Inklusion als Herausforderung für die frühe Bildung - Akademie Schönbrunn

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Inklusion als Herausforderung für die frühe Bildung - Akademie Schönbrunn
Fachtagung 2014

       Inklusion
 als Herausforderung
für die frühe Bildung

                                              Fachakademie für Heilpädagogik
Inklusion als Herausforderung für die frühe Bildung - Akademie Schönbrunn
2     Inhalt

                                  Einführung
                             03 Inklusion als Herausforderung
                                für die frühe Bildung
                                  Michael Kreisel, Tanja Endres

                                  Der Fachtag
                             10 Kleine Kinder – großer Anspruch!
                                Inklusive (Alltags-)Qualität in Kinderkrippen
                                  Dr. Monika Wertfein

                             16 Inklusives Handeln in Kindertagesstätten –
                                bisher nur ein Wunsch?!
                                  Manuela Fröhlich

                             20 Ohne Beziehung geht es nicht!
                                Die Bedeutung professioneller Beziehungsgestaltung
                                für die inklusive frühe Bildung
Dr. Monika Wertfein               Stephanie Jofer-Ernstberger

                             24 Welche Schritte muss die Kindertagesstätte
                                hin zu einer inklusiven Tagesstätte gehen? –
                                Die Arbeit mit dem Index of inclusion
                                  Franziska Rützel-Richthammer

                             28 Impressionen zum gemeinsamen Austausch –
                                Ein Rundgang durch 12 Denkräume des Fachtages
                                  Michael Kreisel

                                                                                                                       Prof. Dr. Ulrich Heimlich
                                                                                                                       (Ludwig-Maximilians
                                                                                                                       Universität) begann die
                                                                                                                       Tagung mit Beschreibungen
                                                                                                                       zu Anforderungen an eine
                                                                                                                       Konzeption inklusiver
                                                                                                                       Frühpädagogik

                          Impressum | Verantwortlich für den Inhalt: Michael Kreisel | Redaktion: Michael Kreisel
                          Auflage: 1000 Stück | Druck: Druckerei Ortmeier | Februar 2015 | Gestaltung: www.leporello-company.de
Inklusion als Herausforderung für die frühe Bildung - Akademie Schönbrunn
Einführung   3

Inklusion als Herausforderung
für die frühe Bildung
                                                       Michael Kreisel, Diplom Pädagoge, Leiter der Fachakademie
                                                       Tanja Endres, Heilpädagogin, Dozentin der Fachakademie

  „An Bildungsorten treffen sich Kinder, die sich                   ben, unabhängig von ihren Lernbedürfnissen,
  in vielen Aspekten unterscheiden, z. B. im                        ihrem Geschlecht und ihren sozioökonomischen
  Hinblick auf Alter, Geschlecht, Stärken und                       Voraussetzungen.
  Interessen, Lern- und Entwicklungstempo,
  spezifischen Lern- und Unterstützungsbedarf                       Inklusion meint „Einschluss“ bzw. „Enthalten
  sowie ihren kulturellen oder sozioökonomischen                    sein in einer Menge“. Das Begriffsverständnis von
  Hintergrund.“                                                     Inklusion erklärt sich am ehesten daraus, wenn
  (Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder           man sich erinnert, dass in der sozialpolitischen
  in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung 2012, S. XIX)           Diskussion der 70er Jahre zunächst der Terminus
                                                                    „Exklusion“ im Focus stand. Man benutzte den
                                                                    Begriff Inklusion als Gegenstück zu soziologischen
Gute Bildung, Erziehung und Betreuung für Kin-                      Tendenzen der Exklusion, d. h. zu Tendenzen des
der orientiert sich heute an dem Leitbild Inklusion.                Ausschlusses und der Marginalisierung benach-
Dabei geht es um mehr, als dass Kinder mit Behin-                   teiligter gesellschaftlicher Gruppen.
derung integriert oder „einfach nur mit dabei sind“.
Kindertageseinrichtungen haben einen umfassen-                      In der Folge öffneten sich Regelkindergärten für
den Auftrag hier alle Ebenen und Beteiligte einzu-                  Kinder mit Behinderung. Es wurden Formen
beziehen. Man spricht von inklusiver Pädagogik,                     integrativer Pädagogik entwickelt (vgl. u.a. Herm
der Aufhebung von institutioneller Separation                       2012). Dem einzelnen Kind mit Förderbedarf
und möchte Ideale des gemeinsamen Lebens und                        sollte Förderung und Unterstützung gegeben
Lernens umsetzen. Nur – wie ist dies konkret um-                    werden. Im Grunde passte sich weniger das
setzbar ? Das war 2014 das Thema des Fachtages.                     System (die Kindertagesstätte) an das Kind an,
Über 180 Fachleute und Interessierte waren zur                      vielmehr erhielt das Kind Unterstützung zur
Akademie Schönbrunn gekommen, um sich mit                           „Anpassung in das System“.
dem Thema „Inklusion als Herausforderung für
die frühe Bildung“ auseinanderzusetzen.                                „Es geht nun nicht mehr darum, ob Inklusion in
                                                                       Kindertageseinrichtungen sinnvoll ist, sondern
Das Leitbild Inklusion                                                 vielmehr um die Frage, wie sich die Inklusion in
Mit dem Begriff Inklusion wird in der frühen                           Kindertageseinrichtungen in einer möglichst
Bildung heute ein Paradigmenwechsel verbunden.                         qualitätsorientierten Weise in die Praxis umset-
                                                                       zen lässt.“
Die Leitidee Inklusion meint die Verwirklichung                        (Heimlich 2013, S.8)
des menschenrechtlichen Anspruchs auf gleiche
Chancen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft.
Alle Menschen sollen u. a. die gleichen Möglich-
keiten haben, an hochwertiger Bildung teilzuha-
Inklusion als Herausforderung für die frühe Bildung - Akademie Schönbrunn
4    Einführung

    Der mit dem Begriff Inklusion verbundene Pers-        Die Vorstellungen von früher Bildung beginnen
    pektivwechsel meint demgegenüber, dass sich das       sich zu wandeln. Differenzen und Verschieden-
    System den besonderen Bedürfnissen von Kindern        heiten werden nicht mehr vorrangig als negativ
    anpasst. Eine inklusive Kindertagesstätte wäre        bewertet, sondern man erkennt, dass sie für alle
    also von vornherein so gestaltet, dass kein Kind      Beteiligten befruchtende Ergänzung sein können.
    „ausgeschlossen“ wird.                                Mädchen und Jungen mit verschiedensten Be-
                                                          gabungen oder Behinderungen, unterschiedlichen
    Erste Impulse für das Leitbild Inklusion entstanden   Religionen, Geschlechtern, sozialer Herkunft und
    durch die UN-Kinderechtskonvention. Das In-           sozialökonomischen Hintergründen können
    krafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention        gemeinsam so erzogen werden, dass jedes Kind
    verstärkte dann in Deutschland die öffentliche        seine individuellen Stärken entfaltet. Eine inklusive
    und fachliche Diskussion zum Leitbild Inklusion       Pädagogik wendet sich daher an alle Kinder und
    enorm. Mit der Unterzeichnung der UN-Behinder-        versteht sich als eine „Pädagogik der Vielfalt“
    tenrechtskonvention verpflichtete man sich ein        (Prengel 2006).
    inklusives Bildungssystem aufzubauen. Es wird
    eine menschenrechtlich fundierte gleichberechtig-
    te gesellschaftliche Teilhabe aller Kinder an           „Wenn die bisherige Integrationsentwicklung
    Bildung gefordert, unabhängig von individuellen         in Kindertageseinrichtungen im Wesentlichen
    Unterschieden.                                          die Integrationsfähigkeit der Kinder fokussiert
                                                            hat, so steht der Entwicklungsprozess zur
    Der Fachtag beschäftigte sich mit der Umsetzbar-        inklusiven Kindertageseinrichtung vor der Auf-
    keit und Praxis dieses Leitbildes. Zunächst be-         gabe, alle Ebenen und alle Beteiligten in der
    grüßte Markus Tolksdorf als Geschäftsführer des         Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern
    Franziskuswerks die Anwesenden. Er betonte die          mit Behinderung im Sinne einer ökologischen
    Bedeutung des Themas und legte dar, dass für das        Betrachtungsweise einzubeziehen“
    Franziskuswerk die Behindertenrechtskonvention          (Heimlich 2013a, S.7).
    der Vereinten Nationen Ausgangspunkt und
    inhaltlicher Bezugspunkt sei.                         Konzeptionen inklusiver Frühpädagogik
                                                          Prof. Dr. Ulrich Heimlich (Ludwig-Maximilians
    Heterogenität als Ausgang von Inklusion               Universität) begann die Tagung mit Beschrei-
    Voraussetzung für die Umsetzung von Inklusion         bungen zu Anforderungen an eine Konzeption
    sind Bedingungen der Chancengleichheit in den         inklusiver Frühpädagogik (vgl. auch Heimlich
    Bildungseinrichtungen. Pädagogisches Handeln          2013a, 2013b u. 2012). Er skizzierte den Weg der
    muss immer auf unterschiedliche Lebenslagen,          Kindertagesstätten von der Integration hin zur
    Lebensstile und Lernausgangslagen von Kindern         Inklusion. 2011 gab es in Bayern 2.057 integrative
    eingehen. In der Frühpädagogik wird momentan          Kindertageseinrichtungen. Die internationale Zu-
    ein Inklusionsdiskurs geführt, innerhalb dessen die   kunftsperspektive sei nun eindeutig die Entwick-
    Themen Diversität (Kinder durchlaufen unter-          lung eines inklusiven Bildungssystems auf allen
    schiedliche Entwicklungsschritte) und Diskrimi-       Ebenen.
    nierung (Familienkulturen, sozioökonomische
    Lebenslagen und Geschlecht werden für Benach-         Prof. Dr. Heimlich stellte die inklusive Kindertages-
    teiligung und Herabwürdigung genützt) große           einrichtung als ökologisches Entwicklungsmodell
    Beachtung erhalten.                                   vor (Heimlich 2013a, S.7f).

      Die Heterogenität von Kindern „Verschieden,
      ohne einander untergeordnet zu sein“ (Prengel
      2010, S.20) zeigt sich in unterschiedlichen
      Dimensionen.
Inklusion als Herausforderung für die frühe Bildung - Akademie Schönbrunn
Inklusion als Herausforderung für die frühe Bildung   5

                    Multi-                                                          Inklusive
                professionelles                                                   Kindertages-
                    Team                                                         einrichtungen

          Inklusive
         Spiel- und
      Lernsituationen

                   Kinder mit                                                       Externe                     Abb. Inklusions-
                  individuellen                                                  Unterstützungs-                entwicklung in
                  Bedürfnissen                                                      systeme                     Kindertages-
                                                                                                                einrichtungen als
                                                                                                                Mehrebenenmodell
                                                                                                                (Heimlich 2013a, S. 25)

Er erinnerte, dass Heilpädagogik (im Sinne eines       „Unter Rückgriff auf internationale Studien
ökologischen Verständnisses von Behinderung            kann gezeigt werden, dass es eine große
und Inklusion) in einem Kind-Umfeld-System             Verunsicherung der Fachkräfte in Bezug auf
stattfinde. Der Behinderungszustand des Kindes         die Einschätzung von Kindern und deren
sei immer im Zusammenhang eines Prozesses              individuellen Bedürfnisse (…) gibt“
sozialer Ausgrenzung zu sehen. Die International       (Heimlich 2013a, S.25).
Classification of Functionality (ICF) fordere dazu
auf, die Partizipationsstrukturen in Bildungsan-     Gute Qualität in Kindertagesstätten ist
geboten für Kinder zu verändern (ebenda, S. 9).      inklusive Qualität – Fachkräfte müssen
                                                     weitergebildet werden!
Von großer Bedeutung sei die Qualität von            Im Anschluss führte Prof. Dr. Ulrich Heimlich aus,
Kindertageseinrichtungen, wobei interessant sei,     dass Fachkräfte im Kontext inklusiver Frühpädago-
dass die Qualität integrativer Kindertagesstätten    gik nicht nur mit neuen und erweiterten Anforde-
oftmals höher sei, als die von nicht-integrativen    rungen an ihre Fachkompetenzen konfrontiert
Einrichtungen. Die Ebenen der Kinder, deren          sind, sondern auch vor der Herausforderung der
Spiel- und Lernbedürfnisse, die Teamkooperation,     Weiterentwicklung ihrer personalen und sozialen
die Einrichtungskonzeption und auch die der          Kompetenzen stehen. Momentan – aber auch
externen Unterstützungssysteme sind für die          für die Zukunft – sei es eine große Aufgabe die
inklusive Qualität von Kindertageseinrichtungen      „inklusive Frühpädagogik als Handlungskompe-
zu beachten. Folglich sei auch die Weiterent-        tenz vor Ort“ bei den Fachkräften zu fördern. Das
wicklung der Organisationen und der regionalen       Gelingen dieser Herausforderung würde auch
Vernetzung wichtig.                                  über das Gelingen der Umsetzung von Inklusion
                                                     in den Kindertageseinrichtungen entscheiden.
Eine inklusive Kindertageseinrichtung sei durch
gute Rahmenbedingungen für individualisierte         Jedes Kind so annehmen, wie es ist –
und gemeinsame Spielangebote, gelungene              Kind und Eltern willkommen heißen
Teamkooperationen, vielfältige Professionalität,     „Vor allem ist es wichtig, dass ein Klima herrscht,
gemeinsame Wertesysteme sowie heil- und son-         dass jedes Kind so angenommen wird, wie es ist“.
derpädagogische Unterstützung für alle Kinder        Alexandra Pfenning-Högger und Sabine Remmele
gekennzeichnet. Alle Beteiligten sind aufgefordert   hatten einen kurzen Film zum Thema „Wünsche
gemeinsam am Leitbild Inklusion zu arbeiten.         von Eltern an die inklusive Bildungseinrichtung“
Inklusion als Herausforderung für die frühe Bildung - Akademie Schönbrunn
6    Der Fachtag

    erstellt und innerhalb des Fachtages gezeigt.         Kinder erleben es als einen Eingriff in ihre natür-
    Beide sind erfahrene Erzieherinnen und absolvie-      liche Autonomie, wenn sie Dinge gegen ihren
    ren an der Fachakademie für Heilpädagogik eine        Willen erlernen sollen, für die sie noch keine
    nebenberufliche Ausbildung zur Heilpädagogin.         Bereitschaft zeigen oder wenn Lösungswege
    Sie berichteten von positiven Beispielen heilpäda-    der Erwachsenen ihnen den Erfahrungsraum
    gogischer Einrichtungen, innerhalb dessen Kinder      verhindern.
    mit Behinderung entsprechend ihrer Fähigkeiten
    gefördert werden und Inklusion gelebt wird.           Die refinanzierten Gruppenkonstellationen in
                                                          Kindergärten und Kinderkrippen würden leider
    Lernangebote auf die Bedürfnisse der                  nach wie vor sehr stark von einer „Betreubarkeit
    Kinder zuschneiden                                    innerhalb der bestehenden Aufsichtspflicht“
    Gertraud Martin, Leiterin des Geschäftsbereiches      ausgehen. Würde man das Kind – nicht nur das
    Kinder und Jugend im Franziskuswerk Schön-            Kind mit Behinderung – noch mehr mit seinen
    brunn, plädierte dafür, dass Lernangebote auf die     Bedürfnissen und Chancen in den Vordergrund
    Bedürfnisse und Chancen der Kinder zugeschnit-        oder auch Mittelpunkt stellen, müsste man zu
    ten werden sollten und nicht umgekehrt: Kinder        dem Schluss kommen, dass die Gruppen zu groß
    hätten einen Eigenanteil an ihrer Bildung (Schäfer    sind und eine Erzieherin für 11 Kinder zwischen
    2014). Sie zeigen großes Interesse, sich selbst zu    drei und sechs Jahren zu wenig sei.
    bilden, Dinge zu erforschen und einzuordnen.
    Neues wird in Erfahrenes eingeordnet und in           Eine Annäherung an die individuellen Erforder-
    Relation dazu gebracht.                               nisse eines Kindes habe das Bayerische Kinder-
                                                          bildungs- und Kinderbetreuungsgesetz schon
    So weise der Bayerische Bildungs- und Erzie-          gemacht, aber eben nur eine Annäherung. Alles,
    hungsplan darauf hin, Kindern in Krippen und          was mehr an Qualität und Zuwendungsintensität
    Kitas Erfahrungen der Selbsttätigkeit und Selbst-     geschehe, sei jedoch Trägersache. In den letzten
    wirksamkeit zu ermöglichen. Dies geschehe in          beiden Jahren lasse die Nachfrage nach homoge-
    den Kindertagesstätten: Die Umgebung: Räume,          nen, heilpädagogischen Einrichtungen deutlich
    Materialien, Menschen stehen zur Verfügung, um        nach. Die Nachfrage nach Kitaplätzen für Kinder
    das Kind auf seiner Erfahrungs- bzw. „Bildungs-       mit Behinderungen steige demgegenüber an
    reise“ zu begleiten. Professionelle seien im besten   und die Ausprägungen der Behinderungen bei
    Fall achtsam darauf bedacht, Impulse des Kindes       angefragten Kindern würden stärker sowie
    aufzunehmen und darauf Antworten zu geben.            vielfältiger.
    Die Individualität, die Stärken, die Fähigkeiten
    eines jeden Kindes sind bei der Weltaneignung         Der Übergang Kindergarten / Schule muss
    des Kindes zu beachten.                               vor allem für Kinder mit Behinderung und
                                                          deren Eltern deutlich verbessert werden
      „Die Kindheitsforschung der letzten beiden          Frau Wünsch gab als Elternvertreterin einen
      Jahrzehnte hat das Bild eines aktiven, sich         eindrücklichen Einblick in die Situation eines
      aus eigener Initiative und mit eigenen Mitteln      Kindes mit Behinderung in seinem Lebensumfeld.
      bildenden Kindes entwickelt“                        Eltern und Lehrer bzw. Professionelle haben im
      (Schäfer 2011, S.30).                               Grunde einen gemeinsamen Erziehungsauftrag.
                                                          Sie erleben das Kind in unterschiedlichen Um-
                                                          welten und tragen die Verantwortung um das
                                                          Wohl des Kindes.
Inklusion als Herausforderung für die frühe Bildung - Akademie Schönbrunn
Inklusion als Herausforderung für die frühe Bildung   7

Familie und Eltern, sollten auf keinen Fall zum          Resümee
„Objekt“ von Professionellen werden, die versu-
chen die Familie zu reglementieren. Auch wenn            Eine Novellierung der Finanzierung durch
ein Kind integrativ / inklusiv in einer vorschulischen   das BayKiBig zur Stärkung des Leitbildes
Einrichtung gefördert würde, beständen im                Inklusion ist notwendig.
schulischen Bereich weiterhin zu wenig Möglich-          Es stellt sich Frage, weshalb das Leitbild Inklusion
keiten der Inklusion, was sich im Einzelfall für die     noch nicht flächendeckend umgesetzt ist. Hier
Betroffenen als sehr herausfordernd gestalten            sind auf mehreren Ebenen Erklärungen zu finden.
würde.                                                   Vor allem richten sich Bildungs- und Erziehungs-
                                                         pläne in Deutschland noch nicht nach dem
Anregende Diskussionen in den Denk-                      Leitbild Inklusion aus. Das BayKiBiG führt sogar
räumen                                                   oftmals zu einem vermehrten und schwierigen
In 12 Denkräumen gaben Fachleute einen Input             Verwaltungsaufwand bei der Aufnahme von
zum Thema. Jeweils zwei Studierende moderier-            „Integrationskindern“. Die Praxis der Refinanzie-
ten und protokollierten die Diskussion der An-           rung kann dann zu einer Barriere für Inklusion
wesenden. So wurden die Denkräume Orte des               werden, wenn sie Auswirkungen auf das Beschäf-
gegenseitigen Austausches, des Innehaltens und           tigungsverhältnis des pädagogischen Personals
Reflektierens. Durch die gemeinsame Beschäfti-           hat (z. B. wenn Buchungssituationen befristete
gung zu Bildern einer inklusiven frühen Bildung          Arbeitsverhältnisse zur Folge haben). Des Weite-
konnte der Blick über den Tellerrand des Alltags-        ren sind die Zuständigkeiten der Sozialleistungs-
geschäfts gerichtet und gegenseitiger Austausch          träger unklar, wodurch die Beantragung und
sowie neue Anregungen ermöglicht werden.                 Refinanzierung von inklusiven Plätzen in Kinder-
                                                         tagesstätten erschwert werden kann. Es kann zu
Jedes Kind ist anders                                    einer ungerechten Förderverteilung kommen. Ein
Nach der Mittagspause gab Dr. Monika Wertfein            möglicher Weg könnte sein, dass die Zuwendung
(Staatsinstitut für Frühpädagogik) einen Einblick        von Mitteln nicht nur auf den Einzelfall bezogen,
in aktuelle wissenschaftliche Diskussionen zur           sondern auch auf die Institution hin orientiert
inklusiven (Alltags-)Qualität in Kinderkrippen.          geschieht.
Jedes Kind benötigt grundsätzlich Sicherheit,
Zutrauen und Unterstützung, aber jedes Kind ist          Inklusive Lernsituationen schaffen
auch „anders“.                                           Ein ganzheitlicher Bildungsbegriff ist Grundlage
                                                         für die Unterstützung von Teilhabe und Inklusion.
Obwohl Krippen vor „inklusiven Herausforderun-           Kindertagesstätten sollten verstärkt inklusive
gen“ stehen und erhöhter Betreuungsaufwand               Lernsituationen in der Regelgruppe schaffen.
entsteht, würde noch zu wenig mit strukturellen          Gemeinsames Aufwachsen kann dann für alle
Anpassungen reagiert. Dr. Wertfein sensibilisierte       Beteiligten eine Chance darstellen. Professionelle
für die „Ressource des pädagogischen Teams“,             sind gefordert die Kommunikation unter Gleich-
zeigte Stärken von Kinderkrippen auf und wies            altrigen zu einem pädagogischen Thema zu
am Beispiel der „Alltagssituation Mahlzeiten“ auf        machen und evtl. ungünstigen Prozessen entge-
Gelegenheiten für soziale Teilhabe und gemein-           gen zu wirken. Kinder sollten für Benachteiligung
same Bildung für alle Kinder hin.                        sensibilisiert und in ihrer Selbstbestimmung
                                                         unterstützt werden. Inklusive Pädagogik bleibt
                                                         jedoch immer beziehungsorientiert und es bedarf
                                                         weiterhin der individuellen Zuwendung zum Kind,
                                                         bzw. auch der Bereitstellung von Schonräumen
                                                         des Nachreifens.
Inklusion als Herausforderung für die frühe Bildung - Akademie Schönbrunn
8    Einführung

    Inklusion fängt in unseren Köpfen an –                Literatur
    gelebte Heilpädagogik als Kultur                      Albers, T. (2011): Mittendrin statt nur dabei – Inklusion
    Die Vision sollte weiterhin sein, dass Kindern mit    in Krippe und Kindergarten. München: Reinhardt
    Behinderung ganz selbstverständlich die Kinder-       Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Soziales /
    tageseinrichtungen in ihrem Sozialraum zugäng-        Staatsinstitut für Frühpädagogik (2012): Der Bayerische
    lich ist. Sicherlich müssen Veränderungen im          Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrich-
    Sinne der Umsetzung des Menschenrechts der            tungen bis zur Einschulung. Weinheim / Basel: Cornelsen
    UN-Behindertenrechtskonvention auf mehreren           Döbert, Hans/ Weishaupt, Horst (Hrsg.) 2013: Inklusive
    Ebenen stattfinden und werden auch Zeit benöti-       Bildung professionell gestalten – Situationsanalyse und
                                                          Handlungsempfehlungen. Münster: Waxmann
    gen. Während sich die traditionelle Heilpädagogik
    vorrangig an der Person und dem Ablauf von            Herm, S. (2012): Gemeinsam spielen, lernen und wachsen.
                                                          Berlin: Cornelsen
    Hilfeleistungen orientiert, gewinnen in der Heil-
    pädagogik die Ebenen Individuum / Lebenswelt          Friederich, T. (2013): Inklusion als frühpädagogische
                                                          Leitorientierung. In: Deutsches Jugendinstitut (2013).
    und Hilfesystem / Sozialraum an Bedeutung.
                                                          Inklusion – Kinder mit Behinderung – Grundlagen für
    Neben der Überprüfung von pädagogischen               die kompetenzorientierte Weiterbildung S. 18 – 23.
    Vorgehensweisen in der Praxis ist mit der Leitidee    München: DJI
    Inklusion auch die Überprüfung der jeweiligen         Heimlich, U. (2013a): Kinder mit Behinderung –
    Struktur und Kultur einer Einrichtung gefragt.        Anforderungen an eine inklusive Frühpädagogik.
                                                          Wiff-Expertise Nr. 33. München: DJI
    Alle Kinder willkommen heißen                         Heimlich, Ulrich (2013b): Ausbildung und Professionali-
    Behinderungen sind etwas, was Menschen prägt,         sierung von Fachkräften für inklusive Bildung im Bereich
    aber nicht ausmacht! Eine inklusive Pädagogik         der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung.
    weist darauf hin, dass es bei Behinderungszustän-     In: Döbert, Hans / Weishaupt, Horst (Hrsg.): Inklusive Bildung
    den notwendig ist, verändernd auf die Umwelt          professionell gestalten – Situationsanalyse und Handlungs-
                                                          empfehlungen. 2013, S. 11 – 32 Münster: Waxmann
    einzuwirken. Aber auch sozio-ökonomische, ge-
    schlechterbedingte, migrationsbedingte Hetero-        Heimlich, Ulrich (2012): Gemeinsam von Anfang an.
                                                          Inklusion für unsere Kinder mit und ohne Behinderung.
    genität oder die Situation frühgeborener Kinder
                                                          München, Basel: Reinhardt, 2012
    sind Ausgang für die Entwicklung inklusiver
                                                          Prengel, A. (2010): Inklusion in der Frühpädagogik.
    (Alltags-)Qualitäten. So muss es z. B. im Aufnahme-
                                                          Bildungstheoretische, empirische und pädagogische
    verfahren von Familien mit ihren Kindern einen        Grundlagen München: Deutsches Jugendinstitut
    Paradigmenwechsel geben: Es darf nicht mehr
                                                          Prengel, A. (2006): Pädagogik der Vielfalt: ´Verschiedenheit
    bedeuten: Was muss ein Kind können, um auf-           und Gleichberechtigung in Interkultureller, Feministischer
    genommen zu werden? Sondern: Was muss die             und Integrativer Pädagogik. Wiesbaden: Verlag für
    Einrichtung bieten, um alle Kinder aufzunehmen        Sozialwissenschaften
    zu können?                                            Schäfer, G. E. (2014): Was ist frühkindliche Bildung?
                                                          Kindlicher Anfängergeist in einer Kultur des Lernens.
    Mehr dauerhafte Heilpädagogik in der                  Weiheim /München: Beltz Juventa
    frühen Bildung!                                       Schäfer (2011): Bildung beginnt mit der Geburt.
    Die Anwesenden waren sich einig, dass es mehr         Für eine Kultur des Lernens in Kindertageseinrichtungen.
    dauerhafte Heilpädagogik in der frühen Bildung        Berlin: Cornelsen
    geben müsste, damit allen Kindern die Möglich-
    keit der Teilhabe gegeben ist. Auch sollte die
    Beratungskompetenz von Heilpädagog/innen
    stärker genutzt werden. Zu oft fühlen sich vor
    Ort Professionelle und alle Beteiligten im Umgang
    mit dem Leitbild Inklusion überfordert.
Inklusion als Herausforderung für die frühe Bildung - Akademie Schönbrunn
Inklusion als Herausforderung für die frühe Bildung   9

Jedes Kind willkommen heißen und seine Besonderheiten
in den Mittelpunkt stellen – Pädagogische Prinzipien der
inklusiven Frühpädagogik
Inklusive Frühpädagogik möchte auf heterogene Lebenslagen
reagieren. Albers (2011) nennt als pädagogische Prinzipien:

•   Pädagogik der Vielfalt
    (Wertschätzung von Heterogenität,
    individualisierende Perspektive)
•   Chancen der Vielfalt
    (Gemeinsames Aufwachsen als Chance, Unterschiede als
    Normalität)
•   Kindliche Kategorisierung
    (Professionelle als integrierende Kraft gegenüber Ausschluss-
    tendenzen unter Kindern)
•   Kommunikation unter Gleichaltrigen
    (Pädagogische Angebote so gestalten, dass ein Kreislauf
    negativen Selbstbildes, durch ungünstige Interaktionsprozesse
    unter Kindern, entgegen gewirkt wird)
•   Dekonstruktion
    (Kritische Auseinandersetzung mit sozialen Verhältnissen,
    Erwachsene als Modell für eine wertschätzende Haltung und
    für positive Umdeutungen)
•   Ermächtigung
    (Kinder für Benachteiligung sensibilisieren und
    die Macht für Selbstbestimmung geben)
•   Gemeinsames Denken
    (Pädagogische Settings, die soziales Lernen als auch kognitive
    Förderung berücksichtigen und Beteiligung von Kindern an
    Interaktionsprozessen schaffen)
•   Risiko und Resilienz
    (Fokussierung auf kindliche Ressourcen, Analyse von Schutz-
    faktoren die eine positive Entwicklung unterstützen)
    (Vgl. Albers 2011, S. 16  – 24).
Inklusion als Herausforderung für die frühe Bildung - Akademie Schönbrunn
10    Fachtagung 2014

     Kleine Kinder – großer Anspruch!
     Inklusive (Alltags-)Qualität in Kinderkrippen
                                             Dr. Monika Wertfein, Staatsinstitut für Frühpädagogik, München

     „Bildungseinrichtungen stehen in der Verantwor-      Teams immer wieder mit Teamveränderungen,
     tung, sozialer Ausgrenzung angemessen zu             kurzfristigen Personalausfällen und ohnehin
     begegnen und allen Kindern faire, gleiche und        knappen Personalressourcen. Es stellt sich die
     gemeinsame Lern- und Entwicklungschancen zu          Frage: Wie können Fachkräfte in Kinderkrippen
     bieten.“ – Mit diesen Worten wird die inklusive      dennoch allen Kindern und Familien gerecht
     Aufgabe jeder Kindertageseinrichtung im Bayeri-      werden, ohne die eigenen Kompetenz- und
     schen Bildungs- und Erziehungsplan (2012, S. 33)     Belastungsgrenzen zu überschreiten?
     formuliert. Schließlich pflegen und leben viele
     Einrichtungen bereits seit vielen Jahren auf ver-    Grundlegend für eine qualitativ hochwertige Kin-
     schiedenen Ebenen inklusive Werte, wie z. B. den     dertagesbetreuung ist die Berücksichtigung der
     Respekt vor Vielfalt, einer Kultur des Miteinan-     physischen und psychischen Grundbedürfnisse.
     ders, Partizipation und Zutrauen (Booth 2010).       Dies gilt für die Gestaltung der Bildung, Erziehung
     Auch nicht explizit integrative Einrichtungen        und Betreuung der Kinder, der Zusammenarbeit
     realisieren bereits eine Pädagogik der Vielfalt,     mit den Eltern und der Arbeitsbedingungen der
     indem sie sehr unterschiedliche Kinder gemeinsam     Fachkräfte. Im Folgenden soll vor dem Hinter-
     betreuen, erziehen und bilden: Jungen und            grund aktueller Forschungsbefunde und Praxis-
     Mädchen, Kinder unterschiedlicher Alters- und        erfahrungen aufgezeigt werden, was dies konkret
     Entwicklungsstufen, Kinder mit unterschiedlichen     bedeutet und welche Qualitätsstandards für
     Begabungen, mutigere und ängstlichere Kinder,        Kinderkrippen und altersgemischte Einrichtungen,
     sprachlich gewandte und eher zurückhaltende          die Kinder in den ersten drei Lebensjahren auf-
     Kinder usw.                                          nehmen, davon abgeleitet werden können.

     Inklusion ist also keine neue Aufgabe, die den       Den kindlichen Grundbedürfnissen
     pädagogischen Fachkräften neuerdings gestellt        gerecht werden
     wird. Dies mag so wirken, weil sich im Feld der      Kinder kommen hilfsbedürftig zur Welt und sind
     Kindertageseinrichtungen, insbesondere im            auf die körperliche und psychische Versorgung
     Krippenbereich in den letzten Monaten viel ver-      durch Erwachsene angewiesen. Aus der Bindungs-
     ändert hat. Der Ausbau der Kindertagesbetreuung      forschung wissen wir: um ein Urvertrauen in sich
     für Kinder in den ersten drei Lebensjahren ist       und ihre Bezugspersonen aufzubauen, braucht
     weiterhin in vollem Gange. Seit August 2013          jedes Kind von Geburt an regelmäßig und ver-
     haben Eltern von Kindern ab 12 Monaten einen         lässlich die Erfahrung, dass seine Bedürfnisse ernst
     Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Für        genommen und adäquat befriedigt werden. Alle
     die pädagogischen Teams bedeutet dies, dass sie      Kinder brauchen für eine gelingende Entwicklung
     sich zunehmend auf die Aufnahme einjähriger          und ihr Wohlbefinden zum einen die Erfüllung der
     Kinder einstellen müssen. Die Ansprüche an die       körperlichen Grundbedürfnisse (Hunger, Durst,
     Qualität der Kindertagesbetreuung und die            Hygiene, Schutz). Zum anderen spielt die Befriedi-
     Qualifizierung der Fachkräfte steigt stetig, der     gung der seelischen Grundbedürfnisse eine
     Erwartungsdruck nimmt zu. Gleichzeitig kämpfen       zentrale Rolle: der Wunsch nach verlässlichen liebe-
Kleine Kinder – großer Anspruch! Inklusive (Alltags-)Qualität in Kinderkrippen    11

vollen Beziehungen und sozialer Zugehörigkeit
(z. B. zur Gleichaltrigengruppe), nach Kompetenz
und Selbstwirksamkeitserleben (z. B. durch authen-
tische Erfahrungen) sowie nach Autonomie und
entwicklungsangemessenen Erfahrungen (z. B.
durch ein höchstmögliches Maß an Partizipation)
(Ryan & Deci 2000; Brazelton & Greenspan 2002).

Diese angeborenen psychischen Grundbedürfnisse
gelten grundsätzlich für alle Kinder und beein-
flussen nicht nur das subjektive Wohlbefinden, son-
dern auch die Lernmotivation (Deci & Ryan 2000;
LaGuardia et al. 2000). Bleiben diese Bedürfnisse
unerfüllt, führt dies kurzfristig zu Äußerungen von
Unzufriedenheit und Frustration. Aufgabe der
pädagogischen Fachkraft ist es dann, ein Kind bei
der Regulation seiner Gefühle zu unterstützen.
Der individuelle Unterstützungsbedarf hängt vom
Alter und Entwicklungsstand des Kindes ab.
Um den Kindern und ihren Bedürfnissen gerecht
werden zu können, müssen entwicklungsbedingte
Veränderungen während der ersten drei Lebens-
jahre berücksichtigt werden: gerade zwischen
dem ersten und vierten Lebensjahr nehmen die          Junge Kinder – hohe Qualitätsansprüche
Selbstregulationsstrategien, z. B. soziale Rück-      Kinder in den ersten drei Lebensjahren sind
versicherung durch Blickkontakt zu, während           anspruchsvoll: sie wünschen sich eine Rundum-
das Bedürfnis nach körperlicher Zuwendung ab-         betreuung und die volle Aufmerksamkeit ihrer
nimmt (Friedlmeier 1999; Friedlmeier & Tromms-        Bezugspersonen. Dies gelingt am besten in der
dorff 2001).                                          Eins-zu-Eins-Betreuung und in kleinen sowie
                                                      altershomogenen Gruppen. So zeigt sich nicht
Um auch im Gruppenkontext einer Kindertages-          nur in der deutschlandweiten NUBBEK-Studie,
einrichtung häufigen Frustrationen vorzubeugen        dass es den Fachkräften in der Tagespflege und in
kommt es darauf an, dass die pädagogischen            reinen Kinderkrippengruppen besser gelingt, den
Fachkräfte den Ausdruck negativer Emotionen           Bedürfnissen der Zweijährigen gerecht zu werden,
bereits frühzeitig erkennen und nicht erst auf das    als dies in größeren altersgemischten Kindergarten-
Weinen eines Kindes reagieren. Vielmehr geht es       gruppen der Fall ist (Tietze, Becker-Stoll, Bensel
darum, stille Traurigkeit ohne Exploration oder       et. al. 2013; Ahnert, Eckstein-Madry & Supper 2012).
zielloses Herumwandern eines Kindes als frühe         Darüber hinaus wird deutlich, dass der grund-
Anzeichen von Überforderung richtig zu interpre-      legende und sensible Bereich der „Betreuung und
tieren und angemessen zu beantworten (Fürstal-        Pflege“ in Zukunft mehr Beachtung und einer
ler, Funder & Datler 2011). Hierzu ist es notwen-     Qualitätsverbesserung im Sinne des inklusiven
dig sich auf die Perspektive des Kindes einzulassen   Anspruchs bedarf (vgl. Becker-Stoll, Niesel & Wert-
und mit dem Kind in einen responsiven Dialog zu       fein 2014).
treten (Gutknecht 2012). Gerade im Gruppenkon-
text einer Kinderkrippe sind diese Abstimmungs-       Offenbar steht die Bedeutung der täglichen Ab-
prozesse eine besondere Herausforderung, die ein      läufe und Alltagssituationen bei vielen Fachkräften
feines Gespür für das Befinden eines einzelnen        nicht im Vordergrund ihrer pädagogischen Über-
Kindes, aber gleichzeitig auch Empathie für           legungen. Sind zudem die Ressourcen knapp
das dynamische Gruppengeschehen umfassen              bemessen, gerät der Bereich der Gesundheit,
(Ahnert, Pinquart & Lamb 2006). Beide Aspekte         Ernährung und Pflege schnell ins Hintertreffen,
sind für Kinder mit und ohne Behinderung              während andere „prominentere“ Bereiche, wie die
gleichermaßen wichtig und sollten durch eine          sprachliche, musikalische oder naturwissenschaft-
inklusiv ausgerichtete Pädagogik gewährleistet        liche Bildung grundsätzlich als wichtiger betrach-
werden.                                               tet und behandelt werden (Wertfein, Müller &
12    Fachtagung 2014

     Kofler 2012). Dabei nimmt die alltägliche Lebens-      der Vielfalt in den ersten Lebensjahren sind
     praxis einen großen Teil des Kitaalltags ein; allein   (Abbott & Langston 2007; Sommer, Pramling
     die Mahlzeiten umfassen 10 bis 15 Wochenstun-          Samuelsson & Hundeide 2013):
     den (Kultti 2014).                                     • eine hohe Kindorientierung und der lebendige
                                                              Dialog mit Kindern, in dem die aktuellen
     Für Kinder sind das gemeinsame Essen, das                kindlichen Interessen und Fragen ernst genom-
     Wickeln, das Umziehen mit zentralen Entwick-             men und aufgegriffen werden, um gemeinsam
     lungsaufgaben und inklusiven Alltagserfahrungen          zu forschen und weiterzufragen,
     verknüpft. Gerade das situative Lernen in Alltags-     • eine Orientierung an den kindlichen Stärken
     situationen, z. B. den Mahlzeiten, ist für Kinder        und eine entspannte Lernatmosphäre, die
     mit und ohne Behinderung gleichermaßen                   jedem Kind Zeit lässt, um in seinem Tempo
     möglich und wichtig. Denn jedes Kind kennt be-           individuelle Erfahrungen zu machen und
     stimmte Alltagsabläufe bereits aus seiner Familie        Erfolge zu erleben, ohne dass Fehler negativ
     und kann durch das Erleben des Kitaalltags sein          bewertet, bestraft oder vorschnell korrigiert
     Wissen, seine Grundfähigkeiten und seine Fertig-         werden,
     keiten erweitern (Sarimski 2012). Sogenannte           • eine individuelle Ansprache und Anregung
     Alltagsroutinen stellen damit wertvolle Bildungs-        durch sprachliche Begleitung von Alltags-
     gelegenheiten dar.                                       handeln, aktives Zuhören und zahlreiche sowie
                                                              vielfältige positive Interaktionen der Fachkraft
     Merkmale inklusiver Kindertages-                         mit einzelnen Kindern, die auf diese Weise
     einrichtungen                                            beim Erlernen von Sprachgebrauch und
     Jede Kindertageseinrichtung, jedes pädagogische          Sprachverstehen unterstützt werden.
     Team möchte den Kindern die beste Bildung,
     Erziehung und Betreuung anbieten. Doch: Was            Um sich als inklusive Einrichtung stetig weiter zu
     genau macht den qualitativen Unterschied und           entwickeln, ist eine fortlaufende Reflexion der
     wie kann eine Kinderkrippe ihrem inklusiven            pädagogischen Praxis erforderlich. Dies gilt für
     Qualitätsanspruch im Sinne aller Kinder gerecht        jede einzelne Fachkraft, aber auch für das päda-
     werden?                                                gogische Team und die Einrichtungsleitung. Um
                                                            Barrieren für das gemeinsame Lernen und die
     Eine inklusive Einrichtung hat die individuellen       Partizipation aller Kinder im Kitaalltag ausfindig zu
     Bedürfnisse der Kinder im Blick und gestaltet die      machen, empfiehlt sich die Orientierung am Index
     Lernumgebung sowie den Tagesablauf so,                 für Inklusion (Booth, Ainscow & Kingston 2012).
     • dass sich alle Kinder an vertrauten Strukturen       Hierbei handelt es sich um eine Arbeitshilfe, um
        orientieren können (z. B. durch Rituale, klar       multiprofessionelle Teams ganz konkret bei der
        definierte Funktionsbereiche) und                   praktischen Umsetzung inklusiver Grundsätze zu
     • dass alle Kinder nach ihren Kompetenzen              unterstützen. So können die Teams mit Hilfe eines
        möglichst viel Partizipation und Autonomie          Fragebogens eine Bestandsaufnahme vornehmen,
        erfahren können (z. B. durch Mitwirkung und         zum anderen ihre nächsten Schritte auf dem Weg
        Mitentscheidung in Tagesroutinen).                  zu einer inklusiven Einrichtung planen. Durch die
                                                            regelmäßige Anwendung des Index für Inklusion
     Eine klare Tagesstruktur, vorhersehbare Abläufe        bleibt die Einrichtung im stetigen Reflexions- und
     und übersichtliche Kleingruppen in überschau-          Weiterentwicklungsprozess.
     baren Räumen unterstützen die Kinder darin,
     Sicherheit und Orientierung im Kita-Alltag zu          Von der Eingewöhnung zur Partnerschaft
     gewinnen. Das aktive Mitwirken trägt zur Ent-          mit Eltern
     wicklung von Selbstvertrauen und Selbständigkeit       Damit ein Kind den Übergang in die Kinderkrippe
     aller Kinder bei. Weitere entscheidende Voraus-        und das regelmäßige Erleben der Trennung von
     setzungen für das Gelingen früher Bildungs-            den primären Bezugspersonen ohne seelische
     prozesse und wichtige Ziele für eine Pädagogik         Überforderung bewältigen kann, kommt es
                                                            darauf an, diesen Übergang durch eine eltern-
                                                            begleitete, bezugspersonenorientierte und
                                                            abschiedsbewusste Eingewöhnung vorzubereiten
                                                            (Laewen 1989; Laewen, Andres & Hédervári 2000).
Kleine Kinder – großer Anspruch! Inklusive (Alltags-)Qualität in Kinderkrippen   13

Nur so kann es gelingen, eine familiäre Betreuung       Auf diese Weise erfahren die Eltern regelmäßig
durch weitere, allmählich vertraut werdende             durch die Fachkraft von den Interessen, Erfahrun-
Bezugspersonen zu erweitern und eine »Fremd-            gen und Fortschritten ihres Kindes im Kontext
Betreuung« durch Unbekannte zu vermeiden.               der Kindergruppe. Durch den regelmäßigen Aus-
                                                        tausch lernt die Fachkraft wiederum die Eigenhei-
Eine elternbegleitete Eingewöhnung beginnt mit          ten und Vorlieben jedes Kindes im Familienleben
dem Elterngespräch, in dem die Eltern über den          immer besser kennen und verstehen. Außerdem
Verlauf, die Dauer und die Bedeutung der Ein-           kann sie sich ein Bild davon machen, wie die
gewöhnung für den Übergang in die Kinderkrippe          tägliche Rückkehr in die Familie gelingt und wie
und die Entwicklung ihres Kindes informiert             die Anregungen durch die Kinderkrippe in der
werden. Sie setzt sich fort durch die dreitägige        Familie wirken. Eine enge Kooperation mit den
Anfangsphase in Begleitung der Eltern und eine          Eltern und vielfältige Mitwirkungsmöglichkeiten
enge Kooperation mit der Bezugspädagogin.               für Eltern haben sich als wesentliche Bedingungen
Die rechtzeitige Aufklärung und professionelle          für das Gelingen inklusiver Bildungs- und Ent-
Einführung der Eltern ist entscheidend dafür, dass      scheidungsprozesse erwiesen (Stahmer et al. 2003,
die Eingewöhnung an den Bedürfnissen des                Stahmer & Carter 2005; Swick & Hooks 2005).
einzelnen Kindes orientiert stattfinden kann, auch
wenn die Reaktionen des Kindes im Verlauf der
Eingewöhnungsphase anders ausfallen, als sich
dies die Eltern (z. B. aufgrund von Zeitdruck)
wünschen. Zudem ist es wichtig, die Eltern so in
die Eingewöhnung einzubeziehen, dass ggf. ihre
Schuldgefühle und Trennungsängste verringert
werden und dass sie verstehen, was geschieht,
wie sie sich richtig verhalten sollen und welche
Bedeutung sie als sichere Basis während der
Eingewöhnung für ihr Kind haben (Hédervári-
Heller 2010).

Die allmähliche und individuelle Eingewöhnung
trägt zur Stressreduktion bei, so dass Kinder die
Trennungen, die mit dem Übergang in die Kinder-
krippe verbunden sind, als weniger belastend
empfinden (Ziegenhain, Rauh & Müller 1998).
Doch erst wenn das Kind Interesse an den Men-
schen und Dingen in der Einrichtung entwickelt,
zu explorieren beginnt und mit anderen Kindern
interagiert und wenn es sich in schwierigen Situa-
tionen von der Fachkraft beruhigen lässt, hat
es ausreichend emotionalen Halt erlangt, um den
Krippenalltag als angenehm und anregend zu
erleben (Fürstaller, Funder & Datler 2011). Nicht       Voraussetzungen für inklusive Qualität
nur im Rahmen der Eingewöhnung ist es die Auf-          in Kinderkrippen
gabe der Fachkraft, an die elterlichen Vorerfah-        Neben den Kindern und Eltern, haben auch die
rungen und Befindlichkeiten anzuknüpfen und             Fachkräfte einen inklusiven Anspruch an ihre
verständnisvoll auf die Eltern zuzugehen. Alle          pädagogische Arbeit mit Kindern in den ersten
Eltern sind als Experten für ihre Kinder zu betrach-    drei Lebensjahren. Schließlich stellt eine Kinder-
ten, da sie ihr Kind mit seinen individuellen Bedürf-   tageseinrichtung nicht nur einen familienergän-
nissen und Kompetenzen am besten kennen                 zenden Bildungsort, sondern auch den Arbeits-
und einschätzen können. Es kommt darauf an,             platz des pädagogischen Teams dar. In dieser
die Eltern ernst zu nehmen, mit ihnen in einen          Hinsicht geht es um die Frage: Was brauchen die
fortlaufenden respekt- und vertrauensvollen             Fachkräfte, um jedem Kind individuell gerecht
Austausch zu treten und sie auf Augenhöhe zu            werden zu können, ohne ständig an ihre eigenen
unterstützen.                                           Grenzen zu stoßen und letztendlich zu resignieren?
14    Fachtagung 2014

     Wir wissen, dass bis zu 50 % der beobachtbaren       eine Etikettierung voraus, die dem Prinzip Inklusi-
     pädagogischen Qualität von den jeweils verfüg-       on an sich widerspricht. Die Flexibilisierung der
     baren strukturellen Rahmenbedingungen abhängt        Ressourcenvergabe und die zunehmende Durch-
     (Tietze 1998; Cryer et al. 1999). Demzufolge kann    lässigkeit der Hilfeformen kann für alle Kinder
     ein inklusiver Anspruch nur erfüllt werden, wenn     einen Qualitätsgewinn erwirken: so lassen sich
     ausreichend gute Rahmenbedingungen einem             „die Barrieren für Spiel, Lernen und Partizipation
     Mindeststandard, z. B. ausreichend Personal und      für alle Kinder abbauen, nicht nur für jene mit
     Beziehungskontinuität, genügen. Dies würde           Beeinträchtigungen oder diejenigen, die als Kinder
     bedeuten, dass die personellen Ressourcen an die     ,mit sonderpädagogischem Förderbedarf‘ einge-
     individuellen Bedürfnisse der Kinder altersgerecht   stuft wurden“ (Booth, Ainscow & Kingston 2012,
     und flexibel an situative Anforderungen angepasst    S. 14).
     werden könnten, z. B. indem in betreuungsinten-
     siven Phasen Springkräfte eingesetzt werden, die     Für alle Fachkräfte, die Kinder in den ersten drei
     den Kindern vertraut und ins Kitateam eingebun-      Lebensjahren betreuen und unterstützen, be-
     den sind.                                            deutet dies, dass sie die besonderen Herausforde-
                                                          rungen, die mit dem Anspruch auf Inklusion
     Denn der Anspruch auf Beziehungskontinuität hat      verbunden sind, nicht allein bewältigen können
     auch einen personalrelevanten Aspekt: die Fach-      und müssen. Inklusion braucht einerseits das Mit-
     kräfte brauchen verlässliche Teampartner, d.h.       einander mit allen Eltern und viel Transparenz im
     ein zeitlich stabiles Team, das sich zu einem be-    Hinblick auf die pädagogische Arbeit. Wichtiger
     lastbaren Beziehungsnetzwerk entwickeln kann         Bestandteil einer inklusiven Praxis ist darüber
     (Wertfein 2013; Becker-Stoll, Niesel & Wertfein      hinaus die enge Zusammenarbeit in interdiszipli-
     2014). Die Zusammenarbeit und gegenseitige           nären Teams mit sonder-, heilpädagogischen und
     Entlastung im Team sind entscheidende Voraus-        therapeutischen Fachkräften. Um der Ausgren-
     setzungen für die Prozessqualität in Kindertages-    zung von Kindern mit Entwicklungsauffälligkeiten
     einrichtungen. Es zeigt sich, dass Fachkräfte, die   bzw. mit sonderpädagogischem Bedarf entgegen-
     sich im pädagogischen Team unterstützt und wert-     zuwirken, sollten spezifische Interventionen
     geschätzt fühlen, emotional belastbarer sind und     nach Möglichkeit im Kontext der Krippengruppe
     positiver mit den Kindern interagieren (Wertfein,    erfolgen (Sarimski 2012). Sind zusätzlich außer-
     Spies-Kofler & Becker-Stoll 2009; Wertfein, Müller   halb der Kinderkrippe stattfindende Therapien
     & Danay 2013). Schließlich kann ein starkes          notwendig, hat sich ein regelmäßiger Austausch
     persönliches und fachliches Miteinander im Team      mit dem pädagogischen Team und den Eltern als
     maßgeblich dazu beitragen, die bestehenden           förderlich erwiesen. Auf diese Weise können in
     Ressourcen optimal einzusetzen und eine Über-        der Therapie, in der Tageseinrichtung und im
     lastung der Fachkräfte zu vermeiden.                 Elternhaus gemeinsame pädagogische Ziele
                                                          verfolgt und Erfahrungen sowie Entwicklungs-
     Obwohl Inklusion auf dem »Diversity«-Ansatz          fortschritte in den jeweiligen Settings beobachtet
     basiert, der keine Unterteilung in Gruppen vor-      und untereinander ausgetauscht werden (Wert-
     nimmt, ist eine Kategorisierung im gegenwärtigen     fein 2013).
     deutschen Bildungssystem unvermeidlich, um der
     Individualität jeden Kindes auch strukturell ge-
     recht werden zu können. Zusätzliche heil- und
     sonderpädagogische sowie medizinische Ressour-
     cen stehen Kindertageseinrichtungen in der Regel
     nur dann zur Verfügung, wenn ein besonderer
     Förderbedarf festgestellt wurde. Auf diese Weise
     geht jeder integrativen Maßnahme zwangsläufig
Kleine Kinder – großer Anspruch! Inklusive (Alltags-)Qualität in Kinderkrippen                     15

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versiegen, doch Kummer bleibt. Frühe Kindheit. Die ersten
                                                                 bericht). Verfügbar unter http://www.ifp.bayern.de/
sechs Jahre (01), 20 – 26
                                                                 Wertfein, M., Spies-Kofler, A. & Becker-Stoll, F. (2009):
Gutknecht, D. (2012:. Bildung in der Kinderkrippe. Wege zur
                                                                 Quality curriculum for under-threes: the impact of structural
Professionellen Responsivität. Stuttgart: Kohlhammer
                                                                 standards. Early Years, 29 (1), 19 – 31
Hédervári-Heller, É. (2010): Eingewöhnung. In W. Weegmann
                                                                 Ziegenhain, U., Rauh, H. & Müller, B. (1998): Emotionale
& C. Kammerlander (Hrsg.), Die Jüngsten in der Kita. Ein
                                                                 Anpassung von Kleinkindern an die Krippenbetreuung. In L.
Handbuch zur Krippenpädagogik (S. 237 – 250). Stuttgart:
                                                                 Ahnert (Hrsg.), Tagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren.
Kohlhammer
                                                                 Theorien und Tatsachen (S. 82 – 98). Bern: Verlag Hans Huber.
16    Fachtagung 2014

     Inklusives Handeln
     in Kindertagesstätten –
     bisher nur ein Wunsch?!
                                               Manuela Fröhlich, Heilpädagogin, Dozentin der Fachakademie

     Im Rahmen der Inklusionsbestrebungen der               besitzen einen erhöhten Förderbedarf. Somit
     letzten Jahre tragen die Kindertagesstätten eine       gelten für diese Gruppen ein höherer Personal-
     große Herausforderung und ein hohes Maß an             schlüssel und eine geringere Kinderzahl als
     Verantwortung. Die Auseinandersetzung mit be-          in Regelgruppen mit ca. 25 Kindern und zwei
     stehenden inklusiven Handlungsmöglichkeiten in         Pädagoginnen/en. Hinzu kommt die zusätzliche
     Kindertagesstätten setzt eine genauere Betrach-        Betreuung der Integrationskinder durch einen
     tung der Gegebenheiten und Begrifflichkeiten           Fachdienst, der pro Kind über 50 Stunden im Jahr
     voraus.                                                zu dessen Förderung und für die Zusammenarbeit
                                                            mit Erziehern und Eltern verfügt.
     Seit Jahren bestehen Kindertagesstätten die
     integrativ arbeiten. Hierfür gibt es allgemein         Der Schwerpunkt der pädagogischen Arbeit und
     rechtliche Grundlagen, die in der Sozialgesetz-        die gesetzlichen Grundlagen für die gemeinsame
     gebung und im Kinder- und Jugendhilfegesetz            Betreuung und Förderung von behinderten und
     festgeschrieben sind. Die konkrete Ausgestaltung       nicht behinderten Kindern beziehen sich somit
     der Leistungen erfolgt in Landesgesetzen und           noch immer auf den Integrationsgedanken, der
     Rechtsverordnungen, die von Bundesland zu              sich aber wesentlich von inklusiven Strukturen
     Bundesland variieren.                                  unterscheidet.
                                                            Der Begriff der Inklusion unterscheidet sich vom
     Die Integrationsplätze in Oberbayern werden            Begriff der Integration insofern, dass es bei der
     durch den Bezirk Oberbayern finanziert. Es             Integration darum geht, Unterschiede wahrzu-
     handelt sich um eine Maßnahme des Bezirks zur          nehmen und Getrenntes wieder einzugliedern.
     Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII.Um          Inklusion will hingegen den individuellen Bedürf-
     allen Kindern eine gleichberechtigte Teilhabe am       nissen aller Menschen Rechnung tragen.
     gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, sieht
     das BayKiBiG (Bayerisches Kinderbildungs- und          In der Praxis zeigt sich der Unterschied dadurch,
     -betreuungsgesetz) im Artikel 11 die gemeinsame        dass in Kindertagesstätten Integrationsplätze
     Betreuung von Kindern ohne Behinderung und             durch den Bezirk dann finanziert werden, wenn
     Kindern mit einer Behinderung vor. Dies gilt auch      das Kind ein entsprechendes Gutachten oder
     für Kinder, die von einer Behinderung bedroht          Attest durch einen Arzt nachweisen kann. Das
     sind.                                                  heißt, es muss erst eingestuft, begutachtet und
                                                            als förderfähig erkannt werden. Demgegenüber
     Viele der Integrationseinrichtungen bieten Inte-       bedeutet Inklusion in Kindertagesstätten, dass alle
     grationsgruppen an, in denen 15 bis 18 Kinder          Kinder die Förderung erhalten, die sie individuell
     von drei Pädagoginnen/en betreut werden.               benötigen, unabhängig von attestierten Beein-
     Fünf der Kinder belegen Integrationsplätze und         trächtigungen. Die zur Verfügung gestellten
                                                            Ressourcen könnten dann der gesamten Gruppe
                                                            zur Verfügung stehen. Ein Fachdienst hätte
                                                            dadurch die Möglichkeit, die Gesamtgruppe viel
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