N 30 - PRODUZENTEN MAGAZIN Das Magazin der Allianz
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PRODUZENTEN MAGAZIN Das Magazin der Allianz Deutscher Produzenten – Film und Fernsehen e.V. o DEZEMBER 2019 N 30 • Green Filming • Gemeinsame Vergütungsregeln • Unständigkeit • Herausforderungen des Produktionsalltags
MAGAZIN No 30 DIE NEUE JURY DES CARL LAEMMLE PRODUZENTENPREISES 19 HAT DEN PREISTRÄGER FÜR 2020 VERKÜNDET DER KLIMAWANDEL WAR DAS THEMA 2019. AUCH FÜR DIE FILMBRANCHE WERDEN GRÜNE STRATEGIEN IMMER WICHTIGER. „FILMHERSTELLER“ ULI ASELMANN EXKLUSIV IM GESPRÄCH NEU: HERAUSFORDERUNGEN DES o PRODUKTIONSALLTAGS PRODUZENT*INNEN BERICHTEN GVR PROF. DR. JOHANNES KREILE GIBT IM INTERVIEW EINEN ÜBERBLICK
INHALT Carl Laemmle Produzentenpreis Jury verkündet 6 Preisträger 2020 Förderpreis der Deutschen Werbefilmakademie Bilder sagen mehr als Worte 8 Klimawandel Green Filming 10 Besuch für die Produzentenallianz Günther Oettinger auf Abschiedstour 14 Setgespräche „Filmhersteller“ 16 Uli Aselmann im Gespräch 4
22 Herausforderungen des Produktionsalltags Exzessive Planung und lange Nachbereitung 28 kurz vorgestellt: Der Bernd Burgemeister Fernsehpreis 30 Service-Beitrag Unständigkeit: Was Produzentinnen und Produzenten wissen sollten GVR 34 Prof. Dr. Johannes Kreile im Interview Deshalb sind gemeinsame Vergütungsregeln so wichtig o Drei Fragen an 38 Heike Wiehle-Timm & Ariane Krampe Freundeskreis der Produzentenallianz 42 Neue und bewährte Freunde 44 dies und das in der Produzentenallianz 46 Impressum und Bildnachweise 5
Carl Laemmle Produzentenpreis 2020 Nico Hofmann wird für sein bisheriges Lebenswerk ausgezeichnet Nico Hofmann wird kommendes Jahr als herausragende Produzentenpersönlichkeit mit dem Carl Laemmle Produzentenpreis 2020 für sein bisheriges Lebenswerk ausgezeichnet. Das gab die neue Jury nach einstimmiger Entscheidung Ende Oktober bekannt. Damit wird der renommierte Filmpro- duzent und CEO der UFA-Gruppe für sein herausragendes produzentisches Gesamtschaffen geehrt. „Für mich bedeutet diese hohe Auszeichnung eine Aufforderung zu Mut, Haltung und Leidenschaft in unserer Branche, die im Moment ihre vielleicht dynamischsten und aufregendsten Zeiten erlebt. Mein Dank gilt meinen Freunden und Wegbegleitern, meinem Team bei der UFA und Bertelsmann, einem Unternehmen, das mir seit mehr als 20 Jahren künstlerische und unternehmerische Freiheit lässt und für mich zur Heimat geworden ist“, so Hofmann in seiner Reaktion auf die Bekanntgabe. Die nach dem Filmpionier und Gründervater Hollywoods, Carl Laemmle, benannte Auszeich- nung wird Nico Hofmann am Freitag, 13. März 2020 in Laupheim, dem schwäbischen Geburtsort Laemmles, im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung entgegennehmen. Die Auszeichnung ist mit 40.000 Euro dotiert. Zum Festakt im Schloss Großlaupheim werden rund 500 persönlich geladene Gäste aus Film, Kultur und Wirtschaft erwartet. 6
PA MAGAZIN 02/19 Die elfköpfige Jury des Carl Laemmle Produzentenpreises wurde in diesem Jahr turnusgemäß neu besetzt. Neuer Juryvorsitzender ist Prof. Dieter Kosslick (ehem. Festivaldirektor der Internationalen Filmfestspiele Berlin “Berlinale”). Die Jury setzt sich seitens der Filmwirtschaft zusammen aus Prof. Carl Bergengruen (Geschäftsführer der MFG Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg), Dagmar Biller (Produzentin/Geschäftsführerin der TANGRAM International GmbH), Dr. Christoph Palmer (Geschäftsführer der Produzentenallianz), Prof. Bettina Reitz (Präsidentin der Hochschule für Fernsehen und Film München) sowie Christine Strobl (Geschäftsführerin der Degeto Film GmbH) und seitens Laupheim aus Elke Hüller-Kern (Vertreterin des Laupheimer Unternehmerkreises), Ad- rian Kutter (Begründer der Biberacher Filmfestspiele - nicht auf dem Gruppenfoto), Gerold Rechle (Oberbürgermeister der Stadt Laupheim), Dr. Heiko Schmid (Landrat des Landkreises Biberach) und Steffen Schweizer (Vertreter des Bundes der Selbständigen Laupheim). Der Carl Laemmle Produzentenpreis wurde im Jahr 2017 anlässlich des 150. Geburtstags des Film- pioniers und Erfinders von Hollywood Carl Laemmle durch die Produzentenallianz gemeinsam mit Carl Laemmles Geburtsstadt Laupheim ins Leben gerufen. Als erster eigenständiger deutscher Produzentenpreis zeichnet der Carl Laemmle Produzentenpreis jährlich das Lebenswerk einer he- rausragenden Produzentenpersönlichkeit aus und stellt zugleich generell die besondere Leistung der Produzentinnen und Produzenten im kreativen und wirtschaftlichen Prozess des Filmschaffens in besonderer Weise heraus. Zum Auftakt im Jahr 2017 wurde Roland Emmerich mit dem ersten Carl Laemmle Produzentenpreis ausgezeichnet, gefolgt im zweiten Jahr von Regina Ziegler. Im selben Jahr wurde Artur Brauner anlässlich seines 100. Geburtstags mit dem Sonderpreis der Jury – dem Carl Laemmle Ehrenpreis – geehrt. Im Jahr 2019 ist Stefan Arndt mit dem Carl Laemmle Produzentenpreis für sein bisheriges Lebenswerk ausgezeichnet worden. 7
Förderpreis der Deutschen Werbefilmakademie Bilder sagen mehr als Worte Seit sieben Jahren zeichnet die Deutsche Singapur stammende Song, die mittler- Werbefilmakademie mit ihrem Förder- weile in Berlin lebt, überzeugte die Jury preis besonders starke Konzepte für die mit einer ausdrucksstarken Hommage an Bewegtbildproduktion aus. Gewinnerin die Kraft des kreativen Schreibens, die in diesem Jahr ist Joy X. Song (Foto) mit vor allem von der Visualisierung der Räu- ihrem Konzept „The Dollhouse“. Die aus me lebt, durch die Song ihre Protagonis- 8
PA MAGAZIN 02/19 tin streifen lassen will. Der Clou: gleichzeitig dung zurück. Während dieser Phase fand au- spiegelt „The Dollhouse“ das Konzept einer ßerdem ein „Speed Recruiting“ statt, zu dem innovativen Screen-Writing-App wider. sich Berufseinsteiger mit Regisseur*innen und Produzent*innen der Branche austauschen und Nicht nur die Konzepte, die für den För- Kontakte knüpfen konnten. Da die Teilnehmer- derpreis eingereicht wurden, hatten es in zahl begrenzt ist, musste im Vorfeld eine Aus- sich, sondern auch deren Präsentationen. wahl durch die Akademie stattfinden. Die zehn Finalistinnen und Finalisten der öffentlichen Ausschreibung präsentierten Die Jury, bestehend aus Marjorieth Sanmartin ihre Ideen in einem Live-Pitch im September (TBWA), Executive Postproducerin Olaia Kasal vor Jury und Publikum. Jedes Talent hatte (Infected), Regisseur Sergej Moya und Executive sieben Minuten Zeit für den Pitch, danach Producer Justin Mundhenke (Tempomedia), tat zog sich die Jury zur Entscheidungsfin- sich sichtlich schwer, in diesem Jahr nur eine Siegerin zu küren. Das Konzept des Jung-Re- gisseurs Eugen Merher („Dark Red“) und des- sen Partners Philip Chrobot über eine bunte Lovestory für die Lolli-Marke Chupa-Chups war ebenfalls heißer Anwärter. Letztlich entschieden sich die Experten dann für Joy Song. Noch am Abend des 25. September wurde die Gewinnerin im Hamburger Bullerei Studio gekürt. Song ist die erste Frau, die alleine auf dem Siegertreppchen steht. Mit Magali Her- zog gewann zwei Jahre zuvor schon einmal eine weibliche Producerin den Preis, damals gemeinsam mit ihrem Partner, dem Regisseur Miguel Schmid. Thilo Gundelach gewann im letzten Jahr den ersten Preis mit seinem LEVI’S Spot-Konzept „Show Yourself“. Als Gewinnerin hat Song für Ihr Konzept ein Pro- duktionsbudget von 20.000 Euro von der Deut- schen Werbefilmakademie erhalten. Weischer. Media unterstützt zudem mit einem Mediaetat von 15.000 EUR zur Kinoplat- zierung und Studio Funk supportet mit 5.000 EUR Sachleistung für eine Ki- nomischung und Grading – eine gute Basis, um das Konzept Wirklichkeit wer- den zu lassen. Inzwischen schreitet die Produktion des Films voran, schließ- lich soll der fertige Film traditionell beim Deut- schen Werbefilmpreis in Hamburg Premiere feiern. Viel Zeit ist nicht mehr: Am 27. März 2020 findet der Deutsche Werbefilm- preis auf Kampnagel in Hamburg statt. 9
Klimawandel / Umweltschutz von Oliver Castendyk GREEN FILMING Schmelzende Gletscher, auftauende Permafrost- Böden, steigende Meeresspiegel, Greta Thunberg, Fridays for Future, Extinction Rebellion. Am Thema Klimawandel kommt keiner mehr vorbei, auch nicht die Filmindustrie... 10
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... Und damit ist nicht (nur) die Vielzahl von Do- mann & Berg-Produktion „Der Pass“ und die ak- kumentationen und Spielfilmen gemeint, die sich tuelle MasterChef-Staffel von Endemol Shine. Am mit dem Klimawandel und seinen Folgen befassen: Beispiel der Tatort-Folge „Fünf Minuten Himmel“ Dokumentationen, wie „An Inconvenient Truth“, von Ziegler Film im Auftrag des SWR konnte ge- „Time to Choose“ oder „The Great Warming“, oder zeigt werden, dass der CO2-Ausstoß einer solchen Spielfilme wie „The Day After Tomorrow“, die das Produktion um 42 % gesenkt werden kann. Der Bewusstsein von der Dramatik der Lage bei vielen Erfahrungsbericht aus dem Jahr 2016 ist nach wie Menschen gestärkt, oft sogar erst geschaffen ha- vor sehr lesenswert. Inzwischen kamen weitere ben. Stattdessen geht es hier um die Frage, was die Projekte hinzu. Filmproduktionswirtschaft selbst geleistet hat und leisten kann, um den Klimawandel aufzuhalten bzw. Verbände wie die Produzentenallianz oder der zu verringern. Denn auch sie ist ein – wenn auch Bundesverband Regie, die Deutsche Filmakade- verhältnismäßig kleiner – Teil des Problems. Eine mie und die Filmförderer offerieren Fortbildungen Zahl aus Frankreich: Laut ECOPROD emittiert die zum Thema „Green Shooting“ und zur Frage, wie französische Medienindustrie rund 1 Million Ton- sich nachhaltige Filmproduktion in den Bereichen nen CO2 pro Jahr (von 445 Millionen Tonnen CO2 Licht und Energie, Reisen und Transport, Szenen- insgesamt); davon entfielen 2018 250.000 Tonnen bild, Setdesign und Dekobau, Catering, Büro und auf die Filmindustrie. Team-Kommunikation verbessern lässt. In Deutschland begann man schon vor einigen Andere Filmproduktionsstandorte bewegen sich Jahren das Problem anzugehen – zuerst die Film- ebenfalls. In den USA wurde von der Producers förderung Hamburg Schleswig-Holstein (FFHSH), Guild of America der „Green Production Guide“ die 2012 mit dem „Grünen Drehpass“ (GD) das ers- entwickelt, u.a. unterstützt von den Major Compa- te Label für nachhaltige Filmproduktion in Europa nies, Amazon Studios, HBO und Netflix. Die British schuf. Aber auch andere Filmförderungen entwi- Academy of Film and Television Arts (BAFTA) ent- ckelten „grüne“ Initiativen, allen voran die Medi- wickelte das Umweltprogramm „ALBERT“ für die en- und Filmförderung Baden-Württemberg (MFG). Filmindustrie. Jeder Produzent, der für die BBC Sie unterstützen Filmproduzent*innen dabei, die produzieren möchte, muss dieses Programm be- Projekte ökologisch nachhaltig herzustellen, den herzigen. CO2-Fußabdruck der Filmproduktion zu reduzie- ren, erkennen die Kosten eines „Green Consul- Kurzum: Es tut sich was, aber noch nicht auf brei- tant“ an, bieten einen CO2-Rechner für Film- und ter Front. Noch sind es einzelne Vorzeigeprojekte, TV-Produktionen und ein Onlineverzeichnis von keine Massenbewegung. Um dem Ziel eines allge- Dienstleistungsunternehmen mit geeigneten An- meinen Öko-Standards für deutsche Filmprodukti- geboten an usw. onen näherzukommen, beteiligt sich die Produzen- tenallianz (Prof. Dr. Mathias Schwarz) am von der Auch deutsche Sender und Produktionsunterneh- MFG gegründeten Arbeitskreis „Green Shooting“, men setzen auf grüne Strategien. Den Anfang zu dem weitere Förderer (FFA, FFHSH) aber auch machten 2012/13 Studio Hamburg und Bavaria ARD (Degeto und SWR), ZDF, Sky Deutschland, Film bei seriellen Produktionen für die ARD. So- der VTFF, Produktionsunternehmen, wie die UFA, ny Pictures produzierte 2014 „Der Lehrer“ für RTL Bavaria Film, Constantin, Ziegler Film sowie Green- klimafreundlich. 2015 wurde die ZDF-Show von Production-Expert*innen gehören. Riverside Entertainment „Der Quiz-Champion“ von der FFHSH mit dem GD ausgezeichnet. Sky Ziel des Arbeitskreises ist ein System, das Film- und stellte 2017 eigene Richtlinien für nachhaltige Film- TV- Produzent*innen bundesweit ermutigt, umwelt- produktionen auf. Pilotprojekte waren die Wiede- freundlicher zu produzieren, das ihnen geeignete 12
PA MAGAZIN 02/19 Instrumente an die Hand gibt und das nicht zuletzt Den „Grünen Drehpass National“ (GDN) soll, wie eine Vergleichbarkeit zwischen den Ergebnissen schon den GD der FFHSH, jedes Produktionsunter- herstellt. Der Arbeitskreis finanzierte deshalb ein nehmen für die jeweilige Produktion beantragen Konzept für ein bundesweites Zertifikat für ökolo- können. Dazu braucht es eine entsprechende Ver- gisch nachhaltig produzierte Film- und TV-Produk- gabeinstitution. Diese Stelle könnte beispielsweise tionen, das vom Green Shooting-Experten Phillip bei der Filmförderungsanstalt (FFA) angesiedelt Gassmann und dem Freiburger Öko-Institut erstellt werden oder in einer eigenen gGmbH. In einem wurde. Seine Ziele: Steuerungskreis und in einem Beirat, an dem die Produzentenallianz beteiligt wäre, könnten die – 1. Reduktion von Treibhausgasen; sich aufgrund der technologischen Entwicklungen 2. Reduktion von Feinstaub/ zum Teil ändernden – Voraussetzungen für nach- Ruß und Stickoxiden; haltiges Produzieren definiert und fortgeschrieben 3. Reduktion von übermäßigen werden. Ressourcen-Verbräuchen; 4. Reduktion von umweltschädlichen All dies kostet Geld. Nicht nur das „grüne Produ- Substanzen und Giften; zieren“ wird zumindest in Teilen zu Mehrkosten 5. Reduktion von Plastik und Müll allgemein. führen, etwa im Bereich der Stromgeneratoren, sondern auch die zu gründende Kompetenz- und Zertifizierungsstelle für den GDN. Letztere wird sich nicht nur durch Prüfgebühren finanzieren können. Es besteht die Hoffnung, dass sich die Staatsmi- nisterin für Kultur und Medien (BKM) mit einer An- schubfinanzierung an den Kosten dieser Stelle in einer Größenordnung von 300.000 EUR beteiligt. Die Chance, dass auch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) mit von der Partie ist, ist hingegen gering. Denn das BMU plant ein eigenes „Umweltzeichen Blauer Engel mit dem Schwerpunkt Dienstleistun- gen“. Dazu wurde im Juli 2019 ein dreijähriges For- schungsprojekt ausgeschrieben. Für vier Dienst- leistungsbranchen soll geprüft werden, ob ein solches Gütesiegel sinnvoll ist. Eine davon ist die Film- und Fernsehbranche. Bevor Ergebnisse der Studie vorliegen, will das BMU in zwei – natürlich öffentlichkeitswirksamen – Großveranstaltungen während der Berlinale 2020 und 2021 ihr Projekt vorstellen. Mit anderen Worten: Da entwickelt die deutsche Film- und Fernsehwirtschaft ein praxisna- hes Konzept für ein Gütesiegel in Form des GDN und das zuständige Bundesministerium, dem eine Einbindung in die GDN-Planung angeboten wur- de, reagiert darauf, in dem es ein eigenes Siegel entwickelt, das erst in drei Jahren zur Verfügung stehen würde. Schade. 13
Besuch für die Produzentenallianz EU-Kommissar Oettinger auf Abschieds- besuch bei der Produzentenallianz Nach mehr als 50-jähriger Tätigkeit auf der po- und Straßburg als auch die einzelnen Mitglieds- litischen Bühne, davon fast zehn Jahre als EU- staaten beschäftigen werden. Dass es dabei auch Kommissar, hat sich seine Exzellenz EU-Kom- zukünftig nicht immer harmonisch zugehen wird, missar Günther Oettinger im Oktober zu einer schlussfolgerte Oettinger aus seinen Erfahrun- Abschiedstour als scheidender EU-Haushalts- gen mit der europäischen Urheberrechtsreform. kommissar aufgemacht und es sich nicht nehmen In seiner gesamten Laufbahn habe er noch nie lassen, auch die Produzentenallianz zu besuchen. einen so harten Streit erlebt, wie jenen um die Im kleinen Kreis sprach Oettinger vor und mit Copyright-Richtlinie, erklärte Oettinger. Dieser Vertretern der Film-, TV- und Kinowirtschaft und Streit sei noch nicht ausgestanden, schließlich referierte über solche Themen, die in den kom- sind nun die Länder Europas gefragt, die Richt- menden Monaten und Jahren sowohl Brüssel linie in nationales Gesetz umzusetzen. 14
PA MAGAZIN 02/19 „Dass die Produzentenallianz gerade dabei ist, ihre Präsenz in Brüssel mit einem Büro vor Ort auszubauen, um so stärker vor Ort wirken zu können, kommt zu einer Zeit, in der neben der Zukunft des MEDIA-Programms eine ganze Reihe elementarer Fragen zur Verhandlung anstehen, von denen das Review der aktuellen Handhabung des Geoblockings sicherlich nicht die unwichtigste im kommenden Jahr ist. Noch mehr potenzielle Sprengkraft bergen indes die Planungen für eine neue e-Commerce-Richtlinie, die die aktuell knapp 20 Jahre alten Rege- lungen ablösen würde,“ schreibt Marc Mensch in Blickpunkt:Film über das Treffen im Oktober. Oettinger betonte zudem, dass mit der Frage, wie mit den Plattform-Giganten Google, Amazon, Facebook und Apple zukünftig umzugehen sei letztlich auch die Frage der europäischen Souverä- nität einhergehe. In diesem Kontext verfolge er auch die Idee einer Art „Su- per-Mediathek“ weiter, die von öffent- lich-rechtlichen und privaten Sendern gemeinsam getragen sein müsste, um als deutsche oder europäische Alter- native ein Gegengewicht zu den Stre- amingriesen aus den USA aufzubauen. 15
Setgespräche Im Gespräch mit „Filmhersteller“ Uli Aselmann Uli Aselmann ist stellvertretender Vorsitzen- der der Produzentenallianz, Vorsitzender der Sektion Kino und Geschäftsführer von die film gmbh. Wir haben ihn im Oktober zu einem Plausch getroffen und über die Rolle von Filmproduzentinnen und -produzenten, die neuen Player am Markt und das Nach- wuchsproblem in der Branche gesprochen. 16
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Uli Aselmann (links) neben der geschäftsführenden Mitgesellschafterin Sophia Aldenhoven am Set von „Tatort – Das Team“ Herr Aselmann, stört es Sie eigentlich, dass beim Film an gelegen, klar zu stellen, dass Produzenten*innen die Produzenten in der Regel unbekannt bleiben, nicht gierige Geldsammler sind, die das dann unter während die Schauspieler*innen und Regisseur*innen den Filmschaffenden verteilen, sondern dass sie ei- meistens die volle öffentliche Aufmerksamkeit be- ne sehr komplexe Arbeit leisten. Wer nur Glanz und kommen? Gloria erwartet und meint, ohne Ideen und Phantasie, Einfühlungsvermögen und soziale Kompetenz Filme Uli Aselmann: Ich glaube, um solche Eitelkeiten soll- herstellen zu können, der kommt in der Regel nicht ten wir uns nicht so viele Gedanken machen. Dass weit oder ist eben kein richtiger Produzent. Wir inves- Schauspielerinnen und Schauspieler einen großen tieren viel Kraft, Zeit und Geld, um Ideen zu entwickeln Teil der Aufmerksamkeit bekommen, ist ja logisch, und diese Wirklichkeit werden zu lassen. Natürlich schließlich sind sie diejenigen, die unmittelbar vom im Laufe der Produktion dann in Zusammenarbeit Publikum wahrgenommen werden, wenn sie auf dem mit Autoren*innen und Regisseuren*innen, aber als Bildschirm oder der Leinwand zu sehen sind. Über Unternehmer tragen wir von Beginn an das finan- ihre Qualitäten „verkauft“ sich ja auch der Film. Die zielle Risiko schon bei den Stoffentwicklungen und meisten Zuschauer haben zudem eher nur eine vage halten für den Erfolg oder Misserfolg einer Produkti- Vorstellung davon, wie das Produzieren eines Films on auch den Kopf hin. Deswegen bin ich bei Vorträ- abläuft, wie man das macht. Mir ist immer sehr dar- gen und Interviews inzwischen dazu übergegangen, 18
PA MAGAZIN 02/19 weniger von Produzenten*innen sondern vielmehr ern mehr Auftraggeber gibt, die sich im deutschen von Filmherstellern*innen zu sprechen. Klingt etwas Markt vermehrt auch über heimische Produktionen unsexy, bringt aber den unternehmerischen Aspekt etablieren wollen. Ich bin mir sicher, dass dies erst des/der Produzenten*in besser auf den Punkt, wie ich der Anfang ist. Die große Zeit der Streaming-Dienste finde. kommt erst noch und wird dazu führen, dass sich das klassische Fernsehen verändern muss, auch in seinen Was macht das Unternehmertum „Filmhersteller“ so Erzählweisen und Auswertungsformen. risikoreich? Welche Rolle kann die Produzentenallianz innerhalb Uli Aselmann: Wir haben als Filmhersteller hohe Vor- dieser Gemengelage einnehmen? laufkosten. Das heißt, bevor ein Projekt überhaupt ge- dreht werden kann, sind langwierige Planungen und Uli Aselmann: Es ist eine der zentralen Leistungen Vorbereitungen notwendig. Die Stoffe müssen gut der Produzentenallianz, dass sie von Anfang an und recherchiert und entwickelt werden. Je nach Projekt, inzwischen auch mit einer Reihe bedeutender Erfol- kann dies mehrere Personen beschäftigen und das ge dafür gekämpft hat, dass es Rahmenbedingungen über Jahre. Und hier liegt das Problem: Eine Garantie, geben muss, die es uns ermöglichen, Stoffe adäquat dass der Stoff auch gedreht wird, haben wir nie. Ich zu produzieren und umzusetzen. Speziell im Bereich habe beispielsweise 2013 angefangen, einen Stoff für der öffentlich-rechtlichen Sender hat die Produzenten- einen Sender zu entwickeln und habe mit meiner Fir- allianz über Jahre hinweg für die berechtigten Forde- ma insgesamt sechs Jahre lang immer wieder daran rungen und Belange von Produzentinnen und Produ- gearbeitet. Letztlich haben senderpolitische Gründe zenten gekämpft. In dieser Zeit haben wir uns Rechte dazu geführt, dass das Projekt nicht weitergeführt erkämpft, beispielsweise in Sachen Erlösbeteiligung, wurde. Die Autoren wurden vom Sender bezahlt und bei der Finanzierung oder dem Rechterückbehalt. das war‘s. Auch etwaige mit dem Sender abgeschlos- Kurz gesagt, die Rolle des Filmherstellers wurde und sene Produktionsvorbereitungsverträge decken un- wird durch die Arbeit der Produzentenallianz deutlich sere Investitionen in der Regel nicht ab. Was wir an gestärkt. Dies hat natürlich auch Strahlkraft jenseits Vorbereitungen und Planungen investiert haben, um des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Bewegtbildher- das Konzept und den Stoff voranzubringen, bleibt viel- steller müssen, ob sie nun für Öffentlich-Rechtliche, mehr unser Risiko. Wir haben somit in den sechs Jah- Private, für Streamingdienste oder für den Kinomarkt ren an dieser Geschichte für nichts gearbeitet. Das ist arbeiten, am Erfolg ihrer Produktionen teilhaben kön- nicht immer einfach auszuhalten. Und beim Kinofilm nen. Wir dürfen mit den neuen Playern nicht wieder begleitet den Unternehmer das Entwicklungsrisiko in bei null anfangen und alles Entwicklungs- und Pro- einem noch größerem Maße Das führt dann häufig duktionsrisiko auf uns nehmen, ohne aber an den dazu, dass unfertige Drehbücher verfilmt werden, weil Erfolgen substanziell zu partizipieren. Wir verstehen dem Produzenten die Mittel für notwendige Bearbei- uns nicht als bloße Dienstleister oder „Werkbank“ für tungen ausgegangen sind. In diesem wirtschaftlichen Sender oder Streamingdienste und wir wollen mit Dilemma werden dann manchmal die unternehme- den Autoren*innen und Regisseuren*innen arbeiten, rischen Zwänge so groß, dass man mit halbfertigen mit denen wir das größtmögliche kreative Potential Drehbüchern den Kinomarkt belastet. Das sollten wir abrufen können, weil wir uns mit ihnen zusammenge- so nicht weiter betreiben. funden haben und nicht, weil man uns eine Zusam- menarbeit vorschreibt! Aus diesem Selbstverständnis 2013 gab es noch kein Netflix in Deutschland. In- heraus brauchen wir die Produzentenallianz – vielleicht zwischen hat sich viel getan, wir sind mitten in einer sogar mehr denn je. Umbruchphase. Die ‚Streaming-Wars‘ wurden aus- gerufen. Ist es heute nicht viel leichter geworden, Die Neuen Player, also Netflix und Amazon Prime Vi- Stoffe an die Sender bzw. die neuen Plattformen zu deo, sind gerade bei den Jüngeren bereits weitge- bringen? Schließlich ist die Nachfrage, auch nach hend etabliert. Apple ist inzwischen auch mit seinem deutschsprachigen Stoffen, größer denn je? Streaming-Angebot an den Start gegangen. Disney startet im März 2020 in Deutschland. Eine ziemliche Uli Aselmann: Ja, wir spüren natürlich alle, dass sich Ballung mächtiger US-amerikanischer Großunterneh- etwas ändert durch die Umbrüche im Markt. Sowohl men, die hier in Deutschland in den Film-, Serien- und bei den öffentlich-rechtlichen Sendern als auch bei Unterhaltungsmarkt drängen. Beunruhigt Sie das? den Privaten bemerke ich neue Denkweisen, was Kon- zepte und Stoffe angeht. Kreativen wird mehr Frei- Uli Aselmann: Ich bin insofern noch entspannt, weil raum zur Entfaltung gelassen, was eben auch zu neu- auch die etablierten deutschen Sendergruppen in- en, innovativen Formaten führt, die offensichtlich vom zwischen verstanden haben, dass die eigenen Pro- Publikum nachgefragt werden. Das kommt nicht von dukte auch auf dem On-Demand-Weg vermarktet ungefähr, hier haben die Streaming-Dienste bereits und verbreitet werden müssen. Es gibt ja inzwischen ihren Abdruck hinterlassen. Für uns als Hersteller ist auch deutsche Streaming-Angebote wie Joyn oder es zunächst mal erfreulich, dass es mit den neuen Play- TVNOW, außerdem bieten die öffentlich-rechtlichen 19
„Filme, Serien oder Sender die Mediatheken an. Da passiert inzwischen einiges. Die ARD hat angekündigt, im nächsten Jahr Dokumentationen 20 Millionen Euro für Serienproduktionen zu investie- ren, die zunächst über die Mediatheken ausgewertet sind immer auch werden sollen. Ich befürchte nur, dass man in den deutschen Senderhäusern glaubt, Programme für ih- Spiegel einer re On-Demand-Angebote müssten zwar aufwendig, aber gleichzeitig auch billiger sein als ihre linearen Programme. Aber wenn die Angebote stimmen, müs- Gesellschaft. Und sen wir keine zitternden Knie vor den US-Giganten haben. Netflix, Amazon und Disney werden sicherlich möglicherweise ihren Fokus auf den internationalen Markt behalten, soll heißen, eine deutsche Serie, die hier zwar er- müssen wir, was folgreich läuft, aber international eher mau, wird bei Netflix und Co. weiterhin Schwierigkeiten haben eine erzählerische Blick- weitere Staffel zu bekommen. Daraus ergeben sich Chancen für die nationalen On-Demand-Anbieter, die winkel und Stoffe sich perspektivisch auf den deutschen und europäi- schen Raum konzentrieren. angeht, noch Gleichzeitig werden etablierte deutsche Medien im- vielfältiger und mer öfter in Frage gestellt. Der Begriff Lügenpres- se macht die Runde. Der Rundfunkbeitrag wird als mutiger werden.“ Zwangsabgabe gegeißelt. „Alternative Fakten“ wer- den in den Echokammern sozialer Netzwerke verbrei- tet. Politisch fragwürdige Strömungen wollen Einfluss auf den Kulturbetrieb nehmen. Beeinflusst das auch Stoffe und Produktionen? Uli Aselmann: Zunächst mal halte ich unsere Demo- kratie für stark genug, um eine Partei wie die AfD aus- zuhalten – auch wenn es schwerfällt. In der Auseinan- dersetzung liegt die Kraft, die Menschen, die unserer Demokratie schaden wollen, zu entlarven. Natürlich haben gesellschaftliche Dynamiken auch Auswirkun- gen auf die Geschichten, die wir erzählen. Ansonsten würden wir unsere Arbeit nicht richtig machen. Filme, Serien oder Dokumentationen sind immer auch Spie- gel einer Gesellschaft. Und möglicherweise müssen wir, was erzählerische Blickwinkel und Stoffe angeht, noch vielfältiger und mutiger werden. Wir sollten aller- dings nicht mit einstimmen, das einzigartige Angebot, das es in Deutschland an Information und Unterhal- tung gibt, kleinzureden. Im Gegenteil. Ich glaube, den wenigsten kommt es in den Sinn, die Rundfunkgebüh- ren von derzeit 17,50 Euro im Monat ins Verhältnis zu anderen Bewegtbildangeboten zu setzen. Netflix ist mit aktuell knapp 16 Euro für ihr Premium-Angebot nicht mehr weit von der Haushaltsabgabe entfernt. Bei Sky Ticket bin ich mit 9.90 Euro für ein einzelnes Fußballspiel dabei. Wenn ich mir dann die Bandbrei- te des Angebots der Öffentlich-rechtlichen anschaue, beim Deutschlandfunk beginnend, über das Erste, die Landesrundfunkanstalten, unendliche Hörfunk- programme bis hin zum ZDF, zuzüglich Digitalkanäle und Mediatheken, dann ist das schon eine Menge und zwar insgesamt von durchaus hoher Qualität! Wenn die noch etwas lockerer werden, weg von einer allzu 20
PA MAGAZIN 02/19 dominanten Redakteurshoheit bei Auftragsprodukti- der Kreis: Wir als Filmhersteller sind eben auch ein onen und die beschworene Politikferne auch wirklich Wirtschaftsfaktor und wir betreiben ein Geschäft, das gelebt werden würde, dann mache ich mir um die Vorlaufinvestitionen abdecken muss. Und dafür fehlen öffentlich-rechtlichen Sender und unsere Demokratie uns nach wie vor gewisse Rahmenbedingungen. Den- keine Sorge. noch ist die Branche nicht untätig, es gibt inzwischen eine Reihe von Ausbildungsinitiativen etwa mit Lan- Wenn die Qualität zunehmen soll, braucht es fähige desvertretungen, Hochschulen auch in Kooperation Leute. Inzwischen sind Fachkräfte gefragter als jemals mit Produktionsfirmen. Und es gibt PAIQ! Die Produ- zuvor. Wo sollen eigentlich die Talente und Fachleute zentenallianz Initiative für Qualifikation. Sie bietet im herkommen? Bereich Produktion und Redaktion Ausbildungspro- gramme für den produzentischen Nachwuchs an: das Uli Aselmann: In der Tat, der Markt ist personell ext- Volontariat für Audiovisuelle Produktion AV!Volo und rem ausgedünnt, Fachkräfte sind rar. Gerade in kauf- das Entertainment-Volontariat E!Volo. Damit leistet die männischen Berufen wie der Filmgeschäftsführung Produzentenallianz einen wichtigen Beitrag in diesem fehlen Leute, aber auch Aufnahmeleiter, Produktions- herausfordernden Umfeld. leiter, Cutter und Regieassistenzen. Zum einen, weil viel produziert wird, zum anderen aber auch, weil vor Wenn nun ein junger Mensch nach seinem Volontari- allem bei den wieder erstarkten Serien lange Zeiträu- at entscheidet, Produzent oder Produzentin werden me gedreht werden. Ich befürchte allerdings, dass wir zu wollen – was geben sie ihm oder ihr mit auf den uns auch eingestehen müssen, dass die Branche das Weg? Problem lange unterschätzt hat. Wir haben in vielen Unternehmen nie „klassisch“ ausgebildet. Die Einfüh- Uli Aselmann: Ich glaube, das kommt ganz darauf an, rung des längst fälligen Mindestlohns, hat die Situa- was er oder sie kann und welche Erfahrungen bisher tion dann noch verschärft. In der Vergangenheit war gemacht wurden. Was einem als selbstständigem es üblich, dass man über kürzere oder auch längere Filmhersteller von Anfang an klar sein sollte ist, dass Praktika in ein „Gewerk“ reingerutscht ist und dann dieses Geschäft viele Fallstricke hat und man in die- die einzelnen Etappen der Produktion durchlaufen sem System bereit sein muss Risiken einzugehen, auch ist, bis man dann selbst zum Beispiel Aufnahmeleiter solche, für die man möglicherweise persönlich haftbar war. Die einen schneller, die anderen langsamer. Das ist. So sexy wie das Produzieren als solches ist, ist die waren auch keine Ausbildungsberufe. Wenn man sich Selbstständigkeit nämlich nicht immer. Heute braucht gut angestellt hatte, machte man einfach den Job wei- man mehr denn je ein dickes Fell. Daher denke ich, ter bis zur nächst Stufe. Dieser Prozess unterscheidet dass es nicht für jeden sinnvoll ist, direkt nach der sich von einer klassischen Berufsausbildung, die klarer Ausbildung in die Selbstständigkeit zu gehen. Um sein strukturiert ist und am Ende im besten Fall mit einem bisheriges Können zu festigen, halte ich es durchaus Ausbildungszeugnis abgeschlossen wird. Jetzt ist es für sinnvoll, sich zunächst mal an eine Produktionsfir- zwar so, dass größere Produktionsfirmen durchaus in ma anzuschließen. Mit der dortigen Praxis kann man der Lage sind, dem Nachwuchs längerfristige Perspek- den Horizont erweitern, und wenn dies geschehen ist, tiven aufzuzeigen. Unsere Branche ist aber geprägt stehen die Optionen, sich selbstständig zu machen von kleinen und mittleren Unternehmen. Und die kön- oder die Karriereleiter in einer Firma weiter hinauf zu nen das nicht immer leisten. Bei geringen Auftrags- klettern, immer noch bereit. volumina ist es für kleine Unternehmen leider extrem schwierig, jemanden im Unternehmen zu haben, der ausgebildet werden soll. Die Planbarkeit ist also der Schlüssel, wenn es um Ausbildung geht. Man kann eine Ausbildung ja nicht einfach unterbrechen, weil die Auftragslage nicht stimmt. Es ist bedauerlich, dass uns die Planungssicherheit fehlt. Hier schließt sich 21
HERAUSFORDERUNGEN DES PRODUKTIONSALLTAGS In unserer neuen Serie „Herausforderungen des Produktionsalltags“ sprechen Produzentinnen und Produzenten über Projekte, die ihnen lange im Gedächtnis geblieben sind oder sie lange beschäftigt haben. In der ersten Folge betreten wir die Welt der Animation, in der uns Jan Bonath berichtet, wie der Kino- Animationsfilm „Das Sandmännchen – Abenteuer im Traumland“ zum Leben erweckt wurde, und welche Herausforderungen damit einhergingen. 22
Herausforderungen des Produktionsalltags I Exzessive Planung und lange Nachbereitung „Am Anfang hat niemand gesagt: Ja, genau das wol- noch nicht gefestigt war, konnte die deutsche Figur len wir machen. Wir haben es trotzdem gemacht“, problemlos adaptiert werden“, erinnert sich Bonath. sagt Jan Bonath, Vorstand der scopas medien AG. Das Sandmännchen sei ein schwieriger Charakter. Die „Bibel“, eine Überzeugungsgrundlage Schwierig deswegen, weil es bis dahin ein „Präsen- tator“ gewesen ist, kein klassischer Charakter für ei- Zentrales Instrument der Überzeugungsarbeit war die nen Kinofilm. „Diese Skepsis galt es erst in unseren sogenannte „Bibel“. Sie ist eine Art Handbuch, mit De- Köpfen und dann in denen unserer Partner auszuräu- signbeispielen, Konzepttexten, Portraits der Protago- men.“ Doch die Idee, das charakterlich noch unbe- nisten, manchmal auch mit Beispieldrehbüchern von schriebene Blatt mit Leben zu füllen und mit einem ein oder zwei Episoden für Serien. Flankiert wird die Kinofilm den damals anstehenden 50-jährigen Ge- Bibel von einem beiliegenden ein- bis zweiminütigen burtstag des Sandmännchens zu feiern, waren gute Trailer. „Bei der Animation können wir ja nur schlecht Ausgangspunkte. auf Referenzen verweisen. Wenn ich einen Realfilm mache, dann hole ich mir von den Schauspielerinnen Konkret wurde die Idee eines Sandmännchen-Kinofilm und Schauspielern, die in bestimmten Genres aktiv erstmals 2001. Zuvor wurde in Gesprächen zwischen sind, Einstellungen als Referenzen. Dann kann ich sa- Scopas und der federführenden ARD-Anstalt in Sa- gen: das ist mein Cast, und jeder kann sich ein Bild chen Sandmännchen, dem Rundfunk Berlin-Branden- machen. Bei der Animation ist ja im Prinzip alles frei burg sondiert, welche Figuren das Zeug für einen bestimmbar, deswegen wird oft ein Trailer benötigt, Kinofilm hätten. „Zunächst schien das Sandmänn- damit die Partner ein Gefühl für die visuelle Inszenie- chen auf der großen Leinwand ziemlich absurd. Es rung bekommen“, so Bonath. repräsentiert ja in erster Linie ein familiäres Ritual, es erscheint auf dem Bildschirm, präsentiert eine kurze Geschichte und nach drei bis vier Minuten schickt es die Kinder mit einer Prise Schlafsand ins Bett. Fertig. Um diese Figur soll sich nun ein Kinofilm drehen? Es war zunächst kein Leichtes, sich von dieser Idee über- zeugen zu lassen. Und doch war es irgendwie nahe- liegend, auch angesichts des damals bevorstehenden Geburtstages im Jahr 2009.“ Bis die Überzeugungsar- beit Früchte trug, vergingen jedoch Jahre. Tatsächlich dauerte es von den ersten konkreten Ge- sprächen im Jahr 2001 bis ins Jahr 2006, als ein Opti- onsvertrag für die Rechte zur Herstellung eines Kino- films mit den beteiligten Sendern geschlossen wurde. Bis zum Startschuss der Produktion war der Weg aber Die nächste große Herausforderung war nun die noch nicht frei. Über Förderungen, Vertriebe, Weltver- Finanzierung zusammen zu bringen und die Finan- triebe, Verleihe, Pre-Sales und Koproduzenten, muss- zierungsbestandteile zu harmonisieren. „Gelder aus ten zunächst noch Partner gefunden werden, die das dem Verleih, vom Sender, von Förderern, was Regio- Projekt koproduzierten, da die Finanzierung durch das nalförderer sowie nationale Förderer einschließt, vom Sender-Konsortium der Öffentlich-Rechtlichen übli- Koproduzenten, der auch jeweils noch mal einen Ver- cherweise nur einen Teil des Budgets abdeckte. „In trieb, einen Verleih und möglicherweise Senderpart- diesem Fall ging es relativ schnell, denn wir hatten ner im Rücken hat, all das muss zusammengeführt in Frankreich einen Produktionspartner gefunden. werden.“ Bonath berichtet dazu, dass die Richtlinien Das Sandmännchen ist in Frankreich auch etabliert, der einzelnen Geldgeber teilweise widersprüchlich allerdings eher in der Literatur. In gewisser Weise ein oder nicht harmonisiert sind. Solche Widersprü- Glücksfall, denn dadurch, dass die Figur dort visuell che müssen in der Regel aufgelöst werden, hier sei 23
PA MAGAZIN 02/19 große Sorgfalt nötig, sonst geschieht es, dass sie zum Nachteil des Produzenten gelöst werden. „Wenn man sich erst nachträglich darum kümmert, erwarten die Finanzierungspartner möglicherweise, dass die Pro- bleme aus dem Produzenten-Netto zu lösen sind.“ Die „Schließung“ dieser Finanzierung ist ein neu- ralgischer Punkt. Fehlt eine Unterschrift unter dem Finanzierungsplan wird es schwierig. Bonath erläu- tert, dass es zwar immer Spielräume gäbe, wenn ein kleiner Partner wegfällt. Wenn jedoch Partner ab- springen, die einen größeren Finanzierungsanteil haben, kann so ein Projekt schon einmal sterben, dann wäre die bisherige Arbeit umsonst gewesen. „Beim Sandmann hatte Stoff- und Projektentwicklung ein Budget von 617.000 Euro. Dafür gab es immerhin 60.000 Euro Drehbuchförderung vom Medienbord und 20.000 Euro Projektentwicklungsförderung von der Filmförderung Hamburg-Schleswig-Holstein. Das heißt auch, die scopas medien AG, ein kleines mit- telständisches Unternehmen war hier mit 537.000 Euro im Risiko. Dieses Risiko haben wir zum Großteil über private Kapitalgeber finanziert. Das ist für uns inzwischen ein ganz normaler Vorgang – solange es gut geht.“ Beim Sandmännchen sprang keiner der Finanzie- rungspartner ab. Allerdings moniert Jan Bonath: „Aus meiner Sicht ist das Risiko hier zu ungleich verteilt. Während Produzenten oder Produzentinnen solche Risiken bis zur Auslieferung des Films schultern müs- sen, hat der Weltvertrieb eine komfortablere Lage. Der kann nämlich anhand von Trailer, Zwischenmaterialien und Designbeispielen in den Vertrieb gehen. Dabei gelingt es in den meisten Fällen bereits Käufer und In- teressenten zu finden, bevor der Film überhaupt fertig produziert ist. Das heißt, es wird Geld eingenommen, bevor es ausgegeben wird. Erst nach Ablieferung des Films sieht der Produzent seinen Anteil.“ 24
Ohne exzessive Planung geht nichts durchgeplant sein, damit nichts schief geht“, so Bo- nath. Wann sind die Hintergründe 3D-animiert, wann Nach Schließung der Finanzierung begann nun die gezeichnet, wann kommt die Stop-Motion-Technik Vorarbeit am Film. Beim Animationsfilm ist diese zum Einsatz – auch beim Sandmännchen mussten durch eine exzessive Planung geprägt. So wird der alle wichtigen Fragen vorab und Szene für Szene im Film mit den Mitteln eines Storyboards und der so- Storyboard-Film geklärt und verarbeitet werden. Das genannten „Animatic“ festgehalten, ohne dass er Drehverhältnis beim Animationsfilm entspricht auf „richtig“ gedreht wird. Diese Daten werden schließ- Grund der Vorplanung mit Hilfe des Animatics nahe- lich auf eine Timeline gelegt und es werden die zu 1:1. Es werden nur die Einstellungen produziert, Einstellungsverhältnisse sekundengenau festgelegt, die gebraucht werden. Es gibt so gut wie keine übrig Layoutsprecher simulieren Dialoge, die Soundeffek- gebliebenen Einstellungen oder Outtakes. te und die Musik werden eingearbeitet. „Im Prinzip hat man dann eine Art Rohschnitt mit Comicbildern. Insgesamt 17 Monate Produktionszeit waren für „Das Bevor die eigentliche Filmproduktion überhaupt be- Sandmännchen – Abenteuer im Traumland“ anbe- ginnt, haben wir einen Film in einer Layoutsituation raumt. Die eigentliche Drehzeit im Studio betrug komplett produziert. Anders als im Realfilm können fünf Monate. Die Stop-Motion-Filmtechnik, auf die wir in der eigentlichen Produktion nicht mehr ab- sich die scopas medien AG spezialisiert hat, umfasste weichen, um uns später im Schnitt für eine Varian- den Hauptteil der Arbeit der Produktion. Insgesamt te der Szene zu entscheiden. In den meisten Fällen 25 Einzelsets wurden in der Caligari Halle des Film- gibt es nämlich nur eine Variante und die muss vorab parks Babelsberg aufgebaut. „Wir hatten dort eine 25
ganze Puppenmanufaktur aufgebaut, auch einen Teil Gutes Pressefeedback, schlechtes Timing der Postproduktion sowie ein komplettes Set- und Light-Department. Außerdem mussten wir noch ei- Der Film „Das Sandmännchen – Abenteuer im Traum- nen neuen Boden einziehen, weil der für die Stop- land“ kam im Jahr 2010, pünktlich zum Jahr des Sand- Motion-Technik nicht stabil genug war, der hat zu männchen-Geburtstags ins Kino. Das Pressefeedback sehr geschwungen“, erinnert sich Bonath. war durchweg positiv. Auch die Premieren waren gut besucht. Allerdings startete der Film zeitgleich mit ei- Jeder Animator schafft zwischen ein und drei Sekun- nem Animationsfilm, der eine Marketing-Großmacht den Film am Tag. Verglichen mit Realfilmen ist das ex- hinter sich wusste. „Ich erinnere mich, dass ich in den trem langsam – aber ein gängiger Schnitt in der Ani- ersten Wochen nach der Premiere durch die Städte mation. Aus diesem Grund arbeiteten in der heißen gefahren bin und an gefühlt jeder Straßenecke die Phase der Produktion insgesamt 25 Animatorinnen kleinen gelben Männchen erblickte.“ Der Film „Ich und Animatoren parallel am Film. „Animatorinnen – Einfach unverbesserlich“ der US-amerikanischen und Animatoren sind quasi unsere Schauspieler. Sie Universal Studios feierte nahezu zeitgleich seine arbeiten alle nach einer Art Partitur. Jeder interpre- Premiere in Deutschland. Optimistisch war Bonath tiert natürlich auch auf seine eigene Art und Weise dennoch. Schließlich hat das Sandmännchen pro Tag die Szenerie. Es ist wahnsinnig spannend, wie sich rund 1,5 Millionen Zuschauern. Davon sind die Hälfte hier aus einer Art Stückwerk nach und nach etwas Erwachsene, mit dieser Promotionskraft im Rücken Großes, Ganzes zusammenfindet und am Ende eine sollte es möglich sein, die Menschen ins Kino zu lo- Einheit bildet.“ cken. Das Wunschziel 700.000 Zuschauer wurde je- 26
PA MAGAZIN 02/19 doch nicht erreicht. In Deutschland schauten 200.000 kostenstand, der dann von den jeweiligen Instanzen Zuschauer den Film im Kino. „Wir waren schlicht nicht der Förderer geprüft wurde. Wohl gemerkt wird hier sichtbar. Und schon gar nicht im Vergleich zum US- nicht nur einmal geprüft. Theoretisch hat jede För- Major, der zur gleichen Zeit einfach allgegenwärtig derung Anspruch, einen eigenen Prüfer zu bestel- war“, so Bonath. Gleichzeit räumt er ein, dass die Jus- len. „Sowas kann sehr lange dauern. Und es kann tierung der Zielgruppe, die für den Kinofilm vorge- zu Konflikten führen, die im Nachgang noch Arbeit, nommen wurde, möglicherweise Auswirkungen auf Zeit und im schlimmsten Fall auch Geld kosten.“ So die Besucherzahlen hatte. Aufgrund des Kinoformats kann es passieren, dass ein und dieselbe Wirtschafts- und der Filmlänge hatten die Macher beschlossen prüfungsgesellschaft im Auftrag von verschiedenen die Geschichte des Sandmännchens etwas ‚älter‘ zu Förderern ein und dasselbe Projekt mehrfach prüft. erzählen. „Es war natürlich ein Film für kleine Kinder, Für Bonath unverständlich: „Diese Mehrfachprüfung aber nicht unbedingt für die zwei bis drei-Jährigen, erklärt sich mir nicht. Es bedeutet ja auch für uns als sondern für Kinder jenseits der drei Jahre. Hier ha- Produzenten einen Mehraufwand - und Mehrkosten, ben wir uns möglicherweise etwas verschätzt.“ In denn jede Prüfung wird aus dem Budget heraus be- Frankreich hat der Film, obwohl die Hauptfigur keine zahlt.“ Scopas hat inzwischen eine eigene Stabsstelle originär französische ist, immerhin 150.000 Zuschau- für die Aufbereitung von Fördergeldern eingerichtet. er ins Kino gelockt. „Die Nachbereitung dauert unter Umständen länger als die Herstellung. Nach dem Schlusskostenstand Nach der Kinoauswertung erfolgte die Nachbereitung müssen die Erlöse abgerechnet werden, so lange wie der Produktion. Scopas erstellte dazu einen Schluss- der Fördervertrag eben hält – sieben Jahre.“ 27
Die Preisträger 2009 bis 2019 2009 Bernd Burgemeister Fernsehpreis: 2012 Bernd Burgemeister Fernsehpreis: „Der verlorene Sohn“ „Riskante Patienten“ Produzent: Oliver Berben Produzent*innen: Uli Putz, Jakob Claussen, Moovie - the art of entertainment GmbH Susanne Ottersbach Claussen+Wöbke+Putz Filmproduktion GmbH 2010 Bernd Burgemeister Fernsehpreis: „Kongo“ 2013 Bernd Burgemeister Fernsehpreis: Produzent: Christian Granderath „Pass gut auf ihn auf“ teamWorx Television & Film GmbH Produzentin: Kirsten Hager Hager Moss Film GmbH 2011 Bernd Burgemeister Fernsehpreis: „Föhnlage - Ein Alpenkrimi“ 2014 Bernd Burgemeister Fernsehpreis: Produzenten: Wolfgang Behr, Dietmar Güntsche „Tatort: Im Schmerz geboren“ Neue Bioskop Television GmbH Produzentin: Liane Jessen Hessischer Rundfunk 28
kurz vorgestellt: Der Bernd Burgemeister Fernsehpreis Eine Affäre, die in einen Thriller mündet, ein Drama Viehöfer, Gerhard Prager und Dieter Stolte bis er sich zum Thema Rufmord oder der mysteriöse und wahre 1978 selbständig machte und in die von Claus Hardt Todesfall eines deutschen Politikers: Filme, die mit gegründete Firma, die TV60 Filmproduktion GmbH, dem Bernd Burgemeister Fernsehpreis ausgezeichnet eintrat. Er produzierte rund 70 Filme, darunter waren werden, können oft unterschiedlicher nicht sein und Produktionen wie beispielsweise „Marias letzte Reise“ haben doch eines gemeinsam: Eine deutlich steigen- oder „Das wahre Leben“. Außerdem produzierte er für de Spannungskurve. die Krimireihen „Tatort“ und „Rosa Roth“. Als Produzent war Burgemeister für seine populären Weihnachtsseri- Im Rahmen des Filmfests München wird Produzen- en bekannt, darunter „Timm Thaler“, „Silas“, „Jack Hol- tinnen und Produzenten der Bernd Burgemeister born“ und „Anna“. Mit seinem Sohn Sven Burgemeis- Fernsehpreis für herausragende Fernsehfilme aus ter, der neben der Geschäftsführungstätigkeit und der Reihe „Neues Deutsches Fernsehen“ verliehen. Gesellschafterstellung bei der TV 60 Filmproduktion Gestiftet und veranstaltet wird der Preis von der VFF GmbH auch seit 2001 Geschäftsführer der Goldkind Verwertungsgesellschaft der Film- und Fernsehprodu- Filmproduktion GmbH ist, realisierte er große Erfol- zenten mbH und ist mit 25.000 Euro dotiert. Darüber ge wie „Soloalabum“ und „Sophie Scholl – Die letzten hinaus gibt es für zwei weitere Nominierte eine Prämie Tage“. von 2.500 Euro. Der zuvor als VFF TV-Movie Award geführte Preis trägt seit 2009 den Namen des Pro- Von 1998 bis 2008 war Bernd Burgemeister Vorsit- duzenten und ehemaligen Geschäftsführers der VFF, zender des Bundesverband Deutscher Fernsehpro- Bernd Burgemeister, der im Jahr 2008 überraschend duzenten und maßgeblich an der Vereinigung des und viel zu früh verstarb. Verbandes mit film20 und somit der Gründung der Produzentenallianz beteiligt. Die Produzentenallianz Der geborene Hamburger Burgemeister begann nach ernannte ihn im Rahmen des Deutschen Produzen- seinem Realschulabschluss im Jahr 1960 eine Ausbil- tentags 2013 posthum zu ihrem Ehrenmitglied. dung im Produktionsgewerbe und arbeitete von 1965 bis 1972 als Produktionsleiter und Herstellungsleiter Das Vermächtnis Bernd Burgemeisters ist so vielfältig, für die Allianz-Film, Studio Hamburg und die Polyphon wie es auch die Preisträger*innen und Filme sind, die Film- und Fernsehgesellschaft. Ab 1973 war Burge- in den letzten 10 Jahren mit dem nach ihm benannten meister Assistent der ZDF-Progammdirektoren Joseph Fernsehpreis ausgezeichnet wurden. (sel) 2015 Bernd Burgemeister Fernsehpreis: 2018 Bernd Burgemeister Fernsehpreis „Der Fall Barschel“ „Rufmord“ Produzentin: Ariane Krampe Produzentinnen: Kirsten Hager und Carmen Stozek Zeitsprung Pictures GmbH Hager Moss Film GmbH 2016 Bernd Burgemeister Fernsehpreis: 2019 Bernd Burgemeister Fernsehpreis „Die Dasslers - Pioniere, Brüder und Rivalen“ „Ein verhängnisvoller Plan“ Produzent*innen: Max Wiedemann, Quirin Berg Produzent*innen: Dagmar Rosenbauer und Susanne Hildebrand und Jakob Krebs Wiedemann & Berg Television GmbH & Co.KG Cinecentrum Berlin Film- und Fernsehproduktion GmbH 2017 Bernd Burgemeister Fernsehpreis „Zuckersand“ Produzent*innen: Uli Putz und Jakob Claussen Claussen+Putz Filmproduktion GmbH 29
Wann bilden Beschäftigungstage eine „Insel“? Ein Service-Beitrag von Oliver Castendyk 30
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Service-Beitrag Fragen & Antworten zur unständigen Beschäftigung Wann bilden Beschäftigungstage eine „Insel“? Wie geht ein Produktionsunternehmen damit um, dass Nebendarsteller*innen in einem Monat mehrere Arbeitgeber haben können? Diese und weitere Fragen ver- sucht der nachfolgende Beitrag kurz & bündig zu beantworten. Hintergrund ist eine Entscheidung des Bun- dessozialgerichts (BSG) aus dem Jahr 2018, in der die bis dato praktizierte Berechnung der Sozialabgaben von Schauspieler*innen für rechtswidrig erklärt wurde. 1. Worum geht es? Die Höhe der für Mitarbeiter*innen abzuführenden Sozial- versicherungsbeiträge hängt u.a. davon ab, wie sie beschäf- tigt sind: unständig oder ständig beschäftigt und außerdem berufsmäßig unständig oder nicht. Bei unständig Beschäf- tigten ist die monatliche Beitragsbemessungsgrundlage („BBG“) zugrunde zu legen und nicht die tägliche BBG. Wird die Monats-BBG zugrunde gelegt, heißt dies, dass bei hohen Gagen deutlich mehr an Sozialversicherungs- beiträgen gezahlt werden muss als wenn die tägliche BBG die Obergrenze definiert. Beispiel (Referenzjahr 2018): Eine Nebendarstellerin hat bei einer Produktion zwei Drehtage (in verschiedenen Monaten) und erhält 2.000 EUR pro Dreh- tag. Auf Basis der Monats-BBG betragen die Sozialversiche- rungsbeiträge (Kranken-, Pflege, Renten- und Arbeitslosen- versicherung) 1.480,-- EUR; davon trägt die Schauspielerin 765,--EUR, der Arbeitgeber 715,-- EUR. Auf Basis der Tages- BBG läge der Beitrag bei 147, 88 EUR (Anteil Schauspiele- Oliver Castendyk rin: 75,78 EUR, Arbeitgeber 72,10 EUR). 2. Macht es einen Unterschied, ob die Schauspieler*in berufsmäßig unständig ist? Ja! Wenn die unständigen Tätigkeiten in dem jeweiligen Monat die Einnahmen aus den unbefristeten oder auf mehr als eine Woche befristeten Beschäftigungen oder selbstän- digen Tätigkeiten dieses Monats überwiegen, wenn die un- ständigen Beschäftigungen also den Schwerpunkt bilden, gilt die Beschäftigte als „berufsmäßig“ unständig. Ist dies der Fall, entfällt der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung. Anders als früher spielt die Berufsmäßigkeit bei der Kran- ken-, Pflege und Rentenversicherung keine Rolle mehr. 3. Wann ist jemand unständig beschäftigt und was ist eine Beschäftigungsinsel? Unständig Beschäftigte sind Personen, die Beschäftigun- gen von weniger als einer Woche ausüben. Damit eine Beschäftigung nicht mehr als unständig angesehen wird, müssen also nur 5 Arbeitstage erreicht werden, Samstag 32
PA MAGAZIN 02/19 und Sonntag werden hinzugezählt. Wie bisher kann 5. Kann eine Beschäftigte bei einer Produktion eine Woche an einem beliebigen ersten Arbeitstag und einem Arbeitgeber ständig und unständig in der Woche und muss nicht notwendigerweise beschäftigt sein? am Montag beginnen( sog. versetzter Dreh). Ja, die Kombination von ständigen und unständi- Die jeweils zusammenhängenden Arbeitstage (ggf. gen Beschäftigungen bei einem Arbeitgeber (und nebst Wochenende) werden auch als „Beschäfti- erst recht bei mehreren Arbeitgebern) innerhalb gungsinsel“ bezeichnet. Wenn also eine Schau- eines Monats ist möglich. Beispiel: Wenn eine spielperson bei einer Produktion drei Drehtage Schauspielerin in der ersten Oktoberwoche zusam- Anfang Juli und vier Tage Anfang August hat, hat menhängend beschäftigt wird, gilt für diese sie- sie zwei Beschäftigungsinseln. Bleibt eine Beschäf- ben Tage die tägliche Beitragsbemessungsgrenze. tigungsinsel unterhalb der 5 Arbeitstage, liegt Un- Wenn sie Ende Oktober noch einmal für zwei Tage ständigkeit vor. beschäftigt wird, gilt hier wegen der Unständigkeit dieser Tätigkeit (= dieser „Insel“) die monatliche BBG. Eine Verrechnung ist möglich. 4. Was gehört zu einer Beschäftigungsinsel? Eine hier sog. Beschäftigungsinsel berechnet sich 6. Können auch regelmäßig wiederkehrende auf Basis einer 5-Tage-Woche. Zu den für die „Insel“ Beschäftigungen unständig sein? zusammenrechenbaren Arbeitstagen einer Schau- spielperson zählen: Regelmäßig wiederkehrende Beschäftigungen sind nicht unständig. Als Beispiel wäre ein Ne- • Drehtage: bendarsteller, der voraussehbar und regelmäßig oo Tage, an denen der Darsteller exklusiv zur (mindestens über drei Monate) wiederkehrend, Verfügung steht. z.B. mit 3-4 Drehtagen pro Monat, an einer Daily oo Bei Arbeitstagen, bei denen er/sie prioritär Soap beteiligt ist. der Produktion zur Verfügung steht, solan- ge der Arbeitgeber sein Verfügungs- bzw. Dispositionsrecht nicht aufgibt. Gibt der 7. Was passiert, wenn der/die unständig Be- Arbeitgeber sein Verfügungs- bzw. Dispo- schäftigte (möglicherweise) weitere Arbeitgeber sitionsrecht zu Gunsten einer anderweiti- in dem jeweiligen Monat hat? gen Verpflichtung des Schauspielers auf, wird die Beschäftigung unterbrochen. Oft weiß ein Arbeitgeber nicht, ob unständig Beschäftigte mehrere Arbeitgeber haben. Wenn • Datumsmäßig und örtlich definierte weitere dies der Fall ist, kann es vorkommen, dass die Tage zur Vor- und Nachbereitung, die typi- monatliche Beitragsbemessungsgrenze insge- scherweise vom Arbeitgeber bestimmt wer- samt überschritten wird und der zu viel gezahlte den, z.B. Kostümprobe, Maskenprobe, Regie- Betrag erstattet werden muss. Zuständig dafür besprechung. sind die Krankenkassen, bei denen der entspre- chende Erstattungsantrag gestellt werden muss. • An- und Abreisetage, soweit sie arbeitsrecht- Sie sind verpflichtet, die überzahlten Beiträge zu lich als Arbeitstage gelten. erstatten, müssen allerdings teilweise mehrfach an diese Pflicht erinnert werden … Übersteigt also das • Typischerweise räumlich und zeitlich vom Dar- Gesamtentgelt die jeweilige Beitragsbemessungs- steller selbstbestimmte Tage, z.B. zum Textler- grenze, so sind die Entgelte der einzelnen Beschäf- nen, zählen nicht zur Insel. tigungen anteilig nach folgender Formel zu kürzen: Vertraglich festgelegte Sperrtage führen dazu, dass Jeweilige BBG x Entgelt aus einer Beschäftigung die Arbeitstage nicht mehr zusammenhängen und zwei „Inseln“ entstehen. Gesamtentgelte aus allen Beschäftigungen. Die frühere Praxis der Berechnung sog. „Zusatztage“ nach einer zwischen Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler e.V. (BFFS), Produzentenallianz und den Sozialversicherungsträgern ausgehandel- ten Berechnungsformel ist überholt. Denn bei die- ser Formel spielt es keine Rolle, ob die Drehtage und die Zusatztage zusammenhängend sind. 33
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