Informationen zum Thema "Hochwasser": Ursachen, Schutz und Vorsorge - Allianz Umweltstiftung
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Statt eines Vorwortes. Der Rhein 1993 und 1995, die Oder 1997 und 2010, die Donau 1999, 2005 und 2009, die Elbe 2002 und 2006, Donau und Elbe 2013: Immer wieder und scheinbar immer häufiger treten unsere Flüsse über die Ufer. Und nach jedem größeren Hochwasser stellen sich die gleichen Fragen: Sind die Hochwasser haus- gemacht? Können wir Hochwasser verhindern? Wie können wir uns vor Hochwasser schützen? Ist zukünftig mit noch mehr Hochwasser zu rechnen? Mit dieser Broschüre möchte die Allianz Umweltstiftung Antworten auf diese und weitere Fragen geben. Dabei wird zunächst erläutert, dass Hochwasser ein natürliches Phänomen ist und wie die Natur sich daran anpasst. Ein weiterer Schwerpunkt dieser Broschüre ist, welche Faktoren das Ausmaß von Hochwasser bestimmen und wann Mitteleuropa von großen Überschwemmungen betroffen war. Schließlich wird aufgezeigt, mit welchen Schutz- und Vorsorgemaßnahmen die Auswirkungen von Hochwassern reduziert werden können. Die Allianz Umweltstiftung wünscht Ihnen eine bereichernde Lektüre, denn: Das nächste Hochwasser kommt bestimmt.
Inhalt. Informationen zum Thema „Hochwasser“: Ursachen, Schutz und Vorsorge. 2 Naturereignis Hochwasser. 4 Der natürliche Fluss. 6 Fluss und Aue. 10 Wie ein Hochwasser entsteht. 14 Land unter. 20 Hochwasserschutz. 26 Mit Hochwasser leben. 28 Glossar. 30 Literatur und Internet. 32 Allianz Umweltstiftung. Folien. Impressum.
Naturereignis Hochwasser. „Die Natur versteht keinen Spaß, sie ist immer wahr, immer ernst, immer strenge; sie hat immer recht, und die Fehler und Irrtümer sind immer des Menschen.“ (Johann Wolfgang von Goethe) Dieses Kapitel verdeutlicht, • dass Hochwasser etwas Normales ist • wie ein Hochwasser Fluss und Aue prägt. Wasser und Fluss. Hochwasser Folie 1 Vor uns die Sintflut? oder die Auswirkungen minimieren? Fluss und Aue. • Ist in Zukunft mit stärkeren und häufigeren Juni 2013: Das Hochwasser an Donau und Hochwassern zu rechnen? 왔 Hochwasser 왔 Mittelwasser rezente Aue Flussbett Deich ehemalige Aue / Altaue Wasserkreislauf. Elbe erreicht neue, bislang noch nie gemessene Rekordstände. Dabei liegen die letzten Niederschlag Verdunstung „Jahrhundertfluten” in Mitteleuropa noch nicht Was ist ein Hochwasser? Versickerung Verdunstung lange zurück: 2005 und 2009 an der Donau, 2002 und 2006 an der Elbe, 1997 an der Oder, Ein Gewässer führt Hochwasser, wenn der Einzugsgebiet Abfluss Fluss 1995 am Rhein. Es scheint, als würden die Wasserstand deutlich über dem normalen oder Grenze Einzugsgebiet Meer Allianz Umweltstiftung © Abstände zwischen den Hochwassern immer mittleren Wasserstand liegt. Man unterscheidet Wasser und Fluss. kürzer. Hochwasser an Meeresküsten, z. B. aufgrund von Folie 1 Dabei sind Hochwasser an sich nichts Ungewöhn- Sturmfluten, sowie Hochwasser an Flüssen und liches. Es ist normal, dass ein Fluss mal weniger Bächen. Nur letztere sind Inhalt dieser Broschüre. und mal mehr Wasser führt und dann über die Ausgelöst werden Hochwasser an Fließgewässern Ufer tritt. Die Natur ist an Hochwasser angepasst. durch starke Regenfälle, manchmal auch durch Zur Katastrophe wird es erst für den Menschen Schneeschmelze oder Eisstau, z. T. wirken mehrere – wenn ganze Landstriche evakuiert werden Faktoren zusammen. Manche Hochwasser treten regelmäßig auf, z. B. Frühjahrshochwasser infolge der Schneeschmelze. Auch das Ausmaß der Hochwasserereignisse ist unterschiedlich, mit kleineren Hochwassern ist an einem Fluss öfter zu rechnen, sogenannte „Jahr- hundertfluten” kommen – statistisch über einen längeren Zeitraum betrachtet – seltener vor. Dazu mehr in einem späteren Kapitel. Hochwasser gehört zum Fluss. Wie oben erwähnt, führen Flüsse mal wenig, mal viel ... und manchmal auch sehr viel Wasser mit sich. Besonders in den flachen Tälern ihres Mittel- und Unterlaufs treten Flüsse dabei immer wieder über die Ufer. Sie verlassen das eigentliche Flussbett und überschwemmen die angrenzenden Flächen. Dieser überflutete Talraum wird als Aue bezeichnet. Hochwasser: Die Natur kann damit leben – und müssen, Ernten zerstört, Häuser, Siedlungen oder Aue und Fluss gehören zusammen. Und eine Aue der Mensch? Verkehrswege überschwemmt oder gar Tote und ist vom Wasser geprägt – genauer: vom Hochwasser Verletzte zu beklagen sind. (> Folie 1, Abb 1.1). Eine rezente Aue hat noch Nach jedem größeren Hochwasser – und beson- eine direkte Verbindung zum Fluss und kann von ders nach der scheinbaren Häufung der Ereignisse ihm überflutet werden. Eine ehemalige Aue oder in jüngster Zeit – stellen sich die gleichen Fragen: Altaue ist durch Schutzbauwerke wie Deiche • Sind die Hochwasser hausgemacht, ist also eigentlich vor Überschwemmungen geschützt – letztlich der Mensch selber schuld? was nicht heißt, dass sie bei außergewöhnlich • Können wir Hochwasser verhindern? hohem Hochwasser oder Versagen der Schutz - • Können wir uns vor Hochwasser schützen anlagen nicht doch überflutet werden kann. 2
Hochwasser formt und verändert. wuchernde Wälder neben vom letzten Hochwasser entwurzelten Bäumen. Flussauen beherbergen Wasser wirkt als Landschaftsgestalter. Sand, Erde damit auch außergewöhnlich artenreiche Öko- und Steine werden an einer Stelle abgetragen und systeme, hervorzuheben sind hier die typischen an anderer wieder abgelagert. Besonders nach flussbegleitenden Auwälder (S. 6 ff). einem Hochwasser. Dann kann ein Fluss plötzlich anders fließen als vorher, es bilden sich neue Flussschlingen. Im ehemaligen Flussbett bleiben Hochwasser bringt fruchtbaren Boden. Altarme und Altwasser, vom Hauptstrom abge- schnitten. Sie verlanden nach und nach – bis ein Auen sind durch nährstoffreiche Böden, einen neues Hochwasser wieder alles durchströmt und hohen Grundwasserstand und regelmäßige neu modelliert. Eine Aue ist ständig in Bewegung, Überschwemmungen gekennzeichnet. Jedes sie verändert laufend ihr Gesicht (S. 4 ff). Hochwasser lagert Sand, Schlick und Schlamm ab, der an anderer Stelle, v. a. im Oberlauf eines Flusses oder durch Einträge aus dem Umland, Hochwasser schafft Lebensräume. weggeschwemmt wurde. Dieser meist nährstoffreiche Schlamm ist der Grund, Tiere und Pflanzen der Aue sind an diesen ständigen warum Auwälder nicht nur zu den artenreichs- Wechsel zwischen trocken und nass angepasst. ten, sondern auch den wuchskräftigsten Dadurch liegen in einer Aue auch unterschied- Wäldern Mitteleuropas gehören. Und warum sie im Laufe der Geschichte oft anderen Nutzungen weichen mussten. Aueböden sind fruchtbar und bestens für die Landwirtschaft geeignet, vorausgesetzt, man bekommt das Hochwasser in den Griff. Damit Vom Wasser geprägt: waren Auen auch immer bevorzugtes Siedlungs- Auwälder bei Hochwasser. gebiet – zusammen mit den Vorteilen, die ein 왔 Hochwasser 왔 Mittelwasser rezente Aue Flussbett Deich ehemalige Aue / Altaue Fluss und Aue (Abb. 1.1): Bei Hochwasser wird der Wohnen am Fluss für Handel und Verkehr mit gesamte Talraum über- Typischer Auenbewohner: perfekt an den Lebensraum sich brachte. Die in den Flussauen so über schwemmt. angepasst. Jahrhunderte aufgebauten Werte (Gebäude, Infrastruktur etc.) sind aber heute meist das lichste Lebensräume sehr eng beieinander: trockene Problem, wenn der Fluss über die Ufer tritt – Kies- und Sandbänke neben Feuchtflächen, Bereiche und ein Naturereignis zur Katastrophe wird. mit stehendem und fließendem Wasser, üppig Mehr dazu in den nachfolgenden Kapiteln. Das Wichtigste in Kürze: • Jeder Fluss führt mal weniger, mal mehr Wasser mit sich. Manchmal tritt er auch über seine Ufer. • Bei Hochwasser überflutet der Fluss den angrenzenden Talraum, die Aue. • Hochwasser formt, gestaltet und prägt die Aue. Tiere und Pflanzen sind daran angepasst. Da Auen besonders fruchtbar sind, waren sie schon immer bevorzugtes Siedlungsgebiet. Deshalb kann das „Naturereignis Hochwasser“ für den Menschen zur Katastrophe werden. 3
Der natürliche Fluss. Alles fließt. Vor allem unsere Bäche und Flüsse. Sie sammeln Wasser aus Quellen und Niederschlägen und führen sie über eine mehr oder weniger lange Reise bis ins Meer. Dieses Kapitel erläutert, • welche Rolle ein Fluss im Wasserkreislauf spielt • wie ein Fluss von Natur aus fließt. Fluss-Systeme. Hochwasser Folie 2 Ins Meer und wieder zurück. dazugehörige Fließgewässer fließt. Dabei kann Flusseinzugsgebiete in Mitteleuropa. Quelle: UBA (2000) sich das Grundwassereinzugsgebiet vom oberirdi- Eider Flüsse und Bäche sind Teil des Wasserkreislaufes schen Einzugsgebiet durchaus unterscheiden. (Folie 1, Abb. 1.2). Von den Niederschlägen, e en Trave w Pe no Hamburg War Stettin Elbe er Bremen Od die über einer Landfläche abregnen, bleibt ein Bäche transportieren das Wasser weiter in Flüsse, Alle Berlin r Havel Weser Hannover Spree Em Magdeburg s Lippe Elbe Leine Saale Teil an Pflanzen haften oder auf dem Boden diese bilden Nebenflüsse von größeren Strömen, Mulde Ruhr t Neiße Dortmund tru Kassel Uns Leipzig Dresden Köln Sieg Rh ein We Fulda rra Lahn liegen. Von dort verdunstet das Wasser. Oder es die ein ganzes Flusssystem mit einem entspre- Koblenz Frankfurt el Main Mos Prag Mainz Pegnitz Würzburg Mo Naab Mannheim Nürnberg ldau Regen versickert im Erdboden und füllt den Grund- chend großen Einzugsgebiet bilden. Das Ein- Regensburg Altm üh Stuttgart Do l nau r ka Isar Passau Rhein Nec nau Do München Inn Linz Iller wasserspeicher, bis das Wasser aus Quellen zugsgebiet von großen Flüssen wie Rhein, Lech Basel Aare Allianz Umweltstiftung © wieder zu Tage tritt. Ein Teil der Niederschläge Donau oder Elbe kann viele Tausend Quadrat- Fluss-Systeme. fließt auch direkt oberflächlich ab. Dieses Wasser kilometer umfassen und sich über mehrere Folie 2 sammelt sich zusammen mit dem Quellwasser in Länder erstrecken (Folie 2). Bächen und Flüssen und strömt schließlich dem Je nach der Menge des anfallenden Wassers aus Meer zu. seinem Einzugsgebiet führt ein Fluss wenig, viel und im Extremfall auch sehr viel Wasser mit sich. Man spricht von Niedrigwasser, Mittelwasser (oder Normalwasser) und Hochwasser. Die Unterschiede zwischen Niedrig- und Hochwasser können je nach Fluss und auch je nach Fluss- abschnitt groß sein. Dazu zwei Beispiele: Der Niederschlag Verdunstung Wasserstand des Rheins bei Köln kann im Verdunstung Hochwasserfall über 7 m über dem Mittelwert Versickerung liegen. Der Inn bei Passau transportiert gewöhn- Abfluss Einzugsgebiet lich knapp 740 m3 Wasser pro Sekunde in die Donau, bei einem Extremhochwasser wurden Wasserkreislauf (Abb. 1.2): Verdunstungswasser von aber schon 6.700 m3/s gemessen. Land- und Meeresflächen Von seiner Quelle bis zur Mündung durchläuft Grenze Fluss speist die Niederschläge. der Fluss verschiedene Abschnitte, die jeweils Einzugsgebiet Flüsse sammeln das Niederschlagswasser und Meer auch ein charakteristisches Hochwasserverhalten führen es Richtung Meer. zeigen (Folie 3, Abb. 3.1): Das Wasser, das über dem Meer und den Land- oberflächen verdunstet, kondensiert zu Wolken Geballte Energie. und gelangt als Niederschlag wieder zurück zur Hochwasser Folie 3 Erde: ein immerwährender Kreislauf, angetrieben Im Oberlauf ist das Gefälle groß, der Gewässerver- durch die Kraft der Sonne. lauf gerade, das Bach-/Flussbett oft eingekerbt. Eine Flussabschnitte. Von der Quelle zur Mündung. nennenswerte Aue gibt es nicht. Die angrenzenden = Aue Oberlauf Mittellauf Unterlauf Delta Flächen des Einzugsgebietes fallen meist steil zum Prall- und Gleithang. Prallhang Jeder Fluss hat ein Einzugsgebiet. Gewässer ab. Dadurch sammelt sich Niederschlags- wasser rasch an, die Fließgeschwindigkeit im Sedimentation Erosion Gleithang Gleithang Gleithang Prallhang Prallhang Jeder Bach, jeder Fluss sammelt – entwässert – Gewässer ist hoch, Steine und Erde werden mit- Fluss und Grundwasser. das Wasser aus seinem Einzugsgebiet: über gerissen. Der Fluss erodiert und gräbt sich dabei Zuflüsse, Oberflächenabfluss und den Grundwasser- in den Untergrund ein (Tiefenerosion). strom. Das Einzugsgebiet ist definiert über Das Einzugsgebiet ist meist klein und gebirgig. Hochwasser Niedrigwasser Allianz Umweltstiftung © Flussabschnitte. Wasserscheiden, die höchsten Punkte im Gelände, Kurze, aber sehr starke Regenfälle – z. B. Folie 3 von denen das Oberflächenwasser hinab in das infolge eines heftigen Gewitters – können dem 4
In natura: Hier hat ein Hochwasser den Prallhang angerissen. Gewässer rasch erhebliche Wassermengen Breit und gemächlich. Gegenüber Auflandungen zutragen und kleine Rinnsale plötzlich in am Gleithang. reißende Wildbäche verwandeln. Werden dabei Im Unterlauf bzw. in den Tieflandbächen/-flüssen die Seitenhänge angerissen, kann es zu Hang- sind Gefälle und Fließgeschwindigkeit deutlich rutschungen und Murenabgängen kommen. reduziert. Anfangs halten sich Erosion und Muren, ein Gemisch aus Wasser, Erde, Schutt, Sedimentation die Waage, bei weiter abneh- Geröll und Holz, bewegen sich dabei unterschied- mendem Gefälle wird fast nur noch sedimentiert, Prallhang lich schnell: manchmal langsam, manchmal aber d. h. Material abgelagert. Der Strom bildet weite mit Geschwindigkeiten bis zu 50 km/h. Flussschlingen, so genannte Mäander. Bei Verklausungen entstehen, wenn sich mitgerissene Hochwasser tritt der Fluss oft weiträumig über die Gleithang Baumstämme und Geröll an Engstellen verkeilen Ufer und überschwemmt eine meist breite Aue, und das Wasser kurzzeitig aufstauen. Bricht diese z. T. kann der Fluss dabei auf mehrere Kilometer selbst geschaffene Barriere, können sehr große ausufern. Bei nachlassendem Hochwasser verbleibt Wassermassen mit ungeheurer Energie zu Tal viel Material wie Sand, Schlamm und Schlick in schießen und große Schäden anrichten. der Aue, die natürlichen Auwälder am Fluss gedeihen dadurch prächtig. Prall- und Gleithang Bei der Einmündung ins Meer – oder auch einen (Abb. 3.2): Erosion in der Außenkurve, Erosion und Sedimentation. großen See – lagert der Fluss die mitgeführten Sedimentation auf der Sedimente ab, im Mündungsbereich bildet sich Kurveninnenseite. Im Mittellauf nehmen Fließgeschwindigkeit und oft ein Delta. In der Nordsee entstehen aufgrund Gefälle ab. Es bilden sich Seitenarme und des großen Tidenhubs durch die Gezeiten Trichter- Flussschlingen, der Fluss pendelt mehr oder mündungen, so z. B. bei Ems, Weser und Elbe. minder stark durch eine Aue. Betrachtet man eine einzelne Flussschlinge, trägt der Fluss am außen liegenden Prallhang Material ab, er Unterirdisch verbunden. erodiert. Am innenliegenden Gleithang ist die Fließgeschwindigkeit geringer, der Fluss lässt Flüsse und Bäche sind im Untergrund mit dem Material zurück, sedimentiert (Folie 3, Abb. 3.2). Grundwasser verbunden, im angrenzenden Bei Hochwasser verlässt das Wasser das Flussbett Auenbereich ist dadurch der Wasserstand relativ und sucht sich seinen Weg durch die angren- hoch. Bei länger andauerndem Niedrigwasser sinkt zende Aue. Dabei entstehen im natürlichen Fluss in der Aue auch der Grundwasserstand. immer wieder neue Flussschlingen, Seitenarme Umgekehrt steigt bei längerem Hochwasserstand verschieben sich, Uferbereiche werden ange- der Grundwasserspiegel in der Aue an. In der rissen, das abgeschwemmte Material vom Folge werden manche Bereiche der Aue u. U. Hochwasser an anderer Stelle zu sogenannten auch nicht durch den ausufernden Fluss unter Brennen aufgeschoben. Wasser gesetzt, sondern von unten durch hoch- Schiebt sich immer drückendes Grundwasser. Das geschieht oft zeitver- weiter in den Chiemsee: = Aue setzt, d. h. das Hochwasser kann schon abgelaufen das Mündungsdelta der sein, während das Grundwasser noch steigt (Folie 3, Tiroler Ache. Abb. 3.3). Oberlauf Mittellauf Unterlauf Delta Von der Quelle zur Mündung (Abb. 3.1): Eine ausgeprägte Aue hat der Fluss erst ab dem Mittellauf. Niedrigwasser Das Wichtigste in Kürze: • Jeder Fluss entwässert ein zu ihm gehörendes Einzugsgebiet. Dabei bilden sich aus Zu-, Neben- und Hauptflüssen große Flusssysteme, deren Einzugsgebiete mehrere Tausend Quadratkilometer umfassen können. Hochwasser • Ein Fluss durchläuft von der Quelle zur Mündung verschiedene Abschnitte mit bestimmten Charakteristika und einem entsprechenden Hochwasserverhalten. Mal wird dabei mehr Material Fluss- und Grundwasser abgetragen (erodiert), mal eher Material angeschwemmt (sedimentiert). (Abb. 3.3): Der Grund- • Auch das Grundwasser ist mit dem Fluss verbunden. Es steigt und sinkt mit dem Hochwasser, wasserspiegel reagiert allerdings zeitversetzt. zeitversetzt auf ein Hochwasser. 5
Fluss und Aue. Intakte Auwälder haben etwas Urwaldartiges: mächtige, alte Bäume, umrankt von Kletterpflanzen, überall üppiges Wachstum, geheimnisvolle, versteckt lebende Bewohner. Und manchmal steht alles im Wasser. Dieses Kapitel zeigt • die verschiedenen Bereiche (Zonen) innerhalb einer Aue • typische Tiere und Pflanzen der Aue • die Bedeutung von Auen im Naturhaushalt und ihren aktuellen Zustand. Leben in der Aue. Hochwasser Folie 4 Im Rhythmus des Wassers. Im Bereich des mittleren Hochwassers, also einer Auenzonierung. Esche, Ahorn Buche u. a. Zone, die regelmäßig und auch längere Zeit über- Die flussbegleitende Aue mit ihrer Tier- und flutet wird, folgt die Weichholzaue. Sie bildet in Stiel-Eiche Ulme Strauch- und Silberweiden Pflanzenwelt ist vom ständigen Wechsel schwan- der Regel einen relativ schmalen Saum entlang Spitzenhochwasser mittleres Hochwasser Mittelwasser Niedrigwasser gehölzfreie Weichholzaue Hartholzaue Fluss Aue Auenspezialisten. kender Wasserstände geprägt. Hochwasser der Flüsse. zerstört dabei Lebensräume und schafft zugleich Hier wachsen vor allem Weiden, z. B. die neue. Für das einzelne Individuum, ein Tier Silberweide, aber auch verschiedene strauchartige Silberweide: Schlammling: Flussregenpfeifer: enorme Regenerationskraft keimt bei Niedrigwasser brütet auf Kiesbänken oder eine Pflanze, kann ein Hochwasser dabei Weidenarten. Sie überstehen Überflutungen bis Biber: gestaltet die Aue Kiemenfußkrebs (Triops): Seine Eier überdauern jahre- lang im Bodenschlamm. Wechselkröte: laicht in Hochwasser- tümpeln eine todbringende Katastrophe sein. Nach dem zu 4 m Höhe und einer Dauer von über 200 Allianz Umweltstiftung © Hochwasser werden die neu gestalteten Lebens- Tagen pro Jahr. Auch mechanische Belastungen Leben in der Aue. räume aber schnell wieder besiedelt, Tiere und durch eine starke Wasserströmung vertragen Folie 4 Pflanzen der Aue sind genau darauf spezialisiert. Weiden sehr gut. Ihre Zweige sind extrem elastisch. Brechen Stammteile ab, kann die Weide schnell wieder ausschlagen, abgebrochene So weit das Wasser reicht. Teile wurzeln neu. Mit ihren Zweigen kämmen sie Feinteile aus dem Wasser und schaffen sich so Je nachdem, wie oft, wie hoch und wie lange ihr eigenes Bodensubstrat. In ihren Wurzeln das Wasser im Jahresverlauf in der Aue steht, haben sie spezielle Luftzellen, sodass sie auch wachsen dort jeweils charakteristische unter der Wasserlinie wurzeln können. Den größten Teil der Aue umfasst meist die Esche, Buche Hartholzaue. Sie liegt höher und wird nur noch u. a. Ahorn unregelmäßig vom Hochwasser erreicht. Die Stiel-Eiche Ulme Strauch- und Zeitdauer der Überflutung ist kürzer, im Mittel Silberweiden 20–50 Tage pro Jahr, die Strömung deutlich geringer. Dadurch kann das Hochwasser viele Schwebstoffe absetzen, die Böden sind nährstoff- Spitzenhochwasser reich, das Pflanzenwachstum entsprechend üppig. mittleres Hochwasser Hartholzauwälder zeichnen sich durch eine reiche Mittelwasser Niedrigwasser Kraut- und Strauchschicht und meist mehrere gehölzfreie Weichholzaue Hartholzaue Fluss Aue Baumschichten aus. Hier wachsen Sträucher wie Weißdorn und Pfaffenhütchen sowie die Auenzonierung (Abb. 4.1): Das Hochwasser bestimmt, Wildformen von Apfel und Birne. Kletterpflanzen was wo wächst. Pflanzengesellschaften. Die Übergänge zwischen wie Efeu, Hopfen und Waldrebe umschlingen die den verschiedenen Bereichen, den Auenzonen, Bäume. In der Baumschicht dominieren Hart- sind aber fließend (Folie 4, Abb. 4.1). hölzer wie Stieleiche und Esche, begleitet von Flatter- und Feldulme sowie Berg- und Spitzahorn. Unmittelbar am Fluss, bis zur Höhe des mittleren Die Stieleiche verträgt Überschwemmungen bis Sommerwassers, findet sich die gehölzfreie Aue. zu 100 Tagen, wächst also eher im flussnäheren Da sie nur bei Niedrigwasser aus dem Wasser Teil der Hartholzaue. Weiter oben dominiert die ragt, können sich wegen der mechanischen Kräfte Esche, die nur eine Überflutungstoleranz von des Wassers und des häufigen Sauerstoffmangels 40 Tagen während der Vegetationszeit hat. keine Sträucher und Bäume halten. Auf den fluss- Die in Deutschland von Natur aus allgegen- nächsten Flächen findet man einjährige Kräuter wärtige Buche fehlt in der Hartholzaue, da sie (z. B. Barbarakrautfluren), daran anschließend Überschwemmungen – auch kurzzeitige – nicht Hartholzauwald. meist eine Zone mit Röhricht (Schilf u. a.). verträgt. 6
Hartholzauwälder zählen zu den wuchskräftigsten sind, bieten sie optimale Verstecke für Höhlen- und artenreichsten Wäldern in Mitteleuropa. bewohner wie Waldkauz und Fledermaus. Durch Flussregulierungen, Grundwasserabsen- Deshalb ist es wichtig, dass Kopfweiden weiter kungen und Umwandlung in landwirtschaftliche genutzt werden, da die Äste sonst durchwachsen Flächen sind naturnahe, noch regelmäßig vom und die Bäume auseinanderbrechen. Hochwasser beeinflusste Hartholzauwälder heute in Deutschland aber sehr selten geworden. Man Der Schlammling ist eine kleine krautige Pflanze, geht von nur noch 1% des ursprünglichen die auf vegetationsfreien Flächen siedelt, die bei Bestandes aus. niedrigem Wasserstand aus dem Wasser auftau- chen. Die Pflanze bildet schnell Samen, der vom Wasser verdriftet wird und sich im Schlamm Schlammling: keimt bei Leben zwischen Wasser und Land. ablagert. Fällt der Schlamm irgendwann trocken, Niedrigwasser. keimen die Samen und ein neuer Schlammling Die Tier- und Pflanzenwelt der Aue ist perfekt an wächst heran. die ständig wechselnden Wasserstände angepasst. Einige Beispiele (Folie 4, Abb. 4.2): Alte Hartholzauwälder mit einem hohen Anteil an totem Holz sind ein wahres Paradies z. B. Die Silberweide verträgt lange Überflutungen für Spechte und Fledermäuse. Beeindruckend und trotzt auch der mechanischen Energie des auch die Insektenwelt, hier sind viele seltene strömenden Wassers. Ihre Regenerationskraft bei Käferarten auf Totholz spezialisiert, wie der Verletzungen ist erstaunlich. Der Baum selbst Heldbock oder der Eremit. Auen sind auch durch eine reiche Vogelwelt gekennzeichnet. Neben vielen auch in der Um - gebung häufigen Arten sind Höhlenbewohner und vor allem die zahlreichen Sumpf- und Wasser- Eremit: ein typischer Alt- und Totholzbewohner vögel zu nennen. im Auwald. Der Eisvogel gräbt seine Brutröhre ca. 80 cm tief in lehmige Uferböschungen. Solche Uferanbrüche entstehen am natürlichen Fluss immer wieder neu nach Hochwassern. Der Flussuferläufer sucht mit seinem langen, dünnen Schnabel im Uferschlamm nach Würmern und Insekten, ein typischer Watvogel der Flussauen. Kiesbänke im Fluss sind begehrte Brutplätze für Flussseeschwalben oder den Flussregenpfeifer. Der Biber ist ein typischer Vertreter der Fluss- Silberweide: enorme Regenerationskraft. auen, der die Aue selbst aktiv umgestaltet und so wird nur maximal 80 Jahre alt, aber selbst aus zur Renaturierung und Belebung von Flussauen der Wurzel oder umgestürzten Stämmen können beiträgt. Eisvogel: gräbt seine Brutröhre in vom neue Triebe ausschlagen und ein neuer Baum Hochwasser angerissene wachsen. Der Same der Silberweide ist extrem Altarme und Altwasser gelten als Kinderstube für Ufer. klein und leicht, er wird durch die Luft ver- Fische. In intakten Flussauen wie etwa am breitet. Zum Keimen braucht er besondere Altrhein bei Stockstadt können über 40 verschie- Bedingungen, v. a. feuchten, vegetationslosen dene Fischarten gezählt werden. Boden wie z. B. unmittelbar nach einem Hoch- wasser. Da sich diese Bedingungen nicht jedes Im und am Gewässer finden sich auch zahlreiche Jahr ergeben, sind natürlich begründete Silber- Insektenarten: Wasserkäfer, Libellen und Schmetter- weidenwälder meist gleich alt. linge. Manche Arten sind auf bestimmte Futter- Die Regenerationskraft der Weide wurde jahr- pflanzen in der Aue angewiesen. Oft leben die hundertelang genutzt, indem die Silberweide Larven im Wasser, die fertigen Tiere suchen dann als Kopfweide regelmäßig geschnitten wurde. aber die Uferbereiche an Land auf. Die armdicken Äste fanden Verwendung als Brennholz, für Reb- und Zaunpfähle oder zur Ein besonderer Lebensraum ist die Aue auch für Uferbefestigung, die dünneren Zweige zum Amphibien, die perfekt an den Wechsel zwischen Libelle: lebt an ruhigen Flechten. Da alte Kopfweiden häufig innen hohl nass und trocken angepasst sind. Auch hier Altarmen des Flusses. 7
erfolgen Eiablage und Larvenstadium im Wasser, Faszination Aue. die übrige Zeit verbringen die Tiere meist an Land. Die Bedeutung von Auen für den Naturhaushalt, aber auch für den Menschen, ist hoch. Auen Der Kammmolch z. B. laicht in krautreichen sind ... Altwassern und lebt den Rest des Jahres im Auwald. • Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen • Wasserrückhalt und natürlicher Die Wechselkröte sucht im Frühjahr vegetations- Hochwasserschutz lose, flache Tümpel zum Laichen auf, wie sie • ein natürliches Klärwerk für das Gewässer nach einem Hochwasser entstehen. In solchen • Erholungsraum für den Menschen. Wechselkröte: laicht in Tümpeln sind Laich und Larven vor Fressfeinden Hochwassertümpeln. wie Fischen geschützt. Die Tümpel trocknen Wertvoller Lebensraum. später im Laufe des Sommers aus, so dass sich Auwälder gehören zu den artenreichsten Öko- keine Fischfauna entwickeln kann. systemen in Mitteleuropa. Auch die anstelle der Wälder in vielen Auen entstandenen extensiv Ein Auenspezialist ist auch der Kiemenfußkrebs genutzten Auwiesen gelten heute als wertvolle der Gattung Triops. Seine Eier können mehrere Lebensräume für speziell angepasste Arten, ins- Jahrzehnte im Boden „ruhen”. Wird der Boden besondere Insekten (Schmetterlinge). überflutet, schlüpfen die Larven innerhalb von Auen sind Rückzugsräume für viele seltene und 48 Stunden und entwickeln sich in ein bis zwei europaweit bedrohte Arten. Als bandförmige Wochen zum fertigen Krebs. Der Krebs selbst lebt Strukturen entlang der Bäche und Flüsse haben nur etwa drei Monate, bis dahin ist das Wasser Auen eine wichtige Funktion in der Biotop- längst verschwunden. vernetzung. Kiemenfußkrebs (Triops): Seine Eier überdauern jahre- In der Flussaue zuhause ist die Auwaldmücke, in Hochwasserbremse. lang im Bodenschlamm. der Rheinebene als „Rheinschnake” gefürchtet. Auen können im Hochwasserfall Wasser auf- Sie legt ihre Eier auf Flächen außerhalb des nehmen und zurückhalten und damit ein Wassers, aber noch dort, wo sie von Hochwasser Hochwasser entschärfen. Sie sind natürliche erreicht werden. Dort können sie ebenfalls Wasserrückhaltesysteme, sogenannte Retentions- mehrere Jahre überdauern, bis sie von einem räume. Auwälder bremsen durch ihren dichten Hochwasser „geweckt” werden. Ist es dann Bewuchs das Hochwasser und lassen Wasser warm und feucht, entwickeln sich die Mücken versickern bzw. geben es verzögert weiter. millionenfach und schwärmen aus. Die Larven schlüpfen dabei nur ab einer bestimmten Flussklärwerk. Extrem artenreich, aber Temperatur, dadurch wird ein Ausschlüpfen etwa Auwälder und Röhrichte filtern das Wasser und selten: intakte Auwälder, nach einem Winterhochwasser ausgeschlossen. tragen zur Selbstreinigung des Flusses bei. Der die noch vom Fluss über- schwemmt werden. 8
Durchatmen: Auwälder sind in den dicht besie- delten Flussauen echte Naturoasen. Zerbst B 184 Roßlau B 187a B 187 Aken Dessau B 107 Osternienburg Auenboden reinigt das Wasser auf dem Weg ins kann derzeit nur noch ein Drittel der ehemaligen B 185 Grundwasser. Eine wichtige Leistung, da z. T. Überschwemmungsflächen bei großen Hoch- Köthen auch Trinkwasser für die Bevölkerung aus fluss- wassern überflutet werden. An vielen Abschnitten Der Auenzustandsbericht nahen Bodenschichten und damit indirekt aus von Rhein, Elbe, Donau oder Oder sind es nur stellt fest: Viele Auen sind dem Fluss entnommen wird, so z. B. am Rhein. noch 10–20 %. intensiv genutzt und In der 5-stufigen Bewertungsskala zum Auen- können ihre Funktion kaum mehr erfüllen. Erholungsgebiet. zustand gelten von den rezenten, also aktuell Unsere Flussebenen sind überwiegend dicht noch überflutbaren Flussauen nur 1 % als sehr besiedelt. Siedlungen, Gewerbegebiete und gering, 9 % als gering verändert. Deutlich verän- Industrieanlagen sowie landwirtschaftlich dert (Klasse 3) sind 36 %, die restlichen 54 % genutzte Flächen begleiten die großen Flüsse in verteilen sich auf die Klassen 4 (stark verändert) Mitteleuropa. Umso wichtiger sind intakte und 5 (sehr stark verändert). Flussauen mit naturnahen Auwäldern als Über ein Drittel der rezenten Auen sind intensiv Hochwasser Folie 5 Erholungsraum für den Menschen. Alte Auwälder Flussauen in Deutschland. als Acker-, Siedlungs-, Verkehrs- und Gewerbe- Zustand der Flussauen in Deutschland. (Angaben in Klammern: untersuchte Flusslänge) Quelle: BfN/Geodienste-Flussauen (2014) mit imposanten, mächtigen Eichen und 40 m flächen genutzt, nur 13 % sind Wälder, wobei der Donau (532 km) rezente Aue 26,1 % ehemalige Aue 67,8 % Fluss rezente Aue hohen Eschen, umrankt von Efeu und Waldrebe, größte Teil davon keinen Auwaldcharakter mehr Elbe (590 km) rezente Aue 19,4 % ehemalige Aue 76,1 % ehemalige Aue Oder (167 km) haben eine besondere Ausstrahlung. hat. Nur noch ca. 57 km2 können bundesweit als rezente Aue 9,7 % Kleingewässer, ehemalige Aue 88,2 % Feuchtgebiete u. a. Rhein (808 km) Wald rezente Aue 20,0 % naturnahe Hartholzauwälder bezeichnet werden Grünland ehemalige Aue 70,9 % Acker Weser (377 km) Siedlung rezente Aue 55,9 % ehemalige Aue 39,4 % – ein Waldtyp, der ursprünglich überall entlang Beispiel Mittlere Elbe. (Mündungsgebiet der Mulde bei Dessau) Quelle: BfN/Geodienste-Flussauen (2014) Wo sind sie geblieben ... der großen Flüsse wuchs. Zerbst Fluss B 184 B 107 Roßlau A9 Coswig B 187a B 187 rezente Aue überwiegend Wald und Grünland Beim Grünland ist der überwiegende Teil intensiv Dessau Wörlitz Aken B 107 ehemalige Aue Osternienburg überwiegend Ackerfläche B 185 Oranienbaum Der Auenzustandsbericht des Bundesamtes für genutzt, extensiv genutztes Feuchtgrünland ist Köthen Siedlungen Allianz Umweltstiftung © Naturschutz gibt einen Überblick über die aktu- kaum mehr vertreten, auch Feuchtgebiete kommen Flussauen in Deutschland. elle Situation der Auen in Deutschland. Demnach nur noch auf 2 % der rezenten Aue vor (Folie 5). Folie 5 Das Wichtigste in Kürze: • Die Aue weist bedingt durch Höhe, Dauer und Häufigkeit von Hochwassern eine charakteristische Zonierung auf. • An den ständigen Wechsel zwischen Hoch- und Niedrigwasser sind zahlreiche Tier- und Pflanzenarten angepasst. Auen zählen dabei zu den artenreichsten Ökosystemen in Mitteleuropa, besonders gilt das für die Auwälder. • Intakte Flussauen üben wichtige Funktionen im Naturhaushalt aus. Sie bieten Lebensraum, sie bremsen Hochwasser und reinigen den Fluss. Und sie sind wichtige Erholungsgebiete für den Menschen. • Naturnahe Auen sind an unseren Flüssen heute selten, die Talräume werden vielfach intensiv genutzt. Von den einst weitverbreiteten Auwäldern sind nur noch isolierte Restflächen verblieben. 9
Wie ein Hochwasser entsteht. Auslöser von heftigen Hochwassern sind fast immer sintflutartige Regenfälle. Wie stark ein Hochwasser ausfällt, bestimmen noch andere Faktoren. Und an manchen „Schrauben“ dreht auch der Mensch ... Dieses Kapitel informiert über • die Ursachen von Hochwasser • Faktoren, die Ausmaß und Verlauf eines Hochwassers beeinflussen. Hochwasserfaktoren I. Hochwasser Folie 6 Mehr Wasser als normal. Niederschlag lässt das Fass überlaufen. Quelle: nach Hochwasserwelle. Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft (2004) Pegelstand Hochwasserscheitel Ganglinie Pegel A Ganglinie Pegel B An allen größeren Fließgewässern in Europa Der wichtigste Faktor für die Entstehung von werden heute die Wasserstände an Pegeln regel- Hochwasser sind Niederschläge. Dabei ist Regen Zeit 12:00 12:00 12:00 12:00 12:00 Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Pegel A Pegel B Laufzeit 48 Std. Niederschlag – Beispiel Vb-Wetterlage. ca. 200 km mäßig gemessen und kontrolliert. Aneinander- nicht gleich Regen: 1 kalte Luft dringt gereiht ergeben die einzelnen Messwerte für T jeden Pegel eine Ganglinie des Wasserstandes, Konvektive Niederschläge oder Starkregen sind nach Süden normale Zugbahn Tief zieht nach Norden und gleitet an der sich Veränderungen gut ablesen lassen. meist von Gewittern begleitet und liefern hohe 4 auf Kaltluft: Abkühlung und starke Niederschläge Alpen 2 Tief weicht nach Süden T Im Hochwasserfall ist diese Ganglinie sehr aus- Niederschlagsmengen in kurzer Zeit auf sehr aus Tief verstärkt sich 3 und nimmt große Wassermengen auf Allianz Umweltstiftung © geprägt und macht sich als Hochwasserwelle begrenzter Fläche. Im Extremfall sind 100 l/m2 Hochwasserfaktoren I. bemerkbar, der Wasserstand steigt über Tage in einer Stunde möglich, oft regnet es wenige Folie 6 oder Stunden bis zu einem Hochwasserscheitel Kilometer entfernt gar nicht. Diese Nieder- und fällt danach wieder mehr oder minder schläge können kleine, unscheinbare Bäche innerhalb von Minuten in reißende Ströme Wasserwirtschaft (20 Pegelstand verwandeln und Sturzfluten mit großer Hochwasserscheitel Zerstörungskraft auslösen, die sich auch kaum vorhersagen lassen. Auf die Pegelstände großer Ganglinie Pegel A Flüsse haben solche kleinräumigen Starkregen- Ganglinie Pegel B fälle keinen nennenswerten Einfluss. Die Gefahr für ein wirklich schweres Hochwasser Zeit an einem großen Fluss ist erst bei hohen 12:00 12:00 12:00 12:00 12:00 Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Niederschlagsmengen gegeben, die langanhaltend Pegel A Pegel B und großflächig abregnen. Dann ist der Boden Laufzeit 48 Std. irgendwann wassergesättigt, das Wasser aus einem großen Einzugsgebiet sammelt sich über viele Zuflüsse und kann vom Flussbett nicht ca. 200 km mehr aufgenommen werden. Auch das Zusammentreffen von Dauerregen und Schnee- Hochwasserwelle (Abb. 6.1): schnell ab (Folie 6, Abb. 6.1). Je nach Verlauf schmelze kann zu hohen Pegelständen führen. Pegelmessungen an ver- schiedenen Orten dokumen- eines Hochwassers gibt es flache und steile tieren Höhe und Laufzeit der Wellen. Über kontinuierliche Messungen an i Außergewöhnlich viel Niederschlag Welle. verschiedenen Pegeln entlang des Flusslaufes lässt sich auch die Laufzeit einer Welle bestimmen, Beim Oderhochwasser im Sommer 1997 was Vorhersagen über den weiteren Hochwasser- fiel innerhalb von drei Wochen die sonst in verlauf ermöglicht. einem halben Jahr übliche Regenmenge. Im Auslöser von Hochwasser sind fast immer starke Süden Polens und im Osten Tschechiens Niederschläge oder die Schneeschmelze. Ob wurden im Bergland innerhalb weniger Tage daraus nur leichte Überschwemmungen oder sogar mehr als die vier- bis fünffache Menge eine Hochwasserkatastrophe werden, hängt von eines „normalen“ Juli registriert. unterschiedlichen Faktoren ab: • Dauer und Intensität des Niederschlags Im Wechsel der Jahreszeiten. • Form und Gestalt des Einzugsgebietes Im Sommer sind sogenannte Vb-Wetterlagen • Bodenbeschaffenheit (sprich: Fünf-B) oft für besonders dramatische Dauerregen lässt Flüsse • Vegetation und Nutzung Hochwasserereignisse verantwortlich (Folie 6, über die Ufer treten. • Gewässerzustand/-ausbau Abb. 6.2). Auslöser dieser eher seltenen 10
Wassersammler – das Einzugsgebiet. Hochwasserfaktoren II. Hochwasser Folie 7 Einzugsgebiete. 1 runde Form gestreckte Form kalte Luft dringt Jeder Bach, jeder Fluss hat ein Einzugsgebiet, aus T Flusslauf Grenze des Einzugsgebietes Abfluss nach Süden dem er sein Wasser bezieht. Große Flusssysteme Abfluss normale Zeit Zeit Zugbahn setzen sich aus den Einzugsgebieten aller Zu- und Quelle: nach Nutzung und Vegetation. Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft (2004) Niederschlag und oberirdischer Abfluss in Liter pro m2 und Stunde Niederschlag 60 100 20 Nebenflüsse zusammen. Undurchlässige Abfluss Fläche (Asphalt) 20 60 100 Tief zieht nach Norden und gleitet Versickerung 4 auf Kaltluft: Abkühlung und starke 60 Größe, Form und Geländerelief des Einzugsgebietes 20 100 Acker (Getreide) 3 25 60 Niederschläge 17 35 40 Alpen haben Einfluss auf die Abflussbildung und damit 60 100 20 2 Viehweide 18 2 40 20 50 50 Tief weicht auf Stärke und Ablauf eines Hochwassers (Folie 20 60 100 T dichter Wald 10 35 nach Süden 20 50 65 7, Abb. 7.1). Bei großem Gefälle und kurzen aus Allianz Umweltstiftung © Tief verstärkt sich 3 und nimmt große Wassermengen auf Wegen strömt das Wasser schnell zusammen. Hochwasserfaktoren II. Bei runden Einzugsgebieten trifft das abfließende Folie 7 Vb-Wetterlage (Abb. 6.2): besonders niederschlagsträchtig. Wasser zudem aus allen Teilen des Gebietes gleichzeitig zusammen. Daraus ergibt sich eine Großwetterlage ist ein starkes Tiefdruckgebiet kurze, aber sehr steile Hochwasserwelle. In lang- gestreckte Form über dem westlichen Mittelmeer, das an seiner gezogenen Einzugsgebieten entstehen dagegen östlichen Seite feuchtwarme Luft nach Mittel- lange, aber flachere Abflusswellen. Zu einer Flusslauf Grenze des Einzugsgebietes europa schaufelt. Dort gleitet diese auf boden- Wellenüberlagerung kommt es, wenn die Wellen nahe Kaltluft, Ergebnis sind ergiebige, manchmal zweier Zuflüsse aufeinandertreffen. Abfluss über Tage andauernde Regenfälle. Im ungünstigs- Problematisch ist auch das Zusammentreffen Zeit ten Fall wird die Luft gegen die Nordränder der der Hochwasserwellen eines Haupt- und eines Alpen bzw. der Mittelgebirge gedrückt, was die Nebenflusses: Der Nebenfluss kann sich dann runde Form Regenmengen dort zusätzlich intensiviert. gefährlich zurückstauen. Im Winter sind Niederschläge zunächst in Form Abfluss von Schnee gespeichert. Bei einem plötzlichen Ein natürlicher Schwamm – der Boden. Temperaturanstieg entsteht dann allerdings viel Schmelzwasser. Zusätzliche, ergiebige Regenfälle, Wie viel vom Niederschlag in welcher Zeit Zeit die z. T. noch auf gefrorenen Boden auftreffen, versickert und wie viel abfließt, hängt auch Einzugsgebiete (Abb. 7.1): können dann schnell zu einer kritischen Hoch- von den Eigenschaften des Bodens ab. Wie Größe, Form und wassersituation führen. bei einem Schwamm dringt das Wasser in die Relief beeinflussen ein Hochwasser. In den Mittelgebirgen mit vergleichsweise geringer Bodenhohlräume. Erst wenn dieser Schwamm Schneebedeckung kann plötzlich eintretendes Tauwetter mitten im Winter große Gebiete erfassen und zu hohen Abflusswerten führen (Winterhochwasser). In den Alpen setzt dagegen das Tauwetter nur langsam ein. Gefahr besteht an den Alpenflüssen v. a. im Frühsommer, wenn Dauerregen den Restschneemengen in den Hochlagen zusetzt und neben dem Regen viel Schmelzwasser anfällt. Hochwasser entsteht auch durch Eisstau: Auf dem Wasser treibende Eisschollen verkeilen sich an Engstellen im Fluss oder an Brückenpfeilern und behindern den Abfluss. Beim Durchbrechen der Eisbarriere (Eisstoß) kann es dann zu einer Wassergesättigt: Dieser sehr hohen und steilen Hochwasserwelle kommen. voll ist, fließt das Wasser vollständig oberirdisch Boden kann kein Wasser ab. Messbar ist die Versickerung über die mehr aufnehmen. Was macht der Klimawandel mit dem Regen? Infiltrationsrate (z. B. l/m2 pro Stunde). Kies Niederschlag galt bislang als natürlicher, vom und Sand können in ihren großen, vielfach Menschen nicht beeinflussbarer Hochwasser- verbundenen Poren schnell und viel Wasser faktor. Im Zuge des Klimawandels rechnen aufnehmen. Auch lockerer, humoser Waldboden Wissenschaftler für Mitteleuropa aber mit einer ist meist sehr aufnahmefähig. Tonböden wirken Erhöhung der Niederschlagsmengen insgesamt dagegen wie eine Stauschicht. und mit Veränderungen im Niederschlags- Nach tagelangem Dauerregen ist allerdings geschehen. Beides deutet auf eine Verstärkung jeder Boden wassergesättigt. Gleiches gilt bei der Hochwassergefahr hin. gefrorenem Boden. Dann verhält sich der Boden 11
wie eine Betonfläche – alles fließt ab. Bei aus, wobei etwa die Hälfte davon tatsächlich 60 großräumigen und langanhaltenden Nieder- versiegelt ist. Diese Flächen, also etwa 5-6 %, schlägen, die Einzugsgebiete ganzer Fluss- sind wasserundurchlässig, bei Regen fließt das 10 systeme abdecken, spielt deshalb der Faktor Wasser ungebremst ab. Und der Bedarf steigt Boden ab einem bestimmten Zeitpunkt keine weiter: Zwischen 2006 und 2009 wurden in 50 Rolle mehr. Deutschland täglich 43 ha (= 61 Fußballfelder) versiegelt. 60 Anderseits kann auf knapp 95 % der Landes- i Extreme Bodenfeuchte fläche das Wasser noch mehr oder minder gut 25 versickern. Trotzdem: In kleinen Einzugs- Beim Junihochwasser 2013 waren aufgrund gebieten, zumal wenn sie dicht besiedelt sind, 35 eines ungewöhnlich nassen Mai schon im hat der Versiegelungsgrad bei kurzzeitigen Niederschlag und oberirdi- Vorfeld 40 % der Böden in Deutschland Starkregenereignissen sowie bei kleineren scher Abfluss (Abb. 7.2): extrem feucht. Die dann einsetzenden ergie- Hochwassern durchaus Einfluss. Untersuchungen Im Wald versickert viel, auf Ackerfächen fließt viel ab. bigen Niederschläge ließen schnell große an Flussmodellen haben dies dokumentiert: Wassermengen oberflächlich ablaufen – der Die Spitzenabflüsse von kleinen und häufigen Bodenschwamm war voll! Hochwassern sind heute um 40–60 % höher als früher, die Hochwasserwellen steiler, aber auch kürzer. Eine Schutzdecke – die Vegetation. Bei großen Hochwassern, die ganze Flusssysteme Wer sich bei beginnendem Regen unter einen betreffen, darf der Einfluss der Versiegelung Baum stellt, kennt den Effekt: Der Regen bleibt allerdings nicht überbewertet werden, zumal zuerst an den Blättern hängen, bevor er den nach langanhaltenden Regenfällen oder Frost Boden erreicht. Ein Wald kann so bis zu 5 l/m2 der Boden ohnehin nicht mehr wasseraufnahme- im „Tropfenkleid“ festhalten, eine Wiese bis zu fähig ist. Dann ist es egal, ob er künstlich oder 2 l/m2. Zudem lockert Bewuchs den Boden, natürlich versiegelt ist. Wasser kann besser versickern. So liegt die Infiltrationrate bei Wald im Durch- Zu nah am Fluss. schnitt bei bis zu 60–75 l/m2 pro Stunde. Ein Schon immer siedelten die Menschen an Flüssen. Niederschlag von 20 l/m2 wird komplett auf- Das brachte Vorteile, denn Flüsse waren genommen, selbst bei einem Niederschlag von Verkehrs- und Handelswege. Man rodetete 100 l/m2 fließen nur ca. 35 l ab. Bei einer Auwälder, legte Felder an und schützte die Viehweide sind es schon 50 l, bei einem Acker Siedlungen durch Deiche. Die Folge: Bei mit Getreide ca. 60 l Abfluss (Folie 7, Abb. 7.2). Hochwasser hat der Fluss immer weniger Raum, Versiegelt: Hier kann kein sich in seiner Aue auszubreiten. Erst bei einem Wasser versickern. Deichbruch flutet er den ursprünglichen Einfluss mit Einfluss – die Nutzung. Talraum und überschwemmt alles, was dort inzwischen gebaut und geschaffen wurde. Die Landfläche Mitteleuropas ist dicht besiedelt und in weiten Teilen intensiv genutzt. Damit Die alten Siedlungskerne liegen dabei an vielen nimmt der Mensch auch Einfluss auf das Flüssen oft außerhalb der stark von Hochwasser Hochwassergeschehen. Wie dargestellt, reduzieren betroffenen Bereiche. Erst später im Mittelalter Wälder den Oberflächenabfluss deutlich, wurden tiefer liegende oder flussnahe Bereiche Ackerflächen weniger. Besonders negativ wirkt besiedelt. Ab dem 19. und besonders dann im sich z. B. Maisanbau aus, weil die Maispflanzen 20. Jahrhundert setzte eine intensive Bautätigkeit erst spät aufwachsen und der Boden gerade in der Aue ein, die auf die Hochwassergefahr oft während der Starkniederschläge im Frühsommer wenig Rücksicht nahm. Der Bau von Siedlungen, kaum geschützt ist. Viele Ackerböden sind auch Industrieanlagen oder Infrastruktureinrichtungen durch Bodenbearbeitung mit schweren führt dabei in überflutungsgefährdeten Bereichen Maschinen stark verdichtet, sodass sie wenig zu einer starken Konzentration von Werten. Ein Regenwasser aufnehmen können. Und viele weiteres Problem: Kommt es längere Zeit nicht Böden sind inzwischen auch überbaut: zu einem großen Hochwasser, geht auch das Gespür für die Gefahr am Fluss verloren und die Versiegelt und dicht gemacht. Bevölkerung fühlt sich im Schutz der Deiche in Nah am Fluss: Bei Hoch- Siedlungs- und Verkehrsflächen machen in Sicherheit. Jeder Deich kann diese aber nur bis wasser sind die Keller voll. Deutschland 13 % der gesamten Staatsfläche zu einem gewissem Grad garantieren. 12
Flüsse im Korsett – Gewässerausbau. Diese Maßnahmen hatte aber Folgen, die so Hochwasser Folie 8 zunächst nicht bedacht worden waren und oft Hochwasserfaktoren III. Quelle: Bayerisches Landesamt Veränderung der Auen. für Wasserwirtschaft (2004) Fluss Auwald Unsere Flüsse und Bäche sind heute in weiten weitere Eingriffe notwendig machten bzw. machen: Ackerfläche Grünland Siedlung Deich Teilen vom Menschen geformt. An den großen Die Begradigung und Verkürzung der Fluss- und Abfluss Urzustand 1900 2000 Strömen wie Rhein oder Elbe begann der Bachläufe erhöht die Abflussgeschwindigkeit. Die Tag 1 2 3 4 Tag 1 Gewässerausbau – Beispiel nördlicher Oberrhein. 2 3 4 Tag 1 2 3 4 Ausbau schon vor 200 Jahren, v. a. nach dem Wassermengen der Zuflüsse werden so beschleu- 1816 Worms 2. Weltkrieg wurden auch kleinere Gewässer in nigt im Flusssystem gesammelt, Hochwasserwellen Germersheim Ludwigshafen Speyer Mannheim Karlsruhe 10 km N großer Zahl umgestaltet – begradigt, kanalisiert, durchlaufen den Fluss schneller und ausgeprägter. 1977 Worms verrohrt. Auf Entstehung und Verlauf eines Im ungünstigsten Fall treffen die Wellen von Germersheim Ludwigshafen Speyer Mannheim Karlsruhe 10 km N Hochwassers haben viele dieser Maßnahmen Haupt- und Nebenfluss direkt aufeinander und Allianz Umweltstiftung © erheblichen Einfluss (Folie 8, Abb. 8.1). überlagern sich. Zudem verringert die beschleu- Hochwasserfaktoren III. nigte Ableitung zwar die Hochwassergefahr Folie 8 Die ersten bedeutenden Regulierungen Anfang beim Oberlieger des Flusses, verstärkt sie aber des 19. Jahrhunderts hatten zunächst folgende für die Unterlieger und verlagert sie so nur. Ziele: Und: Je weniger Platz ein Fluss hat, bei Hochwasser Worms 1977 • Verbesserung der Schiffbarkeit und Flößerei auszuufern, desto höher und schneller wird die durch breitere, tiefere und vor allem beständi- Hochwasserwelle. Die Flussbaumaßnahmen Mannheim gere Fahrrinnen. haben die Überschwemmungsflächen entlang der Ludwigshafen • Besserer Hochwasserschutz der Talräume Flüsse drastisch reduziert, die Flüsse wurden • Absenkung des Grundwasserstandes zur vielfach von ihrer Aue getrennt. besseren landwirtschaftlichen Nutzung der Aue. Speyer 1816 Um diese Ziele zu erreichen, wurden die Ufer i Gewässerausbau befestigt, der Fluss begradigt, Flussschlingen und Germersheim Seitenarme abgetrennt. Zusätzlich wurden Die erste großräumige Flusskorrektur am Oberrhein begann 1817, später folgten weitere. Fluss Zwischen Basel und Karlsruhe wurde der Auwald Ackerfläche Flusslauf um rund 80 km verkürzt. Die Grünland Siedlung Überschwemmungsfläche schrumpfte von ca. Karlsruhe Deich 1.000 km2 auf nur noch 130 km2. Die Laufzeit der Hochwasserwelle zwischen beiden Städten Gewässerausbau (Abb. 8.2): Urzustand 1900 2000 hat sich halbiert. Das Hochwasser aus dem Beispiel Oberrhein. Abfluss Oberrhein überlagert sich damit häufiger mit den sonst vorauslaufenden Hochwasserscheiteln von Neckar, Nahe und Mosel. Tag 1 2 3 4 Tag 1 2 3 4 Tag 1 2 3 4 Veränderung der Auen (Abb. 8.1): Der Flussverlauf wird An der Donau beschleunigte der Flussausbau begradigt, Äcker und Siedlungen verdrängen den ursprüngli- die Laufzeit einer Welle zwischen Ingolstadt chen Auwald. und Regensburg von einst 24 auf heute Staustufen gebaut, um die Schiffbarkeit ganzjährig 12 Stunden, zwischen Regensburg und Passau zu gewährleisten, später auch um Strom zu von 40 auf 30 Stunden. gewinnen. Die Deiche zum Schutz der Talräume An der Elbe reduzierte sich auf deutschem wurden teilweise sehr nah an die Flüsse heran - Staatsgebiet die Überschwemmungsfläche von gezogen, um möglichst große hochwasserfreie 6.172 km2 auf heute 838 km2, das entspricht Flächen zu schaffen (Folie 8, Abb. 8.2). einer Abnahme um 86 %. Das Wichtigste in Kürze: • Auslöser von Hochwasser sind Niederschläge oder die Schneeschmelze. Für starke Hochwasser an großen Flüssen sind fast immer langanhaltende, großflächige Regenfälle verantwortlich. • Auch Größe, Form und Relief des Einzugsgebietes beeinflussen Stärke und Ablauf eines Hochwassers. • Einen Teil des Niederschlags kann der Boden aufnehmen, ab einer bestimmten Menge ist er aber wassergesättigt, dann fließt Regenwasser großflächig oberirdisch ab. • Die Nutzung der Landoberfläche entscheidet mit darüber, wie viel Niederschlagswasser im Boden versickert und wie viel abfließt. Verschlungener Lauf: • Flussregulierungen haben die Hochwasserproblematik teilweise verschärft. Besonders nachteilig wirkt Solche Flussabschnitte sich dabei der Verlust von Überschwemmungsflächen aus. gibt es in Mitteleuropa kaum noch. 13
Land unter. „... und über die Mauern der Stadt Köln fuhr man mit Kähnen ... und die Schleusen des Himmels waren offen, und es fiel Regen auf die Erde wie im 600. Jahre von Noahs Leben ...“ (aus einem historischen Bericht zur Magdalenenflut 1342) Dieses Kapitel gibt einen Überblick über • bedeutende Hochwasserereignisse in historischer Zeit und heute, ihre Ursachen und Folgen. Hochwasser sind nicht immer gleich. In früheren Zeiten behalf man sich mit Hoch - wassermarken an Gebäuden und Ufermauern, Hochwasser begleiten den Menschen, seit er an die z. T. noch heute existieren und wichtige Flüssen wohnt. Um die Stärke verschiedener Hinweise zur Höhe historischer Hochwasser Hochwasser vergleichen zu können, hat man den geben. Zusammen mit Berichten aus Chroniken Begriff der Jährlichkeit eingeführt. Sie ermittelt lassen sich schwere Hochwasser ab ca. 1000 sich aus statistischen Auswertungen und der n. Chr. einigermaßen rekonstruieren und ein- Beobachtung eines Flusses über einen langen ordnen. Zeitraum und beschreibt die Wahrscheinlichkeit Ab dem 19. Jahrhundert beginnen an vielen für das Eintreten eines Hochwassers mit einer großen Flüssen in den mitteleuropäischen bestimmten Wasserstandshöhe und Durchfluss- Staaten die regelmäßigen Pegelaufzeichnungen. menge (Wiederkehrsintervall). Es werden z. B. In Bayern beispielsweise entstand das erste Netz Wasserstandsmessung: Hochwasser unterschieden, die im langjährigen mit 65 Messpegeln 1821, gemessen wurde Am Pegel kann die exakte Mittel alle 5, 10, 50 oder 100 Jahre auftreten täglich, bei Hochwasser auch öfter. Damit liegen Höhe ermittelt werden. (bezeichnet z. B. mit HQ 100). Letztere – oft verlässliche Daten vor, aus denen sich konkrete auch als „Jahrhunderthochwasser” bezeichnet – Vergleiche ableiten lassen. Heute werden an sind besonders gefährlich, weil sie sich dem Pegeln neben dem Wasserstand auch die Erinnerungsvermögen einer Generation entziehen Fließgeschwindigkeit, die Durchflussmenge und und dazu verführen, in hochwassergefährdetem andere Parameter gemessen bzw. ermittelt. Gebiet zu siedeln. Natürliche Erosion und Auflandungen wie auch Dabei kann es durchaus sein, dass sich „hundert- menschliche Eingriffe in den Fluss haben bei jährliche” Hochwasser in deutlich kürzeren manchen Pegeln zu Veränderungen des Pegel- Abständen wiederholen. Die Bezeichnung nullpunktes geführt. Dies muss beim Vergleich HQ 100 sagt nur, dass ein solches Hochwasser heutiger mit früheren Messungen berücksichtigt statistisch gesehen 10 x in 1000 Jahren eintritt. werden. Eine Frage wird immer wieder gestellt: Sind die Hochwasser heute heftiger als früher und treten sie häufiger auf? Hier hilft ein Blick auf bedeu- Nichts Neues in der Geschichte. tende Hochwasserereignisse der Geschichte sowie in jüngster Zeit (Folie 9). Hochwasserkatastrophen, die Hab und Gut ver- Historische Vergleiche: nichten sowie Menschenleben fordern, gab es Hochwassermarken an schon immer – zu allen Zeiten und überall auf alten Bauwerken. Was sagen die Pegel? der Welt, wo Menschen in Flussgebieten leben. Doch was löste jeweils das Hochwasser aus? Hochwasser Folie 9 Ein wichtiges Kriterium zur Bestimmung der Was machte es zur Katastrophe? Und was lässt Stärke eines Hochwassers ist der Wasser- bzw. sich daraus lernen? Dazu einige Beispiele: Hochwasserereignisse. Bedeutende Hochwasser in Mitteleuropa und weltweit im Überblick. Jahr betroffenes Gebiet Bemerkung Pegelstand. Er ist abhängig von der Wasser - … 1343 Mitteleuropa > Rhein/Main, Donau u. a. „Magdalenenflut“, sog. Jahrtausendhochwasser große Schäden, geschätzt 6.000 Tote … 1501 Mitteleuropa/Alpen > Elbe, Donau eines der höchsten Hochwasser in Mitteleuropa, Rekordmarken noch in einigen Altstädten markiert menge, die einen definierten Querschnitt, das … Ein Jahrtausendereignis – Die Magdalenenflut 1342. 1845 Sachsen > Elbe stärkstes bislang gemessenes Frühjahrshochwasser an der Elbe 1887 China > Gelber Fluss geschätzt 900.000 bis 2 Mio. Tote … 1925/26 Mitteleuropa > Rhein Rekordhochwasser, u. a. in Köln, bislang nicht wieder erreicht Hochwasserabflussprofil, durchströmt. Mit dem Wahrscheinlich das heftigste Hochwasser, das 1927 Nordamerika > Mississippi eine der größten Flutkatastrophen in den USA, 700.000 Menschen evakuiert 1931 China > u. a. Gelber Fluss geschätzt 3,7–4 Mio. Tote … 1947 Brandenburg > Oder/Oderbruch stärkstes Hochwasser an der Oder im 20. Jahrhundert … Pegelstand verknüpft ist auch der Hochwasser- weite Teile Mitteleuropas je heimsuchte und 1954 Mitteleuropa > Elbe, Donau Rekordmarken u. a. an Donau und Inn, v. a. in Passau … 1993 Mitteleuropa > Rhein vielerorts nur knapp unter den Rekordmarken von 1926, z. T. auch darüber, ca. 400–500 Mio. Euro Schäden 1995 Mitteleuropa > Rhein vielerorts nur knapp unter den Rekordmarken von 1926 1997 Ostdeutschland, Polen > Oder 300.000 Menschen evakuiert, hohe Sachschäden schutz. Deichhöhen orientieren sich z. B. oft am vielfach als Jahrtausendflut in die Geschichte (über 4 Mrd. Euro), 114 Tote in Polen und Tschechien 1998 China > Jangtsekiang über 3.700 Tote, 15 Mio. Obdachlose, Schäden geschätzt ca. 26 Mrd. US-Dollar 1999 Mitteleuropa/Alpen > sog. „Pfingsthochwasser“, hohe Schadenssummen, Donau, Alpenzuflüsse, Rhein 12 Tote 2002 Mitteleuropa (mit Österreich, Tschechien) > „Jahrtausendhochwasser“ an der Elbe, 370.000 Menschen Elbe, Donau evakuiert, mind. 15 Mrd. Euro Schäden, mind. 45 Tote Pegel eines 100-jährlichen Hochwassers. Auch einging, ereignete sich am St. Magdalenentag 2005 Alpen, Karpaten, Balkan > Muren, Erdrutsche, über 30 Todesopfer, über 3 Mrd. Euro Alpenflüsse bis unterer Donauraum Schäden 2006 Ostdeutschland, Tschechien > Elbe eines der schwersten Elbhochwasser, mehrere Tote 2007 Alpen, v. a. Schweiz > Alpenflüsse „4. Jahrhunderthochwasser seit 1999“ in der Schweiz, Muren, Erdrutsche 2009 Mitteleuropa/Alpen mit Karpaten, Balkan > mehrere 100 Mio. Euro Schäden, mind. 21 Tote welche Schutzmaßnahmen im Hochwasserfall (21. Juli) 1342. Die Chroniken berichten von Donau, Moldau, Oder 2010 östl. Mitteleuropa > Oder, Weichsel große Schäden, über 30 Tote, v. a. in Polen 2010 Pakistan > Indus weite Teile des Landes betroffen mit 14 Mio. Menschen, ca. 1.700 Tote 2011 Thailand fast 12 % des Landes unter Wasser, ca. 400 Tote 2013 Mitteleuropa > Elbe, Donau bisherige Rekordmarken teilweise überschritten anlaufen, wird vom Pegelstand bestimmt. Die zwei Tage andauernden Wolkenbrüchen, ver- Passau (Donau/Inn), Magdeburg (Elbe) Allianz Umweltstiftung © Hochwasserereignisse. Pegelstände helfen, Hochwasserereignisse zu mutlich aufgrund einer Vb-Wetterlage. Der Main Folie 9 vergleichen und Schutzmaßnahmen anzupassen. bei Würzburg kam damals bis nahe an den Dom, 14
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