INFACT - HELMHOLTZ-ZENTRUM FÜR ...

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InFact
D a s M a g a z i n d e s H e l m h o l t z - Z e n t r u m s f ü r I n f e k t i o n s f o r s c h u n g | Fr ühjahr 2021

Interview                                                    thema                                                           Porträt
Dirk Heinz spricht über die                                  Forscherinnen und Forscher                                      Emmanuel Saliba nimmt einzelne
Coronaforschung am HZI                                       berichten aus dem Homeoffice                                    Zellen ins Visier
06                                                           10                                                              12

IM GRIFF
EINES
VIRUS
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02     INFACT | Frühjahr 2021

                                                    Liebe Leserinnen, liebe Leser,
editorial                                           nach 2020 steht auch das Jahr 2021 ganz im Zeichen der COVID-19-Pandemie. Unseren All-
                                                    tag haben wir auf einen gefährlichen Gegner ausgerichtet, den wir zwar mit bloßem Auge
                                                    nicht sehen können, der aber besonders auf Intensivstationen und in Pflegeheimen seine
                                                    ganze Kraft demonstriert. Wie es neu auftretende Viren wie SARS-CoV-2 immer wieder
                                                    schaffen, den Menschen als Wirt zu erobern und welche Ansätze es gibt, um solche viralen
                                                    „Übergriffe“ künftig abwehren zu können, das erzählen wir in unserer Titelgeschichte. Mit
                                                    dem Ausbruch der Pandemie hat das HZI in kürzester Zeit eine Vielzahl von Forschungspro-
                                                    jekten auf den Weg gebracht, um SARS-CoV-2 genauer zu untersuchen und zu dessen
                                                    Bekämpfung beizutragen. Im Interview berichtet der Wissenschaftliche Geschäftsführer des
                                                    HZI, Dirk Heinz, wie das gelingen konnte und welche Schwerpunkte er in diesem und den
                                                    kommenden Jahren am HZI sieht. Außerdem haben wir einige Forscherinnen und Forscher
                                                    gefragt, wie es ihnen während des ersten Lockdowns im Homeoffice mit gleichzeitigen
                                                    Medienauftritten, Kinderbetreuung und Haushaltsbewältigung ergangen ist.
                                                    Ich wünsche Ihnen eine informative Lektüre, und halten Sie weiter durch!

                                                    Ihr Andreas Fischer, Chefredakteur

hingucker

                                                                            Buntes Treiben
                                                                            Die Mikroskopaufnahme zeigt mit SARS-CoV-2 infizierte Vero-
                                                                            Zellen (Nierenepithelzellen). Blau gefärbt sind die Zellkerne.
                                                                            In Zellen, die mit dem Virus infiziert sind, leuchtet grell grün
                                                                            das Nukleokapsid-Protein der Coronaviren. Rot gefärbt ist das
                                                                            Spike-Protein (S1-Einheit). Die Viren zwingen die Zellen dazu,
                                                                            diese Proteine – und damit Bausteine für neue Viren – zu bilden.
                                                                            Beim anschließenden Ausschütten sterben die Zellen.

Impressum                                           Mathias Müsken; S. 10-11: Verena Meier, HZI;
Herausgeber:                                        S. 12: Tim Schnyder; S. 13: vegefox.com;
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung GmbH      S. 14: Oliver Dietze, Verena Meier, Sarah Hennig,
Presse und Kommunikation                            Annika Steffen
Inhoffenstraße 7 | 38124 Braunschweig               Redaktion: Susanne Thiele (sti, V.i.S.d.P),
Telefon: 0531 6181-1405                             Andreas Fischer (afi, Chefredakteur),
presse@helmholtz-hzi.de | www.helmholtz-hzi.de      Melanie Brinkmann, Jennifer Fricke, Heike Kollmus,
Bildnachweise: Titel: Michael Wick/Shutterstock;    Berit Lange, Vivien Nagy, Nicole Silbermann,
S. 2: Verena Meier, Marco van Ham/CPRO/IMMI;        Till Strowig, Charlotte Wermser
S. 3-5: Kateryna Kon/Shutterstock, Jan Brinkmann,   Gestaltung: Britta Freise
Ulfert Rand; S. 6-7: Verena Meier; S. 8-9:          Druck: MAUL-DRUCK GmbH & Co. KG
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titelthema 03

Neue Viren,
neue Herausforderungen
von Charlotte Wermser

         Im Tierreich kursieren viele Tausend Viren, die auf Menschen überspringen
         könnten. SARS-CoV-2 hat gezeigt, wie schnell sich neue Viren weltweit
         ausbreiten können

V
        iren begleiten die Menschheit           Viren (englisch: emerging viruses), die    menschliche Zelle. Sie bestehen aus
        seit langer Zeit. Der älteste           sich bislang nur im Tierreich verbreitet   nicht viel mehr als ihrem Erbmaterial
        genetische Nachweis einer Vi-           haben, konnten die Artgrenze über-         und einer schützenden Proteinhülle.
ruserkrankung zeigt, dass Menschen              springen und sich an den Menschen als      Sogar einen eigenen Stoffwechsel spa-
bereits vor etwa 7000 Jahren an Leber-          neuen Wirt anpassen. Das Coronavirus       ren sie sich und nutzen stattdessen
entzündungen litten, ausgelöst durch            SARS-CoV-2 (schweres akutes respi-         den ihres Wirtes. Nachdem sie in eine
Hepatitis B-Viren. Das Erbgut dieser            ratorisches    Syndrom-Coronavirus-2)      Wirtszelle eingedrungen sind, program-
Viren fand sich in Zähnen aus dieser            zeigt seit Ende 2019, dass ein solches     mieren sie diese um. Die Zelle liest
Zeit, die in Sachsen-Anhalt entdeckt            Virus heutzutage in kürzester Zeit die     das virale Erbgut ab, vermehrt es und
wurden. Seitdem sind viele verschie-            ganze Welt erobern kann.                   produziert Virusproteine. So stellt die
dene Viruserkrankungen hinzugekom-                   Viruspartikel sind winzig – 20 bis    Wirtszelle immer mehr Viruspartikel
men – und andere, wie die Pocken, für           300 Nanometer im Durchmesser und           her, bis sie stirbt und dadurch die Viren
immer verschwunden. Neu auftretende             damit etwa 1000-mal kleiner als eine       freisetzt.

  SARS-CoV-2-Viren binden an ACE2-Rezeptoren auf der Oberfläche einer menschlichen Zelle
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04    INFACT | Frühjahr 2021

In den Wirt rein –                                                                                                       Luka Cicin-Sain
und wieder raus                                                                                                        untersucht mit seiner
Viren können einen neuen Wirt wie den                                                                                  Forschungsgruppe
Menschen jedoch nicht einfach stür-                                                                                    aktuell Antikörper
men. Sie brauchen einen Schlüssel, um                                                                                  und Wirkstoffe,
in dessen Zellen einzudringen. „Dafür                                                                                  die die Vermehrung
benutzen Viren Proteine auf unserer Zell-                                                                              von SARS-CoV-2
oberfläche. Nur wenn diese zu den Pro-                                                                                 verhindern sollen
teinen auf der Virusoberfläche passen,
können sie uns infizieren“, sagt Prof. Luka
Cicin-Sain, Leiter der Forschungsgruppe
„Immunalterung und Chronische Infekti-
onen“ am Helmholtz-Zentrum für Infek-           Der Ort, an dem ein Virus unterschlüpft,       Blutsaugern und werden bei einem weite-
tionsforschung (HZI). Allerdings haben          ist auch für die weitere Verbreitung ent-      ren Stich wieder auf einen menschlichen
nicht alle Wirtszellen das richtige Schloss     scheidend.                                     Wirt übertragen. So waren Moskitos an
an ihrer Oberfläche: Viren können sich                                                         einer Epidemie beteiligt, bei der ein Virus
nur in einem Gewebe vermehren, dessen                                                          gar nicht neu auf Menschen überspringen
                                                „In den Körper hineinzukommen
Zellen die zum Virus passenden Rezep-                                                          musste: die Zika-Epidemie. Dieses Virus ist
toren produzieren. Daraus entsteht der             und sich dort zu vermehren,                 bereits seit den 1950er Jahren bekannt. Zu
Zug von Viren in einzelne Organe – Grip-                                                       massenhaften Erkrankungen kam es aber
                                                    ist das Eine – aber um sich
peviren vermehren sich in der Lunge und                                                        erst, als das Zika-Virus 2015 nach Mit-
den Bronchien, Hepatitis-Viren leben in                 weiter zu verbreiten,                  tel- und Südamerika eingeschleppt wurde
der Leber und das HI-Virus zieht es in                                                         und per Moskito-Taxi einen neuen Konti-
                                                   müssen Viren aus dem Wirt
Zellen des Immunsystems. Bei SARS-                                                             nent erobern konnte. „Voraussetzung für
CoV-2 übernimmt ein Oberflächenprote-             auch wieder herauskommen“,                   die Übertragung des Zika-Virus ist, dass
in, das die Wissenschaftler Spike-Protein                                                      es sich sowohl in Menschen als auch in
                                                             sagt Cicin-Sain.
nennen, die Rolle des Schlüssels. Der                                                          Stechmücken vermehren kann – zwei völ-
entscheidende Schritt des Virus für den                                                        lig unterschiedliche Spezies. Das ist ein
Wirtswechsel zum Menschen war laut              Viren, die sich in den Atemwegen oder          enorm komplexes System, wo der Über-
Cicin-Sain eine Mutation des Spike-Pro-         dem Verdauungstrakt vermehren, haben           gang zwischen zwei Spezies immer wieder
teins, durch die SARS-CoV-2 nun an den          es leichter als solche, die in inneren Orga-   stattfinden muss“, sagt Luka Cicin-Sain.
ACE2-Rezeptor auf menschlichen Zellen           nen oder dem Blutkreislauf vorkommen.          Ein komplett neu auftretendes Virus, das
binden kann.                                          „Wenn ein neues, unbekanntes Virus       sich mithilfe von Moskitos in einer anderen
                                                auftritt, ist es naheliegend zu überprüfen,    Tierart verbreitet, könnte stattdessen auch
                                                ob es zu einer der Virusfamilien gehört,       auf Menschen überspringen. Dies wurde
                                                aus denen in der Vergangenheit auch            beispielweise beim West-Nil-Virus beob-
                                                schon neue Viren hervorgegangen sind.          achtet. Das von Stechmücken übertragene
                                                Dies sind in der Regel Viren, deren Erbgut     Virus zirkuliert normalerweise zwischen
                                                aus RNA besteht“, sagt Luka Cicin-Sain.        Mücken und Vögeln, kann aber auch Men-
                                                Denn abhängig vom Aufbau ihres Erb-            schen und andere Säugetiere infizieren.
                                                guts bringen Viren unterschiedlich gute               Es ist ein typisches Merkmal von Vi-
                                                Voraussetzungen für einen Wirtswechsel         ren, sich auf bestimmte Wirtsspezies zu
                                                mit. RNA-Viren verändern sich genetisch        konzentrieren – jedoch ist dies je nach Vi-
                                                schneller als Viren mit einem Erbgut aus       renfamilie unterschiedlich strikt. „Wir ken-
                                                DNA. Dies liegt daran, dass das Protein,       nen Generalisten und Spezialisten unter
                                                das die RNA vervielfältigt, häufiger kleine    den Viren. Die Spezialisten sind auf einen
                                                Fehler einbaut. Durch die Mutationen im        einzigen Wirt festgelegt, generalistische
                                                Erbgut entstehen verschiedene Virusvari-       Viren können ihren Wirt dagegen leichter
                                                anten, die sich geringfügig unterscheiden.     wechseln“, sagt Luka Cicin-Sain. Mit sei-
                                                So passen sich RNA-Viren schneller an ei-      ner Arbeitsgruppe forscht er am Zytome-
                                                nen Wirt an als DNA-Viren.                     galievirus (CMV), ein hochgradig auf den
                                                                                               Menschen spezialisiertes Virus. CMV, das
                                                Per Moskito-Taxi in den Wirt                   zur Familie der Herpesviren gehört, hat sei-
   Eine mit SARS-CoV-2 infizierte Lungenzelle
                                                Einige Viren nutzen Helfer, um von Mensch      nen Lebensstil komplett an den Menschen
bildet neue Viruspartikel (grün) in ihrem
                                                zu Mensch zu gelangen. Zum Beispiel kön-       angepasst. Solch hochspezialisierte Viren
Zytoplasma (violett: Zellkerne)
                                                nen blutsaugende Tiere wie Stechmücken         tragen in ihrem Erbgut den Bauplan für
                                                oder Zecken bei ihrer Mahlzeit Viren auf-      viele Proteine, die mit dem menschlichen
                                                nehmen. Diese vermehren sich in den            Immunsystem wechselwirken. Mithilfe die-
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titelthema         05

ser Proteine können sie die Immunabwehr                                                                                    Carlos A. Guzmán
ausschalten und etwa verhindern, dass                                                                                   erforscht, wie
infizierte Zellen zerstört werden. Dadurch                                                                              Impfungen eine
kann CMV unbemerkt vom Immunsystem                                                                                      Immunantwort
viele Jahrzehnte in menschlichen Zellen                                                                                 auslösen und vor
überdauern. Bei bis zu 90 Prozent der                                                                                   einem Krankheits-
Bevölkerung schlummert dieses Virus im                                                                                  erreger schützen
Körper, ohne Symptome auszulösen. Das
Immunsystem hält den Erreger dabei so
weit in Schach, dass keine aktive Infektion
ausbricht. „So ein Wechselspiel entsteht
aber nicht aus dem Nichts, sondern ist das
Ergebnis einer sehr langen Anpassung an       Daher wussten Wissenschaftlerinnen und            moderner Sequenziertechnik sehr schnell
einen Wirt. Generalistische und neue Viren    Wissenschaftler bereits, dass das Spike-          bestimmen lässt. Bei SARS-CoV-2 lag der
können sich hingegen nicht dauerhaft vor      Protein ein gutes Ziel für die Impfstoffent-      genetische Code bereits Mitte Januar 2020
dem Immunsystem verstecken“, sagt Luka        wicklung ist. Nutzt eine Impfung dieses           entschlüsselt in einer Datenbank vor – also
Cicin-Sain. Somit sei es einfacher, einen     Protein als Antigen, regt sie das Immunsys-       zu einem Zeitpunkt, als erst einige Dut-
Impfstoff gegen solche Viren zu entwickeln.   tem dazu an, Antikörper dagegen zu bilden.        zend Infektionen mit dem Virus bekannt
                                              Beim Kontakt mit dem Virus machen die             waren. „Mit diesem Datensatz konnte die
Kein Patentrezept für                         Antikörper das Spike-Protein – und damit          Impfstoffforschung sofort beginnen, ohne
Impfungen                                     den Schlüssel der Viren – unzugänglich und        das Virus vorher im Labor anzüchten oder
Was können wir also künftig tun, um neue      versperren ihm so den Weg in die Zellen.          anderweitig untersuchen zu müssen“, sagt
Viren, die den Sprung zum Menschen                                                              Guzmán. In solchen Fällen helfen compu-
schon geschafft haben, zu stoppen? Ein                                                          tergestützte Ansätze bei der Auswahl des
wichtiger Baustein ist die zügige Entwick-                                                      besten Antigens für einen Impfstoff.
lung eines Impfstoffs. Eine Impfung trai-                                                             Anschließend müssen Impfstoffe
niert das Immunsystem, mit einem Erre-                                                          einen langen Entwicklungs- und Optimie-
ger fertig zu werden, ohne eine Krankheit                                                       rungsprozess durchlaufen. „Normalerwei-
auszulösen. Es wird sozusagen eine Infek-                                                       se dauert die Entwicklung und Zulassung
tion nachgeahmt. Im Fall einer späteren                                                         eines Impfstoffs etwa zehn Jahre“, sagt
Begegnung mit dem Erreger kann das Im-                                                          Carlos Guzmán. „Bei der SARS-CoV-2-Imp-
munsystem die Erfahrung schnell abrufen                                                         fung hat die Wissenschaft gerade die Gren-
und eine Infektion verhindern. Während                                                          zen ausgelotet, wie sehr sich der Prozess
gegen bakterielle Infektionen Breitband-                                                        beschleunigen lässt. Dabei darf aber die
Antibiotika zur Verfügung stehen und an                                                         Sicherheit unter keinen Umständen auf
dem Pendant gegen Viren – also breit-           Antikörper greifen ein SARS-CoV-2-Partikel an   der Strecke bleiben.“ Schließlich wird die
wirksamen antiviralen Medikamenten –                                                            Impfung gegen SARS-CoV-2 einem großen
geforscht wird, gibt es so etwas wie eine     Nicht jedes in Zukunft neu auftretende            Teil der Bevölkerung verabreicht. Selbst
Breitbandimpfung nicht. „Unser Immun-         Virus wird jedoch so nah mit bereits be-          seltene schwere Nebenwirkungen beträfen
system ist ein Meister darin, hochpräzise     kannten Erregern verwandt sein wie im ak-         gleich viele Personen.
Immunreaktionen auszulösen, die sich          tuellen Fall von SARS-CoV-2. Da es zudem
spezifisch gegen einen Erreger richten.       unmöglich ist, vorherzusagen, welches Vi-         Nach der Epidemie
Daher können bekannte Impfstoffe auch         rus als nächstes auf den Menschen über-           ist vor der Epidemie
nicht so einfach umfunktioniert werden“,      springt, setzt die Impfstoffforschung auf         Schon in der Steinzeit waren Viren unsere
sagt Prof. Carlos A. Guzmán, Leiter der       eine technische Entwicklung: „Die ‚reverse        Begleiter – und sie werden es auch in Zu-
Abteilung „Vakzinologie und angewandte        Vakzinologie‘ hat den Forschungsprozess           kunft bleiben. „Das Reservoir von Viren im
Mikrobiologie“ am HZI.                        buchstäblich auf den Kopf gestellt“, er-          Tierreich ist schier unendlich. Früher oder
                                              zählt Carlos Guzmán. Traditionell werden          später ist ein Überspringen neuer Viren auf
                                              Krankheitserreger in langwieriger Grundla-        Menschen so sicher wie das Amen in der
   „Zum Glück mussten wir bei
                                              genforschung charakterisiert. So wird bei-        Kirche“, sagt Luka Cicin-Sain. Die Heraus-
SARS-CoV-2 nicht bei null anfan-              spielsweise untersucht, welche Mechanis-          forderung wird sein, die nächste Erkran-
                                              men ein Erreger nutzt, um eine Krankheit          kungswelle durch ein neues Virus unter
 gen. Es wurde ja schon intensiv
                                              auszulösen oder welche seiner Strukturen          Kontrolle zu bringen, bevor sie sich zu einer
 an Impfungen gegen SARS- und                 besonders gut vom Immunsystem erkannt             großen Epidemie entwickelt.
                                              werden. Auf diesem Wissen baut dann die
 MERS-Coronaviren geforscht“,
                                              Impfstoffentwicklung auf. Die reverse Vak-
              sagt Guzmán.                    zinologie basiert hingegen auf dem gene-
                                              tischen Code eines Erregers, der sich mit
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06   INFACT | Frühjahr 2021             interview

  Dirk Heinz begrüßte die Bundesforschungsministerin Anja Karliczek bei ihrem Besuch des HZI im Mai 2020

„Die groSSen Stärken des HZI
sind sein Zusammenhalt und
der TeamGeist“                                                  von Susanne Thiele

          Mit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie rückte das HZI schnell in
          den Fokus der Öffentlichkeit. Der Wissenschaftliche Geschäftsführer
          Prof. Dirk Heinz im Gespräch über ein Jahr Pandemie, die rasche
          Etablierung der Corona-Forschung und neue Herausforderungen

H
       err Heinz, wie haben Sie den             Krisenstabs am HZI statt. Wir haben               hat, wie man sehen kann, weitreichende
       Beginn der Pandemie in Erinne-           den Pandemieplan weiterentwickelt und             Konsequenzen auf unsere Arbeitsweise,
       rung?                                    spezielle Maßnahmen zum Schutz der                aber auch unser Privatleben. Für das HZI
     Ich erinnere mich noch sehr gut            Mitarbeiter:innen getroffen, von verstärk-        wurde sehr schnell seine besondere Rolle
an das letzte größere Präsenztreffen            ten Hygienemaßnahmen bis zu Home-                 und Verantwortung bei der Bekämpfung
Mitte März 2020 in Berlin: ein Kick-off-        office-Möglichkeiten.                             der Pandemie deutlich. Dies ist auch eine
Meeting zur Gründung unseres neuen                                                                große Chance für unser Zentrum!
Helmholtz-Instituts in Greifswald. Auch         Wie schätzen Sie das Jahr 2020 rückbli-
damals drehte sich alles um Corona und          ckend für das HZI ein?                            Wie konnte sich das HZI so schnell auf
die Bedeutung von Infektionen durch                  Es war ein sehr außergewöhnliches,           die Corona-Forschung umstellen?
Erreger, die von Tieren stammen. Und            anstrengendes und in jeder Hinsicht ein-               In der Forschung hat die Pande-
kurz danach fand die erste Sitzung des          maliges Jahr. Die COVID-19-Pandemie               mie das HZI glücklicherweise nicht völlig
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Interview     07

unvorbereitet getroffen, obwohl Corona-          Das HZI stand meines Erachtens in seiner       ten Jahren auf die Untersuchung von
viren bisher nicht im Fokus standen. Wir         Geschichte noch nie so gut da wie heute.       Infektionsmechanismen auf Einzelzellebe-
konnten schnell unsere Kompetenzen für                                                          ne. Über RNA-basierte Verfahren werden
die Forschung an SARS-CoV-2 bündeln und          Wie geht es nun 2021 weiter?                   verschiedene Wirtsreaktionen bei Infekti-
auf entsprechende Infrastrukturen wie S3-               Viele unserer Wissenschaftler:innen     onen beleuchtet, um deren Auswirkungen
Labore zurückgreifen. Innerhalb kürzester        erinnern sich an die aufreibenden wissen-      auf den Krankheitsverlauf zu verstehen und
Zeit wurden dank erfolgreicher Einwerbung        schaftlichen und strategischen Begutach-       gezielt einzugreifen.
von Drittmitteln mehr als 70 Projekte eta-       tungen 2018 und 2019. Das HZI hat beide
bliert. Wir haben dabei sehr von unserer         Male herausragend abgeschnitten. Das Jahr      Gibt es weitere Schwerpunktthemen
Schwerpunktsetzung in der Forschung,             2021 ist insofern ein Meilenstein, da auch     am HZI?
den sogenannten „Research Foci“, pro-            die vierte Periode der Programmorientier-             Ein wichtiges Thema in der Helm-
fitiert. Es ist schon bemerkenswert, wie         ten Förderung der Helmholtz-Gemeinschaft       holtz-Gemeinschaft ist die Stärkung des
schnell unsere Wissenschaftler:innen die         startet. Für die nächsten sieben Jahre haben   Wissens- und Technologietransfers. Hier
Initiative ergriffen haben. Sehr stolz bin ich   wir uns ambitionierte Ziele gesetzt, um un-    müssen wir uns in den kommenden Jahren
auch auf unsere Expert:innen, die rasch          serer translationalen Mission noch besser      steigern. Das schließt den Aufbau eines
die wichtige Aufgabe des Wissenstransfers        gerecht zu werden. Dabei muss das Konzept      erfolgreichen Innovationsmanagements
übernommen haben - zum Beispiel in Inter-        vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie        ein. Auch das Thema Internationalisierung
views, Talkshows und Hintergrundgesprä-          nochmals adaptiert werden, auch weil der       muss vorangetrieben werden. Wir sind be-
chen - und die Politik bei ihren schwierigen     Erwartungsdruck von Politik und Gesell-        reits im Begriff, erfolgreiche Kooperationen
Entscheidungsprozessen unterstützen.             schaft an das HZI deutlich gewachsen ist.      zu etablieren, zum Beispiel mit der McGill
                                                 Dem können und dürfen wir uns nicht ver-       University in Montreal. Ich bin überzeugt,
Welches sind die wichtigsten wis-                schließen. Uns kommt unsere flexible Pro-      dass die Corona-Krise zu einer Stärkung
senschaftlichen Beiträge des HZI zur             grammstruktur entgegen, über die wir aktu-     der Infektionsforschung weltweit beitragen
Bekämpfung der Pandemie?                         elle Themen wie Infektionen der Atemwege       wird. Hier warten auch große Chancen auf
      Unsere Wissenschaftler:innen haben         hervorragend in die Gesamtstrategie des        uns. Die Kunst für das HZI wird sein, sich
zum Beispiel computergestützte Verfahren         HZI einbinden können. Zum anderen können       so optimal aufzustellen und gute Angebote
entwickelt, die die Modellierung des Infek-      wir unser neu hinzugewonnenes Helmholtz-       zu machen, um zu den sicheren Kandidaten
tionsgeschehens ermöglichen oder künftig         Institut in Greifswald sowie die erfreuliche   für finanzielle Aufwüchse zu gehören.
die Gesundheitsämter bei der Fall- und           Zusatzfinanzierung für unser bereits beste-
Kontaktverfolgung entlasten. Zudem laufen        hendes Helmholtz-Institut in Saarbrücken       Was ist Ihr Wunsch – oder Ihre Progno-
epidemiologische Studien zur Pandemie            (HIPS) nutzen, um das Thema „Emerging In-      se – für 2021?
sowie zahlreiche innovative Forschungs-          fections“ (neu auftretende Infektionen) mit          Wir wünschen uns sicherlich alle,
projekte, um ein tieferes Verständnis über       der notwendigen kritischen Masse zu befor-     dass die COVID-19-Pandemie endlich über-
den Infektionsprozess zu erlangen und da-        schen. Schließlich sind einige wichtige Neu-   wunden wird. Dies bedeutet aber, dass
raus Lösungen zur Bekämpfung des Virus           berufungen an allen Standorten geplant.        noch anstrengende Monate bevorstehen.
zu entwickeln.                                                                                  Die inzwischen verfügbaren Impfstoffe
                                                 Was bedeutet das im Detail für die             werden eine deutliche Verbesserung brin-
Hat sich die Wahrnehmung des HZI in              Standorte?                                     gen, die Kontaktbeschränkungen alleine
der Öffentlichkeit verändert?                          Am neuen HZI-Standort in Greifswald      können allenfalls zu einer Stagnation der
      Wir freuen uns alle, dass der Bekannt-     möchten wir den „One Health“-Ansatz            Fallzahlen führen - besonders mit Blick auf
heitsgrad des HZI durch die Medienpräsenz        stärken. Dabei geht es vor allem um die        neue Mutationen. Geduld und Solidarität
unserer Forscher:innen in der Corona-Krise       Epidemiologie, Pathogenese sowie Erreger-      aller werden daher weiter gefragt bleiben.
sprunghaft gestiegen ist. Wir merken das in      Wirt-Interaktionen von primär zoonotischen     Für das HZI wünsche ich mir, dass wir uns
einer Rückkopplung auch ganz deutlich am         Infektionen. Als Kooperationspartner wer-      nach dem Begutachtungsmarathon, der
enormen Anstieg des Drittmittelaufkom-           den wir vor Ort mit der Universität Greifs-    ebenfalls erfolgreich bewältigten finan-
mens. Es ist herausragend, was die HZI-          wald, der Universitätsmedizin Greifswald       ziellen Konsolidierung und den mit der
Mitarbeiter:innen in sehr kurzer Zeit geleis-    und dem Friedrich-Loeffler-Institut zusam-     COVID-19-Pandemie verbundenen Ein-
tet haben. Dies schließt natürlich die Presse    menarbeiten. Bis zum Ende dieses Jahres        schränkungen hoffentlich bald wieder mit
und Kommunikation, aber auch die Verwal-         werden die internationale Begutachtung         voller Kraft auf unser Kernthema fokussie-
tung und den Technischen Betrieb ein, die        des wissenschaftlichen Konzepts sowie          ren, die translationale Infektionsforschung
die Forschungsanstrengungen trotz zahlrei-       die Gründung des neuen Instituts statt-        mit all ihren Chancen. Dies sollte uns alle
cher Einschränkungen sehr unterstützt und        finden. Am HIPS geht es darum, die phar-       anspornen, nicht locker zu lassen. Die gro-
damit wesentlich zum Erfolg beigetragen          mazeutische Forschung auszubauen und           ßen Stärken des HZI sind sein Zusammen-
haben. Deshalb möchte ich an dieser Stelle       um antivirale Strategien zu erweitern. Für     halt und der Teamgeist, der in Pandemie-
auch ein ganz großes Kompliment und Dank         diesen Ausbau wurden dauerhaft erheb-          Zeiten wichtiger denn je ist – darauf sollten
an alle aussprechen. Das vergangene Jahr         liche Mittel über den Bundeshaushalts-         und können wir aufbauen im Sinne einer
war sicher kein einfaches, aber das Engage-      ausschuss Ende 2020 bereitgestellt. Am         guten Zukunft.
ment und der Einsatz haben sich ausgezahlt.      HIRI in Würzburg setzen wir in den nächs-
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08    INFACT | Frühjahr 2021 Thema

COVID-19-FORSCHUNG
AM HZI                      von Andreas Fischer

          Mit dem Ausbruch der Pandemie hat das HZI schnell die Erforschung
          von SARS-CoV-2 als einen neuen Schwerpunkt etabliert.
          Einige Beispiele neuer Forschungsprojekte stellen wir hier vor

A
       ntikörperstudie zur Ver-               Ausbruchs in Westafrika 2014-15 ent-          das Forschungsteam eine gemeinsame Stu-
       breitung von SARS-CoV-2                wickelt und seitdem fortlaufend um Module     die mit dem ifo Institut veröffentlicht, die
              Die „Multilokale und Seriel-    für andere Infektionskrankheiten erwei-       die gesundheitlichen und wirtschaftlichen
le Prävalenzstudie zu Antikörpern gegen       tert. SORMAS steht als open-source-           Szenarien zur Lockerung der pandemiebe-
SARS-2-Coronavirus in Deutschland“            Software lizenzfrei zur Verfügung und wird    dingten Beschränkungen berechnet. Täglich
(MuSPAD) ist eine der umfassendsten An-       seit März 2020 speziell an die Bedürfnisse    aktualisierte Werte für die SARS-CoV-2-
tikörperstudien in Deutschland und läuft      zum Management der COVID-19-Pande-            Reproduktionszahl finden sich unter dem
unter Federführung der HZI-Abteilung          mie angepasst. Mittlerweile kommt das         Link http://secir.theoretical-biology.de.
„Epidemiologie“. Hauptziel ist es, den An-    Programm in Deutschland, der Schweiz,
teil der Bevölkerung zu bestimmen, der        Frankreich, Ghana, Nigeria und Fidschi        Testen bekannter Medikamen-
bereits Antikörper gegen SARS-CoV-2           zum Einsatz. So deckt es eine Bevölkerung     te auf Wirkung gegen SARS-
im Blut hat und somit vermutlich schon        von über 300 Millionen Menschen ab. Das       CoV-2
einmal mit dem Virus infiziert war. Bislang   neu implementierte COVID-19-Modul ver-              Ein internationales Forschungs-
basieren die Infektionszahlen auf Meldun-     bessert vor allem das digitale Manage-        netzwerk untersucht bereits zugelassene
gen an die Gesundheitsämter, nicht ge-        ment von Quarantänemaßnahmen und              Medikamente auf eine mögliche Wirkung
testete Infizierte mit asymptomatischem       die Verfolgung von Infektionsketten über      gegen SARS-CoV-2. Die in Deutschland
Verlauf werden daher nicht erfasst. Um        Landkreis- und Landesgrenzen hinaus.          stattfindenden Arbeiten leitet Prof. Tho-
die zeitliche und geografische Entwick-       SORMAS generiert zugleich Daten in Echt-      mas Pietschmann, Forscher am HZI und
lung der COVID-19-Pandemie besser zu          zeit für eine fortlaufende Risikobewertung    am TWINCORE. Im ersten Schritt sucht
verstehen, werden seit Juli 2020 bundes-      auf nationaler und internationaler Ebene.     das Forschungsteam mit Hochdurch-
weit in acht Landkreisen jeweils bis zu                                                     satzverfahren Wirkstoffe, die die Virus-
3000 Personen zufällig ausgewählt und         Mathematische Modellierun-                    vermehrung hemmen. Bei diesen Kan-
ihr Blut auf Antikörper getestet. Nach        gen des Pandemiegeschehens                    didaten analysiert das Team dann den
drei bis vier Monaten erfolgt in den Land-          Das Forschungsteam um Prof.             genauen Wirkmechanismus, die Wirkung
kreisen ein zweiter Durchgang, sodass         Michael Meyer-Hermann hat gemeinsam           auf Lungenzellen und die optimale Dosis.
auch die Entwicklung der Antikörper-Kon-      mit Partnern des Forschungszentrums           Zum Einsatz kommt dabei die Wirkstoff-
zentration im Blut von positiv getesteten     Jülich eine Methode entwickelt, die die       bank „ReFrame“ von Scripps Research
COVID-19-Patienten verfolgt werden            Effekte verschiedener Infektionsschutz-       (USA), die rund 14.000 zugelassene
kann. Dadurch lassen sich Erkenntnisse        maßnahmen und das Pandemiegeschehen           Medikamente und Substanzen enthält.
gewinnen, wie lange eine Person gegen         täglich neu simulieren kann. Die gewonne-     Aussichtsreiche Wirkstoffkandidaten sol-
das Virus immun ist.                          nen Daten sollen Entscheidungsträgern in      len zügig in klinische Studien überführt
                                              der Politik eine Grundlage für die Bewer-     werden. Dieses sogenannte Repurposing
Digitales Infektionsmanage-                   tung der aktuellen Situation geben. Eine      – also die Anwendung eines schon be-
ment mit SORMAS                               entscheidende Größe, die die Ausbreitung      währten Wirkstoffs für neue Indikationen
     Der Name der Software SORMAS             eines infektiösen Krankheitserregers be-      – verkürzt die Entwicklungsphase eines
steht für „Surveillance Outbreak Res-         schreibt, ist die sogenannte Reproduktions-   Medikaments, da bereits Sicherheitsda-
ponse Management and Analysis Sys-            zahl. Die Basisreproduktionszahl gibt an,     ten zur Anwendung und Verträglichkeit
tem“. Ursprünglich hat die HZI-Abteilung      wie viele Menschen ein Infizierter durch-     vorliegen. Das HZI ist außerdem Partner
„Epidemiologie“ unter Leitung von Prof.       schnittlich ansteckt. Sie ist ein wichti-     im EU-Projekt „SCORE“. Ziel des Projekts
Gérard Krause SORMAS gemeinsam mit            ger Indikator dafür, wie schnell sich eine    ist die Entwicklung antiviraler Wirkstoffe
Partnereinrichtungen während des Ebola-       Epidemie ausweitet. Darüber hinaus hat        gegen SARS-CoV-2 und künftige Corona-
INFACT - HELMHOLTZ-ZENTRUM FÜR ...
thema     09

   Das Forschungsteam um Prof. Andrea Kröger hat Vero6-Zellen mit SARS-CoV-2 infiziert, die Dr. Mathias Müsken für diese elektronenmikroskopische
Aufnahme genutzt hat. Sie zeigt die Viren (gelb) auf der Zelloberfläche bei 16.000-facher Vergrößerung

viren. SCORE setzt dabei sowohl auf das            sich die individuellen Immunabwehrme-                 sich monoklonale neutralisierende An-
Repurposing bereits bekannter Substan-             chanismen zeitlich aufschlüsseln. Dabei               tikörper für Therapien eignen, da sie die
zen als auch auf neue Wirkstoffe. Unter            zeigte sich, dass schwere Verläufe mit                Bindung des Virus an den Rezeptor und
der Leitung von Dr. Katharina Rox erfol-           tiefgreifenden Veränderungen der Im-                  damit den Zelleintritt verhindern kön-
gen am HZI die pharmakologische Cha-               munzellen verbunden sind: Sie wiesen                  nen. Basierend auf diesen Erkenntnissen
rakterisierung und pharmakokinetische              eine erhöhte Zahl neutrophiler Vorläufer-             identifizierte ein Forschungsteam der
Studien, um geeignete Kandidaten zu                zellen sowie dysfunktionaler neutrophiler             Technischen Universität Braunschweig
identifizieren.                                    Zellen (bestimmte weiße Blutkörperchen)               und des HZI um Prof. Luka Cicin-Sain 17
                                                   mit veränderter Morphologie auf. Dieses               humane Antikörper, die eine Infektion
Einzelzellanalysen erklä-                          Ergebnis steht im Gegensatz zur bishe-                mit SARS-CoV-2 in humanen Zelllinien
ren unterschiedlich starke                         rigen Annahme, dass schwere COVID-                    neutralisierten. Vier dieser Antikörper
COVID-19-Verläufe                                  19-Verläufe mit einer überschießenden                 zeigten eine hohe Bindungsaffinität im
      Die Unterschiede im Krankheitsver-           Immunantwort einhergehen. Stattdessen                 subnanomolaren Bereich. Im Gegensatz
lauf bei einer Infektion mit SARS-CoV-2            scheinen neutrophile Zellen in einer Dau-             zu den bisher bekannten Ansätzen, die
sind mitunter beträchtlich. Neben den zu-          erschleife aus Aktivierung und Hemmung                humane neutralisierende Antikörper aus
meist milden Verläufen entwickeln zehn             gefangen zu sein, was zu einer ineffek-               genesenen Patienten gewinnen, konnte
bis 20 Prozent der Infizierten eine zum Teil       tiven Immunantwort beitragen kann.                    das Forschungsteam bei dieser Arbeit
lebensbedrohliche Lungenentzündung.                Die Studie liefert damit Hinweise für die             vielversprechende Antikörperkandida-
Einem bundesweiten Forschungsverbund               Identifikation geeigneter Biomarker und               ten aus Proben von gesunden Spendern
ist es gelungen, Unterschiede in der Im-           therapeutischer Zielstrukturen für die Be-            identifizieren. Kooperationspartner bei
munantwort zwischen Patienten mit mil-             handlung von COVID-19.                                der Suche nach Antikörpern ist auch die
dem und schwerem Verlauf zu identifizie-                                                                 YUMAB GmbH auf dem Science Campus
ren. Beteiligt waren die Forschungsteams           Neutralisierende Antikörper                           Braunschweig-Süd.
von Prof. Yang Li (CiiM) und Dr. Antoine-          gegen SARS-CoV-2
Emmanuel Saliba (HIRI) sowie die HZI-                   Der Eintritt von SARS-CoV-2 in
Genomanalytik von Dr. Robert Geffers.              eine Wirtszelle wird über den zellulä-
In der Studie wurden an zwei Standorten            ren Rezeptor ACE2 des Wirts und das
gleichzeitig Blutproben von insgesamt 53           Spike-Protein des Virus vermittelt. Bei
COVID-19-Patienten mittels Einzelzell-             den früheren Epidemien durch SARS-
basierter Verfahren untersucht. So ließen          und MERS-Coronaviren zeigte sich, dass
INFACT - HELMHOLTZ-ZENTRUM FÜR ...
10   INFACT | Frühjahr 2021 Thema

Von Homeoffice,
Videokonferenzen und
einer Waschmaschine
          Auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des HZI kamen in
          den „Genuss“ von Homeoffice – Berichte aus dem ersten Lockdown

                                                               Allerdings hätte ich in
                                                               der Zeit administrative
                                                               Hilfe sehr gut brauchen
                                                               können – ich habe so
                                                               viele Mails nach mei-
                                                               nen Medienauftritten
                                                               bekommen. Alle zu
                                                               beantworten hat viel
                                                               Zeit in Anspruch ge-
                                                               nommen, und auch
                                                               all die Einladungen zu
                                                               organisieren war eine
                                                               Herausforderung.

                                                               Welches Familiener-
                                                               lebnis bleibt aus der
                                                               Zeit in Erinnerung?
                                                                     Ich erinnere mich
                                                               noch genau an einen
Prof. Melanie Brinkmann                      Abend am Esszimmertisch, als wir im Fa-
HZI-Forschungsgruppenleiterin                milienrat diskutiert haben, ob ich weiter
Verheiratet, drei Kinder                     in den Medien auftreten soll – ich war da-
                                             durch wenig zu Hause, und selbst wenn,
                                             war ich gedanklich eigentlich immer bei
                                             SARS-CoV-2 und nervlich ganz schön
Wie ist es im ersten Lockdown ge-            angespannt. Mein ältester Sohn sagte
lungen, Forschung, Kinderbetreuung           dann: „Mama, Du machst das super, und        Dr. Vivien Nagy
und zahlreiche Medienauftritte für           es ist wichtig, was Du da machst. Ich        DZIF-Fördermittelmanagement am HZI
das HZI zu realisieren?                      finde, Du solltest weitermachen.“ Damit
                                                                                          Prof. Till Strowig
       Ich hatte großes Glück, weil meine    war das dann entschieden …
                                                                                          HZI-Abteilungsleiter
Kinder in die Notbetreuung gehen durf-
                                                                                          Zwei Kinder, 8 und 5 Jahre alt
ten – sonst wäre ich sicher verzweifelt      Wie lief die Betreuung der Arbeits-
und hätte nicht so viel Medienarbeit         gruppe im Lockdown?
leisten können. Aber unsere Familie war            Wir hatten Glück, denn drei mei-
auch so ziemlich am Anschlag, denn es        ner Doktoranden mussten gerade Paper
fiel ja nicht nur die Schule weg, auch die   schreiben. Von daher war es perfektes        Wie lief die Homeoffice-Zeit als „HZI
ganzen Freizeitaktivitäten der Kinder        Timing, und wir haben viel geschafft.        Double Career Couple“ und wie hat es
wie Turnen, Handball und Fußball fan-        Aber für den Teamgeist war und ist es        mit den Kindern geklappt?
den nicht mehr statt, und der Kontakt zu     eine schwere Zeit, der persönliche Aus-            Wir haben im Schichtsystem und
den Großeltern war sehr reduziert. Auf       tausch ist einfach so wichtig. Und wir       viel am Wochenende gearbeitet – einer
jeden Fall sind wir alle deutlich besser     haben keines unserer Paper ordentlich        von uns konnte sich zum konzentrierten
im Tischtennisspielen geworden, unsere       feiern können, da haben wir einiges          Arbeiten zurückziehen und der andere
Tischtennisplatte war ein Rettungsanker.     nachzuholen!                                 hat sich um die Kinder gekümmert. Wer
Thema     11

„Kinderdienst“ hatte, hat sich parallel       onen. Mit der schrittweisen Öffnung des     Schulaufgaben zu meistern. Die Kleine
um Hausarbeiten wie Kochen, Wäsche            HZI und dem sich bessernden Wetter im       musste sich viel selbst beschäftigen,
etc. gekümmert. Allein das Zubereiten         Sommer haben wir viele Besprechungen        was für eine Vierjährige nicht durchge-
von drei Mahlzeiten nahm viel Zeit in         ins Freie verlegt. Eine besondere Belas-    hend möglich ist. Videokonferenzen mit
Anspruch und vergrößerte die Geschirr-        tung war die Zeit für die internationalen   Kind auf dem Schoß, spielend, quengelnd
berge schier unermesslich. Aber schön         Mitarbeiter, die einerseits erleben muss-   oder schreiend nebendran waren die
war es zu sehen, dass unsere Kinder           ten, welche Verheerungen die Pandemie       Regel. Natürlich ist auch der Anteil an
erzwungenermaßen noch enger zusam-            in ihren Heimatländern verursacht hat,      Haushaltsarbeit höher, wenn auf einmal
mengewachsen sind und herrlich kreati-        und andererseits häufig kein enges sozi-    alle den ganzen Tag zu Hause sind. Mein
ve Spielideen entwickelt haben. Da sind       ales Netzwerk vor Ort hatten.               Mann, der eine Forschungsgruppe an ei-
riesige Miniaturlandschaften und tolle                                                    nem Fraunhofer-Institut leitet, hat davon
Buden entstanden. Und die ausgebrann-                                                     mehr als ich übernommen.
ten Eltern wurden auch mal mit lustigen                                                   Wie sah der Alltag aus?
Tanzvorführungen und Rollenspielen                                                              Typischerweise habe ich zwischen 6
aufgemuntert. Nach wenigen Wochen                                                         und 8 Uhr mit der Arbeit begonnen und
war jedoch klar, dass wir mit unserem                                                     gegen 8:30 oder 9 Uhr mit meiner Familie
Schichtsystem zwar gut für einen Sprint,                                                  kurz gefrühstückt. Ein Hauptteil des Ta-
aber keinesfalls für einen Marathon ge-                                                   ges war von Telefon- und Videokonferen-
rüstet waren. Das gemeinsame Familien-                                                    zen geprägt, die eigentliche Schreib- und
leben kam viel zu kurz, denn ein Elternteil                                               Rechenarbeit lief häufig erst abends oder
hat eigentlich immer gearbeitet. Neben                                                    am Wochenende. Gegen 12:30 haben wir
der enormen Doppelbelastung kam ein                                                       ein schnelles Mittagessen gemacht, zwi-
großer innerer Konflikt dazu, weder den                                                   schen 18 und 20 Uhr zu Abend gegessen
beruflichen Herausforderungen noch den                                                    und die Kinder ins Bett gebracht. Von
Kindern den eigenen Ansprüchen ent-                                                       20 bis 23 Uhr habe ich mich dann häu-
sprechend gerecht zu werden.                                                              fig wieder an die Arbeit gesetzt, natürlich
                                              Dr. Berit Lange                             gab es gelegentlich auch Nachtschichten.
Hätte mehr Unterstützung geholfen?            Ärztin und Epidemiologin am HZI             Am Wochenende habe ich den Vormittag
      Wir haben beide keine Familie vor       Verheiratet,                                Pause gemacht und erst am Nachmittag
Ort, die uns mit der Kinderbetreuung hel-     zwei Kinder, 9 und 4 Jahre alt              und Abend gearbeitet.
fen könnte. Nach etwa zwei Monaten kam
unser Sohn täglich für ein paar Stunden                                                   Welche Anekdote aus der Zeit bleibt
in die Notbetreuung. Nachdem die Kon-                                                     in Erinnerung?
taktbeschränkungen wieder gelockert                                                             Wie ich aus Versehen in der Über-
wurden, hat man sich auch im Freundes-        Wie gelang es, Forschung und                lastung einen Waschtrockner an die fal-
kreis wieder etwas aushelfen können. Die      Homeschooling vom Hauptwohnsitz             sche Adresse (statt nach Braunschweig
Ferienbetreuung in den Sommerferien           in Freiburg aus in der „heißen Phase“       nach Freiburg) geschickt habe ... Sehr
am HZI wurde leider kurzfristig abgesagt.     unter einen Hut zu bringen?                 zur Verwunderung meines Mannes, der
Da hätten wir uns früher Planungssicher-           Normalerweise arbeite ich von          nichts davon wusste und plötzlich eine
heit gewünscht. Die Aufhebung der Rah-        Montag bis Donnerstag im HZI und frei-      Waschmaschine annehmen sollte – so-
menarbeitszeit, um flexible Arbeitszeiten     tags im Homeoffice bei meiner Familie       dass er in eine recht hitzige Videokonfe-
zu ermöglichen, war auf jeden Fall eine       in Freiburg. Den ersten Lockdown habe       renz mit dem Satz reinplatzte: „Sag mal,
Voraussetzung für unser Arbeitsmodell         ich als fordernd, spannend, aber auch       Berit, hast Du eine Waschmaschine be-
im Lockdown. Eine Änderung, die übri-         anstrengend wahrgenommen. Ich habe in       stellt?“ Das muss man dann internationa-
gens auch unabhängig von COVID-19 zur         dieser Zeit mein Team deutlich erweitert,   len Partnern in der Videokonferenz erst
besseren Vereinbarkeit von Familie und        um Evidenzsynthese und impact assess-       mal erklären... (sti, afi)
Beruf beitragen würde.                        ment während der COVID-19-Pandemie
                                              angehen zu können. Gleichzeitig habe
Wie war die Arbeit in der Forschungs-         ich die Planung für die Antikörperstudie
abteilung organisiert?                        MuSPAD begleitet, Pressekommunikati-
     Viele Wissenschaftler haben auch         on übernommen und verschiedene For-
vor der Corona-Pandemie teilweise von         schungsanträge auf den Weg gebracht.
unterwegs oder zu Hause gearbeitet und        Ich wurde als systemrelevant eingestuft,
waren somit auf die Homeoffice-Zeit mit       mein Mann allerdings nicht, sodass wir
Fernzugriff und Videokonferenzen vor-         keinen Anspruch auf Notbetreuung hat-
bereitet. Leider gibt es dabei oft tech-      ten. Den Großen mussten wir mit Wis-
nische Probleme und häufig entwickelt         sen und Equipment ausstatten, um die
sich nicht dieselbe Dynamik in Diskussi-      verschiedenen virtuellen und analogen
12    INFACT | Frühjahr 2021             PORTRÄT

Spot on im Räderwerk
der Zelle
von Nicole Silbermann

           Antoine-Emmanuel Saliba forscht dort, wo Infektionen ihren Anfang nehmen

                                                                                                  das Institut für Molekulare Infektionsbiolo-
                                                                                                  gie (IMIB) an der Universität Würzburg, wo
                                                                                                  er an der Etablierung der RNA-basierten
                                                                                                  Einzelzellanalyse beteiligt war.
                                                                                                         Seit 2017 ist er am HIRI tätig und
                                                                                                  leitet ein sechsköpfiges Team, mit dem er
                                                                                                  den Machenschaften von Krankheitser-
                                                                                                  regern in der Zelle auf die Spur kommen
                                                                                                  möchte. „Es gibt bakterielle Erreger, die in
                                                                                                  verschiedenen Zelltypen unerkannt über-
                                                                                                  dauern und wiederkehrende Infektionen
                                                                                                  verursachen können“, sagt Saliba. „Das ist
                                                                                                  paradoxerweise sogar in Makrophagen der
                                                                                                  Fall, also in den Immunzellen, die eigentlich
                                                                                                  für die Vernichtung von Krankheitserregern
                                                                                                  zuständig sind.“ Um die dunklen Verstecke
                                                                                                  der Erreger in den Zellen aufzuspüren, kann
                                                                                                  die RNA-basierte Einzelzellanalyse im über-
                                                                                                  tragenen Sinne die Scheinwerfer anknip-

W
            as genau geschieht bei Infektio-     Sein Weg zur Infektionsforschung auf der         sen. „Die Veränderungen der RNA-Profile
            nen in der einzelnen Zelle? Wie,     Ebene einzelner Zellen begann mit einem          geben uns wichtige Hinweise, an welchen
            wo und wann wird der Stoff-          Bioengineering-Studium in Toulouse. „Be-         Stellschrauben die Erreger in den Zellen
wechsel innerhalb infizierter Zellen ver-        reits damals fesselten mich die mikro- und       drehen, um über längere Zeit unerkannt
ändert? „Wenn wir das besser verstehen           infektionsbiologischen Studienschwerpunk-        zu bleiben“, sagt Saliba. „Mit der Einzel-
lernen, können wir Ansatzpunkte für pass-        te ganz besonders“, sagt der 39-Jährige mit      zellanalyse verfügen wir über ein wertvol-
genaue und wirksame Therapien finden“,           französisch-libanesischen Wurzeln. „Wie          les und vielversprechendes Werkzeug, um
sagt Antoine-Emmanuel Saliba. Seit mehr          ticken Krankheitserreger? Wo greifen sie         Infektionen künftig von einer neuen Seite
als drei Jahren leitet er die Arbeitsgruppe      an? Wie tricksen sie unsere Zellen aus? Sol-     effektiv angehen zu können.“
Einzelzellanalyse am Helmholtz-Institut für      che Fragen haben mich schon im Studium                  Während Saliba in seiner Forschung
RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI),         fasziniert.“ Während seiner Promotion am         den Fokus ins Detail richtet, liebt er im Pri-
einem Standort des HZI. Um die Auswirkun-        Institut Curie in Paris setzte Saliba zunächst   vaten den Überblick über das große Ganze:
gen einer Infektion auf den Zellstoffwechsel     einen anderen Schwerpunkt und entwickel-         „Für mich gibt es nichts Schöneres als zu
sichtbar zu machen, vergleicht er gesunde        te Systeme zur Analyse von Krebszellen. Im       fliegen. Mein Traum ist es, bald meine Flug-
und infizierte Zellen im Hinblick auf die in     Anschluss ging er an das European Mole-          lizenz zu bekommen.“ Saliba lebt und arbei-
ihnen vorhandene RNA. RNA dient in der           cular Biology Laboratory in Heidelberg, wo       tet nun schon seit mehr als zehn Jahren in
Zelle als Vorlage für die Herstellung von Pro-   er an Methoden zur Sichtbarmachung von           Deutschland. Vermisst er die französische
teinen und zeigt an, welche Gene aktiviert       Protein-Lipid-Wechselwirkungen forschte.         Lebensart nicht dann und wann? „In kuli-
wurden. „Durch den Vergleich der RNA-            „Das sind ganz wichtige Aspekte, um zu           narischer Hinsicht manchmal schon“, lacht
Profile zwischen gesunden und infizierten        verstehen, wie Enzyme in unserem Körper          Saliba. „Das ist aber auch das Einzige. Die
Zellen können wir das zelluläre Räderwerk        agieren“, sagt Saliba. „Die biochemische         deutsch-französische Freundschaft lebe
im Detail ausleuchten und feststellen, wann      Forschung war spannend, doch wollte ich          und erlebe ich jeden Tag – das ist wirklich
und an welchen Stellen es aus dem Takt ge-       in einem Bereich forschen und arbeiten, für      großartig!“
rät, und wo genau Krankheitserreger Sand         den mein Herz schlägt – in der Infektions-
ins Getriebe streuen“, erklärt Saliba.           forschung.“ Daher wechselte er 2013 an
Standorte 13

Neue Befragung zu psychischen
Belastungen am Arbeitsplatz
von Jennifer Fricke und Heike Kollmus

           Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen nehmen immer weiter zu.
           Regelmäßige Erfassungen der Belastung am Arbeitsplatz sollen dem vorbeugen

I
  n der heutigen Arbeitswelt sind wir zu-      Im nächsten Schritt sollen die Arbeitgeber   Umfrage mit dem Tool COPSOQ (Copen-
  nehmend psychischen Belastungen              Maßnahmen des Arbeitsschutzes ableiten,      hagen Psychosocial Questionnaire) durch-
  ausgesetzt. Häufige Stressfaktoren sind      die diese Gefährdungen beseitigen oder       geführt, die eine Grobanalyse zur Messung
hoher Termindruck, mangelnde Kommu-            bestmöglich reduzieren. Ein regelmäßiges     der psychischen Belastung erlaubt. Sie ent-
nikation, Probleme in der hierarchischen       Erfassen psychischer Belastungen soll so     hält Fragen aus verschiedenen Kategorien:
Kooperation, Zunahme an Arbeitsinten-          die Arbeitsbedingungen kontinuierlich ver-   Arbeitsorganisation, Arbeitsinhalt, Arbeits-
sität, Unplanbarkeit der Arbeitszeit und       bessern.                                     mittel und -umgebung, soziale Beziehun-
ständige Unterbrechungen bei der Aus-                Am HZI befasst sich eine Steuer-       gen sowie Zusatzfragen zu der veränderten
führung der eigentlichen Aufgaben. Letzt-      gruppe mit den psychischen Belastungen       Arbeitssituation bedingt durch die Corona-
endlich steigt durch diese Belastungen die     am Arbeitsplatz. Sie besteht aus jeweils     Pandemie. Die gewonnenen Ergebnisse
Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund      zwei von der Geschäftsführung und dem        können sowohl HZI-intern als auch mit
psychischer Erkrankungen. Die Ergebnis-        Betriebsrat entsendeten Personen und hat     120.000 hinterlegten Datensätzen aus
se des aktuellen Psychoreports 2020 der        die Aufgabe, die Durchführung der Gefähr-    Wirtschaftsunternehmen und anderen öf-
Krankenkasse DAK-Gesundheit zeigen,            dungsbeurteilung zu planen, zu initiieren    fentlichen Einrichtungen verglichen wer-
dass die Zahl der Krankschreibungen auf-       und zu organisieren. Derzeitige Mitglie-     den. Die Teilnahme an der Befragung ist für
grund psychischer Leiden im Jahr 2019          der der Steuergruppe sind Jennifer Fricke    alle Beschäftigten freiwillig. Ein externer
einen neuen Höchststand erreicht hat. Auf      (Betriebsrat), Heike Kollmus (Qualitätsma-   Dienstleister wertet die Fragebögen ano-
100 Versicherte kamen rund 260 Fehlta-         nagement), Carsten Strömpl (Fachkraft für    nym aus und stellt allen Teilnehmenden
ge im Zusammenhang mit psychischen             Arbeitssicherheit) und Thomas Twardoch       das jeweils persönliche Ergebnis online zur
Erkrankungen. Somit ist die Anzahl dieser      (Betriebsrat). Die Steuergruppe arbeitet     Verfügung. Nach der Auswertung der Grob-
Fehltage von 2000 bis 2019 um 137 Pro-         mit dem Leiter der Personalabteilung, der    analyse unterstützen ebenfalls externe
zent gestiegen (Quelle: Ärzteblatt.de). Seit   Schwerbehindertenvertretung, der Gleich-     Berater bei Bedarf mit Feinanalysen, zum
Ende 2013 schreibt das Gesetz vor, dass        stellungsbeauftragten, der Leitung des       Bespiel in Form von Workshops oder Inter-
Arbeitgeber eine Gefährdungsbeurteilung        Familienbüros, der Leitung des AK Sucht-     views. Basierend auf den dort erhaltenen
für psychische Belastungen durchzuführen       prävention, der Betriebsärztin sowie mit     Ergebnissen schlägt die Steuergruppe der
haben. Ziel ist es, mithilfe dieser Beurtei-   Vertretern der Mitarbeiter zusammen.         Geschäftsführung mögliche Maßnahmen
lung mögliche psychische Gefährdungen                Die nächste Erfassung der psychi-      zur Umsetzung vor, die Belastungen vor-
im Zusammenhang mit der Arbeit als sol-        schen Belastungsfaktoren steht am HZI im     beugen, sie reduzieren oder im besten Fall
che zu erkennen und einordnen zu können.       Frühjahr 2021 an. Dazu wird eine Online-     vollständig beheben sollen.
                                                                                                   Um repräsentative Ergebnisse zu
                                                                                            erhalten und somit eine größtmögliche
                                                                                            Verbesserung für alle Beschäftigten errei-
                                                                                            chen zu können, ist die Beteiligung aller
                                                                                            HZI-Beschäftigten wichtig. Daher bitten die
                                                                                            Steuergruppe, der Betriebsrat und die Ge-
                                                                                            schäftsführung darum, sich die Zeit für die
                                                                                            Gesundheit zu nehmen und an der Umfra-
                                                                                            ge teilzunehmen. Eine Einladung erhalten
                                                                                            die HZI-Beschäftigten im Frühjahr 2021 per
                                                                                            Mail von der Steuergruppe, die auch gern
                                                                                            für Rückfragen bereitsteht.
14   INFACT | Frühjahr 2021            NACHRICHTEN

nachrichten
Ausgezeichnet                                MY CORONA                                NEUE VERTRETUNG
                                             Das HZI-Sommerfest 2020 musste           Im Jahr 2021 werden die Promovieren-
                                             aufgrund der COVID-19-Pandemie vir-      den des HZI von Janyn Heisig (VAC),
                                             tuell als Videokonferenz stattfinden.    Marco Kirchenwitz und Christopher
                                             Fester Bestandteil war der mittlerwei-   Lambert (beide MZBI) vertreten. Kir-
                                             le traditionelle Fotowettbewerb, aus     chenwitz war bereits im Vorjahr Spre-
                                             aktuellem Anlass diesmal unter dem       cher der Doktorandeninitiative DO IT,
                                             Motto „My Corona: Bilder aus einer       Heisig und Lambert folgen nun auf
                                             ungewöhnlichen Zeit“. Die Mitarbeite-    Carsten Peukert und Arne Bublitz. Ge-
                                             rinnen und Mitarbeiter wählten diese     meinsam mit der Graduiertenschule
                                             Fotos auf die ersten Plätze:             vertritt DO IT die Interessen der Pro-
                                                                                      movierenden und setzt sich für die
Rolf Müller, geschäftsführender Direk-
                                             1. Platz: Berenike Henneberg (FC)        Einhaltung der Qualitätsstandards so-
tor des Helmholtz-Instituts für Pharma-
                                                                                      wie eine stetige Verbesserung der Ar-
zeutische Forschung Saarland (HIPS)
                                                                                      beitsbedingungen während der Pro-
und Leiter der Abteilung „Mikrobielle
                                                                                      motion ein.
Naturstoffe“, hat den Gottfried Wilhelm
Leibniz-Preis 2021 erhalten. Damit
würdigt die Deutsche Forschungsge-
meinschaft Müllers herausragende
Leistungen in der Naturstoffforschung
und der biomedizinischen Mikrobiolo-
gie. Mit einer Fördersumme von bis zu
                                             2. Platz: Diego Ortiz (MIKI)
2,5 Millionen Euro über sieben Jahre
ist der Leibniz-Preis die höchstdotierte
Auszeichnung, die in Deutschland re-
gelmäßig an Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler vergeben wird.                                                        Janyn Heisig

STIPPVISITE DER
NOBELPREISTRÄGERIN

                                             3. Platz: Khadija Hassan (MWIS)

                                                                                      Marco Kirchenwitz

„Endlich“, werden viele gesagt haben,
als Emmanuelle Charpentier den No-
belpreis für Chemie 2020 für ihre
bahnbrechenden Arbeiten an der Gen-
schere CRISPR-Cas9 erhalten hat. Nur
wenige Tage nach der Bekanntgabe
besuchte Charpentier kurz das HZI, an
dem sie von 2013 bis 2015 die Abtei-
lung „Regulation in der Infektionsbio-
                                                                                      Christopher Lambert
logie“ leitete. „Ich bin überwältigt und
fühle mich zutiefst geehrt, einen Preis
von so hoher Bedeutung zu erhalten“,
sagte sie. Das HZI gratuliert herzlich!
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