Kinder-betreuung Nachrichten - Das junge Kind im Kindergarten

 
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Kinder-betreuung Nachrichten - Das junge Kind im Kindergarten
Kinder-
betreuung
 Nachrichten
   Das junge
   Kind im
   Kindergarten
Kinder-betreuung Nachrichten - Das junge Kind im Kindergarten
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit und des überwiegenden Anteils von Frauen in diesem Berufsfeld
wird im Allgemeinen die weibliche Form stellvertretend für beide Geschlechter verwendet.

Impressum:
Verleger: Land Salzburg, vertreten durch die Abteilung 12: Kultur, Gesellschaft, Generationen; Referat 12/02: Kindergärten,
Horte und Tagesbetreuung • Herausgeberin: MMag.a Elke Kabel-Herzog • Für den Inhalt verantwortlich: Sigrun Cecon,
Mag.a Lucia Eder • Gestaltung und Satz: Grafik Land Salzburg • Druck: Hausdruckerei • alle Postfach 527, A-5010 Salzburg
Land Salzburg Form 0531-5.13

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Kinder-betreuung Nachrichten - Das junge Kind im Kindergarten
D A S J U N G E K I N D I M K I N D E R G A RT E N

Inhaltsverzeichnis

Vorwort MMag.a Elke Kabel-Herzog                                       ..................................................................................................................5

Vorwort Sigrun Cecon                        ..............................................................................................................................................7

Hurra, die 3-Jährigen kommen                                 ............................................................................................................................8

Dreijährige entdecken die Welt mit allen Sinnen                                                  .....................................................................................10

Umgang mit der Altersmischung ......................................................................................................................13

Übergänge und Eingewöhnung                                    .........................................................................................................................16

Wie werden Eltern zu Erziehungspartnerinnen?                                                  ........................................................................................19

Das bewegte Er-Leben der 3-Jährigen                                        ...........................................................................................................22

Sprache(n) gemeinsam erwerben                                     .....................................................................................................................26

Kreativität         ....................................................................................................................................................................29

Ernährung           ....................................................................................................................................................................33

Sauberkeitserziehung                      .............................................................................................................................................35

Gesetzliche Grundlagen                         ........................................................................................................................................38

Die Autorinnen ..........................................................................................................................................................40

Berliner Eingewöhnungsmodell                                   ........................................................................................................................41

                                                                                                                                                                                              3
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                               Vorwort

Sehr geehrte Kindergartenpädagoginnen!
Sehr geehrte Rechtsträgerinnen!

„Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen:           Die Wurzeln erhalten die Kinder von ihren Eltern, mit
Wurzeln und Flügel“ (Johann Wolfgang von Goethe)               dem Übergang vom Elternhaus in die Kinderbetreuung
                                                               geben die Eltern ihren Kindern Flügel, damit sie auch
Die Bildung und Betreuung von Kindern ist ein wesent-          in der Kinderbetreuungseinrichtung Wurzeln schlagen
liches Anliegen der pädagogischen Arbeit von Salzbur-          können.
ger Kinderbetreuungseinrichtungen und unverzichtbar
für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.                   Die nun vorliegende Broschüre soll Ihnen Informationen
                                                               und Hilfestellungen zum Thema „Das junge Kind im
Kamen vor 10 Jahren Kinder im Allgemeinen erst ab              Kindergarten“ bieten.
4 Jahren in den Kindergarten, so steigen heute die meis-
ten Kinder bereits mit drei Jahren (oder sogar kurz vor        Ich wünsche Ihnen viel Erfolg!
dem 3. Geburtstag) ein. Das hat Auswirkungen auf die
pädagogische Arbeit im Kindergarten. Die Eingewöh-             Für die Landesregierung
nung ist sehr wichtig, die Bedürfnisse des jungen Kindes
und das Thema Sauberkeit werden immer bedeutsamer.
Je besser der Einstieg gelingt, desto erfolgreicher verläuft
für die Kinder der Besuch der elementaren Bildungs-            MMag.a Elke Kabel-Herzog
einrichtung.                                                   Referatsleiterin

                                                                                                                          5
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Liebe Kindergartenleiterinnen!
Liebe Pädagoginnen in Kindergärten und
Kinderbetreuungseinrichtungen!

„Es ändert sich alles, wenn die Kleinen kommen!“

Um für das „junge Kind“ im Kindergarten eine entwick-        Ergänzende Verknüpfungen zum Bildungs-Rahmen-Plan
lungsangemessene und bildungsanregende pädagogi-             bilden die Reflexionsfragen im Anschluss an die Artikel!
sche Umwelt gestalten zu können, brauchen Leiterinnen
und Pädagoginnen dementsprechendes Grundlagenwis-            Ein besonderes Dankeschön an alle Autorinnen für die
sen. Hieraus leiten sich konzeptionelle, organisatorische    Zusammenstellung der einzelnen Beiträge
und pädagogische Entscheidungen ab, die das Wohl-
befinden und die Entwicklungsförderung des jungen            Ich hoffe, dass Ihnen die vorliegende Broschüre in vielen
Kindes in den Mittelpunkt stellen!                           Situationen hilfreich sein und Sie in Ihrer engagierten
                                                             pädagogischen Arbeit unterstützen kann.
Deshalb ist es schon seit längerer Zeit Thema, eine Bro-
schüre zu erstellen, die Sie bei Ihrer täglichen pädagogi-
schen Arbeit mit den „dreijährigen Kindern“ fachlich un-     Für die Landesregierung
terstützen und begleiten soll.

Die Broschüre bietet eine Orientierung zum Stand der
Fachdiskussion zur Bindung und der Betreuung von Kin-        Sigrun Cecon
dern im vierten Lebensjahr. Die Bedürfnisse, Potenziale      Inspektorin und Fachberaterin
und Lernprozesse von jungen Kindern stehen hier im
Mittelpunkt der Beiträge. In Zusammenarbeit mit den
Autorinnen unterschiedlichster Disziplinen wurden spe-
zielle Inhalte zu diesem Thema zusammengetragen.

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   Hurra, die 3-Jährigen kommen
   Dr.in Dores Beckord-Datterl

   Die Dreijährigen und ihre                                 Die Kindergartenpädagogin, die die „Neuen“ willkom-
   Entwicklungsthemen:                                       men heißt, trifft also auf Persönlichkeiten mit den unter-
   Weltentdeckerinnen                                        schiedlichsten Vorerfahrungen und Lerngeschichten, mit
   mit Bindungsbedürfnis!                                    ihrer bereits reichhaltigen Biografie.

                                                             Die Lern- und Entdeckungswelt
                                                             3-Jährige sind kleine Entdecker und Erfinder und haben
                                                             oft schon klare Vorstellungen darüber, was sie wollen
                                                             und was sie am meisten ablehnen, z.B. fremdbestimmt
                                                             zu sein und beim Verfolgen ihrer Ziele unterbrochen zu
                                                             werden, egal ob von Kindern oder Erwachsenen; dann
                                                             können sie sich maßlos darüber ärgern, dass die Welt
                                                             nicht nach ihren Vorstellungen tickt.

                                                             Grundsätzlich gilt: je sicherer ein Kind sich fühlt und je
                                                             gesättigter sein ursprüngliches Bindungsbedürfnis und
                                                             Anerkennungsstreben ist, desto neugieriger exploriert es
                                                             mit großer Ausdauer und Energie seine Umwelt. Dabei
                                                             braucht es keine Belohnung von außen; es wird von
                                                             eigenen inneren Botenstoffen angefeuert, etwas um
                                                             seiner selbst Willen zu tun und das macht es zufrieden
                                                             und glücklich. Dazu gibt es nur eine Steigerungsform:
   Waren sie noch die Großen bei den „Krabblern“, sind sie   dieses Glücksgefühl mit einer bedeutenden Anderen zu
   jetzt die Kleinen bei den Vorschulkindern. Sie brechen    teilen, die sich mitfreut und stolz auf das Kind ist. Wenn
   (wieder einmal) auf zu neuen Ufern, haben in ihrem kur-   es müde und von der Suche erschöpft ist, sich weh tut
   zen Leben schon einige Übergänge und Verunsicherun-       oder verunsichert wird, braucht das noch junge Kind An-
   gen gemeistert und Entwicklungsaufgaben bewältigt.        leitung und Orientierung durch Erwachsene, zu denen es
   In unserer Erwachsenenwelt können Kinder bereits          eine Vertrauensbeziehung aufgebaut hat.
   3 Monate vor ihrem 3. Geburtstag in den Kindergarten
   aufgenommen werden. Mit drei Jahren ist das dann          Das Wissen über die Zusammenhänge von Bindungsbe-
   nahezu selbstverständlich. Jedoch das chronologische      dürfnis und Autonomiestreben hat die pädagogische
   Lebensalter vermag wenig auszusagen über ihre Vor-        Fachwelt sensibilisiert für die Notwendigkeit einer acht-
   erfahrungen mit Mutter, Vater, möglichen Geschwistern,    samen Eingewöhnungszeit, in der das Kleinkind in
   Spracherwerb, motorischer Geschicklichkeit, Umgang        Anwesenheit einer vertrauten Bezugsperson in die neue
   mit starken Gefühlen und Impulsen, Erwerb von Sicher-     soziale Gruppe hineinwachsen kann. Wenn dieser Über-
   heit und Urvertrauen, Entdeckungen im Freien, auf         gang gut gelingt, wird seine außerfamiliäre Bezugsgrup-
   Spielplätzen, in geschlossenen Räumen. Sie können         pe zum sicheren Ort; ist die Umgebung auch noch
   schon „ICH“ sagen und sprechen von sich nicht mehr in     altersgerecht ausgestattet und bietet genug Anregung,
   der dritten Person. Sie haben die Erfahrung gemacht,      sowohl für Entdeckungen, als auch Rückzug, erlaubt
   dass nicht alle Wünsche erfüllt werden, dass andere       ausreichend Wiederholungen, Übungsmöglichkeiten und
   Kinder und Erwachsene nicht immer das machen, was in      selbstgestaltete Variationen, dann schaffen wir Erwach-
   den eigenen Gedanken ist. Das Wollen ist oft mächtiger    sene Rahmenbedingungen, in denen Kinder sich optimal
   als das Können und an Grenzen zu stoßen macht sie oft     entwickeln können.
   hilflos und wütend.

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Kognitiv sind die 3-Jährigen dabei, Zusammenhänge und         Wie weit reicht sein bisher erarbeitetes Weltverständ-
Unterschiede von Denken und Handeln zu erahnen. Das            nis, um Zusammenhänge der Welt zu verstehen?
Fremdverstehen „Theory of Mind“, das Hineinversetzen          Wie magisch und mächtig erlebt es die Kräfte, die auf
in die andere Gefühlswelt braucht aber zunächst eine           sein Wollen einwirken?
gefestigte Vorstellung von sich selbst, dem eigenen Kör-
per, den Gefühlen und der Verarbeitung von Wahrneh-          Alle Entwicklungen im Alter von 3-5 Jahren sind äußerst
mungen. Diese Fähigkeiten zeigen sich auch im Malen,         dynamisch. Die eigene Identität wird immer konkreter.
Gestalten und Erzählen von Bildern.                          Das eigene Geschlecht zu erfassen, das Trockenwerden
                                                             oder auch das Verabschieden von Schnuller, Babyflasche
                                                             und Co. können ein 3-jähriges Kind begleiten und heftig
Soziales Lernen – Gruppe ist schön                           beschäftigen. Magisches Denken ist ebenso Thema, wie
anstrengend                                                  das vermehrte Spiel mit Gleichaltrigen.
                                                             Herausforderungen über Herausforderungen, die viel
Die größte pädagogische Herausforderung wird es sein,        Energie kosten, aber sich lohnen: In diesem Alter sollten
die Neuankömmlinge ihren Platz in der Gruppe finden          die Grundfertigkeiten im motorischen, geistigen und
zu lassen. Wie finden sich die kleinen „Ichlinge“ in der     emotionalen Erleben erarbeitet sein, um den Weg für
neuen sozialen Gemeinschaft zurecht, die viel komplexer      neue Erkundungen und das lustvolle Weiterentwickeln
ist als das, was sie bisher erfahren haben? Was brauchen     des eigenen Weltbildes mithilfe der Gruppe, den vertrau-
sie, damit sie sich in dieser neuen Welt orientieren         ten PädagogInnen und den Eltern zu meistern.
können?
In erster Linie brauchen sie verständnisvolle Erwachsene,
die verlässlich und klar die Regeln des Zusammenlebens        Folgende Reflexionsfragen des BildungsRahmen-
vorleben, wenn nötig bei Konflikten eingreifen und            Plans unterstützen die vertiefende Auseinander-
helfen, die eigenen noch sehr stark durchgreifenden Im-       setzung mit dem Text:
pulse so zu zügeln, dass niemand anderer verletzt wird        a) Bei welchen Aktivitäten greife ich das Bedürfnis
und die Dinge heil bleiben.                                      nach Wiederholung auf?
Dreijährige tun sich noch schwer, ihre Wünsche und
Gefühle adäquat auszudrücken. Manche Kinder haben             b) Welche Aktivitäten biete ich an, die ein
zu Hause oder in der Spielgruppe die Erfahrung ge-               gemeinsames Lernen an einem Gegenstand
macht, dass sie erfolgreicher und geliebter sind, wenn sie       ermöglichen und an denen sich trotzdem jedes
negative Gefühle unterdrücken. Erleben sie dann in der           Kind individuell mit seinem Entwicklungstempo
Gruppe Ärger oder Enttäuschung, fühlen sie sich hilflos          beteiligen kann?
und zeigen nicht ein Verhalten, das bei den anderen
                                                              c) Wie nehmen wir Rücksicht auf das Tempo
Trost oder Unterstützung auslöst (pro-soziale Reaktio-
                                                                 (z.B. Sprache, Tagesablauf) der jüngeren
nen), sondern oft eine aggressive Auseinandersetzung
                                                                 Kinder?
zwischen den Kindern nach sich zieht. Jetzt ist die Päda-
gogin gefordert, wieder Klarheit und Sicherheit herzu-
stellen. Es geht nicht darum „aggressive oder egoisti-
sche“ Kinder zu bestrafen, sondern herauszufinden, mit        Literatur:
welcher Herausforderung das einzelne Kind kämpft:             Haug-Schnabel, G. Bensel J: Vom Säugling
                                                              zum Schulkind.
 Wie gelingt es ihm, das Bedürfnis nach Zugehörigkeit        In: Kindergarten heute spezial
  zu leben?                                                   Verlag Herder, Freiburg, Nachdruck 2011
 Wie sozial verträglich kann es seine „Selbstwirksam-
                                                              Bischof-Köhler Doris: Soziale Entwicklung
  keit“ (ich kann Spuren hinterlassen, ich werde beant-
                                                              in Kindheit und Jugend. Bindung, Empathie,
  wortet, …) erproben?
                                                              Theory of Mind.
 Wie schafft es, die Balance zwischen Wollen und
                                                              Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2011
  Können zu finden?
 Wie lange braucht es, um sein emotionales Gleichge-         Ostermayer Edith: Unter drei – mit dabei.
  wicht wieder zu finden, wenn sein individuelles Ziel        Verlag Don Bosco, München 2007
  mit den Interessen der Gruppe kollidiert?

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   Dreijährige entdecken die Welt mit allen Sinnen
   Angelika Reichartzeder MSc

   Mit allen Sinnen die Welt entdecken                         Kontakt zu halten. Manchmal reicht ein aufmunternder
                                                               Augenkontakt, oft aber fordern sie über die Sprache und
                                                               den Körperkontakt die Aufmerksamkeit der Bezugsper-
                                                               son ein. Daher ist es wichtig, dass die betreuenden Per-
                                                               sonen die Kinder beobachten, auf ihre Fragen reagieren
                                                               und Signale zum Kommunizieren beantworten. Ebenso
                                                               wichtig ist es, einen klaren Orientierungsrahmen als
                                                               „Raum der Möglichkeiten“ abzustecken. Das gibt den
                                                               Kindern Sicherheit und ermöglicht ein Lernen mit allen
                                                               Sinnen.

                                                               Über Bewegung und Gleichgewicht
                                                               die dritte Dimension entdecken
                                                               Die dreijährigen Kinder suchen sich ständig neue moto-
                                                               rische Herausforderungen und Anregungen für ihr
                                                               Gleichgewicht. Sie laufen, springen, klettern, rutschen
                                                               und toben und kein Bewegungsgerät ist vor ihnen sicher.
                                                               Am liebsten spielen sie draußen und auf Spielplätzen.
                                                               Beim Klettern, Rollen und Rutschen spüren sie ihren Kör-
                                                               per und bekommen eine Vorstellung von ihm. Das inten-
   Dreijährige wollen die Welt auf eigene Faust entdecken.     sive Ausprobieren und das häufige Wiederholen lässt sie
   Sie wollen wissen, wie was funktioniert und warum es        in der Bewegung sicher werden. Sie lernen die Richtun-
   funktioniert. Dadurch lernen sie die Dinge einschätzen      gen in Bezug auf ihren eigenen Körper einzuordnen:
   und werden sicherer. Sie können sich schon gut bewe-        Was ist vor, hinter, links oder rechts von mir und entwi-
   gen, auch relativ gut ausdrücken und nutzen jede Gele-      ckeln so eine innere Vorstellung von ihrem Körper und
   genheit, um ihre Fertigkeiten weiter auszuprobieren und     vom Raum. So lernen die Kinder die dritte Dimension
   zu verbessern. Der Körpereigensinn und der Gleichge-        kennen und beginnen, Türme und Häuser zu bauen. Sie
   wichtssinn werden durch das viele Bewegen gefordert         verwenden am liebsten große Kartons und Polster, die
   und gefördert. Durch das Austesten ihrer Grenzen und        sie um sich herum aufbauen und erfahren so Grenze und
   Möglichkeiten entwickeln sie Selbstvertrauen und Leis-      Raum. Mit Konstruktionsmaterial wie Duplo, Clics etc.
   tungsfähigkeit. Intuitiv spüren sie was ihnen gut tut und   können dann fantasievolle Gebäude und Gegenstände
   was sie können. Manchmal trauen sie sich mehr zu, als       gebaut werden.
   ihnen möglich ist und brauchen dann die liebevolle
   Begleitung und Unterstützung ihrer Betreuungsperso-
   nen. Mit der richtigen Unterstützung schaffen sie es, aus   Das Auge sieht, was die Hände fühlen
   misslichen Lagen wieder alleine rauszukommen und ler-
   nen dabei auch, mit Frustrationen und Schwierigkeiten       Dreijährige lieben es zu formen und zu matschen. Durch
   umzugehen.                                                  das Tasten und Begreifen und das Hinschauen bekommt
                                                               das Kind eine Vorstellung von dem, was es in der Hand
   Erwachsene Bezugspersonen können ihnen dabei in der         hat, eine innere Vorstellung entsteht. Sand und Plastilin
   Gestaltung von Alltagssituationen und Spielräumen ein       sind deshalb ein ideales Material. Beim Formen trainie-
   entsprechendes Erfahrungsfeld bieten. Beziehungskom-        ren Kinder ihre Sinne. Sie fühlen die Oberfläche des Ma-
   petenz ist gefragt. Die Kinder brauchen Erwachsene, die     terials, spüren die Festigkeit und den Widerstand. An-
   bereit sind, in Beziehung zu ihnen zu gehen und den         fangs stehen das Kneten und Drücken im Vordergrund,

   10
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später formen sie Gegenstände aus dem Alltag nach. Bei        Das Fragealter beginnt
allem brauchen sie viel Zeit und Raum zum Experimen-
tieren. Durch das freie kreative Arbeiten mit verschiede-     Die Sprache entwickelt sich jetzt schnell weiter. Dreijäh-
nen Materialien (Fingerfarben, Bausteine, Naturmateria-       rige merken jetzt, dass sie mit Worten ihre Welt und
lien usw.) entwickelt sich das Lernen von der Hand über       ihre Gefühle beschreiben können und teilen das oft
das Herz zum Gehirn!                                          jedem mit. Durch dieses Plappern erweitern sie ihren
                                                              Wort- und Wissensschatz enorm. Was sie noch nicht
                                                              wissen, erfragen sie. Sie wollen alles wissen: Wie die Din-
Schere, Stift und andere Werkzeuge                            ge funktionieren, woher sie kommen und warum sich
                                                              Menschen so verhalten. Sie machen sich Gedanken über
Feinmotorisch werden die dreijährigen Kinder immer ge-        die Welt. Dabei stellen sie ihre eigenen Theorien auf und
schickter. Sie fädeln, stecken, beginnen zu basteln und       sind manchmal nicht davon abzubringen. Sie wollen ih-
zu malen. Schere, Klebeband, Hefter und Locher sind           re Wünsche und Vorstellungen durchsetzen und sind
jetzt interessante Werkzeuge. Mit dem Stift machen sie        oftmals dann auch sehr trotzig.
die ersten Kopffüßler. In den Zeichnungen spiegelt sich       Die Denkfähigkeit entwickelt sich über die Kommunika-
die Wahrnehmung des eigenen Körpers und des Raumes            tion mit anderen weiter. Die Kinder entdecken die Unter-
wieder. So kann ein Kind erst einen geschlossenen Kreis       schiede der Dinge und einfache Unterschiede von sich
oder ein Kreuz von sich aus zeichnen, wenn es vorher          und den anderen. Sie versuchen, Zusammenhänge her-
die Drehung am eigenen Körper erlebt hat. Knöpfe und          zustellen und Erlebnisse und Erfahrungen als „implizites
Verschlüsse können jetzt schon selbstständig auf und zu       Wissen“ zu verarbeiten. Allerdings haben sie noch
gemacht werden.                                               Schwierigkeiten, ein und dieselbe Sache aus verschiede-
                                                              nen Blickwinkeln zu betrachten. Ihr Denken ist noch sehr
                                                              ichbezogen. Je besser sich das Kind sprachlich ausdrü-
Selber machen ist jetzt angesagt                              cken kann, desto leichter kann es Situationen einordnen
                                                              und sich in andere hineinversetzen. Daher sind soziale
Das gleiche wie Erwachsene tun, ist für Dreijährige be-       Interaktions- und Kommunikationserfahrungen wichtige
sonders attraktiv. Sie wollen in Alltagssituationen überall   Voraussetzungen für die Weiterentwicklung des begriff-
mithelfen und ihre Fähigkeiten zeigen und ausprobieren,       lichen Denkens und des Bewusstseins.
austesten. Dabei lernen sie, sich selbst zu organisieren
und Zusammenhänge zu verstehen. Haben sie die Zeit
und den Raum, Aufgaben alleine zu lösen und eigen-            Rollenspiele trainieren für den Alltag
ständig neue Lösungswege herauszufinden, stärkt das
ihre Selbstkompetenz und das Selbstbewusstsein steigt.        Mit der sensomotorischen, kognitiven und sprachlichen
Beim Selbertun entwickeln sich auch die Feinmotorik           Entwicklung entwickelt sich die Identität. Die Kinder
und das Zusammenspiel von Augen und Händen auto-              bekommen im Kontakt mit anderen ein Verständnis für
matisch, und die Kinder entdecken immer komplexere            „ich“ und „du“. Dadurch können sie in andere Rollen
Zusammenhänge von Ursache und Wirkung.                        schlüpfen und sich mit der Rolle identifizieren. Dreijähri-
                                                              ge spielen zunächst alles nach, was ihnen im Alltag
Kinder machen die Entwicklungsschritte meistens in der-       begegnet, z.B. einkaufen, zum Arzt gehen, auf der Bau-
selben Abfolge, jedoch können das Tempo der Entwick-          stelle arbeiten, Autowerkstatt, Friseur oder die Bedie-
lung und die individuelle Schwerpunktsetzung von              nung im Restaurant. Sie brauchen viele Gelegenheiten
Entwicklungsbereichen gerade bei Dreijährigen sehr            und Vorbilder, bei denen sie beobachten können, wie die
unterschiedlich sein. Sie brauchen viele verschiedene         Dinge funktionieren. Das hilft ihnen, ein inneres Bild von
Sinneserfahrungen in einer bewusst gestalteten, natür-        den Vorgängen rund um sie zu erhalten.
lich anregenden Umgebung, damit sie sich altersentspre-
chend entwickeln können. Denn Lernen mit allen Sinnen
bedeutet „forschendes, entdeckendes“ Lernen, bei dem          Fantasie ist gefragt
das zufällige Entdecken von immer gezielterem Experi-
mentieren und Manipulieren abgelöst wird.                     Beim Spiel brauchen sie oft nicht mal das passende Spiel-
                                                              zeug. Mit Hilfe ihrer Fantasie können selbst einfache
                                                              Gegenstände wie Holz und Steine die Rollen überneh-
                                                              men, die benötigt werden. Sie ahmen nicht nur mehr die

                                                                                                                        11
D A S J U N G E K I N D I M K I N D E R G A RT E N

   Welt der Erwachsenen nach, sondern gestalten sich zu-
   nehmend mit viel Fantasie ihre eigene Spielwelt.               Literatur:
   Meistens beginnt mit drei Jahren auch die magische             Auer Wolfgang M., Sinnes-Welten:
   Phase. Heldinnen, Feen, Hexen, Ritter, Piraten, Drachen        Die Sinne entwickeln, Wahrnehmung schulen,
   oder auch geliebte Tiere aus ihrer Erfahrungswelt üben         mit Freude lernen.
   eine starke Faszination aus. Im Spiel schlüpfen sie in         Kösel 2007
   diese Rollen und verarbeiten dabei ihre Ängste. Sie
   erkennen allmählich den Unterschied zwischen Spiel und         Ayres Jean: Bausteine der kindlichen Entwicklung.
   Realität und sagen das dann auch mit den Worten: „Eh           Die Bedeutung der Integration der Sinne für die
   nicht in echt, nur im Spiel!“ Manche Kinder versinken          Entwicklung des Kindes.
   intensiver in ihre Fantasiewelt und brauchen behutsame         Springer Verlag, Berlin 2002 (4. Auflage)
   Begleitung, um sie wieder verlassen zu können.
                                                                  Braun Daniela: Kreativität in Theorie und Praxis.
                                                                  Bildungsförderung in Kita und Kindergarten.
   Mit dem Spielen verarbeiten sie Erlebtes, erkennen die
                                                                  Verlag Herder, Freiburg, 2011
   Zusammenhänge zwischen den Dingen und trainieren
   für die reale Welt. Im Spiel setzen sie sich aktiv mit ihrer   Ellneby Ylva: Die Entwicklung der Sinne.
   Welt auseinander. Deshalb machen sie manche Spiele             Wahrnehmungsförderung im Kindergarten.
   immer und immer wieder, bis sie sie beherrschen.               Verlag Lamertus, 1998 (2. Auflage)
   Dreijährige brauchen viel Zeit zum Spielen und Beobach-
   ten, dann sind sie fröhlich, zufrieden, selbstsicher und       Gründler Elisabeth C.: Rohstoff Intelligenz.
   kompetent und offen für weitere Entdeckungen und               Frühkindliche Bildung.
   Lernerfahrungen.                                               Verlag Cornelsen Scriptor, 2008

                                                                  Hüther Gerald, Nitsch Cornelia: Wie aus Kindern
     Folgende Reflexionsfragen des BildungsRahmen-                glückliche Erwachsene werden.
     Plans unterstützen die vertiefende Auseinander-              Verlag Graefe und Unzer, 2008
     setzung mit dem Text:
                                                                  Zimmer Renate: In: Handbuch der Sinneswahr-
     a) Wodurch unterstützen wir die Kinder dabei,
                                                                  nehmung.
        ihre Emotionen auszudrücken?
                                                                  Grundlagen einer ganzheitlichen Bildung und
     b) Wo ist bei uns entdeckendes Lernen, wo sich               Erziehung.
        Kinder selbsttätig neues Wissen aneignen,                 Verlag Herder, Freiburg, 2009 (2. Auflage)
        möglich?

     c) Wie viel Spielraum haben jüngere Kinder zum
        Entdecken und Experimentieren mit dem
        eigenen Körper und den körpernahen Sinnen?

   12
D A S J U N G E K I N D I M K I N D E R G A RT E N

Umgang mit der Altersmischung
Anna Kapfer-Weixlbaumer MA

                                                             Selbstbildungspotentials des Kindes interpretiert werden.
                                                             Dies bedeutet aber auch, dass Pädagoginnen für „Ich
                                                             will“ – und „Ich kann“– Erfahrungen Raum schaffen
                                                             müssen, und dazu bedarf es der Gestaltung einer Umge-
                                                             bung, die dem unbedingten „Wollen“ der Kinder entge-
                                                             gen kommt und somit ihre Willenskraft bildet.

                                                             Die vorbereitete Umgebung
                                                             Jeder Tag im Kindergarten soll ein spannender Tag sein!
                                                             Kinder brauchen daher eine Umgebung mit Aufforde-
                                                             rungscharakter: „Komm her und probier mich! Greif
                                                             mich an und spüre!“ So können sie immer etwas finden,
                                                             das für sie von Interesse ist und zum Erkunden, Aktivsein
                                                             und „Selbermachen“ einlädt. Die Pädagogin findet so
                                                             auch Zeit zum wertschätzenden Beobachten, das ja die
                                                             Voraussetzung dafür bildet, um ein den Entwicklungsin-
                                                             teressen der Kinder entsprechendes, herausforderndes
                                                             Umfeld vorzubereiten. Hier sind vor allem folgende
Es gilt heute als allgemein anerkannt, dass drei- bis        Aspekte zu beachten:
sechsjährige Kinder von einer altersgemischten Gruppe,
wie sie im Kindergarten mittlerweile üblich ist, in vielen    Genügend Material, das zum Erforschen und Experi-
Persönlichkeitsbereichen profitieren. Aber die Frage, was      mentieren einlädt. Material, das vielseitig einsetzbar
die Jüngeren, die drei- bis vierjährigen Kinder im Beson-      ist und jederzeit auch umgedeutet werden kann,
deren, benötigen, um sich in einer Gruppe von 20 Kin-          denn das trägt zur Entwicklung des variablen Den-
dern (und mehr) wohlzufühlen und zu lernen, wurde              kens und der Symbolbildung als Voraussetzung für
lange zugunsten der älteren Kinder, die ja auf die Schu-       die Sprach- und Denkentwicklung bei.
le vorbereitet werden mussten, vernachlässigt.                Handlungs-Spielraum für raumgreifendes, bewegtes
Was leistet die altersgemischte Gruppe für die individu-       Spiel und für eigene Gestaltungen, denn junge
elle Entwicklung der Jüngsten?                                 Kinder lernen vorrangig bewegt und sinnenhaft.
Welche Umgebungen unterstützen sie optimal beim               Raum im Raum – Zonen für Rückzug und ungestör-
Bewältigen ihrer spezifischen Entwicklungsaufgaben?            te Tätigkeiten gemeinsam mit anderen Kindern, oder
                                                               auch mal alleine.

Entwicklungsthema                                            Eine auf die Entwicklungsbedürfnisse der jungen Kinder
„Ich will“ und „Selber machen“                               abgestimmte Umgebung unterstützt Kinder darin, Eigen-
                                                             initiative (Ausdruck ihrer Willenskraft) zu entwickeln,
Ein herausragendes Entwicklungsthema des zwei- bis           und schafft auch Freiraum für die Pädagogin, einzelne
vierjährigen Kindes ist sein unbedingter Wille, die Welt     Kinder oder Spielgruppen zu begleiten. Dabei wird
aus eigener Kraft zu erobern. „Selber machen“, „Ich          Begleitung heute vor allem als wechselseitiger Dialog
will“ sind häufige Aussagen junger Kinder, wenn sie sich     zwischen Kind und Pädagogin verstanden, das meint:
auf ihre eigene Weise ein Bild von der Welt machen, sich     Sich für das zu interessieren und zu engagieren, wofür
also „bilden“. Dieses eigensinnige Verhalten wird von        sich das Kind interessiert. Dieses geteilte Interesse führt
uns Erwachsenen oft als Trotzphase gedeutet, kann aber       zu anregenden Gesprächen und unterstützt das Kind,
im heutigen Wissenschaftsverständnis als Ausdruck des        eigene Denkprozesse zu verbalisieren und länger an

                                                                                                                       13
D A S J U N G E K I N D I M K I N D E R G A RT E N

   ihrem Thema zu bleiben. Gerade jüngere Kinder brau-           wir gerade dies in unserer eigenen Lebensbiografie viel
   chen diese Form der Begleitung, damit sie ihre Aufmerk-       zu selten leibhaftig erfahren. Für Luca jedenfalls war das
   samkeit im Getriebe der Gruppe für längere Zeiträume          Tischreinigen und der Austausch mit seiner Pädagogin
   auf eine Sache fokussieren können und sich dabei als          ein individuelles stärkendes Bildungsangebot, und dafür
   erfolgreich erleben. Aus eigener Praxiserfahrung weiß         gibt es täglich unzählige Gelegenheiten – vorausgesetzt,
   ich, wie solche einfühlsamen Gespräche junge Kinder           wir sind wachsam.
   emotional und kognitiv unterstützen und vor allem
   ermutigen. Schließlich ist eine dialogisch neugierige Hal-    Sicherheit und Struktur für die Jüngsten durch
   tung der Pädagogin ein richtiger „Türöffner“, gerade bei      Regeln und Rituale
   introvertierten und unsicheren Kindern. Oftmals genügt        Mit Eintritt in den Kindergarten trifft das junge Kind auf
   es, aufmerksam und abwartend zu beobachten, denn              eine ihm fremde, aber zugleich auch bunte und span-
   schon das signalisiert Kindern, dass die Pädagogin inte-      nende Welt. Vieles ist hier ganz anders als von zu Hause
   ressiert und zugänglich ist. Diese Haltung lädt Kinder ein,   gewohnt: Etwa die Jause, die für viele Kinder ein Mehr
   selbst die Initiative zu ergreifen und Kontakt aufzuneh-      an Selbständigkeit verlangt; die andere Weise, von Er-
   men, um etwas zu zeigen, zu erzählen oder einfach sei-        wachsenen getröstet zu werden; die vielen neuen Spie-
   ne Tätigkeit – mit dem stärkenden Gefühl gesehen zu           le, von denen es noch nicht weiß ob sie zu schaffen sind;
   werden – fortzusetzen. Dieser interessierte und wert-         und schließlich noch die vielen anderen Kinder, die un-
   schätzende Blick ist eine zentrale pädagogische Hand-         berechenbar in ihren Reaktionen sind. Regeln und Ritua-
   lung. Aufs Erste unscheinbar – bei genauerer Betrach-         le schaffen hier einen haltgebenden Rahmen, damit der
   tung ein Schatz, denn Kinder brauchen es, gesehen zu          Kindergarten mit dieser breiten Palette an völlig neuarti-
   werden und sie haben auch Anrecht darauf. Denn „Ge-           gen Erfahrungen zu einer verlässlichen und stabilen Welt
   sehen werden“ verleiht „Ansehen“ und das Gefühl ein-          für das Kind wird. Dazu gehören individuelle Begrü-
   zigartig zu sein. Kinder mit Ansehen sind innerlich           ßungs- und Abschiedsrituale, Regeln für den Gebrauch
   gestärkt und können eher prosozial agieren.                   bestimmter Materialien oder für die Benutzung unter-
                                                                 schiedlicher Räume, Fixpunkte im Tagesablauf, die den
   Ein Beispiel aus dem Alltag                                   Tag für das Kind vorhersehbar gestalten und helfen, ein
   Die Pädagogin Maria beobachtet interessiert Luca (2,8),       Zeitgefühl zu entwickeln.
   wie er den soeben verschütteten Saft mit einem Tuch
   aufwischt. Marisa kommt dazu und will ihm helfen.
   Luca wehrt heftig ab, denn er will diese herausfordern-       Traditioneller Kindergartenalltag ade!
   de Tätigkeit alleine meistern. Nachdem er fertig ist,
   schaut er sichtlich stolz und zufrieden zu Maria. Sie nickt   Im Laufe der Geschichte des Kindergartens hat sich ein
   ihm zu, und sie reden kurz über die gelungene Arbeit.         Repertoire an Regeln, Ritualen und festgefügten Formen
   Danach hält er Ausschau nach Marisa.                          entwickelt, die dazu gedacht waren, Kindern jene Sicher-
   Luca genießt die Aufmerksamkeit der Pädagogin. Sie            heit und Orientierung zu geben. So entstanden Verhal-
   stärkt ihn durch ihre ruhige, interessierte Zuwendung,        tensmuster und Traditionen, die häufig unbewusst von
   sodass er sich nun emotional aufgetankt einem anderen         einer Pädagoginnengeneration an die andere weiterge-
   Kind zuwenden kann. Maria gibt ihm „Ansehen“. Dafür           geben werden und daher als Selbstverständlichkeit, über
   genügt ihr wertschätzender Blick und ein kurzer wech-         die kaum noch kritisch nachgedacht wird, erscheinen.
   selseitiger Dialog. Sie ist für Luca und für alle Kinder in   Wenn aber durch eine zu stark ritualisierte Kindergarten-
   der Gruppe, die diese und ähnliche Situationen immer          praxis individuelle Bedürfnisse einzelner Kinder nicht
   wieder erleben, ein sicherer Hafen und Vorbild für stär-      mehr wahrgenommen werden, weil sie den wohlgeord-
   kende, sinnstiftende Interaktionen. Es zeigt dies Elemen-     neten Tagesablauf stören würden, wenn Spielprozesse
   tares: „Gespräche mit Kindern sind das eigentliche            durch Rituale unbedacht unterbrochen werden, weil die
   Wesensmerkmal des ErzieherInnenberufs.“ (Pape/Vogt            intensiven Lernprozesse im Spiel nicht wertgeschätzt
   2007)                                                         werden, dann besteht dringend Handlungsbedarf. Denn
                                                                 auch wenn in der Fachliteratur betont wird, dass gerade
   Aber leider passieren solche anregende Gespräche, die         junge Kinder haltgebende Strukturen und Rituale benö-
   die Entwicklung der Kinder optimal unterstützen wür-          tigen, so ist damit nicht gemeint, dass sie die traditio-
   den, laut einer Studie aus England viel zu selten. Viel-      nellen Kindergartenregeln und -rituale benötigen. Nach-
   leicht fällt uns ja der wünschenswerte „Dialog auf            dem nun aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen
   gleichberechtigter Höhe“ (ebda) so schwer, weil auch          mehr als früher die 2½- bis 3-jährigen Kinder zu uns

   14
D A S J U N G E K I N D I M K I N D E R G A RT E N

kommen, wäre dies ein guter Anlass, den gelebten All-
tag im Kindergarten, mit all seinen nicht hinterfragten     Folgende Reflexionsfragen des BildungsRahmen-
Traditionen, Ritualen, Ordnungsprinzipien, Regelwerken      Plans unterstützen die vertiefende Auseinander-
und örtlichen Üblichkeiten auf seine pädagogische Sinn-     setzung mit dem Text:
haftigkeit zu durchleuchten. Nach dem Motto „Traditi-       a) Inwiefern regt die vorbereitete Umgebung eine
on ist die Weitergabe des Feuers und nicht das Hüten           selbsttätige und umfassende kreative Auseinan-
der Asche“ muss überlegt und hinterfragt werden, ob            dersetzung mit verschiedensten Materialien und
die bestehenden Strukturen und Rituale (auch die Feste         Techniken an?
des Jahreskreises gehören hierher) die zentralen Entwick-
lungsbedürfnisse junger Kinder optimal unterstützen.        b) Wie erfahren die Kinder, dass sie auch dann
                                                               angenommen und respektiert werden, wenn
Durch solche Reflexionsprozesse wird plötzlich sichtbar,       sie gegen Regeln verstoßen oder ihr Verhalten
dass viele der althergebrachten Regeln beispielsweise die      unangebracht war?
Bewegungsfreiheit und somit die Autonomiebestrebun-
                                                            c) Wie und von wem werden Regeln aufgestellt?
gen des jungen Kindes krass einschränken. Groß- und
                                                               Welche Regeln geben den Kindern wichtige
kleinräumige Bewegung ist für junge Kinder von existen-
                                                               Orientierung, welche sind verhandelbar und
tieller Bedeutung, können sie die Welt doch nur durch
                                                               welche sind unnötig?
ihre körperliche Auseinandersetzung begreifen. Bei den
2½- bis 3-jährigen Kindern hat zudem auch ihr individu-
eller Rhythmus Vorrang vor dem Rhythmus der Gruppe.
                                                            Literatur:
Die Bedürfnisse und Interessen einzelner Kinder mit den
                                                            Dagmar Berwanger: Verschulung des Kindergartens.
Interessen der gesamten Gruppe in Einklang zu bringen,
                                                            TPS 7/2007 (Vorwort)
ist die große Herausforderung, vor der Pädagoginnen
                                                            Pape Inge, Vogt Herbert: Feinfühligkeit im Umgang
täglich stehen.
                                                            mit Kindern. In: Kindergarten heute spezial
                                                            Verlag Herder, 9/2008

                                                                                                                   15
D A S J U N G E K I N D I M K I N D E R G A RT E N

   Übergänge und Eingewöhnung
   Andrea Lenger MSc

   Das Berliner Eingewöhnungsmodell                           Struktur des Berliner
                                                              Eingewöhnungsmodelles
   Kommt ein Kind erstmals in eine Kinderbetreuungsein-
   richtung, ist es mit einer fremden Umgebung, einem         Ziel der Eingewöhnung ist es, dass während der Anwe-
   neuen Tagesablauf, neuen Bezugspersonen und neuen          senheit der primären Bezugsperson des Kindes eine trag-
   Regeln konfrontiert. Dies bedeutet Stress für jedes Kind   fähige Beziehung mit bindungsähnlichen Eigenschaften
   – deshalb sollte auf eine Eingewöhnungszeit niemals ver-   zwischen Pädagogin und Kind aufgebaut wird. Das Kind
   zichtet werden. Ein Forschungsprojekt an der Freien Uni-   soll sich sicher fühlen und die Einrichtung mit all ihren
   versität Berlin hat gezeigt, dass nicht eingewöhnte Kin-   Regeln, Ritualen, Menschen und Räumen in aller Ruhe
   der in den ersten sieben Monaten bis zu viermal länger     kennenlernen dürfen.
   krank sind, die Möglichkeiten der Einrichtung deutlich
   weniger nutzen, ängstlicher sind und häufiger Irritatio-   3 Tage Grundphase
   nen in ihren Bindungsbeziehungen zeigen (vgl. Laewen       Die Bezugsperson kommt mit dem Kind (immer zur glei-
   2006). Auf Grund dieser Ergebnisse wurde von infans        chen Zeit) und bleibt für ein bis zwei Stunden in der Ein-
   (Institut für angewandte Sozialisationsforschung/Frühe     richtung. Danach wird das Kind wieder mit nach Hause
   Kindheit e.V.) ein Eingewöhnungsmodell für den kindge-     genommen. Die Mutter oder der Vater sind in der Grup-
   rechten Eintritt in die Tagesbetreuung entwickelt,         pe und für das Kind „sicherer Hafen“ – es kann immer,
   welches sich bereits seit vielen Jahren in Krabbel- und    wenn ihm danach ist, zur Bezugsperson kommen. Die
   alterserweiterten Gruppen bestens bewährt hat und zu-      Eltern verhalten sich dabei aufmerksam passiv, beobach-
   nehmend auch im Kindergartenbereich vor allem für          ten ihr Kind, gehen ihm aber nicht nach. Spielen mit an-
   Dreijährige Anwendung findet.                              deren Kindern, Lesen oder konzentrierte Beschäftigun-
                                                              gen des Erwachsenen wirken eher kontraproduktiv.
   Die Grundlage dieses Modells ist die Beachtung der Bin-    Die Pflegeroutinen (Toilette gehen, Hilfestellung beim
   dung des Kindes an seine primäre Bindungsperson und        Jausnen, ...) vollzieht der Elternteil im Beisein der Päda-
   sieht – je nach Qualität der Bindung des Kindes an seine   gogin, welche somit wichtige Gewohnheiten und Vorlie-
   Eltern – eine kürzere oder längere Phase der Eingewöh-     ben kennenlernt. Die Erzieherin beobachtet das Kind,
   nung vor. Es kann davon ausgegangen werden, dass           nimmt vorsichtig und feinfühlig Kontakt auf und drängt
   sicher gebundene Kinder (häufiger Blickkontakt zur Be-     es zu nichts.
   zugsperson, heftiges Weinen beim Verlassenwerden und       In dieser Phase wird kein Trennungsversuch unternom-
   offene Annäherung bei Wiederkehr der Bezugsperson)         men!!!
   eine längere Eingewöhnungszeit von zwei bis drei Wo-
   chen benötigen. Unsicher gebundene Kinder (eher
   gleichgültig bei der Trennung, ambivalentes Verhalten                                Kind
   bei der Wiederkehr) brauchen hingegen eine kürzere
   Eingewöhnungszeit von ca. ein bis eineinhalb Wochen.

   Grundsätzlich bestimmt jedes Kind das Tempo seiner Ein-
   gewöhnungszeit selbst – die Dauer ist also abhängig von
   seinem Temperament, den bisherigen Bindungserfahrun-
   gen (auch mit vorherigen Bildungseinrichtungen) und
                                                                Mutter/                                   Päda-
   vom Ablösungsverhalten der Eltern.                            Vater                                    gogin

   16
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Erster Trennungsversuch                                       wenn das Kind die Einrichtung erst einmal nur halbtags
Am vierten Tag (wenn es ein Montag ist, erst am 5. Tag,       besucht. Lässt sich das Kind von der Pädagogin trösten
denn es wird nie mit einem Montag ein neuer Schritt           und ist es ohne Bezugsperson neugierig und aktiv, inte-
begonnen) verlässt die Bezugsperson nach einiger Zeit         ressiert an Personen und Materialien, so gilt die Einge-
den Gruppenraum, nachdem sie sich vom Kind verab-             wöhnungszeit als abgeschlossen. Die Fachkraft gilt als
schiedet hat, bleibt aber in der Nähe.                        „sicherer Hafen“ und kann eine neue, zusätzliche Bin-
Die Reaktion des Kindes auf den Trennungsversuch ist          dungs- und Bezugsperson für das Kind sein. Wichtig ist,
ausschlaggebend für den weiteren Verlauf der Einge-           dass die Bezugspädagogin in der Eingewöhnungszeit
wöhnungszeit:                                                 nicht wechselt!!!

 Wirkt das Kind verstört, sucht es häufig nach seiner
  Bezugsperson oder lässt sich nicht von der Pädago-
  gin trösten, sollte der Elternteil gleich nach zwei bis
  drei Minuten wieder geholt werden. Das sind Anzei-
  chen für eine längere Eingewöhnung von 2-3 Wo-
  chen. Mit dem nächsten Trennungsversuch wird
  dann noch einige Tage gewartet.
 Wirkt das Kind gleichmütig, ist weiterhin interessiert
  und macht klare Versuche, selbst mit der Belastungs-
  situation zurecht zu kommen bzw. lässt es sich von
  der Fachkraft beruhigen, kann die erste Trennungs-
  phase bereits 30 Minuten dauern. Das spricht für
  eine kürzere Eingewöhnung von ca. 6 Tagen, die
  Trennungsdauer wird täglich erhöht.

                     Päda-                  Mutter/
   Kind                                                       Es gibt eine Tendenz, den Eltern scheinbar sehr entge-
                     gogin                   Vater
                                                              genzukommen, wenn möglichst schnell „alles klappt“
                                                              und versucht wird, die Eingewöhnungszeit möglichst
                                                              kurz zu halten. Die Eingewöhnungszeit ist jene Zeit, in
                                                              der Voraussetzungen für die künftige Bewältigung von
Stabilisierungsphase                                          Transitionen geschaffen werden. Glückt dieser Über-
Ab dem 5. Tag (wenn es ein Montag ist, erst mit dem           gang, wird das Kind weitere Transitionen (Kindergarten,
6.Tag) übernimmt zunehmend die Fachkraft im Beisein           Schule, ...) gut bewältigen können. Die Eingewöhnungs-
der Bezugsperson die Versorgung des Kindes (Toilette,         zeit ist jedoch auch jene Zeit, in der der Grundstein für
Aus- und Anziehen, ...). Sie bietet sich als Spielpartnerin   eine gelungene Erziehungs- und Bildungspartnerschaft
an und reagiert auf die Signale des Kindes. Die Tren-         mit den Eltern gelegt wird. Erfahrungsgemäß fällt den El-
nungszeiten werden nur bei einer kürzeren Eingewöh-           tern die Loslösung von ihrem Kind nicht leichter als dem
nungszeit täglich verlängert, bei der längeren Eingewöh-      Kind selbst. Daher gilt:
nung bleibt der Elternteil am 5. und 6. Tag noch in der
Einrichtung. Erste Schlafversuche sollten grundsätzlich        Rechtzeitige und frühzeitige Information an Eltern: In
nicht vor dem 9. Tag erfolgen.                                  schriftlicher Form wird den Eltern die Wichtigkeit
                                                                ihrer Anwesenheit und ein ungefährer zeitlicher Ab-
Schlussphase                                                    lauf der Eingewöhnungszeit (entsprechend der
Die Bezugsperson ist nicht mehr in der Einrichtung an-          konzeptionellen Verankerung) bereits beim Anmelde-
wesend, jedoch telefonisch jederzeit erreichbar. Das Kind       gespräch mitgeteilt.
hat den Alltag kennengelernt, findet sich im Gruppen-          Ein Fragebogen zu Beginn über Vorlieben und
raum zurecht und ist dabei, sich in die Gruppe einzufü-         Gewohnheiten des Kindes hilft, miteinander ins Ge-
gen. Der Übergang vom „neuen“ zum „stabilen“ Grup-              spräch zu kommen und bereits im Vorfeld auf indivi-
penmitglied dauert einige Wochen und fällt leichter,            duelle Bedürfnisse einzugehen.

                                                                                                                       17
D A S J U N G E K I N D I M K I N D E R G A RT E N

    Übergangsobjekt: Ein Tuch, ein Stofftier oder ein klei-   Achtsamkeit, Beobachtungsgeschick und Geduld gefor-
     nes Fotoalbum können helfen, auch in der Einrich-         dert ist. Als günstig erweist es sich, wenn im Team be-
     tung die Verbindung mit dem Zuhause herzustellen,         sprochen wird, wie die Bezugspädagogin eines Kindes in
     dadurch gewinnt das Kind Sicherheit.                      der Eingewöhnungszeit personell unterstützt wird, damit
    Raum zum Warten: Ein Elternsprechzimmer mit               sie wirklich Zeit hat, mit dem neuen Kind eine gute Be-
     Literatur, ein Tisch mit hohen Stühlen, Kaffee, ... .     ziehung aufzubauen.
     Den Eltern sollte während der Eingewöhnungszeit ein
     Ort geboten werden, an dem sie sich wohl fühlen.
    Haltung: Die Pädagogin hat die Aufgabe, mit den El-        Folgende Reflexionsfragen des BildungsRahmen-
     tern im ständigen Kontakt zu bleiben, sie verhält sich     Plans unterstützen die vertiefende Auseinander-
     freundlich, verzichtet auf Bewertungen des Verhal-         setzung mit dem Text:
     tens der Eltern und bemüht sich von sich aus um ei-
                                                                a) Welche individuellen Eingewöhnungsmaß-
     nen zugewandten, konstruktiven Kontakt. Sie teilt
                                                                   nahmen wende ich an?
     positiv Beobachtetes an der Eltern-Kind-Interaktion
     mit und unterstützt im Prozess des Loslassens. Sie         b) Wie gestalte ich die Eingewöhnungsphase,
     verzichtet auf Ratschläge und fragt nach, wie es den          damit eine Bezugsperson kontinuierlich für
     Eltern und dem Kind mit dieser Transition geht. Sie           das neue Kind zur Verfügung steht?
     spricht ausschließlich positiv über das Kind!
    Eingewöhnungsgespräche: Ohne Beisein des Kindes            c) Wie werden die Eltern über das bestehende
     sollte sowohl nach dem 6. Tag, als auch nach Been-            Eingewöhnungsmodell, sowie über den Erfolg
     digung der Eingewöhnung ein Gespräch in ungestör-             der Eingewöhnung informiert?
     ter Atmosphäre mit beiden Elternteilen stattfinden.
     Hier werden u.a. folgende Fragen besprochen:

      Wie hat sich das Kind zu Hause verhalten, was            Literatur:
       erzählt es?                                              Braukhane Katja, Knobeloch Janina: Das Berliner
      Haben sich Gewohnheiten Ihres Kindes verändert?          Eingewöhnungsmodell – theoretische Grundlagen
      Waren Sie mit der Zusammenarbeit zufrieden?              und praktische Umsetzung. 2011
      Ist die Eingewöhnung aus Ihrer Sicht abgeschlossen?      Unter: www.kita-fachtexte.de/fileadmin/
      Was müsste noch passieren, um die Eingewöhnungs-         website/KiTaFT_Braukhane_Knobeloch_2011.pdf
       phase erfolgreich abzuschließen?
      Hat Ihr Kind zu einer Fachkraft eine erste Bindung       Laewen Hans-Joachim, Andres Beate,
       aufgebaut? Woran erkennen Sie das?                       Hédervári Èva: Die ersten Tage in der Krippe.
                                                                Verlag Luchterland, 2000
   Mithilfe dieses Verständnisses von Bildungspartnerschaft
                                                                Basiswissen Kita: In: Kindergarten heute.
   mit Eltern ist es möglich, eine Basis des Vertrauens auf-
                                                                Erfolgreiche Gesprächsführung in der Kita, 2009
   zubauen. Dadurch können später auch Schwierigkeiten
                                                                Unter: www.khbrisch.de/files/brisch_bindung_
   oder Erwartungen besser angesprochen und gehört
                                                                trauma_regensburg_250712_versand.pdf
   werden. Die Eingewöhnungszeit ist auch für die Pädago-
   ginnen eine herausfordernde Zeit, in welcher vermehrt

   Grafik zu „Fünf Schritte bei der Eingewöhnung nach dem Berliner Eingewöhnungsmodell“ siehe Seite 41.

   18
D A S J U N G E K I N D I M K I N D E R G A RT E N

Wie werden Eltern zu Erziehungspartnerinnen?
Andrea Lenger MSc
Mag.a Eva Kok-Ertl

Die Zusammenarbeit mit Eltern erlebte in den letzten 10       wickelt. Instinktiv haben Eltern vieles richtig gemacht
bis 20 Jahren einen Umbruch. Lange war die Garderobe          (langsam mit dem Baby gesprochen, es unterstützt,
die stillschweigend vereinbarte Grenze, an der die Kinder     begleitet, mit ihm gespielt, ...). Sie lieben ihr Kind und
„abgegeben“ wurden. Elternarbeit hatte informativen,          sind meist intensiv an dieses gebunden.
manchmal auch belehrenden Charakter, der Informati-
onsfluss war einseitig von der Pädagogin zu den Eltern,       Die Pädagoginnen bringen eine Reihe von Fachkompe-
sie hatte die Kinder im Umfeld des Kindergartens im           tenzen in die Erziehungspartnerschaft ein. Sie sind
Blickfeld und gab dazu den Eltern Hinweise, Einschät-         Expertinnen für pädagogisches Fachwissen und Handeln,
zungen oder auch Ratschläge. Das hatte damals seine           für die Entwicklung und Förderung von Kindern, sie ha-
Berechtigung, doch viele Eltern, beginnend in Krabbel-        ben Erfahrung mit vielen Kindern, auch über einen län-
gruppen, signalisieren zunehmend mehr Interesse am            geren Zeitraum, sie haben Distanz zum einzelnen Kind
Austausch mit der Pädagogin. Diese erleben, dass nicht        (im Gegensatz zu den Eltern) und sie verfügen über ein
nur das Informationsbedürfnis zunimmt, sondern Eltern         Grundwissen über Kommunikation mit Erwachsenen.
auch als Kunden mit Wünschen und Bedürfnissen wahr-
genommen werden wollen.                                       Erziehungspartnerschaft bedeutet, gemeinsam und im
                                                              Austausch mit den Eltern für das Wohl des Kindes zu-
Eltern haben die längste Beziehung zum Kind, kennen           ständig zu sein. Sie lebt davon, die jeweiligen Kompeten-
Möglichkeiten der Beruhigung, des Schutzes und haben          zen des Gegenübers anzuerkennen und zum Wohl des
in den meisten Fällen dazu beigetragen, dass das Kind         Kindes miteinander zu kooperieren (vgl. Mienert 2007).
Vertrauen in die Welt (auch zu neuen Beziehungen) ent-

Worin zeigt sich konkret der Unterschied zwischen Elternarbeit und
Erziehungspartnerschaft?
Beispiel:                                                     ten: Tschüss, Mami kommt gleich wieder, mach‘s gut,
Patrick ist knapp 3 Jahre alt, er besucht seit 2 Wochen       brauchst keine Angst haben, Mami holt dich bestimmt
den Kindergarten und freut sich morgens in die Einrich-       gleich wieder ab …“ Patrick hingegen will spielen,
tung gehen zu dürfen. Die Verabschiedung fällt der            sucht den Kontakt zu einem Freund und ist bereits gut
Mutter schwer – sie bleibt meist eine halbe Stunde im         integriert. Vormittags wird er müde und schläft ca. um
Kindergarten, gibt Patrick vermehrt Bussis mit den Wor-       11.30 Uhr ein.

      Elternarbeit                                                Erziehungspartnerschaft
     Die Pädagogin „tröstet“ die Mutter, sagt, alles            Die Pädagogin versucht das Verhalten der Mutter
      sei kein Problem, Patrick gehe es gut. Sie sollte           zu verstehen und sich in ihre Situation zu verset-
      sich nur endlich schneller verabschieden und                zen (einziges Kind, Sorge, ob alles gut geht;
      nicht so oft nachwinken.                                    schwer loszulassen)
     Tür- und Angelgespräch: Den ganzen Vormittag               In Tür- und Angelgesprächen wird laufend
      schafft er noch nicht, ob er bereits „kindergar-            informiert, wie gut Patrick sich einfügt, wie
      tenreif“ ist, wird in Frage gestellt, weil er vormit-       selbstständig er bereits ist, …
      tags einschläft.                                           Dialogischer Austausch: Am Ende des Vormittags
     Die Eltern werden gebeten, das Kind früher abzu-            ist das Kind müde und schläft ein. Es wird mit
      holen.                                                      den Eltern beraten, ob er früher abgeholt werden
                                                                  oder – entsprechend seinem Bedürfnis –
                                                                  in der Einrichtung schlafen soll.

                                                                                                                       19
D A S J U N G E K I N D I M K I N D E R G A RT E N

   Was unterstützt das Gelingen von
   Erziehungspartnerschaft?
   Besonders mit dem Blick auf junge Kinder hat man heu-        bspw. in Tür-Angelgesprächen zu vermitteln. Dies gilt
   te erkannt, dass Pädagogik, die das Kind als Akteur          insbesondere für Eltern mit Migrationshintergrund.
   seiner Entwicklung versteht, ohne Eltern gar nicht aus-     Perspektivenwechsel, Empathie – sich einzufühlen,
   kommt. Die Pädagogin respektiert die Eltern und achtet       kurzfristig die Perspektive eines Elternteils einzuneh-
   ihr Expertentum für ihr Kind und sie agiert für das Kind     men, ist besonders in der Eingewöhnungszeit von
   parteilich.                                                  großer Bedeutung und kann eine wichtige Vorberei-
   Erziehungspartnerschaft ist eine bewusste Beziehungs-        tung für ein Elterngespräch sein.
   gestaltung, die von der Pädagogin ausgeht und abhän-        Zeit und Geduld – Bildungspartnerschaft entsteht
   gig von der Haltung und der Einstellung den Eltern ge-       nicht von heute auf morgen, sie benötigt für alle
   genüber ist. Eine förderliche Haltung zeigt sich durch:      Beteiligten eine Phase des Einübens.

    Kontakt auf gleicher Augenhöhe – Nicht nur das           Gesprächstechniken (aktives Zuhören, Fragen stellen,
     Sitzen auf Erwachsenenstühlen schafft die Vorausset-     paraphrasieren, …) unterstützen die Haltung und kön-
     zung, um auf einer Ebene zu kommunizieren, auch          nen in Fortbildungsveranstaltungen erlernt und im tägli-
     die Haltung muss geprägt sein von Vertrauen, Ehr-        chen Kontakt erprobt und angewendet werden. Das sind
     lichkeit und Offenheit.                                  Herausforderungen, welchen mithilfe eines guten Teams,
    Wertschätzung und Respekt – auch wenn Lebens-            geeigneten Fortbildungen und Supervision besser nach-
     bzw. Erziehungsvorstellungen stark divergieren, ist es   gekommen werden kann. Aus unserer Erfahrung ist die-
     für den Kontakt unumgänglich, die Eltern als Exper-      ser Prozess immer wieder eine Herausforderung und nie
     tInnen für ihre Kinder anzuerkennen und dies täglich     abgeschlossen.

   20
D A S J U N G E K I N D I M K I N D E R G A RT E N

Transitionen                                                    sich auf die Altersgruppe 0-4 beziehen. Diese bieten
                                                                Orientierungshilfen und Anlässe zum Gesprächsaus-
Häufig ist der Übergang von der Familie in den Kinder-          tausch im Team.
garten für alle Beteiligten eine Stresssituation, wobei
manche bereits Erfahrungen durch die Betreuung bei           Beispiele:
Tageseltern oder in einer Krabbelgruppe mit dem gegen-        Hat jedes Kind eine vertraute und sichere Bindungs-
seitigen Austausch gemacht haben. Unter Transitionen            /Bezugsperson in der Gruppe/Einrichtung?
werden Veränderungen, die mit dem Eintritt in den Kin-
dergarten verbunden sind, verstanden, die wiederum            Wie nehmen wir Rücksicht auf das Tempo (z.B. Spra-
weitreichende Auswirkungen auf die Identität, die Rol-         che, Tagesablauf) der jüngeren Kinder?
len und die Beziehungen aller Beteiligten haben können.
                                                              Was tun wir, damit jüngere Kinder sozial heraus-
Erste und wichtigste Beteiligung der Eltern ist die Einge-     fordernde Situationen mit anderen gut bewältigen
wöhnung ihres Kindes in den Kindergarten. Für die Pä-          können?
dagogin ist es hilfreich, sich in die Gedankenwelt der
Eltern hineinzuversetzen, um deren Überlegungen und          Erziehungspartnerschaft ist ein Lernprozess auf beiden
Sorgen (hoffentlich weint das Kind nicht den ganzen          Seiten, braucht Zeit und erfordert Offenheit, neue We-
Vormittag?, bekommt es genug zu essen?, was passiert,        ge zu beschreiten.
wenn es doch eine Windel braucht? …) zu verstehen.
Besonders am Anfang stellen Eltern junger Kinder Fragen
nach dem Wohlbefinden (Essen, Schlafen, Beteiligt am          Folgende Reflexionsfragen des BildungsRahmen-
Gruppengeschehen, …). Es unterstützt die Erziehungs-          Plans unterstützen die vertiefende Auseinander-
partnerschaft, wenn Pädagoginnen in diesem Punkt              setzung mit dem Text:
besonders auskunftsfreudig sind und das Tür-Angel-Ge-
                                                              a) Was hilft uns, Eltern als Erziehungspartnerinnen
spräch nutzen, um auch die Familie besser kennen zu
                                                                 anzuerkennen und ihre Perspektive zu
lernen.
                                                                 respektieren?

                                                              b) Was unterstützt mich, kulturelle Widersprüche
Maßnahmen und Überlegungen zur                                   auszuhalten (z.B. rigorose geschlechtsspezi-
Unterstützung des Aufbaues von                                   fische Erziehung im Elternhaus)?
Erziehungspartnerschaften
                                                              c) Wodurch unterscheidet sich für uns herkömmli-
1. Konzept: Inwieweit werden junge Kinder im Konzept             che „Elternarbeit” von einer zeitgemäßen
   bedacht? Wie wird mit Kindern umgegangen, deren               Erziehungspartnerschaft?
   Sauberkeitsentwicklung noch nicht abgeschlossen
   ist?
2. Aufnahmegespräch: Können die Eltern bereits die Be-
                                                              Literatur:
   zugspädagogin ihres Kindes kennenlernen? Werden
                                                              Textor M.R.: 25 Jahre Elternarbeit. Rückblick,
   Fragen gestellt oder nur Informationen gegeben?
                                                              Draufblick und Ausblick.
3. Tür- und Angelgespräche: Sind die Pädagoginnen
                                                              Unter: www.kindergartenpaedagogik.de/2174.pdf
   darauf bedacht, in den ersten Wochen so viel wie
                                                              22.8.2011
   möglich Positives zu berichten und zu erfragen? Wird
   ein vertrauensvolles Verhältnis angestrebt?                Mienert Malte, Vorholz Heidi: Gespräche mit
4. Eingewöhnungsgespräche: Wird das Gespräch am               Eltern, Entwicklungs-, Konflikt- und
   Ende der Eingewöhnungszeit mit den Eltern gesucht?         Informationsgespräche.
   Inhalt dieser Gespräche ist der Austausch darüber,         Bildungsverlag EINS, Troisdorf, 2007
   wie es dem Kind zu Hause gegangen ist, wie gut es
   den Eltern gelungen ist, sich zu trennen, wie gut sich     Eva Kok-Ertl, Andrea Langer:
   das Kind in der Gruppe integriert; ….                      Wie Bildungspartnerschaft gelingen kann.
5. BildungsRahmenPlan: In der Umsetzung des Landes            In: Unser Kinder, Ausgabe 5/2011
   Salzburg sind für jeden Bereich Fragen formuliert, die

                                                                                                                     21
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