Zukunft der digitalen Gesundheitsversorgung - Digitale Modellregion Gesundheit Dreiländereck 2018 - 2023 ZWISCHENBERICHT DEZEMBER 2020

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Zukunft der digitalen Gesundheitsversorgung - Digitale Modellregion Gesundheit Dreiländereck 2018 - 2023 ZWISCHENBERICHT DEZEMBER 2020
Zukunft der digitalen
Gesundheitsversorgung
Digitale Modellregion Gesundheit Dreiländereck 2018 – 2023
ZWISCHENBERICHT DEZEMBER 2020

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Zukunft der digitalen Gesundheitsversorgung - Digitale Modellregion Gesundheit Dreiländereck 2018 - 2023 ZWISCHENBERICHT DEZEMBER 2020
Inhalt
ZWISCHENBERICHT DEZEMBER 2020

1.       Thematische Relevanz                 3   4.    Ressourcen            48
1.1      Zukunft der Gesundheitsversorgung        4.1   Personal              49
         im ländlichen Raum                   4   4.2   Finanzierung          51
1.2      FoKoS-Forschungsschwerpunkt              4.3   Kooperationspartner   52
         „Digitale Gesundheitsversorgung“     6

                                                  5.    Terminkalender
2.       Entwicklung der DMGD                8          2020/2021             55
2.1      Strategisches Konzept                9
2.2      Meilensteine                        13
2.3      Projektübersicht                    37   6.    Pressespiegel         61

3.       Strategischer Ausblick              46   7.    Anhang                63

Impressum
Herausgeber:
Dr. Olaf Gaus
+49 271 740-4988
olaf.gaus@uni-siegen.de, www.dmgd.de

Gestaltung:
Forschungskolleg der Universität Siegen
Sina Müller

© FoKoS 2020

V. i. S. d. P.:
Forschungskolleg der Universität Siegen
Weidenauer Str. 167, 57076 Siegen,
+49 271 740-3857, -4932
fokos@uni-siegen.de, www.fokos.de

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Zukunft der digitalen Gesundheitsversorgung - Digitale Modellregion Gesundheit Dreiländereck 2018 - 2023 ZWISCHENBERICHT DEZEMBER 2020
1.   Thematische Relevanz

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Zukunft der digitalen Gesundheitsversorgung - Digitale Modellregion Gesundheit Dreiländereck 2018 - 2023 ZWISCHENBERICHT DEZEMBER 2020
1.1            Thematische Relevanz / Zukunft der Gesundheitsversorgung

1.1 Zukunft der Gesundheitsversorgung
    im ländlichen Raum

• Alle Länder der BRD sind relativ von regionaler Ab-                    In vielen Kreisen zeichnet sich ein signifikanter Ärz-
   wanderung und urbaner Zuwanderung in Metropolen                        temangel ab. Eine Vielzahl der Kommunen steht in-
   betroffen.                                                             zwischen auf der Liste des Ministeriums für Arbeit,
• Regionale Abwanderung/urbane Zuwanderung sind                          Gesundheit und Soziales (MAGS) der Gemeinden in NRW,
   relevante Standortfaktoren für Bildungs- und Gesund-                   in denen eine hausärztliche Unterversorgung droht. Der
   heitsversorgung.                                                       Mangel wird vor allem bei der Betrachtung der hausärzt-
• Hochleistungsversorgung in urbanen Zentren ist                         lichen Patientenversorgung deutlich, wenn man sich
   nicht anschlussfähig an lokale und regionale digitale                  die Entwicklung der Arztzahlen sowie die Altersstruktur
   Versorgung.                                                            der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden
• Regionale digitale Versorgungsstrukturen benötigen                     Mediziner anschaut. Durch die kassenärztliche Bundesver-
   experimentelle Ansätze wie in der DMGD.                                einigung (KBV) bereitgestellte Gesundheitsdaten zeigen,
                                                                          dass das Durchschnittsalter der Hausärztinnen und Haus-
Die Region Dreiländereck Hessen, Nordrhein-Westfalen,                     ärzte in der KV-Region Westfalen-Lippe im Jahr 2017
Rheinland-Pfalz weist prägende strukturelle und demogra-                  55,7 bis 57 Jahre betrug, was, gemessen an den KV-Regionen,
fische Gegebenheiten im Hinblick auf die gesundheitliche                  dem höchsten Durchschnittsalter bundesweit entspricht.
Versorgung auf. Die ärztliche und vor allem primärärztliche               Einige Kreise der Region liegen bereits über diesem Wert,
Gesundheitsversorgung steht vor stetig wachsenden                         wie zum Beispiel der Märkische Kreis mit 58,4 Jahren.
Herausforderungen. Besonders in ländlichen, struktur-                     Schaut man sich zudem die regionale Arztdichte an, so
schwächeren (Teil-)Regionen sind Defizite hinsichtlich der                lässt sich feststellen, dass etwa 60 Hausärztinnen und
flächendeckenden medizinischen Versorgung immanent.                       Hausärzte je 100.000 Einwohner behandeln.

Bevölkerungsentwicklung in den Landkreisen der DMGD

Anteil der über 64-Jährigen (2017)                                        Anteil der über 64-Jährigen (2035, Prognose)

      Hochsauerlandkreis    21,8%                                              Hochsauerlandkreis     30,8%
              Kreis Olpe    19,9%                                                       Kreis Olpe    29,6%
Kreis Siegen-Wittgenstein   21,3%                                         Kreis Siegen-Wittgenstein   26,8%
       Kreis Altenkirchen   22,0%                                               Kreis Altenkirchen    31,3%
          Lahn-Dill-Kreis   21,9%                                                  Lahn-Dill-Kreis    29,4%

Quelle: Berlin-Institut, Datengrundlage: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Kartenmaterial: © GeoBasis-DE/BKG 2017;
https://www.spiegel.de/wirtschaft/30-jahre-wiedervereinigung-was-die-deutschen-eint-und-trennt-a-ba8505d7-12eb-49a8-9c0b-92f7c94fd409

                                                                                                                                        4
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1.1          Thematische Relevanz / Zukunft der Gesundheitsversorgung

Als Gründe dieser Entwicklung können zum einen der                                                „Belastbare Erkenntnisse
demografische Wandel und damit die zusammen-                                              zu der Frage, wie sich die Situation in den
hängende Zunahme von altersbedingten Krankheits-                                         nächsten Jahren entwickeln wird, liegen der
fällen und Behandlungsbedarfen genannt werden, die                                               Bundesregierung nicht vor.“
besonders in ländlichen Gebieten zu vermerken sind.
Zum anderen stellen das Ausbleiben ärztlichen Nach-                                                    Dr. Thomas Gebhart
                                                                                                   Parlamentarischer Staatssekretär,
wuchses und die Neubesetzung von bestehenden Praxen                                 Antwort auf schriftl. Frage an die Bundesregierung im Sept. 2020,
einen Faktor dar, der die künftige Sicherstellung                                                   BT-Drucks. 19/22308, S. 92 - 94
der Gesundheitsversorgung negativ beeinflussen
kann. Aus demografischer Sicht betrug der Anteil der                          Gemäß dieser Entwicklung ist absehbar, dass sich die
50- bis 64-jährigen Menschen im Jahr 2016 23,2 %,                             Zahl der hausärztlich tätigen Mediziner in den nächsten
der der über 65-jährigen 21,4 %. Eine Prognose lässt                          Jahren weiter reduzieren wird, so dass weniger Ärzt*innen
erkennen, dass allein in Südwestfalen der Anteil                              die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung sicher-
der über 65-Jährigen bis 2036 auf 33,7 % steigen                              stellen. Wie viele strukturschwächere Räume ist auch
wird, während der Anteil aller anderen Altersklassen                          die Region Südwestfalen vom Phänomen der ärztlichen
abnimmt. Dieser Verlauf findet sich zudem in der                              Landflucht betroffen. Viele Praxen können demnach
Entwicklung des regionalen Arbeitsmarktes wie-                                nicht neu besetzt werden. Auch Niederlassungen bleiben
der. Die Verschiebung der Altersstruktur hat zu einer                         oft aus, was häufig dem finanziellen Risiko in ländlichen
Diskrepanz zwischen den Zu- und Abgängen auf dem                              Regionen wie Südwestfalen zuzuschreiben ist. Dazu
Arbeitsmarkt geführt. Im Jahr 2019 wird die Zahl der                          kommen hohe Arbeitsbelastungen und die Entlohnung,
Renteneintritte die der Berufseinsteiger überschreiten.                       die nicht selten als unangemessen wahrgenommen wird.

Aktuell unbesetzte Hausarztstellen in Deutschland

                                                                                              11.000
                                                                                                                                                   **

      2.124           2.636                     3.280                  *

      2015              2017                       2019                                                      2030 (Prognose)
* Bedingte Vergleichbarkeit mit den Vorjahren aufgrund angepasster Verhältniszahlen im Rahmen der Bedarfsplanungsreform
** Schätzung der KV (https://kommunal.de/aerztemangel-sind-25-kilometer-zur-praxis-zumutbar)
Eigene Darstellung. Datenquelle: Bundestagdrucksache 19/22308, S. 92 - 94, 11.09.2020

Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG)

A. PROBLEM UND ZIEL                                                           B. LÖSUNG
• Datengetriebene Gesundheitsversorgung                                      • Zugang digitaler Innovationen erleichtern
• Digitale Gesundheitsanwendungen                                            • Innovative telemedizinische Versorgungsangebote
• Telematikinfrastruktur                                                        forcieren
• Anwendung von Telemedizin                                                  • Die Telematikinfrastruktur ausbauen
• Verwaltungsprozesse                                                        • Innovative Versorgungsansätze
•K  rankenkassen
   ►Digitale Innovationen                                                     C. ALTERNATIVEN
• Innovationsfonds                                                           Keine
• Regelversorgung
• Forschungszwecke

                                                                                                                                                        5
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1.2     Thematische Relevanz / Forschungsschwerpunkt „Digitale Gesundheitsversorgung“

1.2 FoKoS-Forschungsschwerpunkt
   „Digitale Gesundheitsversorgung“

Der Forschungsschwerpunkt „Digitale Gesundheits-                      Wenn ich insgesamt schaue, glaube ich,
versorgung“ betrachtet aus der Perspektive der inter-               dass Sie hier mit einer Dynamik an die Sache
disziplinären Forschung Fragestellungen, die sich mit              herangehen, die zeigt, dass sie selbst Lust darauf
dem Einsatz digitaler Technologien für die Zukunfts-                    haben – das ist ja das Entscheidende.
sicherung und Optimierung der Gesundheitsversorgung
                                                                                      Jens Spahn
befassen, derzeit fokussiert auf solche Länder, die über
                                                                                Bundesgesundheitsminister,
eine hochentwickelte technologische Infrastruktur                     Diskussion zur Zukunft der ländlichen Versorgung
verfügen. Der Forschungsschwerpunkt steht aus der                                 im FoKoS am 23.05.2019
Perspektive der Universität Siegen betrachtet nicht iso-
liert dar, sondern nimmt konsequent die in dem Projekt      Zugang zum Gesundheitssystem durch Nutzung digitaler
"Medizin neu denken" kulminierten Forschungstätig-          Werkzeuge bei. Im Folgenden seien aktiv bearbeitete
keiten von Wissenschaftler*innen aller Fakultäten           Projekte in diesem Schwerpunkt genannt. Diese bündeln
der Universität zu technisch/naturwissenschaftlichen,       sich einerseits in den Teilprojekten der Projektinitiative
gesellschaftlichen und ökonomischen Fragestellungen         "Digitale Modellregion Gesundheit Dreiländereck",
auf, die für eine Weiterentwicklung von Gesundheits-        leisten darüber hinaus aber auch Beiträge zur Erfor-
systemen relevant sind. Damit steht dieser Forschungs-      schung des Einsatzes innovativer Technologien für die
schwerpunkt in enger Verbindung mit den Themen              Verbesserung medizinischer Prozesse generell oder
und Strukturen der im Aufbau befindlichen Lebens-           liefern grundlegende Beiträge zur Entwicklung
wissenschaftlichen Fakultät und ergänzt diese um die        innovativer Technologien für die Nutzung im Kontext
FoKoS-spezifische Form des interdisziplinären wissen-       medizinischen Handelns. Letzteres zeigen die neuen Pro-
schaftlichen Diskurses. Inhaltlich tragen die Forschungen   jekte des FoKoS zur Digitalen Gesundheitsversorgung,
in diesem Schwerpunkt zur Weiterentwicklung des             die auch den Aspekt der regionalen und internationalen
universitären Projekts "Medizin neu denken" und der         Vernetzung in besonderer Weise berücksichtigen.
dort zentralen Zielsetzung der Zukunftssicherung der
Gesundheitsversorgung in Regionen mit erschwertem           • D
                                                              as Projekt „New Medical Realities“ wird mit
                                                              finanzieller Unterstützung der Sparkasse Siegen und der
                                                              Beteiligung von drei der vier Siegener Kliniken umge-
                                                              setzt. In diesem Projekt ist das Ziel, neue technologisch
                                                              gestützte Potenziale für Diagnostik und Therapie auf-
                                                              zuzeigen und zu erforschen. Der Fokus liegt dabei auf
                                                              den Technologien der virtuellen Realität (VR), der
                                                              augmentierten/erweiterten Realität (AR) und der
                                                              Holografie, die prä- und postoperativ den Patienten im
                                                              Rahmen von Krankheitsbildern wie Adipositas, Reflux
                                                              und Rückenleiden unterstützen sollen.

                                                                                                                         6
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1.2     Thematische Relevanz / Forschungsschwerpunkt „Digitale Gesundheitsversorgung“

• D
  as Projekt „After-lab-on-a-chip“ beschäftigt sich        IMSAS der Universität Bremen und dem MESA+-
  mit der Erforschung implantierbarer miniaturisierter      Institut der Universität Twente (NL) zeigen die
  Blutanalysesysteme zur Erfassung und kontinuierlichen     nationale und internationale Vernetzung, die diesem
  Überwachung relevanter Blutbestandteile. Das Projekt      Projekt zugrunde liegt.
  nimmt Arbeiten im Bereich der Miksrosystemtechnik
  und der Nanochemie wieder auf, die in früheren           • A
                                                              us dem Schwerpunkt heraus gründete sich darüber
  Jahren erfolgreich an der Universität Siegen etabliert     hinaus vom FoKoS mit-initiiert und moderiert das
  wurden (Cμ) und stellt sie in den Kontext des FoKoS-       Gerontologie-Netzwerk Siegen „GeNeSi“, das Alterns-
  Projektbereichs „Digitale Gesundheitsversorgung“           forschung als breit interdisziplinäre Aufgabe versteht
  und des Projekts „Medizin neu denken“. Hier sind For-      und unter Beteiligung von Wissenschaftler*innen aller
  schende der Universität Siegen aus drei Fakultäten         fünf Fakultäten der Universität und in enger Kooperation
  beteiligt. Ein Kooperationsnetzwerk u.a. mit dem           mit dem Institut für Gerontologie in Dortmund betreibt.

VORBEREITUNG DES INNOVATIONSFONDSANTRAGS
Einen weiteren konkreten Beleg dafür, wie das FoKoS                    Das FoKoS ist ein wichtiger Baustein
mit seinen Initiativen in die Gesellschaft hineinwirkt               in diesen Gesprächen und wir brauchen
und, damit verbunden, neue zentrale Akteure gewinnt,                  die Meinungen und die Ideen und das
liefert die Initiative zur Beantragung eines Innofonds-                      Wissen der Universität.
projektes beim Gemeinsamen Bundesausschusses. Um
die Forschungsprojekte der "Digitalen Modellregion                            Anke Fuchs-Dreisbach
Gesundheit Dreiländereck", die zunächst in Form von                   Landtagsabgeordnete NRW (CDU), Mitglied im
                                                                        Ausschuss Arbeit, Gesundheit und Soziales
sozialempirischen und technischen Studien entstehen,
in Entwicklungsprojekte mit Anwendungscharakter
für die Modellregion zu überführen, war es für die         ca. 70 Arztpraxen der Modellregion professionell
Kooperationspartner FoKoS und LWF wichtig, zentrale        handhaben zu können, wurde die Gesundheitsregion
Akteure des Gesundheitswesens anzusprechen, um ei-         Siegerland als Ärztenetzwerk gewonnen.
nerseits die inhaltlichen wie formalen Anforderungen
eines Innovationsfondsantrages erfüllen zu können,         Für die inhaltliche Ausrichtung der Themen des
und andererseits die kommunalen Partner und                Innovationsfondsprojektes haben FoKoS und LWF sich
Kooperanden des Gesundheitswesens, wie etwa nieder-        in mehrfacher Hinsicht sowohl wissenschaftlich als
gelassene Ärztinnen und Ärzte im Dreiländereck,            auch anwendungsbezogen unter Einwerbung weiteren
einen evidenzbasierten Nutzen bei der Umsetzung            Knowhows verstärkt. Die vier Teilprojekte des Inno-
innovativer telemedizinischer Prozesse anbieten zu         vationsfondantrages, die sich mit telemedizinischen
können. Aus der Sicht der gewonnen Partner auf Seiten      Fragestellungen der 1. ärztlichen Delegation und der
der Krankenkassen (AOK Rheinland-Pfalz/Saarland,           Weiterbildung nicht-ärztlichen Personals, 2. der Auf-
AOK Nordwest, Barmer Ersatzkasse, IKK Classic)             zeichnung und Mobilisierung von Gesundheitsdaten
kommt es im Einklang mit den Zielen des Innovations-       durch Patienten selbst oder ausgebildete Helfer*innen,
fonds darauf an, solche Innovationen zu einem              3. die Auswertung solcher Daten für den befundenden
wissenschaftlichen Reifegrad gebracht zu haben,            Arzt/die Ärztin durch KI-basierte Methoden und
der nach einer i.d.R. dreijährigen Projektlaufzeit ein     Algorithmen sowie 4. die intersektorale und inter-
Entwicklungsergebnis erkennen lässt, das seinem            professionelle Zur-Verfügung-Stellung von Gesund-
Gesamtnutzen entsprechend in die Regelversorgung der       heitsdaten unter dem Erlaubnisvorbehalt durch den
Kassen aufgenommen werden kann.                            Datenbesitzer, der i.d.R. Patient*in ist. Schließlich wird
                                                           dieses Themenfeld angereichert durch die Akzeptanz-
In diesem Kontext ist eine Kooperation mit der             forschung, die Geschäftsmodellforschung für digitale,
Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL)        telemedizinische Praxen der Zukunft sowie die
besonders wichtig, weil sie das Scharnier zwischen         gesundheitsökonomische Basis des Gesamtprojektes,
den niedergelassenen Ärzten und den Krankenkassen          die für das zwingend erforderliche Evaluationskonzept
bildet, insbesondere dann, wenn es um die Abrechenbar-     verantwortlich zeichnet. Für alle diese vier Themen-
keit von Gesundheitsleistungen geht. Um schließlich        felder sind ausgewiesene Konsortialpartner aus
die Kooperation mit und die Koordination von               Wissenschaft und Wirtschaft gewonnen worden.

                                                                                                                    7
Zukunft der digitalen Gesundheitsversorgung - Digitale Modellregion Gesundheit Dreiländereck 2018 - 2023 ZWISCHENBERICHT DEZEMBER 2020
2     Entwicklung der DMGD
2.1   Strategisches Konzept

2.2   Meilensteine

2.3   Projektübersicht

                              8
Zukunft der digitalen Gesundheitsversorgung - Digitale Modellregion Gesundheit Dreiländereck 2018 - 2023 ZWISCHENBERICHT DEZEMBER 2020
2.1     Entwicklung der DMGD / Strategisches Konzept

2.1 Strategisches Konzept

Das Forschungskolleg der Universität Siegen (FoKoS)       strukturen und Anwendungskompetenzen für die
hat gemeinsam mit der Lebenswissenschaftlichen            Gesundheitsversorgung in ländlichen Räumen entwi-
Fakultät der Universität Siegen (LWF) ein Gesamt-         ckelt werden. Der Entlastungsansatz einer zukünftigen
konzept und eine Strategie zur „Digitalen Modell-         gesundheitlichen Versorgung weist den niedergelasse-
region Gesundheit“ entwickelt. Ziel des Vorhabens         nen Medizinern eine Schlüsselrolle zu. Sie nehmen für
ist der Aufbau einer Datenmedizin zur Entlastung der      eine Absicherung des intersektoralen Versorgungssys-
ländlichen Gesundheitsversorgung.                         tems eine unersetzbare Position ein. Darum soll das
                                                          Mittel der ärztlichen Delegation durch eine erweiterte
Das Konzept der „Digitalen Modellregion Gesundheit        Einbindung von medizinischem Assistenzpersonal dazu
Dreiländereck“ basiert auf den Komponenten                dienen, die Gesprächs- und Behandlungszeit zwischen
                                                          Arzt und Patient zu erhöhen. Im Rahmen der Vitalda-
• D elegation und Weiterbildung von Medizinischen        tenaufnahme hätten zudem Patienten selbst mehr
   Fachangestellten,                                      Möglichkeiten, im Austausch mit dem nicht-ärztlichen
• intersektoral initiierte Vitaldatenaufnahme und        medizinischen Personal auch selbst aktiv zum Behand-
   -transfer durch Patienten,                             lungsprozess und damit auch zur eigenen Gesunderhal-
• Nutzung von künstlicher Intelligenz (KI) zur Daten-    tung und Prophylaxe beizutragen.
   auswertung,
• intersektorale wie interprofessionelle Anwendung von   Der Innovationsbereich KI/Data Science, als ein Herz-
   Gesundheitsdaten                                       stück der Datenmedizin, beschäftigt sich mit der Frage,
• sowie Einbindung von Telemedizin und Einsatz von       wie Bereitstellung und Auswertung medizinischer Daten,
   TeleDocs.                                              sofern vom Patienten als Eigentümer der Gesundheits-
                                                          daten erlaubt, maschinell gestaltet werden können. Der
Ziel des Vorhabens ist es, die Forschungsergebnisse       Konzeptbestandteil „TeleDocs“ soll, durch zusätzliche, in
in die Anwendung und schließlich in die Regelver-         der Telemedizin tätige ärztliche Fachkräfte, weitere Ent-
sorgung zu überführen. Dazu muss der Zugang zu            lastungsmöglichkeiten durch Arbeitszeitflexibilisierung
digitalen Innovationen erleichtert und nötige Infra-      und überlokale Beratungsangebote schaffen.

                                                                                                                 9
Zukunft der digitalen Gesundheitsversorgung - Digitale Modellregion Gesundheit Dreiländereck 2018 - 2023 ZWISCHENBERICHT DEZEMBER 2020
2.1     Entwicklung der DMGD / Strategisches Konzept

MODULARER AUFBAU DES KONZEPTS

M1 Datenerfassung                                                                   M4 Datenanwendung
Individuelle Gesundheitsdaten werden mittels tech-                                  Behandlungen und Therapien für PatientInnen erfolgen
nischer Geräte und Sensoren von den PatientInnen                                    durch Empfehlungen der MedizinerInnen auf der Grund-
selbst erfasst, welche somit aktiv und selbstbestimmt                               lage durch KI-ausgewerteter individueller Gesundheits-
an der individuellen Prophylaxe und am Gesundheits-                                 daten. Über die Art der Interventionen entscheidet der
monitoring teilhaben. Die benötigten Daten und die                                  behandelnde Arzt unter Wahrung der Datenautonomie
Häufigkeit der Aufzeichnungen werden dabei durch den                                der PatientInnen.
behandelnden Arzt empfohlen.
                                                                                    M5 Interdisziplinäre vernetzte Versorgungspraxis
M2 Datentransfer                                                                    Eine moderne Datenmedizin verlangt die Anwendung
Durch sichere digitale Transferlösungen werden zu-                                  individueller Gesundheitsdaten im intersektoralen
vor erfasste Gesundheitsdaten für die Versorger, wie                                Umfeld des Gesundheitswesens. Arztpraxen, Kliniken
niedergelassene MedizinerInnen, Kliniken und Pflege-                                und Pflegeeinrichtungen sollen in der Lage sein, auf
einrichtungen in eine Datenhaltung überführt. Dies                                  PatientInnendaten zuzugreifen und diese für medizi-
geschieht unter Anwendung standardisierter Daten-                                   nische Untersuchungen und therapeutische Zwecke
formate im Gesundheitswesen.                                                        zu nutzen. Bedingung dafür bleibt die Freigabe der
                                                                                    Gesundheitsdaten durch den jeweiligen Patienten.
M3 Datenhaltung und -auswertung
Gesundheitsdaten werden mit Zustimmung von Patient-                                 M6 Akzeptanz & Ethik
Innen/ProbandInnen in einer Datencloud gespeichert.                                 Moderne Datenmedizin muss verpflichtend ethische An-
Durch kryptografische Verfahren wird die Sicherheit                                 forderungen erfüllen. Dazu gehört auch, ob Grundwerte
dieser Gesundheitsdaten gewährleistet. Eine integrierte                             wie Gerechtigkeit, Vertrauen sowie Verhältnismäßigkeit
Datenanalyse ist in der Lage, die Gesundheitsdaten                                  und Angemessenheit von datenmedizischen Verfahren
unter Verwendung von Methoden künstlicher Intelligenz                               gegeben sind. Neben diesen normativen Fragestellungen
auszuwerten und für gesundheitliche Zwecke zur Ver-                                 geht es auch um die empirische Erforschung des Akzeptanz-
fügung zu stellen.                                                                  verhaltens aller am Prozess beteiligten Personen.

                  BK1                                      BK2                                    BK3                                  BK4

             BEGLEITENDE                         PROJEKTMANAGEMENT                       ENTREPRENEURSHIP                      INTERDISZIPLINÄRE
            WEITERBILDUNG                                                                                                         FORSCHUNG
       von Patienten/Probanden und              Projektkoordination, Wissen-         Ausgründungen aus Forschung              Projekte und Studien im
       Therapeuten im Umgang mit                stransfer, Kooperationen mit               und Entwicklung                      Bereich der digitalen
           technischen Geräten                    Unternehmen und Politik                                                     Gesundheitsversorgung

                   M1                                       M2                                    M3                                   M4

          DATENERFASSUNG                            DATENTRANSFER                       DATENHALTUNG UND                      DATENANWENDUNG
                                                                                          -AUSWERTUNG
       Mobile Erfassung individueller          Sichere, fehlerfreie und mobile           Cloud-basierte Daten-               Anwendungspotenziale der
         Gesundheitsdaten durch                  Übertragung der Daten an            speicherung; Kryptographische          Daten in Praxen und Kliniken
         den Patienten/Probanden                 Server und Versorger unter            Verfahren; Automatisierte           im Rahmen von Interventionen,
       mittels technischer Geräte und              Anwendung moderner                Datenanalyse (z.B. Big Data, KI)       Behandlungen und Therapien;
                  Sensoren                       Kommunikationsstandards                                                    Arten und Formen von Feed-
                                                                                                                                 back an Patienten

                                                      INTERDISZIPLINÄRE VERNETZTE VERSORGUNGSPRAXIS
                         M5                                    Erprobung und Evaluierung digitaler Lösungen
                                                           im medizinischen Umfeld (Kliniken, Praxen, Pflege etc.)

                                                                          AKZEPTANZ & ETHIK
                         M6             Nutzergruppenspezifische Anforderungen und Akzeptanzfaktoren, Wertebasierte Untersuchungen
                                             (z.B. Autonomie, Vertrauen, Gerechtigkeit, Privatsphäre), Partizipation der Stakeholder

                                                                                                                                                           10
2.1        Entwicklung der DMGD / Strategisches Konzept

BK1 Begleitende Weiterbildung                                                                                                     BK3 Entrepreneurship
PatientInnen, ProbandInnen sowie ärztliches und nicht-                                                                            Die Möglichkeit der Ausgründung zukunftsrelevanter
ärztliches Personal werden im Umgang mit technischen                                                                              Technologien, Prozesse und Dienstleistungen aus
Geräten geschult. Die entstehenden Anwendungs-                                                                                    Forschung und Entwicklung, sowie die Sicherstellung
kompetenzen helfen dabei, digitale Innovationen in die                                                                            der unternehmerischen Nachhaltigkeit von Projekten,
medizinische Regelversorgung zu bringen.                                                                                          ist ein fundamentaler Teil der DMGD-Forschungs- und
                                                                                                                                  Entwicklungsprojekte.
BK2 Projektmanagement
Das Projektmanagement der interdisziplinären Forschung                                                                            BK4 Interdisziplinäre Forschung
wird koordiniert durch das FoKoS, das damit auch den                                                                              Themen aus Forschung und Entwicklung im Bereich der
Wissenstransfer sichergestellt. Ebenso kooperiert das                                                                             intersektoralen Gesundheit werden am Forschungskolleg
Management bei der Umsetzung von Projekten mit                                                                                    in interdisziplinärer Besetzung und mit interprofessioneller
Unternehmen und der Politik.                                                                                                      Kooperation vorangetrieben. Projektteams setzen sich aus
                                                                                                                                  WissenschaftlerInnen aller Faktultäten der Universität Sie-
                                                                                                                                  gen zusammen, die mit KollegInnen weltweit kooperieren
                                                                                                                                  mit dem Ziel eine moderne Datenmedizin zu entwickeln.

PROJEKT-MATRIX                  Entwickelt von: Dr. Olaf Gaus, Dr. Kai Hahn, Alexander Keil, Marius Müller
                                                                                                                           Interdiszipl. vernetzte

                                                                                                                                                     M6 Akzeptanz und Ethik

                                                                                                                                                                                              BK2 Projektmanagement
                                                                                    Datenhaltung und

                                                                                                                           Versorgungspraxis
                                                                                                       M4 Datenanwendung

                                                                                                                                                                                                                      BK3 Entrepreneurship

                                                                                                                                                                                                                                             Interdisziplinäre
                                             M1 Datenerfassung

                                                                                                                                                                              Weiterbildung
                                                                 M2 Datentransfer

                                                                                    -auswertung

                                                                                                                                                                              Begleitende

                                                                                                                                                                                                                                             Forschung
                                                                                                                                                                                                                                                 BK4
                                                                                                                                                                                 BK1
                                                                                        M3

                                                                                                                                 M5

            Red DataHealth
                      Stadt Wissen

                           NäPa
                  Kreis Altenkirchen

                 DataHealth
          Gem. Burbach/Hickengrund

                          TMVZ

      Digitale Praxis Haiger
                       Stadt Haiger

                         DIPRA
                     Stadt Kreuztal

                     DigiDocs
                        Lennestadt

                     MeDiKuS
                     Stadt Sundern

               Delphi Studie

      BusinessCase Telemed
                   Stadt Attendorn

               eHealth First
                     Stadt Netphen

              HealthAngels
                     Stadt Betzdorf

  Digital HealthConnect
                   Westerwaldkreis                                                                                                                                                                                                                               IMPACT:

       DataHealth Banking                                                                                                                                                                                                                                         HIGH
                     Stadt Sundern

                     iMonitor                                                                                                                                                                                                                                    MEDIUM
                  Kreis Altenkirchen

                MeDiKuS 2.0                                                                                                                                                                                                                                       LOW
                     Stadt Sundern

                                                                                                                                                                                                                                                                         11
2.1     Entwicklung der DMGD / Strategisches Konzept

PROZESSVERLAUF EINER DIGITALEN UND ANWENDUNGSBEZOGENEN DATENMEDIZIN

Das Prozessbild verdeutlicht die Vorstellung von einer
Datenmedizin, wie sie in der Digitalen Modellregion
Gesundheit Dreiländereck entwickelt wird. Mittels
gem. MPG- und künftig der EU-Medizin-
produkteverordnung „EU-2017/745“-konformer
und gleichzeitig einfach zu bedienender
Messgeräte werden Vitaldaten wie Blut-
zuckerwerte, Blutdruck (Langzeitmoni-
toring und Wechsel von Ruhe- und Be-
lastungswerten sowie Erkennen von Be-
lastungsspitzen), Puls (Früherkennung
von Herz-/Kreislauferkrankungen), EKG
(Messung von Extrasystolen und
Rhythmusstörungen), Sauerstoffsättigung
(Asthma, Pneumonie COPD, Symptome
bei Lungenbeschwerden erkennen wie
Husten, Bronchitis, chronisch obstruktive
Lungenerkrankung, periphere Durchblutungs-
störungen, periphere arterielle Verschlüsse)
sowie Körpergewicht (BMI, Dosierung Medika-
mente i. V. m. § 31a SGB V) von den Patienten
selbst in ihrer häuslichen Umgebung erhoben und
gesichert (entsprechend der Vorgaben § 291 SGB V).

Anschließend werden sie über eine Smartphone-App als           jedem Fall bekommen die Patienten ein datengestütztes
mobile Daten (entsprechend der Patientenfreigabe bzw.          medizinisches Feedback im Rahmen des Arzt-Patienten-
des Patientenwunsches) an einen Edge-Cloud-Server              Gesprächs, das die Grundlage für jede medizinische Inter-
übermittelt. Dabei ist sichergestellt, dass sensible Pa-       vention bildet. Der Erfolg dieser Intervention wird über
tientendaten ausschließlich auf Servern in Deutschland         das fortgesetzte Monitoring der Vitaldaten gemessen und
gespeichert und verarbeitet. In der Edge-Cloud werden          als Optimierung im Change-of-Management-Konzept
diese Vitaldaten mit Hilfe von KI-basierten Algorithmen        bewertbar gemacht.
ausgewertet und können mit der elektronischen Patienten-
akte (ePA) oder anderen digitalen Aktensystemen                Der Datenzugriff ermöglicht zudem Delegationsmodelle,
(bspw.       elektronische     i/e-healthNRW-Fallakte)         welche Ärzte, insbesondere in haus- und fachärztlichen
verknüpft werden. Intelligente Algorithmen im                  Praxen, weiter entlasten. Eingebunden in das System
Bereich Visualisierung, Anomaliedetektion und                  treffen geschulte MFA bzw. NäPa für die Ärzte eine Voraus-
Klassifikation bereiten Hinweise und Empfehlungen              wahl (Patientenlenkung). Das hier eingesetzte nicht-ärzt-
als interaktiven Report auf, der dem Arzt und dem              liche Praxispersonal bedarf der Fort- und Weiterbildung
Patienten zugänglich ist und vom Arzt im Hinblick auf          zur Wahrnehmung der skizzierten Entlastungsaufgaben.
diagnostisch/therapeutische Qualität evaluiert wird,
um künftig zum unterstützenden Einsatz beim Behand-            Die Möglichkeit der Ausgründung (Entrepreneurship)
lungsprozess verwendet werden zu können.                       zukunftsrelevanter Technologien, Prozesse und Dienst-
                                                               leistungen aus Forschung und Entwicklung sowie die
Die Haus- und Fachärzte sind unter diesen Voraussetzungen      Sicherstellung der unternehmerischen Nachhaltigkeit
datenmedizinisch in der Lage, in einer digital unterstützten   von Projekten sind ein wichtiger Teil des Konzeptes
Praxis Berichte, Prognosen und Normabweichungen der            und werden durch das Eigeninteresse beteiligter Unter-
Patienten abzurufen, sich hierüber informieren zu lassen       nehmen, durch die Ärzteschaft, durch hochschulische
oder ggf. mit Einwilligung des Patienten den Zugriff auf       Start-ups und Gebietskörperschaften der beteiligten
diese Daten gegenüber Kliniken freigeben zu können. In         Regionen gewährleistet.

                                                                                                                       12
2.2       Entwicklung der DMGD / Meilensteine

  1                           2                            3                         4

2.2 Meilensteine

      1   Digitale Modellregion Gesundheit Südwestfalen
      2   Digitale Modellregion Gesundheit Dreiländereck (DMGD): Südwestfalen, Kreis Altenkirchen, Lahn-Dill-Kreis
      3   DMGD-Kooperationsgespräche mit dem Westerwaldkreis
      4   DMGD-Kooperation mit der Gesundheitsregion Köln-Bonn e. V.

Die Nachfrage im privaten und öffentlichen nach                  Gesamtkonzeptes „Medizin neu denken“ in Medizin- und
digital-gestützten Gesundheitskonzepten ist in den               Gesundheitsversorgung mit digitaler Ausprägung wurde
zurückliegenden fünf Jahren signifikant gewachsen.               schließlich angereichert, um ein Anwendungskonzept
Kommunen, Kreise, Krankenhäuser, die niedergelassene             im regionalen ländlichen Raum. Daraus entstand
Ärzteschaft, Alten- und Pflegeeinrichtungen, mobile              zunächst die „Digitale Modellregion Gesundheit Süd-
Dienste sowie Apotheken verspüren den Handlungs-                 westfalen“ (Abb. 1), die zum Ziel hatte, den „Shift“ von
bedarf nach Digitalisierungskonzepten in zunehmen-               einer weitgehend analog-orientierten Gesundheits-
der Weise. Die Universität Siegen hat 2017 mit dem               versorgung hin zu einem „DigitalHealth-Konzept“
Konzeptansatz „Medizin neu denken“ eine Diskussion auf-          zu vollziehen. Die Resonanz der Regionen auf dieses
gegriffen, die sich im Kern mit der Frage beschäftigt hat, wie   Konzept, insbesondere vor der Hintergrund sich
eine moderne, der Digitalisierung zugewandte, Medizin,           abzeichnender Engpässe in der ländlichen Gesundheits-
aber auch intersektorale Gesundheitsversorgung                   versorgung, führte zu einer wachsenden Nachfrage
gestaltet sein sollte. Dieser Prozess hat auf der medizi-        nach Kooperationen mit der Universität Siegen, um auf
nischen Seite zu Kooperationen mit der medizinischen             Projektbasis Studien durchzuführen, die nach jeweils
Fakultät der Universität Bonn, der medizinischen Fakultät        geeigneten Entlastungsmodellen der gesundheitlichen
des ERASMUS-Medical-Center in Rotterdam sowie vier               Versorgung suchen sollten. Dieser Prozess folgte
Siegener Kliniken geführt. Damit verbunden entstand              einer Forschungs- und Entwicklungskonzeption, bei
das Vorhaben Grundlagen der Gesundheitswissenschaft              der grundsätzlich davon ausgegangen wird, dass jede
in ihren technischen naturwissenschaftlichen und                 der durchgeführten Studien zu einem mehrjährigen
politisch-soziologischen Fragestellungen in ein                  Entwicklungskonzept führt, wobei die Studien die
zukunftsweisendes Konzept digitaler Gesundheit zu                Aufgaben haben, einen Proof of Principle zu erar-
überführen. Daraus entstand die Architektur sowie                beiten, auf dessen Grundlage in der Nachfolge ein
das Curriculum der Lebenswissenschaftlichen Fakul-               Entwicklungsprojekt       den   anwendungsbezogenen
tät an der Universität Siegen. Beide Bestandteile des            Proof of Concept liefert.

                                                                                                                       13
2.2    Entwicklung der DMGD / Meilensteine

  1                      2                         3                         4

Dieses Vorgehen führte zunächst zu einer Erweiterung    ist ein Ausdruck lebendiger und gemeinsamer
des südwestfälischen Projektraumes um den Kreis         Kooperationen. Dieses bildet sich auch in einer Selbst-
Altenkirchen sowie den Lahn-Dill-Kreis (Abb. 2). Die    beteiligung der kommunalen Projektpartner, die
Integration dieser beiden südwestfälischen Nachbar-     jeweils eine Finanzierung wissenschaftlichen Personals
kreise führte zu einem länderübergreifenden Konzept     aus Haushaltsmitteln sicherstellen (vgl. Finanzierung,
mit Rheinland-Pfalz und Hessen. Eine nochmalige         Kapitel 4.2).
Erweiterung um den Westerwaldkreis (Abb. 3)
steht bevor. Weitere regionale Kooperationen zeich-     Die Projektkooperation mit dem Hasso-Plattner-
nen sich bereits ab, etwa mit der Gesundheitsregion     Institut hat gezeigt, dass ein DigitalHealth-Ansatz in
KölnBonn e. V. (Abb. 4).                                der ländlichen Gesundheitsversorgung ein Forschungs-
                                                        und Entwicklungs-Desiderat ist, dass in Wissenschaft,
Die so entstandene „Digitale Modellregion Gesundheit    Wirtschaft und Gesellschaft mindestens europaweit in
Dreiländereck“ hat durch ihre Projektkooperationen      einem Europa der Regionen existiert. Für die „Digitale
zu einer gemeinsamen Kommunikation in Fragen der        Modellregion Gesundheit Dreiländereck“ bedeutet das,
digitalen Gesundheitsversorgung gefunden. Dieses        gemeinsam mit regionalen, nationalen und internatio-
drückt sich aus in der Konzeption der Einzelprojekte,   nalen Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft, Gesell-
die pars pro toto zu einem gemeinsamen Ganzen bei-      schaft und Politik einen UseCase zu entwickeln, der es
tragen (vgl. Grafiken „Modularer Aufbau des Konzepts“   erlaubt, über eine digitale Plattform eine intersektorale
und „Projekt-Matrix“ im vorherigen Kapitel 2.1). Der    Gesundheitsversorgung mit minimalen kommuni-
gemeinsam bestellte Innovationsfondsantrag beim         kativen Barrieren zu entwickeln. Dieses soll ab 2021
Gemeinsamen Bundesausschuss vom 25. August 2020         mit dem Projekt MeDiKuS 2.0 begonnen werden.

                                                                                                              14
2.2      DMGD-Meilensteine / Themenabend zur Zukunft der Gesundheitsversorgung mit Jens Spahn

 05/19     07/19     09/19    11/19     12/19    01/20       02/20     06/20     07/20    08/20     10/20    11/20     12/20

23. Mai 2019
Startschuss zum Projektvorhaben „Digitale Modellregion Gesundheit“: Themenabend zur
Zukunft der ländlichen Versorgung mit dem Bundesminister für Gesundheit Jens Spahn.

Welche zukunftsfähigen Lösungsansätze gibt es,                   Forschungskollegs mit einzelnen Projekten zur Digitalen
um die künftige gesundheitliche Versorgung sicher-               Modellregion Gesundheit Südwestfalen vertraut
zustellen? Diese und weitere Fragen wurden während               gemacht. Insbesondere die Projekte INTEGER und
des Themenabends im FoKoS diskutiert. Zu den                     DataHealth, in denen es um die Unterstützung der
Gesprächspartnern gehörte auch Bundesminister für                gesundheitlichen Versorgung durch mobile Geräte
Gesundheit Jens Spahn.                                           sowie einer unmittelbaren Übermittlung von Gesund-
                                                                 heitsdaten an die Arztpraxis geht, beeindruckten Jens
Wie wichtig zukunftsfähige Konzepte für die gesundheit-          Spahn: „Was Sie hier machen, ist beispielhaft für andere
liche Versorgung insbesondere auf dem Land sind, hat             Regionen. Hier ist ‚Lust drauf‘ zu spüren – und das ist für
der Themenabend „Digitale Modellregion Gesundheit –              so ein Vorhaben immer gut.“
Zukunft der ländlichen Versorgung“ am Forschungskolleg
Siegen (FoKoS) mit Bundesminister für Gesundheit Jens            „Wie muss eine digitale Praxis als solche überhaupt aus-
Spahn gezeigt. Das drohende Problem einer ärztlichen             sehen?“ Diese und weitere Aspekte beschäftigten Prof.
und pflegerischen Unterversorgung auf dem Land wird              Dr. Rainer Brück, stellvertretender Direktor des FoKoS,
längst nicht mehr nur auf Landesebene diskutiert. Auch           nicht nur an diesem Abend, sondern auch im täglichen
auf Bundesebene gewinnt das Thema zunehmend an                   Forschungsbetrieb. „Man kann vieles beginnen, aber
Priorität, wie Jens Spahn verdeutlichte. Er griff aktuelle       man muss auch zeigen, dass es funktioniert“, erklärte er.
Herausforderungen auf, die mit dem Hausärztemangel               Der Standort Südwestfalen biete mit seiner ländlichen
einhergehen und betonte, dass es vor allem einen festen          Struktur und einem gleichzeitig florierenden Mittel-
Rahmen für das weitere Vorgehen benötige. „Wichtig               stand beste Voraussetzungen für eine Digitale Modell-
ist, dass der Republik nicht einfach ein System über-            region Gesundheit.
gestülpt wird, sondern dass Konzepte regional auspro-
biert werden“, erklärte Spahn.                                   Auch der Europaabgeordnete der CDU, Dr. Peter Liese,
                                                                 sprach sich für die Digitalisierung im Gesundheitswesen
Zuvor hatte sich Bundesminister für Gesundheit                   aus. „Es geht um die Nutzung neuer Technik, denn es
Jens Spahn mit einem Rundgang durch das Foyer des                wird nicht immer ein Arzt vor Ort sein“, erklärte er.

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2.2      DMGD-Meilensteine / Länderübergreifende Kooperation

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12. Juli 2019
Kooperation der Landkreise Altenkirchen, Lahn-Dill-Kreis und Siegen-Wittgenstein zur zukünftigen
digital unterstützten Gesundheitsversorgung

Eine ausreichende ärztliche und pflegerische Ver-                      Bundesausschusses. „Nur durch Delegation und
sorgung in ländlichen Regionen ist zunehmend                           Digitalisierung kann der drohende Ärztemangel im
gefährdet. Um diesem Trend entgegenzuwirken haben                      Sinne einer sich abzeichnenden Unterversorgung
sich Vertreter der Landkreise im Forschungskolleg                      ländlicher Gebiete behoben werden“, sagt Erwin
der Universität Siegen zum gemeinsamen Vorhaben                        Rüddel, MdB und Vorsitzender des Ausschusses für
einer „Digitalen Modellregion Gesundheit“ über                         Gesundheit, der gute Finanzierungschancen für die
Ländergrenzen hinweg ausgetauscht.                                     Dreiländereck-Kooperation über den Innovations-
                                                                       fond sieht.
Ländliche Regionen stehen vor dem drohenden Problem
einer künftigen gesundheitlichen und pflegerischen                     Die Grundlage bilden aktuelle Projekte des Forschungs-
Unterversorgung. Grund dafür ist weniger ein aus-                      kollegs der Universität Siegen (FoKoS). Gemeinsam mit
bleibender medizinischer Nachwuchs, als vielmehr                       der Lebenswissenschaftliche Fakultät der Universität
die steigende Attraktivität urbaner Zentren. Um einen                  Siegen hat das FoKoS im Zuge des Vorhabens einer
besonderen Anreiz für die ärztliche Niederlassung auf                  „Digitalen Modellregion Gesundheit“ verschiedene Pro-
dem Land zu generieren, wollen drei Landkreise der                     jekte mit einzelnen Kommunen in Südwestfalen zum
benachbarten Bundesländer Rheinland-Pfalz, Hessen                      Thema „Technische Assistenzsysteme für die gesund-
und Nordrhein-Westfalen nun unter dem Label einer                      heitliche Versorgung“ initiiert. „Hier ist Lust drauf zu
„Digitalen Modellregion Gesundheit Dreiländereck“                      spüren“, konstatierte Bundesminister für Gesundheit
kooperieren. „Dreiländereck und Versorgung im länd-                    Jens Spahn anlässlich des Themenabends im ver-
lichen Raum – das ist ein Alleinstellungsmerkmal“,                     gangenen Mai im FoKoS, an dem das Vorhaben erstmals
betont Michael Wäschenbach, MdL Rheinland-Pfalz                        einer breiten Öffentlichkeit präsentiert wurde. Spahn
und Mitglied im Gesundheits-und Umweltausschuss.                       stellte die Förderung insbesondere größerer, regionaler
Das Ziel ist eine gemeinsame Beantragung des                           und digitaler Projekte in Aussicht, die umfassende
Vorhabens beim Innovationsfonds des Gemeinsamen                        Versorgungsfragen konkret in den Blick nehmen.

Gruppenfoto v. l. n. r. Dr. Olaf Gaus, Bernd Brandemann, Dr. med. Peter Enders, Mario Schramm, Christoph Ewers, Volkmar Klein, Michael Wä-
schenbach, Dr. Josef Rosenbauer, Erwin Rüddel.

                                                                                                                                       16
2.2     DMGD-Meilensteine / Länderübergreifende Kooperation

Dreiländereck profitiert von Synergieeffekten:              dem Motto „Digitalisierung und Gesundheit“ stattfinden
Prozessgestaltung durch ausgewählte Projekte                wird“, erläuterte Bürgermeister Mario Schramm, der
Zusammen mit Partnern aus Gesundheit, Politik und           diese Gelegenheit für seine Stadt in Kooperation mit dem
Wirtschaft werden die Projektideen mit Blick auf die        Landkreis Lahn-Dill für eine projekthafte Entwicklung
Regionale 2025 sowie den Innovationsfonds weiter-           zukunftsorientierter Gesundheitsversorgung nutzen
entwickelt. Hierzu gehört auch ein Blick über die Landes-   möchte. Im rheinland-pfälzischen Altenkirchen wird
grenzen Nordrhein-Westfalens, an denen der Trend            die „Digitale Unterstützung von nichtärztlichen Praxis-
einer quantitativ rückläufigen Gesundheitsversorgung        assistenten/-innen für Hausbesuche beim Patienten“
sektorenübergreifend, also sowohl in der medizini-          untersucht. Dr. med. Peter Enders, MdL Rheinland-Pfalz
schen wie auch der pflegerischen Betreuung, nicht Halt      und Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheit, Pflege
macht. Dr. Olaf Gaus, Geschäftsführer des FoKoS, sieht      und Demografie, spricht sich für dieses Vorhaben aus:
den besonderen Vorteil im „Reallabor Dreiländereck“:        „Patienten haben zu viele persönliche Kontakte zum
„Neben den Synergieeffekten der einzelnen Projekte ist      Arzt, die nicht alle bedienbar sind. Nichtärztliche Praxis-
unser Vorhaben vor allem durch die aktive Teilnahme         assistentinnen können die Ärztinnen und Ärzte bei der
der Patientinnen und Patienten als Probanden                Bewältigung dieser Aufgabe im Wege der Delegation
unserer Studie sowie der nachfolgenden Ent-                 noch mehr als bisher unterstützen.“
wicklungsprojekte gekennzeichnet. Wir werden uns
angesichts der zukünftigen Versorgungslage trauen           Die Idee der Dreiländereck-Kooperation basiert auf den
müssen zu fragen, wer dazu bereit ist, in Zukunft           künftigen Versorgungsproblemen, die auch in den an-
selbst aktiv an seinem und ihrem gesundheitlichen           grenzenden Landkreisen in Rheinland-Pfalz und Hessen
Monitoring mitzuwirken?“                                    aktuell thematisiert werden. Unter den Anwesenden im
                                                            FoKoS waren auch Volkmar Klein, MdB und Abgeordneter
Dieser Prozess wird beispielhaft untersucht in dem          für Siegen-Wittgenstein, Bernd Brandemann, Vor-
kürzlich bewilligten Projekt „DataHealth“ in der nord-      sitzender der CDU-Fraktion im Kreistag Siegen-
rhein-westfälischen Gemeinde Burbach, wo der digitale       Wittgenstein sowie Dr. Josef Rosenbauer, Vorsitzender
Transfer der Vitaldaten von und durch die Patientinnen      der CDU-Kreistagsfraktion Altenkirchen. Alle Beteiligten
und Patienten in einen Testlauf geht, wie Burbachs          betonten während des Gesprächs die Notwendigkeit
Bürgermeister Christoph Ewers erklärte. Im Zuge             eines schnellen Handelns zur Umsetzung des gemein-
dessen steht das Forschungskolleg derzeit auch mit          samen Vorhabens der „Digitalen Modellregion Gesund-
der hessischen Nachbarstadt von Burbach, Haiger, im         heit Dreiländereck“. In einem nächsten Schritt wird im
Gespräch, um die in Burbach gewonnen Erkenntnis-            Rahmen einer erweiterten Konferenz das Konzept des
se in einer „Digitalen Praxis“ der Zukunft zu erproben.     FoKoS im Hinblick auf eine konkrete Umsetzung im
„Haiger ist Gastgeber des Hessentags 2022, der unter        Dreiländereck diskutiert.

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2.2     DMGD-Meilensteine / Konferenz mit Vertreter*innen der Landkreise

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26. September 2019
DMGD-Konferenz im FoKoS: Landkreise befürworten Modellregion – „Digitale Modellregion
Gesundheit Dreiländereck“ wird angestrebt

Hausärzte möchten sich immer weniger auf dem Land               wir in Hessen natürlich mit, denn wir stehen ebenfalls
niederlassen. Dieses Phänomen wird in vielen länd-              vor der Herausforderung: ‚Viel Land, wenig Leute‘. Viele
lichen Regionen beobachtet. Vertreter aus Politik,              Ärzte stehen kurz vor dem Ruhestand – und darauf
Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft des Drei-             müssen wir reagieren.“ Arno Wied, Dezernent für
länderecks haben die länderübergreifende Proble-                Bauen, Umwelt und Wirtschaft vom Landkreis
matik aufgegriffen und möchten gemeinsam digitale               Siegen-Wittgenstein in Nordrhein-Westfalen schließt
Lösungen im medizinischen Umfeld erproben und eva-              sich seinen Vorrednern an: „Es ist richtig, dass wir uns
luieren. Während einer Konferenz im Forschungskolleg            angesichts der Gefährdung der ärztlichen Versorgung
der Universität Siegen stimmen alle Anwesenden                  gemeinsam und die Ländergrenzen übergreifend auf den
für das Vorhaben „Digitale Modellregion Gesundheit              Weg machen und überlegen, was wir gemeinsam tun
Dreiländereck“. Jetzt soll ein Antrag über mehrere Mil-         können. Die Initiative Dreiländereck, die eine Art Versor-
lionen Euro beim Innovationsfonds des Gemeinsamen               gungsallianz ist, ist ein wichtiger und richtiger Beitrag.“
Bundesausschusses zur Umsetzung des Konzeptes
gestellt werden. Die Empfehlung dazu kommt vom                  Das Datenmodell „Digitale Modellregion Gesundheit
Bundesminister für Gesundheit, Jens Spahn.                      Dreiländereck“ wurde vom Forschungskolleg und der
                                                                Lebenswissenschaftlichen Fakultät der Universität Sie-
„Lösungsfindung, Innovationen und Ideenaustausch                gen konzipiert. Durch den Einsatz von digitalen Assistenz-
dürfen nicht an Ländergrenzen gebunden sein, denn der           systemen und der Anwendung von Delegationsverfahren
drohende Ärztemangel ist ein Problem, das alle länd-            können Versorgungsengpässe aufgefangen werden.
lichen Regionen in Deutschland betrifft“, erklärt Landrat       Sektorenübergreifend werden Haus- und Fachärzte,
Dr. med. Peter Enders aus Altenkirchen in seinem State-         Kliniken, Pflege- und Seniorenheime sowie Apotheken
ment zu Beginn der Konferenz. Nach dem Impuls aus               digital vernetzt. Mediziner wenden das Modell bereits in
Rheinland-Pfalz hört man ähnliche Worte von Landrat             ersten Entwicklungsprojekten an. Insgesamt gehören zehn
Wolfgang Schuster aus dem Lahn-Dill-Kreis: „Wenn wir            wissenschaftliche Projekte zum Vorhaben im Dreiländer-
uns zusammenschließen, haben wir größere Chancen,               eck. Einige wurden bereits realisiert, andere werden noch
dass unsere Projekte gefördert werden. Und da machen            als Forschungs- und Entwicklungsprojekte diskutiert.

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2.2       DMGD-Meilensteine / Medizinethik-Symposium

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28. November 2019
Medizinethik-Symposium im FoKoS: Interdisziplinäre Herausforderungen für die
Gesundheitsforschung und -versorgung

Auf großes öffentliches und wissenschaftliches                             ländlichen Raum beitragen. Denn: Insbesondere ländli-
Interesse stieß die Einladung des Forschungskollegs                        che Regionen sehen sich mit dem drohenden Problem
der Universität Siegen (FoKoS) zum Medizinethik-                           einer künftigen gesundheitlichen und pflegerischen
Symposium „Auf dem Weg zur Datenmedizin?                                   Unterversorgung konfrontiert. „Das ist eine Tatsache,
Interdisziplinäre Herausforderungen für die Gesund-                        die wir nicht wegdiskutieren können“, so Brück. „Auf-
heitsforschung und -versorgung“. Dabei wurde die                           grund der demografischen Entwicklung steigt zudem
Datenmedizin aus ethischer und rechtlicher Perspek-                        die Nachfrage nach ärztlichen Dienstleistungen. Daten-
tive beleuchtet. Unser Rückblick auf die Veranstaltung                     medizin und der clevere Einsatz von Digitalisierung
fasst die Vorträge der anwesenden Experten und die                         können dabei helfen, dieses Problem erträglich zu
wichtigen Fragen des Abends zusammen.                                      machen.“ Rainer Brück machte dabei ganz deutlich, was
                                                                           Forschung und Technik leisten können und wollen – und
Digitale Medizin in Siegen                                                 was eben nicht: „Die Digitalisierung wird nicht mehr
Prof. Dr. Rainer Brück, Stellvertretender Direktor des                     Ärzte schaffen und auch nicht weniger Nachfrage nach
Forschungskollegs und Studiendekan der Lebenswissen-                       ärztlichen Dienstleistungen hervorrufen. Digitalisie-
schaftlichen Fakultät in Siegen, stellte in seinem Vortrag                 rung kann aber dazu beitragen, dass diese Diskrepanz
die Digitale Modellregion Gesundheit Dreiländereck vor.                    weniger spürbar sein wird.“ In der Datenmedizin ginge
Dieses Forschungs- und Entwicklungsvorhaben wurde                          es zudem nicht darum, Ärzte zu ersetzen. Die Hauptidee
vom Forschungskolleg und der Lebenswissenschaftlichen                      sei vielmehr, die Effizienz medizinischen Handelns zu
Fakultät in Kooperation mit Kommunen, Landkreisen,                         steigern, zeitgemäße Modelle der Work-Life-Balance zu
Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen entwickelt und soll                     unterstützen und die Qualität in Diagnostik und Therapie
zur Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung im                      zu verbessern.

Gruppenfoto v. l. n. r.: Sebastian Schramm (Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e. V.) Dr. Olaf Gaus (Geschäftsführer am For-
schungskolleg der Universität Siegen) Prof. Dr. Dr. Björn Niehaves (Direktor am Forschungskolleg der Universität Siegen) Prof. Dr. Peter Dabrock
(Vorsitzender des Deutschen Ethikrates und Professor für Systematische Theologie am Fachbereich Theologie der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg) Prof. Dr. Dr. h.c. Carl Friedrich Gethmann (Professor am Forschungskolleg und Mitglied im Deutschen Ethikrat) Prof. Dr. Rainer
Brück (Stv. Direktor am Forschungskolleg und Studiendekan der Lebenswissenschaftlichen Fakultät der Universität Siegen) Prof. Dr. Volker Wulf
(Prorektor für Digitales und Regionales der Universität Siegen)

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2.2     DMGD-Meilensteine / Medizinethik-Symposium

Informationelle Selbstbestimmung und das Interesse           als auch auf die damit verbundenen Risiken hin. Ein gro-
des Gemeinwesens                                             ßer Fortschritt seien etwa Services zur datengestützten
„Die Datenmedizin aus ethischer und rechtlicher              Gesundheitsprävention oder die sogenannte Präzisions-
Perspektive – eine Einführung“ lautete der Titel des         medizin, die zum Beispiel bei Krebspatienten durch
Vortrags von Prof. Dr. Dr. h.c. Carl Friedrich Gethmann,     den Abgleich von Gesundheitsdaten und die automa-
Seniorprofessor am Forschungskolleg und Mitglied im          tisierte Mustererkennung eine sehr genaue Diagnose
Deutschen Ethikrat. Carl Friedrich Gethmann beschäf-         vornehmen und die am besten geeignete Behandlung
tigte sich mit der informationellen Selbstbestimmung         empfehlen kann. Zugleich wies Peter Dabrock auf die
und verdeutlichte, dass das Thema vielschichtig und          mit den gesammelten Daten verbundenen kommer-
mit diversen Akteuren und Interessen verbunden ist,          ziellen Interessen hin und machte deutlich, dass heut-
die den potentiellen Nutzen und Schaden der Daten-           zutage alle Daten Gesundheitsdaten sein können. Um
medizin unterschiedlich abwägen. Eine einfache, kohä-        den künftigen durch die Digitalisierung angetriebenen
rente normative Gesamtbeurteilung für den Umgang             Entwicklungen hoffnungsfroh und zugleich mit der
mit Big Data ließe sich deshalb nicht formulieren – und      nötigen Skepsis entgegenblicken zu können, müsse man
ein perfekter Datenschutz sei ebenfalls nicht möglich.       den Menschen Datenkompetenz und Orientierungs-
Maximaler Datenschutz könne zudem als irreführende           wissen vermitteln, damit diese dazu befähigt werden,
Strategie beurteilt werden, weil durch diesen auf die        als Co-Manager ihrer Daten zu agieren. Auch an der Bil-
Chancen, welche die Telemedizin bietet, verzichtet wer-      dung im Gesundheitsbereich müsse gearbeitet werden.
den würde. Der Philosoph stellte außerdem die These in       Wichtig sei zudem, dass die Chancen der Digitalisierung
den Raum, dass die Gesamtheit aller Daten als eine Art       nicht kleingeredet, ihr Einfluss und ihre Bedeutung
Gemeingut verstanden werden könnte und betonte die           zugleich aber nicht überschätzt würden: „Sie muss
Notwendigkeit, im Rahmen der Diskussion um infor-            am Ende eine Dienstfunktion haben und darf die Arzt-
mationelle Selbstbestimmung auch das Interesse des           Patienten-Beziehung, das persönliche Miteinander –
Gemeinwesens im Blick zu behalten. „Das heißt nicht,         selbst wenn es digital übermittelt wird – nicht ersetzen.
dass alles transparent sein soll und die Idee des Schutzes   Am Ende muss der Mensch im Mittelpunkt stehen.“
der Privatheit aufzugeben ist“, so Gethmann. „Wir reden
allerdings über den Schutz der Privatheit – und nicht        Die Digitale Medizin aus dem Blickwinkel der
über das Objektgebilde, das man ‚die Daten‘ nennt.“          jungen Generation
                                                             Sebastian Schramm beleuchtete die Digitale Medizin aus
Hoffnungsvoll und kritisch: Die ethische Betrachtung         dem Blickwinkel der jungen Generation. Er ist Bundes-
der Datenmedizin                                             koordinator für Gesundheitspolitik in der Bundesver-
Prof. Dr. Peter Dabrock ist Vorsitzender des Deutschen       tretung der Medizinstudierenden in Deutschland. Auch
Ethikrates und Professor für Systematische Theologie         für Schramm ist die Digitalisierung medizinisches Kern-
(Ethik) am FachbereichTheologie der Friedrich-Alexander-     arbeitsthema und nicht mehr zu verneinen. Wichtiger als
Universität Erlangen-Nürnberg. In seiner Keynote er-         die Frage nach Chancen und Risiken der Digitalisierung
örterte er, weshalb erfolgreiche Datenmedizin Ethik          an sich sei deshalb die Überlegung, wie die Potentiale
benötigt – und machte dabei deutlich, dass die Ethik         konkret genutzt und die Risiken minimiert werden
weder verhindern noch endgültige Lösung anbieten,            können. In diesem Zusammenhang machte Schramm
sondern vielmehr Perspektiven zur Gestaltung unserer         jedoch auf die Schwierigkeit aufmerksam, dass ein
Gesellschaft vornehmen soll. Wichtig sei, dass im Kon-       Großteil der jungen Ärztegeneration über zu geringe
text der Digitalisierung des Gesundheitswesens nicht         Kenntnisse der telemedizinischen Versorgung verfüge.
nur ein paar Gewinner existieren, sondern wir alle von       „Wenn das so bleibt, dann werden wir einen Qualitäts-
der Entwicklung profitieren. Dies ließe sich jedoch nur      verlust in der medizinischen Versorgung erleiden. Denn
realisieren, wenn zivilgesellschaftliche Akteure und         die Technik entwickelt sich weiter – ob wir damit um-
Handlungsakteure wie die Stakeholder im Bereich der          gehen können oder nicht.“ Die Bundesvertretung der
Wirtschaft zusammenarbeiten. Peter Dabrock beleuch-          Medizinstudierenden in Deutschland fordert deshalb,
tete die Digitale Medizin aus ganz unterschiedlichen         dass die Digitale Medizin in das Studium integriert und
Perspektiven und wies dabei sowohl auf die Chancen           die Approbationsordnung angepasst wird.

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2.2       DMGD-Meilensteine / Gesundheitsministerium RLP

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18. Dezember 2019
Rheinland-pfälzisches Gesundheitsministerium will „Digitale Modellregion
Gesundheit Dreiländereck“ unterstützen

Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und                     des Ministeriums die Strategie der Modellregion und
Demografie (MSAGD) in Mainz verfolgt seit einiger                        die einzelnen Projekte bzw. Projektkonzepte vorge-
Zeit das Projektvorhaben „Digitale Modellregion                          stellt. Zuvor hatte der Kreis Altenkirchen die zustän-
Gesundheit Dreiländereck“ und erwägt eigene                              dige Ministerin, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, auf das
Unterstützungsmöglichkeiten. Über solche Mög-                            Dreiländerkonzept aufmerksam gemacht. Darin finden
lichkeiten hat gestern ein Austausch zwischen                            sich im Schwerpunkt telemedizinische Lösungsansätze
Tom Rutert-Klein, Leiter der Stabstelle Gesundheit                       für die zukünftige Sicherstellung und Verbesserung
und Pflege des Ministeriums, Regionalentwicklerin                        der gesundheitlichen Versorgung im ländlichen Raum.
Jennifer Siebert der Kreisverwaltung Altenkirchen                        Zur Umsetzung wird eine Förderung über den Inno-
und dem Forschungskolleg (FoKoS) der Universität                         vationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses
Siegen stattgefunden.                                                    angestrebt. Die Programmausschreibung „Neue Ver-
                                                                         sorgungsformen” entspricht in weiten Teilen dem
FoKoS-Geschäftsführer, Dr. Olaf Gaus, hat auf Einladung                  Konzept der „Digitalen Modellregion Gesundheit
der Stabstelle „Gesundheit und Pflege, Projekte, Tele-                   Dreiländereck“. Bis Ende April soll der entsprechende
matik im Gesundheitswesen, Gesundheitswirtschaft”                        Förderantrag eingereicht werden.

Gruppenfoto v. l. n. r.: Alexander Keil (FoKoS), Tom Rutert-Klein (MSAGD), Jennifer Siebert (Kreis Altenkirchen) und Dr. Olaf Gaus (FoKoS).

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