INNOVATIONEN FÜR DIE ENERGIEZUKUNFT - Energieforschung und Technologieentwicklung in Österreich - Klima- und Energiefonds

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INNOVATIONEN FÜR DIE ENERGIEZUKUNFT - Energieforschung und Technologieentwicklung in Österreich - Klima- und Energiefonds
INNOVATIONEN
FÜR DIE
ENERGIEZUKUNFT
Energieforschung und Technologieentwicklung
in Österreich

                                       www.energieforschung.at
INNOVATIONEN FÜR DIE ENERGIEZUKUNFT - Energieforschung und Technologieentwicklung in Österreich - Klima- und Energiefonds
INHALTSVERZEICHNIS

    Einleitung – Innovative Lösungen für die Energiewende...................... 5

    Energiesysteme & Netze........................................................................ 9
    Industrielle Energiesysteme................................................................. 19
    Umwandlungstechnologien.................................................................. 31
    Speichertechnologien........................................................................... 41
    Produkte und Services für EnergiekonsumentInnen.......................... 53

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INNOVATIONEN FÜR DIE ENERGIEZUKUNFT - Energieforschung und Technologieentwicklung in Österreich - Klima- und Energiefonds
M
             it unserer Klima- und Energiestrategie #mission2030 haben wir einen
             sehr wichtigen Startschuss für das Ende des fossilen Zeitalters gesetzt.
             Nun heißt es den nachhaltigen Weg Österreichs weiterzugehen und
             mit konkreten Maßnahmen zum Leben zu erwecken. Der Klima- und
             Energiefonds ist dafür ein wichtiger Partner der Bundesregierung. Die
sehr intensive Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren hat bereits zahlreiche
Innovationen ermöglicht und die Transformation der heimischen Energie- und
Mobilitätssysteme in Richtung Nachhaltigkeit und Klimaneutralität vorangetrieben.

Im Bereich innovativer Energietechnologien präsentiert sich der Klima- und Ener-
giefonds als treibende Kraft. Seine Aktivitäten stärken den Standort Österreich.
Das Energieforschungsprogramm ermöglicht die Entwicklung und Demonstration
bahnbrechender Innovationen. Gemeinsam mit dem Klima- und Energiefonds                                     Foto: bmvit
wird unsere Aufgabe darin bestehen, die Energie- und Mobilitätswende so zu ge-
stalten, dass sie sowohl ökologisch als auch ökonomisch zu einem Erfolg wird. Die
Leistungsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft und das immense Innovations­
potenzial österreichischer ForscherInnen stimmen mich sehr zuversichtlich.

                                                                BM Norbert Hofer
                           Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

D
          as Energiesystem ist im Wandel. Mit Technologien von heute werden
          diese tiefgreifenden globalen Veränderungen nicht machbar sein. Die
          Innovationskraft heimischer Unternehmen ist eine enorme Chance, um
          mit neuen Schlüsseltechnologien das Energiesystem zu modernisieren
          und auf Sektorkopplung zu setzen. Schon heute sind in der heimischen
Industrie 195.000 Arbeitsplätze den sogenannten „Green Jobs“ zuzurechnen. Wir
unterstützen zukunftsweisende österreichische Unternehmen bei der Entwicklung
und Markteinführung innovativer Technologien und Verfahren – eine Win-win-
Situation: Diese kommen in den österreichischen Produktionsunternehmen zum
Einsatz und werden andererseits durch den exportorientierten österreichischen
Anlagenbau weltweit nutzbar gemacht.

Mit dem Energieforschungsprogramm bieten wir einen passenden Mix an Förder-             Foto: Klima- und Energiefonds/
instrumenten für Wissenschaft und Wirtschaft von der Grundlagenforschung bis                      Andreas Scheiblecker
zur Produktimplementierung entlang der gesamten Innovations- und Wertschöp-
fungskette. Wir sind ein One-Stop-Shop der Energiewende, der national und inter-
national seinesgleichen sucht.

                                                                DI Theresia Vogel
                                        Geschäftsführerin Klima- und Energiefonds

                                                                                                                         3
INNOVATIONEN FÜR DIE ENERGIEZUKUNFT - Energieforschung und Technologieentwicklung in Österreich - Klima- und Energiefonds
Foto: Klima- und Energiefonds/Ringhofer

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EINLEITUNG

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                                                                                                                                      Foto: crystalsol GmbH

Forschung und Technologieentwicklung aus Österreich

INNOVATIVE LÖSUNGEN
FÜR DIE ENERGIEWENDE

D
          ie Energiewelt befindet sich in               onsarmer Energietechnologien. Bis 2030     vativen Technologien für die Energiezu-
          einem grundlegenden Wandel.                   strebt die EU 40 % weniger Treibhausgas-   kunft auf dem Weltmarkt erfolgreich po-
          Um den Zugang zu sicherer,                    emissionen (verglichen mit 1990), 27 %     sitionieren. Dieses Know-how gilt es auch
          sauberer und leistbarer Ener-                 höhere Energieeffizienz (verglichen mit    weiterhin auszubauen.
          gie in Zukunft gewährleisten                  dem „Business as usual“-Szenario) und
zu können, bedarf es einer umfassenden                  einen Anteil erneuerbarer Energien am      #mission2030 – die österreichische Kli-
Transformation unseres Energiesystems                   Gesamtenergieverbrauch von 27 % an.*       ma- und Energiestrategie (Bundesminis-
in Richtung Dekarbonisierung sowie den                  Bis 2050 zielt der SET-Plan darauf ab,     terium für Nachhaltigkeit und Tourismus
Übergang zur breiten Nutzung erneuer-                   die Energietechnologien so weiterzuent-    und Bundesministerium für Verkehr,
barer Ressourcen.                                       wickeln und umzusetzen, dass sich die      Innovation und Technologie, 2018) folgt
                                                        Treibhausgasemissionen der EU um 80 bis    dem Leitsatz, Österreich als „Energiein-
Weltweit steigt die Nachfrage nach grünen               95 % absenken lassen und die Begrenzung    novationsland“ in Sachen Forschung und
Produkten, Verfahren und Dienstleistun-                 der globalen Erwärmung auf 2 °C unter-     Entwicklung von Zukunftstechnologien
gen, die dazu beitragen, die Energiewende               stützt wird.                               zu positionieren und fokussiert auf The-
zu bewältigen. Die Energie- und Umwelt-                                                            menfelder, in denen sich die wirtschaft-
technik hat sich zu einem bedeutenden                                                              lichen Chancen, die mit dem Umbau des
Wirtschaftszweig mit hohen Wachstums-                                                              Energiesystems einhergehen, optimal
                                                        Chancen der
chancen entwickelt. 2016 wurde in die-                                                             von innovativen österreichischen Unter-
ser dynamischen Querschnittsbranche
                                                        Energiewende nutzen                        nehmen nutzen lassen.
weltweit ein Umsatz von 3.214 Milliarden
Euro erwirtschaftet (Quelle: http://www.                Der weltweite Umbruch in Energieversor-    Neben der Entwicklung und Weiterent-
greentech-made-in-germany.de).                          gung und -nutzung eröffnet große Chan-     wicklung von neuen Technologien sowie
                                                        cen für die heimische Wirtschaft. Neue,    Komponenten ist eine der zentralen He-
Auf europäischer Ebene wurden mit dem                   intelligente Technologien und Konzepte     rausforderungen die Einbettung vorhan-
Strategieplan für Energietechnologie                    werden benötigt, um den Wandel tech-       dener Technologien und Lösungen in ein
(SET-Plan) wichtige Ziele zur Stimulie-                 nisch und wirtschaftlich umsetzen und      integriertes Gesamtsystem. Forschung,
rung der energiebezogenen Forschung                     sozial verträglich gestalten zu können.    Entwicklung und Innovation haben hier
und der Industrieaktivitäten in den Mit-                Im Bereich innovativer Energielösungen     entscheidende Beiträge zur Analyse kom-
gliedsländern definiert. Der SET-Plan                   im Strom-, Wärme- und Mobilitätssektor     plexer Wirkungszusammenhänge und zur
stellt den Rahmen für die Entwicklung                   konnte Österreich in den letzten Jahren    Ableitung von Lösungsoptionen zu leisten.
und Umsetzung kosteneffizienter emissi-                 international punkten und sich mit inno-

* Europäische Kommission (2014): Rahmen für die Klima- und Energiepolitik bis 2030
[ec.europa.eu/clima/policies/strategies/2030_de; abgerufen am 23. September 2018]
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INNOVATIONEN FÜR DIE ENERGIEZUKUNFT - Energieforschung und Technologieentwicklung in Österreich - Klima- und Energiefonds
In dieser Broschüre stellen wir herausragende und zu-
    kunftsweisende Vorzeigeprojekte der österreichischen
    Energieforschung vor, die mit Unterstützung des Klima-
    und Energiefonds realisiert wurden oder sich aktuell in
    der Umsetzung befinden.

                                                                                        Hochdruck-Wärmespeicher Kraftwerk Simmering
                                                                                                         Foto: Wien Energie/Ian Ehm

    Österreichische
    Stärkefelder ausbauen

    Der Klima- und Energiefonds unterstützt
    mit seinen Energie- und Mobilitätsfor-
    schungsprogrammen Innovationen in
    Bereichen, in denen Österreich Stärke-
    felder besetzt und im internationalen
    Vergleich hohe Kompetenzen aufweist.
    Forschung und Entwicklung beziehen
    sich auf die gesamte energetische Wert-
    schöpfungskette und fokussieren auf
    Forschungsthemen sowie -aktivitäten,
    die einen besonders wirkungsvollen Bei-
    trag zum Ausbau des Innovationsstand-
    orts Österreich leisten können.

    Die Aufwendungen des Klima- und Ener-
    giefonds für energiebezogene F&E im
    Rahmen seiner Energie- und Mobilitäts-
    forschungsprogramme summierten sich
    von 2007 bis 2016 auf 379 Millionen Euro.   AKTUELLE TREIBER UND TRENDS
    Sie hatten damit einen wesentlichen An-     FÜR DIE ENERGIEFORSCHUNG IN ÖSTERREICH:
    teil an der allgemeinen Steigerung der
    Energieforschungsausgaben in diesem         ▷ die weitgehende Dekarbonisierung der Wirtschaft
    Zeitraum. Im Schnitt der einzelnen Jahre    ▷ die zukünftige Dominanz erneuerbarer, meist volatiler Energieträger
    von 2008 bis 2016 machen die Fördermit-     ▷ die erwartete zunehmende Bedeutung von Elektrizität durch Verschiebungen
    tel des Klima- und Energiefonds einen         im Energieträgereinsatz
    Anteil von 36 % an den Gesamtausgaben       ▷ die Sektorkopplung, d. h. die Verzahnung von Strom, Wärme und Mobilität, um
    aus.                                          erneuerbare Energien optimal in das Energiesystem integrieren zu können
                                                ▷ die umfassende Digitalisierung

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INNOVATIONEN FÜR DIE ENERGIEZUKUNFT - Energieforschung und Technologieentwicklung in Österreich - Klima- und Energiefonds
EINLEITUNG

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                  Millionen

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                                   2007    2008         2009        2010        2011        2012         2013        2014        2015        2016
      Klima- & Energiefonds         0     30.191.351   30.836.148 51.210.247 49.484.424 31.998.188 38.226.899 45.824.462 50.049.465 51.491.365
             GESAMT (Euro) 31.886.023     71.166.956   92.268.114 120.979.645 120.821.607 120.098.940 124.545.848 143.100.718 128.415.085 140.891.866

                                                                                                                 Klima- und Energiefonds
                                                                                                                 Universitäten
                                                                                                                 Fachhochschulen
                                                                                                                 Außeruniversitäre Forschung
                                                                                                                 Austria Wirtschaftsservice (AWS)
                                                                                                                 Fonds zur Förderung der wissen-
                                                                                                                 schaftlichen Forschung (FWF)
                                                                                                                 Österreichische Forschungs-
                                                                                                                 förderungsgesellschaft mbH (FFG)
                                                                                                                 Basisprogramme
                                                                                                                 Bundesländer
Energieforschungserhebung,                                                                                       Bundesministerien
Klima- und Energiefonds 2007 bis 2016
Quelle: Austrian Energy Agency

                                                                                                                                                          7
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THEMA

ENERGIESYSTEME
& NETZE
D
         ie Energieinfrastrukturen be-    Mit Hilfe von Smart Grid-Technologien    In Österreich wird seit Jahren bran-
         finden sich im Umbruch. Der      sollen Flexibilisierungspotenziale bei   chenübergreifend (F&E-Einrichtungen,
         wachsende Anteil erneuerba-      smarten Verbrauchern, Speichern und      E-Wirtschaft und Industrie) an smarten
         rer Energieträger (Sonnen-       Erzeugern genutzt werden. Gefragt        Lösungen für die Weiterentwicklung
         energie, Wasser- und Wind-       sind Konzepte für ein integriertes Ge-   eines nachhaltigen Energiesystems
kraft sowie Biomasse) und die zuneh-      samtsystem, das unter realen, ökono-     geforscht. Zahlreiche Technologien und
mende Dezentralisierung erfordern eine    mischen, rechtlichen und sozialen Be-    Komponenten wurden bereits bis zur
Anpassung der Energienetze. Zusätzli-     dingungen funktionieren kann.            Marktreife entwickelt. Innovationen
che Verbraucher (wie z. B. E-Fahrzeuge                                             eröffnen für Hersteller der „Enabling
oder Wärmepumpen) sowie Speicher          Einen wichtigen Schwerpunkt bil-         Technologies“ wie z. B. Leistungselek-
müssen zukünftig in unser Energiesys-     det die sogenannte Sektorkopplung,       tronik, Kommunikationstechnik und
tem integriert werden. Eine der größten   also die Verzahnung von Strom, Wär-      elektrotechnische Komponenten die
Herausforderungen stellt der Ausgleich    me und Mobilität, damit erneuerbare      Chance, österreichisches Know-how
zwischen Erzeugung und Verbrauch in       Energien optimal genutzt und in das      am stark wachsenden internationalen
der Energieversorgung dar, da sich die    Energiesystem integriert werden kön-     Smart Grid-Markt zu positionieren und
Beziehung zwischen Energieversor-         nen. Digitalisierung wird dabei zur      damit hoch qualifizierte F&E- und Pro-
gern und VerbraucherInnen grund-          Schlüsselkompetenz und ermöglicht        duktionsarbeitsplätze in Österreich zu
sätzlich wandelt. EnergiekundInnen        die Vernetzung innerhalb der Infra-      schaffen.
werden zunehmend zu aktiven Teil-         struktur, transsektoral zwischen den
nehmerInnen am Energiesystem.             Netzen und mit allen Energieakteu-       Viele der neuen Technologien und Kon-
                                          ren. IKT-Technologien bilden die Basis   zepte werden aktuell in international
Die Energienetze der Zukunft brauchen     für die Beherrschung von komplexen       beachteten Demonstrationsprojekten
intelligente, miteinander kommunizie-     Steuerungsprozessen, das Datenma-        in den österreichischen Smart Grid-
rende Komponenten, um trotz schwan-       nagement und die Entwicklung neuer       Modellregionen im Realbetrieb erprobt
kender Einspeisung einen sicheren und     Geschäftsmodelle.                        und evaluiert.
stabilen Netzbetrieb zu ermöglichen.

                                                                                                                                9
INNOVATIONEN FÜR DIE ENERGIEZUKUNFT - Energieforschung und Technologieentwicklung in Österreich - Klima- und Energiefonds
ENERGIESYSTEME & NETZE

     DER INIGRID-DEMONSTRATOR
     Der speziell entwickelte iniGrid-De-
     monstrator bildet ein fiktives Strom-
     netz ab, bei dem der Energiebedarf und
     die Erzeugung mittels erneuerbarer
     Energieträger über Leistungsprofile
     hinterlegt sind. Eine Simulation zeigt die Auslastung
     der Infrastruktur in Abhängigkeit von der gewählten
     Jahres- und Tageszeit. BesucherInnen der Ausstel-
     lung „Sonnenwelt Großschönau“ können die Funktio-
     nalität der neuen Technologie testen sowie interaktiv
     in die Erzeugung und den Verbrauch eingreifen, um
     potenzielle Problemsituationen zu generieren, zu ver-
     meiden oder automatisch über den neu entwickelten
     Smart Breaker und iniGrid-Algorithmen aufzulösen.       iniGrid-Demonstrator @ Sonnenwelt Großschönau
                                                               Foto: AIT Austrian Institute of Technology GmbH

                                                                                 Abb. rechts:
                                                                                 Domänenübergreifende
                                                                                 Sicherung, Überwachung
                                                                                 und Steuerung durch die
                                                                                 Integration neuer intelligen-
                                                                                 ter Komponenten
                                                                                 Abb.: AIT Austrian Institute
                                                                                 of Technology GmbH

                                                                                 Foto links:
                                                                                 diyanadimitrova/fotolia.de

10
ENERGIESYSTEME & NETZE

                               iniGrid
     INTELLIGENTE KOMPONENTEN FÜR AKTIVE VERTEILNETZE

                Smarte Steuerung der Energieflüsse erhöht
               die Energieeffizienz in Industrie und Gewerbe.

                                                                                                                     Digitale Vitrine mit Smart Breaker
                                                                                                                        @ Ars Electronica Festival 2016
                                                                                                            Foto: Ars Electronica Solutions/Garamantis

D
           ie Integration erneuerbarer       kers transparent gemacht werden. Ein         tungsanlage als auch die Beleuchtung
           Energie in unsere Stromnetze      Energiemanagementsystem sammelt die          und die Bildschirme – abhängig von der
           erfordert intelligente und fle-   Datenflüsse und steuert Erzeuger und         Luftqualität und der Bewegung der Besu-
           xible Komponenten für ein ef-     Verbraucher, um vorgegebene Leistungs-       cherInnen – automatisch gesteuert.
           fizientes Netzmanagement. Im      und Spannungsgrenzen einzuhalten so-
Projekt iniGrid (Integration of Innovative   wie Einsparungen bei den Energiekosten       Das iniGrid-Konzept wurde 2017 am Ars
Distributed Sensors and Actors in Smart      zu erzielen. Durch den Einsatz von Halb-     Electronica Festival in Linz und im „We-
Grids) entwickelte das AIT Austrian Ins-     leitertechnik lässt sich der innovative      lios Science Center“ in Wels (Oberöster-
titute of Technology in Kooperation mit      Schalter der neuen Generation kompakt        reich) präsentiert.
Partnern aus Industrie und Wissenschaft      und kostengünstig herstellen.
innovative Sensorik und Aktorik für in-                                                   www.inigrid.at
telligente Verteilnetze.                     Feldtest mit intelligenten Komponenten

   Kostengünstige All-in-one-Lösung          Weiters entwickelte das Konsortium einen                      KONSORTIUM
                                             neuen Spannungssensor für luftisolier-                        AIT Austrian Institute of Tech-
Schlüsselinnovation ist der „Smart Brea-     te Mittelspannungsanlagen. Gemeinsam                          nology GmbH (Projektleitung),
ker“, ein halbleiterbasiertes Schaltgerät    mit bereits existierenden Technologien                        Eaton Industries (Austria)
                                                                                                           GmbH, Infineon Technologies
für Niederspannungsanwendungen, ins-         wie Smart Metering und anderer vor-                           Austria AG, Zelisko GmbH,
besondere geeignet für Industrie und Ge-     handener Sensorik wurden die neu ent-                         Sprecher Automation GmbH,
werbe. Jeder Produktionsbetrieb verfügt      wickelten Komponenten in eine sichere                         TU Wien – Institut für Compu-
über verschiedene Stromkreise z. B. für      sowie übergreifende Automatisierungs-                         tertechnik, FH OÖ Forschungs
                                                                                                           & Entwicklungs GmbH,
Maschinen, Beleuchtung oder Lüftung.         infrastruktur integriert und mit Hilfe von
                                                                                                           Linz Strom Netz GmbH,
Wenn herkömmliche Sicherungsautoma-          Algorithmen im Energiemanagementsys-                          MOOSMOAR Energies OG
ten durch das intelligente Schaltgerät er-   tem unterstützt.
setzt werden, gewinnt man zusätzlich zur
Sicherung verschiedene Monitoring- und       Von Sommer 2017 bis Frühjahr 2018 wur-                        ▷ KONTAKT
Steuerungsfunktionen.                        de das Konzept in einem Feldtest in Tei-                        Dr. Mark Stefan
                                             len der Ausstellung „Sonnenwelt Groß-                           AIT Austrian Institute of
                                                                                                             Technology GmbH
Sämtliche Energieflüsse im Unterneh-         schönau“ in Niederösterreich erfolgreich                        Giefinggasse 2, 1210 Wien
men können mit Hilfe des Smart Brea-         getestet. Dabei wurden sowohl die Lüf-                        E mark.stefan@ait.ac.at
                                                                                                           W www.ait.ac.at

                                                                                                                                                11
ENERGIESYSTEME & NETZE

                  LEAFS
                  DEZENTRALE SPEICHER UND FLEXIBLE LASTEN
                  IM NIEDERSPANNUNGSNETZ

Foto: Klima- und Energiefonds/Ringhofer

                                                                            I
                                                                               n Österreich gibt es derzeit rund 125.000
                                                                               Photovoltaikanlagen, die 1.096 GWh
                                                                               Strom erzeugen. Seit einiger Zeit kom-
                                                                               men kleine elektrochemische Strom-
                                                                               speichereinheiten auf den Markt, mit
                                                                            denen die Haushalte den selbst erzeugten
                                                                            Strom lokal speichern und später für den
                                                                            Eigenbedarf verwenden können. Diese
                                                                            können, gleich wie andere flexible Ver-
                                                                            braucher (Wärmepumpen, Warmwas-
                                                                            serboiler, Elektrofahrzeuge) für zusätz-
                                                                            liche Anwendungen (z. B. Teilnahme am
                                                                            Spotmarkt) eingesetzt werden. Bei einer
                                                                            weiten Verbreitung kann eine solche Zu-
                                                                            satznutzung durch eine hohe Gleichzei-
                                                                            tigkeit zu thermischer Überlastung und
                                                                            Spannungsproblemen in den Verteilnet-
                                                                            zen führen.

                                                                            In LEAFS (Integration of Loads and Elec-
                                                                            tric Storage Systems into Advanced Flexi-
Zentraler Speicher Heimschuh                                                bility Schemes for LV Networks) werden
Foto: Energie Steiermark/Symbol                                             Technologien und Betriebsstrategien für
                                                                            die aktive, netz- und marktgetriebene
                                                                            Steuerung von dezentralen Speichersys-
                                                                            temen und flexiblen Lasten entwickelt
                            Neue Konzepte für die Speicherung von Energie   und in Feldversuchen getestet. Das Leit-
                                                                            projekt der Energieforschung wird vom
                                  aus dezentraler Erzeugung werden
                                                                            AIT Austrian Institute of Technology in
                             in drei österreichischen Gemeinden getestet.   Kooperation mit Unternehmens- und
                                                                            Forschungspartnern durchgeführt.

                                                                            Anhand repräsentativer Modellnetze
                                                                            wurden mögliche Auswirkungen einer

   12
ENERGIESYSTEME & NETZE

Speicherblock des zentralen Speichers
Foto: Energie Steieramark/Symbol

                                                                                                                                 Energiemonitor Eberstalzell
                                                                                                                             Foto: Netz Oberösterreich GmbH

       erhöhten marktgetriebenen Nutzung von        Er ist dabei nicht Markteilnehmer, son-       trale Speichersystem kann so von meh-
       Speichern und Lastflexibilität in Verteil-   dern stellt die Infrastruktur zur Kommu-      reren Haushalten gleichzeitig genutzt
       netzen simuliert. Zu verschiedenen An-       nikation und Steuerung bereit.                werden. Mit dem bis März 2019 laufenden
       wendungsfällen entwickelte das Projekt-                                                    Versuch will man testen, wie diese zent-
       team neue Steuerungsansätze: die direkte     In Eberstalzell/Littring (Energie AG/         rale Stromspeichereinheit für das lokale
       Steuerung von zentralen (z. B. Netzspei-     Netz Oberösterreich GmbH) wurden drei         Stromnetz, aber auch für die KundInnen
       cher) und dezentralen Komponenten            Heimspeichersysteme installiert. Der          und für den Markt eingesetzt werden
       (z. B. Heimspeichersysteme) sowie die        Netzbetreiber überträgt über Powerline        kann. Neben sinkenden Kosten für die
       indirekte Steuerung dezentraler Kom-         basierend auf Wettervorhersagen täglich       NetzkundInnen wird eine Optimierung
       ponenten, wie z. B. Wärmepumpen oder         Netzrestriktionen, die die Speicher ein-      des Energieverbrauchs sowie die Entlas-
       dezentrale Speicher bei den KundInnen        halten müssen. Ein etwaiges Marktsignal       tung und Stabilisierung des Stromnetzes
       durch ein Energiemanagementsystem.           wird von einem Aggregator (in diesem          erwartet.
                                                    Fall FRONIUS International GmbH) direkt
            Feldversuche in Salzburg, Ober-         über das Internet an das Gerät übertragen.
             österreich und der Steiermark          Mit dem „Sonnenbonus“, einem zweiten                         KONSORTIUM
                                                    Feldversuch, an dem mehr als 200 Haus-                       AIT Austrian Institute of Tech-
       Aktuell werden die innovativen Speicher-     halte in dieser Region teilnehmen, wer-                      nology GmbH (Projektleitung),
       und Steuerungsansätze in drei Feldversu-     den monetäre Anreize in Abhängigkeit                         FRONIUS International GmbH,
                                                                                                                 Siemens AG Österreich, Salz-
       chen untersucht und unter rechtlichen,       der lokalen PV-Erzeugung getestet. Ziel
                                                                                                                 burg Netz GmbH, Netz Oberös-
       wirtschaftlichen und regulatorischen As-     ist es, die Haushalte zu motivieren, den                     terreich GmbH, Energienetze
       pekten analysiert.                           vor Ort erzeugten Strom in bestimmten                        Steiermark GmbH, TU Wien –
                                                    Zeitfenstern zu verbrauchen.                                 Energy Economics Group,
                                                                                                                 Energieinstitut an der Johannes
       In der Smart Grid-Modellgemeinde Kös-
                                                                                                                 Kepler Universität Linz,
       tendorf (Salzburg Netz GmbH) wurden in       In der südsteirischen Gemeinde Heim-                         MOOSMOAR Energies OG
       fünf Haushalten mit Photovoltaikanlage       schuh (Energienetze Steiermark GmbH)
       Heimspeichersysteme installiert und in       speisen neun Haushalte mit ihren Pho-
       ein lokales Energiemanagementsystem          tovoltaikanlagen grünen Strom in einen
       integriert, d. h. mit dem Building Energy    zentralen Speicher ein und holen ihn                         ▷ KONTAKT
       Agent (BEA), dem regelbaren Ortsnetz-        zurück, wenn er gebraucht wird. Für den                        Johannes Kathan, MSc
       trafo und den lokalen Elektrofahrzeugen      Feldversuch wurde eine Batterie mit einer                      AIT Austrian Institute of
                                                                                                                   Technology GmbH
       vernetzt. Die Komponenten werden in-         Speicherkapazität von 100 kWh instal-                          Giefinggasse 2, 1210 Wien
       direkt über den BEA geregelt. Der Netz-      liert. Das entspricht in etwa der Kapazität                  E johannes.kathan@ait.ac.at
       betreiber übernimmt die Rolle des Ag-        von 20 Heimspeichern. Die Leistung des                       W www.ait.ac.at
       gregators und überträgt das Marktsignal.     Speichers beträgt 100 kW. Das neue zen-

                                                                                                                                                     13
ENERGIESYSTEME & NETZE

                                                                                                         AIT SmartEST Labor
                                                            Foto: AIT Austrian Institute of Technology GmbH/Harry Krischanz

     AIT SmartEST Labor
     FORSCHUNGSINFRASTRUKTUR FÜR SMARTE ENERGIESYSTEME

     Das AIT Austrian Institute of Technology bietet eine
     einzigartige Prüf- und Forschungsinfrastruktur
     für intelligente Energienetze der Zukunft.

14
ENERGIESYSTEME & NETZE

D
         as SmartEST Labor stellt For-         Simulatoren, Geräte für „Power-Hard-
         scherInnen, Netzbetreibern und        ware-in-the-Loop“-Simulationen sowie
         Herstellern von Komponenten           eine Klimakammer zur Durchführung von
         für dezentrale Energieanlagen         Tests unter definierten Temperatur- und
         eine ideale experimentelle Ent-       Feuchtigkeitsbedingungen.
wicklungsumgebung zur Verfügung.
                                               In den so genannten „Power-Hardware-
Hier können die Wechselwirkungen               in-the-Loop“-Simulationen        (P-HIL)
zwischen Anlagen und dem Netz ana-             wird ein Netzabschnitt in Echtzeit simu-
lysiert und Produkte wie Wechselrich-          liert und die zu testenden Komponenten
ter, Speichersysteme und Smart Meter           als Hardware in die virtuelle Netzumge-
sowie Regelkonzepte getestet und wei-          bung eingekoppelt. Die Simulationen zei-
terentwickelt werden. Die Palette der          gen, ob die einzelnen Komponenten mit
Testkomponenten reicht von Photovol-           der Netzstruktur sowie mit anderen an-
taik-Wechselrichtern über elektrische          geschlossenen Geräten kompatibel sind.
Energiespeicher wie Akkus oder Brenn-
stoffzellen bis hin zu Einheiten der Kraft-
Wärme-Kopplung oder Ladestationen für                                                                      Smart Meter, AIT SmartEST Labor
Elektrofahrzeuge.

Das Labor verfügt auf einer Fläche von
400 m2 über Indoor- und Outdoor-Prüf-
bereiche mit zahlreichen Funktionen. Die          FUNKTIONEN SmartEST Labor
Infrastruktur umfasst drei frei konfigu-
rierbare Labornetze, die mit einer Dauer-         > Akkreditierte Prüfung von Komponenten und Systemen der dezentralen
leistung von bis zu 1.000 Kilowatt betrie-          Erzeugung mit simulierten Netzen und Primärenergiequellen (z. B. PV-Wech-
ben werden können. Zu den technischen               selrichter)
Einrichtungen zählen Netzsimulatoren,             > Elektrische Tests, Funktions- und Leistungstests gemäß Norm
eine Anlage für Inselnetzbildung, PV-             > Gleichzeitige Prüfung von Leistungs- und Kommunikationsinterfaces
                                                    der Komponenten
                                                  > Leistungs- und Alterungstests bei kontrollierten Umweltbedingungen
                                                  > Simulation und Prüfung einzelner Komponenten sowie ganzer Systeme
                                                    und Anlagen
                                                  > P-HIL-Tests mittels Echtzeitsimulationen und Multi-Domain-Co-Simulation
                                                  > Simulation von Smart Grid-Szenarien

                                                                                                                                          KONTAKT
                                                                                                                         DI Dr. Wolfgang Hribernik
                                                                                                                         Head of Center for Energy
                                                                                                                            AIT Austrian Institute of
                                                                                                                                 Technology GmbH
                                                                                                                         Giefinggasse 2, 1210 Wien
                          AIT SmartEST Labor                  Smart Meter Prüfstand, AIT SmartEST Labor              E wolfgang.hribernik@ait.ac.at
                                                                  Alle Fotos: Nick Waldhör/Projektfabrik                           W www.ait.ac.at

                                                                                                                                                        15
Dr. Barbara Schmidt
     Generalsekretärin Österreichs Energie
     Foto: Österreichs Energie/Regina Hügli

16
INTERVIEW

ENERGIESYSTEME UND -NETZE
Dr. Barbara Schmidt, Generalsekretärin Österreichs Energie

Strom ist der Energieträger der Zukunft – wie werden wir in Österreich
langfristig (d. h. nach 2030 bzw. 2050) unseren Energiebedarf decken können?

Durch den Beschluss der integrierten Klima- und Energiestrategie am 28.5.2018
wissen wir, wie sich die Politik die Entwicklung bis 2030 vorstellt. Wenn es bis da-
hin gelingt, den heimischen Strombedarf im Jahresschnitt zu 100 % mit Strom aus
erneuerbaren Quellen im Inland abzudecken, werden wir im Vergleich zu heute die
Stromproduktion aus nicht-fossilen Ressourcen auf Basis der Vorgaben der inte-
grierten Klima- und Energiestrategie um rund 30 Milliarden Kilowattstunden ge-
steigert haben. Strom wird dann einen weitaus größeren Teil des Energiebedarfs
deutlich effizienter abdecken als heute. Wir brauchen aber noch viel weitergehende
Effizienzmaßnahmen, um eventuell 2050 oder danach unseren gesamten Energie-
bedarf mit erneuerbarem Strom decken zu können. Dazu sind große technologische
und soziale Veränderungen, beispielsweise im NutzerInnenverhalten, erforderlich.
Man sollte daher nicht Ziele mit Prognosen verwechseln, sondern mit hoher Inten-
sität an der Verwirklichung einzelner Etappenziele arbeiten.

Was werden smarte Technologien, insbesondere sogenannte „intelligente“
Netze, für das Energiesystem leisten?

Wie die Netze der Zukunft funktionieren werden, lässt sich heute noch gar nicht
sagen, weil viele Technologien und Systeme gerade erst einmal im Forschungs­
stadium sind. Es werden aber sicherlich hochautomatisierte, hochleistungsfähige
und hochkomplexe Einheiten sein, die auf der Basis intelligenter und lernfähiger
Systeme aufsetzen.

Welche Rolle spielt die Sektorkopplung, also die Verbindung
von Strom, Wärme- und Kälteversorgung, Industrie und Mobilität
zu einem integrierten Gesamtsystem?

Sektorkopplung und Flexibilität sind die großen Herausforderungen für eine sichere
Stromversorgung der Zukunft. Mit dem Ausstieg aus fossilen Energieträgern ver-
liert das Stromsystem viel von seiner bisherigen Lenkfähigkeit. Diese muss durch
Verzahnung bisher getrennter Bereiche wieder zurückgewonnen werden. Jede po-
tenzielle Energiequelle muss in Zukunft ihren Beitrag zum Gesamtsystem leisten.
Hier wird insbesondere die Industrie eine bedeutende Rolle spielen, einerseits als
Abnehmer, andererseits als ausgleichender Faktor.

                                                                                              17
18
THEMA

INDUSTRIELLE
ENERGIESYSTEME
D
          ie österreichische Industrie     Ressourceneffizienz in der industriel-    Sekundärbrennstoffen, die Speiche-
          ist ein bedeutender Wirt-        len Produktion zu erhöhen. Der effizi-    rung von Energie und ihre Wieder- und
          schaftsfaktor    mit    hoher    ente Einsatz von Energie in industriel-   Weiterverwendung sowie die Nutzung
          Produktivität. Sie leistet ei-   len Produktionsprozessen hilft Kosten     von Abwärme zu betriebsinternen und
          nen wesentlichen Beitrag         zu senken und Wettbewerbsvorteile zu      betriebsübergreifenden Zwecken.
zu Wachstum und sicheren Arbeits-          erzielen. In einigen Industriefeldern
plätzen. Die industrielle Produktion       ist es österreichischen Unternehmen       In vielen industriellen Prozessen sind
ist auch ein energieintensiver Sektor.     durch die Entwicklung zukunftswei-        die Energieeffizienzpotenziale heute
Der energetische Endverbrauch in der       sender Lösungen gelungen, eine Vor-       bereits weitgehend ausgeschöpft, teils
heimischen Industrie macht rund 30 %       reiterrolle einzunehmen.                  werden thermodynamische Grenzen
des Gesamtenergieverbrauchs in Ös-                                                   erreicht. Weitere Verbrauchsreduk-
terreich aus. Zu den energieintensiven     Forschung und Technologieentwick-         tionen sind bei gleichem Output oft
Industriezweigen zählen die Eisen- und     lung fokussiert auf die Produktions-      nur durch sogenannte Breakthrough
Stahlerzeugung, Chemie- und Petro-         prozesse, wo Prozessoptimierungen zu      Technologies, also völlig neue Herstel-
chemie, Steine-, Erden- und Glasin-        einer Erhöhung der Energieeffizienz       lungsprozesse, zu erzielen. Daher wird
dustrie sowie die Papier- und Druckin-     pro erzeugtem Produkt führen können.      intensiv an solchen innovativen Tech-
dustrie.                                                                             nologien geforscht. Innovation ist der
                                           Ein zukunftsweisendes Forschungs-         zentrale Fokus, um Technologievor-
Seit vielen Jahren entwickeln österrei-    thema ist die kaskadische Nutzung         sprung und Wettbewerbsfähigkeit der
chische Unternehmen in Kooperation         von Energie und Rohstoffen in der in-     Industrie in Zukunft zu erhalten und
mit der Forschung neue Technologi-         dustriellen Produktion. Beispiele dafür   weiter ausbauen zu können.
en und Prozesse, um die Energie- und       sind der Einsatz von Sekundärroh- und

                                                                                                                                  19
INDUSTRIELLE ENERGIESYSTEME

                              Laboranlage an der TU Wien
                              Foto: TU Wien/Julius Pirklbauer

                              Wirbelschicht-Stufe des Adsorbers
                              Foto: TU Wien/Julius Pirklbauer

20
INDUSTRIELLE ENERGIESYSTEME

             ViennaGreenCO2
    NEUES VERFAHREN FÜR DIE CO2-ABSCHEIDUNG AUS ABGASEN

           Eine kostengünstige Technologie für die Abtrennung
               von CO2 aus Abgasen wird in Wien getestet.

                                                                                          Pilotanlage

I
                                                                                          Foto: Shell
   n einem Leitprojekt der Energiefor-        ten in der Versuchsanlage abgeschieden
   schung entwickeln ForscherInnen der        werden. Wirbelschichtsysteme können
   Technischen Universität (TU) Wien und      im Vergleich zu herkömmlichen Abschei-
   der Universität für Bodenkultur (BOKU)     desystemen wesentlich kompakter und
   in Kooperation mit Shell ein kostengüns-   kostengünstiger gebaut werden. Daher
tiges und energieeffizientes Verfahren, um    gehen die ForscherInnen davon aus, dass
CO2 aus den Abgasen von Kraftwerken oder      die Abtrennkosten pro Tonne CO2 um bis
aus industriellen Prozessen filtern, kon-     zu 25 % niedriger ausfallen als bei der
zentrieren und nutzen zu können. Die neue     herkömmlichen Methode.
Technologie wird in einer Pilotanlage am
Biomassekraftwerk Simmering der Wien              Pilotanlage in Wien Simmering
Energie im Realbetrieb getestet.
                                              Die Versuchsanlage an der TU Wien kann
     Energie und Kosten einsparen             pro Tag etwa 50 kg CO2 abscheiden. In der
                                              Pilotanlage in Wien-Simmering soll eine
                                                                                          Gasanalyseraum in der Pilotanlage
Die Abscheidung von CO2 aus den Abga-         Abscheidekapazität von ca. 1 Tonne CO2      Foto: Shell
sen erfolgte bisher mit Hilfe wässriger       pro Tag demonstriert werden. In Langzeit-
Aminlösungsmittel in einem sehr ener-         tests will man die Wirtschaftlichkeit des
gieintensiven Prozess. Der Energieauf-        Konzepts erproben. Neben der CO2-Ab-
                                                                                                            KONSORTIUM
wand liegt bei einer Abscheideeffizienz       scheidung aus Industrieprozessen wären
                                                                                                            TU Wien – Institut für Verfah-
von 90 % bei rund 4 GJ pro Tonne CO2. Die     weitere zukunftsweisende Optionen, die                        renstechnik, Umwelttechnik und
Kosten für das Verfahren werden mit bis       neu entwickelte Technologie mit Biomas-                       technische Biowissenschaften
zu 100 Euro pro Tonne CO2 beziffert. Mit      seanlagen zu kombinieren (BECCS-Tech-                         (Projektleitung), Universität für
                                                                                                            Bodenkultur Wien (BOKU) –
dem an der TU Wien entwickelten Wirbel-       nik) oder CO2 für die weitere Nutzung in
                                                                                                            Institut für Verfahrens- und Ener-
schichtverfahren soll der Energieeinsatz      Syntheseprozessen bereitzustellen (z. B.                      gietechnik, Shell Global Solutions
um bis zu 40 % gesenkt werden. Der neu        zur Energiespeicherung unter Nutzung                          International BV, Bertsch Energy
entwickelte Prozess arbeitet ebenfalls        von Überschussstrom). Neben der Weiter-                       GmbH & CoKG
mit Aminen, allerdings nicht in flüssi-       entwicklung der CO2-Abscheidetechnolo-
ger Form. Es wird ein Wirbelschichtver-       gie wird im Rahmen von ViennaGreenCO2
fahren eingesetzt, bei dem feste Partikel     untersucht, ob das abgeschiedene CO2 als                      ▷ KONTAKT
mit dem Rauchgas in Kontakt gebracht          Düngemittel in den angrenzenden Ge-                             DI Dr. Gerhard Schöny
werden. Tests in den Laboranlagen der TU      wächshäusern der LGV Frischgemüse ein-                          TU Wien – Institut für chemische
                                                                                                              Verfahrenstechnik und Energietechnik
Wien waren sehr erfolgreich und haben         gesetzt werden kann.                                            Getreidemarkt 9, 1060 Wien
gezeigt, dass das Prinzip funktioniert.                                                                     E gerhard.schoeny@tuwien.ac.at
Mehr als 90 % des Kohlendioxids konn-                                                                       W http://vt.tuwien.ac.at

                                                                                                                                                 21
INDUSTRIELLE ENERGIESYSTEME

                                                                         Innovative Software-Lösungen für die Energie- und

     BaMa                                                                Ressourcenoptimierung in industriellen Prozessen

     BALANCED MANUFACTURING

                                                                                                                                     Implementierung & Change Management
                                                                                                                                                                           Management-Zielfunktion

                                                                             BaMa
                                                                                                                                                                              BaMa-Optimierung
                                                                                    IKT
                                                                                                                                                                            BaMa-          BaMa-
                                                                                                                                                                           Monitoring    Prädiktion

                                                                                                                Produktionsmanage-
                                                    Produktionsanlagen

                                                                                                                 ment und Logistik
                                                                                                                                                                               BaMa-Tool-Chain

                                                                                          Energiesystem
                                                                          Gebäude                                                                                               BaMa-Methode

                                                                                                                                                                              Produktionsanlagen

                                                                                                          Grafik: TU Wien – Institut für Fertigungstechnik und Hochleistungslasertechnik

     I
        m Rahmen von BaMa, einem Pro-                                     Das BaMa-System                                                    sind. So lassen sich Teilsysteme mit be-
        jekt, geleitet vom Institut für Ferti-                                                                                               sonders hohem Einfluss auf den Energie-
        gungstechnik und Hochleistungs-            Produzierende Unternehmen werden                                                          verbrauch identifizieren. Aufbauend auf
        lasertechnik (IFT) an der TU Wien,         mit Hilfe des Balanced-Manufacturing-                                                     Energie- und Ressourcenfluss-Analysen
        wird erstmals eine simulationsba-          Systems in die Lage versetzt, den Ener-                                                   werden auf Produktebene Übersichten
     sierte Methodik zur Planung und Steu-         giebedarf ihrer Prozesse zu analysieren,                                                  zum Energieverbrauch sowie ein Pro-
     erung des Energiebedarfs in der in-           zu prognostizieren und durch angepass-                                                    dukt-Fußabdruck (Zeit, Kosten, Energie,
     dustriellen     Produktion    entwickelt.     te Betriebsführungsstrategien zu opti-                                                    CO2-Ausstoß etc.) dargestellt.
                                                   mieren. Alle relevanten Bausteine einer
     Anwendungsorientierte Software-Tools          Produktionsstätte (Produktion, Gebäude,                                                                                      Demonstration
     ermöglichen die Energieoptimierung von        Energie, Logistik) werden unter Berück-
     Produktionsprozessen und berücksichti-        sichtigung von Managementaspekten                                                         Die entwickelten Methoden und Soft-
     gen dabei die ökonomischen Erfolgsfak-        modelliert.                                                                               ware-Lösungen werden in Produktions-
     toren Zeit, Kosten und Qualität. 18 Partner                                                                                             anlagen der Partnerunternehmen MPREIS
     aus Forschung und Industrie kooperie-         Die Methode basiert auf einem modula-                                                     und Infineon Technologies Austria einge-
     ren in diesem Leitprojekt der Energiefor-     ren Ansatz. Die Produktionsanlage wird                                                    setzt und getestet. Bei beiden Unterneh-
     schung.                                       in einzelne Bereiche mit definierten Sys-                                                 men erwarten die ExpertInnen Energie-
                                                   temgrenzen (die sogenannten „Cubes“)                                                      einsparungen im Bereich von 10 bis 20 %.
                                                   untergliedert, die durch eine klare
                                                   Schnittstellendefinition gekennzeichnet

22
INDUSTRIELLE ENERGIESYSTEME

     Die Software-Tool-Chain umfasst
          folgende Kernmodule:

> Monitoring-Funktion: Informationen zu
  Ressourcenverbräuchen werden gesam-
  melt, aufbereitet und visualisiert.
> Vorhersage-Funktion: Aufbauend auf
  dem Produkt-Fußabdruck und dem Pro-
  duktionsplan wird der Energieverbrauch
  der Fabrik prognostiziert.
> Optimierungsfunktion: Basierend auf Da-
  ten- und numerischen Simulationsmo-
  dellen zu den Fertigungsteilsystemen wird
                                                           Kältemaschine
  die Betriebsführung der Produktionsanla-
                                                           Foto: Infineon Technologies Austria
  ge in Hinblick auf die Optimierungszie-
  le (Reduktion des Energieeinsatzes, der
  Durchlaufzeit und der Kosten sowie zur
  Steigerung der Qualität) angepasst.

bama.ift.tuwien.ac.at

                                                                                           KONSORTIUM
                                                                                           TU Wien – Institut für Fertigungstechnik und
                                                                                           Hochleistungslasertechnik (Projektleitung) /
                                                                                           Institut für Energietechnik und Thermodyna-
                                                                                           mik / Institut für Rechnergestützte Automation
                                                                                           / Institut für interdisziplinäres Bauprozessma-
                                                                                           nagement / Institut für Managementwissen-
                                                                                           schaften, researchTUb GmbH, AutomationX
                                                                                           GmbH, Siemens AG Österreich, ATP sustain
                                                                                           GmbH, Daubner Consulting GmbH, dwh GmbH
                                                                                           – Simulation Services & Technical Solutions,
                                                                                           Wien Energie GmbH, GW St. Pölten Integrative
                                                                                           GmbH, Berndorf Band GmbH, Infineon Tech-
                                                                                           nologies Austria AG, Franz Haas Waffel- und
                                                                                           Keksanlagen-Industrie GmbH, Metall- und
                                                                                           Kunststoffwaren Erzeugungs GmbH,
                                                                                           MPREIS Warenvertriebs GmbH

                                                                                                            ▷ KONTAKT
                                                                                                              DI Benjamin Mörzinger
                                                                                                              TU Wien – Institut für Fertigungstechnik
                                                                                                              und Hochleistungslasertechnik (IFT)
                                                                                                              Getreidemarkt 9, 1060 Wien
                                              Produktionsbetrieb MPREIS
                                                                                                            E moerzinger@ift.at
                                                 Foto: Thomas Jantscher
                                                                                                            W http://bama.ift.tuwien.ac.at

                                                                                                                                                  23
Mag. Georg Kapsch
     Präsident der Industriellenvereinigung
     Foto: IV/Kurt Prinz

24
INTERVIEW

INDUSTRIELLE ENERGIESYSTEME
Mag. Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung

Die österreichische Industrie investiert seit Jahren in die Dekarbonisierung von
Herstellungsverfahren und die Entwicklung energieeffizienter Produkte – ist der
Industriesektor ein Innovationsmotor für den Klimaschutz?

Die Industrie ist Teil der Bewältigung der Jahrhundertaufgabe, ein weltweit klima-
verträgliches Energiesystem zu schaffen. Um diese weitgehende Dekarbonisierung
unserer Zivilisation zu ermöglichen, wie sie letztendlich erforderlich ist, um dem
Klimawandel wirksam Einhalt zu gebieten, sind alle Sektoren der Volkswirtschaft
gefordert. Diese ungeheure Aufgabe erfordert neue Lösungen, technische wie
organisatorische. Es ist die Industrie und sie wird es in Zukunft noch mehr sein,
die mit ihren Innovationen in allen Bereichen, neben der eigentlichen industriellen
Produktion insbesondere auch beim Wohnen und in der Mobilität, diese Lösungen
entwickeln und bereitstellen wird.

Welche Chancen entstehen durch die digitale Transformation der Energiewirt-
schaft für die energieintensive Industrie – Stichwort „Energie 4.0“?

Die neue digitale Energiewelt hält nicht nur allgemein Chancen im Sinne einer kli-
maverträglichen Energiezukunft bereit, sondern auch ganz konkret für die ener-
gieintensive Industrie. Einerseits ist es die Vernetzung und Steuerung zahlloser
dezentraler Energieproduzenten, die in ihrer Summe der energieintensiven In-
dustrie eine dekarbonisierte und dennoch versorgungssichere Perspektive bietet.
Anderer­seits sind es ebendiese digitalen Möglichkeiten, die es energieintensiven
Unternehmen erlauben, selbst Teil eines verwobenen und integrierten Energie-
systems zu werden, indem sie über die intelligente Steuerung ihres Energiebezugs
zur Stabilisierung der Stromnetze bei volatiler erneuerbarer Energiebereitstellung
beitragen.

Was bedeuten Forschung und Innovation für den Erfolg österreichischer
Unternehmen auf den internationalen Märkten?

Um Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Wirtschaftsmächten wie USA und China
halten und steigern zu können, spielen Forschung, Entwicklung und Innovation
eine essenzielle Rolle. Nur durch innovative, hochqualitative Produkte und Dienst-
leistungen ist eine Differenzierung am Weltmarkt möglich. F&E-intensive Unter-
nehmen wachsen schneller, schaffen mehr Arbeitsplätze und sind krisenrobuster.
Zusätzlich zur Sicherung des Innovationsnachwuchses sind vor allem wirkungs-
volle Förderinstrumente – wie insbesondere die Forschungsprämie oder direkte
F&E-Projektförderung – entlang der gesamten Innovationskette bis zur Markt-
einführung daher wesentlich und mit Planungssicherheit zu gestalten, um unsere
erfolgreichen Unternehmen weiterhin im internationalen Wettbewerb zu stärken.

                                                                                             25
INDUSTRIELLE ENERGIESYSTEME

                                FORWÄRTS 2.0
                              TROCKENE GRANULATION VON HOCHOFENSCHLACKE

                                                   Ein neues Granulationsverfahren
                                                 mit Wärmerückgewinnung nutzt das
                                                 energetische Potenzial der Schlacke.

                                                 B
                                                            ei der Roheisengewinnung im
                                                            Hochofenprozess entstehen pro
                                                            Tonne Roheisen als Nebenpro-
                                                            dukt ca. 300 kg heiße, flüssige
                                                            Schlacke, deren Wärmeinhalt
                                                   bei der weiteren Verarbeitung nicht wei-
                                                   ter genutzt wird. Bei langsamer Abküh-
                                                   lung an der Luft bildet sich kristalline
                                                   Hochofenstückschlacke, beim schnellen
                                                   Abkühlen im Wasser glasiger Hütten-
                                                   sand, ein Rohstoff, der überwiegend in
                                                   der Zementindustrie zum Einsatz kommt.
                                                   Das gängige Verfahren zur Herstellung
                                                   von Hüttensand ist die Nassgranulation.
                                                   Dabei geht das energetische Potenzial der
                                                   Hochofenschlacke von ca. 1,8 GJ pro Ton-
                                                   ne Schlacke verloren.

                                                   Von Primetals Technologies Austria
                                                   GmbH wurde ein neuartiges Konzept für
                                                   die trockene Granulation von Hochofen-
                                                   schlacke entwickelt, das aktuell an einer
                                                   Pilotanlage am Hochofen der voestalpine
                                                   Stahl GmbH in Linz getestet wird. Dieses
                                                   innovative Verfahren ermöglicht es, die
                                                   an die Luft abgegebene Wärme mittels
                                                   Wärmerückgewinnung für weitere Pro-
                                                   zesse zu nutzen.

                                       Oben: Granulationsprozess
                                       Unten: Pilotanlage zur Trockenschlackengranulation
26                                     am Hochofen der voestalpine Stahl GmbH
                                       Fotos: Primetals Technologies Austria GmbH
INDUSTRIELLE ENERGIESYSTEME

Schlackenfluss zum Granulator
Foto: Primetals Technologies Austria GmbH

                                                                                              Feuerfestausmauerung der Abluftleitung
                                                                                              Foto: voestalpine Stahl GmbH

                  Innovatives Verfahren                 Energie und Wasser einsparen

       Die Anlage arbeitet mit dem sogenannten      Mit dem neu entwickelten Verfahren
       „Rotating Cup“-Prinzip. Dabei wird die       zur Trockenschlackegranulation können
       flüssige Schlacke auf einen schnell rotie-   Wassereinsparungen von bis zu 95 % er-
       renden Drehteller aufgebracht. Durch die     zielt werden. Außerdem wird keine Ener-
       auftretenden Kräfte wird die Schlacke in     gie für die Trocknung des Hüttensands
       feine Tropfen zerrissen und radial an eine   benötigt. Bei der Nassgranulation liegt
       mit Wasser gekühlte Wand geschleudert.       der Energiebedarf für die Nachtrock-
       Auf dem Millisekunden dauernden Flug         nung bei rund 130 kWh pro Tonne. Welt-
       werden diese Partikel mit Luft gekühlt,      weit werden jährlich etwa 400 Millionen
       die heiße Abluft wird abgeführt. Derzeit     Tonnen Hochofenschlacke mit bis zu
       wird der Granulationsprozess an der An-      1.500 °C erzeugt. Gegenüber dem Stand
       lage getestet. Ziel in dieser Projektpha-    der Technik wären daher weltweit jähr-
       se ist es, hochqualitativen Hüttensand       lich Einsparungen von rund 280 PJ ther-   Granulator der Pilotanlage
       herzustellen. Bei einem erfolgreichen        mischer Energie möglich. Mit der Option   Foto: Primetals Technologies Austria GmbH
       Abschluss der jetzigen Projektphase, mit     der elektrischen Energierückgewinnung
       der Bestätigung des anlagentechnischen       entspricht dies einem weltweiten CO2-
       Konzepts und der Qualität des Hüttensan-     Einsparungspotenzial von rund 17 Milli-
       des, kann in weiterer Folge ein Gesamt-      onen Tonnen pro Jahr.                                       KONSORTIUM
                                                                                                                Primetals Technologies Austria
       konzept inklusive Wärmerückgewinnung                                                                     GmbH (Projektleitung), voestalpine
       im industriellen Maßstab erstellt werden.                                                                Stahl GmbH, Montanuniversität
                                                                                                                Leoben – Lehrstuhl für Thermo-
                                                                                                                prozesstechnik, FEhS – Institut für
                                                                                                                Baustoff-Forschung e.V.

                                                                                                                ▷ KONTAKT
                                                                                                                  DI Robert Neuhold
                                                                                                                  Primetals Technologies Austria GmbH
                                                                                                                  Turmstraße 44, 4031 Linz
                                                                                                                E robert.neuhold@primetals.com
                                                                                                                W www.primetals.com

                                                                                                                                                      27
INDUSTRIELLE ENERGIESYSTEME

                              Solaranlage Fleischwaren Berger,
                              Sieghartskirchen, Niederösterreich
                              Foto: Fleischwaren Berger GmbH & Co KG

28
INDUSTRIELLE ENERGIESYSTEME

                                 InSun
         SOLARTHERMIE FÜR INDUSTRIELLE PROZESSWÄRME

         Ein niederösterreichisches Unternehmen demonstriert
     die Nutzung von Prozesswärme aus einer großen Solaranlage.

                                                                                                         Energiespeicher
                                                                                                         Foto: Fleischwaren Berger GmbH & Co KG

D
          ie Firma Fleischwaren Berger        Solare Wärme im Produktionsprozess          Für die Vorwärmung des Kesselspeise-
          verarbeitet am Standort Sieg-                                                   wassers wurden 64 MWh herangezogen.
          hartskirchen in Niederöster-       Die solare Wärme wird an zwei Stellen in     Dies stellt rund 0,7 % des gesamten Ener-
          reich Frischfleisch zu Schinken    den Produktionsprozess eingespeist. Zum      giebedarfs für die Dampferzeugung dar.
          und Wurstprodukten. Täglich        einen wird sie für die Brauchwassererzeu-    Um diesen Anteil zu erhöhen, wurde 2015
werden rund 100 Tonnen Fleischwaren          gung verwendet. Der Bedarf an Brauch-        zusätzlich ein 122 m2 großes Parabolrin-
produziert. 2014 errichtete das Unter-       wasser (40 bis 60 °C) für Reinigungszwe-     nen-Kollektorfeld mit einer maximalen
nehmen eine thermische Solaranlage           cke beträgt 7 m3/h. Das Wasser wird zum      Heizleistung von 60 kW integriert, das als
mit einer Kollektorfläche von 1.067 m2       Abduschen der Wurstprodukte, für Trock-      Temperatur-Booster für die Flachkollek-
und einem 60-m3-Energiespeicher. Dabei       nungsprozesse sowie für die Kisten- und      toren dient.
kamen Flachkollektoren des Typs Gluat-       Maschinenreinigung benötigt. Zum ande-
mugl HT des österreichischen Herstellers     ren wird höher temperiertes Warmwasser       Durch die Nutzung der Solarwärme wer-
S.O.L.I.D. zum Einsatz.                      (> 60 °C) für die Vorwärmung des Zusatz-     den bei Fleischwaren Berger jährlich bis
                                             wassers zweier Dampfkessel eingesetzt.       zu 46.500 Liter Heizöl eingespart, dies be-
Die Installation und Evaluierung des                                                      deutet eine Reduktion der CO2-Emissionen
Systems war Teil des EU-Projekts „In-              Ergebnisse des Monitorings             um jährlich 150 Tonnen. In Relation zum
Sun – Industrial Process Heat by Solar                                                    gesamten Heizölbedarf des Unternehmens
Collectors“ (gefördert im 7. EU-For-         Die Solaranlage zeigte im Betrachtungs-      ist dies eine Ersparnis von 4 bis 5 %.
schungsrahmenprogramm). Sechs Part-          zeitraum ein solides Betriebsverhalten
ner aus Österreich, Italien, Spanien und     und lieferte zufriedenstellende solare Er-
                                                                                            KONSORTIUM
Deutschland kooperierten mit dem Ziel,       träge. Mit einem kumulierten jährlichen        Fleischwaren Berger GmbH & Co KG (Projekt-
die Qualität und Zuverlässigkeit großer      Solarertrag von 408 kWh/m2 sowie einem         leitung), S.O.L.I.D. Gesellschaft für Solarinstal-
solarthermischer Anlagen für die Anwen-      solaren Deckungsgrad von rund 3,5 % wur-       lation und Design mbH, AEE INTEC, Hochschule
dung in industriellen Prozessen zu testen.   den die Prognosewerte erreicht. Rund 83 %      für Technik Stuttgart, EURAC research, Laterizi
                                                                                            Gambettola SRL / Soltigua, SOLERA GmbH
Das bei Fleischwaren Berger installierte     (314 MWh) des gesamten solaren Ertrags
System liefert seit Juni 2013 detaillierte   wurden im Betrachtungszeitraum für die
Messdaten und wurde von der AEE INTEC        Brauchwasserbereitung eingesetzt. Der                           ▷ KONTAKT
im Zeitraum 2013 bis 2015 einem Monito-      jährliche solare Anteil am gesamten Ener-                         DI Bernd Maderner
ring unterzogen.                             gieverbrauch für die Warmwasserberei-                             Fleischwaren Berger GmbH & Co KG
                                                                                                               Koglerstraße 8, 3443 Sieghartskirchen
                                             tung beträgt 11 %, wobei speziell in den                        E bernd.maderner@berger-schinken.at
                                             Sommermonaten solare Deckungsgrade                              W www.berger-schinken.at
                                             von rund 60 % erreicht werden konnten.

                                                                                                                                                  29
30
THEMA

UMWANDLUNGS-
TECHNOLOGIEN
E
         rneuerbare Energieträger bil-      und Optimierung von Umwandlungs-          Energieeffizienzmaßnahmen zukünf-
         den die Basis für eine zukunfts-   technologien ab. Betrachtet wird die      tig zu intelligenten und auf die Anwen-
         fähige, nachhaltige Energie-       gesamte Wertschöpfungskette von der       dung angepassten Systemen verbun-
         versorgung. Die europäischen       Produktion über den Betrieb bis zum       den werden.
         Klimaziele sehen bis 2030 eine     Recycling.
Senkung der Treibhausgasemissionen                                                    Zentral sind dabei Konzepte zur Sek-
um 40 % gegenüber 1990 vor. Der An-         In den Bereichen Bioenergie, Brenn-       torkopplung. Durch das Zusammen-
teil der erneuerbaren Energien an der       stoffzellen, Geothermie, Photovoltaik,    führen verschiedener Technologien
Energieversorgung sowie die Energie-        Solarthermie, Wärmepumpen und Käl-        in hybriden Systemen in Gebäuden,
effizienz sollen auf mindestens 27 %        teanlagen, Wasserkraft und Windener-      der Industrie, im Netzbereich sowie
erhöht werden. Österreich hat gemäß         gie werden laufend neue, effiziente und   in Verkehrs- und Mobilitätssystemen
Vorschlag der Europäischen Kommis-          kostengünstige Technologien entwi-        sollen Lösungen für ein integriertes
sion die Treibhausgasemissionen der         ckelt. Durch die konsequente techno-      Gesamtsystem auf Basis erneuerbarer
nicht vom Emissionshandel erfassten         logische Weiterentwicklung sollen die     Ressourcen geschaffen werden.
Quellen um 36 % gegenüber 2005 zu re-       Kosten für Herstellung und Anwendung
duzieren.                                   dieser Energieträger kontinuierlich ge-   Neue Ansätze für integrierte Systemlö-
                                            senkt und so dazu beigetragen werden,     sungen eröffnen auch neue Zielmärkte
Eine Dekarbonisierung ist aus derzei-       den Anteil erneuerbarer Energien am       für exportorientierte österreichische
tiger Sicht nur durch einen raschen         Gesamtenergieverbrauch zu erhöhen.        Unternehmen und Industrien und tra-
Umstieg auf Technologien zur Nutzung                                                  gen dazu bei, deren Wettbewerbsfähig-
erneuerbarer Energiequellen möglich.        Für eine nachhaltige, umweltverträgli-    keit zu erhöhen.
Forschung und Entwicklung zielen auf        che Energiebereitstellung müssen alle
die konsequente Weiterentwicklung           verfügbaren Einzeltechnologien und

                                                                                                                                   31
UMWANDLUNGSTECHNOLOGIEN

     SolPol
     POLYMERWERKSTOFFE FÜR DIE SOLARTECHNIK

                                                                                                                       Solarsystem Sunlumo
                                                                                                            Foto: Sunlumo Technology GmbH

                                                             SolPol ist die weltweit größte Forschungs-
                                                            initiative zum Thema Kunststoffinnovationen
                                                                         für die Solartechnik.

                                                    D
                                                                as Großforschungs-      stärkt und ausgebaut werden.
                                                                vorhaben führt die      Die solartechnischen Lösungen in Voll-
                                                                Kompetenzen     füh-    kunststoffbauweise bzw. mit einem ho-
                                                                render österreichi-     hen Kunststoffanteil zeichnen sich durch
                                                                scher Polymer- und      folgende Merkmale aus:
                                                      Solar-Forschungseinrichtun-       > hoher Vorfertigungsgrad und optimier-
                                                   gen mit der Expertise heimischer       te Funktionsintegration
                                                Kunststoff- und Solarthermie-Unter-     > Reduzierung des Gewichts und einfache
                                             nehmen zusammen. Seit 2010 arbeiten          Montage (plug & function)
     Speicherkollektor GREENoneTEC           zehn wissenschaftliche und 19 Unterneh-    > hohe Zuverlässigkeit und Lebensdauer,
     Foto: GREENoneTEC Solarindustrie GmbH   menspartner unter Leitung der Johannes     > attraktiveres Design
                                             Kepler Universität (JKU) Linz – Institut   > reduzierte Kosten/Preise bzw. besseres
                                             für Polymerwerkstoffe und Prüfung an         Kosten-Nutzen-Verhältnis
                                             der Entwicklung von neuen, kunststoff-
                                             basierten thermischen Kollektorsyste-         Zukunftsweisende neue Produkte
                                             men und PV-Modulen.
                                                                                        Einige der SolPol-Entwicklungen wer-
                                             Ziel ist es, die Herstellungskosten von    den bereits erfolgreich am Markt ein-
                                             solarthermischen Kollektoren und PV-       gesetzt. Dazu gehören die Hochtempe-
                                             Modulen bei gleicher oder höherer Leis-    ratur-Kunststoffdichtungsbahnen      der
                                             tungsfähigkeit zu senken. Im Bereich PV-   AGRU Kunststofftechnik GmbH, die nicht
                                             Module wird die Kostenreduzierung durch    nur für großvolumige solarthermische
                                             neue Einkapselungsmaterialien mit ver-     Speicher in Kombination mit Nah- und
                                             besserter Verarbeitbarkeit erreicht. Bei   Fernwärmenetzen, sondern auch in der
                                             solarthermischen Kollektoren wird ein      Geothermie verwendet werden. High-
                                             komplettes Re-Design von Kollektoren       Performance-Kunststoffe der Borealis AG
                                             in Vollkunststoffbauweise umgesetzt. Mit   kommen in Kunststoffkollektorsystemen
                                             den neuen Entwicklungen soll die Posi-     sowie in der Fahrzeugtechnik und im An-
                                             tion österreichischer Solar- und Kunst-    lagenbau zum Einsatz. Optimierte Kunst-
                                             stoffunternehmen in den global wach-       stofflaminate und Folienverbunde der
                                             senden Solartechnologie-Märkten ge-        Lenzing Plastics GmbH & Co KG eignen

32
UMWANDLUNGSTECHNOLOGIEN

SolPol-1 JKU Linz
Foto: Klima- und Energiefonds/Ringhofer

                                                                                                                    SolPol-Kollektor
                                                                                                                    am Solarprüfstand
                                                                                                                    Foto: AEE INTEC

       sich für PV- und solarthermische Anwen-              Eine-Welt-Solarkollektor
                                                                                                   KONSORTIUM
       dungen sowie für Wärmedämmsysteme,                                                          Johannes Kepler Universität (JKU) Linz – Institut für
       als Fassadenelemente und als Baufolien.       Eine herausragende Entwicklung im             Polymerwerkstoffe und Prüfung (Projektleitung) /
                                                     Rahmen des Projekts ist der zu 100 %          Institut für Analytische Chemie / Institut für Chemie
                  Verbesserte Ökobilanz              aus Kunststoff hergestellte Eine-Welt-        der Polymere / Institut für chemische Technologie
                                                                                                   organischer Stoffe / Institut für Polymer-Spritz-
                                                     Solarkollektor der Sunlumo Technology         gießtechnik und Prozessautomatisierung,
       Kunststoffkollektorsysteme     zeichnen       GmbH. Er dient zur Brauchwassererwär-         AEE INTEC, Österreichisches Institut für Wirt-
       sich gegenüber herkömmlichen Kollek-          mung und Heizungsunterstützung, lässt         schaftsforschung (WIFO), AIT Austrian Institute
       torsystemen durch deutlich bessere Öko-       sich sehr leicht installieren und mit welt-   of Technology GmbH, Kunstuniversität Linz –
                                                                                                   Industrial Design scionic®, Universität Innsbruck
       bilanzen (LCA/EcoFootPrint-Werte) aus.        weit gängigen Speichersystemen verbin-
                                                                                                   – Arbeitsbereich für Energieeffizientes Bauen,
       Die Betrachtung verschiedener Szenarien       den.                                          AGRU Kunststofftechnik GmbH, ALANOD GmbH &
       zeigte, dass im Vergleich zum jetzigen                                                      Co. KG, APC Advanced Polymer Compounds,
       Status quo in Österreich im Niedertem-        Halbierte Herstellungskosten, 50 % we-        Borealis AG, Calus GmbH, Easol e.U,
       peratur-Wärmesektor bis zum Jahr 2050         niger Gewicht und ein um 60 % besserer        ENGEL Austria GmbH, Gabriel-Chemie GmbH,
                                                                                                   GREENoneTEC Solarindustrie GmbH, Greiner
       etwa 70 bis 84 % an CO2-Emissionen ein-       ökologischer Fußabdruck im Vergleich zu       Technology & Innovation GmbH, KE KELIT
       gespart werden können.                        Kollektoren aus Metall und Glas sind die      Kunststoffwerk GmbH, Kioto Photovoltaics GmbH,
                                                     Vorteile dieses innovativen Produkts. Für     Lenzing Plastics GmbH & Co KG, PerkinElmer
       Die energetischen Amortisationszeiten         ein vollpolymeres Eine-Welt-Solarsys-         Vertriebs GmbH, Schöfer GmbH, SENOPLAST
                                                                                                   KLEPSCH & Co GmbH, SUN MASTER Energie-
       in der Photovoltaik liegen mit den ent-       tem mit 4 m2 Kollektorfläche und 150 l
                                                                                                   systeme GmbH, Sunlumo Technology GmbH,
       wickelten       Einkapselungsmaterialien      Wärmespeicher beträgt der Energiebe-          Sunplugged GmbH
       und neuen Solarzellen sowie Modulfer-         darf 5.000 MJ bei einem CO2-Fußabdruck
       tigungstechniken mittlerweile bei etwa        von 250 kg.
       1,5 bis zwei Jahren. Bei einer garantierten
       Servicelaufzeit von 20 Jahren lassen sich     www.solpol.at
       damit auch hier im Vergleich zu fossi-
       len Kraftwerken Einspareffekte bei CO2-                                                                      ▷ KONTAKT
       Emissionen von zumindest 80 % ableiten.                                                                        o. Univ.-Prof. DI Dr.mont.
                                                                                                                      Reinhold W. Lang
                                                                                                                      Johannes Kepler Universität (JKU)
                                                                                                                      Linz – Institut für Polymerwerkstoffe
                                                                                                                      und Prüfung
                                                                                                                      Altenberger Straße 69, 4040 Linz
                                                                                                                    E solpol@jku.at
                                                                                                                    W http://ipmt.jku.at

                                                                                                                                                           33
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