Infrastrukturprojekte 2020 - Bauen für die starke Schiene Herausgeber: DB Netz AG - PMC Media

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Infrastrukturprojekte 2020 - Bauen für die starke Schiene Herausgeber: DB Netz AG - PMC Media
Infrastrukturprojekte 2020
Bauen für die starke Schiene

Herausgeber: DB Netz AG
Infrastrukturprojekte 2020 - Bauen für die starke Schiene Herausgeber: DB Netz AG - PMC Media
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­Verlags gestattet.
Herausgeber: DB Netz AG, www.dbnetze.com
Redaktionsschluss: 01. August 2020
Geschäftsführung: Detlev K. Suchanek
Projektleitung: Willy Waßmuth, Consultant
Konzept und inhaltliche Beratung: Axel-Björn Hüper, Consultant
Redaktion: Michael Baufeld, DB AG und Torsten Rohr, DB Netz AG
Anzeigenverkauf: Dirk J. Bogisch (Bogisch GmbH) Vertrieb und Buchservice: Sabine Braun
Layout, Gestaltung: TZ-Verlag & Print GmbH, Roßdorf Druck: TZ-Verlag & Print GmbH, Roßdorf
Printed in Germany ISBN 978-3-96245-221-6

Eine Publikation der PMC Media House GmbH
Infrastrukturprojekte 2020 - Bauen für die starke Schiene Herausgeber: DB Netz AG - PMC Media
Inhalt

    Frank Sennhenn                                     Dipl.-Ing. Udo Wessel/Theo Reddemann
    Grusswort7                                        Schnell mal eine Brücke bauen                   62

    Enak Ferlemann                                     Beatrix Groneberg-Kloft/Norbert Dotzer
    Ein Masterplan für die Zukunft                     Mainbrücke Stockstadt in kurzer Zeit saniert    68
    des Schienenverkehrs in Deutschland          8

                                                       Die Bahn hat Wort gehalten: Innerhalb von fünf
    Hannes Tesch/Dirk Kretzschmar/Karsten Braune/      Jahren wurden 902 Brücken erneuert            74
    Martin Holtgrewe/Jochen Kieserling
    Neue Gleise für die Schnellfahrstrecke
    Hannover – Würzburg                          14   Matthias Michaelis/Peter Bischoff/Imo Piotrowski/
                                                       Rafael Ziemba
                                                       Eine neue Eisenbahnbrücke im Zentrum von
    Antonino Contarini/Jörg Hopfenziz/Anke England     Hannover80
    Schnellfahrstrecke Mannheim – Stuttgart
    in 205 Tagen erneuert                       26
                                                       Nina Kippenberg
                                                       DIANA weiß, ob es der Weiche gut geht           92
    Jan Dölves/Martin Glaser
    Auf de schwäbsche Eisebahne fahren Züge
    künftig elektrisch                          38    Roland Stojan/Jens Wuelfrath/Volker Brandstetter/
                                                       Wolfgang Jakob/Ulrich Kohlenberger/Wilko Eisele/
                                                       Alexander Schuler/Sebastian Eitel/Tobias Kleinicke/
    Martin Heinisch/Jörg-Ulrich Muckenfuß/             Andreas Winter
    Josip Jarnjak                                      Korridor Rhine-Alpine: Mit ETCS in die Schweiz 98
    Claim- und Nachtragsmanagement bei der DB AG
    am Beispiel der Südbahn                    44
                                                       Veit Appelt/Christian Kock/Simone Eckert/
                                                       Nicole Becker
    Peggy Bretfeld/Thorsten Ganz/                      Dortmunder Hauptbahnhof modern
    Eva-Maria Sidiropoulos                             und barrierefrei                               104
    Breisgau-S-Bahn verbindet Kaiserstuhl,
    Schwarzwald und Donauquelle                 52
                                                       Simone Geppert/Philipp Kunkel/
                                                       Kai-Uwe Puschmann/Seckin C. Kurkut
                                                       Digital planen – real bauen – weiter denken    114

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Infrastrukturprojekte 2020 - Bauen für die starke Schiene Herausgeber: DB Netz AG - PMC Media
Dirk Schütz/Volker Vorwerk/Lisa Wilfing/Joachim      Christian Tölle/Andre`Ketzer
Michael/Matthias Just/Jens Bartnitzek                Neubau von Anlagen für das ICE-Werk
Projekt Hanau – Fulda: Digital planen,               Berlin-Rummelsburg168
digital beteiligen                            120

                                                     Ulrich Ardelmann/Matthias Mähliß
Annette Hering/Jens Rose/Benjamin Otto/              Wildpferde und Rinder sind Botschafter
Anke England                                         der grünen Bahn                           178
Nachhaltig bauen mit System                  130

                                                     Ina Blanke
Elisabeth Obiero                                     Mensch – Natur – Technik am MegaHub Lehrte 190
Wittighausen – kurzer Tunnel,
schnelles Projekt                            134

                                                     Quellen- und Bildnachweis                 194
Stefan Vetter/Mario Gallo
Vom historischen Gemäuer
zum modernen Tunnel                          140

                                                     Partner der Bahn                          195
Thomas Skodowski/Ali Akbar Elahwiesy/Birgit
Hartmann
Eisenbahnknoten Magdeburg, 2. Ausbaustufe 148

                                                     10 Jahre Infrastrukturprojekte –
Michael Katz/Wolfgang Kriechbaum/Julia Rott
Lindau am Bodensee wird europäischer
                                                     Bauen für die Deutsche Bahn               215
Verkehrsknoten156

Klaus Homberg
Veränderung Gleislayout in Berlin-Rummelsburg
162

                                                                                                    5
Infrastrukturprojekte 2020 - Bauen für die starke Schiene Herausgeber: DB Netz AG - PMC Media
Motor des Wachstums im Bahnverkehr. Für mehr
                                                      Verkehr auf der Schiene wollen wir langfristig bis
                                                      zu 30 Prozent mehr Kapazität im Schienennetz
                                                      schaffen. Einen wesentlichen Beitrag werden der
                                                      Aus- und Neubau der Infrastruktur, die Digita-
                                                      lisierung der Schiene und ein gesamtheitliches
                                                      ­Kapazitätsmanagement leisten. Und natürlich
                                                       ­gehört auch dazu, das bestehende Netz zu
                                                        ­erhalten und zu erneuern.

                                                      Die Beiträge in diesem Buch zeigen Ausschnitte
                                                      unserer Arbeit an einer starken Schiene. Un-
                                                      ter anderem mit einer Zwischenbilanz unseres
                                                      ­Erneuerungsprogrammes für Eisenbahnbrücken.
                                                      Im Rahmend der Leistungs- und Finanzierungs-
                                                      vereinbarung II (LuFV II) haben wir in den zurück-
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,                    liegenden Jahren über 900 Eisenbahnbrücken
                                                      erneuert. Und gehen mit der im Januar 2020
es ist inzwischen schon eine gute Tradition, dass     unterschriebenen LuFV III in eine neue Runde:
wir Ihnen in Buchform einen Einblick in unsere Ar-    Bis zum Ende des Jahrzehntes nehmen wir uns
beit zum Erhalt und Ausbau der Bahninfrastruktur      weitere 2.000 Brücken vor.
geben. Seit der letzten Veröffentlichung haben wir
ordentlichen Rückenwind von Politik und Gesell-       Dieses Buch zeigt, wie wir – Bauunternehmen,
schaft erfahren. Mit der Koalitionsvereinbarung       Planer, DB – als Partner des Systems Schiene zu­
2018 hat die Politik die Weichen gestellt für mehr    sammenarbeiten. Diese Zusammenarbeit wollen
Verkehr auf der Schiene. Die Klimadebatte, ebenso     wir noch stärker auf diejenigen ausrichten, die auf
wie die Erfahrungen der Corona-Monate, haben          der Schiene fahren. Dazu haben wir, die DB Netz,
uns allen deutlich gezeigt: Deutschland braucht       uns jetzt besser aufgestellt. Alle Prozesse sind –
die Bahn! Umwelt- und Klimaschutz, n   ­ achhaltige   vom Kundenbedürfnis bis zur Kundenzufrieden-
Mobilität – ohne die Bahn geht es nicht. Die          heit – auf unsere Kunden ausgerichtet.
Politik hat den Weg zur Stärkung der Schiene in
Deutschland geebnet; mit umfassenden Investi-         Wir sind jetzt in eine neue Organisation gestartet,
tionsprogrammen, mit der Modernisierung des           die diesen durchgängigen Prozessfluss konsequent
Planungsrechtes für eine beschleunigte Umsetzung      unterstützt. Abläufe werden weiter vereinfacht,
der Investitionen, mit neuen Konzepten wie dem        verbessert, standardisiert und innovativer ge­
„Deutschlandtakt“. Unter Mitwirkung der gesamt-       staltet. Damit sind wir für die Herausforderungen
en Schienenbranche im „Zukunftsbündnis Schiene“       der Zukunft, für mehr Verkehr auf der Schiene
entstand ein „Masterplan“ für den Schienenver-        besser aufgestellt.
kehr. Parallel zu den Initiativen der Branche hat
der DB-Konzern seine Unternehmensstrategie neu        Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre und
ausgerichtet auf die „Starke Schiene Deutschland“.    uns allen weiter eine enge Zusammenarbeit zur
                                                      Stärkung der Schiene.
Gemeinsam haben wir das Ziel, mehr Verkehr
auf die Schiene zu holen. Die DB Netz schafft das     Herzlichst Ihr
Fundament dafür. Sie ist Kapazitätsmanager und        Frank Sennhenn

                                                                                                            7
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Ein Masterplan für die
 Zukunft des Schienen-
 verkehrs in Deutschland
 Der Koalitionsvertrag vom März 2018 ist der bahnfreundlichste der letzten Jahr-
 zehnte. Als ambitionierte Ziele haben sich die Regierungspartner bis zum Jahr
 2030 eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen und eine deutliche Erhöhung des
 Marktanteils im Schienengüterverkehr gesetzt. Zur Umsetzung dieser Ziele sind
 umfangreiche Maßnahmen erforderlich, die erstmals in einem Masterplan Schie-
 nenverkehr zusammengefasst sind.

    Bild 1: Unterzeichnung des Schienenpakts am 30.06.2020

 Die ambitionierten bahnpolitischen Ziele lassen              geleiteten Schienenpakt verständigt (siehe Bild 1)1.
 sich nur in einer gemeinsamen Anstrengung                    So ein breites Bündnis hat es in der deutschen und
 des gesamten Schienenverkehrssektors mit dem                 europäischen Bahnbranche noch nie gegeben.
 Bund erreichen. Daher haben 27 Verbände und
 Unternehmen seit Herbst 2018 im Zukunftsbünd-                Der Masterplan Schienenverkehr dokumentiert
 nis Schiene zusammengearbeitet und sich am                   eindrucksvoll, dass der Schienensektor in Deutsch-
 30.06.2020 gemeinsam mit dem BMVI auf den                    land deutlich mehr ist als die bundeseigene
 Masterplan Schienenverkehr und den daraus ab-                Deutsche Bahn AG (DB AG). Natürlich ist auch eine

                                                              1 Alle Dokumente stehen unter https://www.zukunftsbu-
                                                                endnis-schiene.de/ zur Verfügung.

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solide finanzierte DB AG ein wichtiger Stabilitäts-     kehr, indem er etwa das Angebot auf den Verbin-
anker des Sektors. Daher ist es von entscheidender      dungen Berlin – Amsterdam, Stuttgart – Amsterdam,
Bedeutung für die Erreichung der Ziele des Master-      München – Wien sowie Berlin – Paris verbessert.
plans, dass dieser intramodale Wettbewerb auch          Damit wollen wir den Zug für transeuropäische
nach Bewältigung der Folgen der COVID19-Pan-            Reisen als eine attraktive Alternative zum Flugver-
demie weiterhin erfolgreich bleibt. Die Bundesre-       kehr etablieren.
gierung wird diesen Aspekten bei den anstehen-
den Kapitalmaßnahmen bei der DB AG und der              Die Experten haben in ihrem dritten Gutach-
Novellierung des Eisenbahnregulierungsgesetzes          ter-Entwurf außerdem nachgewiesen, dass mit
besondere Aufmerksamkeit widmen.                        dem Deutschlandtakt das große Ziel aus dem
                                                        Koalitionsvertrag tatsächlich erreicht werden kann:
Der Masterplan Schienenverkehrs hat sechs               die Zahl der Fahrgäste auf der Schiene zu verdop-
Schwerpunkte:                                           peln. Die Konzeption ist fertig – jetzt geht es an
                                                        die Umsetzung.
1. Deutschlandtakt einführen (Pünktlichere Bahn)
2. Kapazitäten ausbauen (Zuverlässigere Bahn)           Früher wurde erst gebaut und dann ein neuer
3. Wettbewerbsfähigkeit der Schiene stärken (Fle-       Fahrplan erstellt, das drehen wir jetzt um: Zu-
   xiblere und wettbewerbsfähigere Bahn)                nächst werden die Angebote definiert – und dann
4. Lärm- und Klimaschutz vorantreiben (Leisere          die dafür notwendige Infrastruktur realisiert. Das
   und klimafreundlichere Bahn)                         ist ein Paradigmenwechsel: Seit der Bahnreform
5. Innovationen fördern (Innovativere Bahn)             von 1994 hat es im Eisenbahnbereich kein ver-
6. Fachkräfte gewinnen (Attraktivere Bahn)              gleichbares Vorhaben mehr gegeben.

Ein entscheidender Baustein für das Wachstum            Das Motto des Deutschlandtakts lautet: öfter,
der Schiene und die Verkehrsverlagerung ist der         schneller, überall!
Deutschlandtakt, das Herzstück unseres Schienen-
pakts. Kern des Deutschlandtakts ist, dass sich alle    ❚ Öfter – weil auf allen wichtigen Hauptverkehrs­
Züge zu jeweils festen Zeiten im Bahnhof treffen.         achsen künftig jede halbe Stunde ein Zug fährt.
Dadurch wird das Umsteigen deutlich leichter und        ❚ Schneller – weil sich die Fahrzeiten durch das
Bahnfahren deutlich verlässlicher. Darüber hinaus         nahtlose Umsteigen und neue, schnelle Verbin-
werden nicht nur die Anschlüsse für den Personen-         dungen deutlich verkürzen.
verkehr optimiert, sondern auch der Güterverkehr        ❚ Überall – weil wir Städte und Regionen optimal
in alle Überlegungen gleichberechtigt miteinbezo-         anbinden.
gen. Durch eine Systematisierung und Optimierung
des Fahrplans steigen Anzahl und Qualität der           Deshalb können sich auf diesen Deutschlandtakt
Trassen für den wachsenden Schienengüterverkehr.        wirklich alle freuen und zwar nicht irgendwann
Gleichzeitig wissen wir, an welchen Stellen ein         in ferner Zukunft: Wir wollen durch ein Etappie-
Ausbau für die benötigten Kapazitäten besonders         rungskonzept den Deutschlandtakt so schnell wie
effizient ist.                                          möglich erfahrbar machen.

Seit Ende Juni 2020 liegt der dritte und finale         Starten werden wir mit einem Halbstundentakt
Entwurf des Zielfahrplans Deutschlandtakt2 vor,         auf der Strecke Hamburg – Berlin als Einstieg in den
der von den Gutachtern des Bundes in enger Zu-          Deutschlandtakt. Mit der folgenden Elektrifizie-
sammenarbeit mit den Mitgliedern des Zukunfts-          rung der Strecke München – Lindau verbessern wir
bündnisses Schiene sowie mit den Ländern aus-           die Anschlüsse in den Taktknoten München und
gearbeitet wurde. Auf der vielbefahrenen Achse          Zürich, so dass sich die Reisezeit zwischen beiden
Mannheim – Stuttgart – München zum Beispiel             Städten deutlich verkürzt. Damit synchronisieren
verkürzt der Zielfahrplan die Reisezeit um fast eine    wir die deutschen und Schweizer Taktfahrpläne
Stunde (von heute 2 Stunden 57 Minuten auf dann         und legen zugleich die Basis dafür, dass mehr Gü-
2 Stunden und 2 Minuten). Gleichzeitig entstehen        terverkehr auf die Schiene kommt.
durch diese kürzere Fahrtzeit in den Bahnhöfen
Stuttgart, Ulm und Augsburg jeweils zur vollen          Schritt für Schritt werden weitere Vorhaben auf
und zur halben Stunde Taktknoten mit optimalen          dem Weg zum Deutschlandtakt folgen: Voraus-
Anschlüssen in alle Richtungen. Zudem stärkt der        sichtlich Ende 2022 werden wir etwa mit der Fer-
neue Zielfahrplan den grenzüberschreitenden Ver-        tigstellung der Neubaustrecke Wendlingen – Ulm
                                                        den Verkehr im Südwesten Deutschlands deutlich
2 Nähere Informationen unter https://www.deutschland-
                                                        verbessern und zugleich für wichtige Zentren wie
  takt.de/.                                             Rhein-Ruhr und Rhein-Main schnellere Verbindun-

                                                                                                               9
Infrastrukturprojekte 2020 - Bauen für die starke Schiene Herausgeber: DB Netz AG - PMC Media
Auf de schwäbsche
  Eisebahne fahren Züge
  künftig elektrisch
  Die Elektrifizierung der Südbahn von Ulm zum Bodensee macht umsteigefreies
  Reisen zwischen Bodensee und Stuttgart möglich. Die Strecke sorgt für bessere
  Verbindungen im internationalen Personen- und Güterverkehr über Lindau und
  Bregenz. Nach vier Jahren Bauzeit wird es ab dem Fahrplanwechsel im Dezember
  2021 elektrisch von Ulm nach Lindau gehen.

     Montagearbeiten im Bereich Laupheim West

  Projektbeschreibung                                      Geschwindigkeitserhöhung auf 160 km/h zwischen
                                                           Ulm und Friedrichshafen mit ein. Der Streckenab-
  Die sogenannte Südbahn führt von Ulm über                schnitt zwischen Ulm und Stuttgart nördlich des
  ­Biberach an der Riß, Aulendorf und Friedrichshafen      Projektbereichs ist bereits elektrifiziert. Im Süden
   nach Lindau am Bodensee. Ihre Entstehung reicht in      soll mit dem Anschluss an die sich ebenfalls im
   das Jahr 1846 zurück. Ihr zweigleisiger Ausbau er-      Ausbau befindliche Strecke München – Lindau der
   folgte in den Jahren 1905 bis 1913. Sie gehört damit    durchgängig elektrifizierte Verkehr zwischen den
   zu den ältesten Eisenbahnstrecken in Baden-Würt-        beiden süddeutschen Landeshauptstädten komplet-
   temberg und ist zugleich eine der wenigen zweig-        tiert werden.
   leisigen Hauptstrecken im Bundesgebiet, die noch
   nicht vollständig elektrifiziert sind. Der offizielle   Dem ersten Spatenstich im März 2018 ging eine
   Spatenstich zum Projekt „Südbahn“ fand am 23.           mehrjährige Planungsphase sowie eine Initiative
   März 2018 statt und läutet die Elektrifizierung der     örtlicher Städte, Gemeinden, Landkreise, Handels-
   Strecke Ulm – Friedrichshafen – Lindau ein. Der Pro-    kammern sowie Regionalverbänden voraus, die
   jektauftrag schließt ebenfalls eine abschnittweise      2006 in der Gründung des Interessenverbandes

38
Infrastrukturprojekte 2020 - Bauen für die starke Schiene Herausgeber: DB Netz AG - PMC Media
(IV) Südbahn mündete und maßgeblich in Zusam-        berücksichtigten entsprechend die jeweiligen
menarbeit mit der DB Netz AG und dem Land            Landkreisgrenzen: Alb-Donau, Biberach, Ravens-
Baden-Württemberg das Projekt vorangetrieben         burg und Bodensee in Baden-Württemberg sowie
hat. Am 30. Juni 2009 erfolgte mit einer vom Land    Lindau auf bayerischer Seite. Die Planfeststellungs-
und der DB Netz AG geschlossenen Vereinbarung        verfahren wurden nach Abschluss der technischen
zur Durchführung der Planungsarbeiten schließlich    Planungen in den Jahren 2011 und 2012 eingelei-
der endgültige Auftakt zur Elektrifizierung der      tet. Der endgültige Abschluss der Planungen er-
Südbahn. Die Finanzierungsvereinbarung für das       folgte mit den Planfeststellungsbeschlüssen durch
Projekt wurde nach langwierigen Verhandlungen        das Eisenbahn-Bundesamt in 2015/2016.
zwischen Bund, dem Land Baden-Württemberg
und der DB Netz AG am 23. Dezember 2015 unter-
zeichnet. Ebenfalls intensiv waren die Anstrengun-
gen der DB Netz AG, um die betroffenen Bürger        Umfang der Baumaßnahmen
und involvierten fünf Landkreise entlang des
insgesamt ca. 130 km langen Streckenabschnittes      Das Gros der Maßnahmen zur Elektrifizierung der
zu informieren und von der Notwendigkeit der         Südbahn betrifft naturgemäß die Herstellung der
umfangreichen Baumaßnahmen zu überzeugen             Oberleitungsanlagen (OLA) für die Hauptstrecken,
sowie eventuelle Einwände einzubeziehen. Die         nebst Überhol- und Bahnhofsgleisen. Die Gesamt­
eingerichteten fünf Planfeststellungsabschnitte      länge der Kettenwerke beläuft sich auf rund

Streckenverlauf mit den je-
weiligen Planfeststellungsab-
schnitten

                                                                                                            39
Infrastrukturprojekte 2020 - Bauen für die starke Schiene Herausgeber: DB Netz AG - PMC Media
DIANA weiß, ob es der
  Weiche gut geht
  Sensoren an den Weichen liefern kontinuierliche Statusinformationen an die zent-
  rale Plattform des Diagnose- und Analysesystems DIANA. Eine weltweit einmalige
  Anwendung. In diesem Jahr hat die DB Netz AG die Ausrüstung von 28.000 Weichen
  mit diesem Diagnosesystemen abgeschlossen. Damit ist das bislang umfangreichste
  Digitalisierungsprojekt der Deutschen Bahn erfolgreich abgeschlossen.

  Bild 1: Sensorik im Netz

  Die Diagnose zahlt auf die Konzernstrategie            Zustandes einer Anlage (Diagnose) sowie die Inter-
  „Deutschland braucht eine Starke Schiene“ ein.         pretation und Beurteilung der gesammelten Daten
                                                         unter anderem anhand des gültigen Regelwerks
  Die DB Netz AG verfolgt das Ziel, den Anteil an        (Analyse). Um dies zu erreichen, wurde die DIANA
  zustandsbasierter und prädiktiver Instandhaltung       Plattform innerhalb der DB Netz AG als die zentrale
  (IH) im Rahmen der zukunftsorientierten Instand-       Plattform festgelegt, an welche sukzessive alle An-
  haltungsstrategie deutlich zu erhöhen. Die grund-      lagentypen aufgeschaltet werden. Die eigentliche
  legende Voraussetzung für eine zustandsbasierte        Software wird dabei bei dem DB internen Dienst-
  IH ist die kontinuierliche Erfassung des technischen   leister, der infraview GmbH, verantwortet und

92
Bild 2: Digitale Weichenantriebsdiagnose

weiterentwickelt, so dass die Gesamtkompetenz für      Ein wichtiger, wenn nicht entscheidender Vorteil
das Diagnosesystem innerhalb der DB AG liegt.          der Digitalisierung besteht darin, unterschiedliche
                                                       Ausgangslagen (z. B. Weichenantriebe unterschied-
Die Herausforderungen zur Sicherstellung ei-           licher Hersteller) und Aufgabenstellungen (z. B.
ner hohen Anlagenverfügbarkeit sind für jeden          Diagnose bei Abweichungen in der Stromstärke
Infrastrukturbetreiber groß, dies gilt umso mehr       oder Umlaufdauer) durch allgemeingültige Daten-
für die DB Netz AG als Betreiber des größten           strukturen abstrahieren zu können, ohne dabei
Schienennetzes Europas. Dabei sind unterschied-        die anlagenspezifischen Merkmale aufzuheben.
lichste Anlagentypen im Infrastrukturnetz der          Dies erfolgt bei der DB Netz AG über die anlagen-
DB Netz AG zu berücksichtigen. Jeder Anlagentyp        typübergreifende Diagnose- und Analyseplattform
wird durch eine noch höhere Anzahl individueller,      DIANA.
also physisch existierender Feldkomponenten und
Technologien vieler Altersstufen repräsentiert.
                                                                                            Bild 3:
Es gilt daher, parallel zu den bereits eingeleiteten                                        Standardisierte
                                                                                            Diagnoseober-
Investitions- und Digitalisierungsmaßnahmen, die
                                                                                            fläche
vorhandene Vielfalt an Technologiegenerationen,
die unterschiedlich konzipierten, teils nicht kompa-
tiblen Datenschnittstellen bis hin zu fehlenden Da-
tenschnittstellen im Gesamtnetz zu berücksichtigen.

Digitaler Lösungsansatz bei der Fernüberwachung
von Anlagen

Die Lösung klingt zunächst einfach:                    Das DIANA-System zeichnet sich durch folgende
                                                       Eigenschaften aus:
❚ Zur Sicherung einer hohen Anlagenverfügbar-
  keit muss deren aktueller Status aus der Ferne,      ❚ Die Instandhaltung als Nutzer und „Kunde“ von
  ohne punktuelles Anfahren/Auslesen der Anla-           DIANA erhält eine einheitliche und standardi-
  gen im Feld, jederzeit erfasst werden können           sierte Benutzeroberfläche über alle Anlagenty-
❚ Über die Erfassung des Status hinaus gilt es, die      pen und Hersteller hinweg, was die Nutzung von
  Daten zu analysieren, eine Abweichung vom              Diagnose stark vereinfacht.
  Sollzustand frühzeitig zu erkennen und für           ❚ Vergabe von Nutzerrechten, Verfügbarkeit der
  deren Ursache - ebenfalls aus der Ferne – die          Anwendung auf Endgeräten der Nutzer ist be-
  richtige Diagnose zu treffen                           reits etabliert und eingeführt.
                                                       ❚ Diagnosedaten erfahren eine mit der Bahnindus-
Diese zwei Kernelemente bilden die Vorausset-            trie abgestimmte Standardisierung (einheitliches
zung, um in ein vorausschauendes, zustandsorien-         Datenmodell), damit die Daten von Anlagen
tiertes Regime in der Bewirtschaftung der Infra-         gleicher Bauart ebenfalls standardisiert analy-
strukturanlagen zu wechseln.                             siert werden können (beispielsweise können
                                                         dann Qualitätsanalysen zu Weichenheizungen

                                                                                                              93
Lindau am Bodensee wird
   europäischer Verkehrsknoten
   Ende 2020 ist das Wesentliche vollbracht: Im Lindauer Stadtteil Reutin ist ein
   neuer Bahnhof für den Regional- und Fernverkehr enstanden, die Bahnstrecke
   zwischen Zürich und München elektrifiziert. Sowohl auf der Insel als auch im
   Stadtteil Reutin werden bisherige Bahnflächen für eine städtebauliche Entwick-
   lung freigemacht.

  Lindau ist die südwestlichste Stadt Bayerns.             anstatt vier Eurocity-Zugpaare zwischen München
  Sie befindet sich im Dreiländereck Deutschland –         und Zürich mit Halt in Lindau pendeln und die
  Österreich – Schweiz und ist Teil eines Eisenbahn-       Metropolen besser miteinander verbinden.
  infrastrukturprojekts mit einer Investitionssumme
  von rund 200 Mio. Euro. Der Ausbau und die Mo-           Neben dem Elektrifizierungsprojekt der ABS
  dernisierung des Bahnknotens in Lindau sowie der         48 sind umfangreiche Um- und Neubauten auf
  Strecke München – Lindau sind Bestandteile der           der Strecke nach Lindau sowie im Knoten selbst
  internationalen Verbindung zwischen den Metro-           erforderlich. Darunter fallen zahlreiche Um-, Neu-
  polregionen München und Zürich und sind damit            und Rückbauten von Bahnhofsanlagen, Brücken,
  Bestandteil des Bundesverkehrswegeplans.                 Dämmen, Bahnübergängen oder auch Eisenbahn-
                                                           überführungen. Auch ein elektronisches Stellwerk,
   Vor allem im internationalen Fernverkehr wird           die Verlagerung der Abstell- und Tankanlage,
   durch den Ausbau eine deutliche Attraktivitätsstei-     Oberleitungsum- und neubau sowie der Bau von
   gerung durch Angebotsausweitung und Reisezeit-          Lärmschutzwänden und die Optimierung der
   verkürzung ermöglicht. Die Verkehrsachse zählt          städtischen Infrastruktur sind Teil der Maßnah-
   zu dem durch die EU-Verkehrspolitik definierten         men. Dabei ist der Neubau der Verkehrsstation in
   Transeuropäischen Netz (TEN), das mit einheitlicher     Reutin mit Spurplanerweiterung im Rahmen der
   Technologie Europa näher zusammenbringen soll.          Zwei-Bahnhof-Lösung elementar für die Einhal-
   TEN-Strecken wurden durch die EU zur Entwick-           tung der gesetzten Ziele.
   lung des Binnenmarktes und zur Verbesserung des
   wirtschaftlichen und sozialen Austausches defi-
   niert. Für den interoperablen Eisenbahnverkehr
   wurden europaweit gültige technische Vorschrif-         Lindau-Reutin: Zwei-Bahnhof-Lösung
   ten, die Technischen Spezifikationen für die Inter­
   operabilität (TSI), vereinbart.                         Die Bahninfrastruktur in Lindau ist noch auf den
                                                           Kopfbahnhof auf der Insel ausgerichtet. Sowohl
   Nach langwierigen Diskussionen und Abstim-              der Fern- als auch Nah- sowie Güterverkehr wer-
   mungsverfahren mit der Stadt und dem Freistaat          den im Kopfbahnhof von 1853 abgefertigt. Um die
   Bayern wird seit Oktober 2016 der Eisenbahnkno-         erforderliche Zielfahrzeit zwischen München und
   ten Lindau modernisiert. Auch die Bauarbeiten der       Zürich zu erreichen, muss der Fernverkehrshalt in
   Ausbaustrecke 48 (München – Geltendorf – Mem-           Lindau künftig auf dem Festland erfolgen. Somit
   mingen – Lindau – (Zürich)) haben begonnen.             würde der Inselbahnhof redundant. Trotzdem wird
                                                           durch die Stadt Lindau und den Freistaat Bayern
   Ziel beider Infrastrukturprojekte ist eine Fahr-        dessen Erhalt gefordert, da der Inselbahnhof als
   zeitverkürzung und verbesserte Anbindung im             Zielhaltepunkt für den Nahverkehr nicht stilllegbar
   Dreiländereck. Die Strecke zwischen München             ist. Daher wurde die Planungsvariante „Zwei-Bahn-
   und Zürich soll ab 2021 in rund 3,5 Stunden zu          hof-Lösung“ zwischen der Stadt Lindau und DB
   bewältigen sein. Ein größeres Angebot auf den           erarbeitet, die auf einer verkehrlichen Aufga-
   Strecken zwischen München – Lindau – Zürich sowie       benstellung der Bayrischen Eisenbahngesellschaft
   Lindau – Friedrichshafen – Ulm bzw. Stuttgart ist ein   basiert. Diese Lösung entspricht den verkehrlichen
   zusätzlicher Benefit. Denn künftig werden sechs         Anforderungen von Fern- und Nahverkehr.

156
Gesamtübersicht des Bahnhofs Lindau-Reutin während erster Umbauarbeiten

Während die Infrastrukturanlagen des Insel-                    einander verbunden. Damit werden die schlechten
bahnhofs, insbesondere die Abstellanlage, die                  Bodentragverhältnisse im Bahnsteigbereich ausge-
Oberleitung und die signaltechnischen Anlagen                  glichen, welche durch die Nähe zum Bodensee zu
überaltert sind und erneuert werden müssen, wird               begründen sind.
in Lindau-Reutin ein neuer Bahnhof gebaut. Im
März 2019 begannen die Arbeiten für die neue                   Die Bahnsteige werden über eine überdachte
Verkehrsstation auf dem Lindauer Festland als                  Personenüberführung miteinander verbunden, zu
Resultat einer Zwei-Bahnhof-Lösung. Im Rahmen                  der man entweder über Treppen oder barrierefrei
der Lösung bleibt der Inselbahnhof erhalten,                   über Aufzüge gelangt. Mit einer Spannweite von
jedoch wird Reutin nun zum zentralen Halte- und                circa 15 Metern wurde diese in filigraner Stahlbau-
Umsteigepunkt für den Fernverkehr. Beide Bahn-                 weise gefertigt, da eine Konstruktion aus Beton
höfe werden durch Nahverkehrszüge angesteuert.                 zu schwer wäre. Der Steg erhält außenliegende
Durch den Halt auf dem Festland wird ab der Inbe-              Stahlfachwerkträger, die auf Konsolen an den
triebnahme eine höhere Taktung im Fernverkehr                  Treppenhauswänden aufgelagert werden. Die
möglich, da die Zugwendung im Kopfbahnhof auf                  Gehfläche zwischen den Fachwerkträgern bildet
der Insel entfällt. Zudem wird ein regelmäßigerer              eine Betonplatte auf Trapezblechen. Die Unterkan-
Takt der Bodensee-S-Bahn eingeführt.                           te der Personenüberführung liegt rund 6,30 Meter
                                                               über der Oberkante der Schienen. Damit wird
Die neue Verkehrsstation entsteht verkehrsgünstig              die Regelhöhe der Oberleitung berücksichtigt.
gelegen an der Lindauer Hauptverkehrsader, der                 Auf der Außenseite werden die Fachwerkträger
Bregenzer Straße. Um für den Neubau der Ver-                   verglast, um einen Ausblick auf die Gleisanlagen
kehrsstation Platz zu schaffen, baute die Stadt be-            zu geben. Die schlanke Stahlbauweise integriert
reits 2017 eine Fußgängerüberführung zurück. Auf               die Personenüberführung in das moderne Stadt-
einer Länge von etwa 400 Metern erstrecken sich                bild am Reutiner Bahnhof. Der Zugang zu den
ab Mitte 2020 zwei neue Bahnsteige aus Betonfer-               Bahnsteigen erfolgt künftig am Außenbahnsteig
tigteilplatten entlang der Bregenzer Straße. Da der            über einen barrierefreien Fußweg westlich des
Untergrund in Reutin aus weichem Seeton besteht,               alten Empfangsgebäudes. Für die Bahnsteigüber-
werden als Tiefgründung für die Bahnsteigkons­                 dachung werden die bewährten Modelle Boden-
truktion circa 350 Betonbohrpfähle mit einer                   heim Typ 1b und 2 installiert. Zusätzlich wird der
Länge von jeweils über 20 Metern hergestellt.                  Mittelbahnsteig mit zwei Wetterschutzhäusern
Diese werden anschließend über Kopfbalken mit-                 aus einer Stahl-Glas-Konstruktion ausgestattet.

                                                                                                                     157
Zum sechsten Mal gibt die Deutsche Bahn einen Einblick in die Investitionen zur Stärkung
der Schiene. Seit der letzten Veröffentlichung hat die Bahn ordentlichen Rückenwind
von Politik und Gesellschaft erfahren. Die Klimadebatte, ebenso wie die Erfahrungen der
­Corona-Monate, haben deutlich gezeigt: Deutschland braucht die Bahn! Umwelt- und
 Klimaschutz, nachhaltige Mobilität – ohne die Bahn geht es nicht. Die Politik hat den Weg
 zur Stärkung der Schiene in Deutschland geebnet: mit umfassenden Investitionsprogram-
 men, mit der Modernisierung des Planungsrechtes für eine beschleunigte Umsetzung der
 Investitionen, mit neuen Konzepten wie dem „Deutschlandtakt“. Unter Mitwirkung der
 gesamten Schienenbranche im „Zukunftsbündnis Schiene“ entstand ein „Masterplan“ für
 den Schienenverkehr. Der DB-Konzern hat seine Unternehmensstrategie neu ausgerichtet
 auf die „Starke Schiene Deutschland“. Gemeinsam haben wir das Ziel, mehr Verkehr auf
 die Schiene zu holen. Wie für dieses Ziel die DB Netz, Bauunternehmen und Planer als
 Partner des Systems Schiene zusammenarbeiten, zeigt das vorliegende Buch.

9 783962 452216
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