N 30 - PRODUZENTEN MAGAZIN Das Magazin der Allianz

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N 30 - PRODUZENTEN MAGAZIN Das Magazin der Allianz
PRODUZENTEN
MAGAZIN                   Das Magazin der Allianz
                          Deutscher Produzenten –
                          Film und Fernsehen e.V.

                                    o
DEZEMBER 2019
                          N 30

                                • Green Filming
                • Gemeinsame Vergütungsregeln
                                 • Unständigkeit
                          • Herausforderungen
                         des Produktionsalltags
N 30 - PRODUZENTEN MAGAZIN Das Magazin der Allianz
201
N 30 - PRODUZENTEN MAGAZIN Das Magazin der Allianz
MAGAZIN No 30

                          DIE NEUE JURY DES
     CARL LAEMMLE PRODUZENTENPREISES

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                                   HAT DEN
                          PREISTRÄGER
                       FÜR 2020 VERKÜNDET

                     DER KLIMAWANDEL
                        WAR DAS THEMA 2019.
         AUCH FÜR DIE FILMBRANCHE WERDEN
             GRÜNE STRATEGIEN
                          IMMER WICHTIGER.

                          „FILMHERSTELLER“
                      ULI ASELMANN
                      EXKLUSIV IM GESPRÄCH

                                      NEU:
       HERAUSFORDERUNGEN DES

 o
           PRODUKTIONSALLTAGS
               PRODUZENT*INNEN BERICHTEN

                                    GVR
           PROF. DR. JOHANNES KREILE
                                    GIBT IM
                                 INTERVIEW
                           EINEN ÜBERBLICK
N 30 - PRODUZENTEN MAGAZIN Das Magazin der Allianz
INHALT

                  Carl Laemmle Produzentenpreis
                               Jury verkündet        6
                             Preisträger 2020

   Förderpreis der Deutschen Werbefilmakademie
               Bilder sagen mehr als Worte           8

            Klimawandel
            Green Filming
                                                     10

                 Besuch für die Produzentenallianz
       Günther Oettinger auf Abschiedstour           14

                                    Setgespräche
                           „Filmhersteller“          16
                 Uli Aselmann im Gespräch

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22   Herausforderungen des Produktionsalltags
     Exzessive Planung und lange
     Nachbereitung

28   kurz vorgestellt:
     Der Bernd Burgemeister Fernsehpreis

30   Service-Beitrag
     Unständigkeit: Was Produzentinnen
     und Produzenten wissen sollten

GVR
34   Prof. Dr. Johannes Kreile im Interview
     Deshalb sind gemeinsame
     Vergütungsregeln so wichtig

o
     Drei Fragen an
38   Heike Wiehle-Timm &
     Ariane Krampe

     Freundeskreis der Produzentenallianz
42   Neue und bewährte Freunde

44   dies und das in der
     Produzentenallianz

46   Impressum und
     Bildnachweise

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Carl Laemmle Produzentenpreis 2020

       Nico Hofmann wird für sein bisheriges
                Lebenswerk ausgezeichnet

       Nico Hofmann wird kommendes Jahr als herausragende Produzenten­persönlichkeit mit dem Carl
       Laemmle Produzentenpreis 2020 für sein bisheriges Lebenswerk ausgezeichnet. Das gab die neue
       Jury nach einstimmiger Entscheidung Ende Oktober bekannt. Damit wird der renommierte Filmpro-
       duzent und CEO der UFA-Gruppe für sein herausragendes produzentisches Gesamtschaffen geehrt.

       „Für mich bedeutet diese hohe Auszeichnung eine Aufforderung zu Mut, Haltung und Leidenschaft
       in unserer Branche, die im Moment ihre vielleicht dynamischsten und aufregendsten Zeiten erlebt.
       Mein Dank gilt meinen Freunden und Wegbegleitern, meinem Team bei der UFA und Bertelsmann,
       einem Unternehmen, das mir seit mehr als 20 Jahren künstlerische und unternehmerische Freiheit
       lässt und für mich zur Heimat geworden ist“, so Hofmann in seiner Reaktion auf die Bekanntgabe.

       Die nach dem Filmpionier und Gründervater Hollywoods, Carl Laemmle, benannte Auszeich-
       nung wird Nico Hofmann am Freitag, 13. März 2020 in Laupheim, dem schwäbischen Geburtsort
       Laemmles, im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung entgegennehmen. Die Auszeichnung ist mit
       40.000 Euro dotiert. Zum Festakt im Schloss Großlaupheim werden rund 500 persönlich geladene
       Gäste aus Film, Kultur und Wirtschaft erwartet.

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Die elfköpfige Jury des Carl Laemmle Produzentenpreises wurde in diesem Jahr turnusgemäß neu
besetzt. Neuer Juryvorsitzender ist Prof. Dieter Kosslick (ehem. Festivaldirektor der Internationalen
Filmfestspiele Berlin “Berlinale”). Die Jury setzt sich seitens der Filmwirtschaft zusammen aus Prof.
Carl Bergengruen (Geschäftsführer der MFG Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg),
Dagmar Biller (Produzentin/Geschäftsführerin der TANGRAM International GmbH), Dr. Christoph
Palmer (Geschäftsführer der Produzentenallianz), Prof. Bettina Reitz (Präsidentin der Hochschule für
Fernsehen und Film München) sowie Christine Strobl (Geschäftsführerin der Degeto Film GmbH)
und seitens Laupheim aus Elke Hüller-Kern (Vertreterin des Laupheimer Unternehmerkreises), Ad-
rian Kutter (Begründer der Biberacher Filmfestspiele - nicht auf dem Gruppenfoto), Gerold Rechle
(Oberbürger­meister der Stadt Laupheim), Dr. Heiko Schmid (Landrat des Landkreises Biberach)
und Steffen Schweizer (Vertreter des Bundes der Selbständigen Laupheim).

Der Carl Laemmle Produzentenpreis wurde im Jahr 2017 anlässlich des 150. Geburtstags des Film-
pioniers und Erfinders von Hollywood Carl Laemmle durch die Produzentenallianz gemeinsam mit
Carl Laemmles Geburtsstadt Laupheim ins Leben gerufen. Als erster eigenständiger deutscher
Produzentenpreis zeichnet der Carl Laemmle Produzentenpreis jährlich das Lebenswerk einer he-
rausragenden Produzentenpersönlichkeit aus und stellt zugleich generell die besondere Leistung
der Produzentinnen und Produzenten im kreativen und wirtschaftlichen Prozess des Filmschaffens
in besonderer Weise heraus.

Zum Auftakt im Jahr 2017 wurde Roland Emmerich mit dem ersten Carl Laemmle Produzentenpreis
ausgezeichnet, gefolgt im zweiten Jahr von Regina Ziegler. Im selben Jahr wurde Artur Brauner
anlässlich seines 100. Geburtstags mit dem Sonderpreis der Jury – dem Carl Laemmle Ehrenpreis
– geehrt. Im Jahr 2019 ist Stefan Arndt mit dem Carl Laemmle Produzentenpreis für sein bisheriges
Lebenswerk ausgezeichnet worden.

                                                                                                           7
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Förderpreis der Deutschen Werbefilmakademie

                       Bilder sagen mehr als Worte

       Seit sieben Jahren zeichnet die Deutsche    Singapur stammende Song, die mittler-
       Werbefilmakademie mit ihrem Förder-         weile in Berlin lebt, überzeugte die Jury
       preis besonders starke Konzepte für die     mit einer ausdrucksstarken Hommage an
       Bewegtbildproduktion aus. Gewinnerin        die Kraft des kreativen Schreibens, die
       in diesem Jahr ist Joy X. Song (Foto) mit   vor allem von der Visualisierung der Räu-
       ihrem Konzept „The Dollhouse“. Die aus      me lebt, durch die Song ihre Protagonis-

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PA MAGAZIN 02/19

tin streifen lassen will. Der Clou: gleichzeitig   dung zurück. Während dieser Phase fand au-
spiegelt „The Dollhouse“ das Konzept einer         ßerdem ein „Speed Recruiting“ statt, zu dem
innovativen Screen-Writing-App wider.              sich Berufseinsteiger mit Regisseur*innen und
                                                   Produzent*innen der Branche austauschen und
Nicht nur die Konzepte, die für den För-           Kontakte knüpfen konnten. Da die Teilnehmer-
derpreis eingereicht wurden, hatten es in          zahl begrenzt ist, musste im Vorfeld eine Aus-
sich, sondern auch deren Präsentationen.           wahl durch die Akademie stattfinden.
Die zehn Finalistinnen und Finalisten der
öffentlichen Ausschreibung präsentierten           Die Jury, bestehend aus Marjorieth Sanmartin
ihre Ideen in einem Live-Pitch im September        (TBWA), Executive Postproducerin Olaia Kasal
vor Jury und Publikum. Jedes Talent hatte          (Infected), Regisseur Sergej Moya und Executive
sieben Minuten Zeit für den Pitch, danach          Producer Justin Mundhenke (Tempomedia), tat
zog sich die Jury zur Entscheidungsfin-            sich sichtlich schwer, in diesem Jahr nur eine
                                                   Siegerin zu küren. Das Konzept des Jung-Re-
                                                   gisseurs Eugen Merher („Dark Red“) und des-
                                                   sen Partners Philip Chrobot über eine bunte
                                                   Lovestory für die Lolli-Marke Chupa-Chups war
                                                   ebenfalls heißer Anwärter. Letztlich entschieden
                                                   sich die Experten dann für Joy Song.

                                                   Noch am Abend des 25. September wurde
                                                   die Gewinnerin im Hamburger Bullerei Studio
                                                   gekürt. Song ist die erste Frau, die alleine auf
                                                   dem Siegertreppchen steht. Mit Magali Her-
                                                   zog gewann zwei Jahre zuvor schon einmal
                                                   eine weibliche Producerin den Preis, damals
                                                   gemeinsam mit ihrem Partner, dem Regisseur
                                                   Miguel Schmid. Thilo Gundelach gewann im
                                                   letzten Jahr den ersten Preis mit seinem LEVI’S
                                                   Spot-Konzept „Show Yourself“.

                                                   Als Gewinnerin hat Song für Ihr Konzept ein Pro-
                                                   duktionsbudget von 20.000 Euro von der Deut-
                                                   schen Werbefilmakademie erhalten. Weischer.
                                                                        Media unterstützt zudem
                                                                        mit einem Mediaetat von
                                                                        15.000 EUR zur Kinoplat-
                                                                        zierung und Studio Funk
                                                                        supportet mit 5.000 EUR
                                                                        Sachleistung für eine Ki-
                                                                        nomischung und Grading
                                                                        – eine gute Basis, um das
                                                                        Konzept Wirklichkeit wer-
                                                                        den zu lassen. Inzwischen
                                                                        schreitet die Produktion
                                                                        des Films voran, schließ-
                                                                        lich soll der fertige Film
                                                                        traditionell beim Deut-
                                                                        schen Werbefilmpreis in
                                                                        Hamburg Premiere feiern.
                                                                        Viel Zeit ist nicht mehr:
                                                                        Am 27. März 2020 findet
                                                                        der Deutsche Werbefilm-
                                                                        preis auf Kampnagel in
                                                                        Hamburg statt.

                                                                                                      9
N 30 - PRODUZENTEN MAGAZIN Das Magazin der Allianz
Klimawandel / Umweltschutz
        von Oliver Castendyk

               GREEN FILMING

        Schmelzende Gletscher, auftauende Permafrost-
        Böden, steigende Meeresspiegel, Greta Thunberg,
        Fridays for Future, Extinction Rebellion. Am Thema
        Klimawandel kommt keiner mehr vorbei, auch nicht
        die Filmindustrie...

10
11
... Und damit ist nicht (nur) die Vielzahl von Do-      mann & Berg-Produktion „Der Pass“ und die ak-
kumentationen und Spielfilmen gemeint, die sich         tuelle MasterChef-Staffel von Endemol Shine. Am
mit dem Klimawandel und seinen Folgen befassen:         Beispiel der Tatort-Folge „Fünf Minuten Himmel“
Dokumentationen, wie „An Inconvenient Truth“,           von Ziegler Film im Auftrag des SWR konnte ge-
„Time to Choose“ oder „The Great Warming“, oder         zeigt werden, dass der CO2-Ausstoß einer solchen
Spielfilme wie „The Day After Tomorrow“, die das        Produktion um 42 % gesenkt werden kann. Der
Bewusstsein von der Dramatik der Lage bei vielen        Erfahrungsbericht aus dem Jahr 2016 ist nach wie
Menschen gestärkt, oft sogar erst geschaffen ha-        vor sehr lesenswert. Inzwischen kamen weitere
ben. Stattdessen geht es hier um die Frage, was die     Projekte hinzu.
Filmproduktionswirtschaft selbst geleistet hat und
leisten kann, um den Klimawandel aufzuhalten bzw.       Verbände wie die Produzentenallianz oder der
zu verringern. Denn auch sie ist ein – wenn auch        Bundesverband Regie, die Deutsche Filmakade-
verhältnismäßig kleiner – Teil des Problems. Eine       mie und die Filmförderer offerieren Fortbildungen
Zahl aus Frankreich: Laut ECOPROD emittiert die         zum Thema „Green Shooting“ und zur Frage, wie
französische Medienindustrie rund 1 Million Ton-        sich nachhaltige Filmproduktion in den Bereichen
nen CO2 pro Jahr (von 445 Millionen Tonnen CO2          Licht und Energie, Reisen und Transport, Szenen-
insgesamt); davon entfielen 2018 250.000 Tonnen         bild, Setdesign und Dekobau, Catering, Büro und
auf die Filmindustrie.                                  Team-Kommunikation verbessern lässt.

In Deutschland begann man schon vor einigen             Andere Filmproduktionsstandorte bewegen sich
Jahren das Problem anzugehen – zuerst die Film-         ebenfalls. In den USA wurde von der Producers
förderung Hamburg Schleswig-Holstein (FFHSH),           Guild of America der „Green Production Guide“
die 2012 mit dem „Grünen Drehpass“ (GD) das ers-        entwickelt, u.a. unterstützt von den Major Compa-
te Label für nachhaltige Filmproduktion in Europa       nies, Amazon Studios, HBO und Netflix. Die British
schuf. Aber auch andere Filmförderungen entwi-          Academy of Film and Television Arts (BAFTA) ent-
ckelten „grüne“ Initiativen, allen voran die Medi-      wickelte das Umweltprogramm „ALBERT“ für die
en- und Filmförderung Baden-Württemberg (MFG).          Filmindustrie. Jeder Produzent, der für die BBC
Sie unterstützen Filmproduzent*innen dabei, die         produzieren möchte, muss dieses Programm be-
Projekte ökologisch nachhaltig herzustellen, den        herzigen.
CO2-Fußabdruck der Filmproduktion zu reduzie-
ren, erkennen die Kosten eines „Green Consul-           Kurzum: Es tut sich was, aber noch nicht auf brei-
tant“ an, bieten einen CO2-Rechner für Film- und        ter Front. Noch sind es einzelne Vorzeigeprojekte,
TV-Produktionen und ein Onlineverzeichnis von           keine Massenbewegung. Um dem Ziel eines allge-
Dienstleistungsunternehmen mit geeigneten An-           meinen Öko-Standards für deutsche Filmprodukti-
geboten an usw.                                         onen näherzukommen, beteiligt sich die Produzen-
                                                        tenallianz (Prof. Dr. Mathias Schwarz) am von der
Auch deutsche Sender und Produktionsunterneh-           MFG gegründeten Arbeitskreis „Green Shooting“,
men setzen auf grüne Strategien. Den Anfang             zu dem weitere Förderer (FFA, FFHSH) aber auch
machten 2012/13 Studio Hamburg und Bavaria              ARD (Degeto und SWR), ZDF, Sky Deutschland,
Film bei seriellen Produktionen für die ARD. So-        der VTFF, Produktionsunternehmen, wie die UFA,
ny Pictures produzierte 2014 „Der Lehrer“ für RTL       Bavaria Film, Constantin, Ziegler Film sowie Green-
klimafreundlich. 2015 wurde die ZDF-Show von            Production-Expert*innen gehören.
Riverside Entertainment „Der Quiz-Champion“
von der FFHSH mit dem GD ausgezeichnet. Sky             Ziel des Arbeitskreises ist ein System, das Film- und
stellte 2017 eigene Richtlinien für nachhaltige Film-   TV- Produzent*innen bundesweit ermutigt, umwelt-
produktionen auf. Pilotprojekte waren die Wiede-        freundlicher zu produzieren, das ihnen geeignete

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Instrumente an die Hand gibt und das nicht zuletzt    Den „Grünen Drehpass National“ (GDN) soll, wie
eine Vergleichbarkeit zwischen den Ergebnissen        schon den GD der FFHSH, jedes Produktionsunter-
herstellt. Der Arbeitskreis finanzierte deshalb ein   nehmen für die jeweilige Produktion beantragen
Konzept für ein bundesweites Zertifikat für ökolo-    können. Dazu braucht es eine entsprechende Ver-
gisch nachhaltig produzierte Film- und TV-Produk-     gabeinstitution. Diese Stelle könnte beispielsweise
tionen, das vom Green Shooting-Experten Phillip       bei der Filmförderungsanstalt (FFA) angesiedelt
Gassmann und dem Freiburger Öko-Institut erstellt     werden oder in einer eigenen gGmbH. In einem
wurde. Seine Ziele:                                   Steuerungskreis und in einem Beirat, an dem die
                                                      Produzentenallianz beteiligt wäre, könnten die –
1. Reduktion von Treibhausgasen;                      sich aufgrund der technologischen Entwicklungen
2. Reduktion von Feinstaub/                           zum Teil ändernden – Voraussetzungen für nach-
   Ruß und Stickoxiden;                               haltiges Produzieren definiert und fortgeschrieben
3. Reduktion von übermäßigen                          werden.
   Ressourcen-Verbräuchen;
4. Reduktion von umweltschädlichen                    All dies kostet Geld. Nicht nur das „grüne Produ-
   Substanzen und Giften;                             zieren“ wird zumindest in Teilen zu Mehrkosten
5. Reduktion von Plastik und Müll allgemein.          führen, etwa im Bereich der Stromgeneratoren,
                                                      sondern auch die zu gründende Kompetenz- und
                                                      Zertifizierungsstelle für den GDN. Letztere wird sich
                                                      nicht nur durch Prüfgebühren finanzieren können.
                                                      Es besteht die Hoffnung, dass sich die Staatsmi-
                                                      nisterin für Kultur und Medien (BKM) mit einer An-
                                                      schubfinanzierung an den Kosten dieser Stelle in
                                                      einer Größenordnung von 300.000 EUR beteiligt.
                                                      Die Chance, dass auch das Bundesministerium
                                                      für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit
                                                      (BMU) mit von der Partie ist, ist hingegen gering.
                                                      Denn das BMU plant ein eigenes „Umweltzeichen
                                                      Blauer Engel mit dem Schwerpunkt Dienstleistun-
                                                      gen“. Dazu wurde im Juli 2019 ein dreijähriges For-
                                                      schungsprojekt ausgeschrieben. Für vier Dienst-
                                                      leistungsbranchen soll geprüft werden, ob ein
                                                      solches Gütesiegel sinnvoll ist. Eine davon ist die
                                                      Film- und Fernsehbranche. Bevor Ergebnisse der
                                                      Studie vorliegen, will das BMU in zwei – natürlich
                                                      öffentlichkeitswirksamen – Großveranstaltungen
                                                      während der Berlinale 2020 und 2021 ihr Projekt
                                                      vorstellen. Mit anderen Worten: Da entwickelt die
                                                      deutsche Film- und Fernsehwirtschaft ein praxisna-
                                                      hes Konzept für ein Gütesiegel in Form des GDN
                                                      und das zuständige Bundesministerium, dem eine
                                                      Einbindung in die GDN-Planung angeboten wur-
                                                      de, reagiert darauf, in dem es ein eigenes Siegel
                                                      entwickelt, das erst in drei Jahren zur Verfügung
                                                      stehen würde. Schade.

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Besuch für die Produzentenallianz

            EU-Kommissar Oettinger auf Abschieds-
                besuch bei der Produzentenallianz

Nach mehr als 50-jähriger Tätigkeit auf der po-    und Straßburg als auch die einzelnen Mitglieds-
litischen Bühne, davon fast zehn Jahre als EU-     staaten beschäftigen werden. Dass es dabei auch
Kommissar, hat sich seine Exzellenz EU-Kom-        zukünftig nicht immer harmonisch zugehen wird,
missar Günther Oettinger im Oktober zu einer       schlussfolgerte Oettinger aus seinen Erfahrun-
Abschiedstour als scheidender EU-Haushalts-        gen mit der europäischen Urheberrechtsreform.
kommissar aufgemacht und es sich nicht nehmen      In seiner gesamten Laufbahn habe er noch nie
lassen, auch die Produzentenallianz zu besuchen.   einen so harten Streit erlebt, wie jenen um die
Im kleinen Kreis sprach Oettinger vor und mit      Copyright-Richtlinie, erklärte Oettinger. Dieser
Vertretern der Film-, TV- und Kinowirtschaft und   Streit sei noch nicht ausgestanden, schließlich
referierte über solche Themen, die in den kom-     sind nun die Länder Europas gefragt, die Richt-
menden Monaten und Jahren sowohl Brüssel           linie in nationales Gesetz umzusetzen.

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„Dass die Produzentenallianz gerade
dabei ist, ihre Präsenz in Brüssel mit
einem Büro vor Ort auszubauen, um
so stärker vor Ort wirken zu können,
kommt zu einer Zeit, in der neben der
Zukunft des MEDIA-Programms eine
ganze Reihe elementarer Fragen zur
Verhandlung anstehen, von denen
das Review der aktuellen Handhabung
des Geoblockings sicherlich nicht die
unwichtigste im kommenden Jahr ist.
Noch mehr potenzielle Sprengkraft
bergen indes die Planungen für eine
neue e-Commerce-Richtlinie, die die
aktuell knapp 20 Jahre alten Rege-
lungen ablösen würde,“ schreibt Marc
Mensch in Blickpunkt:Film über das
Treffen im Oktober.

Oettinger betonte zudem, dass mit der
Frage, wie mit den Plattform-Giganten
Google, Amazon, Facebook und Apple
zukünftig umzugehen sei letztlich auch
die Frage der europäischen Souverä-
nität einhergehe. In diesem Kontext
verfolge er auch die Idee einer Art „Su-
per-Mediathek“ weiter, die von öffent-
lich-rechtlichen und privaten Sendern
gemeinsam getragen sein müsste, um
als deutsche oder europäische Alter-
native ein Gegengewicht zu den Stre-
amingriesen aus den USA aufzubauen.

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Setgespräche

            Im Gespräch mit
            „Filmhersteller“
            Uli Aselmann

        Uli Aselmann ist stellvertretender Vorsitzen-
        der der Produzentenallianz, Vorsitzender
        der Sektion Kino und Geschäftsführer von
        die film gmbh. Wir haben ihn im Oktober zu
        einem Plausch getroffen und über die Rolle
        von Filmproduzentinnen und -produzenten,
        die neuen Player am Markt und das Nach-
        wuchsproblem in der Branche gesprochen.

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Uli Aselmann (links) neben der geschäftsführenden
                                                         Mitgesellschafterin Sophia Aldenhoven am Set von
                                                         „Tatort – Das Team“

Herr Aselmann, stört es Sie eigentlich, dass beim Film      an gelegen, klar zu stellen, dass Produzenten*innen
die Produzenten in der Regel unbekannt bleiben,             nicht gierige Geldsammler sind, die das dann unter
während die Schauspieler*innen und Regisseur*innen          den Filmschaffenden verteilen, sondern dass sie ei-
meistens die volle öffentliche Aufmerksamkeit be-           ne sehr komplexe Arbeit leisten. Wer nur Glanz und
kommen?                                                     Gloria erwartet und meint, ohne Ideen und Phantasie,
                                                            Einfühlungsvermögen und soziale Kompetenz Filme
Uli Aselmann: Ich glaube, um solche Eitelkeiten soll-       herstellen zu können, der kommt in der Regel nicht
ten wir uns nicht so viele Gedanken machen. Dass            weit oder ist eben kein richtiger Produzent. Wir inves-
Schauspielerinnen und Schauspieler einen großen             tieren viel Kraft, Zeit und Geld, um Ideen zu entwickeln
Teil der Aufmerksamkeit bekommen, ist ja logisch,           und diese Wirklichkeit werden zu lassen. Natürlich
schließlich sind sie diejenigen, die unmittelbar vom        im Laufe der Produktion dann in Zusammenarbeit
Publikum wahrgenommen werden, wenn sie auf dem              mit Autoren*innen und Regisseuren*innen, aber als
Bildschirm oder der Leinwand zu sehen sind. Über            Unternehmer tragen wir von Beginn an das finan-
ihre Qualitäten „verkauft“ sich ja auch der Film. Die       zielle Risiko schon bei den Stoffentwicklungen und
meisten Zuschauer haben zudem eher nur eine vage            halten für den Erfolg oder Misserfolg einer Produkti-
Vorstellung davon, wie das Produzieren eines Films          on auch den Kopf hin. Deswegen bin ich bei Vorträ-
abläuft, wie man das macht. Mir ist immer sehr dar-         gen und Interviews inzwischen dazu übergegangen,

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weniger von Produzenten*innen sondern vielmehr            ern mehr Auftraggeber gibt, die sich im deutschen
von Filmherstellern*innen zu sprechen. Klingt etwas       Markt vermehrt auch über heimische Produktionen
unsexy, bringt aber den unternehmerischen Aspekt          etablieren wollen. Ich bin mir sicher, dass dies erst
des/der Produzenten*in besser auf den Punkt, wie ich      der Anfang ist. Die große Zeit der Streaming-Dienste
finde.                                                    kommt erst noch und wird dazu führen, dass sich das
                                                          klassische Fernsehen verändern muss, auch in seinen
Was macht das Unternehmertum „Filmhersteller“ so          Erzählweisen und Auswertungsformen.
risikoreich?
                                                          Welche Rolle kann die Produzentenallianz innerhalb
Uli Aselmann: Wir haben als Filmhersteller hohe Vor-      dieser Gemengelage einnehmen?
laufkosten. Das heißt, bevor ein Projekt überhaupt ge-
dreht werden kann, sind langwierige Planungen und         Uli Aselmann: Es ist eine der zentralen Leistungen
Vorbereitungen notwendig. Die Stoffe müssen gut           der Produzentenallianz, dass sie von Anfang an und
recherchiert und entwickelt werden. Je nach Projekt,      inzwischen auch mit einer Reihe bedeutender Erfol-
kann dies mehrere Personen beschäftigen und das           ge dafür gekämpft hat, dass es Rahmenbedingungen
über Jahre. Und hier liegt das Problem: Eine Garantie,    geben muss, die es uns ermöglichen, Stoffe adäquat
dass der Stoff auch gedreht wird, haben wir nie. Ich      zu produzieren und umzusetzen. Speziell im Bereich
habe beispielsweise 2013 angefangen, einen Stoff für      der öffentlich-rechtlichen Sender hat die Produzenten-
einen Sender zu entwickeln und habe mit meiner Fir-       allianz über Jahre hinweg für die berechtigten Forde-
ma insgesamt sechs Jahre lang immer wieder daran          rungen und Belange von Produzentinnen und Produ-
gearbeitet. Letztlich haben senderpolitische Gründe       zenten gekämpft. In dieser Zeit haben wir uns Rechte
dazu geführt, dass das Projekt nicht weitergeführt        erkämpft, beispielsweise in Sachen Erlösbeteiligung,
wurde. Die Autoren wurden vom Sender bezahlt und          bei der Finanzierung oder dem Rechterückbehalt.
das war‘s. Auch etwaige mit dem Sender abgeschlos-        Kurz gesagt, die Rolle des Filmherstellers wurde und
sene Produktionsvorbereitungsverträge decken un-          wird durch die Arbeit der Produzentenallianz deutlich
sere Investitionen in der Regel nicht ab. Was wir an      gestärkt. Dies hat natürlich auch Strahlkraft jenseits
Vorbereitungen und Planungen investiert haben, um         des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Bewegtbildher-
das Konzept und den Stoff voranzubringen, bleibt viel-    steller müssen, ob sie nun für Öffentlich-Rechtliche,
mehr unser Risiko. Wir haben somit in den sechs Jah-      Private, für Streamingdienste oder für den Kinomarkt
ren an dieser Geschichte für nichts gearbeitet. Das ist   arbeiten, am Erfolg ihrer Produktionen teilhaben kön-
nicht immer einfach auszuhalten. Und beim Kinofilm        nen. Wir dürfen mit den neuen Playern nicht wieder
begleitet den Unternehmer das Entwicklungsrisiko in       bei null anfangen und alles Entwicklungs- und Pro-
einem noch größerem Maße Das führt dann häufig            duktionsrisiko auf uns nehmen, ohne aber an den
dazu, dass unfertige Drehbücher verfilmt werden, weil     Erfolgen substanziell zu partizipieren. Wir verstehen
dem Produzenten die Mittel für notwendige Bearbei-        uns nicht als bloße Dienstleister oder „Werkbank“ für
tungen ausgegangen sind. In diesem wirtschaftlichen       Sender oder Streamingdienste und wir wollen mit
Dilemma werden dann manchmal die unternehme-              den Autoren*innen und Regisseuren*innen arbeiten,
rischen Zwänge so groß, dass man mit halbfertigen         mit denen wir das größtmögliche kreative Potential
Drehbüchern den Kinomarkt belastet. Das sollten wir       abrufen können, weil wir uns mit ihnen zusammenge-
so nicht weiter betreiben.                                funden haben und nicht, weil man uns eine Zusam-
                                                          menarbeit vorschreibt! Aus diesem Selbstverständnis
2013 gab es noch kein Netflix in Deutschland. In-         heraus brauchen wir die Produzentenallianz – vielleicht
zwischen hat sich viel getan, wir sind mitten in einer    sogar mehr denn je.
Umbruchphase. Die ‚Streaming-Wars‘ wurden aus-
gerufen. Ist es heute nicht viel leichter geworden,       Die Neuen Player, also Netflix und Amazon Prime Vi-
Stoffe an die Sender bzw. die neuen Plattformen zu        deo, sind gerade bei den Jüngeren bereits weitge-
bringen? Schließlich ist die Nachfrage, auch nach         hend etabliert. Apple ist inzwischen auch mit seinem
deutschsprachigen Stoffen, größer denn je?                Streaming-Angebot an den Start gegangen. Disney
                                                          startet im März 2020 in Deutschland. Eine ziemliche
Uli Aselmann: Ja, wir spüren natürlich alle, dass sich    Ballung mächtiger US-amerikanischer Großunterneh-
etwas ändert durch die Umbrüche im Markt. Sowohl          men, die hier in Deutschland in den Film-, Serien- und
bei den öffentlich-rechtlichen Sendern als auch bei       Unterhaltungsmarkt drängen. Beunruhigt Sie das?
den Privaten bemerke ich neue Denkweisen, was Kon-
zepte und Stoffe angeht. Kreativen wird mehr Frei-        Uli Aselmann: Ich bin insofern noch entspannt, weil
raum zur Entfaltung gelassen, was eben auch zu neu-       auch die etablierten deutschen Sendergruppen in-
en, innovativen Formaten führt, die offensichtlich vom    zwischen verstanden haben, dass die eigenen Pro-
Publikum nachgefragt werden. Das kommt nicht von          dukte auch auf dem On-Demand-Weg vermarktet
ungefähr, hier haben die Streaming-Dienste bereits        und verbreitet werden müssen. Es gibt ja inzwischen
ihren Abdruck hinterlassen. Für uns als Hersteller ist    auch deutsche Streaming-Angebote wie Joyn oder
es zunächst mal erfreulich, dass es mit den neuen Play-   TVNOW, außerdem bieten die öffentlich-rechtlichen

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„Filme, Serien oder     Sender die Mediatheken an. Da passiert inzwischen
                        einiges. Die ARD hat angekündigt, im nächsten Jahr

 Dokumentationen        20 Millionen Euro für Serienproduktionen zu investie-
                        ren, die zunächst über die Mediatheken ausgewertet

   sind immer auch
                        werden sollen. Ich befürchte nur, dass man in den
                        deutschen Senderhäusern glaubt, Programme für ih-

       Spiegel einer
                        re On-Demand-Angebote müssten zwar aufwendig,
                        aber gleichzeitig auch billiger sein als ihre linearen
                        Programme. Aber wenn die Angebote stimmen, müs-
  Gesellschaft. Und     sen wir keine zitternden Knie vor den US-Giganten
                        haben. Netflix, Amazon und Disney werden sicherlich
    möglicherweise      ihren Fokus auf den internationalen Markt behalten,
                        soll heißen, eine deutsche Serie, die hier zwar er-
    müssen wir, was     folgreich läuft, aber international eher mau, wird bei
                        Netflix und Co. weiterhin Schwierigkeiten haben eine
erzählerische Blick-    weitere Staffel zu bekommen. Daraus ergeben sich
                        Chancen für die nationalen On-Demand-Anbieter, die
  winkel und Stoffe     sich perspektivisch auf den deutschen und europäi-
                        schen Raum konzentrieren.

       angeht, noch     Gleichzeitig werden etablierte deutsche Medien im-

     vielfältiger und   mer öfter in Frage gestellt. Der Begriff Lügenpres-
                        se macht die Runde. Der Rundfunkbeitrag wird als

  mutiger werden.“      Zwangsabgabe gegeißelt. „Alternative Fakten“ wer-
                        den in den Echokammern sozialer Netzwerke verbrei-
                        tet. Politisch fragwürdige Strömungen wollen Einfluss
                        auf den Kulturbetrieb nehmen. Beeinflusst das auch
                        Stoffe und Produktionen?

                        Uli Aselmann: Zunächst mal halte ich unsere Demo-
                        kratie für stark genug, um eine Partei wie die AfD aus-
                        zuhalten – auch wenn es schwerfällt. In der Auseinan-
                        dersetzung liegt die Kraft, die Menschen, die unserer
                        Demokratie schaden wollen, zu entlarven. Natürlich
                        haben gesellschaftliche Dynamiken auch Auswirkun-
                        gen auf die Geschichten, die wir erzählen. Ansonsten
                        würden wir unsere Arbeit nicht richtig machen. Filme,
                        Serien oder Dokumentationen sind immer auch Spie-
                        gel einer Gesellschaft. Und möglicherweise müssen
                        wir, was erzählerische Blickwinkel und Stoffe angeht,
                        noch vielfältiger und mutiger werden. Wir sollten aller-
                        dings nicht mit einstimmen, das einzigartige Angebot,
                        das es in Deutschland an Information und Unterhal-
                        tung gibt, kleinzureden. Im Gegenteil. Ich glaube, den
                        wenigsten kommt es in den Sinn, die Rundfunkgebüh-
                        ren von derzeit 17,50 Euro im Monat ins Verhältnis zu
                        anderen Bewegtbildangeboten zu setzen. Netflix ist
                        mit aktuell knapp 16 Euro für ihr Premium-Angebot
                        nicht mehr weit von der Haushaltsabgabe entfernt.
                        Bei Sky Ticket bin ich mit 9.90 Euro für ein einzelnes
                        Fußballspiel dabei. Wenn ich mir dann die Bandbrei-
                        te des Angebots der Öffentlich-rechtlichen anschaue,
                        beim Deutschlandfunk beginnend, über das Erste,
                        die Landesrundfunkanstalten, unendliche Hörfunk-
                        programme bis hin zum ZDF, zuzüglich Digitalkanäle
                        und Mediatheken, dann ist das schon eine Menge und
                        zwar insgesamt von durchaus hoher Qualität! Wenn
                        die noch etwas lockerer werden, weg von einer allzu

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PA MAGAZIN 02/19

dominanten Redakteurshoheit bei Auftragsprodukti-         der Kreis: Wir als Filmhersteller sind eben auch ein
onen und die beschworene Politikferne auch wirklich       Wirtschaftsfaktor und wir betreiben ein Geschäft, das
gelebt werden würde, dann mache ich mir um die            Vorlaufinvestitionen abdecken muss. Und dafür fehlen
öffentlich-rechtlichen Sender und unsere Demokratie       uns nach wie vor gewisse Rahmenbedingungen. Den-
keine Sorge.                                              noch ist die Branche nicht untätig, es gibt inzwischen
                                                          eine Reihe von Ausbildungsinitiativen etwa mit Lan-
Wenn die Qualität zunehmen soll, braucht es fähige        desvertretungen, Hochschulen auch in Kooperation
Leute. Inzwischen sind Fachkräfte gefragter als jemals    mit Produktionsfirmen. Und es gibt PAIQ! Die Produ-
zuvor. Wo sollen eigentlich die Talente und Fachleute     zentenallianz Initiative für Qualifikation. Sie bietet im
herkommen?                                                Bereich Produktion und Redaktion Ausbildungspro-
                                                          gramme für den produzentischen Nachwuchs an: das
Uli Aselmann: In der Tat, der Markt ist personell ext-    Volontariat für Audiovisuelle Produktion AV!Volo und
rem ausgedünnt, Fachkräfte sind rar. Gerade in kauf-      das Entertainment-Volontariat E!Volo. Damit leistet die
männischen Berufen wie der Filmgeschäftsführung           Produzentenallianz einen wichtigen Beitrag in diesem
fehlen Leute, aber auch Aufnahmeleiter, Produktions-      herausfordernden Umfeld.
leiter, Cutter und Regieassistenzen. Zum einen, weil
viel produziert wird, zum anderen aber auch, weil vor     Wenn nun ein junger Mensch nach seinem Volontari-
allem bei den wieder erstarkten Serien lange Zeiträu-     at entscheidet, Produzent oder Produzentin werden
me gedreht werden. Ich befürchte allerdings, dass wir     zu wollen – was geben sie ihm oder ihr mit auf den
uns auch eingestehen müssen, dass die Branche das         Weg?
Problem lange unterschätzt hat. Wir haben in vielen
Unternehmen nie „klassisch“ ausgebildet. Die Einfüh-      Uli Aselmann: Ich glaube, das kommt ganz darauf an,
rung des längst fälligen Mindestlohns, hat die Situa-     was er oder sie kann und welche Erfahrungen bisher
tion dann noch verschärft. In der Vergangenheit war       gemacht wurden. Was einem als selbstständigem
es üblich, dass man über kürzere oder auch längere        Filmhersteller von Anfang an klar sein sollte ist, dass
Praktika in ein „Gewerk“ reingerutscht ist und dann       dieses Geschäft viele Fallstricke hat und man in die-
die einzelnen Etappen der Produktion durchlaufen          sem System bereit sein muss Risiken einzugehen, auch
ist, bis man dann selbst zum Beispiel Aufnahmeleiter      solche, für die man möglicherweise persönlich haftbar
war. Die einen schneller, die anderen langsamer. Das      ist. So sexy wie das Produzieren als solches ist, ist die
waren auch keine Ausbildungsberufe. Wenn man sich         Selbstständigkeit nämlich nicht immer. Heute braucht
gut angestellt hatte, machte man einfach den Job wei-     man mehr denn je ein dickes Fell. Daher denke ich,
ter bis zur nächst Stufe. Dieser Prozess unterscheidet    dass es nicht für jeden sinnvoll ist, direkt nach der
sich von einer klassischen Berufsausbildung, die klarer   Ausbildung in die Selbstständigkeit zu gehen. Um sein
strukturiert ist und am Ende im besten Fall mit einem     bisheriges Können zu festigen, halte ich es durchaus
Ausbildungszeugnis abgeschlossen wird. Jetzt ist es       für sinnvoll, sich zunächst mal an eine Produktionsfir-
zwar so, dass größere Produktionsfirmen durchaus in       ma anzuschließen. Mit der dortigen Praxis kann man
der Lage sind, dem Nachwuchs längerfristige Perspek-      den Horizont erweitern, und wenn dies geschehen ist,
tiven aufzuzeigen. Unsere Branche ist aber geprägt        stehen die Optionen, sich selbstständig zu machen
von kleinen und mittleren Unternehmen. Und die kön-       oder die Karriereleiter in einer Firma weiter hinauf zu
nen das nicht immer leisten. Bei geringen Auftrags-       klettern, immer noch bereit.
volumina ist es für kleine Unternehmen leider extrem
schwierig, jemanden im Unternehmen zu haben, der
ausgebildet werden soll. Die Planbarkeit ist also der
Schlüssel, wenn es um Ausbildung geht. Man kann
eine Ausbildung ja nicht einfach unterbrechen, weil
die Auftragslage nicht stimmt. Es ist bedauerlich, dass
uns die Planungssicherheit fehlt. Hier schließt sich

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HERAUSFORDERUNGEN
    DES PRODUKTIONSALLTAGS

        In unserer neuen Serie „Herausforderungen des Produktionsalltags“ sprechen
        Produzentinnen und Produzenten über Projekte, die ihnen lange im Gedächtnis
        geblieben sind oder sie lange beschäftigt haben. In der ersten Folge betreten
        wir die Welt der Animation, in der uns Jan Bonath berichtet, wie der Kino-
        Animationsfilm „Das Sandmännchen – Abenteuer im Traumland“ zum Leben
        erweckt wurde, und welche Herausforderungen damit einhergingen.

22
Herausforderungen des Produktionsalltags I

      Exzessive Planung und lange Nachbereitung

„Am Anfang hat niemand gesagt: Ja, genau das wol-            noch nicht gefestigt war, konnte die deutsche Figur
len wir machen. Wir haben es trotzdem gemacht“,              problemlos adaptiert werden“, erinnert sich Bonath.
sagt Jan Bonath, Vorstand der scopas medien AG.
Das Sandmännchen sei ein schwieriger Charakter.              Die „Bibel“, eine Überzeugungsgrundlage
Schwierig deswegen, weil es bis dahin ein „Präsen-
tator“ gewesen ist, kein klassischer Charakter für ei-       Zentrales Instrument der Überzeugungsarbeit war die
nen Kinofilm. „Diese Skepsis galt es erst in unseren         sogenannte „Bibel“. Sie ist eine Art Handbuch, mit De-
Köpfen und dann in denen unserer Partner auszuräu-           signbeispielen, Konzepttexten, Portraits der Protago-
men.“ Doch die Idee, das charakterlich noch unbe-            nisten, manchmal auch mit Beispieldrehbüchern von
schriebene Blatt mit Leben zu füllen und mit einem           ein oder zwei Episoden für Serien. Flankiert wird die
Kinofilm den damals anstehenden 50-jährigen Ge-              Bibel von einem beiliegenden ein- bis zweiminütigen
burtstag des Sandmännchens zu feiern, waren gute             Trailer. „Bei der Animation können wir ja nur schlecht
Ausgangspunkte.                                              auf Referenzen verweisen. Wenn ich einen Realfilm
                                                             mache, dann hole ich mir von den Schauspielerinnen
Konkret wurde die Idee eines Sandmännchen-Kinofilm           und Schauspielern, die in bestimmten Genres aktiv
erstmals 2001. Zuvor wurde in Gesprächen zwischen            sind, Einstellungen als Referenzen. Dann kann ich sa-
Scopas und der federführenden ARD-Anstalt in Sa-             gen: das ist mein Cast, und jeder kann sich ein Bild
chen Sandmännchen, dem Rundfunk Berlin-Branden-              machen. Bei der Animation ist ja im Prinzip alles frei
burg sondiert, welche Figuren das Zeug für einen             bestimmbar, deswegen wird oft ein Trailer benötigt,
Kinofilm hätten. „Zunächst schien das Sandmänn-              damit die Partner ein Gefühl für die visuelle Inszenie-
chen auf der großen Leinwand ziemlich absurd. Es             rung bekommen“, so Bonath.
repräsentiert ja in erster Linie ein familiäres Ritual, es
erscheint auf dem Bildschirm, präsentiert eine kurze
Geschichte und nach drei bis vier Minuten schickt es
die Kinder mit einer Prise Schlafsand ins Bett. Fertig.
Um diese Figur soll sich nun ein Kinofilm drehen? Es
war zunächst kein Leichtes, sich von dieser Idee über-
zeugen zu lassen. Und doch war es irgendwie nahe-
liegend, auch angesichts des damals bevorstehenden
Geburtstages im Jahr 2009.“ Bis die Überzeugungsar-
beit Früchte trug, vergingen jedoch Jahre.

Tatsächlich dauerte es von den ersten konkreten Ge-
sprächen im Jahr 2001 bis ins Jahr 2006, als ein Opti-
onsvertrag für die Rechte zur Herstellung eines Kino-
films mit den beteiligten Sendern geschlossen wurde.
Bis zum Startschuss der Produktion war der Weg aber          Die nächste große Herausforderung war nun die
noch nicht frei. Über Förderungen, Vertriebe, Weltver-       Finanzierung zusammen zu bringen und die Finan-
triebe, Verleihe, Pre-Sales und Koproduzenten, muss-         zierungsbestandteile zu harmonisieren. „Gelder aus
ten zunächst noch Partner gefunden werden, die das           dem Verleih, vom Sender, von Förderern, was Regio-
Projekt koproduzierten, da die Finanzierung durch das        nalförderer sowie nationale Förderer einschließt, vom
Sender-Konsortium der Öffentlich-Rechtlichen übli-           Koproduzenten, der auch jeweils noch mal einen Ver-
cherweise nur einen Teil des Budgets abdeckte. „In           trieb, einen Verleih und möglicherweise Senderpart-
diesem Fall ging es relativ schnell, denn wir hatten         ner im Rücken hat, all das muss zusammengeführt
in Frankreich einen Produktionspartner gefunden.             werden.“ Bonath berichtet dazu, dass die Richtlinien
Das Sandmännchen ist in Frankreich auch etabliert,           der einzelnen Geldgeber teilweise widersprüchlich
allerdings eher in der Literatur. In gewisser Weise ein      oder nicht harmonisiert sind. Solche Widersprü-
Glücksfall, denn dadurch, dass die Figur dort visuell        che müssen in der Regel aufgelöst werden, hier sei

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große Sorgfalt nötig, sonst geschieht es, dass sie zum
Nachteil des Produzenten gelöst werden. „Wenn man
sich erst nachträglich darum kümmert, erwarten die
Finanzierungspartner möglicherweise, dass die Pro-
bleme aus dem Produzenten-Netto zu lösen sind.“
Die „Schließung“ dieser Finanzierung ist ein neu-
ralgischer Punkt. Fehlt eine Unterschrift unter dem
Finanzierungsplan wird es schwierig. Bonath erläu-
tert, dass es zwar immer Spielräume gäbe, wenn ein
kleiner Partner wegfällt. Wenn jedoch Partner ab-
springen, die einen größeren Finanzierungsanteil
haben, kann so ein Projekt schon einmal sterben,
dann wäre die bisherige Arbeit umsonst gewesen.
„Beim Sandmann hatte Stoff- und Projektentwicklung
ein Budget von 617.000 Euro. Dafür gab es immerhin
60.000 Euro Drehbuchförderung vom Medienbord
und 20.000 Euro Projektentwicklungsförderung von
der Filmförderung Hamburg-Schleswig-Holstein. Das
heißt auch, die scopas medien AG, ein kleines mit-
telständisches Unternehmen war hier mit 537.000
Euro im Risiko. Dieses Risiko haben wir zum Großteil
über private Kapitalgeber finanziert. Das ist für uns
inzwischen ein ganz normaler Vorgang – solange es
gut geht.“

Beim Sandmännchen sprang keiner der Finanzie-
rungspartner ab. Allerdings moniert Jan Bonath: „Aus
meiner Sicht ist das Risiko hier zu ungleich verteilt.
Während Produzenten oder Produzentinnen solche
Risiken bis zur Auslieferung des Films schultern müs-
sen, hat der Weltvertrieb eine komfortablere Lage. Der
kann nämlich anhand von Trailer, Zwischenmaterialien
und Designbeispielen in den Vertrieb gehen. Dabei
gelingt es in den meisten Fällen bereits Käufer und In-
teressenten zu finden, bevor der Film überhaupt fertig
produziert ist. Das heißt, es wird Geld eingenommen,
bevor es ausgegeben wird. Erst nach Ablieferung des
Films sieht der Produzent seinen Anteil.“

24
Ohne exzessive Planung geht nichts                     durchgeplant sein, damit nichts schief geht“, so Bo-
                                                       nath. Wann sind die Hintergründe 3D-animiert, wann
Nach Schließung der Finanzierung begann nun die        gezeichnet, wann kommt die Stop-Motion-Technik
Vorarbeit am Film. Beim Animationsfilm ist diese       zum Einsatz – auch beim Sandmännchen mussten
durch eine exzessive Planung geprägt. So wird der      alle wichtigen Fragen vorab und Szene für Szene im
Film mit den Mitteln eines Storyboards und der so-     Storyboard-Film geklärt und verarbeitet werden. Das
genannten „Animatic“ festgehalten, ohne dass er        Drehverhältnis beim Animationsfilm entspricht auf
„richtig“ gedreht wird. Diese Daten werden schließ-    Grund der Vorplanung mit Hilfe des Animatics nahe-
lich auf eine Timeline gelegt und es werden die        zu 1:1. Es werden nur die Einstellungen produziert,
Einstellungsverhältnisse sekundengenau festgelegt,     die gebraucht werden. Es gibt so gut wie keine übrig
Layoutsprecher simulieren Dialoge, die Soundeffek-     gebliebenen Einstellungen oder Outtakes.
te und die Musik werden eingearbeitet. „Im Prinzip
hat man dann eine Art Rohschnitt mit Comicbildern.     Insgesamt 17 Monate Produktionszeit waren für „Das
Bevor die eigentliche Filmproduktion überhaupt be-     Sandmännchen – Abenteuer im Traumland“ anbe-
ginnt, haben wir einen Film in einer Layoutsituation   raumt. Die eigentliche Drehzeit im Studio betrug
komplett produziert. Anders als im Realfilm können     fünf Monate. Die Stop-Motion-Filmtechnik, auf die
wir in der eigentlichen Produktion nicht mehr ab-      sich die scopas medien AG spezialisiert hat, umfasste
weichen, um uns später im Schnitt für eine Varian-     den Hauptteil der Arbeit der Produktion. Insgesamt
te der Szene zu entscheiden. In den meisten Fällen     25 Einzelsets wurden in der Caligari Halle des Film-
gibt es nämlich nur eine Variante und die muss vorab   parks Babelsberg aufgebaut. „Wir hatten dort eine

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ganze Puppenmanufaktur aufgebaut, auch einen Teil        Gutes Pressefeedback, schlechtes Timing
der Postproduktion sowie ein komplettes Set- und
Light-Department. Außerdem mussten wir noch ei-          Der Film „Das Sandmännchen – Abenteuer im Traum-
nen neuen Boden einziehen, weil der für die Stop-        land“ kam im Jahr 2010, pünktlich zum Jahr des Sand-
Motion-Technik nicht stabil genug war, der hat zu        männchen-Geburtstags ins Kino. Das Pressefeedback
sehr geschwungen“, erinnert sich Bonath.                 war durchweg positiv. Auch die Premieren waren gut
                                                         besucht. Allerdings startete der Film zeitgleich mit ei-
Jeder Animator schafft zwischen ein und drei Sekun-      nem Animationsfilm, der eine Marketing-Großmacht
den Film am Tag. Verglichen mit Realfilmen ist das ex-   hinter sich wusste. „Ich erinnere mich, dass ich in den
trem langsam – aber ein gängiger Schnitt in der Ani-     ersten Wochen nach der Premiere durch die Städte
mation. Aus diesem Grund arbeiteten in der heißen        gefahren bin und an gefühlt jeder Straßenecke die
Phase der Produktion insgesamt 25 Animatorinnen          kleinen gelben Männchen erblickte.“ Der Film „Ich
und Animatoren parallel am Film. „Animatorinnen          – Einfach unverbesserlich“ der US-amerikanischen
und Animatoren sind quasi unsere Schauspieler. Sie       Universal Studios feierte nahezu zeitgleich seine
arbeiten alle nach einer Art Partitur. Jeder interpre-   Premiere in Deutschland. Optimistisch war Bonath
tiert natürlich auch auf seine eigene Art und Weise      dennoch. Schließlich hat das Sandmännchen pro Tag
die Szenerie. Es ist wahnsinnig spannend, wie sich       rund 1,5 Millionen Zuschauern. Davon sind die Hälfte
hier aus einer Art Stückwerk nach und nach etwas         Erwachsene, mit dieser Promotionskraft im Rücken
Großes, Ganzes zusammenfindet und am Ende eine           sollte es möglich sein, die Menschen ins Kino zu lo-
Einheit bildet.“                                         cken. Das Wunschziel 700.000 Zuschauer wurde je-

26
PA MAGAZIN 02/19

doch nicht erreicht. In Deutschland schauten 200.000      kostenstand, der dann von den jeweiligen Instanzen
Zuschauer den Film im Kino. „Wir waren schlicht nicht     der Förderer geprüft wurde. Wohl gemerkt wird hier
sichtbar. Und schon gar nicht im Vergleich zum US-        nicht nur einmal geprüft. Theoretisch hat jede För-
Major, der zur gleichen Zeit einfach allgegenwärtig       derung Anspruch, einen eigenen Prüfer zu bestel-
war“, so Bonath. Gleichzeit räumt er ein, dass die Jus-   len. „Sowas kann sehr lange dauern. Und es kann
tierung der Zielgruppe, die für den Kinofilm vorge-       zu Konflikten führen, die im Nachgang noch Arbeit,
nommen wurde, möglicherweise Auswirkungen auf             Zeit und im schlimmsten Fall auch Geld kosten.“ So
die Besucherzahlen hatte. Aufgrund des Kinoformats        kann es passieren, dass ein und dieselbe Wirtschafts-
und der Filmlänge hatten die Macher beschlossen           prüfungsgesellschaft im Auftrag von verschiedenen
die Geschichte des Sandmännchens etwas ‚älter‘ zu         Förderern ein und dasselbe Projekt mehrfach prüft.
erzählen. „Es war natürlich ein Film für kleine Kinder,   Für Bonath unverständlich: „Diese Mehrfachprüfung
aber nicht unbedingt für die zwei bis drei-Jährigen,      erklärt sich mir nicht. Es bedeutet ja auch für uns als
sondern für Kinder jenseits der drei Jahre. Hier ha-      Produzenten einen Mehraufwand - und Mehrkosten,
ben wir uns möglicherweise etwas verschätzt.“ In          denn jede Prüfung wird aus dem Budget heraus be-
Frankreich hat der Film, obwohl die Hauptfigur keine      zahlt.“ Scopas hat inzwischen eine eigene Stabsstelle
originär französische ist, immerhin 150.000 Zuschau-      für die Aufbereitung von Fördergeldern eingerichtet.
er ins Kino gelockt.                                      „Die Nachbereitung dauert unter Umständen länger
                                                          als die Herstellung. Nach dem Schlusskostenstand
Nach der Kinoauswertung erfolgte die Nachbereitung        müssen die Erlöse abgerechnet werden, so lange wie
der Produktion. Scopas erstellte dazu einen Schluss-      der Fördervertrag eben hält – sieben Jahre.“

                                                                                                              27
Die Preisträger 2009 bis 2019

   2009 Bernd Burgemeister Fernsehpreis:          2012 Bernd Burgemeister Fernsehpreis:
            „Der verlorene Sohn“                            „Riskante Patienten“
         Produzent: Oliver Berben                Produzent*innen: Uli Putz, Jakob Claussen,
   Moovie - the art of entertainment GmbH                  Susanne Ottersbach
                                               Claussen+Wöbke+Putz Filmproduktion GmbH

   2010 Bernd Burgemeister Fernsehpreis:
                 „Kongo“                         2013 Bernd Burgemeister Fernsehpreis:
      Produzent: Christian Granderath                     „Pass gut auf ihn auf“
     teamWorx Television & Film GmbH                   Produzentin: Kirsten Hager
                                                        Hager Moss Film GmbH

   2011 Bernd Burgemeister Fernsehpreis:
         „Föhnlage - Ein Alpenkrimi“             2014 Bernd Burgemeister Fernsehpreis:
Produzenten: Wolfgang Behr, Dietmar Güntsche         „Tatort: Im Schmerz geboren“
       Neue Bioskop Television GmbH                    Produzentin: Liane Jessen
                                                          Hessischer Rundfunk

  28
kurz vorgestellt:

                  Der Bernd Burgemeister Fernsehpreis

Eine Affäre, die in einen Thriller mündet, ein Drama     Viehöfer, Gerhard Prager und Dieter Stolte bis er sich
zum Thema Rufmord oder der mysteriöse und wahre          1978 selbständig machte und in die von Claus Hardt
Todesfall eines deutschen Politikers: Filme, die mit     gegründete Firma, die TV60 Filmproduktion GmbH,
dem Bernd Burgemeister Fernsehpreis ausgezeichnet        eintrat. Er produzierte rund 70 Filme, darunter waren
werden, können oft unterschiedlicher nicht sein und      Produktionen wie beispielsweise „Marias letzte Reise“
haben doch eines gemeinsam: Eine deutlich steigen-       oder „Das wahre Leben“. Außerdem produzierte er für
de Spannungskurve.                                       die Krimireihen „Tatort“ und „Rosa Roth“. Als Produzent
                                                         war Burgemeister für seine populären Weihnachtsseri-
Im Rahmen des Filmfests München wird Produzen-           en bekannt, darunter „Timm Thaler“, „Silas“, „Jack Hol-
tinnen und Produzenten der Bernd Burgemeister            born“ und „Anna“. Mit seinem Sohn Sven Burgemeis-
Fernsehpreis für herausragende Fernsehfilme aus          ter, der neben der Geschäftsführungstätigkeit und
der Reihe „Neues Deutsches Fernsehen“ verliehen.         Gesellschafterstellung bei der TV 60 Filmproduktion
Gestiftet und veranstaltet wird der Preis von der VFF    GmbH auch seit 2001 Geschäftsführer der Goldkind
Verwertungsgesellschaft der Film- und Fernsehprodu-      Filmproduktion GmbH ist, realisierte er große Erfol-
zenten mbH und ist mit 25.000 Euro dotiert. Darüber      ge wie „Soloalabum“ und „Sophie Scholl – Die letzten
hinaus gibt es für zwei weitere Nominierte eine Prämie   Tage“.
von 2.500 Euro. Der zuvor als VFF TV-Movie Award
geführte Preis trägt seit 2009 den Namen des Pro-        Von 1998 bis 2008 war Bernd Burgemeister Vorsit-
duzenten und ehemaligen Geschäftsführers der VFF,        zender des Bundesverband Deutscher Fernsehpro-
Bernd Burgemeister, der im Jahr 2008 überraschend        duzenten und maßgeblich an der Vereinigung des
und viel zu früh verstarb.                               Verbandes mit film20 und somit der Gründung der
                                                         Produzentenallianz beteiligt. Die Produzentenallianz
Der geborene Hamburger Burgemeister begann nach          ernannte ihn im Rahmen des Deutschen Produzen-
seinem Realschulabschluss im Jahr 1960 eine Ausbil-      tentags 2013 posthum zu ihrem Ehrenmitglied.
dung im Produktionsgewerbe und arbeitete von 1965
bis 1972 als Produktionsleiter und Herstellungsleiter    Das Vermächtnis Bernd Burgemeisters ist so vielfältig,
für die Allianz-Film, Studio Hamburg und die Polyphon    wie es auch die Preisträger*innen und Filme sind, die
Film- und Fernsehgesellschaft. Ab 1973 war Burge-        in den letzten 10 Jahren mit dem nach ihm benannten
meister Assistent der ZDF-Progammdirektoren Joseph       Fernsehpreis ausgezeichnet wurden. (sel)

       2015 Bernd Burgemeister Fernsehpreis:                    2018 Bernd Burgemeister Fernsehpreis
                 „Der Fall Barschel“                                           „Rufmord“
            Produzentin: Ariane Krampe                     Produzentinnen: Kirsten Hager und Carmen Stozek
             Zeitsprung Pictures GmbH                                  Hager Moss Film GmbH

       2016 Bernd Burgemeister Fernsehpreis:                     2019 Bernd Burgemeister Fernsehpreis
     „Die Dasslers - Pioniere, Brüder und Rivalen“                    „Ein verhängnisvoller Plan“
   Produzent*innen: Max Wiedemann, Quirin Berg                   Produzent*innen: Dagmar Rosenbauer
              und Susanne Hildebrand                                       und Jakob Krebs
   Wiedemann & Berg Television GmbH & Co.KG                          Cinecentrum Berlin Film- und
                                                                       Fernsehproduktion GmbH

       2017 Bernd Burgemeister Fernsehpreis
                   „Zuckersand“
    Produzent*innen: Uli Putz und Jakob Claussen
        Claussen+Putz Filmproduktion GmbH

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Wann bilden
Beschäftigungstage
eine „Insel“?
Ein Service-Beitrag von Oliver Castendyk

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Service-Beitrag

                                          Fragen & Antworten zur
                                       unständigen Beschäftigung

Wann bilden Beschäftigungstage eine „Insel“? Wie geht ein Produktionsunternehmen damit um, dass
Nebendarsteller*innen in einem Monat mehrere Arbeitgeber haben können? Diese und weitere Fragen ver-
sucht der nachfolgende Beitrag kurz & bündig zu beantworten. Hintergrund ist eine Entscheidung des Bun-
dessozialgerichts (BSG) aus dem Jahr 2018, in der die bis dato praktizierte Berechnung der Sozialabgaben
von Schauspieler*innen für rechtswidrig erklärt wurde.

                                                                 1. Worum geht es?

                                              Die Höhe der für Mitarbeiter*innen abzuführenden Sozial-
                                              versicherungsbeiträge hängt u.a. davon ab, wie sie beschäf-
                                              tigt sind: unständig oder ständig beschäftigt und außerdem
                                              berufsmäßig unständig oder nicht. Bei unständig Beschäf-
                                              tigten ist die monatliche Beitragsbemessungsgrundlage
                                              („BBG“) zugrunde zu legen und nicht die tägliche BBG.
                                              Wird die Monats-BBG zugrunde gelegt, heißt dies, dass
                                              bei hohen Gagen deutlich mehr an Sozialversicherungs-
                                              beiträgen gezahlt werden muss als wenn die tägliche BBG
                                              die Obergrenze definiert. Beispiel (Referenzjahr 2018): Eine
                                              Nebendarstellerin hat bei einer Produktion zwei Drehtage
                                              (in verschiedenen Monaten) und erhält 2.000 EUR pro Dreh-
                                              tag. Auf Basis der Monats-BBG betragen die Sozialversiche-
                                              rungsbeiträge (Kranken-, Pflege, Renten- und Arbeitslosen-
                                              versicherung) 1.480,-- EUR; davon trägt die Schauspielerin
                                              765,--EUR, der Arbeitgeber 715,-- EUR. Auf Basis der Tages-
                                              BBG läge der Beitrag bei 147, 88 EUR (Anteil Schauspiele-
                       Oliver Castendyk
                                              rin: 75,78 EUR, Arbeitgeber 72,10 EUR).

                                               2. Macht es einen Unterschied, ob die Schauspieler*in
                                                            berufsmäßig unständig ist?

                                              Ja! Wenn die unständigen Tätigkeiten in dem jeweiligen
                                              Monat die Einnahmen aus den unbefristeten oder auf mehr
                                              als eine Woche befristeten Beschäftigungen oder selbstän-
                                              digen Tätigkeiten dieses Monats überwiegen, wenn die un-
                                              ständigen Beschäftigungen also den Schwerpunkt bilden,
                                              gilt die Beschäftigte als „berufsmäßig“ unständig. Ist dies
                                              der Fall, entfällt der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung.
                                              Anders als früher spielt die Berufsmäßigkeit bei der Kran-
                                              ken-, Pflege und Rentenversicherung keine Rolle mehr.

                                               3. Wann ist jemand unständig beschäftigt und was ist
                                                             eine Beschäftigungsinsel?

                                              Unständig Beschäftigte sind Personen, die Beschäftigun-
                                              gen von weniger als einer Woche ausüben. Damit eine
                                              Beschäftigung nicht mehr als unständig angesehen wird,
                                              müssen also nur 5 Arbeitstage erreicht werden, Samstag

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PA MAGAZIN 02/19

und Sonntag werden hinzugezählt. Wie bisher kann        5. Kann eine Beschäftigte bei einer Produktion
eine Woche an einem beliebigen ersten Arbeitstag        und einem Arbeitgeber ständig und unständig
in der Woche und muss nicht notwendigerweise                          beschäftigt sein?
am Montag beginnen( sog. versetzter Dreh).
                                                       Ja, die Kombination von ständigen und unständi-
Die jeweils zusammenhängenden Arbeitstage (ggf.        gen Beschäftigungen bei einem Arbeitgeber (und
nebst Wochenende) werden auch als „Beschäfti-          erst recht bei mehreren Arbeitgebern) innerhalb
gungsinsel“ bezeichnet. Wenn also eine Schau-          eines Monats ist möglich. Beispiel: Wenn eine
spielperson bei einer Produktion drei Drehtage         Schauspielerin in der ersten Oktoberwoche zusam-
Anfang Juli und vier Tage Anfang August hat, hat       menhängend beschäftigt wird, gilt für diese sie-
sie zwei Beschäftigungsinseln. Bleibt eine Beschäf-    ben Tage die tägliche Beitragsbemessungsgrenze.
tigungsinsel unterhalb der 5 Arbeitstage, liegt Un-    Wenn sie Ende Oktober noch einmal für zwei Tage
ständigkeit vor.                                       beschäftigt wird, gilt hier wegen der Unständigkeit
                                                       dieser Tätigkeit (= dieser „Insel“) die monatliche
                                                       BBG. Eine Verrechnung ist möglich.
    4. Was gehört zu einer Beschäftigungsinsel?

Eine hier sog. Beschäftigungsinsel berechnet sich        6. Können auch regelmäßig wiederkehrende
auf Basis einer 5-Tage-Woche. Zu den für die „Insel“          Beschäftigungen unständig sein?
zusammenrechenbaren Arbeitstagen einer Schau-
spielperson zählen:                                    Regelmäßig wiederkehrende Beschäftigungen
                                                       sind nicht unständig. Als Beispiel wäre ein Ne-
•    Drehtage:                                         bendarsteller, der voraussehbar und regelmäßig
     oo Tage, an denen der Darsteller exklusiv zur     (mindestens über drei Monate) wiederkehrend,
         Verfügung steht.                              z.B. mit 3-4 Drehtagen pro Monat, an einer Daily
     oo Bei Arbeitstagen, bei denen er/sie prioritär   Soap beteiligt ist.
         der Produktion zur Verfügung steht, solan-
         ge der Arbeitgeber sein Verfügungs- bzw.
         Dispositionsrecht nicht aufgibt. Gibt der       7. Was passiert, wenn der/die unständig Be-
         Arbeitgeber sein Verfügungs- bzw. Dispo-      schäftigte (möglicherweise) weitere Arbeitgeber
         sitionsrecht zu Gunsten einer anderweiti-               in dem jeweiligen Monat hat?
         gen Verpflichtung des Schauspielers auf,
         wird die Beschäftigung unterbrochen.          Oft weiß ein Arbeitgeber nicht, ob unständig
                                                       Beschäftigte mehrere Arbeitgeber haben. Wenn
•    Datumsmäßig und örtlich definierte weitere        dies der Fall ist, kann es vorkommen, dass die
     Tage zur Vor- und Nachbereitung, die typi-        monatliche Beitragsbemessungsgrenze insge-
     scherweise vom Arbeitgeber bestimmt wer-          samt überschritten wird und der zu viel gezahlte
     den, z.B. Kostümprobe, Maskenprobe, Regie-        Betrag erstattet werden muss. Zuständig dafür
     besprechung.                                      sind die Krankenkassen, bei denen der entspre-
                                                       chende Erstattungsantrag gestellt werden muss.
•    An- und Abreisetage, soweit sie arbeitsrecht-     Sie sind verpflichtet, die überzahlten Beiträge zu
     lich als Arbeitstage gelten.                      erstatten, müssen allerdings teilweise mehrfach an
                                                       diese Pflicht erinnert werden … Übersteigt also das
•    Typischerweise räumlich und zeitlich vom Dar-     Gesamtentgelt die jeweilige Beitragsbemessungs-
     steller selbstbestimmte Tage, z.B. zum Textler-   grenze, so sind die Entgelte der einzelnen Beschäf-
     nen, zählen nicht zur Insel.                      tigungen anteilig nach folgender Formel zu kürzen:

Vertraglich festgelegte Sperrtage führen dazu, dass
                                                       Jeweilige BBG x Entgelt aus einer Beschäftigung
die Arbeitstage nicht mehr zusammenhängen und
zwei „Inseln“ entstehen.
                                                           Gesamtentgelte aus allen Beschäftigungen.
Die frühere Praxis der Berechnung sog. „Zusatztage“
nach einer zwischen Bundesverband der Film- und
Fernsehschauspieler e.V. (BFFS), Produzentenallianz
und den Sozialversicherungsträgern ausgehandel-
ten Berechnungsformel ist überholt. Denn bei die-
ser Formel spielt es keine Rolle, ob die Drehtage
und die Zusatztage zusammenhängend sind.

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