kapitel aufzuschlagen. Gleichzeitig warnte sche Positionen“ werden in den Stellungnahmen er jedoch davor, dass sich Europa nur mehr auf eini- tunlichst vermieden, was dazu führt, dass fast alle ge ausgewählte Politikbereiche konzentriert. Würde Prüfungsergebnisse im EU-Ausschuss einstimmig man nämlich etwa die Regionalpolitik schwächen, beschlossen werden. Auch wenn damit nur ein kleiner so entziehe man jenen Staaten, die im europäischen Beitrag geleistet werden könne, sei er überzeugt davon, Wirtschaftsvergleich ohnehin schlecht abschnei- dass jede einzelne Stimme im Gesamtgefüge Europas den, die Entwicklungshilfe. Bereits jetzt sei man im wichtig ist. Denn Subsidiarität sei das Bindemittel in Burgenland mit einer starken Zunahme an entsen- einer Union, die Gefahr laufe, brüchig zu werden. deten Arbeitskräften sowie mit dem Problem der Scheinselbständigkeiten konfrontiert, zeigte er auf. Sonderegger wünscht sich einen ehrlichen und Aus diesem Grund sprechen sich auch die Länder transparenten Revisionsprozess für Europa für eine europäische Sozialpolitik, die unter anderem Der Vorarlberger Landtagspräsident Harald eine gemeinsame Arbeitsmarktbehörde vorsieht, aus. Sonderegger hielt es für dringend notwendig, über Vehement verwahrte sich Illedits gegen das Prinzip des eine Neuausrichtung der Europäischen Union zu dis- Rosinenpickens, das einzelne Mitgliedstaaten prak- tizieren. In den Mittelpunkt des Diskurses über die Neuausrichtung der EU müsse daher auch die Frage der Gerechtigkeit gestellt werden. Zu all diesen Fragen würden die Städte und Regionen ihren Beitrag leisten, damit ihre Stimme unmissverständlich gehört werde. Sigl informiert über oberösterreichisches Subsidiaritätsprüfungsverfahren Auch das Land Oberösterreich begrüße den Diskussionsprozess, den die Europäische Kommission durch die Vorlage des „Weißbuchs zur Zukunft Europas“ eingeleitet hat, und die zahlreichen teils grenzüber- schreitenden Bestrebungen, sich in diese so wichti- ge Debatte einzubringen, erklärte Viktor Sigl. Der Oberösterreichische Landtag habe eine eigene Position zum Weißbuch vorgelegt, in der es um strukturelle Fragen sowie die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit auf den verschiedenen Ebenen geht. Generell halte man Präsident des Vorarlberger Landtages Harald Sonderegger wenig von einer Festlegung auf ein einziges Modell, © Parlamentsdirektion/Thomas Jantzen 19
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