Informationen zum Thema "Hochwasser": Ursachen, Schutz und Vorsorge - Allianz Umweltstiftung

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Informationen zum Thema "Hochwasser": Ursachen, Schutz und Vorsorge - Allianz Umweltstiftung
Informationen zum Thema „Hochwasser“:
Ursachen, Schutz und Vorsorge.
Informationen zum Thema "Hochwasser": Ursachen, Schutz und Vorsorge - Allianz Umweltstiftung
Statt eines Vorwortes.

Der Rhein 1993 und 1995, die Oder 1997 und 2010, die Donau 1999, 2005
und 2009, die Elbe 2002 und 2006, Donau und Elbe 2013: Immer wieder und
scheinbar immer häufiger treten unsere Flüsse über die Ufer. Und nach jedem
größeren Hochwasser stellen sich die gleichen Fragen: Sind die Hochwasser haus-
gemacht? Können wir Hochwasser verhindern? Wie können wir uns vor Hochwasser
schützen? Ist zukünftig mit noch mehr Hochwasser zu rechnen?

Mit dieser Broschüre möchte die Allianz Umweltstiftung Antworten auf diese
und weitere Fragen geben. Dabei wird zunächst erläutert, dass Hochwasser
ein natürliches Phänomen ist und wie die Natur sich daran anpasst. Ein weiterer
Schwerpunkt dieser Broschüre ist, welche Faktoren das Ausmaß von Hochwasser
bestimmen und wann Mitteleuropa von großen Überschwemmungen betroffen
war. Schließlich wird aufgezeigt, mit welchen Schutz- und Vorsorgemaßnahmen
die Auswirkungen von Hochwassern reduziert werden können.

Die Allianz Umweltstiftung wünscht Ihnen eine bereichernde Lektüre, denn:
Das nächste Hochwasser kommt bestimmt.
Informationen zum Thema "Hochwasser": Ursachen, Schutz und Vorsorge - Allianz Umweltstiftung
Inhalt.
     Informationen zum Thema „Hochwasser“:
     Ursachen, Schutz und Vorsorge.

2    Naturereignis Hochwasser.

4    Der natürliche Fluss.

6    Fluss und Aue.

10   Wie ein Hochwasser entsteht.

14   Land unter.

20   Hochwasserschutz.

26   Mit Hochwasser leben.

28   Glossar.

30   Literatur und Internet.

32   Allianz Umweltstiftung.

     Folien.

     Impressum.
Informationen zum Thema "Hochwasser": Ursachen, Schutz und Vorsorge - Allianz Umweltstiftung
Naturereignis Hochwasser.
„Die Natur versteht keinen Spaß, sie ist immer wahr, immer ernst, immer strenge;
sie hat immer recht, und die Fehler und Irrtümer sind immer des Menschen.“
(Johann Wolfgang von Goethe)

Dieses Kapitel verdeutlicht,
• dass Hochwasser etwas Normales ist
• wie ein Hochwasser Fluss und Aue prägt.

    Wasser und Fluss.
                                                                                                  Hochwasser
                                                                                                  Folie 1                 Vor uns die Sintflut?                                    oder die Auswirkungen minimieren?
     Fluss und Aue.
                                                                                                                                                                                 • Ist in Zukunft mit stärkeren und häufigeren
                                                                                                                          Juni 2013: Das Hochwasser an Donau und                   Hochwassern zu rechnen?
                                                 왔 Hochwasser

                                                 왔 Mittelwasser

                  rezente Aue                          Flussbett               Deich        ehemalige Aue / Altaue

     Wasserkreislauf.                                                                                                     Elbe erreicht neue, bislang noch nie gemessene
                                                                                                                          Rekordstände. Dabei liegen die letzten
              Niederschlag                                                                                  Verdunstung   „Jahrhundertfluten” in Mitteleuropa noch nicht         Was ist ein Hochwasser?
                    Versickerung
                                                         Verdunstung

                                                                                                                          lange zurück: 2005 und 2009 an der Donau,
                                                                                                                          2002 und 2006 an der Elbe, 1997 an der Oder,           Ein Gewässer führt Hochwasser, wenn der
                                                                                  Einzugsgebiet
                                               Abfluss

                                                                       Fluss

                                                                                                                          1995 am Rhein. Es scheint, als würden die              Wasserstand deutlich über dem normalen oder
                                   Grenze
                                       Einzugsgebiet
                                                                                         Meer

    Allianz Umweltstiftung ©
                                                                                                                          Abstände zwischen den Hochwassern immer                mittleren Wasserstand liegt. Man unterscheidet
Wasser und Fluss.                                                                                                         kürzer.                                                Hochwasser an Meeresküsten, z. B. aufgrund von
Folie 1                                                                                                                   Dabei sind Hochwasser an sich nichts Ungewöhn-         Sturmfluten, sowie Hochwasser an Flüssen und
                                                                                                                          liches. Es ist normal, dass ein Fluss mal weniger      Bächen. Nur letztere sind Inhalt dieser Broschüre.
                                                                                                                          und mal mehr Wasser führt und dann über die            Ausgelöst werden Hochwasser an Fließgewässern
                                                                                                                          Ufer tritt. Die Natur ist an Hochwasser angepasst.     durch starke Regenfälle, manchmal auch durch
                                                                                                                          Zur Katastrophe wird es erst für den Menschen          Schneeschmelze oder Eisstau, z. T. wirken mehrere
                                                                                                                          – wenn ganze Landstriche evakuiert werden              Faktoren zusammen. Manche Hochwasser treten
                                                                                                                                                                                 regelmäßig auf, z. B. Frühjahrshochwasser infolge
                                                                                                                                                                                 der Schneeschmelze.
                                                                                                                                                                                 Auch das Ausmaß der Hochwasserereignisse ist
                                                                                                                                                                                 unterschiedlich, mit kleineren Hochwassern ist an
                                                                                                                                                                                 einem Fluss öfter zu rechnen, sogenannte „Jahr-
                                                                                                                                                                                 hundertfluten” kommen – statistisch über einen
                                                                                                                                                                                 längeren Zeitraum betrachtet – seltener vor. Dazu
                                                                                                                                                                                 mehr in einem späteren Kapitel.

                                                                                                                                                                                 Hochwasser gehört zum Fluss.

                                                                                                                                                                                 Wie oben erwähnt, führen Flüsse mal wenig, mal
                                                                                                                                                                                 viel ... und manchmal auch sehr viel Wasser mit
                                                                                                                                                                                 sich. Besonders in den flachen Tälern ihres Mittel-
                                                                                                                                                                                 und Unterlaufs treten Flüsse dabei immer wieder
                                                                                                                                                                                 über die Ufer. Sie verlassen das eigentliche Flussbett
                                                                                                                                                                                 und überschwemmen die angrenzenden Flächen.
                                                                                                                                                                                 Dieser überflutete Talraum wird als Aue bezeichnet.
Hochwasser: Die Natur
kann damit leben – und                                                                                                    müssen, Ernten zerstört, Häuser, Siedlungen oder       Aue und Fluss gehören zusammen. Und eine Aue
der Mensch?                                                                                                               Verkehrswege überschwemmt oder gar Tote und            ist vom Wasser geprägt – genauer: vom Hochwasser
                                                                                                                          Verletzte zu beklagen sind.                            (> Folie 1, Abb 1.1). Eine rezente Aue hat noch
                                                                                                                          Nach jedem größeren Hochwasser – und beson-            eine direkte Verbindung zum Fluss und kann von
                                                                                                                          ders nach der scheinbaren Häufung der Ereignisse       ihm überflutet werden. Eine ehemalige Aue oder
                                                                                                                          in jüngster Zeit – stellen sich die gleichen Fragen:   Altaue ist durch Schutzbauwerke wie Deiche
                                                                                                                          • Sind die Hochwasser hausgemacht, ist also            eigentlich vor Überschwemmungen geschützt –
                                                                                                                            letztlich der Mensch selber schuld?                  was nicht heißt, dass sie bei außergewöhnlich
                                                                                                                          • Können wir Hochwasser verhindern?                    hohem Hochwasser oder Versagen der Schutz -
                                                                                                                          • Können wir uns vor Hochwasser schützen               anlagen nicht doch überflutet werden kann.

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Informationen zum Thema "Hochwasser": Ursachen, Schutz und Vorsorge - Allianz Umweltstiftung
Hochwasser formt und verändert.                         wuchernde Wälder neben vom letzten Hochwasser
                                                        entwurzelten Bäumen. Flussauen beherbergen
Wasser wirkt als Landschaftsgestalter. Sand, Erde       damit auch außergewöhnlich artenreiche Öko-
und Steine werden an einer Stelle abgetragen und        systeme, hervorzuheben sind hier die typischen
an anderer wieder abgelagert. Besonders nach            flussbegleitenden Auwälder (S. 6 ff).
einem Hochwasser. Dann kann ein Fluss plötzlich
anders fließen als vorher, es bilden sich neue
Flussschlingen. Im ehemaligen Flussbett bleiben         Hochwasser bringt fruchtbaren Boden.
Altarme und Altwasser, vom Hauptstrom abge-
schnitten. Sie verlanden nach und nach – bis ein        Auen sind durch nährstoffreiche Böden, einen
neues Hochwasser wieder alles durchströmt und           hohen Grundwasserstand und regelmäßige
neu modelliert. Eine Aue ist ständig in Bewegung,       Überschwemmungen gekennzeichnet. Jedes
sie verändert laufend ihr Gesicht (S. 4 ff).            Hochwasser lagert Sand, Schlick und Schlamm
                                                        ab, der an anderer Stelle, v. a. im Oberlauf eines
                                                        Flusses oder durch Einträge aus dem Umland,
Hochwasser schafft Lebensräume.                         weggeschwemmt wurde. Dieser
                                                        meist nährstoffreiche Schlamm ist der Grund,
Tiere und Pflanzen der Aue sind an diesen ständigen     warum Auwälder nicht nur zu den artenreichs-
Wechsel zwischen trocken und nass angepasst.            ten, sondern auch den wuchskräftigsten
Dadurch liegen in einer Aue auch unterschied-           Wäldern Mitteleuropas gehören. Und warum
                                                        sie im Laufe der Geschichte oft anderen Nutzungen
                                                        weichen mussten.
                                                        Aueböden sind fruchtbar und bestens für die
                                                        Landwirtschaft geeignet, vorausgesetzt, man
                                                        bekommt das Hochwasser in den Griff. Damit                   Vom Wasser geprägt:
                                                        waren Auen auch immer bevorzugtes Siedlungs-                 Auwälder bei Hochwasser.

                                                        gebiet – zusammen mit den Vorteilen, die ein

                                                                                    왔 Hochwasser

                                                                                    왔 Mittelwasser

                                                                 rezente Aue            Flussbett            Deich        ehemalige Aue / Altaue

                                                                                                                     Fluss und Aue (Abb. 1.1):
                                                                                                                     Bei Hochwasser wird der
                                                        Wohnen am Fluss für Handel und Verkehr mit
                                                                                                                     gesamte Talraum über-
Typischer Auenbewohner: perfekt an den Lebensraum       sich brachte. Die in den Flussauen so über                   schwemmt.
angepasst.                                              Jahrhunderte aufgebauten Werte (Gebäude,
                                                        Infrastruktur etc.) sind aber heute meist das
lichste Lebensräume sehr eng beieinander: trockene      Problem, wenn der Fluss über die Ufer tritt –
Kies- und Sandbänke neben Feuchtflächen, Bereiche       und ein Naturereignis zur Katastrophe wird.
mit stehendem und fließendem Wasser, üppig              Mehr dazu in den nachfolgenden Kapiteln.

    Das Wichtigste in Kürze:

    • Jeder Fluss führt mal weniger, mal mehr Wasser mit sich. Manchmal tritt er auch über seine Ufer.
    • Bei Hochwasser überflutet der Fluss den angrenzenden Talraum, die Aue.
    • Hochwasser formt, gestaltet und prägt die Aue. Tiere und Pflanzen sind daran angepasst. Da Auen
      besonders fruchtbar sind, waren sie schon immer bevorzugtes Siedlungsgebiet. Deshalb kann das
      „Naturereignis Hochwasser“ für den Menschen zur Katastrophe werden.

                                                                                                                                                   3
Informationen zum Thema "Hochwasser": Ursachen, Schutz und Vorsorge - Allianz Umweltstiftung
Der natürliche Fluss.
Alles fließt. Vor allem unsere Bäche und Flüsse. Sie sammeln Wasser aus Quellen und
Niederschlägen und führen sie über eine mehr oder weniger lange Reise bis ins Meer.

Dieses Kapitel erläutert,
• welche Rolle ein Fluss im Wasserkreislauf spielt
• wie ein Fluss von Natur aus fließt.

     Fluss-Systeme.
                                                                                                                                                       Hochwasser
                                                                                                                                                       Folie 2                        Ins Meer und wieder zurück.                                    dazugehörige Fließgewässer fließt. Dabei kann
      Flusseinzugsgebiete in Mitteleuropa.                                                                                                                       Quelle: UBA (2000)

                                                                                                                                                                                                                                                     sich das Grundwassereinzugsgebiet vom oberirdi-
                                                               Eider
                                                                                                                                                                                      Flüsse und Bäche sind Teil des Wasserkreislaufes               schen Einzugsgebiet durchaus unterscheiden.
                                                                                                                                                                                      (Folie 1, Abb. 1.2). Von den Niederschlägen,
                                                                                                                                        e
                                                                                                                                      en
                                                                                        Trave                               w
                                                                                                                                  Pe
                                                                                                                        no
                                                                        Hamburg                                     War
                                                                                                                                                      Stettin
                                                                                                 Elbe
                                                                                                                                                          er

                                                          Bremen
                                                                                                                                                        Od

                                                                                                                                                                                      die über einer Landfläche abregnen, bleibt ein                 Bäche transportieren das Wasser weiter in Flüsse,
                                                                                    Alle                                                         Berlin
                                                                                          r                                       Havel
                                                          Weser             Hannover                                                                  Spree
                                         Em                                                                         Magdeburg
                                             s
                        Lippe                                                                                                             Elbe
                                                                            Leine

                                                                                                                   Saale

                                                                                                                                                                                      Teil an Pflanzen haften oder auf dem Boden                     diese bilden Nebenflüsse von größeren Strömen,
                                                                                                                                  Mulde

                                      Ruhr
                                                                                                      t
                                                                                                                                                                      Neiße

                              Dortmund                                                             tru
                                                      Kassel                                    Uns                        Leipzig                     Dresden
                             Köln
                                      Sieg
                   Rh
                     ein

                                                                                    We
                                                                   Fulda

                                                                                        rra

                                       Lahn

                                                                                                                                                                                      liegen. Von dort verdunstet das Wasser. Oder es                die ein ganzes Flusssystem mit einem entspre-
                     Koblenz
                                                 Frankfurt
                        el                                                           Main
                    Mos                                                                                                                                   Prag
                                      Mainz
                                                                                                      Pegnitz

                                                         Würzburg
                                                                                                                                                                 Mo
                                                                                                                     Naab

                                                   Mannheim       Nürnberg
                                                                                                                                                                  ldau

                                                                                                                             Regen

                                                                                                                                                                                      versickert im Erdboden und füllt den Grund-                    chend großen Einzugsgebiet bilden. Das Ein-
                                                                                                                             Regensburg
                                                                                    Altm
                                                                                        üh

                                                               Stuttgart                                                                         Do
                                                                                          l

                                                                                                                                                   nau
                                                           r
                                                       ka                                                            Isar                 Passau
                              Rhein

                                                    Nec                     nau
                                                                       Do
                                                                                                                München         Inn                              Linz
                                                                                Iller

                                                                                                                                                                                      wasserspeicher, bis das Wasser aus Quellen                     zugsgebiet von großen Flüssen wie Rhein,
                                                                                        Lech

                                Basel
                                 Aare

     Allianz Umweltstiftung ©
                                                                                                                                                                                      wieder zu Tage tritt. Ein Teil der Niederschläge               Donau oder Elbe kann viele Tausend Quadrat-
Fluss-Systeme.                                                                                                                                                                        fließt auch direkt oberflächlich ab. Dieses Wasser             kilometer umfassen und sich über mehrere
Folie 2                                                                                                                                                                               sammelt sich zusammen mit dem Quellwasser in                   Länder erstrecken (Folie 2).
                                                                                                                                                                                      Bächen und Flüssen und strömt schließlich dem                  Je nach der Menge des anfallenden Wassers aus
                                                                                                                                                                                      Meer zu.                                                       seinem Einzugsgebiet führt ein Fluss wenig, viel
                                                                                                                                                                                                                                                     und im Extremfall auch sehr viel Wasser mit
                                                                                                                                                                                                                                                     sich. Man spricht von Niedrigwasser, Mittelwasser
                                                                                                                                                                                                                                                     (oder Normalwasser) und Hochwasser. Die
                                                                                                                                                                                                                                                     Unterschiede zwischen Niedrig- und Hochwasser
                                                                                                                                                                                                                                                     können je nach Fluss und auch je nach Fluss-
                                                                                                                                                                                                                                                     abschnitt groß sein. Dazu zwei Beispiele: Der
                                                                                                                                                                                      Niederschlag                                     Verdunstung
                                                                                                                                                                                                                                                     Wasserstand des Rheins bei Köln kann im
                                                                                                                                                                                                                 Verdunstung                         Hochwasserfall über 7 m über dem Mittelwert
                                                                                                                                                                                        Versickerung
                                                                                                                                                                                                                                                     liegen. Der Inn bei Passau transportiert gewöhn-
                                                                                                                                                                                                       Abfluss               Einzugsgebiet           lich knapp 740 m3 Wasser pro Sekunde in die
                                                                                                                                                                                                                                                     Donau, bei einem Extremhochwasser wurden
Wasserkreislauf (Abb. 1.2):
Verdunstungswasser von                                                                                                                                                                                                                               aber schon 6.700 m3/s gemessen.
Land- und Meeresflächen                                                                                                                                                                                                                              Von seiner Quelle bis zur Mündung durchläuft
                                                                                                                                                                                                  Grenze             Fluss
speist die Niederschläge.                                                                                                                                                                                                                            der Fluss verschiedene Abschnitte, die jeweils
                                                                                                                                                                                                       Einzugsgebiet
Flüsse sammeln das
Niederschlagswasser und                                                                                                                                                                                                                 Meer         auch ein charakteristisches Hochwasserverhalten
führen es Richtung Meer.                                                                                                                                                                                                                             zeigen (Folie 3, Abb. 3.1):

                                                                                                                                                                                      Das Wasser, das über dem Meer und den Land-
                                                                                                                                                                                      oberflächen verdunstet, kondensiert zu Wolken                  Geballte Energie.
                                                                                                                                                                                      und gelangt als Niederschlag wieder zurück zur
                                                                                                                                                       Hochwasser
                                                                                                                                                       Folie 3
                                                                                                                                                                                      Erde: ein immerwährender Kreislauf, angetrieben                Im Oberlauf ist das Gefälle groß, der Gewässerver-
                                                                                                                                                                                      durch die Kraft der Sonne.                                     lauf gerade, das Bach-/Flussbett oft eingekerbt. Eine
     Flussabschnitte.
      Von der Quelle zur Mündung.

                                                                                                                                                                                                                                                     nennenswerte Aue gibt es nicht. Die angrenzenden
                                                                                                                                          = Aue

             Oberlauf                                     Mittellauf                                                        Unterlauf                                 Delta
                                                                                                                                                                                                                                                     Flächen des Einzugsgebietes fallen meist steil zum
      Prall- und Gleithang.

                                                          Prallhang
                                                                                                                                                                                      Jeder Fluss hat ein Einzugsgebiet.                             Gewässer ab. Dadurch sammelt sich Niederschlags-
                                                                                                                                                                                                                                                     wasser rasch an, die Fließgeschwindigkeit im
                                                                                                  Sedimentation                                                 Erosion

                              Gleithang
                                                                                                                  Gleithang

                                                                                                 Gleithang
                                                                                                                                                                      Prallhang

                                                                                                                                                                Prallhang
                                                                                                                                                                                      Jeder Bach, jeder Fluss sammelt – entwässert –                 Gewässer ist hoch, Steine und Erde werden mit-
      Fluss und Grundwasser.

                                                                                                                                                                                      das Wasser aus seinem Einzugsgebiet: über                      gerissen. Der Fluss erodiert und gräbt sich dabei
                                                                                                                                                                                      Zuflüsse, Oberflächenabfluss und den Grundwasser-              in den Untergrund ein (Tiefenerosion).
                                                                                                                                                                                      strom. Das Einzugsgebiet ist definiert über                    Das Einzugsgebiet ist meist klein und gebirgig.
       Hochwasser                                                                             Niedrigwasser

     Allianz Umweltstiftung ©

Flussabschnitte.                                                                                                                                                                      Wasserscheiden, die höchsten Punkte im Gelände,                Kurze, aber sehr starke Regenfälle – z. B.
Folie 3                                                                                                                                                                               von denen das Oberflächenwasser hinab in das                   infolge eines heftigen Gewitters – können dem

4
Informationen zum Thema "Hochwasser": Ursachen, Schutz und Vorsorge - Allianz Umweltstiftung
In natura: Hier hat ein
                                                                                                                    Hochwasser den Prallhang
                                                                                                                    angerissen.
Gewässer rasch erhebliche Wassermengen                 Breit und gemächlich.                                        Gegenüber Auflandungen
zutragen und kleine Rinnsale plötzlich in                                                                           am Gleithang.
reißende Wildbäche verwandeln. Werden dabei            Im Unterlauf bzw. in den Tieflandbächen/-flüssen
die Seitenhänge angerissen, kann es zu Hang-           sind Gefälle und Fließgeschwindigkeit deutlich
rutschungen und Murenabgängen kommen.                  reduziert. Anfangs halten sich Erosion und
Muren, ein Gemisch aus Wasser, Erde, Schutt,           Sedimentation die Waage, bei weiter abneh-
Geröll und Holz, bewegen sich dabei unterschied-       mendem Gefälle wird fast nur noch sedimentiert,
                                                                                                                                                   Prallhang
lich schnell: manchmal langsam, manchmal aber          d. h. Material abgelagert. Der Strom bildet weite
mit Geschwindigkeiten bis zu 50 km/h.                  Flussschlingen, so genannte Mäander. Bei
Verklausungen entstehen, wenn sich mitgerissene        Hochwasser tritt der Fluss oft weiträumig über die                         Gleithang
Baumstämme und Geröll an Engstellen verkeilen          Ufer und überschwemmt eine meist breite Aue,
und das Wasser kurzzeitig aufstauen. Bricht diese      z. T. kann der Fluss dabei auf mehrere Kilometer
selbst geschaffene Barriere, können sehr große         ausufern. Bei nachlassendem Hochwasser verbleibt
Wassermassen mit ungeheurer Energie zu Tal             viel Material wie Sand, Schlamm und Schlick in
schießen und große Schäden anrichten.                  der Aue, die natürlichen Auwälder am Fluss
                                                       gedeihen dadurch prächtig.                                   Prall- und Gleithang
                                                       Bei der Einmündung ins Meer – oder auch einen                (Abb. 3.2): Erosion in
                                                                                                                    der Außenkurve,
Erosion und Sedimentation.                             großen See – lagert der Fluss die mitgeführten               Sedimentation auf der
                                                       Sedimente ab, im Mündungsbereich bildet sich                 Kurveninnenseite.
Im Mittellauf nehmen Fließgeschwindigkeit und          oft ein Delta. In der Nordsee entstehen aufgrund
Gefälle ab. Es bilden sich Seitenarme und              des großen Tidenhubs durch die Gezeiten Trichter-
Flussschlingen, der Fluss pendelt mehr oder            mündungen, so z. B. bei Ems, Weser und Elbe.
minder stark durch eine Aue. Betrachtet man
eine einzelne Flussschlinge, trägt der Fluss
am außen liegenden Prallhang Material ab, er           Unterirdisch verbunden.
erodiert. Am innenliegenden Gleithang ist die
Fließgeschwindigkeit geringer, der Fluss lässt         Flüsse und Bäche sind im Untergrund mit dem
Material zurück, sedimentiert (Folie 3, Abb. 3.2).     Grundwasser verbunden, im angrenzenden
Bei Hochwasser verlässt das Wasser das Flussbett       Auenbereich ist dadurch der Wasserstand relativ
und sucht sich seinen Weg durch die angren-            hoch. Bei länger andauerndem Niedrigwasser sinkt
zende Aue. Dabei entstehen im natürlichen Fluss        in der Aue auch der Grundwasserstand.
immer wieder neue Flussschlingen, Seitenarme           Umgekehrt steigt bei längerem Hochwasserstand
verschieben sich, Uferbereiche werden ange-            der Grundwasserspiegel in der Aue an. In der
rissen, das abgeschwemmte Material vom                 Folge werden manche Bereiche der Aue u. U.
Hochwasser an anderer Stelle zu sogenannten            auch nicht durch den ausufernden Fluss unter
Brennen aufgeschoben.                                  Wasser gesetzt, sondern von unten durch hoch-
                                                                                                                    Schiebt sich immer
                                                       drückendes Grundwasser. Das geschieht oft zeitver-           weiter in den Chiemsee:
                                       = Aue
                                                       setzt, d. h. das Hochwasser kann schon abgelaufen            das Mündungsdelta der
                                                       sein, während das Grundwasser noch steigt (Folie 3,          Tiroler Ache.

                                                       Abb. 3.3).

 Oberlauf        Mittellauf      Unterlauf     Delta
                                                       Von der Quelle zur Mündung (Abb. 3.1):
                                                       Eine ausgeprägte Aue hat der Fluss erst ab dem Mittellauf.

                                                                                                                     Niedrigwasser
     Das Wichtigste in Kürze:

     • Jeder Fluss entwässert ein zu ihm gehörendes Einzugsgebiet. Dabei bilden sich aus Zu-, Neben-
       und Hauptflüssen große Flusssysteme, deren Einzugsgebiete mehrere Tausend Quadratkilometer
       umfassen können.
                                                                                                                     Hochwasser
     • Ein Fluss durchläuft von der Quelle zur Mündung verschiedene Abschnitte mit bestimmten
       Charakteristika und einem entsprechenden Hochwasserverhalten. Mal wird dabei mehr Material                   Fluss- und Grundwasser
       abgetragen (erodiert), mal eher Material angeschwemmt (sedimentiert).                                        (Abb. 3.3): Der Grund-
     • Auch das Grundwasser ist mit dem Fluss verbunden. Es steigt und sinkt mit dem Hochwasser,                    wasserspiegel reagiert
       allerdings zeitversetzt.                                                                                     zeitversetzt auf ein
                                                                                                                    Hochwasser.

                                                                                                                                               5
Informationen zum Thema "Hochwasser": Ursachen, Schutz und Vorsorge - Allianz Umweltstiftung
Fluss und Aue.
Intakte Auwälder haben etwas Urwaldartiges: mächtige, alte Bäume, umrankt von Kletterpflanzen,
überall üppiges Wachstum, geheimnisvolle, versteckt lebende Bewohner. Und manchmal steht alles
im Wasser.

Dieses Kapitel zeigt
• die verschiedenen Bereiche (Zonen) innerhalb einer Aue
• typische Tiere und Pflanzen der Aue
• die Bedeutung von Auen im Naturhaushalt und ihren aktuellen Zustand.

      Leben in der Aue.
                                                                                                 Hochwasser
                                                                                                  Folie 4                      Im Rhythmus des Wassers.                             Im Bereich des mittleren Hochwassers, also einer
       Auenzonierung.

                                                                                        Esche,
                                                                                        Ahorn
                                                                                                                Buche
                                                                                                                u. a.
                                                                                                                                                                                    Zone, die regelmäßig und auch längere Zeit über-
                                                                                                                               Die flussbegleitende Aue mit ihrer Tier- und         flutet wird, folgt die Weichholzaue. Sie bildet in
                                                        Stiel-Eiche            Ulme
                                       Strauch- und
                                       Silberweiden

                                                                                                                               Pflanzenwelt ist vom ständigen Wechsel schwan-       der Regel einen relativ schmalen Saum entlang
       Spitzenhochwasser
       mittleres Hochwasser
       Mittelwasser
       Niedrigwasser
                         gehölzfreie     Weichholzaue                          Hartholzaue
             Fluss          Aue

       Auenspezialisten.

                                                                                                                               kender Wasserstände geprägt. Hochwasser              der Flüsse.
                                                                                                                               zerstört dabei Lebensräume und schafft zugleich      Hier wachsen vor allem Weiden, z. B. die
                                                                                                                               neue. Für das einzelne Individuum, ein Tier          Silberweide, aber auch verschiedene strauchartige
          Silberweide:                          Schlammling:                            Flussregenpfeifer:
          enorme Regenerationskraft             keimt bei Niedrigwasser                 brütet auf Kiesbänken

                                                                                                                               oder eine Pflanze, kann ein Hochwasser dabei         Weidenarten. Sie überstehen Überflutungen bis
          Biber:
          gestaltet die Aue
                                                Kiemenfußkrebs (Triops):
                                                Seine Eier überdauern jahre-
                                                lang im Bodenschlamm.
                                                                                        Wechselkröte:
                                                                                        laicht in Hochwasser-
                                                                                        tümpeln
                                                                                                                               eine todbringende Katastrophe sein. Nach dem         zu 4 m Höhe und einer Dauer von über 200
      Allianz Umweltstiftung ©
                                                                                                                               Hochwasser werden die neu gestalteten Lebens-        Tagen pro Jahr. Auch mechanische Belastungen
Leben in der Aue.                                                                                                              räume aber schnell wieder besiedelt, Tiere und       durch eine starke Wasserströmung vertragen
Folie 4                                                                                                                        Pflanzen der Aue sind genau darauf spezialisiert.    Weiden sehr gut. Ihre Zweige sind extrem
                                                                                                                                                                                    elastisch. Brechen Stammteile ab, kann die
                                                                                                                                                                                    Weide schnell wieder ausschlagen, abgebrochene
                                                                                                                               So weit das Wasser reicht.                           Teile wurzeln neu. Mit ihren Zweigen kämmen
                                                                                                                                                                                    sie Feinteile aus dem Wasser und schaffen sich so
                                                                                                                               Je nachdem, wie oft, wie hoch und wie lange          ihr eigenes Bodensubstrat. In ihren Wurzeln
                                                                                                                               das Wasser im Jahresverlauf in der Aue steht,        haben sie spezielle Luftzellen, sodass sie auch
                                                                                                                               wachsen dort jeweils charakteristische               unter der Wasserlinie wurzeln können.

                                                                                                                                                                                    Den größten Teil der Aue umfasst meist die
                                                                                                                                                                Esche,
                                                                                                                                                                            Buche   Hartholzaue. Sie liegt höher und wird nur noch
                                                                                                                                                                            u. a.
                                                                                                                                                                Ahorn               unregelmäßig vom Hochwasser erreicht. Die
                                                                                                                                         Stiel-Eiche   Ulme
                                                                                                                        Strauch- und                                                Zeitdauer der Überflutung ist kürzer, im Mittel
                                                                                                                        Silberweiden
                                                                                                                                                                                    20–50 Tage pro Jahr, die Strömung deutlich
                                                                                                                                                                                    geringer. Dadurch kann das Hochwasser viele
                                                                                                                                                                                    Schwebstoffe absetzen, die Böden sind nährstoff-
Spitzenhochwasser                                                                                                                                                                   reich, das Pflanzenwachstum entsprechend üppig.
mittleres Hochwasser                                                                                                                                                                Hartholzauwälder zeichnen sich durch eine reiche
Mittelwasser
Niedrigwasser                                                                                                                                                                       Kraut- und Strauchschicht und meist mehrere
                  gehölzfreie                                                                                             Weichholzaue                 Hartholzaue
      Fluss          Aue                                                                                                                                                            Baumschichten aus. Hier wachsen Sträucher
                                                                                                                                                                                    wie Weißdorn und Pfaffenhütchen sowie die
Auenzonierung (Abb. 4.1):
Das Hochwasser bestimmt,
                                                                                                                                                                                    Wildformen von Apfel und Birne. Kletterpflanzen
was wo wächst.                                                                                                                 Pflanzengesellschaften. Die Übergänge zwischen       wie Efeu, Hopfen und Waldrebe umschlingen die
                                                                                                                               den verschiedenen Bereichen, den Auenzonen,          Bäume. In der Baumschicht dominieren Hart-
                                                                                                                               sind aber fließend (Folie 4, Abb. 4.1).              hölzer wie Stieleiche und Esche, begleitet von
                                                                                                                                                                                    Flatter- und Feldulme sowie Berg- und Spitzahorn.
                                                                                                                               Unmittelbar am Fluss, bis zur Höhe des mittleren     Die Stieleiche verträgt Überschwemmungen bis
                                                                                                                               Sommerwassers, findet sich die gehölzfreie Aue.      zu 100 Tagen, wächst also eher im flussnäheren
                                                                                                                               Da sie nur bei Niedrigwasser aus dem Wasser          Teil der Hartholzaue. Weiter oben dominiert die
                                                                                                                               ragt, können sich wegen der mechanischen Kräfte      Esche, die nur eine Überflutungstoleranz von
                                                                                                                               des Wassers und des häufigen Sauerstoffmangels       40 Tagen während der Vegetationszeit hat.
                                                                                                                               keine Sträucher und Bäume halten. Auf den fluss-     Die in Deutschland von Natur aus allgegen-
                                                                                                                               nächsten Flächen findet man einjährige Kräuter       wärtige Buche fehlt in der Hartholzaue, da sie
                                                                                                                               (z. B. Barbarakrautfluren), daran anschließend       Überschwemmungen – auch kurzzeitige – nicht
Hartholzauwald.                                                                                                                meist eine Zone mit Röhricht (Schilf u. a.).         verträgt.

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Informationen zum Thema "Hochwasser": Ursachen, Schutz und Vorsorge - Allianz Umweltstiftung
Hartholzauwälder zählen zu den wuchskräftigsten     sind, bieten sie optimale Verstecke für Höhlen-
und artenreichsten Wäldern in Mitteleuropa.         bewohner wie Waldkauz und Fledermaus.
Durch Flussregulierungen, Grundwasserabsen-         Deshalb ist es wichtig, dass Kopfweiden weiter
kungen und Umwandlung in landwirtschaftliche        genutzt werden, da die Äste sonst durchwachsen
Flächen sind naturnahe, noch regelmäßig vom         und die Bäume auseinanderbrechen.
Hochwasser beeinflusste Hartholzauwälder heute
in Deutschland aber sehr selten geworden. Man       Der Schlammling ist eine kleine krautige Pflanze,
geht von nur noch 1% des ursprünglichen             die auf vegetationsfreien Flächen siedelt, die bei
Bestandes aus.                                      niedrigem Wasserstand aus dem Wasser auftau-
                                                    chen. Die Pflanze bildet schnell Samen, der vom
                                                    Wasser verdriftet wird und sich im Schlamm
                                                                                                          Schlammling: keimt bei
Leben zwischen Wasser und Land.                     ablagert. Fällt der Schlamm irgendwann trocken,
                                                                                                          Niedrigwasser.
                                                    keimen die Samen und ein neuer Schlammling
Die Tier- und Pflanzenwelt der Aue ist perfekt an   wächst heran.
die ständig wechselnden Wasserstände angepasst.
Einige Beispiele (Folie 4, Abb. 4.2):               Alte Hartholzauwälder mit einem hohen Anteil
                                                    an totem Holz sind ein wahres Paradies z. B.
Die Silberweide verträgt lange Überflutungen        für Spechte und Fledermäuse. Beeindruckend
und trotzt auch der mechanischen Energie des        auch die Insektenwelt, hier sind viele seltene
strömenden Wassers. Ihre Regenerationskraft bei     Käferarten auf Totholz spezialisiert, wie der
Verletzungen ist erstaunlich. Der Baum selbst       Heldbock oder der Eremit.

                                                    Auen sind auch durch eine reiche Vogelwelt
                                                    gekennzeichnet. Neben vielen auch in der Um -
                                                    gebung häufigen Arten sind Höhlenbewohner
                                                    und vor allem die zahlreichen Sumpf- und Wasser-      Eremit: ein typischer
                                                                                                          Alt- und Totholzbewohner
                                                    vögel zu nennen.                                      im Auwald.
                                                    Der Eisvogel gräbt seine Brutröhre ca. 80 cm tief
                                                    in lehmige Uferböschungen. Solche Uferanbrüche
                                                    entstehen am natürlichen Fluss immer wieder
                                                    neu nach Hochwassern.
                                                    Der Flussuferläufer sucht mit seinem langen, dünnen
                                                    Schnabel im Uferschlamm nach Würmern und
                                                    Insekten, ein typischer Watvogel der Flussauen.
                                                    Kiesbänke im Fluss sind begehrte Brutplätze für
                                                    Flussseeschwalben oder den Flussregenpfeifer.

                                                    Der Biber ist ein typischer Vertreter der Fluss-
Silberweide: enorme Regenerationskraft.
                                                    auen, der die Aue selbst aktiv umgestaltet und so
wird nur maximal 80 Jahre alt, aber selbst aus      zur Renaturierung und Belebung von Flussauen
der Wurzel oder umgestürzten Stämmen können         beiträgt.                                             Eisvogel: gräbt seine
                                                                                                          Brutröhre in vom
neue Triebe ausschlagen und ein neuer Baum                                                                Hochwasser angerissene
wachsen. Der Same der Silberweide ist extrem        Altarme und Altwasser gelten als Kinderstube für      Ufer.
klein und leicht, er wird durch die Luft ver-       Fische. In intakten Flussauen wie etwa am
breitet. Zum Keimen braucht er besondere            Altrhein bei Stockstadt können über 40 verschie-
Bedingungen, v. a. feuchten, vegetationslosen       dene Fischarten gezählt werden.
Boden wie z. B. unmittelbar nach einem Hoch-
wasser. Da sich diese Bedingungen nicht jedes       Im und am Gewässer finden sich auch zahlreiche
Jahr ergeben, sind natürlich begründete Silber-     Insektenarten: Wasserkäfer, Libellen und Schmetter-
weidenwälder meist gleich alt.                      linge. Manche Arten sind auf bestimmte Futter-
Die Regenerationskraft der Weide wurde jahr-        pflanzen in der Aue angewiesen. Oft leben die
hundertelang genutzt, indem die Silberweide         Larven im Wasser, die fertigen Tiere suchen dann
als Kopfweide regelmäßig geschnitten wurde.         aber die Uferbereiche an Land auf.
Die armdicken Äste fanden Verwendung als
Brennholz, für Reb- und Zaunpfähle oder zur         Ein besonderer Lebensraum ist die Aue auch für
Uferbefestigung, die dünneren Zweige zum            Amphibien, die perfekt an den Wechsel zwischen        Libelle: lebt an ruhigen
Flechten. Da alte Kopfweiden häufig innen hohl      nass und trocken angepasst sind. Auch hier            Altarmen des Flusses.

                                                                                                                                     7
Informationen zum Thema "Hochwasser": Ursachen, Schutz und Vorsorge - Allianz Umweltstiftung
erfolgen Eiablage und Larvenstadium im Wasser,     Faszination Aue.
                               die übrige Zeit verbringen die Tiere meist an
                               Land.                                              Die Bedeutung von Auen für den Naturhaushalt,
                                                                                  aber auch für den Menschen, ist hoch. Auen
                               Der Kammmolch z. B. laicht in krautreichen         sind ...
                               Altwassern und lebt den Rest des Jahres im
                               Auwald.                                            • Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen
                                                                                  • Wasserrückhalt und natürlicher
                               Die Wechselkröte sucht im Frühjahr vegetations-      Hochwasserschutz
                               lose, flache Tümpel zum Laichen auf, wie sie       • ein natürliches Klärwerk für das Gewässer
                               nach einem Hochwasser entstehen. In solchen        • Erholungsraum für den Menschen.
Wechselkröte: laicht in
                               Tümpeln sind Laich und Larven vor Fressfeinden
Hochwassertümpeln.
                               wie Fischen geschützt. Die Tümpel trocknen         Wertvoller Lebensraum.
                               später im Laufe des Sommers aus, so dass sich      Auwälder gehören zu den artenreichsten Öko-
                               keine Fischfauna entwickeln kann.                  systemen in Mitteleuropa. Auch die anstelle der
                                                                                  Wälder in vielen Auen entstandenen extensiv
                               Ein Auenspezialist ist auch der Kiemenfußkrebs     genutzten Auwiesen gelten heute als wertvolle
                               der Gattung Triops. Seine Eier können mehrere      Lebensräume für speziell angepasste Arten, ins-
                               Jahrzehnte im Boden „ruhen”. Wird der Boden        besondere Insekten (Schmetterlinge).
                               überflutet, schlüpfen die Larven innerhalb von     Auen sind Rückzugsräume für viele seltene und
                               48 Stunden und entwickeln sich in ein bis zwei     europaweit bedrohte Arten. Als bandförmige
                               Wochen zum fertigen Krebs. Der Krebs selbst lebt   Strukturen entlang der Bäche und Flüsse haben
                               nur etwa drei Monate, bis dahin ist das Wasser     Auen eine wichtige Funktion in der Biotop-
                               längst verschwunden.                               vernetzung.

Kiemenfußkrebs (Triops):
Seine Eier überdauern jahre-   In der Flussaue zuhause ist die Auwaldmücke, in    Hochwasserbremse.
lang im Bodenschlamm.          der Rheinebene als „Rheinschnake” gefürchtet.      Auen können im Hochwasserfall Wasser auf-
                               Sie legt ihre Eier auf Flächen außerhalb des       nehmen und zurückhalten und damit ein
                               Wassers, aber noch dort, wo sie von Hochwasser     Hochwasser entschärfen. Sie sind natürliche
                               erreicht werden. Dort können sie ebenfalls         Wasserrückhaltesysteme, sogenannte Retentions-
                               mehrere Jahre überdauern, bis sie von einem        räume. Auwälder bremsen durch ihren dichten
                               Hochwasser „geweckt” werden. Ist es dann           Bewuchs das Hochwasser und lassen Wasser
                               warm und feucht, entwickeln sich die Mücken        versickern bzw. geben es verzögert weiter.
                               millionenfach und schwärmen aus. Die Larven
                               schlüpfen dabei nur ab einer bestimmten            Flussklärwerk.
Extrem artenreich, aber        Temperatur, dadurch wird ein Ausschlüpfen etwa     Auwälder und Röhrichte filtern das Wasser und
selten: intakte Auwälder,      nach einem Winterhochwasser ausgeschlossen.        tragen zur Selbstreinigung des Flusses bei. Der
die noch vom Fluss über-
schwemmt werden.

8
Durchatmen: Auwälder
                                                                                                             sind in den dicht besie-
                                                                                                             delten Flussauen echte
                                                                                                             Naturoasen.

                                                                                                                      Zerbst

                                                                                                                                                                                                                B 184
                                                                                                                                                                                                                                                    Roßlau
                                                                                                                                                         B 187a                                                                                              B 187

                                                                                                                                                 Aken                                                                                              Dessau

                                                                                                                                                                                                                                                                B 107
                                                                                                             Osternienburg

Auenboden reinigt das Wasser auf dem Weg ins            kann derzeit nur noch ein Drittel der ehemaligen                                                             B 185

Grundwasser. Eine wichtige Leistung, da z. T.           Überschwemmungsflächen bei großen Hoch-
                                                                                                                       Köthen
auch Trinkwasser für die Bevölkerung aus fluss-         wassern überflutet werden. An vielen Abschnitten
                                                                                                             Der Auenzustandsbericht
nahen Bodenschichten und damit indirekt aus             von Rhein, Elbe, Donau oder Oder sind es nur         stellt fest: Viele Auen sind
dem Fluss entnommen wird, so z. B. am Rhein.            noch 10–20 %.                                        intensiv genutzt und
                                                        In der 5-stufigen Bewertungsskala zum Auen-          können ihre Funktion
                                                                                                             kaum mehr erfüllen.
Erholungsgebiet.                                        zustand gelten von den rezenten, also aktuell
Unsere Flussebenen sind überwiegend dicht               noch überflutbaren Flussauen nur 1 % als sehr
besiedelt. Siedlungen, Gewerbegebiete und               gering, 9 % als gering verändert. Deutlich verän-
Industrieanlagen sowie landwirtschaftlich               dert (Klasse 3) sind 36 %, die restlichen 54 %
genutzte Flächen begleiten die großen Flüsse in         verteilen sich auf die Klassen 4 (stark verändert)
Mitteleuropa. Umso wichtiger sind intakte               und 5 (sehr stark verändert).
Flussauen mit naturnahen Auwäldern als                  Über ein Drittel der rezenten Auen sind intensiv                                                                                                          Hochwasser
                                                                                                                                                                                                                  Folie 5

Erholungsraum für den Menschen. Alte Auwälder
                                                                                                                   Flussauen in Deutschland.

                                                        als Acker-, Siedlungs-, Verkehrs- und Gewerbe-             Zustand der Flussauen in Deutschland.
                                                                                                                   (Angaben in Klammern: untersuchte Flusslänge)
                                                                                                                                                                                                        Quelle: BfN/Geodienste-Flussauen (2014)

mit imposanten, mächtigen Eichen und 40 m               flächen genutzt, nur 13 % sind Wälder, wobei der
                                                                                                                                                          Donau (532 km)

                                                                                                                                                          rezente Aue           26,1 %
                                                                                                                                                          ehemalige Aue         67,8 %                              Fluss

                                                                                                                                                                                                                                  rezente
                                                                                                                                                                                                                                  Aue

hohen Eschen, umrankt von Efeu und Waldrebe,            größte Teil davon keinen Auwaldcharakter mehr
                                                                                                                                                          Elbe (590 km)

                                                                                                                                                          rezente Aue           19,4 %
                                                                                                                                                          ehemalige Aue         76,1 %
                                                                                                                                                                                                      ehemalige Aue
                                                                                                                                                          Oder (167 km)

haben eine besondere Ausstrahlung.                      hat. Nur noch ca. 57 km2 können bundesweit als
                                                                                                                                                          rezente Aue           9,7 %
                                                                                                                                                                                                                  Kleingewässer,
                                                                                                                                                          ehemalige Aue         88,2 %
                                                                                                                                                                                                                  Feuchtgebiete u. a.

                                                                                                                                                          Rhein (808 km)                                          Wald

                                                                                                                                                          rezente Aue           20,0 %

                                                        naturnahe Hartholzauwälder bezeichnet werden
                                                                                                                                                                                                                  Grünland
                                                                                                                                                          ehemalige Aue         70,9 %

                                                                                                                                                                                                                  Acker
                                                                                                                                                          Weser (377 km)
                                                                                                                                                                                                                  Siedlung
                                                                                                                                                          rezente Aue           55,9 %
                                                                                                                                                          ehemalige Aue         39,4 %

                                                        – ein Waldtyp, der ursprünglich überall entlang             Beispiel Mittlere Elbe. (Mündungsgebiet der Mulde bei Dessau)                        Quelle: BfN/Geodienste-Flussauen (2014)

Wo sind sie geblieben ...                               der großen Flüsse wuchs.
                                                                                                                            Zerbst
                                                                                                                                                                                                      Fluss

                                                                                                                                                 B 184                               B 107
                                                                                                                                                          Roßlau                A9
                                                                                                                                                                                             Coswig
                                                                                                                                     B 187a                          B 187
                                                                                                                                                                                                      rezente Aue
                                                                                                                                                                                                      überwiegend Wald und Grünland

                                                        Beim Grünland ist der überwiegende Teil intensiv
                                                                                                                                                         Dessau                      Wörlitz
                                                                                                                                 Aken

                                                                                                                                                                        B 107
                                                                                                                                                                                                      ehemalige Aue
                                                                                                                     Osternienburg
                                                                                                                                                                                                      überwiegend Ackerfläche
                                                                                                                                         B 185                                  Oranienbaum

Der Auenzustandsbericht des Bundesamtes für             genutzt, extensiv genutztes Feuchtgrünland ist
                                                                                                                            Köthen
                                                                                                                                                                                                      Siedlungen

                                                                                                                   Allianz Umweltstiftung ©

Naturschutz gibt einen Überblick über die aktu-         kaum mehr vertreten, auch Feuchtgebiete kommen       Flussauen in Deutschland.
elle Situation der Auen in Deutschland. Demnach         nur noch auf 2 % der rezenten Aue vor (Folie 5).     Folie 5

    Das Wichtigste in Kürze:

    • Die Aue weist bedingt durch Höhe, Dauer und Häufigkeit von Hochwassern eine charakteristische
      Zonierung auf.
    • An den ständigen Wechsel zwischen Hoch- und Niedrigwasser sind zahlreiche Tier- und Pflanzenarten
      angepasst. Auen zählen dabei zu den artenreichsten Ökosystemen in Mitteleuropa, besonders gilt
      das für die Auwälder.
    • Intakte Flussauen üben wichtige Funktionen im Naturhaushalt aus. Sie bieten Lebensraum, sie bremsen
      Hochwasser und reinigen den Fluss. Und sie sind wichtige Erholungsgebiete für den Menschen.
    • Naturnahe Auen sind an unseren Flüssen heute selten, die Talräume werden vielfach intensiv genutzt.
      Von den einst weitverbreiteten Auwäldern sind nur noch isolierte Restflächen verblieben.

                                                                                                                                                                                                                                                   9
Wie ein Hochwasser entsteht.
Auslöser von heftigen Hochwassern sind fast immer sintflutartige Regenfälle. Wie stark ein
Hochwasser ausfällt, bestimmen noch andere Faktoren. Und an manchen „Schrauben“ dreht auch
der Mensch ...

Dieses Kapitel informiert über
• die Ursachen von Hochwasser
• Faktoren, die Ausmaß und Verlauf eines Hochwassers beeinflussen.

      Hochwasserfaktoren I.
                                                                                                                     Hochwasser
                                                                                                                     Folie 6                                Mehr Wasser als normal.                                                          Niederschlag lässt das Fass überlaufen.
                                                                                                                                     Quelle: nach
       Hochwasserwelle.                                                                                                Bayerisches Landesamt für
                                                                                                                         Wasserwirtschaft (2004)
         Pegelstand

                                                         Hochwasserscheitel

               Ganglinie Pegel A
                                                                                                             Ganglinie Pegel B
                                                                                                                                                            An allen größeren Fließgewässern in Europa                                       Der wichtigste Faktor für die Entstehung von
                                                                                                                                                            werden heute die Wasserstände an Pegeln regel-                                   Hochwasser sind Niederschläge. Dabei ist Regen
                                                                                                                                       Zeit
                        12:00               12:00                 12:00                   12:00              12:00
            Montag               Dienstag           Mittwoch              Donnerstag               Freitag

                                               Pegel A                                        Pegel B
                                                            Laufzeit 48 Std.

       Niederschlag – Beispiel Vb-Wetterlage.
                                                                ca. 200 km

                                                                                                                                                            mäßig gemessen und kontrolliert. Aneinander-                                     nicht gleich Regen:
                                                            1
                                            kalte Luft dringt
                                                                                                                                                            gereiht ergeben die einzelnen Messwerte für
        T
                                                                                                                                                            jeden Pegel eine Ganglinie des Wasserstandes,                                    Konvektive Niederschläge oder Starkregen sind
                                            nach Süden
                            normale
                            Zugbahn

                                                                                         Tief zieht nach Norden und gleitet

                                                                                                                                                            an der sich Veränderungen gut ablesen lassen.                                    meist von Gewittern begleitet und liefern hohe
                                                                                   4     auf Kaltluft: Abkühlung und starke
                                                                                         Niederschläge
                                                    Alpen
                  2
             Tief weicht
             nach Süden
                                                 T
                                                                                                                                                            Im Hochwasserfall ist diese Ganglinie sehr aus-                                  Niederschlagsmengen in kurzer Zeit auf sehr
             aus
                                                                                       Tief verstärkt sich
                                                                               3       und nimmt große
                                                                                       Wassermengen auf

      Allianz Umweltstiftung ©
                                                                                                                                                            geprägt und macht sich als Hochwasserwelle                                       begrenzter Fläche. Im Extremfall sind 100 l/m2
Hochwasserfaktoren I.                                                                                                                                       bemerkbar, der Wasserstand steigt über Tage                                      in einer Stunde möglich, oft regnet es wenige
Folie 6                                                                                                                                                     oder Stunden bis zu einem Hochwasserscheitel                                     Kilometer entfernt gar nicht. Diese Nieder-
                                                                                                                                                            und fällt danach wieder mehr oder minder                                         schläge können kleine, unscheinbare Bäche
                                                                                                                                                                                                                                             innerhalb von Minuten in reißende Ströme
                                                                                                                                                                                                                      Wasserwirtschaft (20
     Pegelstand                                                                                                                                                                                                                              verwandeln und Sturzfluten mit großer
                                                                                                                                                                Hochwasserscheitel                                                           Zerstörungskraft auslösen, die sich auch kaum
                                                                                                                                                                                                                                             vorhersagen lassen. Auf die Pegelstände großer
                            Ganglinie Pegel A
                                                                                                                                                                                                                                             Flüsse haben solche kleinräumigen Starkregen-
                                                                                                                                                                                                              Ganglinie Pegel B
                                                                                                                                                                                                                                             fälle keinen nennenswerten Einfluss.
                                                                                                                                                                                                                                             Die Gefahr für ein wirklich schweres Hochwasser
                                                                                                                                                                                                                                   Zeit      an einem großen Fluss ist erst bei hohen
                                                                      12:00                                                                         12:00              12:00                12:00             12:00
              Montag                                                                                     Dienstag                                           Mittwoch           Donnerstag           Freitag                                  Niederschlagsmengen gegeben, die langanhaltend
                                                                                                                                                      Pegel A                                  Pegel B
                                                                                                                                                                                                                                             und großflächig abregnen. Dann ist der Boden
                                                                                                                                                                Laufzeit 48 Std.
                                                                                                                                                                                                                                             irgendwann wassergesättigt, das Wasser aus
                                                                                                                                                                                                                                             einem großen Einzugsgebiet sammelt sich über
                                                                                                                                                                                                                                             viele Zuflüsse und kann vom Flussbett nicht
                                                                                                                                                                   ca. 200 km                                                                mehr aufgenommen werden. Auch das
                                                                                                                                                                                                                                             Zusammentreffen von Dauerregen und Schnee-
Hochwasserwelle (Abb. 6.1):
                                                                                                                                                            schnell ab (Folie 6, Abb. 6.1). Je nach Verlauf                                  schmelze kann zu hohen Pegelständen führen.
Pegelmessungen an ver-
schiedenen Orten dokumen-                                                                                                                                   eines Hochwassers gibt es flache und steile
tieren Höhe und Laufzeit der                                                                                                                                Wellen. Über kontinuierliche Messungen an                                         i    Außergewöhnlich viel Niederschlag
Welle.                                                                                                                                                      verschiedenen Pegeln entlang des Flusslaufes
                                                                                                                                                            lässt sich auch die Laufzeit einer Welle bestimmen,                                Beim Oderhochwasser im Sommer 1997
                                                                                                                                                            was Vorhersagen über den weiteren Hochwasser-                                      fiel innerhalb von drei Wochen die sonst in
                                                                                                                                                            verlauf ermöglicht.                                                                einem halben Jahr übliche Regenmenge. Im
                                                                                                                                                            Auslöser von Hochwasser sind fast immer starke                                     Süden Polens und im Osten Tschechiens
                                                                                                                                                            Niederschläge oder die Schneeschmelze. Ob                                          wurden im Bergland innerhalb weniger Tage
                                                                                                                                                            daraus nur leichte Überschwemmungen oder                                           sogar mehr als die vier- bis fünffache Menge
                                                                                                                                                            eine Hochwasserkatastrophe werden, hängt von                                       eines „normalen“ Juli registriert.
                                                                                                                                                            unterschiedlichen Faktoren ab:

                                                                                                                                                            • Dauer und Intensität des Niederschlags                                         Im Wechsel der Jahreszeiten.
                                                                                                                                                            • Form und Gestalt des Einzugsgebietes                                           Im Sommer sind sogenannte Vb-Wetterlagen
                                                                                                                                                            • Bodenbeschaffenheit                                                            (sprich: Fünf-B) oft für besonders dramatische
Dauerregen lässt Flüsse                                                                                                                                     • Vegetation und Nutzung                                                         Hochwasserereignisse verantwortlich (Folie 6,
über die Ufer treten.                                                                                                                                       • Gewässerzustand/-ausbau                                                        Abb. 6.2). Auslöser dieser eher seltenen

10
Wassersammler – das Einzugsgebiet.                                Hochwasserfaktoren II.
                                                                                                                                                                                                                                                                 Hochwasser
                                                                                                                                                                                                                                                                 Folie 7

                                                                                                                                                                  Einzugsgebiete.

                                           1                                                                                                                               runde Form                                            gestreckte Form

                            kalte Luft dringt                                                  Jeder Bach, jeder Fluss hat ein Einzugsgebiet, aus
T
                                                                                                                                                                                                                                 Flusslauf              Grenze des Einzugsgebietes
                                                                                                                                                                    Abfluss

                            nach Süden
                                                                                               dem er sein Wasser bezieht. Große Flusssysteme
                                                                                                                                                                                                                                  Abfluss

                  normale                                                                                                                                                                                                 Zeit                                                     Zeit

                  Zugbahn
                                                                                               setzen sich aus den Einzugsgebieten aller Zu- und
                                                                                                                                                                                                                                                                                  Quelle: nach
                                                                                                                                                                  Nutzung und Vegetation.                                                                           Bayerisches Landesamt für
                                                                                                                                                                                                                                                                      Wasserwirtschaft (2004)
                                                                                                                                                                                        Niederschlag und oberirdischer Abfluss in Liter pro m2 und Stunde
                                                                                                                                                                                               Niederschlag
                                                                                                                                                                                                                                 60                           100
                                                                                                                                                                                              20

                                                                                               Nebenflüsse zusammen.
                                                                                                                                                                     Undurchlässige                        Abfluss
                                                                                                                                                                     Fläche (Asphalt)                                20                            60                                100

                                                          Tief zieht nach Norden und gleitet                                                                                                Versickerung

                                                    4     auf Kaltluft: Abkühlung und starke                                                                                                                                     60

                                                                                               Größe, Form und Geländerelief des Einzugsgebietes
                                                                                                                                                                                              20                                                              100
                                                                                                                                                                     Acker
                                                                                                                                                                     (Getreide)                                      3                             25                                60

                                                          Niederschläge                                                                                                                         17                                    35                             40

                                   Alpen
                                                                                               haben Einfluss auf die Abflussbildung und damit
                                                                                                                                                                                                                                 60                           100
                                                                                                                                                                                              20

        2                                                                                                                                                            Viehweide

                                                                                                                                                                                                18
                                                                                                                                                                                                                     2

                                                                                                                                                                                                                                      40
                                                                                                                                                                                                                                                   20

                                                                                                                                                                                                                                                                     50
                                                                                                                                                                                                                                                                                     50

    Tief weicht
                                                                                               auf Stärke und Ablauf eines Hochwassers (Folie                                                 20                                 60                           100

                                 T
                                                                                                                                                                     dichter Wald
                                                                                                                                                                                                                                                   10                                35

    nach Süden                                                                                                                                                                                  20                                    50                             65

                                                                                               7, Abb. 7.1). Bei großem Gefälle und kurzen
    aus
                                                                                                                                                                 Allianz Umweltstiftung ©

                                                        Tief verstärkt sich
                                                3       und nimmt große
                                                        Wassermengen auf                       Wegen strömt das Wasser schnell zusammen.             Hochwasserfaktoren II.
                                                                                               Bei runden Einzugsgebieten trifft das abfließende     Folie 7
Vb-Wetterlage (Abb. 6.2): besonders niederschlagsträchtig.                                     Wasser zudem aus allen Teilen des Gebietes
                                                                                               gleichzeitig zusammen. Daraus ergibt sich eine
Großwetterlage ist ein starkes Tiefdruckgebiet                                                 kurze, aber sehr steile Hochwasserwelle. In lang-
                                                                                                                                                     gestreckte Form

über dem westlichen Mittelmeer, das an seiner                                                  gezogenen Einzugsgebieten entstehen dagegen
östlichen Seite feuchtwarme Luft nach Mittel-                                                  lange, aber flachere Abflusswellen. Zu einer          Flusslauf                                                Grenze des Einzugsgebietes

europa schaufelt. Dort gleitet diese auf boden-                                                Wellenüberlagerung kommt es, wenn die Wellen
nahe Kaltluft, Ergebnis sind ergiebige, manchmal                                               zweier Zuflüsse aufeinandertreffen.                    Abfluss

über Tage andauernde Regenfälle. Im ungünstigs-                                                Problematisch ist auch das Zusammentreffen
                                                                                                                                                                                                                                                                                 Zeit
ten Fall wird die Luft gegen die Nordränder der                                                der Hochwasserwellen eines Haupt- und eines
Alpen bzw. der Mittelgebirge gedrückt, was die                                                 Nebenflusses: Der Nebenfluss kann sich dann                  runde Form

Regenmengen dort zusätzlich intensiviert.                                                      gefährlich zurückstauen.

Im Winter sind Niederschläge zunächst in Form                                                                                                        Abfluss

von Schnee gespeichert. Bei einem plötzlichen                                                  Ein natürlicher Schwamm – der Boden.
Temperaturanstieg entsteht dann allerdings viel
Schmelzwasser. Zusätzliche, ergiebige Regenfälle,                                              Wie viel vom Niederschlag in welcher Zeit                                                                                                                                        Zeit

die z. T. noch auf gefrorenen Boden auftreffen,                                                versickert und wie viel abfließt, hängt auch          Einzugsgebiete (Abb. 7.1):
können dann schnell zu einer kritischen Hoch-                                                  von den Eigenschaften des Bodens ab. Wie              Größe, Form und
wassersituation führen.                                                                        bei einem Schwamm dringt das Wasser in die            Relief beeinflussen ein
                                                                                                                                                     Hochwasser.
In den Mittelgebirgen mit vergleichsweise geringer                                             Bodenhohlräume. Erst wenn dieser Schwamm
Schneebedeckung kann plötzlich eintretendes
Tauwetter mitten im Winter große Gebiete
erfassen und zu hohen Abflusswerten führen
(Winterhochwasser). In den Alpen setzt dagegen
das Tauwetter nur langsam ein. Gefahr besteht
an den Alpenflüssen v. a. im Frühsommer, wenn
Dauerregen den Restschneemengen in den
Hochlagen zusetzt und neben dem Regen viel
Schmelzwasser anfällt.
Hochwasser entsteht auch durch Eisstau: Auf
dem Wasser treibende Eisschollen verkeilen sich
an Engstellen im Fluss oder an Brückenpfeilern
und behindern den Abfluss. Beim Durchbrechen
der Eisbarriere (Eisstoß) kann es dann zu einer                                                                                                      Wassergesättigt: Dieser
sehr hohen und steilen Hochwasserwelle kommen.                                                 voll ist, fließt das Wasser vollständig oberirdisch   Boden kann kein Wasser
                                                                                               ab. Messbar ist die Versickerung über die             mehr aufnehmen.
Was macht der Klimawandel mit dem Regen?                                                       Infiltrationsrate (z. B. l/m2 pro Stunde). Kies
Niederschlag galt bislang als natürlicher, vom                                                 und Sand können in ihren großen, vielfach
Menschen nicht beeinflussbarer Hochwasser-                                                     verbundenen Poren schnell und viel Wasser
faktor. Im Zuge des Klimawandels rechnen                                                       aufnehmen. Auch lockerer, humoser Waldboden
Wissenschaftler für Mitteleuropa aber mit einer                                                ist meist sehr aufnahmefähig. Tonböden wirken
Erhöhung der Niederschlagsmengen insgesamt                                                     dagegen wie eine Stauschicht.
und mit Veränderungen im Niederschlags-                                                        Nach tagelangem Dauerregen ist allerdings
geschehen. Beides deutet auf eine Verstärkung                                                  jeder Boden wassergesättigt. Gleiches gilt bei
der Hochwassergefahr hin.                                                                      gefrorenem Boden. Dann verhält sich der Boden

                                                                                                                                                                                                                                                                                           11
wie eine Betonfläche – alles fließt ab. Bei          aus, wobei etwa die Hälfte davon tatsächlich
     60                        großräumigen und langanhaltenden Nieder-             versiegelt ist. Diese Flächen, also etwa 5-6 %,
                               schlägen, die Einzugsgebiete ganzer Fluss-           sind wasserundurchlässig, bei Regen fließt das
                         10    systeme abdecken, spielt deshalb der Faktor          Wasser ungebremst ab. Und der Bedarf steigt
                               Boden ab einem bestimmten Zeitpunkt keine            weiter: Zwischen 2006 und 2009 wurden in
           50                  Rolle mehr.                                          Deutschland täglich 43 ha (= 61 Fußballfelder)
                                                                                    versiegelt.
     60                                                                             Anderseits kann auf knapp 95 % der Landes-
                                i    Extreme Bodenfeuchte                           fläche das Wasser noch mehr oder minder gut
                         25                                                         versickern. Trotzdem: In kleinen Einzugs-
                                 Beim Junihochwasser 2013 waren aufgrund            gebieten, zumal wenn sie dicht besiedelt sind,
           35                    eines ungewöhnlich nassen Mai schon im             hat der Versiegelungsgrad bei kurzzeitigen
Niederschlag und oberirdi-       Vorfeld 40 % der Böden in Deutschland              Starkregenereignissen sowie bei kleineren
scher Abfluss (Abb. 7.2):        extrem feucht. Die dann einsetzenden ergie-        Hochwassern durchaus Einfluss. Untersuchungen
Im Wald versickert viel, auf
Ackerfächen fließt viel ab.      bigen Niederschläge ließen schnell große           an Flussmodellen haben dies dokumentiert:
                                 Wassermengen oberflächlich ablaufen – der          Die Spitzenabflüsse von kleinen und häufigen
                                 Bodenschwamm war voll!                             Hochwassern sind heute um 40–60 % höher als
                                                                                    früher, die Hochwasserwellen steiler, aber auch
                                                                                    kürzer.
                               Eine Schutzdecke – die Vegetation.
                                                                                    Bei großen Hochwassern, die ganze Flusssysteme
                               Wer sich bei beginnendem Regen unter einen           betreffen, darf der Einfluss der Versiegelung
                               Baum stellt, kennt den Effekt: Der Regen bleibt      allerdings nicht überbewertet werden, zumal
                               zuerst an den Blättern hängen, bevor er den          nach langanhaltenden Regenfällen oder Frost
                               Boden erreicht. Ein Wald kann so bis zu 5 l/m2       der Boden ohnehin nicht mehr wasseraufnahme-
                               im „Tropfenkleid“ festhalten, eine Wiese bis zu      fähig ist. Dann ist es egal, ob er künstlich oder
                               2 l/m2. Zudem lockert Bewuchs den Boden,             natürlich versiegelt ist.
                               Wasser kann besser versickern.
                               So liegt die Infiltrationrate bei Wald im Durch-     Zu nah am Fluss.
                               schnitt bei bis zu 60–75 l/m2 pro Stunde. Ein        Schon immer siedelten die Menschen an Flüssen.
                               Niederschlag von 20 l/m2 wird komplett auf-          Das brachte Vorteile, denn Flüsse waren
                               genommen, selbst bei einem Niederschlag von          Verkehrs- und Handelswege. Man rodetete
                               100 l/m2 fließen nur ca. 35 l ab. Bei einer          Auwälder, legte Felder an und schützte die
                               Viehweide sind es schon 50 l, bei einem Acker        Siedlungen durch Deiche. Die Folge: Bei
                               mit Getreide ca. 60 l Abfluss (Folie 7, Abb. 7.2).   Hochwasser hat der Fluss immer weniger Raum,
Versiegelt: Hier kann kein                                                          sich in seiner Aue auszubreiten. Erst bei einem
Wasser versickern.
                                                                                    Deichbruch flutet er den ursprünglichen
                               Einfluss mit Einfluss – die Nutzung.                 Talraum und überschwemmt alles, was dort
                                                                                    inzwischen gebaut und geschaffen wurde.
                               Die Landfläche Mitteleuropas ist dicht besiedelt
                               und in weiten Teilen intensiv genutzt. Damit         Die alten Siedlungskerne liegen dabei an vielen
                               nimmt der Mensch auch Einfluss auf das               Flüssen oft außerhalb der stark von Hochwasser
                               Hochwassergeschehen. Wie dargestellt, reduzieren     betroffenen Bereiche. Erst später im Mittelalter
                               Wälder den Oberflächenabfluss deutlich,              wurden tiefer liegende oder flussnahe Bereiche
                               Ackerflächen weniger. Besonders negativ wirkt        besiedelt. Ab dem 19. und besonders dann im
                               sich z. B. Maisanbau aus, weil die Maispflanzen      20. Jahrhundert setzte eine intensive Bautätigkeit
                               erst spät aufwachsen und der Boden gerade            in der Aue ein, die auf die Hochwassergefahr oft
                               während der Starkniederschläge im Frühsommer         wenig Rücksicht nahm. Der Bau von Siedlungen,
                               kaum geschützt ist. Viele Ackerböden sind auch       Industrieanlagen oder Infrastruktureinrichtungen
                               durch Bodenbearbeitung mit schweren                  führt dabei in überflutungsgefährdeten Bereichen
                               Maschinen stark verdichtet, sodass sie wenig         zu einer starken Konzentration von Werten. Ein
                               Regenwasser aufnehmen können. Und viele              weiteres Problem: Kommt es längere Zeit nicht
                               Böden sind inzwischen auch überbaut:                 zu einem großen Hochwasser, geht auch das
                                                                                    Gespür für die Gefahr am Fluss verloren und die
                               Versiegelt und dicht gemacht.                        Bevölkerung fühlt sich im Schutz der Deiche in
Nah am Fluss: Bei Hoch-        Siedlungs- und Verkehrsflächen machen in             Sicherheit. Jeder Deich kann diese aber nur bis
wasser sind die Keller voll.   Deutschland 13 % der gesamten Staatsfläche           zu einem gewissem Grad garantieren.

12
Flüsse im Korsett – Gewässerausbau.                                                      Diese Maßnahmen hatte aber Folgen, die so                                                                                                                       Hochwasser
                                                                                                                                                                                                                                                         Folie 8

                                                                                         zunächst nicht bedacht worden waren und oft
                                                                                                                                                        Hochwasserfaktoren III.
                                                                                                                                                                                                                                                         Quelle: Bayerisches Landesamt
                                                                                                                                                         Veränderung der Auen.                                                                             für Wasserwirtschaft (2004)

                                                                                                                                                                  Fluss
                                                                                                                                                                  Auwald

Unsere Flüsse und Bäche sind heute in weiten                                             weitere Eingriffe notwendig machten bzw. machen:
                                                                                                                                                                  Ackerfläche
                                                                                                                                                                  Grünland
                                                                                                                                                                  Siedlung
                                                                                                                                                                  Deich

Teilen vom Menschen geformt. An den großen                                               Die Begradigung und Verkürzung der Fluss- und                    Abfluss
                                                                                                                                                                              Urzustand                         1900                                     2000

Strömen wie Rhein oder Elbe begann der                                                   Bachläufe erhöht die Abflussgeschwindigkeit. Die                        Tag 1        2       3   4         Tag 1

                                                                                                                                                         Gewässerausbau – Beispiel nördlicher Oberrhein.
                                                                                                                                                                                                            2            3      4        Tag 1       2             3         4

Ausbau schon vor 200 Jahren, v. a. nach dem                                              Wassermengen der Zuflüsse werden so beschleu-                    1816
                                                                                                                                                                                                                                                                         Worms

2. Weltkrieg wurden auch kleinere Gewässer in                                            nigt im Flusssystem gesammelt, Hochwasserwellen
                                                                                                                                                                                              Germersheim                           Ludwigshafen
                                                                                                                                                                                                                       Speyer
                                                                                                                                                                                                                                                   Mannheim
                                                                                                                                                                          Karlsruhe

                                                                                                                                                                                                                                                            10 km
                                                                                                                                                                                                                                                                         N

großer Zahl umgestaltet – begradigt, kanalisiert,                                        durchlaufen den Fluss schneller und ausgeprägter.                1977
                                                                                                                                                                                                                                                                         Worms

verrohrt. Auf Entstehung und Verlauf eines                                               Im ungünstigsten Fall treffen die Wellen von
                                                                                                                                                                                              Germersheim                           Ludwigshafen
                                                                                                                                                                                                                       Speyer
                                                                                                                                                                                                                                                   Mannheim
                                                                                                                                                                          Karlsruhe

                                                                                                                                                                                                                                                            10 km
                                                                                                                                                                                                                                                                         N

Hochwassers haben viele dieser Maßnahmen                                                 Haupt- und Nebenfluss direkt aufeinander und                   Allianz Umweltstiftung ©

erheblichen Einfluss (Folie 8, Abb. 8.1).                                                überlagern sich. Zudem verringert die beschleu-       Hochwasserfaktoren III.
                                                                                         nigte Ableitung zwar die Hochwassergefahr             Folie 8
Die ersten bedeutenden Regulierungen Anfang                                              beim Oberlieger des Flusses, verstärkt sie aber
des 19. Jahrhunderts hatten zunächst folgende                                            für die Unterlieger und verlagert sie so nur.
Ziele:                                                                                   Und: Je weniger Platz ein Fluss hat, bei Hochwasser
                                                                                                                                                                                                                         Worms                                                                           1977

• Verbesserung der Schiffbarkeit und Flößerei                                            auszuufern, desto höher und schneller wird die
  durch breitere, tiefere und vor allem beständi-                                        Hochwasserwelle. Die Flussbaumaßnahmen                                                                                                                                                                   Mannheim
  gere Fahrrinnen.                                                                       haben die Überschwemmungsflächen entlang der                                                                                                              Ludwigshafen

• Besserer Hochwasserschutz der Talräume                                                 Flüsse drastisch reduziert, die Flüsse wurden
• Absenkung des Grundwasserstandes zur                                                   vielfach von ihrer Aue getrennt.
  besseren landwirtschaftlichen Nutzung der Aue.
                                                                                                                                                                                                                                                                                         Speyer
                                                                                                                                                 1816

Um diese Ziele zu erreichen, wurden die Ufer                                              i    Gewässerausbau
befestigt, der Fluss begradigt, Flussschlingen und                                                                                                                                                                                                   Germersheim
Seitenarme abgetrennt. Zusätzlich wurden                                                   Die erste großräumige Flusskorrektur am
                                                                                           Oberrhein begann 1817, später folgten weitere.
        Fluss
                                                                                           Zwischen Basel und Karlsruhe wurde der
        Auwald
        Ackerfläche
                                                                                           Flusslauf um rund 80 km verkürzt. Die
        Grünland
        Siedlung
                                                                                           Überschwemmungsfläche schrumpfte von ca.                                                                                                                                                                Karlsruhe
        Deich
                                                                                           1.000 km2 auf nur noch 130 km2. Die Laufzeit
                                                                                           der Hochwasserwelle zwischen beiden Städten
                                                                                                                                               Gewässerausbau (Abb. 8.2):
                   Urzustand                   1900                       2000
                                                                                           hat sich halbiert. Das Hochwasser aus dem           Beispiel Oberrhein.
  Abfluss
                                                                                           Oberrhein überlagert sich damit häufiger mit
                                                                                           den sonst vorauslaufenden Hochwasserscheiteln
                                                                                           von Neckar, Nahe und Mosel.
       Tag 1       2      3    4   Tag 1   2          3   4   Tag 1   2          3   4

Veränderung der Auen (Abb. 8.1): Der Flussverlauf wird                                     An der Donau beschleunigte der Flussausbau
begradigt, Äcker und Siedlungen verdrängen den ursprüngli-                                 die Laufzeit einer Welle zwischen Ingolstadt
chen Auwald.
                                                                                           und Regensburg von einst 24 auf heute
Staustufen gebaut, um die Schiffbarkeit ganzjährig                                         12 Stunden, zwischen Regensburg und Passau
zu gewährleisten, später auch um Strom zu                                                  von 40 auf 30 Stunden.
gewinnen. Die Deiche zum Schutz der Talräume                                               An der Elbe reduzierte sich auf deutschem
wurden teilweise sehr nah an die Flüsse heran -                                            Staatsgebiet die Überschwemmungsfläche von
gezogen, um möglichst große hochwasserfreie                                                6.172 km2 auf heute 838 km2, das entspricht
Flächen zu schaffen (Folie 8, Abb. 8.2).                                                   einer Abnahme um 86 %.

       Das Wichtigste in Kürze:

       • Auslöser von Hochwasser sind Niederschläge oder die Schneeschmelze. Für starke Hochwasser an
         großen Flüssen sind fast immer langanhaltende, großflächige Regenfälle verantwortlich.
       • Auch Größe, Form und Relief des Einzugsgebietes beeinflussen Stärke und Ablauf eines Hochwassers.
       • Einen Teil des Niederschlags kann der Boden aufnehmen, ab einer bestimmten Menge ist er aber
         wassergesättigt, dann fließt Regenwasser großflächig oberirdisch ab.
       • Die Nutzung der Landoberfläche entscheidet mit darüber, wie viel Niederschlagswasser im Boden
         versickert und wie viel abfließt.                                                                                                     Verschlungener Lauf:
       • Flussregulierungen haben die Hochwasserproblematik teilweise verschärft. Besonders nachteilig wirkt                                   Solche Flussabschnitte
         sich dabei der Verlust von Überschwemmungsflächen aus.                                                                                gibt es in Mitteleuropa
                                                                                                                                               kaum noch.

                                                                                                                                                                                                                                                                                    13
Land unter.
„... und über die Mauern der Stadt Köln fuhr man mit Kähnen ... und die Schleusen des
Himmels waren offen, und es fiel Regen auf die Erde wie im 600. Jahre von Noahs Leben ...“
(aus einem historischen Bericht zur Magdalenenflut 1342)

Dieses Kapitel gibt einen Überblick über
• bedeutende Hochwasserereignisse in historischer Zeit und heute,
  ihre Ursachen und Folgen.

                                                                                                                                 Hochwasser sind nicht immer gleich.                  In früheren Zeiten behalf man sich mit Hoch -
                                                                                                                                                                                      wassermarken an Gebäuden und Ufermauern,
                                                                                                                                 Hochwasser begleiten den Menschen, seit er an        die z. T. noch heute existieren und wichtige
                                                                                                                                 Flüssen wohnt. Um die Stärke verschiedener           Hinweise zur Höhe historischer Hochwasser
                                                                                                                                 Hochwasser vergleichen zu können, hat man den        geben. Zusammen mit Berichten aus Chroniken
                                                                                                                                 Begriff der Jährlichkeit eingeführt. Sie ermittelt   lassen sich schwere Hochwasser ab ca. 1000
                                                                                                                                 sich aus statistischen Auswertungen und der          n. Chr. einigermaßen rekonstruieren und ein-
                                                                                                                                 Beobachtung eines Flusses über einen langen          ordnen.
                                                                                                                                 Zeitraum und beschreibt die Wahrscheinlichkeit       Ab dem 19. Jahrhundert beginnen an vielen
                                                                                                                                 für das Eintreten eines Hochwassers mit einer        großen Flüssen in den mitteleuropäischen
                                                                                                                                 bestimmten Wasserstandshöhe und Durchfluss-          Staaten die regelmäßigen Pegelaufzeichnungen.
                                                                                                                                 menge (Wiederkehrsintervall). Es werden z. B.        In Bayern beispielsweise entstand das erste Netz
Wasserstandsmessung:                                                                                                             Hochwasser unterschieden, die im langjährigen        mit 65 Messpegeln 1821, gemessen wurde
Am Pegel kann die exakte                                                                                                         Mittel alle 5, 10, 50 oder 100 Jahre auftreten       täglich, bei Hochwasser auch öfter. Damit liegen
Höhe ermittelt werden.
                                                                                                                                 (bezeichnet z. B. mit HQ 100). Letztere – oft        verlässliche Daten vor, aus denen sich konkrete
                                                                                                                                 auch als „Jahrhunderthochwasser” bezeichnet –        Vergleiche ableiten lassen. Heute werden an
                                                                                                                                 sind besonders gefährlich, weil sie sich dem         Pegeln neben dem Wasserstand auch die
                                                                                                                                 Erinnerungsvermögen einer Generation entziehen       Fließgeschwindigkeit, die Durchflussmenge und
                                                                                                                                 und dazu verführen, in hochwassergefährdetem         andere Parameter gemessen bzw. ermittelt.
                                                                                                                                 Gebiet zu siedeln.                                   Natürliche Erosion und Auflandungen wie auch
                                                                                                                                 Dabei kann es durchaus sein, dass sich „hundert-     menschliche Eingriffe in den Fluss haben bei
                                                                                                                                 jährliche” Hochwasser in deutlich kürzeren           manchen Pegeln zu Veränderungen des Pegel-
                                                                                                                                 Abständen wiederholen. Die Bezeichnung               nullpunktes geführt. Dies muss beim Vergleich
                                                                                                                                 HQ 100 sagt nur, dass ein solches Hochwasser         heutiger mit früheren Messungen berücksichtigt
                                                                                                                                 statistisch gesehen 10 x in 1000 Jahren eintritt.    werden.
                                                                                                                                 Eine Frage wird immer wieder gestellt: Sind die
                                                                                                                                 Hochwasser heute heftiger als früher und treten
                                                                                                                                 sie häufiger auf? Hier hilft ein Blick auf bedeu-    Nichts Neues in der Geschichte.
                                                                                                                                 tende Hochwasserereignisse der Geschichte
                                                                                                                                 sowie in jüngster Zeit (Folie 9).                    Hochwasserkatastrophen, die Hab und Gut ver-
Historische Vergleiche:                                                                                                                                                               nichten sowie Menschenleben fordern, gab es
Hochwassermarken an                                                                                                                                                                   schon immer – zu allen Zeiten und überall auf
alten Bauwerken.
                                                                                                                                 Was sagen die Pegel?                                 der Welt, wo Menschen in Flussgebieten leben.
                                                                                                                                                                                      Doch was löste jeweils das Hochwasser aus?
                                                                                                        Hochwasser
                                                                                                        Folie 9
                                                                                                                                 Ein wichtiges Kriterium zur Bestimmung der           Was machte es zur Katastrophe? Und was lässt
                                                                                                                                 Stärke eines Hochwassers ist der Wasser- bzw.        sich daraus lernen? Dazu einige Beispiele:
     Hochwasserereignisse.
      Bedeutende Hochwasser in Mitteleuropa und weltweit im Überblick.

      Jahr        betroffenes Gebiet                            Bemerkung

                                                                                                                                 Pegelstand. Er ist abhängig von der Wasser -
      …

      1343        Mitteleuropa > Rhein/Main, Donau u. a.        „Magdalenenflut“, sog. Jahrtausendhochwasser
                                                                große Schäden, geschätzt 6.000 Tote
      …

      1501        Mitteleuropa/Alpen > Elbe, Donau              eines der höchsten Hochwasser in Mitteleuropa,
                                                                Rekordmarken noch in einigen Altstädten markiert

                                                                                                                                 menge, die einen definierten Querschnitt, das
      …

                                                                                                                                                                                      Ein Jahrtausendereignis – Die Magdalenenflut 1342.
      1845        Sachsen > Elbe                                stärkstes bislang gemessenes Frühjahrshochwasser
                                                                an der Elbe
      1887        China > Gelber Fluss                          geschätzt 900.000 bis 2 Mio. Tote
      …

      1925/26     Mitteleuropa > Rhein                          Rekordhochwasser, u. a. in Köln, bislang nicht wieder erreicht

                                                                                                                                 Hochwasserabflussprofil, durchströmt. Mit dem        Wahrscheinlich das heftigste Hochwasser, das
      1927        Nordamerika > Mississippi                     eine der größten Flutkatastrophen in den USA,
                                                                700.000 Menschen evakuiert
      1931        China > u. a. Gelber Fluss                    geschätzt 3,7–4 Mio. Tote
      …

      1947        Brandenburg > Oder/Oderbruch                  stärkstes Hochwasser an der Oder im 20. Jahrhundert
      …

                                                                                                                                 Pegelstand verknüpft ist auch der Hochwasser-        weite Teile Mitteleuropas je heimsuchte und
      1954        Mitteleuropa > Elbe, Donau                    Rekordmarken u. a. an Donau und Inn, v. a. in Passau
      …

      1993        Mitteleuropa > Rhein                          vielerorts nur knapp unter den Rekordmarken von 1926,
                                                                z. T. auch darüber, ca. 400–500 Mio. Euro Schäden
      1995        Mitteleuropa > Rhein                          vielerorts nur knapp unter den Rekordmarken von 1926
      1997        Ostdeutschland, Polen > Oder                  300.000 Menschen evakuiert, hohe Sachschäden

                                                                                                                                 schutz. Deichhöhen orientieren sich z. B. oft am     vielfach als Jahrtausendflut in die Geschichte
                                                                (über 4 Mrd. Euro), 114 Tote in Polen und Tschechien
      1998        China > Jangtsekiang                          über 3.700 Tote, 15 Mio. Obdachlose, Schäden geschätzt
                                                                ca. 26 Mrd. US-Dollar
      1999        Mitteleuropa/Alpen >                          sog. „Pfingsthochwasser“, hohe Schadenssummen,
                  Donau, Alpenzuflüsse, Rhein                   12 Tote
      2002        Mitteleuropa (mit Österreich, Tschechien) >   „Jahrtausendhochwasser“ an der Elbe, 370.000 Menschen
                  Elbe, Donau                                   evakuiert, mind. 15 Mrd. Euro Schäden, mind. 45 Tote

                                                                                                                                 Pegel eines 100-jährlichen Hochwassers. Auch         einging, ereignete sich am St. Magdalenentag
      2005        Alpen, Karpaten, Balkan >                     Muren, Erdrutsche, über 30 Todesopfer, über 3 Mrd. Euro
                  Alpenflüsse bis unterer Donauraum             Schäden
      2006        Ostdeutschland, Tschechien > Elbe             eines der schwersten Elbhochwasser, mehrere Tote
      2007        Alpen, v. a. Schweiz > Alpenflüsse            „4. Jahrhunderthochwasser seit 1999“ in der Schweiz,
                                                                Muren, Erdrutsche
      2009        Mitteleuropa/Alpen mit Karpaten, Balkan >     mehrere 100 Mio. Euro Schäden, mind. 21 Tote

                                                                                                                                 welche Schutzmaßnahmen im Hochwasserfall             (21. Juli) 1342. Die Chroniken berichten von
                  Donau, Moldau, Oder
      2010        östl. Mitteleuropa > Oder, Weichsel           große Schäden, über 30 Tote, v. a. in Polen
      2010        Pakistan > Indus                              weite Teile des Landes betroffen mit 14 Mio. Menschen,
                                                                ca. 1.700 Tote
      2011        Thailand                                      fast 12 % des Landes unter Wasser, ca. 400 Tote
      2013        Mitteleuropa > Elbe, Donau                    bisherige Rekordmarken teilweise überschritten

                                                                                                                                 anlaufen, wird vom Pegelstand bestimmt. Die          zwei Tage andauernden Wolkenbrüchen, ver-
                                                                Passau (Donau/Inn), Magdeburg (Elbe)

     Allianz Umweltstiftung ©

Hochwasserereignisse.                                                                                                            Pegelstände helfen, Hochwasserereignisse zu          mutlich aufgrund einer Vb-Wetterlage. Der Main
Folie 9                                                                                                                          vergleichen und Schutzmaßnahmen anzupassen.          bei Würzburg kam damals bis nahe an den Dom,

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