Infrastrukturprojekte 2020 - Bauen für die starke Schiene Herausgeber: DB Netz AG - PMC Media
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Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet unter http://d-nb.de abrufbar. © 2020 PMC Media House GmbH Werkstättenstraße 18, 51379 Leverkusen Office Hamburg: PMC Media House GmbH Frankenstraße 29, 20097 Hamburg Telefon: +49 (0) 40 228679 500, Telefax: +49 (0) 40 228679 503 E-Mail: office@pmcmedia.com Internet: www.pmcmedia.com Alle Rechte der Verbreitung und Wiedergabe vorbehalten. Übersetzungen in eine andere Sprache, Nachdruck und Vervielfältigung – in jeglicher Form und Technik, einschließlich Übernahme auf elektronische Datenträger und Speicherung in elektronischen Medien, auch auszugsweise – nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags gestattet. Herausgeber: DB Netz AG, www.dbnetze.com Redaktionsschluss: 01. August 2020 Geschäftsführung: Detlev K. Suchanek Projektleitung: Willy Waßmuth, Consultant Konzept und inhaltliche Beratung: Axel-Björn Hüper, Consultant Redaktion: Michael Baufeld, DB AG und Torsten Rohr, DB Netz AG Anzeigenverkauf: Dirk J. Bogisch (Bogisch GmbH) Vertrieb und Buchservice: Sabine Braun Layout, Gestaltung: TZ-Verlag & Print GmbH, Roßdorf Druck: TZ-Verlag & Print GmbH, Roßdorf Printed in Germany ISBN 978-3-96245-221-6 Eine Publikation der PMC Media House GmbH
Inhalt Frank Sennhenn Dipl.-Ing. Udo Wessel/Theo Reddemann Grusswort7 Schnell mal eine Brücke bauen 62 Enak Ferlemann Beatrix Groneberg-Kloft/Norbert Dotzer Ein Masterplan für die Zukunft Mainbrücke Stockstadt in kurzer Zeit saniert 68 des Schienenverkehrs in Deutschland 8 Die Bahn hat Wort gehalten: Innerhalb von fünf Hannes Tesch/Dirk Kretzschmar/Karsten Braune/ Jahren wurden 902 Brücken erneuert 74 Martin Holtgrewe/Jochen Kieserling Neue Gleise für die Schnellfahrstrecke Hannover – Würzburg 14 Matthias Michaelis/Peter Bischoff/Imo Piotrowski/ Rafael Ziemba Eine neue Eisenbahnbrücke im Zentrum von Antonino Contarini/Jörg Hopfenziz/Anke England Hannover80 Schnellfahrstrecke Mannheim – Stuttgart in 205 Tagen erneuert 26 Nina Kippenberg DIANA weiß, ob es der Weiche gut geht 92 Jan Dölves/Martin Glaser Auf de schwäbsche Eisebahne fahren Züge künftig elektrisch 38 Roland Stojan/Jens Wuelfrath/Volker Brandstetter/ Wolfgang Jakob/Ulrich Kohlenberger/Wilko Eisele/ Alexander Schuler/Sebastian Eitel/Tobias Kleinicke/ Martin Heinisch/Jörg-Ulrich Muckenfuß/ Andreas Winter Josip Jarnjak Korridor Rhine-Alpine: Mit ETCS in die Schweiz 98 Claim- und Nachtragsmanagement bei der DB AG am Beispiel der Südbahn 44 Veit Appelt/Christian Kock/Simone Eckert/ Nicole Becker Peggy Bretfeld/Thorsten Ganz/ Dortmunder Hauptbahnhof modern Eva-Maria Sidiropoulos und barrierefrei 104 Breisgau-S-Bahn verbindet Kaiserstuhl, Schwarzwald und Donauquelle 52 Simone Geppert/Philipp Kunkel/ Kai-Uwe Puschmann/Seckin C. Kurkut Digital planen – real bauen – weiter denken 114 4
Dirk Schütz/Volker Vorwerk/Lisa Wilfing/Joachim Christian Tölle/Andre`Ketzer Michael/Matthias Just/Jens Bartnitzek Neubau von Anlagen für das ICE-Werk Projekt Hanau – Fulda: Digital planen, Berlin-Rummelsburg168 digital beteiligen 120 Ulrich Ardelmann/Matthias Mähliß Annette Hering/Jens Rose/Benjamin Otto/ Wildpferde und Rinder sind Botschafter Anke England der grünen Bahn 178 Nachhaltig bauen mit System 130 Ina Blanke Elisabeth Obiero Mensch – Natur – Technik am MegaHub Lehrte 190 Wittighausen – kurzer Tunnel, schnelles Projekt 134 Quellen- und Bildnachweis 194 Stefan Vetter/Mario Gallo Vom historischen Gemäuer zum modernen Tunnel 140 Partner der Bahn 195 Thomas Skodowski/Ali Akbar Elahwiesy/Birgit Hartmann Eisenbahnknoten Magdeburg, 2. Ausbaustufe 148 10 Jahre Infrastrukturprojekte – Michael Katz/Wolfgang Kriechbaum/Julia Rott Lindau am Bodensee wird europäischer Bauen für die Deutsche Bahn 215 Verkehrsknoten156 Klaus Homberg Veränderung Gleislayout in Berlin-Rummelsburg 162 5
Motor des Wachstums im Bahnverkehr. Für mehr Verkehr auf der Schiene wollen wir langfristig bis zu 30 Prozent mehr Kapazität im Schienennetz schaffen. Einen wesentlichen Beitrag werden der Aus- und Neubau der Infrastruktur, die Digita- lisierung der Schiene und ein gesamtheitliches Kapazitätsmanagement leisten. Und natürlich gehört auch dazu, das bestehende Netz zu erhalten und zu erneuern. Die Beiträge in diesem Buch zeigen Ausschnitte unserer Arbeit an einer starken Schiene. Un- ter anderem mit einer Zwischenbilanz unseres Erneuerungsprogrammes für Eisenbahnbrücken. Im Rahmend der Leistungs- und Finanzierungs- vereinbarung II (LuFV II) haben wir in den zurück- Sehr geehrte Leserinnen und Leser, liegenden Jahren über 900 Eisenbahnbrücken erneuert. Und gehen mit der im Januar 2020 es ist inzwischen schon eine gute Tradition, dass unterschriebenen LuFV III in eine neue Runde: wir Ihnen in Buchform einen Einblick in unsere Ar- Bis zum Ende des Jahrzehntes nehmen wir uns beit zum Erhalt und Ausbau der Bahninfrastruktur weitere 2.000 Brücken vor. geben. Seit der letzten Veröffentlichung haben wir ordentlichen Rückenwind von Politik und Gesell- Dieses Buch zeigt, wie wir – Bauunternehmen, schaft erfahren. Mit der Koalitionsvereinbarung Planer, DB – als Partner des Systems Schiene zu 2018 hat die Politik die Weichen gestellt für mehr sammenarbeiten. Diese Zusammenarbeit wollen Verkehr auf der Schiene. Die Klimadebatte, ebenso wir noch stärker auf diejenigen ausrichten, die auf wie die Erfahrungen der Corona-Monate, haben der Schiene fahren. Dazu haben wir, die DB Netz, uns allen deutlich gezeigt: Deutschland braucht uns jetzt besser aufgestellt. Alle Prozesse sind – die Bahn! Umwelt- und Klimaschutz, n achhaltige vom Kundenbedürfnis bis zur Kundenzufrieden- Mobilität – ohne die Bahn geht es nicht. Die heit – auf unsere Kunden ausgerichtet. Politik hat den Weg zur Stärkung der Schiene in Deutschland geebnet; mit umfassenden Investi- Wir sind jetzt in eine neue Organisation gestartet, tionsprogrammen, mit der Modernisierung des die diesen durchgängigen Prozessfluss konsequent Planungsrechtes für eine beschleunigte Umsetzung unterstützt. Abläufe werden weiter vereinfacht, der Investitionen, mit neuen Konzepten wie dem verbessert, standardisiert und innovativer ge „Deutschlandtakt“. Unter Mitwirkung der gesamt- staltet. Damit sind wir für die Herausforderungen en Schienenbranche im „Zukunftsbündnis Schiene“ der Zukunft, für mehr Verkehr auf der Schiene entstand ein „Masterplan“ für den Schienenver- besser aufgestellt. kehr. Parallel zu den Initiativen der Branche hat der DB-Konzern seine Unternehmensstrategie neu Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre und ausgerichtet auf die „Starke Schiene Deutschland“. uns allen weiter eine enge Zusammenarbeit zur Stärkung der Schiene. Gemeinsam haben wir das Ziel, mehr Verkehr auf die Schiene zu holen. Die DB Netz schafft das Herzlichst Ihr Fundament dafür. Sie ist Kapazitätsmanager und Frank Sennhenn 7
Ein Masterplan für die Zukunft des Schienen- verkehrs in Deutschland Der Koalitionsvertrag vom März 2018 ist der bahnfreundlichste der letzten Jahr- zehnte. Als ambitionierte Ziele haben sich die Regierungspartner bis zum Jahr 2030 eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen und eine deutliche Erhöhung des Marktanteils im Schienengüterverkehr gesetzt. Zur Umsetzung dieser Ziele sind umfangreiche Maßnahmen erforderlich, die erstmals in einem Masterplan Schie- nenverkehr zusammengefasst sind. Bild 1: Unterzeichnung des Schienenpakts am 30.06.2020 Die ambitionierten bahnpolitischen Ziele lassen geleiteten Schienenpakt verständigt (siehe Bild 1)1. sich nur in einer gemeinsamen Anstrengung So ein breites Bündnis hat es in der deutschen und des gesamten Schienenverkehrssektors mit dem europäischen Bahnbranche noch nie gegeben. Bund erreichen. Daher haben 27 Verbände und Unternehmen seit Herbst 2018 im Zukunftsbünd- Der Masterplan Schienenverkehr dokumentiert nis Schiene zusammengearbeitet und sich am eindrucksvoll, dass der Schienensektor in Deutsch- 30.06.2020 gemeinsam mit dem BMVI auf den land deutlich mehr ist als die bundeseigene Masterplan Schienenverkehr und den daraus ab- Deutsche Bahn AG (DB AG). Natürlich ist auch eine 1 Alle Dokumente stehen unter https://www.zukunftsbu- endnis-schiene.de/ zur Verfügung. 8
solide finanzierte DB AG ein wichtiger Stabilitäts- kehr, indem er etwa das Angebot auf den Verbin- anker des Sektors. Daher ist es von entscheidender dungen Berlin – Amsterdam, Stuttgart – Amsterdam, Bedeutung für die Erreichung der Ziele des Master- München – Wien sowie Berlin – Paris verbessert. plans, dass dieser intramodale Wettbewerb auch Damit wollen wir den Zug für transeuropäische nach Bewältigung der Folgen der COVID19-Pan- Reisen als eine attraktive Alternative zum Flugver- demie weiterhin erfolgreich bleibt. Die Bundesre- kehr etablieren. gierung wird diesen Aspekten bei den anstehen- den Kapitalmaßnahmen bei der DB AG und der Die Experten haben in ihrem dritten Gutach- Novellierung des Eisenbahnregulierungsgesetzes ter-Entwurf außerdem nachgewiesen, dass mit besondere Aufmerksamkeit widmen. dem Deutschlandtakt das große Ziel aus dem Koalitionsvertrag tatsächlich erreicht werden kann: Der Masterplan Schienenverkehrs hat sechs die Zahl der Fahrgäste auf der Schiene zu verdop- Schwerpunkte: peln. Die Konzeption ist fertig – jetzt geht es an die Umsetzung. 1. Deutschlandtakt einführen (Pünktlichere Bahn) 2. Kapazitäten ausbauen (Zuverlässigere Bahn) Früher wurde erst gebaut und dann ein neuer 3. Wettbewerbsfähigkeit der Schiene stärken (Fle- Fahrplan erstellt, das drehen wir jetzt um: Zu- xiblere und wettbewerbsfähigere Bahn) nächst werden die Angebote definiert – und dann 4. Lärm- und Klimaschutz vorantreiben (Leisere die dafür notwendige Infrastruktur realisiert. Das und klimafreundlichere Bahn) ist ein Paradigmenwechsel: Seit der Bahnreform 5. Innovationen fördern (Innovativere Bahn) von 1994 hat es im Eisenbahnbereich kein ver- 6. Fachkräfte gewinnen (Attraktivere Bahn) gleichbares Vorhaben mehr gegeben. Ein entscheidender Baustein für das Wachstum Das Motto des Deutschlandtakts lautet: öfter, der Schiene und die Verkehrsverlagerung ist der schneller, überall! Deutschlandtakt, das Herzstück unseres Schienen- pakts. Kern des Deutschlandtakts ist, dass sich alle ❚ Öfter – weil auf allen wichtigen Hauptverkehrs Züge zu jeweils festen Zeiten im Bahnhof treffen. achsen künftig jede halbe Stunde ein Zug fährt. Dadurch wird das Umsteigen deutlich leichter und ❚ Schneller – weil sich die Fahrzeiten durch das Bahnfahren deutlich verlässlicher. Darüber hinaus nahtlose Umsteigen und neue, schnelle Verbin- werden nicht nur die Anschlüsse für den Personen- dungen deutlich verkürzen. verkehr optimiert, sondern auch der Güterverkehr ❚ Überall – weil wir Städte und Regionen optimal in alle Überlegungen gleichberechtigt miteinbezo- anbinden. gen. Durch eine Systematisierung und Optimierung des Fahrplans steigen Anzahl und Qualität der Deshalb können sich auf diesen Deutschlandtakt Trassen für den wachsenden Schienengüterverkehr. wirklich alle freuen und zwar nicht irgendwann Gleichzeitig wissen wir, an welchen Stellen ein in ferner Zukunft: Wir wollen durch ein Etappie- Ausbau für die benötigten Kapazitäten besonders rungskonzept den Deutschlandtakt so schnell wie effizient ist. möglich erfahrbar machen. Seit Ende Juni 2020 liegt der dritte und finale Starten werden wir mit einem Halbstundentakt Entwurf des Zielfahrplans Deutschlandtakt2 vor, auf der Strecke Hamburg – Berlin als Einstieg in den der von den Gutachtern des Bundes in enger Zu- Deutschlandtakt. Mit der folgenden Elektrifizie- sammenarbeit mit den Mitgliedern des Zukunfts- rung der Strecke München – Lindau verbessern wir bündnisses Schiene sowie mit den Ländern aus- die Anschlüsse in den Taktknoten München und gearbeitet wurde. Auf der vielbefahrenen Achse Zürich, so dass sich die Reisezeit zwischen beiden Mannheim – Stuttgart – München zum Beispiel Städten deutlich verkürzt. Damit synchronisieren verkürzt der Zielfahrplan die Reisezeit um fast eine wir die deutschen und Schweizer Taktfahrpläne Stunde (von heute 2 Stunden 57 Minuten auf dann und legen zugleich die Basis dafür, dass mehr Gü- 2 Stunden und 2 Minuten). Gleichzeitig entstehen terverkehr auf die Schiene kommt. durch diese kürzere Fahrtzeit in den Bahnhöfen Stuttgart, Ulm und Augsburg jeweils zur vollen Schritt für Schritt werden weitere Vorhaben auf und zur halben Stunde Taktknoten mit optimalen dem Weg zum Deutschlandtakt folgen: Voraus- Anschlüssen in alle Richtungen. Zudem stärkt der sichtlich Ende 2022 werden wir etwa mit der Fer- neue Zielfahrplan den grenzüberschreitenden Ver- tigstellung der Neubaustrecke Wendlingen – Ulm den Verkehr im Südwesten Deutschlands deutlich 2 Nähere Informationen unter https://www.deutschland- verbessern und zugleich für wichtige Zentren wie takt.de/. Rhein-Ruhr und Rhein-Main schnellere Verbindun- 9
Auf de schwäbsche Eisebahne fahren Züge künftig elektrisch Die Elektrifizierung der Südbahn von Ulm zum Bodensee macht umsteigefreies Reisen zwischen Bodensee und Stuttgart möglich. Die Strecke sorgt für bessere Verbindungen im internationalen Personen- und Güterverkehr über Lindau und Bregenz. Nach vier Jahren Bauzeit wird es ab dem Fahrplanwechsel im Dezember 2021 elektrisch von Ulm nach Lindau gehen. Montagearbeiten im Bereich Laupheim West Projektbeschreibung Geschwindigkeitserhöhung auf 160 km/h zwischen Ulm und Friedrichshafen mit ein. Der Streckenab- Die sogenannte Südbahn führt von Ulm über schnitt zwischen Ulm und Stuttgart nördlich des Biberach an der Riß, Aulendorf und Friedrichshafen Projektbereichs ist bereits elektrifiziert. Im Süden nach Lindau am Bodensee. Ihre Entstehung reicht in soll mit dem Anschluss an die sich ebenfalls im das Jahr 1846 zurück. Ihr zweigleisiger Ausbau er- Ausbau befindliche Strecke München – Lindau der folgte in den Jahren 1905 bis 1913. Sie gehört damit durchgängig elektrifizierte Verkehr zwischen den zu den ältesten Eisenbahnstrecken in Baden-Würt- beiden süddeutschen Landeshauptstädten komplet- temberg und ist zugleich eine der wenigen zweig- tiert werden. leisigen Hauptstrecken im Bundesgebiet, die noch nicht vollständig elektrifiziert sind. Der offizielle Dem ersten Spatenstich im März 2018 ging eine Spatenstich zum Projekt „Südbahn“ fand am 23. mehrjährige Planungsphase sowie eine Initiative März 2018 statt und läutet die Elektrifizierung der örtlicher Städte, Gemeinden, Landkreise, Handels- Strecke Ulm – Friedrichshafen – Lindau ein. Der Pro- kammern sowie Regionalverbänden voraus, die jektauftrag schließt ebenfalls eine abschnittweise 2006 in der Gründung des Interessenverbandes 38
(IV) Südbahn mündete und maßgeblich in Zusam- berücksichtigten entsprechend die jeweiligen menarbeit mit der DB Netz AG und dem Land Landkreisgrenzen: Alb-Donau, Biberach, Ravens- Baden-Württemberg das Projekt vorangetrieben burg und Bodensee in Baden-Württemberg sowie hat. Am 30. Juni 2009 erfolgte mit einer vom Land Lindau auf bayerischer Seite. Die Planfeststellungs- und der DB Netz AG geschlossenen Vereinbarung verfahren wurden nach Abschluss der technischen zur Durchführung der Planungsarbeiten schließlich Planungen in den Jahren 2011 und 2012 eingelei- der endgültige Auftakt zur Elektrifizierung der tet. Der endgültige Abschluss der Planungen er- Südbahn. Die Finanzierungsvereinbarung für das folgte mit den Planfeststellungsbeschlüssen durch Projekt wurde nach langwierigen Verhandlungen das Eisenbahn-Bundesamt in 2015/2016. zwischen Bund, dem Land Baden-Württemberg und der DB Netz AG am 23. Dezember 2015 unter- zeichnet. Ebenfalls intensiv waren die Anstrengun- gen der DB Netz AG, um die betroffenen Bürger Umfang der Baumaßnahmen und involvierten fünf Landkreise entlang des insgesamt ca. 130 km langen Streckenabschnittes Das Gros der Maßnahmen zur Elektrifizierung der zu informieren und von der Notwendigkeit der Südbahn betrifft naturgemäß die Herstellung der umfangreichen Baumaßnahmen zu überzeugen Oberleitungsanlagen (OLA) für die Hauptstrecken, sowie eventuelle Einwände einzubeziehen. Die nebst Überhol- und Bahnhofsgleisen. Die Gesamt eingerichteten fünf Planfeststellungsabschnitte länge der Kettenwerke beläuft sich auf rund Streckenverlauf mit den je- weiligen Planfeststellungsab- schnitten 39
DIANA weiß, ob es der Weiche gut geht Sensoren an den Weichen liefern kontinuierliche Statusinformationen an die zent- rale Plattform des Diagnose- und Analysesystems DIANA. Eine weltweit einmalige Anwendung. In diesem Jahr hat die DB Netz AG die Ausrüstung von 28.000 Weichen mit diesem Diagnosesystemen abgeschlossen. Damit ist das bislang umfangreichste Digitalisierungsprojekt der Deutschen Bahn erfolgreich abgeschlossen. Bild 1: Sensorik im Netz Die Diagnose zahlt auf die Konzernstrategie Zustandes einer Anlage (Diagnose) sowie die Inter- „Deutschland braucht eine Starke Schiene“ ein. pretation und Beurteilung der gesammelten Daten unter anderem anhand des gültigen Regelwerks Die DB Netz AG verfolgt das Ziel, den Anteil an (Analyse). Um dies zu erreichen, wurde die DIANA zustandsbasierter und prädiktiver Instandhaltung Plattform innerhalb der DB Netz AG als die zentrale (IH) im Rahmen der zukunftsorientierten Instand- Plattform festgelegt, an welche sukzessive alle An- haltungsstrategie deutlich zu erhöhen. Die grund- lagentypen aufgeschaltet werden. Die eigentliche legende Voraussetzung für eine zustandsbasierte Software wird dabei bei dem DB internen Dienst- IH ist die kontinuierliche Erfassung des technischen leister, der infraview GmbH, verantwortet und 92
Bild 2: Digitale Weichenantriebsdiagnose weiterentwickelt, so dass die Gesamtkompetenz für Ein wichtiger, wenn nicht entscheidender Vorteil das Diagnosesystem innerhalb der DB AG liegt. der Digitalisierung besteht darin, unterschiedliche Ausgangslagen (z. B. Weichenantriebe unterschied- Die Herausforderungen zur Sicherstellung ei- licher Hersteller) und Aufgabenstellungen (z. B. ner hohen Anlagenverfügbarkeit sind für jeden Diagnose bei Abweichungen in der Stromstärke Infrastrukturbetreiber groß, dies gilt umso mehr oder Umlaufdauer) durch allgemeingültige Daten- für die DB Netz AG als Betreiber des größten strukturen abstrahieren zu können, ohne dabei Schienennetzes Europas. Dabei sind unterschied- die anlagenspezifischen Merkmale aufzuheben. lichste Anlagentypen im Infrastrukturnetz der Dies erfolgt bei der DB Netz AG über die anlagen- DB Netz AG zu berücksichtigen. Jeder Anlagentyp typübergreifende Diagnose- und Analyseplattform wird durch eine noch höhere Anzahl individueller, DIANA. also physisch existierender Feldkomponenten und Technologien vieler Altersstufen repräsentiert. Bild 3: Es gilt daher, parallel zu den bereits eingeleiteten Standardisierte Diagnoseober- Investitions- und Digitalisierungsmaßnahmen, die fläche vorhandene Vielfalt an Technologiegenerationen, die unterschiedlich konzipierten, teils nicht kompa- tiblen Datenschnittstellen bis hin zu fehlenden Da- tenschnittstellen im Gesamtnetz zu berücksichtigen. Digitaler Lösungsansatz bei der Fernüberwachung von Anlagen Die Lösung klingt zunächst einfach: Das DIANA-System zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus: ❚ Zur Sicherung einer hohen Anlagenverfügbar- keit muss deren aktueller Status aus der Ferne, ❚ Die Instandhaltung als Nutzer und „Kunde“ von ohne punktuelles Anfahren/Auslesen der Anla- DIANA erhält eine einheitliche und standardi- gen im Feld, jederzeit erfasst werden können sierte Benutzeroberfläche über alle Anlagenty- ❚ Über die Erfassung des Status hinaus gilt es, die pen und Hersteller hinweg, was die Nutzung von Daten zu analysieren, eine Abweichung vom Diagnose stark vereinfacht. Sollzustand frühzeitig zu erkennen und für ❚ Vergabe von Nutzerrechten, Verfügbarkeit der deren Ursache - ebenfalls aus der Ferne – die Anwendung auf Endgeräten der Nutzer ist be- richtige Diagnose zu treffen reits etabliert und eingeführt. ❚ Diagnosedaten erfahren eine mit der Bahnindus- Diese zwei Kernelemente bilden die Vorausset- trie abgestimmte Standardisierung (einheitliches zung, um in ein vorausschauendes, zustandsorien- Datenmodell), damit die Daten von Anlagen tiertes Regime in der Bewirtschaftung der Infra- gleicher Bauart ebenfalls standardisiert analy- strukturanlagen zu wechseln. siert werden können (beispielsweise können dann Qualitätsanalysen zu Weichenheizungen 93
Lindau am Bodensee wird europäischer Verkehrsknoten Ende 2020 ist das Wesentliche vollbracht: Im Lindauer Stadtteil Reutin ist ein neuer Bahnhof für den Regional- und Fernverkehr enstanden, die Bahnstrecke zwischen Zürich und München elektrifiziert. Sowohl auf der Insel als auch im Stadtteil Reutin werden bisherige Bahnflächen für eine städtebauliche Entwick- lung freigemacht. Lindau ist die südwestlichste Stadt Bayerns. anstatt vier Eurocity-Zugpaare zwischen München Sie befindet sich im Dreiländereck Deutschland – und Zürich mit Halt in Lindau pendeln und die Österreich – Schweiz und ist Teil eines Eisenbahn- Metropolen besser miteinander verbinden. infrastrukturprojekts mit einer Investitionssumme von rund 200 Mio. Euro. Der Ausbau und die Mo- Neben dem Elektrifizierungsprojekt der ABS dernisierung des Bahnknotens in Lindau sowie der 48 sind umfangreiche Um- und Neubauten auf Strecke München – Lindau sind Bestandteile der der Strecke nach Lindau sowie im Knoten selbst internationalen Verbindung zwischen den Metro- erforderlich. Darunter fallen zahlreiche Um-, Neu- polregionen München und Zürich und sind damit und Rückbauten von Bahnhofsanlagen, Brücken, Bestandteil des Bundesverkehrswegeplans. Dämmen, Bahnübergängen oder auch Eisenbahn- überführungen. Auch ein elektronisches Stellwerk, Vor allem im internationalen Fernverkehr wird die Verlagerung der Abstell- und Tankanlage, durch den Ausbau eine deutliche Attraktivitätsstei- Oberleitungsum- und neubau sowie der Bau von gerung durch Angebotsausweitung und Reisezeit- Lärmschutzwänden und die Optimierung der verkürzung ermöglicht. Die Verkehrsachse zählt städtischen Infrastruktur sind Teil der Maßnah- zu dem durch die EU-Verkehrspolitik definierten men. Dabei ist der Neubau der Verkehrsstation in Transeuropäischen Netz (TEN), das mit einheitlicher Reutin mit Spurplanerweiterung im Rahmen der Technologie Europa näher zusammenbringen soll. Zwei-Bahnhof-Lösung elementar für die Einhal- TEN-Strecken wurden durch die EU zur Entwick- tung der gesetzten Ziele. lung des Binnenmarktes und zur Verbesserung des wirtschaftlichen und sozialen Austausches defi- niert. Für den interoperablen Eisenbahnverkehr wurden europaweit gültige technische Vorschrif- Lindau-Reutin: Zwei-Bahnhof-Lösung ten, die Technischen Spezifikationen für die Inter operabilität (TSI), vereinbart. Die Bahninfrastruktur in Lindau ist noch auf den Kopfbahnhof auf der Insel ausgerichtet. Sowohl Nach langwierigen Diskussionen und Abstim- der Fern- als auch Nah- sowie Güterverkehr wer- mungsverfahren mit der Stadt und dem Freistaat den im Kopfbahnhof von 1853 abgefertigt. Um die Bayern wird seit Oktober 2016 der Eisenbahnkno- erforderliche Zielfahrzeit zwischen München und ten Lindau modernisiert. Auch die Bauarbeiten der Zürich zu erreichen, muss der Fernverkehrshalt in Ausbaustrecke 48 (München – Geltendorf – Mem- Lindau künftig auf dem Festland erfolgen. Somit mingen – Lindau – (Zürich)) haben begonnen. würde der Inselbahnhof redundant. Trotzdem wird durch die Stadt Lindau und den Freistaat Bayern Ziel beider Infrastrukturprojekte ist eine Fahr- dessen Erhalt gefordert, da der Inselbahnhof als zeitverkürzung und verbesserte Anbindung im Zielhaltepunkt für den Nahverkehr nicht stilllegbar Dreiländereck. Die Strecke zwischen München ist. Daher wurde die Planungsvariante „Zwei-Bahn- und Zürich soll ab 2021 in rund 3,5 Stunden zu hof-Lösung“ zwischen der Stadt Lindau und DB bewältigen sein. Ein größeres Angebot auf den erarbeitet, die auf einer verkehrlichen Aufga- Strecken zwischen München – Lindau – Zürich sowie benstellung der Bayrischen Eisenbahngesellschaft Lindau – Friedrichshafen – Ulm bzw. Stuttgart ist ein basiert. Diese Lösung entspricht den verkehrlichen zusätzlicher Benefit. Denn künftig werden sechs Anforderungen von Fern- und Nahverkehr. 156
Gesamtübersicht des Bahnhofs Lindau-Reutin während erster Umbauarbeiten Während die Infrastrukturanlagen des Insel- einander verbunden. Damit werden die schlechten bahnhofs, insbesondere die Abstellanlage, die Bodentragverhältnisse im Bahnsteigbereich ausge- Oberleitung und die signaltechnischen Anlagen glichen, welche durch die Nähe zum Bodensee zu überaltert sind und erneuert werden müssen, wird begründen sind. in Lindau-Reutin ein neuer Bahnhof gebaut. Im März 2019 begannen die Arbeiten für die neue Die Bahnsteige werden über eine überdachte Verkehrsstation auf dem Lindauer Festland als Personenüberführung miteinander verbunden, zu Resultat einer Zwei-Bahnhof-Lösung. Im Rahmen der man entweder über Treppen oder barrierefrei der Lösung bleibt der Inselbahnhof erhalten, über Aufzüge gelangt. Mit einer Spannweite von jedoch wird Reutin nun zum zentralen Halte- und circa 15 Metern wurde diese in filigraner Stahlbau- Umsteigepunkt für den Fernverkehr. Beide Bahn- weise gefertigt, da eine Konstruktion aus Beton höfe werden durch Nahverkehrszüge angesteuert. zu schwer wäre. Der Steg erhält außenliegende Durch den Halt auf dem Festland wird ab der Inbe- Stahlfachwerkträger, die auf Konsolen an den triebnahme eine höhere Taktung im Fernverkehr Treppenhauswänden aufgelagert werden. Die möglich, da die Zugwendung im Kopfbahnhof auf Gehfläche zwischen den Fachwerkträgern bildet der Insel entfällt. Zudem wird ein regelmäßigerer eine Betonplatte auf Trapezblechen. Die Unterkan- Takt der Bodensee-S-Bahn eingeführt. te der Personenüberführung liegt rund 6,30 Meter über der Oberkante der Schienen. Damit wird Die neue Verkehrsstation entsteht verkehrsgünstig die Regelhöhe der Oberleitung berücksichtigt. gelegen an der Lindauer Hauptverkehrsader, der Auf der Außenseite werden die Fachwerkträger Bregenzer Straße. Um für den Neubau der Ver- verglast, um einen Ausblick auf die Gleisanlagen kehrsstation Platz zu schaffen, baute die Stadt be- zu geben. Die schlanke Stahlbauweise integriert reits 2017 eine Fußgängerüberführung zurück. Auf die Personenüberführung in das moderne Stadt- einer Länge von etwa 400 Metern erstrecken sich bild am Reutiner Bahnhof. Der Zugang zu den ab Mitte 2020 zwei neue Bahnsteige aus Betonfer- Bahnsteigen erfolgt künftig am Außenbahnsteig tigteilplatten entlang der Bregenzer Straße. Da der über einen barrierefreien Fußweg westlich des Untergrund in Reutin aus weichem Seeton besteht, alten Empfangsgebäudes. Für die Bahnsteigüber- werden als Tiefgründung für die Bahnsteigkons dachung werden die bewährten Modelle Boden- truktion circa 350 Betonbohrpfähle mit einer heim Typ 1b und 2 installiert. Zusätzlich wird der Länge von jeweils über 20 Metern hergestellt. Mittelbahnsteig mit zwei Wetterschutzhäusern Diese werden anschließend über Kopfbalken mit- aus einer Stahl-Glas-Konstruktion ausgestattet. 157
Zum sechsten Mal gibt die Deutsche Bahn einen Einblick in die Investitionen zur Stärkung der Schiene. Seit der letzten Veröffentlichung hat die Bahn ordentlichen Rückenwind von Politik und Gesellschaft erfahren. Die Klimadebatte, ebenso wie die Erfahrungen der Corona-Monate, haben deutlich gezeigt: Deutschland braucht die Bahn! Umwelt- und Klimaschutz, nachhaltige Mobilität – ohne die Bahn geht es nicht. Die Politik hat den Weg zur Stärkung der Schiene in Deutschland geebnet: mit umfassenden Investitionsprogram- men, mit der Modernisierung des Planungsrechtes für eine beschleunigte Umsetzung der Investitionen, mit neuen Konzepten wie dem „Deutschlandtakt“. Unter Mitwirkung der gesamten Schienenbranche im „Zukunftsbündnis Schiene“ entstand ein „Masterplan“ für den Schienenverkehr. Der DB-Konzern hat seine Unternehmensstrategie neu ausgerichtet auf die „Starke Schiene Deutschland“. Gemeinsam haben wir das Ziel, mehr Verkehr auf die Schiene zu holen. Wie für dieses Ziel die DB Netz, Bauunternehmen und Planer als Partner des Systems Schiene zusammenarbeiten, zeigt das vorliegende Buch. 9 783962 452216
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