Kinder-betreuung Nachrichten - Das junge Kind im Kindergarten
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Aus Gründen der besseren Lesbarkeit und des überwiegenden Anteils von Frauen in diesem Berufsfeld wird im Allgemeinen die weibliche Form stellvertretend für beide Geschlechter verwendet. Impressum: Verleger: Land Salzburg, vertreten durch die Abteilung 12: Kultur, Gesellschaft, Generationen; Referat 12/02: Kindergärten, Horte und Tagesbetreuung • Herausgeberin: MMag.a Elke Kabel-Herzog • Für den Inhalt verantwortlich: Sigrun Cecon, Mag.a Lucia Eder • Gestaltung und Satz: Grafik Land Salzburg • Druck: Hausdruckerei • alle Postfach 527, A-5010 Salzburg Land Salzburg Form 0531-5.13 2
D A S J U N G E K I N D I M K I N D E R G A RT E N Inhaltsverzeichnis Vorwort MMag.a Elke Kabel-Herzog ..................................................................................................................5 Vorwort Sigrun Cecon ..............................................................................................................................................7 Hurra, die 3-Jährigen kommen ............................................................................................................................8 Dreijährige entdecken die Welt mit allen Sinnen .....................................................................................10 Umgang mit der Altersmischung ......................................................................................................................13 Übergänge und Eingewöhnung .........................................................................................................................16 Wie werden Eltern zu Erziehungspartnerinnen? ........................................................................................19 Das bewegte Er-Leben der 3-Jährigen ...........................................................................................................22 Sprache(n) gemeinsam erwerben .....................................................................................................................26 Kreativität ....................................................................................................................................................................29 Ernährung ....................................................................................................................................................................33 Sauberkeitserziehung .............................................................................................................................................35 Gesetzliche Grundlagen ........................................................................................................................................38 Die Autorinnen ..........................................................................................................................................................40 Berliner Eingewöhnungsmodell ........................................................................................................................41 3
D A S J U N G E K I N D I M K I N D E R G A RT E N Vorwort Sehr geehrte Kindergartenpädagoginnen! Sehr geehrte Rechtsträgerinnen! „Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Die Wurzeln erhalten die Kinder von ihren Eltern, mit Wurzeln und Flügel“ (Johann Wolfgang von Goethe) dem Übergang vom Elternhaus in die Kinderbetreuung geben die Eltern ihren Kindern Flügel, damit sie auch Die Bildung und Betreuung von Kindern ist ein wesent- in der Kinderbetreuungseinrichtung Wurzeln schlagen liches Anliegen der pädagogischen Arbeit von Salzbur- können. ger Kinderbetreuungseinrichtungen und unverzichtbar für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die nun vorliegende Broschüre soll Ihnen Informationen und Hilfestellungen zum Thema „Das junge Kind im Kamen vor 10 Jahren Kinder im Allgemeinen erst ab Kindergarten“ bieten. 4 Jahren in den Kindergarten, so steigen heute die meis- ten Kinder bereits mit drei Jahren (oder sogar kurz vor Ich wünsche Ihnen viel Erfolg! dem 3. Geburtstag) ein. Das hat Auswirkungen auf die pädagogische Arbeit im Kindergarten. Die Eingewöh- Für die Landesregierung nung ist sehr wichtig, die Bedürfnisse des jungen Kindes und das Thema Sauberkeit werden immer bedeutsamer. Je besser der Einstieg gelingt, desto erfolgreicher verläuft für die Kinder der Besuch der elementaren Bildungs- MMag.a Elke Kabel-Herzog einrichtung. Referatsleiterin 5
D A S J U N G E K I N D I M K I N D E R G A RT E N Liebe Kindergartenleiterinnen! Liebe Pädagoginnen in Kindergärten und Kinderbetreuungseinrichtungen! „Es ändert sich alles, wenn die Kleinen kommen!“ Um für das „junge Kind“ im Kindergarten eine entwick- Ergänzende Verknüpfungen zum Bildungs-Rahmen-Plan lungsangemessene und bildungsanregende pädagogi- bilden die Reflexionsfragen im Anschluss an die Artikel! sche Umwelt gestalten zu können, brauchen Leiterinnen und Pädagoginnen dementsprechendes Grundlagenwis- Ein besonderes Dankeschön an alle Autorinnen für die sen. Hieraus leiten sich konzeptionelle, organisatorische Zusammenstellung der einzelnen Beiträge und pädagogische Entscheidungen ab, die das Wohl- befinden und die Entwicklungsförderung des jungen Ich hoffe, dass Ihnen die vorliegende Broschüre in vielen Kindes in den Mittelpunkt stellen! Situationen hilfreich sein und Sie in Ihrer engagierten pädagogischen Arbeit unterstützen kann. Deshalb ist es schon seit längerer Zeit Thema, eine Bro- schüre zu erstellen, die Sie bei Ihrer täglichen pädagogi- schen Arbeit mit den „dreijährigen Kindern“ fachlich un- Für die Landesregierung terstützen und begleiten soll. Die Broschüre bietet eine Orientierung zum Stand der Fachdiskussion zur Bindung und der Betreuung von Kin- Sigrun Cecon dern im vierten Lebensjahr. Die Bedürfnisse, Potenziale Inspektorin und Fachberaterin und Lernprozesse von jungen Kindern stehen hier im Mittelpunkt der Beiträge. In Zusammenarbeit mit den Autorinnen unterschiedlichster Disziplinen wurden spe- zielle Inhalte zu diesem Thema zusammengetragen. 7
D A S J U N G E K I N D I M K I N D E R G A RT E N Hurra, die 3-Jährigen kommen Dr.in Dores Beckord-Datterl Die Dreijährigen und ihre Die Kindergartenpädagogin, die die „Neuen“ willkom- Entwicklungsthemen: men heißt, trifft also auf Persönlichkeiten mit den unter- Weltentdeckerinnen schiedlichsten Vorerfahrungen und Lerngeschichten, mit mit Bindungsbedürfnis! ihrer bereits reichhaltigen Biografie. Die Lern- und Entdeckungswelt 3-Jährige sind kleine Entdecker und Erfinder und haben oft schon klare Vorstellungen darüber, was sie wollen und was sie am meisten ablehnen, z.B. fremdbestimmt zu sein und beim Verfolgen ihrer Ziele unterbrochen zu werden, egal ob von Kindern oder Erwachsenen; dann können sie sich maßlos darüber ärgern, dass die Welt nicht nach ihren Vorstellungen tickt. Grundsätzlich gilt: je sicherer ein Kind sich fühlt und je gesättigter sein ursprüngliches Bindungsbedürfnis und Anerkennungsstreben ist, desto neugieriger exploriert es mit großer Ausdauer und Energie seine Umwelt. Dabei braucht es keine Belohnung von außen; es wird von eigenen inneren Botenstoffen angefeuert, etwas um seiner selbst Willen zu tun und das macht es zufrieden und glücklich. Dazu gibt es nur eine Steigerungsform: Waren sie noch die Großen bei den „Krabblern“, sind sie dieses Glücksgefühl mit einer bedeutenden Anderen zu jetzt die Kleinen bei den Vorschulkindern. Sie brechen teilen, die sich mitfreut und stolz auf das Kind ist. Wenn (wieder einmal) auf zu neuen Ufern, haben in ihrem kur- es müde und von der Suche erschöpft ist, sich weh tut zen Leben schon einige Übergänge und Verunsicherun- oder verunsichert wird, braucht das noch junge Kind An- gen gemeistert und Entwicklungsaufgaben bewältigt. leitung und Orientierung durch Erwachsene, zu denen es In unserer Erwachsenenwelt können Kinder bereits eine Vertrauensbeziehung aufgebaut hat. 3 Monate vor ihrem 3. Geburtstag in den Kindergarten aufgenommen werden. Mit drei Jahren ist das dann Das Wissen über die Zusammenhänge von Bindungsbe- nahezu selbstverständlich. Jedoch das chronologische dürfnis und Autonomiestreben hat die pädagogische Lebensalter vermag wenig auszusagen über ihre Vor- Fachwelt sensibilisiert für die Notwendigkeit einer acht- erfahrungen mit Mutter, Vater, möglichen Geschwistern, samen Eingewöhnungszeit, in der das Kleinkind in Spracherwerb, motorischer Geschicklichkeit, Umgang Anwesenheit einer vertrauten Bezugsperson in die neue mit starken Gefühlen und Impulsen, Erwerb von Sicher- soziale Gruppe hineinwachsen kann. Wenn dieser Über- heit und Urvertrauen, Entdeckungen im Freien, auf gang gut gelingt, wird seine außerfamiliäre Bezugsgrup- Spielplätzen, in geschlossenen Räumen. Sie können pe zum sicheren Ort; ist die Umgebung auch noch schon „ICH“ sagen und sprechen von sich nicht mehr in altersgerecht ausgestattet und bietet genug Anregung, der dritten Person. Sie haben die Erfahrung gemacht, sowohl für Entdeckungen, als auch Rückzug, erlaubt dass nicht alle Wünsche erfüllt werden, dass andere ausreichend Wiederholungen, Übungsmöglichkeiten und Kinder und Erwachsene nicht immer das machen, was in selbstgestaltete Variationen, dann schaffen wir Erwach- den eigenen Gedanken ist. Das Wollen ist oft mächtiger sene Rahmenbedingungen, in denen Kinder sich optimal als das Können und an Grenzen zu stoßen macht sie oft entwickeln können. hilflos und wütend. 8
D A S J U N G E K I N D I M K I N D E R G A RT E N Kognitiv sind die 3-Jährigen dabei, Zusammenhänge und Wie weit reicht sein bisher erarbeitetes Weltverständ- Unterschiede von Denken und Handeln zu erahnen. Das nis, um Zusammenhänge der Welt zu verstehen? Fremdverstehen „Theory of Mind“, das Hineinversetzen Wie magisch und mächtig erlebt es die Kräfte, die auf in die andere Gefühlswelt braucht aber zunächst eine sein Wollen einwirken? gefestigte Vorstellung von sich selbst, dem eigenen Kör- per, den Gefühlen und der Verarbeitung von Wahrneh- Alle Entwicklungen im Alter von 3-5 Jahren sind äußerst mungen. Diese Fähigkeiten zeigen sich auch im Malen, dynamisch. Die eigene Identität wird immer konkreter. Gestalten und Erzählen von Bildern. Das eigene Geschlecht zu erfassen, das Trockenwerden oder auch das Verabschieden von Schnuller, Babyflasche und Co. können ein 3-jähriges Kind begleiten und heftig Soziales Lernen – Gruppe ist schön beschäftigen. Magisches Denken ist ebenso Thema, wie anstrengend das vermehrte Spiel mit Gleichaltrigen. Herausforderungen über Herausforderungen, die viel Die größte pädagogische Herausforderung wird es sein, Energie kosten, aber sich lohnen: In diesem Alter sollten die Neuankömmlinge ihren Platz in der Gruppe finden die Grundfertigkeiten im motorischen, geistigen und zu lassen. Wie finden sich die kleinen „Ichlinge“ in der emotionalen Erleben erarbeitet sein, um den Weg für neuen sozialen Gemeinschaft zurecht, die viel komplexer neue Erkundungen und das lustvolle Weiterentwickeln ist als das, was sie bisher erfahren haben? Was brauchen des eigenen Weltbildes mithilfe der Gruppe, den vertrau- sie, damit sie sich in dieser neuen Welt orientieren ten PädagogInnen und den Eltern zu meistern. können? In erster Linie brauchen sie verständnisvolle Erwachsene, die verlässlich und klar die Regeln des Zusammenlebens Folgende Reflexionsfragen des BildungsRahmen- vorleben, wenn nötig bei Konflikten eingreifen und Plans unterstützen die vertiefende Auseinander- helfen, die eigenen noch sehr stark durchgreifenden Im- setzung mit dem Text: pulse so zu zügeln, dass niemand anderer verletzt wird a) Bei welchen Aktivitäten greife ich das Bedürfnis und die Dinge heil bleiben. nach Wiederholung auf? Dreijährige tun sich noch schwer, ihre Wünsche und Gefühle adäquat auszudrücken. Manche Kinder haben b) Welche Aktivitäten biete ich an, die ein zu Hause oder in der Spielgruppe die Erfahrung ge- gemeinsames Lernen an einem Gegenstand macht, dass sie erfolgreicher und geliebter sind, wenn sie ermöglichen und an denen sich trotzdem jedes negative Gefühle unterdrücken. Erleben sie dann in der Kind individuell mit seinem Entwicklungstempo Gruppe Ärger oder Enttäuschung, fühlen sie sich hilflos beteiligen kann? und zeigen nicht ein Verhalten, das bei den anderen c) Wie nehmen wir Rücksicht auf das Tempo Trost oder Unterstützung auslöst (pro-soziale Reaktio- (z.B. Sprache, Tagesablauf) der jüngeren nen), sondern oft eine aggressive Auseinandersetzung Kinder? zwischen den Kindern nach sich zieht. Jetzt ist die Päda- gogin gefordert, wieder Klarheit und Sicherheit herzu- stellen. Es geht nicht darum „aggressive oder egoisti- sche“ Kinder zu bestrafen, sondern herauszufinden, mit Literatur: welcher Herausforderung das einzelne Kind kämpft: Haug-Schnabel, G. Bensel J: Vom Säugling zum Schulkind. Wie gelingt es ihm, das Bedürfnis nach Zugehörigkeit In: Kindergarten heute spezial zu leben? Verlag Herder, Freiburg, Nachdruck 2011 Wie sozial verträglich kann es seine „Selbstwirksam- Bischof-Köhler Doris: Soziale Entwicklung keit“ (ich kann Spuren hinterlassen, ich werde beant- in Kindheit und Jugend. Bindung, Empathie, wortet, …) erproben? Theory of Mind. Wie schafft es, die Balance zwischen Wollen und Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2011 Können zu finden? Wie lange braucht es, um sein emotionales Gleichge- Ostermayer Edith: Unter drei – mit dabei. wicht wieder zu finden, wenn sein individuelles Ziel Verlag Don Bosco, München 2007 mit den Interessen der Gruppe kollidiert? 9
D A S J U N G E K I N D I M K I N D E R G A RT E N Dreijährige entdecken die Welt mit allen Sinnen Angelika Reichartzeder MSc Mit allen Sinnen die Welt entdecken Kontakt zu halten. Manchmal reicht ein aufmunternder Augenkontakt, oft aber fordern sie über die Sprache und den Körperkontakt die Aufmerksamkeit der Bezugsper- son ein. Daher ist es wichtig, dass die betreuenden Per- sonen die Kinder beobachten, auf ihre Fragen reagieren und Signale zum Kommunizieren beantworten. Ebenso wichtig ist es, einen klaren Orientierungsrahmen als „Raum der Möglichkeiten“ abzustecken. Das gibt den Kindern Sicherheit und ermöglicht ein Lernen mit allen Sinnen. Über Bewegung und Gleichgewicht die dritte Dimension entdecken Die dreijährigen Kinder suchen sich ständig neue moto- rische Herausforderungen und Anregungen für ihr Gleichgewicht. Sie laufen, springen, klettern, rutschen und toben und kein Bewegungsgerät ist vor ihnen sicher. Am liebsten spielen sie draußen und auf Spielplätzen. Beim Klettern, Rollen und Rutschen spüren sie ihren Kör- per und bekommen eine Vorstellung von ihm. Das inten- Dreijährige wollen die Welt auf eigene Faust entdecken. sive Ausprobieren und das häufige Wiederholen lässt sie Sie wollen wissen, wie was funktioniert und warum es in der Bewegung sicher werden. Sie lernen die Richtun- funktioniert. Dadurch lernen sie die Dinge einschätzen gen in Bezug auf ihren eigenen Körper einzuordnen: und werden sicherer. Sie können sich schon gut bewe- Was ist vor, hinter, links oder rechts von mir und entwi- gen, auch relativ gut ausdrücken und nutzen jede Gele- ckeln so eine innere Vorstellung von ihrem Körper und genheit, um ihre Fertigkeiten weiter auszuprobieren und vom Raum. So lernen die Kinder die dritte Dimension zu verbessern. Der Körpereigensinn und der Gleichge- kennen und beginnen, Türme und Häuser zu bauen. Sie wichtssinn werden durch das viele Bewegen gefordert verwenden am liebsten große Kartons und Polster, die und gefördert. Durch das Austesten ihrer Grenzen und sie um sich herum aufbauen und erfahren so Grenze und Möglichkeiten entwickeln sie Selbstvertrauen und Leis- Raum. Mit Konstruktionsmaterial wie Duplo, Clics etc. tungsfähigkeit. Intuitiv spüren sie was ihnen gut tut und können dann fantasievolle Gebäude und Gegenstände was sie können. Manchmal trauen sie sich mehr zu, als gebaut werden. ihnen möglich ist und brauchen dann die liebevolle Begleitung und Unterstützung ihrer Betreuungsperso- nen. Mit der richtigen Unterstützung schaffen sie es, aus Das Auge sieht, was die Hände fühlen misslichen Lagen wieder alleine rauszukommen und ler- nen dabei auch, mit Frustrationen und Schwierigkeiten Dreijährige lieben es zu formen und zu matschen. Durch umzugehen. das Tasten und Begreifen und das Hinschauen bekommt das Kind eine Vorstellung von dem, was es in der Hand Erwachsene Bezugspersonen können ihnen dabei in der hat, eine innere Vorstellung entsteht. Sand und Plastilin Gestaltung von Alltagssituationen und Spielräumen ein sind deshalb ein ideales Material. Beim Formen trainie- entsprechendes Erfahrungsfeld bieten. Beziehungskom- ren Kinder ihre Sinne. Sie fühlen die Oberfläche des Ma- petenz ist gefragt. Die Kinder brauchen Erwachsene, die terials, spüren die Festigkeit und den Widerstand. An- bereit sind, in Beziehung zu ihnen zu gehen und den fangs stehen das Kneten und Drücken im Vordergrund, 10
D A S J U N G E K I N D I M K I N D E R G A RT E N später formen sie Gegenstände aus dem Alltag nach. Bei Das Fragealter beginnt allem brauchen sie viel Zeit und Raum zum Experimen- tieren. Durch das freie kreative Arbeiten mit verschiede- Die Sprache entwickelt sich jetzt schnell weiter. Dreijäh- nen Materialien (Fingerfarben, Bausteine, Naturmateria- rige merken jetzt, dass sie mit Worten ihre Welt und lien usw.) entwickelt sich das Lernen von der Hand über ihre Gefühle beschreiben können und teilen das oft das Herz zum Gehirn! jedem mit. Durch dieses Plappern erweitern sie ihren Wort- und Wissensschatz enorm. Was sie noch nicht wissen, erfragen sie. Sie wollen alles wissen: Wie die Din- Schere, Stift und andere Werkzeuge ge funktionieren, woher sie kommen und warum sich Menschen so verhalten. Sie machen sich Gedanken über Feinmotorisch werden die dreijährigen Kinder immer ge- die Welt. Dabei stellen sie ihre eigenen Theorien auf und schickter. Sie fädeln, stecken, beginnen zu basteln und sind manchmal nicht davon abzubringen. Sie wollen ih- zu malen. Schere, Klebeband, Hefter und Locher sind re Wünsche und Vorstellungen durchsetzen und sind jetzt interessante Werkzeuge. Mit dem Stift machen sie oftmals dann auch sehr trotzig. die ersten Kopffüßler. In den Zeichnungen spiegelt sich Die Denkfähigkeit entwickelt sich über die Kommunika- die Wahrnehmung des eigenen Körpers und des Raumes tion mit anderen weiter. Die Kinder entdecken die Unter- wieder. So kann ein Kind erst einen geschlossenen Kreis schiede der Dinge und einfache Unterschiede von sich oder ein Kreuz von sich aus zeichnen, wenn es vorher und den anderen. Sie versuchen, Zusammenhänge her- die Drehung am eigenen Körper erlebt hat. Knöpfe und zustellen und Erlebnisse und Erfahrungen als „implizites Verschlüsse können jetzt schon selbstständig auf und zu Wissen“ zu verarbeiten. Allerdings haben sie noch gemacht werden. Schwierigkeiten, ein und dieselbe Sache aus verschiede- nen Blickwinkeln zu betrachten. Ihr Denken ist noch sehr ichbezogen. Je besser sich das Kind sprachlich ausdrü- Selber machen ist jetzt angesagt cken kann, desto leichter kann es Situationen einordnen und sich in andere hineinversetzen. Daher sind soziale Das gleiche wie Erwachsene tun, ist für Dreijährige be- Interaktions- und Kommunikationserfahrungen wichtige sonders attraktiv. Sie wollen in Alltagssituationen überall Voraussetzungen für die Weiterentwicklung des begriff- mithelfen und ihre Fähigkeiten zeigen und ausprobieren, lichen Denkens und des Bewusstseins. austesten. Dabei lernen sie, sich selbst zu organisieren und Zusammenhänge zu verstehen. Haben sie die Zeit und den Raum, Aufgaben alleine zu lösen und eigen- Rollenspiele trainieren für den Alltag ständig neue Lösungswege herauszufinden, stärkt das ihre Selbstkompetenz und das Selbstbewusstsein steigt. Mit der sensomotorischen, kognitiven und sprachlichen Beim Selbertun entwickeln sich auch die Feinmotorik Entwicklung entwickelt sich die Identität. Die Kinder und das Zusammenspiel von Augen und Händen auto- bekommen im Kontakt mit anderen ein Verständnis für matisch, und die Kinder entdecken immer komplexere „ich“ und „du“. Dadurch können sie in andere Rollen Zusammenhänge von Ursache und Wirkung. schlüpfen und sich mit der Rolle identifizieren. Dreijähri- ge spielen zunächst alles nach, was ihnen im Alltag Kinder machen die Entwicklungsschritte meistens in der- begegnet, z.B. einkaufen, zum Arzt gehen, auf der Bau- selben Abfolge, jedoch können das Tempo der Entwick- stelle arbeiten, Autowerkstatt, Friseur oder die Bedie- lung und die individuelle Schwerpunktsetzung von nung im Restaurant. Sie brauchen viele Gelegenheiten Entwicklungsbereichen gerade bei Dreijährigen sehr und Vorbilder, bei denen sie beobachten können, wie die unterschiedlich sein. Sie brauchen viele verschiedene Dinge funktionieren. Das hilft ihnen, ein inneres Bild von Sinneserfahrungen in einer bewusst gestalteten, natür- den Vorgängen rund um sie zu erhalten. lich anregenden Umgebung, damit sie sich altersentspre- chend entwickeln können. Denn Lernen mit allen Sinnen bedeutet „forschendes, entdeckendes“ Lernen, bei dem Fantasie ist gefragt das zufällige Entdecken von immer gezielterem Experi- mentieren und Manipulieren abgelöst wird. Beim Spiel brauchen sie oft nicht mal das passende Spiel- zeug. Mit Hilfe ihrer Fantasie können selbst einfache Gegenstände wie Holz und Steine die Rollen überneh- men, die benötigt werden. Sie ahmen nicht nur mehr die 11
D A S J U N G E K I N D I M K I N D E R G A RT E N Welt der Erwachsenen nach, sondern gestalten sich zu- nehmend mit viel Fantasie ihre eigene Spielwelt. Literatur: Meistens beginnt mit drei Jahren auch die magische Auer Wolfgang M., Sinnes-Welten: Phase. Heldinnen, Feen, Hexen, Ritter, Piraten, Drachen Die Sinne entwickeln, Wahrnehmung schulen, oder auch geliebte Tiere aus ihrer Erfahrungswelt üben mit Freude lernen. eine starke Faszination aus. Im Spiel schlüpfen sie in Kösel 2007 diese Rollen und verarbeiten dabei ihre Ängste. Sie erkennen allmählich den Unterschied zwischen Spiel und Ayres Jean: Bausteine der kindlichen Entwicklung. Realität und sagen das dann auch mit den Worten: „Eh Die Bedeutung der Integration der Sinne für die nicht in echt, nur im Spiel!“ Manche Kinder versinken Entwicklung des Kindes. intensiver in ihre Fantasiewelt und brauchen behutsame Springer Verlag, Berlin 2002 (4. Auflage) Begleitung, um sie wieder verlassen zu können. Braun Daniela: Kreativität in Theorie und Praxis. Bildungsförderung in Kita und Kindergarten. Mit dem Spielen verarbeiten sie Erlebtes, erkennen die Verlag Herder, Freiburg, 2011 Zusammenhänge zwischen den Dingen und trainieren für die reale Welt. Im Spiel setzen sie sich aktiv mit ihrer Ellneby Ylva: Die Entwicklung der Sinne. Welt auseinander. Deshalb machen sie manche Spiele Wahrnehmungsförderung im Kindergarten. immer und immer wieder, bis sie sie beherrschen. Verlag Lamertus, 1998 (2. Auflage) Dreijährige brauchen viel Zeit zum Spielen und Beobach- ten, dann sind sie fröhlich, zufrieden, selbstsicher und Gründler Elisabeth C.: Rohstoff Intelligenz. kompetent und offen für weitere Entdeckungen und Frühkindliche Bildung. Lernerfahrungen. Verlag Cornelsen Scriptor, 2008 Hüther Gerald, Nitsch Cornelia: Wie aus Kindern Folgende Reflexionsfragen des BildungsRahmen- glückliche Erwachsene werden. Plans unterstützen die vertiefende Auseinander- Verlag Graefe und Unzer, 2008 setzung mit dem Text: Zimmer Renate: In: Handbuch der Sinneswahr- a) Wodurch unterstützen wir die Kinder dabei, nehmung. ihre Emotionen auszudrücken? Grundlagen einer ganzheitlichen Bildung und b) Wo ist bei uns entdeckendes Lernen, wo sich Erziehung. Kinder selbsttätig neues Wissen aneignen, Verlag Herder, Freiburg, 2009 (2. Auflage) möglich? c) Wie viel Spielraum haben jüngere Kinder zum Entdecken und Experimentieren mit dem eigenen Körper und den körpernahen Sinnen? 12
D A S J U N G E K I N D I M K I N D E R G A RT E N Umgang mit der Altersmischung Anna Kapfer-Weixlbaumer MA Selbstbildungspotentials des Kindes interpretiert werden. Dies bedeutet aber auch, dass Pädagoginnen für „Ich will“ – und „Ich kann“– Erfahrungen Raum schaffen müssen, und dazu bedarf es der Gestaltung einer Umge- bung, die dem unbedingten „Wollen“ der Kinder entge- gen kommt und somit ihre Willenskraft bildet. Die vorbereitete Umgebung Jeder Tag im Kindergarten soll ein spannender Tag sein! Kinder brauchen daher eine Umgebung mit Aufforde- rungscharakter: „Komm her und probier mich! Greif mich an und spüre!“ So können sie immer etwas finden, das für sie von Interesse ist und zum Erkunden, Aktivsein und „Selbermachen“ einlädt. Die Pädagogin findet so auch Zeit zum wertschätzenden Beobachten, das ja die Voraussetzung dafür bildet, um ein den Entwicklungsin- teressen der Kinder entsprechendes, herausforderndes Umfeld vorzubereiten. Hier sind vor allem folgende Es gilt heute als allgemein anerkannt, dass drei- bis Aspekte zu beachten: sechsjährige Kinder von einer altersgemischten Gruppe, wie sie im Kindergarten mittlerweile üblich ist, in vielen Genügend Material, das zum Erforschen und Experi- Persönlichkeitsbereichen profitieren. Aber die Frage, was mentieren einlädt. Material, das vielseitig einsetzbar die Jüngeren, die drei- bis vierjährigen Kinder im Beson- ist und jederzeit auch umgedeutet werden kann, deren, benötigen, um sich in einer Gruppe von 20 Kin- denn das trägt zur Entwicklung des variablen Den- dern (und mehr) wohlzufühlen und zu lernen, wurde kens und der Symbolbildung als Voraussetzung für lange zugunsten der älteren Kinder, die ja auf die Schu- die Sprach- und Denkentwicklung bei. le vorbereitet werden mussten, vernachlässigt. Handlungs-Spielraum für raumgreifendes, bewegtes Was leistet die altersgemischte Gruppe für die individu- Spiel und für eigene Gestaltungen, denn junge elle Entwicklung der Jüngsten? Kinder lernen vorrangig bewegt und sinnenhaft. Welche Umgebungen unterstützen sie optimal beim Raum im Raum – Zonen für Rückzug und ungestör- Bewältigen ihrer spezifischen Entwicklungsaufgaben? te Tätigkeiten gemeinsam mit anderen Kindern, oder auch mal alleine. Entwicklungsthema Eine auf die Entwicklungsbedürfnisse der jungen Kinder „Ich will“ und „Selber machen“ abgestimmte Umgebung unterstützt Kinder darin, Eigen- initiative (Ausdruck ihrer Willenskraft) zu entwickeln, Ein herausragendes Entwicklungsthema des zwei- bis und schafft auch Freiraum für die Pädagogin, einzelne vierjährigen Kindes ist sein unbedingter Wille, die Welt Kinder oder Spielgruppen zu begleiten. Dabei wird aus eigener Kraft zu erobern. „Selber machen“, „Ich Begleitung heute vor allem als wechselseitiger Dialog will“ sind häufige Aussagen junger Kinder, wenn sie sich zwischen Kind und Pädagogin verstanden, das meint: auf ihre eigene Weise ein Bild von der Welt machen, sich Sich für das zu interessieren und zu engagieren, wofür also „bilden“. Dieses eigensinnige Verhalten wird von sich das Kind interessiert. Dieses geteilte Interesse führt uns Erwachsenen oft als Trotzphase gedeutet, kann aber zu anregenden Gesprächen und unterstützt das Kind, im heutigen Wissenschaftsverständnis als Ausdruck des eigene Denkprozesse zu verbalisieren und länger an 13
D A S J U N G E K I N D I M K I N D E R G A RT E N ihrem Thema zu bleiben. Gerade jüngere Kinder brau- wir gerade dies in unserer eigenen Lebensbiografie viel chen diese Form der Begleitung, damit sie ihre Aufmerk- zu selten leibhaftig erfahren. Für Luca jedenfalls war das samkeit im Getriebe der Gruppe für längere Zeiträume Tischreinigen und der Austausch mit seiner Pädagogin auf eine Sache fokussieren können und sich dabei als ein individuelles stärkendes Bildungsangebot, und dafür erfolgreich erleben. Aus eigener Praxiserfahrung weiß gibt es täglich unzählige Gelegenheiten – vorausgesetzt, ich, wie solche einfühlsamen Gespräche junge Kinder wir sind wachsam. emotional und kognitiv unterstützen und vor allem ermutigen. Schließlich ist eine dialogisch neugierige Hal- Sicherheit und Struktur für die Jüngsten durch tung der Pädagogin ein richtiger „Türöffner“, gerade bei Regeln und Rituale introvertierten und unsicheren Kindern. Oftmals genügt Mit Eintritt in den Kindergarten trifft das junge Kind auf es, aufmerksam und abwartend zu beobachten, denn eine ihm fremde, aber zugleich auch bunte und span- schon das signalisiert Kindern, dass die Pädagogin inte- nende Welt. Vieles ist hier ganz anders als von zu Hause ressiert und zugänglich ist. Diese Haltung lädt Kinder ein, gewohnt: Etwa die Jause, die für viele Kinder ein Mehr selbst die Initiative zu ergreifen und Kontakt aufzuneh- an Selbständigkeit verlangt; die andere Weise, von Er- men, um etwas zu zeigen, zu erzählen oder einfach sei- wachsenen getröstet zu werden; die vielen neuen Spie- ne Tätigkeit – mit dem stärkenden Gefühl gesehen zu le, von denen es noch nicht weiß ob sie zu schaffen sind; werden – fortzusetzen. Dieser interessierte und wert- und schließlich noch die vielen anderen Kinder, die un- schätzende Blick ist eine zentrale pädagogische Hand- berechenbar in ihren Reaktionen sind. Regeln und Ritua- lung. Aufs Erste unscheinbar – bei genauerer Betrach- le schaffen hier einen haltgebenden Rahmen, damit der tung ein Schatz, denn Kinder brauchen es, gesehen zu Kindergarten mit dieser breiten Palette an völlig neuarti- werden und sie haben auch Anrecht darauf. Denn „Ge- gen Erfahrungen zu einer verlässlichen und stabilen Welt sehen werden“ verleiht „Ansehen“ und das Gefühl ein- für das Kind wird. Dazu gehören individuelle Begrü- zigartig zu sein. Kinder mit Ansehen sind innerlich ßungs- und Abschiedsrituale, Regeln für den Gebrauch gestärkt und können eher prosozial agieren. bestimmter Materialien oder für die Benutzung unter- schiedlicher Räume, Fixpunkte im Tagesablauf, die den Ein Beispiel aus dem Alltag Tag für das Kind vorhersehbar gestalten und helfen, ein Die Pädagogin Maria beobachtet interessiert Luca (2,8), Zeitgefühl zu entwickeln. wie er den soeben verschütteten Saft mit einem Tuch aufwischt. Marisa kommt dazu und will ihm helfen. Luca wehrt heftig ab, denn er will diese herausfordern- Traditioneller Kindergartenalltag ade! de Tätigkeit alleine meistern. Nachdem er fertig ist, schaut er sichtlich stolz und zufrieden zu Maria. Sie nickt Im Laufe der Geschichte des Kindergartens hat sich ein ihm zu, und sie reden kurz über die gelungene Arbeit. Repertoire an Regeln, Ritualen und festgefügten Formen Danach hält er Ausschau nach Marisa. entwickelt, die dazu gedacht waren, Kindern jene Sicher- Luca genießt die Aufmerksamkeit der Pädagogin. Sie heit und Orientierung zu geben. So entstanden Verhal- stärkt ihn durch ihre ruhige, interessierte Zuwendung, tensmuster und Traditionen, die häufig unbewusst von sodass er sich nun emotional aufgetankt einem anderen einer Pädagoginnengeneration an die andere weiterge- Kind zuwenden kann. Maria gibt ihm „Ansehen“. Dafür geben werden und daher als Selbstverständlichkeit, über genügt ihr wertschätzender Blick und ein kurzer wech- die kaum noch kritisch nachgedacht wird, erscheinen. selseitiger Dialog. Sie ist für Luca und für alle Kinder in Wenn aber durch eine zu stark ritualisierte Kindergarten- der Gruppe, die diese und ähnliche Situationen immer praxis individuelle Bedürfnisse einzelner Kinder nicht wieder erleben, ein sicherer Hafen und Vorbild für stär- mehr wahrgenommen werden, weil sie den wohlgeord- kende, sinnstiftende Interaktionen. Es zeigt dies Elemen- neten Tagesablauf stören würden, wenn Spielprozesse tares: „Gespräche mit Kindern sind das eigentliche durch Rituale unbedacht unterbrochen werden, weil die Wesensmerkmal des ErzieherInnenberufs.“ (Pape/Vogt intensiven Lernprozesse im Spiel nicht wertgeschätzt 2007) werden, dann besteht dringend Handlungsbedarf. Denn auch wenn in der Fachliteratur betont wird, dass gerade Aber leider passieren solche anregende Gespräche, die junge Kinder haltgebende Strukturen und Rituale benö- die Entwicklung der Kinder optimal unterstützen wür- tigen, so ist damit nicht gemeint, dass sie die traditio- den, laut einer Studie aus England viel zu selten. Viel- nellen Kindergartenregeln und -rituale benötigen. Nach- leicht fällt uns ja der wünschenswerte „Dialog auf dem nun aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen gleichberechtigter Höhe“ (ebda) so schwer, weil auch mehr als früher die 2½- bis 3-jährigen Kinder zu uns 14
D A S J U N G E K I N D I M K I N D E R G A RT E N kommen, wäre dies ein guter Anlass, den gelebten All- tag im Kindergarten, mit all seinen nicht hinterfragten Folgende Reflexionsfragen des BildungsRahmen- Traditionen, Ritualen, Ordnungsprinzipien, Regelwerken Plans unterstützen die vertiefende Auseinander- und örtlichen Üblichkeiten auf seine pädagogische Sinn- setzung mit dem Text: haftigkeit zu durchleuchten. Nach dem Motto „Traditi- a) Inwiefern regt die vorbereitete Umgebung eine on ist die Weitergabe des Feuers und nicht das Hüten selbsttätige und umfassende kreative Auseinan- der Asche“ muss überlegt und hinterfragt werden, ob dersetzung mit verschiedensten Materialien und die bestehenden Strukturen und Rituale (auch die Feste Techniken an? des Jahreskreises gehören hierher) die zentralen Entwick- lungsbedürfnisse junger Kinder optimal unterstützen. b) Wie erfahren die Kinder, dass sie auch dann angenommen und respektiert werden, wenn Durch solche Reflexionsprozesse wird plötzlich sichtbar, sie gegen Regeln verstoßen oder ihr Verhalten dass viele der althergebrachten Regeln beispielsweise die unangebracht war? Bewegungsfreiheit und somit die Autonomiebestrebun- c) Wie und von wem werden Regeln aufgestellt? gen des jungen Kindes krass einschränken. Groß- und Welche Regeln geben den Kindern wichtige kleinräumige Bewegung ist für junge Kinder von existen- Orientierung, welche sind verhandelbar und tieller Bedeutung, können sie die Welt doch nur durch welche sind unnötig? ihre körperliche Auseinandersetzung begreifen. Bei den 2½- bis 3-jährigen Kindern hat zudem auch ihr individu- eller Rhythmus Vorrang vor dem Rhythmus der Gruppe. Literatur: Die Bedürfnisse und Interessen einzelner Kinder mit den Dagmar Berwanger: Verschulung des Kindergartens. Interessen der gesamten Gruppe in Einklang zu bringen, TPS 7/2007 (Vorwort) ist die große Herausforderung, vor der Pädagoginnen Pape Inge, Vogt Herbert: Feinfühligkeit im Umgang täglich stehen. mit Kindern. In: Kindergarten heute spezial Verlag Herder, 9/2008 15
D A S J U N G E K I N D I M K I N D E R G A RT E N Übergänge und Eingewöhnung Andrea Lenger MSc Das Berliner Eingewöhnungsmodell Struktur des Berliner Eingewöhnungsmodelles Kommt ein Kind erstmals in eine Kinderbetreuungsein- richtung, ist es mit einer fremden Umgebung, einem Ziel der Eingewöhnung ist es, dass während der Anwe- neuen Tagesablauf, neuen Bezugspersonen und neuen senheit der primären Bezugsperson des Kindes eine trag- Regeln konfrontiert. Dies bedeutet Stress für jedes Kind fähige Beziehung mit bindungsähnlichen Eigenschaften – deshalb sollte auf eine Eingewöhnungszeit niemals ver- zwischen Pädagogin und Kind aufgebaut wird. Das Kind zichtet werden. Ein Forschungsprojekt an der Freien Uni- soll sich sicher fühlen und die Einrichtung mit all ihren versität Berlin hat gezeigt, dass nicht eingewöhnte Kin- Regeln, Ritualen, Menschen und Räumen in aller Ruhe der in den ersten sieben Monaten bis zu viermal länger kennenlernen dürfen. krank sind, die Möglichkeiten der Einrichtung deutlich weniger nutzen, ängstlicher sind und häufiger Irritatio- 3 Tage Grundphase nen in ihren Bindungsbeziehungen zeigen (vgl. Laewen Die Bezugsperson kommt mit dem Kind (immer zur glei- 2006). Auf Grund dieser Ergebnisse wurde von infans chen Zeit) und bleibt für ein bis zwei Stunden in der Ein- (Institut für angewandte Sozialisationsforschung/Frühe richtung. Danach wird das Kind wieder mit nach Hause Kindheit e.V.) ein Eingewöhnungsmodell für den kindge- genommen. Die Mutter oder der Vater sind in der Grup- rechten Eintritt in die Tagesbetreuung entwickelt, pe und für das Kind „sicherer Hafen“ – es kann immer, welches sich bereits seit vielen Jahren in Krabbel- und wenn ihm danach ist, zur Bezugsperson kommen. Die alterserweiterten Gruppen bestens bewährt hat und zu- Eltern verhalten sich dabei aufmerksam passiv, beobach- nehmend auch im Kindergartenbereich vor allem für ten ihr Kind, gehen ihm aber nicht nach. Spielen mit an- Dreijährige Anwendung findet. deren Kindern, Lesen oder konzentrierte Beschäftigun- gen des Erwachsenen wirken eher kontraproduktiv. Die Grundlage dieses Modells ist die Beachtung der Bin- Die Pflegeroutinen (Toilette gehen, Hilfestellung beim dung des Kindes an seine primäre Bindungsperson und Jausnen, ...) vollzieht der Elternteil im Beisein der Päda- sieht – je nach Qualität der Bindung des Kindes an seine gogin, welche somit wichtige Gewohnheiten und Vorlie- Eltern – eine kürzere oder längere Phase der Eingewöh- ben kennenlernt. Die Erzieherin beobachtet das Kind, nung vor. Es kann davon ausgegangen werden, dass nimmt vorsichtig und feinfühlig Kontakt auf und drängt sicher gebundene Kinder (häufiger Blickkontakt zur Be- es zu nichts. zugsperson, heftiges Weinen beim Verlassenwerden und In dieser Phase wird kein Trennungsversuch unternom- offene Annäherung bei Wiederkehr der Bezugsperson) men!!! eine längere Eingewöhnungszeit von zwei bis drei Wo- chen benötigen. Unsicher gebundene Kinder (eher gleichgültig bei der Trennung, ambivalentes Verhalten Kind bei der Wiederkehr) brauchen hingegen eine kürzere Eingewöhnungszeit von ca. ein bis eineinhalb Wochen. Grundsätzlich bestimmt jedes Kind das Tempo seiner Ein- gewöhnungszeit selbst – die Dauer ist also abhängig von seinem Temperament, den bisherigen Bindungserfahrun- gen (auch mit vorherigen Bildungseinrichtungen) und Mutter/ Päda- vom Ablösungsverhalten der Eltern. Vater gogin 16
D A S J U N G E K I N D I M K I N D E R G A RT E N Erster Trennungsversuch wenn das Kind die Einrichtung erst einmal nur halbtags Am vierten Tag (wenn es ein Montag ist, erst am 5. Tag, besucht. Lässt sich das Kind von der Pädagogin trösten denn es wird nie mit einem Montag ein neuer Schritt und ist es ohne Bezugsperson neugierig und aktiv, inte- begonnen) verlässt die Bezugsperson nach einiger Zeit ressiert an Personen und Materialien, so gilt die Einge- den Gruppenraum, nachdem sie sich vom Kind verab- wöhnungszeit als abgeschlossen. Die Fachkraft gilt als schiedet hat, bleibt aber in der Nähe. „sicherer Hafen“ und kann eine neue, zusätzliche Bin- Die Reaktion des Kindes auf den Trennungsversuch ist dungs- und Bezugsperson für das Kind sein. Wichtig ist, ausschlaggebend für den weiteren Verlauf der Einge- dass die Bezugspädagogin in der Eingewöhnungszeit wöhnungszeit: nicht wechselt!!! Wirkt das Kind verstört, sucht es häufig nach seiner Bezugsperson oder lässt sich nicht von der Pädago- gin trösten, sollte der Elternteil gleich nach zwei bis drei Minuten wieder geholt werden. Das sind Anzei- chen für eine längere Eingewöhnung von 2-3 Wo- chen. Mit dem nächsten Trennungsversuch wird dann noch einige Tage gewartet. Wirkt das Kind gleichmütig, ist weiterhin interessiert und macht klare Versuche, selbst mit der Belastungs- situation zurecht zu kommen bzw. lässt es sich von der Fachkraft beruhigen, kann die erste Trennungs- phase bereits 30 Minuten dauern. Das spricht für eine kürzere Eingewöhnung von ca. 6 Tagen, die Trennungsdauer wird täglich erhöht. Päda- Mutter/ Kind Es gibt eine Tendenz, den Eltern scheinbar sehr entge- gogin Vater genzukommen, wenn möglichst schnell „alles klappt“ und versucht wird, die Eingewöhnungszeit möglichst kurz zu halten. Die Eingewöhnungszeit ist jene Zeit, in der Voraussetzungen für die künftige Bewältigung von Stabilisierungsphase Transitionen geschaffen werden. Glückt dieser Über- Ab dem 5. Tag (wenn es ein Montag ist, erst mit dem gang, wird das Kind weitere Transitionen (Kindergarten, 6.Tag) übernimmt zunehmend die Fachkraft im Beisein Schule, ...) gut bewältigen können. Die Eingewöhnungs- der Bezugsperson die Versorgung des Kindes (Toilette, zeit ist jedoch auch jene Zeit, in der der Grundstein für Aus- und Anziehen, ...). Sie bietet sich als Spielpartnerin eine gelungene Erziehungs- und Bildungspartnerschaft an und reagiert auf die Signale des Kindes. Die Tren- mit den Eltern gelegt wird. Erfahrungsgemäß fällt den El- nungszeiten werden nur bei einer kürzeren Eingewöh- tern die Loslösung von ihrem Kind nicht leichter als dem nungszeit täglich verlängert, bei der längeren Eingewöh- Kind selbst. Daher gilt: nung bleibt der Elternteil am 5. und 6. Tag noch in der Einrichtung. Erste Schlafversuche sollten grundsätzlich Rechtzeitige und frühzeitige Information an Eltern: In nicht vor dem 9. Tag erfolgen. schriftlicher Form wird den Eltern die Wichtigkeit ihrer Anwesenheit und ein ungefährer zeitlicher Ab- Schlussphase lauf der Eingewöhnungszeit (entsprechend der Die Bezugsperson ist nicht mehr in der Einrichtung an- konzeptionellen Verankerung) bereits beim Anmelde- wesend, jedoch telefonisch jederzeit erreichbar. Das Kind gespräch mitgeteilt. hat den Alltag kennengelernt, findet sich im Gruppen- Ein Fragebogen zu Beginn über Vorlieben und raum zurecht und ist dabei, sich in die Gruppe einzufü- Gewohnheiten des Kindes hilft, miteinander ins Ge- gen. Der Übergang vom „neuen“ zum „stabilen“ Grup- spräch zu kommen und bereits im Vorfeld auf indivi- penmitglied dauert einige Wochen und fällt leichter, duelle Bedürfnisse einzugehen. 17
D A S J U N G E K I N D I M K I N D E R G A RT E N Übergangsobjekt: Ein Tuch, ein Stofftier oder ein klei- Achtsamkeit, Beobachtungsgeschick und Geduld gefor- nes Fotoalbum können helfen, auch in der Einrich- dert ist. Als günstig erweist es sich, wenn im Team be- tung die Verbindung mit dem Zuhause herzustellen, sprochen wird, wie die Bezugspädagogin eines Kindes in dadurch gewinnt das Kind Sicherheit. der Eingewöhnungszeit personell unterstützt wird, damit Raum zum Warten: Ein Elternsprechzimmer mit sie wirklich Zeit hat, mit dem neuen Kind eine gute Be- Literatur, ein Tisch mit hohen Stühlen, Kaffee, ... . ziehung aufzubauen. Den Eltern sollte während der Eingewöhnungszeit ein Ort geboten werden, an dem sie sich wohl fühlen. Haltung: Die Pädagogin hat die Aufgabe, mit den El- Folgende Reflexionsfragen des BildungsRahmen- tern im ständigen Kontakt zu bleiben, sie verhält sich Plans unterstützen die vertiefende Auseinander- freundlich, verzichtet auf Bewertungen des Verhal- setzung mit dem Text: tens der Eltern und bemüht sich von sich aus um ei- a) Welche individuellen Eingewöhnungsmaß- nen zugewandten, konstruktiven Kontakt. Sie teilt nahmen wende ich an? positiv Beobachtetes an der Eltern-Kind-Interaktion mit und unterstützt im Prozess des Loslassens. Sie b) Wie gestalte ich die Eingewöhnungsphase, verzichtet auf Ratschläge und fragt nach, wie es den damit eine Bezugsperson kontinuierlich für Eltern und dem Kind mit dieser Transition geht. Sie das neue Kind zur Verfügung steht? spricht ausschließlich positiv über das Kind! Eingewöhnungsgespräche: Ohne Beisein des Kindes c) Wie werden die Eltern über das bestehende sollte sowohl nach dem 6. Tag, als auch nach Been- Eingewöhnungsmodell, sowie über den Erfolg digung der Eingewöhnung ein Gespräch in ungestör- der Eingewöhnung informiert? ter Atmosphäre mit beiden Elternteilen stattfinden. Hier werden u.a. folgende Fragen besprochen: Wie hat sich das Kind zu Hause verhalten, was Literatur: erzählt es? Braukhane Katja, Knobeloch Janina: Das Berliner Haben sich Gewohnheiten Ihres Kindes verändert? Eingewöhnungsmodell – theoretische Grundlagen Waren Sie mit der Zusammenarbeit zufrieden? und praktische Umsetzung. 2011 Ist die Eingewöhnung aus Ihrer Sicht abgeschlossen? Unter: www.kita-fachtexte.de/fileadmin/ Was müsste noch passieren, um die Eingewöhnungs- website/KiTaFT_Braukhane_Knobeloch_2011.pdf phase erfolgreich abzuschließen? Hat Ihr Kind zu einer Fachkraft eine erste Bindung Laewen Hans-Joachim, Andres Beate, aufgebaut? Woran erkennen Sie das? Hédervári Èva: Die ersten Tage in der Krippe. Verlag Luchterland, 2000 Mithilfe dieses Verständnisses von Bildungspartnerschaft Basiswissen Kita: In: Kindergarten heute. mit Eltern ist es möglich, eine Basis des Vertrauens auf- Erfolgreiche Gesprächsführung in der Kita, 2009 zubauen. Dadurch können später auch Schwierigkeiten Unter: www.khbrisch.de/files/brisch_bindung_ oder Erwartungen besser angesprochen und gehört trauma_regensburg_250712_versand.pdf werden. Die Eingewöhnungszeit ist auch für die Pädago- ginnen eine herausfordernde Zeit, in welcher vermehrt Grafik zu „Fünf Schritte bei der Eingewöhnung nach dem Berliner Eingewöhnungsmodell“ siehe Seite 41. 18
D A S J U N G E K I N D I M K I N D E R G A RT E N Wie werden Eltern zu Erziehungspartnerinnen? Andrea Lenger MSc Mag.a Eva Kok-Ertl Die Zusammenarbeit mit Eltern erlebte in den letzten 10 wickelt. Instinktiv haben Eltern vieles richtig gemacht bis 20 Jahren einen Umbruch. Lange war die Garderobe (langsam mit dem Baby gesprochen, es unterstützt, die stillschweigend vereinbarte Grenze, an der die Kinder begleitet, mit ihm gespielt, ...). Sie lieben ihr Kind und „abgegeben“ wurden. Elternarbeit hatte informativen, sind meist intensiv an dieses gebunden. manchmal auch belehrenden Charakter, der Informati- onsfluss war einseitig von der Pädagogin zu den Eltern, Die Pädagoginnen bringen eine Reihe von Fachkompe- sie hatte die Kinder im Umfeld des Kindergartens im tenzen in die Erziehungspartnerschaft ein. Sie sind Blickfeld und gab dazu den Eltern Hinweise, Einschät- Expertinnen für pädagogisches Fachwissen und Handeln, zungen oder auch Ratschläge. Das hatte damals seine für die Entwicklung und Förderung von Kindern, sie ha- Berechtigung, doch viele Eltern, beginnend in Krabbel- ben Erfahrung mit vielen Kindern, auch über einen län- gruppen, signalisieren zunehmend mehr Interesse am geren Zeitraum, sie haben Distanz zum einzelnen Kind Austausch mit der Pädagogin. Diese erleben, dass nicht (im Gegensatz zu den Eltern) und sie verfügen über ein nur das Informationsbedürfnis zunimmt, sondern Eltern Grundwissen über Kommunikation mit Erwachsenen. auch als Kunden mit Wünschen und Bedürfnissen wahr- genommen werden wollen. Erziehungspartnerschaft bedeutet, gemeinsam und im Austausch mit den Eltern für das Wohl des Kindes zu- Eltern haben die längste Beziehung zum Kind, kennen ständig zu sein. Sie lebt davon, die jeweiligen Kompeten- Möglichkeiten der Beruhigung, des Schutzes und haben zen des Gegenübers anzuerkennen und zum Wohl des in den meisten Fällen dazu beigetragen, dass das Kind Kindes miteinander zu kooperieren (vgl. Mienert 2007). Vertrauen in die Welt (auch zu neuen Beziehungen) ent- Worin zeigt sich konkret der Unterschied zwischen Elternarbeit und Erziehungspartnerschaft? Beispiel: ten: Tschüss, Mami kommt gleich wieder, mach‘s gut, Patrick ist knapp 3 Jahre alt, er besucht seit 2 Wochen brauchst keine Angst haben, Mami holt dich bestimmt den Kindergarten und freut sich morgens in die Einrich- gleich wieder ab …“ Patrick hingegen will spielen, tung gehen zu dürfen. Die Verabschiedung fällt der sucht den Kontakt zu einem Freund und ist bereits gut Mutter schwer – sie bleibt meist eine halbe Stunde im integriert. Vormittags wird er müde und schläft ca. um Kindergarten, gibt Patrick vermehrt Bussis mit den Wor- 11.30 Uhr ein. Elternarbeit Erziehungspartnerschaft Die Pädagogin „tröstet“ die Mutter, sagt, alles Die Pädagogin versucht das Verhalten der Mutter sei kein Problem, Patrick gehe es gut. Sie sollte zu verstehen und sich in ihre Situation zu verset- sich nur endlich schneller verabschieden und zen (einziges Kind, Sorge, ob alles gut geht; nicht so oft nachwinken. schwer loszulassen) Tür- und Angelgespräch: Den ganzen Vormittag In Tür- und Angelgesprächen wird laufend schafft er noch nicht, ob er bereits „kindergar- informiert, wie gut Patrick sich einfügt, wie tenreif“ ist, wird in Frage gestellt, weil er vormit- selbstständig er bereits ist, … tags einschläft. Dialogischer Austausch: Am Ende des Vormittags Die Eltern werden gebeten, das Kind früher abzu- ist das Kind müde und schläft ein. Es wird mit holen. den Eltern beraten, ob er früher abgeholt werden oder – entsprechend seinem Bedürfnis – in der Einrichtung schlafen soll. 19
D A S J U N G E K I N D I M K I N D E R G A RT E N Was unterstützt das Gelingen von Erziehungspartnerschaft? Besonders mit dem Blick auf junge Kinder hat man heu- bspw. in Tür-Angelgesprächen zu vermitteln. Dies gilt te erkannt, dass Pädagogik, die das Kind als Akteur insbesondere für Eltern mit Migrationshintergrund. seiner Entwicklung versteht, ohne Eltern gar nicht aus- Perspektivenwechsel, Empathie – sich einzufühlen, kommt. Die Pädagogin respektiert die Eltern und achtet kurzfristig die Perspektive eines Elternteils einzuneh- ihr Expertentum für ihr Kind und sie agiert für das Kind men, ist besonders in der Eingewöhnungszeit von parteilich. großer Bedeutung und kann eine wichtige Vorberei- Erziehungspartnerschaft ist eine bewusste Beziehungs- tung für ein Elterngespräch sein. gestaltung, die von der Pädagogin ausgeht und abhän- Zeit und Geduld – Bildungspartnerschaft entsteht gig von der Haltung und der Einstellung den Eltern ge- nicht von heute auf morgen, sie benötigt für alle genüber ist. Eine förderliche Haltung zeigt sich durch: Beteiligten eine Phase des Einübens. Kontakt auf gleicher Augenhöhe – Nicht nur das Gesprächstechniken (aktives Zuhören, Fragen stellen, Sitzen auf Erwachsenenstühlen schafft die Vorausset- paraphrasieren, …) unterstützen die Haltung und kön- zung, um auf einer Ebene zu kommunizieren, auch nen in Fortbildungsveranstaltungen erlernt und im tägli- die Haltung muss geprägt sein von Vertrauen, Ehr- chen Kontakt erprobt und angewendet werden. Das sind lichkeit und Offenheit. Herausforderungen, welchen mithilfe eines guten Teams, Wertschätzung und Respekt – auch wenn Lebens- geeigneten Fortbildungen und Supervision besser nach- bzw. Erziehungsvorstellungen stark divergieren, ist es gekommen werden kann. Aus unserer Erfahrung ist die- für den Kontakt unumgänglich, die Eltern als Exper- ser Prozess immer wieder eine Herausforderung und nie tInnen für ihre Kinder anzuerkennen und dies täglich abgeschlossen. 20
D A S J U N G E K I N D I M K I N D E R G A RT E N Transitionen sich auf die Altersgruppe 0-4 beziehen. Diese bieten Orientierungshilfen und Anlässe zum Gesprächsaus- Häufig ist der Übergang von der Familie in den Kinder- tausch im Team. garten für alle Beteiligten eine Stresssituation, wobei manche bereits Erfahrungen durch die Betreuung bei Beispiele: Tageseltern oder in einer Krabbelgruppe mit dem gegen- Hat jedes Kind eine vertraute und sichere Bindungs- seitigen Austausch gemacht haben. Unter Transitionen /Bezugsperson in der Gruppe/Einrichtung? werden Veränderungen, die mit dem Eintritt in den Kin- dergarten verbunden sind, verstanden, die wiederum Wie nehmen wir Rücksicht auf das Tempo (z.B. Spra- weitreichende Auswirkungen auf die Identität, die Rol- che, Tagesablauf) der jüngeren Kinder? len und die Beziehungen aller Beteiligten haben können. Was tun wir, damit jüngere Kinder sozial heraus- Erste und wichtigste Beteiligung der Eltern ist die Einge- fordernde Situationen mit anderen gut bewältigen wöhnung ihres Kindes in den Kindergarten. Für die Pä- können? dagogin ist es hilfreich, sich in die Gedankenwelt der Eltern hineinzuversetzen, um deren Überlegungen und Erziehungspartnerschaft ist ein Lernprozess auf beiden Sorgen (hoffentlich weint das Kind nicht den ganzen Seiten, braucht Zeit und erfordert Offenheit, neue We- Vormittag?, bekommt es genug zu essen?, was passiert, ge zu beschreiten. wenn es doch eine Windel braucht? …) zu verstehen. Besonders am Anfang stellen Eltern junger Kinder Fragen nach dem Wohlbefinden (Essen, Schlafen, Beteiligt am Folgende Reflexionsfragen des BildungsRahmen- Gruppengeschehen, …). Es unterstützt die Erziehungs- Plans unterstützen die vertiefende Auseinander- partnerschaft, wenn Pädagoginnen in diesem Punkt setzung mit dem Text: besonders auskunftsfreudig sind und das Tür-Angel-Ge- a) Was hilft uns, Eltern als Erziehungspartnerinnen spräch nutzen, um auch die Familie besser kennen zu anzuerkennen und ihre Perspektive zu lernen. respektieren? b) Was unterstützt mich, kulturelle Widersprüche Maßnahmen und Überlegungen zur auszuhalten (z.B. rigorose geschlechtsspezi- Unterstützung des Aufbaues von fische Erziehung im Elternhaus)? Erziehungspartnerschaften c) Wodurch unterscheidet sich für uns herkömmli- 1. Konzept: Inwieweit werden junge Kinder im Konzept che „Elternarbeit” von einer zeitgemäßen bedacht? Wie wird mit Kindern umgegangen, deren Erziehungspartnerschaft? Sauberkeitsentwicklung noch nicht abgeschlossen ist? 2. Aufnahmegespräch: Können die Eltern bereits die Be- Literatur: zugspädagogin ihres Kindes kennenlernen? Werden Textor M.R.: 25 Jahre Elternarbeit. Rückblick, Fragen gestellt oder nur Informationen gegeben? Draufblick und Ausblick. 3. Tür- und Angelgespräche: Sind die Pädagoginnen Unter: www.kindergartenpaedagogik.de/2174.pdf darauf bedacht, in den ersten Wochen so viel wie 22.8.2011 möglich Positives zu berichten und zu erfragen? Wird ein vertrauensvolles Verhältnis angestrebt? Mienert Malte, Vorholz Heidi: Gespräche mit 4. Eingewöhnungsgespräche: Wird das Gespräch am Eltern, Entwicklungs-, Konflikt- und Ende der Eingewöhnungszeit mit den Eltern gesucht? Informationsgespräche. Inhalt dieser Gespräche ist der Austausch darüber, Bildungsverlag EINS, Troisdorf, 2007 wie es dem Kind zu Hause gegangen ist, wie gut es den Eltern gelungen ist, sich zu trennen, wie gut sich Eva Kok-Ertl, Andrea Langer: das Kind in der Gruppe integriert; …. Wie Bildungspartnerschaft gelingen kann. 5. BildungsRahmenPlan: In der Umsetzung des Landes In: Unser Kinder, Ausgabe 5/2011 Salzburg sind für jeden Bereich Fragen formuliert, die 21
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