INNOVATION AM KIT 2018/2019 - KIT Neuland
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VORWORT INNOVATION MUSS BRÜCKEN SCHLAGEN Liebe Leserinnen und Leser, Innovation ist eine der drei Kernaufgaben des Karlsruher Mit dem Magazin NEULAND wollen wir dazu beitragen, die Instituts für Technologie (KIT) und wird als gleichrangig mit Brücke zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft Forschung und Lehre betrachtet. Basis für die Innovationsakti- zu schlagen. Hier erzählen wir Ihnen packende Geschichten vitäten bilden die etwa 5.000 wissenschaftlichen Beschäftig- von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die ihre ten und circa 25.100 Studierenden des KIT, die den Mut haben, Ideen mit viel Einsatz zu Produkten weiterentwickeln und Unbekanntes zu erforschen und Neuland zu betreten. mit starken Industriepartnern auf den Markt bringen. Bege- ben Sie sich auf eine Reise und erkunden Sie ausgewählte Innovationen entstehen an der Schnittstelle zwischen Grund- Potenziale, Projekte und Produkte, die als Beispiele für die lagenforschung und Anwendung, daher sehen wir es als un- zahlreichen Innovationen am KIT stehen. sere Aufgabe, eng mit der Wirtschaft zusammenzuarbeiten. Dafür braucht es mutige Grenzgänger, die bereit sind, sich Ich freue mich über Ihr Interesse an NEULAND und wünsche auf eine gemeinsame Reise zu begeben und Technologien Ihnen viel Freude bei der Lektüre ausgewählter Innovations- Bild: Markus Breig / KIT gemeinsam bis zur Marktreife weiterzuentwickeln. highlights aus den Jahren 2018 / 2019. Neben dem Transfer in die Wirtschaft wollen wir zukünftig noch stärker den Dialog mit der Gesellschaft fördern. Formate wie der jährliche Innovationstag sollen Einblick in die vielfäl- tigen Forschungsfelder und Innovationsaktivitäten am KIT geben. Uns ist es wichtig, Transparenz zu zeigen, um aktuelle Prof. Dr. Thomas Hirth Vizepräsident für Innovation Technologien zu präsentieren, aber auch um den Bedenken Prof. Dr. Thomas Hirth und Internationales gegenüber technologischen Neuerungen zu begegnen. Vizepräsident für Innovation und Internationales 3
INHALT POTENZIALE PRODUKTE Bilder v.l.o.n.r.u.: Stocksnapper, Pajor Pawel, A Lot Of People, Apple‘s Eyes Studio, Aun Photographer, dailin / alle Shutterstock, bearbeitet von DER PUNKT Speicher in nachhaltigen Händen 12 Zweite Chance für Treibhausgase 40 Das KIT, die Universität Ulm und das Zentrum für Sonnenener- Die Ausgründung INERATEC steht für Reaktoren im Container- gie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg forschen format, mit denen Abfallgase in synthetischen Kraftstoff umge- an Energiespeichern der nächsten Generation. Die Plattform wandelt werden. Besonders Luft- und Schiffsverkehr könnten CELEST schafft dafür einen standortübergreifenden Rahmen. vom grünen Treibstoff profitieren. 12 30 Unter Strom 16 Leuchtende Zukunft 44 Strom ohne Verlust transportieren – Supraleiter machen Michael Heidinger hat eine Schaltung entwickelt, die LED- es möglich. Mit einem neuen Fertigungsverfahren wollen Straßenleuchten energieeffizienter und langlebiger macht. Wissenschaftler des KIT der Technologie den Weg in die Gemeinsam mit Industriepartnern wagt er den Feldversuch. Massenfertigung ebnen. BILANZ PROJEKTE Innovationskennzahlen des KIT 54 Kluge Gebäude – Zufriedene Nutzer 26 40 16 Ausgezeichnet 58 Wissenschaftler des KIT wollen im Projekt ValMoNul die Automation von Gebäuden mit den individuellen Bedürfnis- sen derer Nutzer in Einklang bringen. WEITERE THEMEN Losgröße 1 im Sinne des Patienten 30 „Innovation braucht Grundlagenforschung“ 22 Prof. Fleischer und Jörg Dittus realisieren mit ARBURG die „Künstliche Intelligenz in künstlichen Körpern“ 36 additive Fertigung von faserverstärkten Kunststoffen mit End- losfasern. Die neue Produktionstechnik könnte in Zukunft die Was wurde aus ... 50 26 Maßanfertigung von Prothesen erleichtern. 44 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Magazin auf eine geschlechtsneutrale Formulierung 4 KIT NEULAND 2018/2019 verzichtet. Selbstverständlich richten sich alle Formulierungen gleichermaßen an beide Geschlechter. 5
DEUTSCHER GRÜNDERPREIS FÜR INERATEC HIGHLIGHTS Im September 2018 wurde INERATEC mit dem Deutschen Gründerpreis ausgezeichnet – der bedeutendsten Auszeichnung für erfolgreiche Start-ups und herausragende Um zukunftsweisenden Ideen den Weg in die Anwendung zu Unternehmer in Deutschland. Das Gründerteam mit Wurzeln am KIT entwickelt ebnen, wurden 2018 und 2019 regionale, nationale und interna- und vertreibt chemische Mini-Reaktoren im Containerformat, mit denen beispiels- tionale Kooperationen ausgebaut. Renommierte Preise bestätigen weise überschüssige Solar- oder Windenergie in synthetische Kraftstoffe umgewan- außerdem die herausragende Gründungskultur am KIT. delt werden kann. Die Container lassen sich beliebig erweitern und können durch ihre Kompaktheit dezentral genutzt werden – überall dort, wo bisher ungenutzte Energie entsteht (siehe Seite 40). KRAFTSTOFFE NEU JUBILÄUM: ZEHN JAHRE KIT BEIM INNOVATION DENKEN GAMI IN CHINA FORUM IN TEL AVIV Das KIT, Partner aus der Automobil- Zum zehnten Geburtstag des Global Im Oktober 2018 veranstaltete die industrie und die Landesregierung wol- Advanced Manufacturing Institute Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher len künftig Verfahren zur Aufbereitung (GAMI) in Suzhou, einer Außenstelle Forschungszentren das Innovation Bilder v.l.n.r.: Amadeus Bramsiepe / KIT | KD Busch / e-mobil BW | Marcos González / KIT | synthetischer Kraftstoffe, sogenannte des Instituts wbk, wurde im November Forum, eine Konferenz in Tel Aviv zur „reFuels“, weiter erforschen. Mit dem 2018 die Artificial Intelligence Innova- Eröffnung ihres Auslandsbüros. Auch Franziska Krug / Getty Images | GAMI / KIT | IRM / KIT | Igor Farberov / Helmholtz Ziel, Kraftstoffe zukünftig unter anderem tion Factory (AIIF) eröffnet. Die neue das KIT war vertreten: Prof. Dr. Thomas aus nachhaltig biogenen Reststoffen in deutsch-chinesische Forschungsfabrik Hirth, Vizepräsident für Innovation und großem Maßstab produzieren zu kön- zur künstlichen Intelligenz in der in- Internationales, stellte in seiner Keynote nen, startete im Juli 2018 das Projekt dustriellen Produktion dient als For- Maßnahmen und Erfolgsbeispiele des SPATENSTICH FÜR „reFuels – Kraftstoffe neu denken“. FEIERLICHER ABSCHLUSS schungs- und Schulungsumgebung für 100. GRÜNDERGRILLEN Technologietransfers am KIT vor. FORSCHUNGSFABRIK DES UPCAT#6 Wissenschaftler und Industriepartner. AM KIT Auf dem Campus Ost des KIT entsteht Rund 200 Besucher kamen im Juni 2018 Sich zwanglos mit anderen Gründern aktuell die Karlsruher Forschungsfabrik, zum upCAT Demo Day ins Zentrum für und Netzwerkpartnern austauschen – für die im Januar 2019 der offizielle Kunst und Medien (ZKM). Er bildete den diese Idee liegt dem Gründergrillen am Spatenstich erfolgte. Gemeinsam mit Abschluss des KIT-eigenen Accelerators. CUBE zugrunde, das jeden 3. Donnerstag der Fraunhofer-Gesellschaft möchte Vier Gründerteams wurden über 12 im Monat stattfindet. Rund 150 Personen das KIT dort ab Ende 2020 neue, noch Wochen bei der Ausarbeitung ihrer kamen im Mai 2019 zum 100. Jubiläum, unreife Produktionstechnologien testen Geschäftsideen begleitet. Den finalen um traditionell bei Bratwurst, Drinks und schnell zur industriellen Serienreife Pitch hat das Start-up auvisus für die und Musik zu feiern. Highlight war der bringen – und das mithilfe modernster Entwicklung einer Selbstbedienungskasse Gründerpitch, den das Team von Room- Digitalisierungsmethoden. mit künstlicher Intelligenz gewonnen. PriceGenie für sich entscheiden konnte. 6 KIT NEULAND 2018/2019 7
THEMENTAG DES INNOVATION ERLEBEN KIT-BUSINESS-CLUBS Der KIT-Business-Club betreut seine Mitglieder durch Motto „Mobilität im Umbruch“. Neben innovativen Neue Ideen entwickeln, innovative Technologien kennenlernen, die persönliche Vermittlung von Technologien und Vorträgen und spannenden Diskussionsrunden besuch- sich mit Experten austauschen, Gleichgesinnte treffen, den eigenen Kontakten am KIT und organisiert mehrmals im Jahr ten die 60 Teilnehmer verschiedene Institutslabore Horizont erweitern: Verschiedene Veranstaltungen rund um das exklusive Veranstaltungen wie den Thementag. am Campus Ost des KIT. Das thematisch passende Am 29. November 2018 stand dieser unter dem „Scientific Dinner“ rundete den Tag ab. Themenfeld Innovation fördern den Austausch zwischen Wissen- schaft, Wirtschaft und Gesellschaft. NOVEMBER NEULAND – DER INNOVATIONSTAG AM KIT OKTOBER APRIL Über 750 Besucher kamen am 27. Juni 2018 an den Campus Süd des KIT, um beim Innovationstag EIN ABEND MIT KIT AUF DER HANNOVER NEULAND spannende Technologien, Start-ups FRANK THELEN MESSE INDUSTRIE und Transferprojekte kennenzulernen. Das jährliche Event bietet ein buntes Programm mit über 20 Frank Thelen, Unternehmer und Vom 01. bis 05. April 2019 präsentierte das Bilder v.l.n.r.: INTL / KIT | Patrick Langer / KIT | Markus Breig / KIT | Markus Breig / KIT Seminaren, Ausstellungen und einer spannenden Jurymitglied der Fernsehshow KIT auf der Hannover Messe Industrie ein Keynote am Abend. Wir freuen uns, auch am 10. Juli „Die Höhle der Löwen“, besuchte breites Spektrum an Technologien – vom 2019 wieder zahlreiche Industriepartner, Investoren, am 02. Oktober 2018 das KIT. selbstlernenden System für Sprachüberset- Studierende und Beschäftigte begrüßen zu dürfen. zungen bis hin zur elektronischen Nase. JUNI In seiner Keynote lobte der In- vestor die vielen hochtechnolo- In den Hallen „Research & Technology“ und „Energy“ sowie im Netzwerkpark „Young gischen Gründungen aus dem Tech Enterprises” konnten Besucher ausge- SEPTEMBER KIT und berichtete unter ande- rem, wie Start-ups ihn von wählte Forschungsprojekte und Gründer- teams des KIT kennenlernen. INNOVATION DAY einem Investment überzeugen IN CHINA können. Highlight des inspirie- renden Abends: Ähnlich wie Kooperationen in Asien: Zum dritten in den Bereichen Forschung und Technolo- in der TV-Gründershow durften Mal fand am 11. September 2018 der gietransfer zusammenzuarbeiten. Vor über fünf Start-ups aus dem KIT KIT Innovation Day im chinesischen 100 Gästen präsentierten Vertreter von In- pitchen. Das Siegerteam Suzhou statt. Er bildet eine Plattform stituten des KIT marktreife Technologien INERATEC durfte sich über für Hochschulen und Unternehmen aus rund um die Themen Automation, Mobility ein Einzelcoaching mit Frank China, die Interesse haben, mit dem KIT Systems und Robotics. Thelen als Gewinn freuen. 8 KIT NEULAND 2018/2019
115 Erfindungsmeldungen 2018 wurden 115 Erfindungsmeldungen von Beschäftigten des KIT eingereicht, aus denen 63 Patentanmeldungen hervorgegangen sind. Aus Konzepten und Projekten am KIT entstehen jedes Jahr aufs Neue begeisternde Resultate. Ideen von Studierenden, Beschäftigten und Absolventen des KIT wirken weit über den Campus hinaus. 158 Technologie- 5744 angebote Absolventen Auf der Technologiebörse 2018 haben 5744 Absolventen ihr RESEARCH TO BUSINESS des KIT Studium am KIT abgeschlossen. Ein werden 158 aktuelle und zumeist großer Teil von ihnen geht als High patentgeschützte Technologien Potentials in die Industrie. des KIT zur Verwertung, Kooperation oder Lizenzierung angeboten.
SPEICHER IN NACHHALTIGEN HÄNDEN Das KIT, die Universität Ulm und das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg forschen an Energiespeichern der nächsten Generation. Die Plattform CELEST schafft dafür einen standortübergreifenden Rahmen. MITGLIEDER ZIEL SCHWERPUNKTE 29 Institute und Europäisches Flaggschiff Li-Akkus, 44 wissenschaftliche auf dem Gebiet der Post-Li-Technologien, Gründungsmitglieder elektrochemischen Brennstoffzellen, Batterieforschung Redox-Flow-Batterien Bild: Stocksnapper / Shutterstock, bearbeitet von DER PUNKT Lithium und Kobalt sind kostbare Rohstoffe. Sie bilden die Basis von Lithium-Ionen- Akkus, die nicht nur Mobiltelefone und Laptops mit Strom versorgen, sondern auch immer mehr Elektrofahrzeuge mit Energie speisen. Während die Nachfrage nach leistungsstarken Energiespeichern steigt, nehmen die Rohstoffvorkommen jedoch stetig ab. Hinzu kommen geopolitische Unsicherheiten: Beispielsweise findet man die mit Abstand größten Vorkommen von Kobalt im Kongo – einem von Bürger- kriegen geprägten Land, in dem der Rohstoff teilweise noch immer unter menschen- unwürdigen Bedingungen abgebaut wird. „Es ist an uns Forschern, bereits heute Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft zu erarbeiten“, so Professor Maximilian Fichtner, Direktor von CELEST und stellvertretender Direktor des Helmholtz-Instituts in Ulm (HIU), das am Karls- ruher Institut für Technologie (KIT) initiiert wurde. 12 KIT NEULAND 2018/2019 13
Um die Zusammenarbeit zu stärken und gemeinsame entwickeln, aber gleichzeitig über den Tellerrand zu blicken Forschungsaktivitäten zu verstetigen, haben die Univer- und mit alternativen Rohstoffen zu forschen“, erklärt Profes- sität Ulm und das Zentrum für Sonnenenergie- und sor Helmut Ehrenberg. Er leitet das Institut für Angewandte Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) Materialien – Energiespeichersysteme (IAM-ESS) am KIT und gemeinsam mit dem KIT im Januar 2018 mit CELEST ist als stellvertretender Direktor von CELEST tätig. die größte deutsche Forschungs- und Entwicklungs- plattform für Energiespeichersysteme gegründet. Die Abkürzung steht für Center for Electrochemical „Trotz der räumlichen Distanz ist es Energy Storage Ulm & Karlsruhe. ein riesiger Vorteil, Partner zu haben, Prof. Dr. Maximilian Fichtner und Der Fokus von CELEST liegt auf drei Themenfeldern: mit denen man sich austauschen kann. Prof. Dr. Helmut Ehrenberg im Batterietechnikum des KIT, wo Lithium-Ionen-Technologie, Energiespeicherung jenseits Von der Grundlagenforschung bis hin unter anderem neue Verfahren in von Lithium und alternative Techniken zur elektroche- zur Anwendung können wir von der der Zellfertigung erforscht werden. mischen Energiespeicherung, etwa Brennstoffzellen oder gesammelten Expertise aller CELEST- Redox-Flow-Batterien. „Uns war es wichtig, spezifische Mitglieder profitieren.“ Kompetenzen zu bündeln, ohne thematisch zu sehr Ehrenberg betont außerdem: „Mit CELEST schenken wir ausgebildetes Personal. Schulungen spielen bei CELEST eine eingeengt zu sein. Dies ermöglicht es uns, bestehende Prof. Dr. Helmut Ehrenberg, der Batterieforschung endlich die Aufmerksamkeit, die ge- zentrale Rolle, schließlich bilden qualifizierte Nachwuchs- Technologien wie die Lithium-Ionen-Batterie weiterzu- Karlsruher Institut für Technologie sellschaftlich gefordert wird. Hier können Technologien wissenschaftler die Basis für den Erfolg unserer Forschung.“ im Gesamtkontext getestet werden, statt nur einzelne Komponenten und Prozesse zu betrachten.“ „Wirklich erfolgreich sind wir aber erst dann, wenn unsere Forschungsergebnisse auch auf Interesse seitens der Indust- Aktuell forschen die CELEST-Mitglieder unter anderem an rie stoßen“, betont Fichtner. Ein Jahr nach dem Start von Magnesium- und Natrium-Ionen-Batterien. Diese Rohstoffe CELEST fruchtet die gebündelte Forschungsexpertise bereits. sind in Europa in größeren Mengen vorhanden, ungiftig Verschiedenste Kooperationspartner stehen mit den Forschern EXZELLENZCLUSTER „ENERGY und einfach zu recyceln. Verglichen mit Lithium-Ionen- in Kontakt, beispielsweise Materialhersteller oder Mobilitäts- STORAGE BEYOND LITHIUM“ Batterien verfügen sie zwar über eine geringere Energie- dienstleister. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch das Batte- Die steigende Bedeutung nachhaltiger Energiespeichersysteme verdeutlicht dichte und sind dadurch bei gleicher Leistung wesentlich rietechnikum am Campus Nord des KIT – eine Forschungs- schwerer. „Wenn es um stationäre Anwendungen geht, fabrik, in der Projekte mit hoher Marktnähe umgesetzt werden. Bilder v.l.n.r.: Laila Tkotz / KIT | Andreas Drollinger / KIT der gemeinsame Exzellenzcluster des KIT und der Universität Ulm, welcher seit Januar 2019 im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder für dann ist eine geringe Masse aber auch nicht unbedingt Von der Entwicklung neuer Materialien und Zellen bis hin zunächst sieben Jahre gefördert wird. Aus insgesamt 88 eingereichten Cluster- erforderlich. Da zählt eher, dass das Speichermedium zur Integration in das Gesamtsystem werden hier ganzheit- anträgen wählte die Deutsche Exzellenzkommission den Antrag „Energie- langlebig und kostengünstig ist und man einen ökologisch liche Ansätze in Kooperation mit der Wirtschaft verfolgt. speicherung jenseits von Lithium – Neue Konzepte für eine nachhaltige weniger bedenklichen Fußabdruck hinterlässt. Meine Visi- Ehrenberg und Fichtner blicken optimistisch in die Zukunft: Zukunft“ zusammen mit weiteren 56 Anträgen aus. on ist eine nachhaltige Energietechnologie“, so Ehrenberg. „Gute Grundlagen sind geschaffen. Jetzt liegt es an uns, Zentrales Ziel des Clusters ist es, ein fundamentales Verständnis der elektro- etwas daraus zu machen.“ chemischen Energiespeicherung in neuartigen Systemen zu erarbeiten, Auch im Bereich Aus- und Weiterbildung will man bereits grundlegende Materialeigenschaften mit kritischen Leistungsparametern heute die Weichen für die Zukunft stellen. So laufen ak- zu verbinden und so die Grundlagen für die praktische Nutzung von Post- Lithium-Technologien zu schaffen. Das Zentrum für Sonnenenergie- und tuell Planungen für eine gemeinsame Graduiertenschule. MEHR ZU CELEST Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und die Justus-Liebig- Fichtner erklärt: „Wir wollen der Gesellschaft nicht nur www.celest.de Universität Gießen agieren dabei als Partner. technische Neuerungen bereitstellen, sondern auch gut 14 KIT NEULAND 2018/2019 15
UNTER STROM Strom ohne Verlust transportieren – Supraleiter machen es möglich. Mit einem neuen Fertigungsverfahren wollen Wissenschaftler des KIT der Technologie den Weg in die Massenfertigung ebnen. Bild: Pajor Pawel / Shutterstock, bearbeitet von DER PUNKT EINSATZ ZIEL AUSZEICHNUNG Starke Magnetfelder, Strom- Schlanke Stromtrassen SOFT Innovation trassen, Schiffe, E-Flugzeuge, zur Übertragung hoher Prize der EU für Industrieanwendungen Gleichströme Fusionsforschung Die Energiewende bedingt den Ausbau des deutschen Stromnetzes um mehr als 5.000 Kilometer. Nur so kann die benötigte Energie, die größtenteils im Norden Deutschlands mithilfe erneuerbarer Energiequellen wie Windkraft entsteht, in den Süden transportiert werden. Doch die Vorstellung von großen Freileitungs- Stromterrassen in der Nähe des eigenen Wohnortes löst oftmals eher Unmut in der Bevölkerung aus. Zwar besteht die Möglichkeit, den Strom unterirdisch zu transportieren, allerdings sind die speziellen Erdkabel mit hohen Kosten und hohem Platzbedarf für die Tras- sen verbunden. An einer deutlich effizienteren und leistungsstärkeren Alternative, mit der neue Stromtrassen wesentlich schmaler gebaut werden können, wird am KIT geforscht: Supraleiter. 16 KIT NEULAND 2018/2019 17
Dr. Walter Fietz und Dr. Michael Wolf vor einem supraleitenden Hochstrom- „Wir forschen nicht, um uns Erfinder nennen Demonstrator am ITEP. Hier wurde ein supraleitendes Kabel – bestehend aus zwölf HTS CroCos – getestet, das 35.000 Ampere bei Kühlung mit flüssigem zu können, sondern um die Technologie eines Stickstoff trug. Tages in der Anwendung zu sehen.“ Dr. Walter Fietz Dr. Walter Fietz und Dr. Michael Wolf sind wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Technische Physik (ITEP) und kennen die Vorteile der Technologie: „Supraleiter ermöglichen einen na- hezu verlustfreien Transport von Gleichstrom bei extrem niedri- Geschwindigkeit von etwa 30 Zentimetern pro Minute, aber Aufbau eines HTS CroCos gen Temperaturen. Allerdings erfordert die Handhabung ein sehr das kann sicher bei Bedarf noch erhöht werden“, erklärt großes Knowhow, was die industrielle Anwendung erschwert.“ Wolf. Je nach Bedarf lässt sich die Breite der HTS-Bänder variieren. Ein HTS CroCo, der aus vier und sechs Millimeter Entdeckt wurden Supraleiter bereits 1911. Lange Zeit ging breiten Bändern besteht, hat einen Durchmesser von lediglich Platz für thermische Isolation man davon aus, dass Supraleiter nur unterhalb 30 Kelvin 9,7 Millimetern und kann bei 77 Kelvin etwa 3.100 Ampere (-243°C) funktionieren, was eine Kühlung mit Helium erfor- verlustfrei transportieren. Andere Geometrien wurden aber dert. Eine regelrechte Revolution war 1987 die Entdeckung ebenfalls bereits im Labormaßstab gefertigt und getestet. HTS CroCos von Hochtemperatur- Supraleitern (HTS), die bereits bei 77 Kelvin (-196°C) supraleitende Eigenschaften aufweisen – HTS CroCos können als Basiseinheit für Hochstromkabel die- Kühlflüssigkeit eine wesentlich energiesparendere und dadurch günstigere nen, indem mehrere von ihnen kombiniert werden. In einem Lösung, da HTS-Kabel mit flüssigem Stickstoff gekühlt wer- Demonstrator, der 2018 am KIT errichtet wurde, hat man den den können. Prototypen eines Kabels getestet, das aus 12 HTS CroCos be- 70mm stand. Dieses Kabel trug 35.000 Ampere – ein enorm hoher „Die Basis solcher Leiter bilden dünne Metallbänder, die mit Strom verglichen mit einem normalen Freileitungs-Gleichstrom einer nur zwei Mikrometer dicken Schicht aus supraleiten- mit ca. 2.000 Ampere pro Ader oder einer haushaltsüblichen dem Yttrium-Barium-Kupferoxid versehen werden. Um diese Steckdose mit nur 16 Ampere. Bänder auch im großen Maßstab einsetzen zu können, be- schäftigten wir uns mit der Frage, wie man sie bestmöglich „Nun wollen wir unsere Forschung auch in die Anwendung Bilder v.l.n.r.: Markus Breig / KIT | Dr. Michael Wolf / KIT bündeln kann“, so Fietz. Das Ergebnis ist ein neues Leiter- bringen. Dazu arbeiten wir mit Vision Electric Super Conduc- design, bei dem außen vier Millimeter breite Bänder und in tors als Industriepartner zusammen. Das Unternehmen ist ein IN KOOPERATION ZUM der Mitte sechs Millimeter breite Bänder gestapelt sind. Systemintegrator für schlüsselfertige, supraleitende Systeme MARKTEINTRITT und hat unsere Technologie lizensiert, so Fietz. „HTS CroCo Schematische Darstellung des am KIT entwickelten Kabels VISION ELECTRIC SUPER CONDUCTORS (VESC) hat die Schaut man sich den Leiter im Querschnitt an, erkennt man kann in diversen industriellen Anwendungen Einsatz finden aus zwölf HTS CroCos HTS-CroCo-Technologie lizensiert und baut nun eine eigene die namensgebende Kreuzform des HTS CrossConductors, – von der Anbindung von Solarparks über Spulen zur Erzeu- CroCo-Produktion auf, um das Angebot für supraleitende kurz HTS CroCo. Zur Herstellung wurde am KIT ein von gung großer Magnetfelder bis hin zur Gleichstromversorgung Systeme zu erweitern. Das Unternehmen ist Pionier bei der vorneherein auf industrielle Fertigung und große Längen auf Schiffen oder Hochstromleitungen in künftigen vollelekt- Entwicklung und wirtschaftlichen Anwendung der Supra- ausgelegtes Verfahren entwickelt, in dem die HTS-Bänder in rischen Flugzeugen“, sagt Fietz und ergänzt: Unser nächster leitertechnologie und kann von der besonderen Kompaktheit des HTS-CroCo profitieren. Die am KIT entwickelte Technologie einem Schritt geordnet, zum Kreuz verlötet, falls gewünscht wichtiger Meilenstein ist, zu demonstrieren, dass die CroCos DR. WALTER FIETZ IM INTERVIEW kann zukünftig beispielweise in Elektrolysen oder Datencentern verdrillt und mit Lot auf einen kreisförmigen Querschnitt in großer Länge gefertigt und direkt auf eine Kabeltrommel ZUR IDEE DER CROCOS zum Einsatz kommen. aufgefüllt werden können. „Wir fertigen derzeit mit einer aufgewickelt werden können.“ www.neuland.kit.edu/fietz-video 18 KIT NEULAND 2018/2019 19
FOLGEFÖRDERUNG FÜR KASTEL Die zunehmende digitale Vernetzung erfordert neue Lös- ungen für die IT-Sicherheit. Zur Unterstützung von Grün- dungsprojekten rund um IT-Sicherheit am KIT wurde der TECHNOLOGIEN ENTDECKEN Gründungsinkubator KASTEL initiiert. Dieser wird für wei- tere zwei Jahre durch das Bundesministerium für Bildung Sie sind auf der Suche nach Technologien und Know- & Forschung (BMBF) gefördert, um innovative Ideen in how zur Weiterentwicklung Ihres Unternehmens oder Bild: Markus Breig / KIT diesem Bereich schneller in die Anwendung zu bringen. Produktportfolios? Sie interessieren sich für anwen- Mit dem Start der neuen Förderphase hat sich der Inkuba- dungsnahe Forschung und Entwicklungen mit hohem tor einen neuen Namen gegeben: StartUpSecure KASTEL, Marktpotenzial? Dann registrieren Sie sich für den angelehnt an die Initiative „StartUpSecure“ des BMBF. kostenfreien Newsletter RESEARCH TO BUSINESS oder besuchen Sie unsere Online-Technologiebörse mit über 150 Technologieangeboten. www.kit-technologie.de AUSWEIS FÜR FISCHE Die eindeutige Identifizierung von Edelzuchtfischen, wie den beliebten Koi-Karpfen, könnte mit einem neuartigen „Barcode“, der am KIT entwickelt wurde, noch siche- rer werden. Dabei wird dem Fisch ein flexibler Faden aus biokompatiblem Kunst- stoff mit einem aufgebrachten Strichcode aus Gold unter die Rückenflosse injiziert. Er ist unter der Haut kaum spürbar und der Code wird erst mithilfe von Infrarot- strahlung, bei der die Fische nahezu transparent erscheinen, für die Infrarotkamera sichtbar. Eine Bilderkennungssoftware hilft bei der Auswertung der eindeutigen Bild: Pexels / pixabay Barcodes. Die Technologie wurde ursprünglich für das Tracking von Einzeltieren in medizinischen Untersuchungen oder Versuchsreihen im Schwarm, beispielsweise bei Verhaltensstudien, entwickelt. NEUE FÜGETECHNIK FÜR DEN CFK-LEICHTBAU Faserverbundwerkstoffe, wie karbonfaserverstärkte Kunststoffe (CFK), werden Bild: Shidhartha De / Formula Student Germany aufgrund der Effizienzsteigerung durch Gewichtsreduktion bevorzugt in der Automobil-, Luftfahrt- und Sportindustrie genutzt. Zum Beispiel setzt der Renn- sport schon lange auf CFK-Leichtbauteile. Für den massentauglichen Einsatz fehlt es bisher an kostengünstigen, wirtschaftlichen Verbindungen für Metall- und CFK-Bauteile. Wissenschaftler des KIT haben neuartige hochbelastbare Inserts aus Harz entwickelt, die bereits während der Fertigung von CFK-Sand- wichstrukturen eingebracht werden. Aufgrund der Prozessintegration erübrigen sich nachträgliche Fügeschritte und die Karbonfasern bleiben im Fertigungs- prozess unbeschadet. 21
In der Exzellenzstrategie des KIT spielt interessantes Forschungsergebnis vor- Unterstützung der Wissenschaftlerinnen die Überführung von Forschungsergeb- liegt, sollten sich Wissenschaftler mit der und Wissenschaftler bei der Verwertung. nissen in Wirtschaft und Gesellschaft Frage nach der Verwertung beschäftigen. Das darf man nicht dem Zufall über- eine wichtige Rolle. Wie hängen Trans- Hier gilt es, unsere Beschäftigten best- lassen. fer und Innovation zusammen? möglich zu unterstützen. Prof. Hirth: Dabei ist es wichtig zu zei- Prof. Hirth: Der Wissens- und Techno- gen, dass ein wissenschaftliches Paper logietransfer ist eine integrative Aufga- und ein Patent nicht im Widerspruch be von Forschung, Lehre und Innovati- „Es braucht Beharrlich- stehen, solange man die richtige Reihen- on. Alle drei Säulen sind dafür verant- keit, um Innovationen folge einhält. Die Dienstleistungseinheit wortlich, Ergebnisse nach außen zu IRM steht hier gerne beratend zur Seite. voranzubringen.“ tragen – in welcher Form auch immer. Das Besondere am KIT ist die Vielfalt Prof. Dr. Thomas Hirth In welcher Form greifen die beiden der Themen und daraus resultierend Ressorts Forschung und Innovation auch der Innovationen. Diese Vielfalt am KIT konkret ineinander? wollen wir auch nach außen darstellen. Wo liegen die Herausforderungen? Prof. Hirth: Im Zuge der Exzellenzstra- Transfer ist dabei aber nicht als Ein- Prof. Hirth: Die große Herausforderung tegie wurde deutlich, dass wir auf allen INTERVIEW bahnstraße zu verstehen, es geht eher besteht darin, Forschungsthemen mit Ebenen zusammenarbeiten müssen, um die Wechselwirkung im Zusammen- Innovationspotential zu identifizieren. um das KIT voranzubringen. Das be- spiel mit Wirtschaft und Gesellschaft. Bei der Vielzahl von Instituten ist es trifft nicht nur die Ressorts Forschung Prof. Kraft: Als Helmholtz-Zentrum ist nicht immer einfach, alle Erfindungen und Innovation, sondern das gesamte es unsere Aufgabe, Ergebnisse für die zu kennen. Hier müssen die wissen- Präsidium und dessen Verantwortungs- Gesellschaft nutzbar zu machen. Wir schaftlichen Beschäftigten auch Eigen- bereiche. Gemeinsam müssen wir die Prof. Dr. Oliver Kraft, Vizepräsident für Forschung (links) können uns nicht nur auf den reinen initiative zeigen. Das KIT muss aber Technologien identifizieren, die Perspek- und Prof. Dr. Thomas Hirth, Vizepräsident für Innovation Erkenntnisgewinn konzentrieren. Viel- auch die entsprechenden Rahmenbedin- tive haben. Ein gutes Beispiel für die und Internationales (Mitte) mehr geht es um die Verwertbarkeit der gungen schaffen und die nötigen Res- Zusammenarbeit sind die Zentren des Ergebnisse. Die Grundlagenforschung sourcen für Ausstattung und Beschäftig- KIT, in denen zentrale Forschungsthe- „ Innovation braucht legt quasi den Grundstein für Transfer te zur Verfügung stellen. Hinzu kommt men gebündelt werden. und Innovation. die Beharrlichkeit, die es braucht, um Prof. Kraft: An den KIT-Zentren findet Innovationen voranzubringen. man eine gute Mischung aus exzellenter Wie können Ergebnisse aus der Forschung und erfolgreichen Verwer- Grundlagenforschung.“ Grundlagenforschung noch besser Innovationen entstehen oft eher tungsinitiativen. Die Zentren dienen genutzt werden? zufällig. Sollte es trotz Zufall eine aber auch als Schaufenster, um die Er- Prof. Kraft: Es hilft nicht, sich von An- Strategie geben? gebnisse der Außenwelt sichtbar zu fang an zu sehr darauf zu versteifen, was Prof. Kraft: Eine Strategie ist wichtig – machen. Das spiegelt auch ein wenig Bild: Markus Breig / KIT man mit Forschungsergebnissen anstellt. und zwar ab dem Zeitpunkt des Er- unsere Rolle als Vizepräsidenten wider. Erkenntnisorientierte Forschung legt den Grundstein für zukünftige Stattdessen geht es bei der Grundlagen- kenntnisgewinns. Hier müssen wir Während ich eher als Innenminister Innovationen. Professor Dr. Hirth und Professor Dr. Kraft sprachen forschung um die Freiheit der Forschung sicherstellen, dass die richtigen Mecha- des KIT agiere, übernimmt Professor und den reinen Erkenntnisgewinn. Erst nismen greifen, etwa die Absicherung Hirth – im übertragenen Sinne – die über das Zusammenspiel der beiden Ressorts am KIT. wenn dieser Schritt erfolgt ist und ein der Erfindung über Patente und die Rolle des Außenministers. 22 KIT NEULAND 2018/2019 23
1.949 Schutzrechte Das KIT hält ein Portfolio von 1.949 Schutzrechten, von denen circa 65 Prozent im Rahmen von Verträgen verwertet sind. Auf dem soliden Fundament von Forschung und Lehre können am KIT zielgerichtet Innovationsprojekte aufgebaut und, dank der guten Infrastruktur und Organisation, durchgeführt werden. Die jüngsten Erfolge sind der Beweis für die Kreativität und Leistungskraft. 40 31 Preise Millionen Euro Das KIT hat 2018 31 Millionen für innovative Ideen, Technologien Euro an Mitteln aus der Industrie und Verfahren wurden 2018 an eingenommen. wissenschaftliche Beschäftigte oder Gründungen des KIT vergeben.
KLUGE GEBÄUDE – ZUFRIEDENE NUTZER Wissenschaftler des KIT wollen im Projekt ValMoNul die Automation von Gebäuden mit den individuellen Bedürfnissen derer Nutzer in Einklang bringen. Bild: A Lot Of People / Shutterstock, bearbeitet von DER PUNKT PROJEKTPARTNER ZIEL EINSATZ ABB AG, Verbesserte Gebäude- Öffentliche Gebäude Fraunhofer IBP, automation in Hinblick und Nutzgebäude, KIT, auf Energieeffizienz z.B. Bürokomplexe, RWTH Aachen und Raumkomfort Hotels, Schulen Fahrzeuge parken selbstständig ein, der Kühlschrank bestellt automatisch Lebens- mittelnachschub – das Internet der Dinge hält immer stärkeren Einzug in unser Leben. Auch Zweckgebäude wie Bürokomplexe, Fertigungshallen oder Kranken- häuser werden zunehmend von der Digitalisierung geprägt und zu sogenannten Smart Buildings umgerüstet. Häufig empfinden Gebäudenutzer diese Automation je- doch als Eingriff in die individuelle Gestaltung ihres räumlichen Umfeldes. Dies be- trifft beispielsweise einen Klassiker des Büroalltags: Die Klimatisierung von Räumen. Zu kalt, zu warm, zu stickig – ein zentral gesteuertes Raumklima führt nicht selten zu chronischem Unmut. „Werden die Bedürfnisse der Nutzer missachtet, hat dies nicht nur negative Folgen für die Energieeffizienz der Gebäude, sondern auch für die Produktivität und das Wohlbefinden der Mitarbeiter. Unser Ziel ist es, die Senkung des Energiebedarfs mit einer Komfortsteigerung für die Gebäudenutzer in Einklang zu bringen“, so Prof. Andreas Wagner, Professor für Bauphysik und Technischen Ausbau sowie Prodekan für Forschung der Fakultät für Architektur am KIT. 26 KIT NEULAND 2018/2019 27
PD Dr. Marcel Schweiker, Prof. Andreas Wagner und Dr. Dirk John in einem der Räume des LOBSTER, wo Komfort und Nutzerverhalten unter kontrollierten Bedingungen untersucht werden können. THERMISCHE UND VISUELLE ZUFRIEDENHEIT IN ABHÄNGIGKEIT DER KONTROLLMÖGLICHKEITEN Nutzer haben Einflussmöglichkeit auf die Raumtemperatur Nutzer haben Einflussmöglichkeit auf die Lichtsituation Gesamt- zufriedenheit Kann die Temperatur kontrol- „Wir müssen einen integralen liert werden, haben die visu- sehr zufrieden architektonischen Ansatz finden, Zufriedenheit mit visuellen Bedingungen Zufriedenheit mit visuellen Bedingungen elle und thermische Zufrieden- 40 40 40 heit das gleiche Gewicht auf der Raumgestaltung, technische die Gesamtzufriedenheit. Gebäudeausrüstung und die indi- 20 20 20 Wenn nur die Lichtverhältnisse viduellen Bedürfnisse der Nutzer in Einklang bringt.“ 0 0 0 kontrolliert werden können, aber nicht die Temperatur, ist - 20 - 20 −20 der Einfluss der thermischen Prof. Andreas Wagner Zufriedenheit drei Mal so - 40 - 40 −40 hoch, wie der, der visuellen - 40 - 20 0 20 40 - 40 - 20 0 20 40 sehr unzufrieden Zufriedenheit. Zufriedenheit mit thermischen Zufriedenheit mit thermischen Bedingungen Bedingungen Für die Akzeptanz von künstlicher Intelligenz in Gebäuden ist es entscheidend, den Nutzer nicht in seinen Freiheiten zu beschränken und ein Gefühl von Fremdbestimmung zu vermeiden. Neben der Individualität der Nutzer darf auch Seit Juni 2015 forscht das KIT im Verbundprojekt ValMoNul und dort als Verbundleiter des Projekts ValMoNul verantwortlich die Individualität der jeweiligen Gebäude nicht außer Acht – ein Akronym für „Validierung und Modellierung von Nut- für Komfort- und Nutzerverhaltensforschung. gelassen werden. Ziel ist ein Ergebnis, das sich auf andere zerinteraktionen sowie deren algorithmischer Implementie- Gebäude übertragen lässt und gleichzeitig über so viele rung in der Gebäudeautomation“. Das Projekt wird in enger Mit der ABB AG – einem weltweit führenden Anbieter von Pro- Stellschrauben wie möglich verfügt. Kooperation mit den Lehrstühlen für Energieeffizientes dukten im Bereich Gebäudeautomation – konnte ein Partner für Bilder v.l.n.r.: PD Dr. Marcel Schweiker / KIT | Bernd Seeland / KIT Bauen (E3D) und Gebäude- und Raumklimatechnik (EBC) das Projekt gewonnen werden, welcher die Ergebnisse aus In- Um eine solche Lösung zu erarbeiten, wollen sich die Part- der RWTH Aachen, dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik dustriesicht bewertet und so eine möglichst hohe Verwertbarkeit ner künftig noch tiefgehender mit multiplen Einflussfaktoren (IBP) und dem Industriepartner ABB bearbeitet. sicherstellt. Die Algorithmen, die nach Auswertung der am KIT beschäftigen, wie etwa dem Zusammenspiel von visuellen, DER TESTSTAND LOBSTER durchgeführten Experimente zum Nutzerverhalten aufgestellt thermischen, olfaktorischen und auditiven Einflüssen. „Dazu 2013 wurde am KIT ein Raumklima-Teststand errichtet, um Automatisierungskonzepte und Regelungsstrategien, etwa werden, sollen frühestmöglich eine Prüfung auf Marktfähigkeit ist es uns wichtig, in Zukunft auch weiterhin Psychologen Komfort und Nutzerverhalten unter kontrollierten Bedingungen für Raumklima und Beleuchtung, werden bereits in vielen durchlaufen. „Wir implementieren die Algorithmen direkt auf sowie Partner aus dem Facility-Management mit einzubin- untersuchen zu können. LOBSTER steht für Laboratory for Occu- Gebäuden eingesetzt. Allerdings weichen die prognostizier- Controllern von ABB mit dem Ziel, diese irgendwann auch an den. Nur wenn wir den Menschen interdisziplinär betrach- pant Behaviour, Satisfaction, Thermal Comfort and Environment ten Bedarfswerte häufig stark von der Realität ab. „Grund den Markt zu bringen. Dabei ist es uns wichtig, ein System zu ten, können uns intelligente Systeme in Zukunft optimal Research. Der Teststand bietet realitätsnahe Versuchsbedingungen und ist mit umfangreicher Technik ausgestattet, wie etwa Raum- dafür ist mitunter, dass man sich am Verhalten eines entwickeln, das über einen gewissen Zeitraum die Bedürfnisse unterstützen“, betont PD Dr. Schweiker. klimasensoren und körperbezogenen Sensoren sowie einer eige- Durchschnittsnutzers orientiert, welches in keinster Weise der Nutzer kennenlernt und korrekt interpretieren kann, sodass nen meteorologischen Station auf dem Dach. Mithilfe von zwei das Verhalten aller Nutzer widerspiegelt“, erklärt PD Dr. diese sich langfristig wohlfühlen“, sagt Dirk John, der das Pro- identischen, momentan als Büros ausgestatteten Testräumen, MEHR ZUM RAUMKLIMA-TESTSTAND: Marcel Schweiker. Er ist akademischer Mitarbeiter im jekt mit initiiert hat und es seitens ABB als globaler Produktma- sind sowohl vergleichende Studien als auch eine Verdoppelung www.lobster-fbta.de Fachgebiet Bauphysik und Technischer Ausbau am KIT nager Digitalisierung im Bereich Smart Buildings begleitet. der Probandenzahl bei minimalem Mehraufwand möglich. 28 KIT NEULAND 2018/2019 29
LOSGRÖSSE 1 IM SINNE DES PATIENTEN Prof. Jürgen Fleischer und Jörg Dittus realisieren mit ARBURG die additive Fertigung von faserverstärkten Kunststoffen mit Endlosfasern. Die neue Produktionstechnik könnte in Zukunft die Maßanfertigung von Prothesen erleichtern. KOOPERATION ZIEL EINSATZ „Industry on Campus“ Additive Fertigung von Prototyping, im ARBURG Innovation Faserverbundwerkstoffen Kleinserienfertigung, Center mit Endlosfasern Individualanfertigung Bild: Apple‘s Eyes Studio / Shutterstock, bearbeitet von DER PUNKT Die ersten Versuche, fehlende Körperteile durch körperfremde Komponenten zu ersetzen und so die Funktionalität zu erhalten, machten bereits die Etrusker in der Antike. Sie fixierten verlorengegangene Zähne mit Golddrähten, um störende Zahnlücken zu überbrücken. Viel komplexere und funktionellere Prothesen und Implantate sind dank der voranschreitenden Entwicklung in der Medizintechnik heute keine Seltenheit mehr: Sie ersetzen Körperteile, beispielsweise durch Bein- prothesen, oder übernehmen eigenständig lebenswichtige Funktionen innerhalb des Körpers, wie etwa Herzklappenimplantate. Stahl und Titan sind bis dato das Material der Wahl, wenn es um die Belastbarkeit und Biokompatibilität der künstlichen Ersatzkomponenten geht. Bedingt durch die Forderung nach einer wirtschaftlichen Fertigung werden metallische Prothesen meist in großen Stückzahlen in einer massenkompatiblen Geometrie produziert. Sonderanfertigungen sind mit erheblichen Mehrkosten verbunden. 30 KIT NEULAND 2018/2019 31
Mit einer richtungsweisenden additiven Fertigungstech- Die additive Fertigung spielt ihre Vorteile vor allem aus, Martin Neff, Abteilungsleiter für Kunststoff-Freiformen bei nik für faserverstärkte Kunststoffe (FVK) schaffen die wenn Komponenten individuell in Einzelanfertigung ARBURG berichtet: „Wir haben einige Kunden, die im Bilder v.l.n.r.: Patrick Langer / KIT | Amadeus Bramsiepe / KIT Forscher Prof. Jürgen Fleischer und Jörg Dittus vom wbk oder Kleinserie profitabel angefertigt werden sollen. Spritzgießen faserverstärkte Materialen einsetzen und mit Institut für Produktionstechnik des KIT mit Unterstüt- „Wir sehen großes Potenzial im Bereich der Medizin- der additiven Fertigung einen Mehrwert bieten wollen. zung der Spezialisten des Maschinenbauers ARBURG technik. Hier ist das Ziel, genau eine maßgefertigte und Denn diese ersetzt nicht etablierte subtraktive oder Spritz- GmbH + Co KG die besten Voraussetzungen für maß- robuste Prothese in Losgröße 1 herzustellen, die optimal gießverfahren, sondern ist eine sinnvolle Ergänzung dazu.“ gefertigte, medizinische Prothesen und Medizinprodukte an den Patienten angepasst ist“, konkretisiert Prof. Flei- Ob das Verfahren zukünftig in Werkstätten den Prototypen- aus druckbaren Faserverbundwerkstoffen. scher. Mit FVK seien feste Funktionsbauteile herstell- test für Prothesen erleichtert oder sogar verkaufsfähige Pro- bar, aus denen hochbelastbare Prothesen mit geringem thesen für den Patienten gefertigt werden, wird sich in Zu- „Additiv gefertigte Kunststoffe mit Faserverstärkung bringen Gewicht gefertigt werden könnten. Davon würden aber kunft zeigen. durch ihre Materialeigenschaften Vorteile in der Flexibili- nicht nur die Medizintechnikhersteller profitieren, son- tät und Individualisierung. Wir erreichen im Vergleich zu dern vor allem die Patienten: Passgenaue Prothesen FASERVERSTÄRKTE KUNSTSTOFFE Metallbauteilen eine hohe gewichtsspezifische Festigkeit erhöhen den Tragekomfort und sichern eine einwand- IM EINSATZ und Performance“, erklärt Dittus, der im Rahmen seiner freie Funktionalität. www.neuland.kit.edu/FVK-Anwendungen Promotion an der additiven Fertigung von Faserverbund- bauteilen für den Leichtbau forscht. Auf der Grundlage des geschützten Verfahrens ARBURG Kunststoff-Freifor- men (AKF) und einer speziell entwickelten Fadenzu- führeinheit für die Verstärkungsfaser ist es den Projekt- partnern im ARBURG Innovation Center am KIT gelungen, Im ARBURG Innovation Center am KIT: Prof. Dr. Jürgen Fleischer FVK-Teile aus Kunststoff mit sogenannten Endlosfasern, (Institutsleiter des wbk), Martin Neff (Abteilungsleiter Kunststoff- Freiformen bei ARBURG) sowie die Wissenschaftler der Arbeits- beispielsweise aus Glas oder Kohlenstoff, additiv herzu- ARBURG INNOVATION CENTER gruppe Leichtbaufertigung des wbk Florian Baumann, Sven Coutandin stellen – sozusagen den 3D-Druck für faserverstärkte AM KIT (Oberingenieur Leichtbaufertigung) und Jörg Dittus (v.l.n.r.) Kunststoffteile. Um die langjährige, gute Zusammenarbeit zwischen dem wbk Institut für Produktionstechnik des KIT und dem „Die Endlosfasern werden mithilfe einer Fadenzuführeinheit Maschinenbauunternehmen ARBURG GmbH + Co KG zu direkt beim schichtweisen Auftragen des Kunststoffs in das verstetigen, wurde 2016 das ARBURG Innovation Center Bauteil implementiert. Bisher gibt es eine industrietaugliche (AIC) als physische Präsenz am Campus Süd des KIT eröff- „Die additive Fertigung ist eine ver- Prozessierung nur für Kurzfasern“, so Dittus. „Die additi- net. Im AIC stehen mehrere Form- und Freiformspritzgieß- gleichsweise junge technologische ve Fertigung mit Endlosfasern ist ein wenig bespieltes Feld. maschinen aus dem Hause ARBURG sowie ein Roboterarm zur Verkettung verschiedener Fertigungsschritte, die den Entwicklung. Es motiviert mich, Wir haben das prozesstechnische Know-how aufgebaut und wissenschaftlichen Beschäftigten des KIT optimale techno- ein solch neues Feld mitzugestalten in die Prototypenentwicklung einfließen lassen.“ Der Pro- logische Möglichkeiten für die anwendungs- und industri- und so die Produktionstechnik von totyp der Fadenzuführeinheit wurde in den „freeformer“, enahe Forschung ermöglichen. Im Rahmen der strategi- das additive Fertigungssystem von ARBURG, integriert und schen Forschungskooperation liegt der Schwerpunkt auf Morgen zu prägen.“ durchläuft aktuell eine Testphase zur Prozesssicherheit. Mit innovativen Produktionstechniken für Polymerwerkstoffe. Jörg Dittus dem starken Partner ARBURG und der Anwendungsbreite des AKF-Verfahrens stehen zahlreiche Kunststoffe und Spe- DETAILS ZUM PROJEKT zialkunststoffe, insbesondere für die Medizintechnik, www.neuland.kit.edu/AIC-im-R2B bereits als Standardgranulat zur Verfügung. 32 KIT NEULAND 2018/2019
MULTIRESISTENTE KEIME Über das Abwasser von Kliniken, Pflegeheimen, häuslichen Bereichen, Schlachthöfen und landwirtschaftlichen Betrieben gelangen täglich große Mengen Antibiotika in die Umwelt. Als Folge darauf entwickeln immer mehr Bakterien Multire- sistenzen. Sie entziehen sich der Wirkung von Antibiotika und erschweren somit die Therapie bei einer Erkrankung. Die derzeitige Wasseraufbereitung in Kläranlagen filtert multiresistente Bakterien jedoch nur teilweise heraus. Im Verbundprojekt HyReKA untersuchen Forscher des KIT die Bild: Institut für Mikrostrukturtechnik / KIT Verbreitung der Bakterien und bewerten Maßnahmen, um die Erreger effektiv aus dem aufbereiteten Wasser zu entfer- nen. Unter anderem gelang es ihnen Bakterien so weit zu reduzieren, dass sie kaum noch nachweisbar sind. Möglich wird dies durch Ultrafiltration, bei der das Wasser durch extrem feine Membranstränge fließt. Aktuell soll die Ultra- filtrationsanlage zur Serienreife gebracht werden. Bild: Sandra Göttisheim / KIT PEROWSKIT-SOLARMODULE AUS DEM DRUCKER Im Rahmen des Projekts PRINTPERO arbeiten deutsche und griechische Forscher sowie Industriepartner an digital gedruckten Solarmodulen auf Basis von Perows- kit-Halbleitern. Solarzellen auf dieser Basis über- Bild: Wikimedia Commons / By Bin im Garten, CC BY-SA 3.0 zeugen durch ihre Effizienz und erzielen im Labor AGILE PRODUKTIONSYSTEME MITTELS KÜNSTLICHER INTELLIGENZ bereits Wirkungsgrade von mehr als 23 Prozent. Darüber Eine interdisziplinäre Forschungsgruppe am KIT entwickelt Schritte dieses Prozesses manuell und nicht vernetzt durch- hinaus sind sie äußerst stabil und erfüllen vielfältige ein agiles Produktionssystem, das sich autonom und dynamisch geführt, da der qualitative Zustand der einzelnen Bauteile zu architektonische Anforderungen zur Integration in an wechselnde Produktspezifikationen anpasst. Das Projekt unterschiedlich ist. Die Lösung ist ein Produktionssystem, Gebäuden. Der neuartige Herstellungsprozess basiert unterliegt der Federführung des Instituts für Produktionstechnik das auf künstlicher Intelligenz basiert und alle relevanten Teil- auf digitalen Druckverfahren und ermöglicht die Fer- (wbk) und setzt sich aus Forschern der Bereiche Maschinenbau, systeme integriert, um die individuell bestmögliche Lösung tigung in industriellem Umfang. Die Forscher entwi- Elektrotechnik, Informationstechnik und Informatik zusammen. zu ermitteln. Durch multimodale Sensoren werden Umwelt- ckeln Prototypen, die sich in Größe, Form und Farbe Das Ziel ist die Entwicklung einer Demonstrator-Fabrik für informationen erfasst, welche von kollaborierenden, mobilen frei gestalten lassen. Zudem werden druckbare lumi- das Remanufacturing von Elektromotoren, die in einem agilen und autonomen Robotern genutzt werden, um ihre Handlungs- neszierende Schichten entwickelt, um unterschiedliche und automatisierten Prozess demontiert und für die Wieder- strategien anzupassen. Die Carl-Zeiss-Stiftung fördert das Farbeindrücke zu realisieren und die Zellen vor UV- verwendung aufbereitet werden sollen. Bisher wurden viele Projekt mit drei Millionen Euro. Strahlen zu schützen. 34 KIT NEULAND 2018/2019 35
Seit über 20 Jahren forschen Sie an hin zu Unterwasser- und Weltraum- können verantwortungsvolle Entschei- robotischer KI. Was macht diesen explorationen. dungen treffen, die Konsequenzen unse- Bereich für Sie so spannend? res Handelns vorhersagen und aus Feh- Prof. Asfour: Robotik kann künstliche Roboter übernehmen also die Aufgaben lern lernen. Von solchen Fähigkeiten ist Intelligenz greifbar und erlebbar ma- von Menschen? die heutige KI noch weit entfernt. chen. Oft wird KI mit intelligenten Al- Prof. Asfour: Ja, aber wir wollen die gorithmen und deren Anwendung auf Menschen nicht ersetzen. Uns geht es Sie haben im Projekt SecondHands große Datensätze, wie bei der Verarbei- darum, die Lebensqualität der Menschen einen Roboter entwickelt, der nun tung natürlicher Sprache oder der Ana- zu verbessern. Zum Beispiel durch Un- auch in der Industrie eingesetzt wird. lyse von Bilddaten, assoziiert. KI in der terstützung bei der Arbeit in gefährlichen Was ist das Ziel? INTERVIEW Robotik beschäftigt sich mehr mit der Erschaffung von Systemen, die Bewe- gungen generieren und durch physische oder gesundheitsschädlichen Situationen, etwa der Arbeit mit schweren Lasten oder in kontaminierten Umgebungen. Prof. Asfour: In diesem Projekt entwi- ckeln wir einen humanoiden Roboter, der Techniker bei Wartungsaufgaben in Interaktion mit der Welt lernen. Natürlich dürfen wir trotzdem die Augen Lagerhäusern unterstützt. Dabei geht es vor den Folgen technischer Entwicklun- nicht nur um die Entwicklung der Me- Wann macht es Sinn, Robotern eine gen nicht verschließen, sondern müssen chatronik, sondern auch um die Ent- menschliche Gestalt zu geben? die Konsequenzen bedenken. wicklung der KI, die hinter diesen Fä- Prof. Dr. Tamim Asfour Prof. Asfour: Ich kenne keine andere higkeiten steckt. Der Roboter ARMAR-6 zusammen mit dem Roboter ARMAR-6 Körpermorphologie, die so vielseitig kann mit Menschen Hand-in-Hand kol- „Meine Forschung hat und performant ist, wie der menschli- laborieren und dabei erkennen, wann che Körper. Außerdem tragen das men- nicht das Ziel, Menschen ein Mensch Hilfe benötigt und diese auf „Künstliche Intelligenz schenähnliche Aussehen und Bewe- zu ersetzen, sondern eine proaktive Art und Weise anbieten. gungsverhalten zu einer intuitiveren deren Lebensqualität Er wird aktuell im Logistik-Lager eines Mensch-Roboter-Interaktion bei. Das zu erhöhen.“ britischen Online-Warenhauses getestet. in künstlichen Körpern“ Wissen, dass sich ein Roboter wie ein Mensch bewegt, vereinfacht uns die Prof. Asfour Die Tatsache, dass die Roboter die Ge- Vorhersage von Roboterbewegungen. stalt von Menschen haben, verstärkt Sind künstliche und menschliche sicher die Ängste der Menschen? Welche Einsatzszenarien sehen Sie? Intelligenz vergleichbar? Prof. Asfour: Menschen stehen disrupti- Professor Dr. Tamim Asfour leitet den Lehrstuhl für Hochperformante Prof. Asfour: Humanoide Roboter sind Prof. Asfour: Was man heute als künst- ven Technologie oft skeptisch gegenüber. nicht auf eine bestimmte Aufgabe spe- liche Intelligenz bezeichnet, ist nicht Das ist speziell bei humanoiden Robo- Humanoide Technologien (H²T) am Institut für Anthropomatik und zialisiert, wie in der klassischen Auto- wirklich intelligent. Es sind meist Al- tern auch der Fall. Allerdings entsteht Robotik am KIT. Dabei ist er unter anderem für die Weiterentwicklung mation. Es sind Systeme, die aus Be- gorithmen, die Muster und Zusammen- hier schnell eine viel engere Verbindung der ARMAR-Roboter verantwortlich, für deren Fähigkeiten Künstliche obachtung des Menschen und aus ei- hänge in großen Datensätzen, dank als bei anderen Roboterformen. Ich bin Intelligenz (KI) eine wichtige Rolle spielt. Die KI ist auch das Thema des gener Erfahrung lernen und so in der bekannter Modelle und hoher Rechen- überzeugt, dass Menschen humanoide Bild: Laila Tkotz / KIT Lage sind, selbständig vielseitige Auf- leistung, finden. Hier sind Maschinen Roboter als unabdingbare Werkzeuge diesjährigen Wissenschaftsjahres, einer Initiative des Bundesministe- gaben zu erfüllen. Die Einsatzgebiete den Menschen überlegen. Dafür sind und Helfer im Alltag ansehen werden, riums für Bildung und Forschung, dessen Ziel der Austausch zwischen reichen von Haushalt, Pflege, Produk- wir Menschen kreativ, verstehen auch wenn diese den entsprechenden Reife- Gesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik ist. tion, Wartung und Inspektion bis komplexe, unstrukturierte Probleme, grad erreicht haben. 36 KIT NEULAND 2018/2019 37
1,57 Millionen Euro 2018 hat das KIT 44 neue Lizenz- und Über- tragungsverträge abgeschlossen, die den Gesamtbestand von etwa 640 Verträgen 21 ergänzen. Daraus wurden 1,57 Millionen Euro Lizenzeinnahmen erwirtschaftet. Gründungen 21 neue Unternehmen wurden 2018 am KIT gegründet. Wird neues Wissen angewendet, so entstehen Produkte, die sich dem Wettbewerb stellen müssen. Aus dem KIT gehen jedes Jahr vermarktbare Produkte hervor, die auch wirtschaftlich erfolgreich sind. 9 Beteiligungen Das KIT beteiligt sich aktuell an 9 Gründungen aus der Wissenschaft.
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