Institutsbericht 2021 - ZHAW
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CFD-Simulationsdarstellung einer Heatpipe mit 100 °C Heizungstemperatur und über Aluminium- kühlrippen erzwungener Luftkühlung.
Institutsbericht 2021 Institute of Computational Physics Vorwort Computational Physics & Künstliche Intelligenz Wir erleben eine Phase von überaus aktiver Forschungstätigkeit zum Thema der künstlichen Intelligenz. Einige Praxisanwendungen werden von Grosskonzernen bereits extensiv eingesetzt, während für kleine und mittlere Unternehmen der Nutzen dieser neuen Technologie noch nicht klar ist. An der ZHAW ent- steht gerade das Zentrum für künstliche Intelligenz (https://www.zhaw.ch/cai/), dem wir viel Erfolg wün- schen und mit dem wir in Zukunft gerne eng zusammenarbeiten werden. Welche Bedeutung hat diese Entwicklung für das ICP? Welche Projekte gibt es zu diesem Thema? Und was könnten unsere Beiträge sein, die wir in Zukunft aus dem ICP heraus auf diesem aufstrebenden Gebiet leisten könnten? Aktuell gibt es dazu am ICP zwei Projekte. Sie werden auf Seite 29 und 41 im Detail dargestellt. Evelyne Knapp legt in Abschnitt 5 die Basis für die weiterführende Diskussion über die Verschmelzung von computergestützter Physik und künstlicher Intelligenz. Dabei wird der aktuelle Stand der Forschung zusammengefasst und die oben gestellten Fragen geordnet. Am ICP bauen wir derzeit unser Partnernetzwerk aus und überlegen uns, welche Anwendungen für Industriepartner er- folgversprechend sind. Alle sollten sich aktiv an der Diskussion beteiligen. Die Covid-19-Pandemie hat viel von uns abverlangt und unser Arbeitsumfeld drastisch verändert. Ich möchte mich für den ausserordentlich grossen Einsatz, der am ICP geleistet wurde, bedanken. Wir haben einen Modus gefunden, wie man auch in der Remote-Zusammenarbeit produktiv vorankommt. Wir sehnen uns aber auch danach, uns wieder regelmässig persönlich zu treffen. Gerne möchte ich dazu aufrufen, das Zurückkommen aktiv mitzugestalten. Wir müssen wohl weiter experimentieren mit Hybrid-Meetings und vielleicht auch in den Formen des sozialen Austauschs. Vielleicht braucht es ein aufmerksames Hinschauen auf Versäumnisse und Defizite, die sich in der Home-Office-Zeit ergeben haben, vielleicht unkonventionelle spontane Aktionen. Pflegen wir einen gesunden Optimismus und ei- nen guten menschlichen Kontakt. In diesem Sinn ein herzliches «Welcome back!» in der Hoffnung, dass wir uns am Standort in Winterthur bald wieder treffen können. Andreas Witzig, Institutsleiter ICP Zürcher Fachhochschule I www.zhaw.ch
Institutsbericht 2021 Institute of Computational Physics Inhaltsverzeichnis Vorwort I Inhaltsverzeichnis II 1 Multiphysik-Modellierung 1 1.1 PM-ASPV: simulationsbasierte Analyse eines magnetisch kontrollierten freischwebenden Magneten ................................................................................................ 2 1.2 Pulverbeschichtung: simulationsbasierte Prototypentwicklung neuartiger Pulverbeschichtungsdüsen ................................................................................................. 3 1.3 Entwicklung einer Rohrsensorplattform für Inline-Prozessüberwachung ........................... 4 1.4 Simulationsbasierte Kalibrierung von Infusionssystemen ................................................... 5 1.5 CFD-Modellierung von Tropfenaufprall in eine ruhende Flüssigkeit ................................... 6 1.6 Entwicklung eines Multiphysikmodells für Pulverbeschichtungsverfahren mit beweglichen Pistolen .......................................................................................................... 7 1.7 Thermophoretische Kraft auf Schwebeteilchen .................................................................. 8 1.8 Dreidimensionale Modellierung von Pulverschneelawinen................................................. 9 1.9 3D-Porenmikrostrukturen und Computersimulation: effektive Permeabilitäten und Kapillardruck bei der Entwässerung in Opalinuston ......................................................... 10 1.10 Modellbasierte Optimierung von MIEC-SOFC-Anoden .................................................... 11 1.11 Massive Simultaneous Cloud Computing (MSCC) für datengetriebene Optimierung von SOFC-Elektroden ....................................................................................................... 12 1.12 Modellbasierte Entwicklung keramischer Filter für Masken, Luftreiniger und Klimaanlagen .................................................................................................................... 13 1.13 Effizientes, thermisches Modell zur präzisen Vorhersage der Schweisszeit beim Infrarot-Schweissen von Kunststoffrohren ........................................................................ 14 1.14 Entwicklung eines neuartigen IR-Heizungskonzepts für das kontaktlose Schweissen von Kunststoffrohren ......................................................................................................... 15 1.15 Effektive Wärmeleitfähigkeit und CFD-Implementierung einer Heatpipe ......................... 16 1.16 Simulation der Hüllentemperatur eines Heissluftballons .................................................. 17 1.17 Lebensdauer von Goldkontaktkomponenten unter adhäsiver Verschleissbelastung ....... 18 1.18 Erweiterte Peridynamik-Fähigkeit bei der Vorhersage von mechanischen Fehlern ......... 19 1.19 Kopplung von XFEM und Peridynamik zur Sprödbruchsimulation – Teil I: Machbarkeit und Effektivität ................................................................................................................... 20 1.20 Kopplung von XFEM und Peridynamik zur Sprödbruchsimulation – Teil II: Adaptive Verlagerungsstrategie ....................................................................................................... 21 2 Elektrochemische Zellen und Mikrostrukturen 22 2.1 Makro-homogene Modelle für organische Flussbatterien ................................................. 23 2.2 DeMaPEM: Entwicklung und Vermarktung von Protonenaustauschmembran- Brennstoffzellen für Transportanwendungen .................................................................... 24 2.3 3-D-Modell des Wasser- und Wärmetransports in PEMFCs bei Verdunstungskühlung und Befeuchtung ............................................................................................................... 25 Zürcher Fachhochschule II www.zhaw.ch
Institutsbericht 2021 Institute of Computational Physics 2.4 Thermodynamisch konsistenter Ansatz zur Modellierung von Redox-Flow-Batterien ..... 26 2.5 Mikroskalige Modellierung zur Kopplung von Massentransport und konvektiver Strömung in porösen Elektroden für Redox-Flow-Batterien ............................................. 27 3 Organische Elektronik und Photovoltaik 28 3.1 Parameterextraktion von Silizium-Solarzellen durch ein mit simulierten Daten trainiertes neuronales Netzwerk ....................................................................................... 29 3.2 Experimentelle Validierung eines elektrothermischen Kleinsignalmodells für grossflächige Perowskitsolarzellen ................................................................................... 30 3.3 Dynamik von Ladungstransferzuständen in organischen Halbleiterbauelementen: Kombination von Experiment und Simulation (CTDyn) .................................................... 31 3.4 Neue Tools für die Charakterisierung von Quanten-Punkt-Displays ................................ 32 3.5 Untersuchung des Ladungstransports in organischen Halbleitern mit elektrochemischen Methoden und theoretischen Modellen.............................................. 33 3.6 Organische Terahertz-Photonik ........................................................................................ 34 3.7 Hardware-Software-Integration und Validierung eines kompakten Terahertz-Systems ... 35 4 Sensorik und Messsysteme 36 4.1 Nachweis von Nanopartikeln in komplexen Umgebungen ............................................... 37 4.2 Tragbares Gerät zur Frühdiagnose von Lymphödemen ................................................... 38 4.3 Design und Entwicklung von künstlichen Hautmodellen für taktile Sensoranwendungen 39 4.4 Messtechnik für dezentrale Energiesysteme .................................................................... 40 4.5 Künstliche-Intelligenz (KI) Wärmepumpen-Regler ............................................................ 41 5 Computergestützte Physik und künstliche Intelligenz 42 Anhang 44 A.1 Studierendenprojekte ........................................................................................................ 44 A.2 Wissenschaftliche Publikationen ....................................................................................... 45 A.3 Buchkapitel ........................................................................................................................ 48 A.4 Konferenzen und Workshops ............................................................................................ 48 A.5 Vorlesungen ...................................................................................................................... 50 A.6 ICP-Spin-off-Firmen .......................................................................................................... 52 A.7 ICP-Mitarbeitende ............................................................................................................. 55 A.8 Standort ............................................................................................................................. 56 Zürcher Fachhochschule III www.zhaw.ch
Institutsbericht 2021 Institute of Computational Physics 1 Multiphysik-Modellierung Multiphysik-Modelle sind wirksame Werkzeuge, um eine grosse Bandbreite an physikalischen Phäno- menen zu erkunden, und so die Energieflüsse, Strukturen, elektromagnetische, thermodynamische, chemische und akustische Effekte miteinander zu verbinden. Auf diesem Gebiet gab es in den letzten Jahrzehnten enorme Fortschritte und die potenzielle Reichweite der Anwendungen wurde stetig ausge- weitet. Zudem wurden numerische Methoden immer ausgefeilter und an die verfügbaren, wachsenden Rechnerkapazitäten angepasst. Heutzutage sind detaillierte physisch-chemische Modelle kombiniert mit belastbaren numerischen Lösungsmethoden beinahe zu einer Notwendigkeit für die Planung und Optimierung multifunktionaler technischer Apparate und Prozesse geworden. Am ICP machen wir angewandte Forschung auf dem Gebiet der Multiphysik-Modelle und entwickeln Finite-Elemente- ebenso wie Finite-Volumen-Simulationssoftware. Unsere weitläufige Erfahrung in numerischer Analyse, Modellierung und Simulation erlaubt es uns, si- mulationsbasierte Optimierung in vielen Fachgebieten erfolgreich anzuwenden. Dabei sind wir mit einer grossen Bandbreite an physikalischen Gleichungen vertraut und finden auch dann numerische Lösun- gen, wenn die Effekte in enger Wechselwirkung zueinander stehen. Wir entwickeln auch Ein-Zweck- Werkzeuge, die auf die Bedürfnisse unserer Partner spezifisch zugeschnitten sind, und wir nutzen kom- merzielle Software dort, wo sie besser geeignet ist. Zu unseren Spezialitäten auf diesem Gebiet gehören die Anwendung, Erweiterung und Entwicklung gekoppelter Modelle mittels unserer eigenen Finite-Element-Software SESES, der Fluiddynamik-Soft- ware OpenFoam (Open Source) und kommerziell angebotener Produkte wie COMSOL. G. Boiger M. Boldrini D. Brunner V. Buff S. Ehrat T. Hocker L. Holzer M. Hostettler L. Keller V. Lienhard P. Marmet Y. Safa D. Sharman B. Siyahhan J. Stoll A. Zubiaga Zürcher Fachhochschule 1 www.zhaw.ch
Institutsbericht 2021 Institute of Computational Physics 1.1 PM-ASPV: simulationsbasierte Analyse eines magnetisch kontrol- lierten freischwebenden Magneten Eine Anzahl von diskretisierten steuerbaren Magneten ist kreisförmig in einer 2D-Ebene ange- ordnet. In der Mitte wird ein Dipol oder räumlich ausgedehnter Magnet angenommen. Um Stabi- lität zu erreichen, müssen die erforderlichen Kräfte auf den Dipol immer in Richtung Zentrum zeigen. Das dafür erforderliche Kraftfeld wird für alle möglichen Dipolpositionen berechnet und abgebildet. Das jeweilige lokale Magnetfeld um die Magnete wird analytisch berechnet und in einem transienten Regelkreis simuliert. Das Projekt läuft nach wie vor und die Ergebnisse sehen vielversprechend aus. Mitwirkende: A. Zubiaga, V. Lienhard, M. Boldrini, V. Buff, G. Boiger Partner: Peter Meyer & Co. AG Finanzierung: Innosuisse Dauer: 2019–2021 Es gibt mehrere Möglichkeiten, einen magnetischen die diskretisierten Steuermagnete abgebildet. Diese Dipol oder Magnet in einer stabilen Position zu hal- Abbildung erfolgt für jeden Punkt im Raum auf jeden ten. Das Earnshaw-Theorem verbietet jedoch jede Steuermagnet und soll zu einem stabilen Regelkreis stabile Konfiguration, bei der nur Permanentmagnete führen. Drehmomentbetrachtungen und Gravitati- verwendet werden, und besagt, dass mindestens ein onseffekte werden später berücksichtigt. DoF fixiert oder kontrolliert werden muss. Bei Mag- netrotoren beispielsweise geschieht dies durch Fixie- rung der Rotationsachse und rotierende Magnetfel- der. Das bedeutet, dass der Rotor dem Magnetfeld folgt oder vorauseilt, was zu Synchron- oder Asyn- chronmotoren führt. Während dies zu einem späte- ren Zeitpunkt untersucht werden mag, liegt der Fokus bisher auf einem vollständigen Regelkreis. Auf der Grundlage des Dipol-Modells wurden die erforderli- chen Felder und Kräfte durch analytische und einfa- che Vorhersagemodelle unter Verwendung von Excel und Berkley-Madonna abgeschätzt. Abb. 2: Die magnetostatische Kraft (roter Pfeil), die durch das Mag- netfeld (schwarze Kurven) auf den Zentralmagneten wirkt. Der simulationsbasierte Proof of Concept in 2D konnte erbracht werden. Der Einbezug und Verifika- tion verschiedenster, bisher vernachlässigter Effekte ist im Gange. Die Erweiterung auf 3D ist weiterhin geplant – stellt aber grössere Herausforderungen. Deshalb lag und liegt der Fokus nun auf experimen- tellen Ansätzen, basierend auf den vorliegenden Grundlagen. Abb. 1: Beispielhafte Anordnung von vier Steuermagneten und frei- schwebendem Magneten. Die Pfeile zeigen die Richtung und Stärke der Magnetisierung an, die Stromlinien das resultierende Magnet- feld. Aufwändigere analytische und numerische Modelle wurden in einer Kombination von MATLAB und COMSOL implementiert. Eine rücktreibende Kraft, die den zentralen Magneten zwischen den Steuer- magneten schwebend hält, ist hierzu essenziell. Das dazu notwendige Kraftfeld wird berechnet und auf den 2D-Bereich abgebildet. Das Magnetfeld wird dann analytisch und numerisch berechnet und auf Zürcher Fachhochschule 2 www.zhaw.ch
Institutsbericht 2021 Institute of Computational Physics 1.2 Pulverbeschichtung: simulationsbasierte Prototypentwicklung neu- artiger Pulverbeschichtungsdüsen Durch die Entwicklung eines umfangreichen numerischen Euler-Lagrange-Simulationsmodells wurden hocheffiziente Düsengeometrien entwickelt. Die Simulationen wurden an Messreihen mit mehreren tausend Versuchen validiert. Die aus dem Projekt resultierenden neuen Düsen erreich- ten eine Steigerung der Beschichtungseffizienz von über 15 %. Mitwirkende: G. Boiger, M. Boldrini, V. Lienhard, B. Siyahhan, V. Buff Partner: Wagner International AG Finanzierung: Innosuisse Dauer: 2017–2020 Im Rahmen dieses Projekts wurde ein umfangrei- zeigten eine Steigerung der Beschichtungseffizienz ches numerisches Euler-Lagrange-Simulationsmo- von über 15 % für den gesamten Parameterbereich. dell für Pulverbeschichtungsanwendungen entwi- Durch weitere Untersuchungen und Entwicklungen ckelt und umfassend validiert. Das Modell koppelt an den ausgewählten Düsen wurde das Design so alle relevanten physikalischen Einflussfaktoren wie verbessert, dass eine Steigerung der Beschichtungs- elektrostatische Feldstärke, Luftströmung, Partikel- effizienz von 23–31 % für die am häufigsten verwen- grössenverteilung, Partikel-Substrat-Wechselwir- deten Parameterbereiche erreicht wurde. kung, Partikel-Partikel-Interaktion und Gravitation. Der Solver wurde durch mehrere tausend Beschich- Literatur: tungsversuche und deren Auswertung validiert. Mit [1] Boiger, G.; Boldrini, M.; Lienhard, V.; Siyahhan, B.; Khawaja, H.; Moatamedi, M., 2019. Multiphysics Eulerian-Lagrangian Electro- diesem neuen numerischen Modell kann nun ein Pul- static Particle Spray- And Deposition Model for OpenFoam® and Ka- verbeschichtungsprozess in einer bisher nicht er- leidoSim® Cloud-Platform (2020). Int.Journal of Multiphysics. 14(1), pp. 1-15. DOI: 10.21152/1750-9548.14.1.1 reichten Qualität quantitativ und qualitativ erfasst [2] Boiger, G.; Bercan, S.; Lienhard, V., 2020. Advancing the Valida- werden. Diese neue numerische Analysemethode tion and Application of a Eulerian-Lagrangian Multiphysics Solver for Coating Processes in Terms of Massive Simultaneous Cloud Com- hat bereits weitreichende Erkenntnisse über die Zu- puting. Multiphysics 2020. 15th International Conference of Multipys- sammenhänge zwischen Prozessparametern und ics, Online, 10-11 December 2020. International Society of Mul- Beschichtungsergebnissen geliefert. tiphysics. ISSN (online) 2409-1669.. Abb. 1: Simulationsergebnisse im Vergleich zu Messungen auf ei- nem U-Profil-Substrat. Beispiel für die qualitative Übereinstimmung von simulierten (oben) und gemessenen (unten) Beschichtungsmus- tern. Hier wurde die Vorderseite eines A4-Plattensubstrats bei einem Pistolen-Substrat-Abstand D=20cm beschichtet, während eine Luft- stromrate Q=3m3/h und effektive Spannungen Ueff von 30kV, 40kV bzw. 50kV angelegt wurden. Es ist zu erkennen, dass die wichtigs- ten qualitativen Beschichtungsmuster-Merkmale sowie die Trends von Simulationen und Experimenten gut übereinstimmen [1]. Basierend auf diesen Simulationsergebnissen und umfangreichen Messungen war es möglich, eine Reihe neuer Innengeometrien für den Düsenteil der Pistole zu entwickeln. Diese neuen Düsentypen be- fanden sich zwar noch im Prototypenstadium, zeig- ten aber das Potenzial, Prozessmetriken wie Homo- genität und Beschichtungseffizienz zu erhöhen. Aus der Menge der vorgeschlagenen neuen Geometrie- typen wurden zwei vom Kunden für weitere Untersu- chungen ausgewählt. Beide ausgewählten Typen Zürcher Fachhochschule 3 www.zhaw.ch
Institutsbericht 2021 Institute of Computational Physics 1.3 Entwicklung einer Rohrsensorplattform für Inline-Prozessüberwa- chung Die Überwachung von Fluideigenschaften wie die Viskosität ist in vielen industriellen Prozessen essenziell. Für sanitäre Anlagen ist die Reinigbarkeit ein zusätzlicher Faktor von enormer Be- deutung. Ein mechanischer Resonator wurde für die Inline-Viskositätsmessung entwickelt, der die Strömung nicht beeinflusst und mit den gängigen Standardverfahren zu reinigen ist. Dafür wurde ein umfangreiches, skalierbares Modell der Fluid-Struktur-Interaktion zwischen Resona- tor und Fluid entwickelt. Mitwirkende: D. Brunner, G. Boiger Partner: Rheonics GmbH Finanzierung: Innosuisse, Rheonics GmbH Dauer: 2018–2021 Der in dieser Studie entwickelte Resonator basiert auf einem Rohr, wobei die Schwingung elektromag- netisch angeregt und gemessen wird. Das Funktionsprinzip basiert auf der Anregung des ersten Torsionsmodi und der anschliessenden Mes- sung der Schwingung. Basierend auf dem gemesse- nen Signal kann die Dämpfung und Resonanzfre- quenz bestimmt werden. Aus der gemessenen Dämpfung und Resonanzfrequenz lässt sich die Vis- kosität des Fluids bestimmen. Ein umfangreiches numerisches Modell des Rohrsensors wurde erfolgreichen entwickelt und va- lidiert. Der Sensor aus der Validierungsstudie hatte einen Innendurchmesser von 5.25 mm (1). Für die meisten industriellen Prozesse werden jedoch grös- Abbildung 1: DN20-Rohrsensor (links), DN20-Rohrsensor eingebaut in einen Flow-loop. sere Rohrdurchmesser benötigt. Deshalb wurde das validierte Modell verwendet, um einen grösseren, funktionsgleichen Sensor zu bauen und anschlies- send zu testen. Dieser grössere Resonator basiert auf einem Rohr mit 20 mm Innendurchmesser und ist in Abbildung 1 dargestellt. Der Sensor wurde geeicht und anschiessen mittels diversen NIST-Viskositätsreferenzfluiden getestet. Es wurde das Produkt von Viskosität und Dichte in einem weiten Bereich von 1 bis 100'000 mPa.s ge- messen, wobei die Messgrösse des Sensors (Band- breite durch Resonanzfrequenz, Γ/f0 ) in guter Über- einstimmung mit der Vorhersage des numerischen Modells war (Abbildung 2). Diese Ergebnisse unter- streichen das Potenzial des Modells für die Entwick- lung neuer, noch grösseren Sensoren. Abbildung 2: Bandbreite / Resonanzfrequenz (Γ/f0) gegen das Pro- dukt von Viskosität und Dichte ρη für unterschiedliche Fluide und die Modellvorhersagen. Quellenangabe: 1 D. Brunner, J. Goodbread, K. Häusler, S. Kumar, G. Boiger, H. Khawaja, Analysis of a Tubular Torsionally Resonating Viscosity- Density Sensor, MDPI Sensors, 2020, 20 (11), 3036. https://doi.org/10.3390/s20113036 Zürcher Fachhochschule 4 www.zhaw.ch
Institutsbericht 2021 Institute of Computational Physics 1.4 Simulationsbasierte Kalibrierung von Infusionssystemen Infusionssysteme ermöglichen die kontinuierliche Verabreichung von Medikamenten in flüssi- ger Form. Für den medizinischen Betrieb ist es notwendig, einen exakten Volumenstrom auf- rechtzuerhalten, was mit dem Einsatz von Peristaltik-Pumpen erreicht wird. Die Kalibrierung sol- cher Pumpen bedarf jedoch aufwändigen Messungen, was den breiten Einsatz solcher Systeme beeinträchtigt. Mittels eines Simulationsmodells soll das fluiddynamische Verhalten von Pumpe und Infusionssystem abgebildet werden. Dies ermöglicht eine effizientere Kalibrierung und er- leichtert es dem Kunden, unterschiedliche Konfigurationen des Produkts in Anwendung zu brin- gen. Mitwirkende: M. Hostettler, G. Boiger Partner: Codan Argus AG Finanzierung: Innosuisse Dauer: 2019–2021 Beim Einsatz von medizinischen Infusionssystemen ist eine hohe Genauigkeit betreffend der effektiv inji- zierten Medikamentenmenge erforderlich. Um einen gewünschten Volumenstrom einstellen zu können, werden unter anderem Peristaltik-Pumpen einge- setzt. Da insbesondere sehr kleine Volumenströme angestrebt werden, ist die direkte volumetrische Be- stimmung der Durchflussmenge nicht möglich und die Durchflussrate muss aus den System- und Pum- penparametern bestimmt werden. Für die dafür not- wendige Kalibrierung der Pumpe sind jedoch indivi- duelle und höchst umfangreiche Messungen notwen- dig, welche den effizienten Einsatz solcher Geräte wesentlich einschränken. Abb. 2: Modell des Infusionssystems mit Pumpe und verschiedenen Komponenten. Im Rahmen des Projekts werden umfassende expe- rimentelle Messungen eingesetzt, um das Verhalten von sämtlichen strömungsführenden Komponenten individuell charakterisieren zu können. Für die Cha- rakterisierung der Pumpe und des viskoelastischen Verhaltens des Peristaltik-Schlauches werden ver- schiedene numerische Modelle (von simplen eindi- mensionalen Methoden bis hin zu detaillierten CFD- Abb. 1: Verschiedene Komponenten eines Infusionssystems (v. l. n. r. Durchflussregler, Tropfenzähler, Filter und Schlauch). Simulationen inklusive Fluid-Struktur-Kopplung) un- tersucht und mit Messungen verglichen. In der vorliegenden Arbeit wird das grundlegende Anhand der Messdaten der Einzelkomponenten und Strömungsverhalten in Schlauchsystem und Peristal- der Erkenntnisse aus der Pumpen- und Schlauch- tik-Pumpe untersucht und ein Modell entwickelt, um charakterisierung wird das strömungsdynamische die Kalibrierung solcher Systeme effizienter gestalten Modell entwickelt (siehe Abb. 2), und mittels spezifi- zu können. scher Experimente validiert. Damit lassen sich auch beliebige Konfigurationen der im Infusionssystem verbauten Komponenten (siehe Abb. 1) besser realisieren und es wird eine breitere Anwendung des Produkts ermöglicht. Zürcher Fachhochschule 5 www.zhaw.ch
Institutsbericht 2021 Institute of Computational Physics 1.5 CFD-Modellierung von Tropfenaufprall in eine ruhende Flüssigkeit Beim Transport von Medikamenten in flüssiger Form wird die Flüssigkeit externen Schwingun- gen des Transportfahrzeugs ausgesetzt. Diese Vibrationen verursachen Fluidbewegungen und damit Scherspannungen und Druckkräfte in der Lösung. Es ist im Interesse des Herstellers, diese Scher- und Druckbedingungen zu verstehen, da sie zum Abbau des Wirkstoffs führen kön- nen. Unter bestimmten Bedingungen kann es gar zur Bildung von Tröpfchen kommen. Die vor- liegende Arbeit untersucht den Wiederaufprall eines solchen Tropfens in die Flüssigkeit und die entsprechenden Scherkräfte mit Hilfe detaillierter CFD-Simulationen. Mitwirkende: M. Hostettler, D. Brunner, G. Boiger Partner: F. Hoffmann-La Roche Ltd. Basel Finanzierung: F. Hoffmann-La Roche Ltd. Basel Dauer: 2020–2021 Während des Transports von flüssigen Arzneimitteln erhalten. Weiter wurde auf Basis einer statistischen hat die mechanische Beanspruchung des Fluids ei- Auswertung der auftretenden Scherspannungswerte nen massgeblichen Einfluss auf den Abbau des Wirk- eine Zuverlässigkeitsfunktion (siehe Abb. 2) be- stoffs im Medikament. Frühere Studien untersuchten stimmt, um die Wahrscheinlichkeit des Auftretens die von Vibrationen induzierte Bildung und Intensität von Scherbelastungswerten bei Veränderung eines von Wellen an der Flüssigkeitsoberfläche innerhalb bestimmten Parameters zu analysieren. eines Transportgefässes und deren Belastung auf das Produkt. Diese Wellen können zu zusätzlicher Tropfenbildung führen. Die vorliegende Studie kon- zentriert sich auf die Abschätzung der vom Tropfen- aufprall verursachten Scherspannungen, um Er- kenntnisse über die Relevanz dieses Phänomens zu gewinnen und die wichtigsten Einflussparameter zu bestimmen. Dabei wird ein fallender Tropfen (siehe Abb. 1) be- trachtet, der auf die Oberfläche einer ruhenden Flüs- sigkeit in einem zylindrischen Gefäss auftrifft. Der Aufprall und das Eintauchen des Tropfens in die Abb. 2: Die Zuverlässigkeitsfunktion (Wahrscheinlichkeit des Auftre- Oberfläche erzeugt komplexe Flüssigkeitsbewegun- tens von Scherbelastungen) gibt Aufschluss über die Einflussstär- gen und führt zum Auftreten von Schubspannungen. ken der einzelnen Parameter (v.l.n.r: kleiner Effekt bei Variation der Fallhöhe; mittlerer Effekt bei Variation des Tropfendurchmessers; Diese Spannungen sind abhängig von Parametern grosser Effekt bei Variation der Viskosität). wie Fallhöhe, Tropfendurchmesser und Viskosität des verwendeten Fluids. Die Studie hat gezeigt, dass die maximalen Belastun- gen beim Tropfeneinschlag deutlich (bis zu 20 Mal) höher sind als bei einfacher Wellenbewegung. Des Weiteren ist bei höherer Flüssigkeitsviskosität ein signifikanter Anstieg der auftretenden Scherspan- nungen gekoppelt mit einer Abnahme der Eindring- tiefe zu beobachten. Fallhöhe und Tropfendurchmes- ser haben nur einen geringen Einfluss auf die Effekte. Zur Validierung der Simulation wurde das Test-Setup in einem Versuchsaufbau realisiert. Methylenblau ge- färbte Tropfen wurden in Wasser-Glycerin-Lösungen Abb. 1: Querschnitt des Test-Setups mit fallendem Tropfen und ru- unterschiedlicher Viskosität fallen gelassen. Der Auf- hender Flüssigkeit in einem zylindrischen Gefäss. Die Zeit schreitet nach rechts voran und die resultierenden Scherspannungen im Fluid prall wurde auf Video aufgezeichnet, um die resultie- sind durch Farben markiert. rende Eindringtiefe qualitativ zu vergleichen. Mittels CFD-Simulationen für zweiphasige Systeme wurden die genannten Freiheitsgrade in Bezug auf die zugehörigen Scherbedingungen untersucht. Die resultierenden Schubspannungen in der Fluidphase wurden in azimutaler Richtung gemittelt, um Einblick in die räumliche Verteilung der Energiedissipation zu Zürcher Fachhochschule 6 www.zhaw.ch
Institutsbericht 2021 Institute of Computational Physics 1.6 Entwicklung eines Multiphysikmodells für Pulverbeschichtungsver- fahren mit beweglichen Pistolen Im Rahmen dieses intern finanzierten Projektes wurde ein bestehendes Multiphysikmodell [1] weiterentwickelt, welches die Interaktion des Strömungsfeldes, der Beschichtungspartikel sowie elektrostatischer Kräfte für Pulverbeschichtungsanwendungen simulieren kann. Neu kann auch die Bewegung der Beschichtungspistolen einbezogen werden. Obwohl das bestehende Modell schon validiert wurde [2], hat die bisher fehlende Betrachtung der beweglichen Pistole verhin- dert, praxisrelevante Beschichtungsverfahren zu simulieren. Mitwirkende: B. Siyahhan, G. Boiger Partner: intern Finanzierung: intern Dauer: seit 2020 Pulverbeschichtung ist eine umweltfreundliche Alter- Diese theoretische Grundlage des Modells wurde mit native zu herkömmlichen Flüssigkeit-basierten Be- der Fähigkeit komplementiert, die Bewegung der Be- schichtungsmethoden, die insbesondere für dünnere schichtungspistolen in Form einer Fourrierreihe ent- Beschichtungen geeignet ist. Der Prozess beinhaltet sprechend der Gleichung (5) zu simulieren. eine Pulverwolke, die durch einen Luftstrom inner- ( ) = 0 + ∑∞ ∞ =1 cosωt + ∑ =1 sinωt (5) halb einer Beschichtungspistole transportiert wird. Diese Pistole enthält eine Elektrode, welche die vor- Zusätzlich zur Programmbibliothek für die Bewe- beifliessende Pulverwolke auflädt. Nachdem die gungsdefinition in OpenFOAM wurde die Partikelmo- Wolke ein geerdetes Substrat trifft, beschichten die dellierung aktualisiert, um sie an das weiterentwi- Partikel das Substrat. Weil die Interaktion zwischen ckelte Modell übernehmen zu können. Zusätzlich Partikeln, strömungs- und elektrostatischen Kräften wurden die spezifischen Randbedingungen für die sehr kompliziert zu modellieren ist, ist die Industrie Kopplung einer beweglichen Domäne mit einer stati- auf Trial-and-Error-Methoden angewiesen. Um diese schen untersucht. Dadurch wird nun die Simulation Problematik zu beseitigen, wurde in OpenFOAM ein von praxisnahen Beschichtungsverfahren (Abbil- numerisches Multiphysikmodell entwickelt [1], wel- dung 1) sowie deren Gestaltung und Optimierung er- ches diese Interaktionseffekte in Betracht ziehen möglicht. kann. Der Rechner löst zuerst das elektrische Feld basierend auf Gleichung (1): 2Ψ = − (1) 0 ψ(V) bezeichnet das elektrische Potenzial, ρ c(C/m3) die Raumladungsdichte und ϵ0(F/m) die elektrische Feldkonstante. Unabhängig vom elektrischen Feld wurde das Strömungsfeld basierend auf dem inkom- pressiblen Kontinuitätsgesetz (2) sowie der inkom- pressiblen Navier-Stokes Gleichung (3) simuliert. ⃗ =0 ⋅ (2) ⃗ ⃗ ⋅ + ⃗ = − ′ + ⋅ ⃗ (3) Abbildung 1: Schnappschüsse einer Beschichtungsverfahrenssimu- U(m/s) bezeichnet die Geschwindigkeit, p’(m2/s2) den lation einer Autofelge mit einer beweglichen Pistole. auf die Fluiddichte bezogenen Druck, νeff(m2/s) die ki- nematische Viskosität. Unter Berücksichtigung des Literatur: strömungs- und elektrischen Feldes sowie partikeldy- [1] Boiger, G., 2016. Eulerian-Lagrangian model of particle laden flows and deposition effects in electro-static fields based on Open- namischer Effekte kann die Bewegungsbahn der ein- Foam (2016). Int.Journal of Multiphysics; 10(2), pp. 177–194(8); zelnen Partikel entsprechend der Partikelimpulsbi- DOI: 10.21152/1750-9548.10.2.177. lanzgleichung (4) berechnet werden. [2] Siyahhan, Bercan; Boldrini, Marlon; Hauri, Samuel; Reinke, Nils; Boiger, Gernot Kurt, 2018. Procedure for experimental data assess- 3 ment for numerical solver validation in the context of model-based ̈ = ̈ = + + (4) prediction of powder coating patterns (2019). Int.Journal of Multiphy- 6 sics. 12(4), pp. 373-392. DOI: 10.21152/1750-9548.12.4.373. mp(kg) bezeichnet das Gewicht des Partikels, xp(m) dessen Position, ρp(kg/m3) die Dichte und dp(m) den Durchmesser. FD(N) ist dabei die Interaktionskraft zwischen Strömung und Partikel, Fel(N) die elektro- statische Kraft und Fg(N) die Gravitationskraft. Zürcher Fachhochschule 7 www.zhaw.ch
Institutsbericht 2021 Institute of Computational Physics 1.7 Thermophoretische Kraft auf Schwebeteilchen Dieses Projekt zielt darauf ab, das Potenzial der thermophoretischen Kraft zum Sammeln von Partikeln aus der Atmosphäre zu untersuchen. Dazu wird eine rechnerische Untersuchung der Luftströmung durch eine Sammelkammer durchgeführt, die Aerosolpartikel unterschiedlicher Grösse und Dichte sowie einen vertikalen thermischen Gradienten enthält, der die Partikelabla- gerung in der Sammelregion steuern soll. Zur Beschreibung der Luftströmung wird ein fluid- dynamisches Modell erstellt, wobei auch die grössenabhängige Widerstandskraft der Luft auf die Partikel detailliert berücksichtigt wird. Die Auswirkung der Partikeleigenschaften (Grösse, thermische Leitfähigkeit, Dichte), des Luftstroms und der Turbulenzen auf den Abscheidungs- prozess wird analysiert, bevor die ersten Tests im physikalischen Gerät durchgeführt werden. Mitwirkende: A. Zubiaga, M. Boldrini, G. Boiger Partner: myLab Elektronic GmbH Finanzierung: Innosuisse Dauer: 2019–2020 Die Umgebungsluft kann eine Reihe von Schwebe- In diesem Projekt untersuchten wir das Potenzial der oder Aerosolpartikeln unterschiedlicher Herkunft und thermophoretischen Kraft, um Partikel aus der Atmo- Grösse enthalten. Es kann sich um natürliche Parti- sphäre zu sammeln. Wir betrachteten zunächst den kel wie Pollen, Staub oder Bazillen und Viren han- Luftstrom durch die Sammelkammer. Für die Studie deln, aber auch um vom Menschen verursachte wie wurde reale Geometrie verwendet und besonderes Smog oder Russ. Die Grössen können von einem Augenmerk wurde auf die Minimierung des negativen Bruchteil eines Millimeters bis hinunter zu einem Na- Einflusses von Turbulenzen gelegt, sobald ein statio- nometer oder darunter reichen. Partikel werden närer Zustand der Strömung erreicht ist. Als nächstes durch das Trägergas bis zu ihrer Ablagerung durch wurde der Transport der Partikel in der Luft betrach- Auftriebseffekte transportiert, wenn ihre Grösse tet. Die Partikelgrössenabhängigkeit der Strömungs- gross genug ist. Partikel, die kleiner als ein Mikrome- widerstandskraft wurde sorgfältig berücksichtigt. ter sind, können dagegen für unbestimmte Zeit in der Schliesslich wurde die thermophoretische Kraft ein- Luft schweben bleiben. Dadurch erhöhen sich die ne- geführt, indem eine zusätzliche Kraft auf die Partikel gativen Auswirkungen, die sie auf unsere Gesundheit in Abhängigkeit von einem thermischen Gradienten haben können. Fein- und Ultrafeinstaub kann zum innerhalb des Fluids hinzugefügt wurde. Es hat sich Beispiel tief in die Lunge und in das Herz-Kreislauf- gezeigt, dass die neue Kraft die Ablagerung der sus- System eindringen. Eine naheliegende Möglichkeit, pendierten Partikel stark begünstigt. ihre schädlichen Auswirkungen zu kontrollieren und Die Ablagerungsreichweite hängt jedoch von den zu begrenzen, ist die Sammlung für Überwachungs- thermischen Eigenschaften der Partikel ab, und es oder andere Zwecke. hat sich gezeigt, dass die Partikelgrösse sie am stärksten beeinflusst. Daher wird eine ungleichmässige Verteilung der Parti- kel in der Kammer vorhergesagt, wobei Partikel grösserer Grösse eine grös- sere Ablagerungsreichweite haben. Die Schlussfolgerungen der Studie werden durch Tests mit dem physikali- schen Gerät validiert. Abb. 1: Computational Fluid Dynamics einer Parti- kelsammelkammer. Die Strömungslinien zeigen die Luftströmungsrichtung. Die Punktwolken stel- len die Verteilung der ankommenden Partikel und deren Geschwindigkeit dar. Die grösseren Partikel auf der rechten Seite stellen ein typisches Ablage- rungsmuster der gesammelten Partikel dar. Das rote Quadrat stellt die Sammelregion dar, in der die thermophoretische Kraft aktiv ist. Ein grosser Teil der Partikel wird aufgrund der thermophoretischen Kraft in den wenigen Millimetern nach Eintritt in den Ablagerungsbereich abgelagert. Die mikro- skopische Aufnahme im Inset zeigt eine typische Grösse der gesammelten Partikel. Zürcher Fachhochschule 8 www.zhaw.ch
Institutsbericht 2021 Institute of Computational Physics 1.8 Dreidimensionale Modellierung von Pulverschneelawinen Es ist allgemeine Methodik, dass die Lawinenmodellierung in die Strömung des schweren Schneekerns und der leichteren Pulverschneewolke, die aus einem Gemisch aus Eisstaub und Luft besteht, unterteilt werden kann und dass der Lawinenkern nicht von der Wolke beeinflusst wird. Am SLF steht die Software RAMMS zur Verfügung, um den Lawinenkern durch Lösen eines Systems von hyperbolischen Gleichungen auf einem nicht ebenen 2D-Berggelände zu modellie- ren. In letzter Zeit besteht jedoch Interesse an der Modellierung der Druckverteilung der Pulver- schneewolke vor der Lawine, um mögliche Schäden abschätzen zu können. Im Rahmen dieses Projekts wurde eine 3D-Modellierung der Pulverschneewolke entwickelt, die an die RAMMS-Soft- ware gekoppelt ist. Mitwirkende: G. Sartoris Partner: Dr. P. Bartelt, SLF Finanzierung: SLF Dauer: 2020 Der Modellierungsansatz zur Lösung dieser Pulver- und den Druck in ihrer linearisierten Form. In der Pra- schnee-Lawinensimulation wurde wie folgt gewählt. xis werden diese Gleichungen, mit Ausnahme des Aus der RAMMS-Software erhalten wir die Bodenge- Drucks, durch Anwendung eines Gauss-Seidel-Glät- schwindigkeit, bestehend aus einer tangentialen ters gelöst, und für den Druck verwenden wir ein paar Komponente, die die Lawinenhanggeschwindigkeit Iterationen eines algebraischen Mehrgitterlösers. darstellt, und einer normalen Komponente, die die In- Dieser einzelne PISO-Schritt wird dann bis zur Kon- jektion von Pulverschnee in die Luft bestimmt. Luft vergenz des Drucks wiederholt und danach wird mit und Pulverschnee werden dann als eine dreidimen- dem nächsten Zeitschritt fortgefahren. Eine opti- sionale, zweiphasige, mischbare und inkompressible mierte Strategie besteht darin, nur eine einzige glo- Strömung betrachtet und ihre Gleichungen werden bale Iteration durchzuführen, sodass die Konvergenz mit der frei verfügbaren SESES-Software gelöst. Es des Drucks durch eine adaptive Zeitschrittwahl kon- wird angenommen, dass diese 3D-Pulverschneewol- trolliert werden muss. Für den Zeitintegrationsalgo- ken-Strömung nicht an den schweren Schneekern rithmus stehen mehrere Algorithmen erster, zweiter zurückkoppelt, der mit RAMMS gelöst wird. und dritter Ordnung zur Verfügung. Für ein Verfahren Da die Simulation des 2D-Schneekerns im Vergleich 2. Ordnung steht eine automatische fehlerbasierte zur 3D-Simulation der Pulverschneewolke recht Zeitschrittauswahl zur Verfügung, die jedoch im All- schnell ist und letztere strengere Bedingungen an die gemeinen einer Auswahl auf Basis der CFL-Bedin- Gitttergrösse stellt, nehmen wir der Einfachheit hal- gung unterlegen ist. Dabei ist zu beachten, dass die ber an, dass das 2D-Gitter dem 3D-Gitter unterge- diskretisierten Gleichungen aufgrund fehlender dyna- ordnet ist, d. h. entlang des Berggelände stimmen sie mischer Terme nicht absolut stabil sind, sodass im- überein und es ist somit keine Rauminterpolation für mer eine Zeitschrittbegrenzung erforderlich ist. Bei die Einstellung der Randbedingungen erforderlich. der Auswahl des Zeitschritts sind wir ziemlich flexibel Aufgrund der Einfachheit einer Zeit-Interpolation ge- und es liegt am Anwender, adaptiven Zeitschrittvor- hen wir jedoch nicht davon aus, dass beide Simulati- schlag, CFL-Bedingung und Wiederholung des aktu- onen die gleiche Zeitdiskretisierung verwenden. ellen Zeitschritts aufgrund langsamer Konvergenz Zusammengefasst konstruiert man zunächst ein 3D- oder sogar Divergenz miteinander zu kombinieren. Gitter für die Pulverwolkensimulation. Die Unterseite dieses Gitters, die mit dem Berggelände gleich ist, definiert auch das 2D-Gitter für die Fliesslawinensi- mulation, die als erste und unabhängige Aufgabe ausgeführt wird. Diese Schneekernsimulation muss in konstanten Zeitintervallen die Geschwindigkeits- werte schreiben, die von der 3D-Pulverwolkensimu- lation, hier durch Ausführen von SESES, als zeitab- hängige Randbedingungen verwendet werden. Für die Lösung dieses zeitabhängigen Problems verwen- den wir die PISO-Methode wie folgt. In jedem Zeit- schritt löst man getrennt und der Reihe nach, für den Massenanteil, die Geschwindigkeitskomponenten Abbildung: simulierte Lawinendruckfront (Ansicht von unten). Zürcher Fachhochschule 9 www.zhaw.ch
Institutsbericht 2021 Institute of Computational Physics 1.9 3D-Porenmikrostrukturen und Computersimulation: effektive Per- meabilitäten und Kapillardruck bei der Entwässerung in Opalinus- ton In der vorliegenden Arbeit wurden Modellporenstrukturen von Opalinuston verwendet, um kriti- sche Materialeigenschaften in Bezug auf den Gastransport vorherzusagen. Dies ist wichtig, weil Gesteine wie der Opalinuston als potenzielle Wirtsgesteine für die Endlagerung radioaktiver Ab- fälle in Betracht kommen. Dabei sind diese Transporteigenschaften im Zusammenhang mit der Entstehung von Gas, wie beispielsweise durch Korrosion der Abfallbehälter, und dessen an- schliessendem Transport durch das den radioaktiven Abfall umgebende Gesteinsmaterial von Interesse. Das produzierte Gas kann durch verschiedene Transportprozesse (z. B. Diffusion, Ad- vektion, Zweiphasenströmung etc.) vom Ort der Entstehung durch das Gestein transportiert wer- den. Hier liegt der Schwerpunkt auf dem sogenannten Zweiphasentransport, bei dem das er- zeugte Gas das Wasser in den Poren als separate Phase verdrängt. Mitwirkende: L. Keller Partner: Nagra, EURAD Finanzierung: Nagra, EURAD Dauer: 2020–2023 Die 3D-Rekonstruktion des Porenraums in Opalinus- Die konstruierte Porenstruktur hat das gleiche Poren- ton ist mit der Schwierigkeit konfrontiert, dass hoch- grössenspektrum wie im Labor gemessen. Mit Hilfe auflösende Abbildungsmethoden bei den nanome- von Computersimulationen wurden Kapillardruckkur- tergrossen Poren in diesem Material an ihre Grenzen ven während der Drainage vorhergesagt, die eben- stossen. Bislang war es nicht möglich, den gesamten falls mit den Labordaten übereinstimmen. Es wird Porenraum mit Porengrössen, die zwei Grössenord- vorhergesagt, dass die Zweiphasentransporteigen- nungen überspannen, abzubilden. Daher war es bis- schaften wie die Entwicklung der effektiven Permea- her nicht möglich, die Transporteigenschaften dieses bilität sowie der Kapillardruck während der Drainage Materials mit Hilfe von Computersimulationen, die sowohl von den Transportrichtungen abhängen, was 3D-Porenstrukturen als Input benötigen, vorherzusa- für Opalinuston bei der Beurteilung seiner Eignung gen. Dem Konzept der Selbstähnlichkeit folgend als Wirtsgestein für Atommüll berücksichtigt werden wurde aus einer realen, aber unvollständigen Poren- sollte. Diese Richtungsabhängigkeit wird auf der Po- struktur eine digitale Porenmikrostruktur konstruiert. renskala durch eine geometrische Anisotropie im Po- renraum kontrolliert. Abbildung 1: Grafische Zusammenfassung des Projekts. Zürcher Fachhochschule 10 www.zhaw.ch
Institutsbericht 2021 Institute of Computational Physics 1.10 Modellbasierte Optimierung von MIEC-SOFC-Anoden Kosten und Lebensdauer sind zurzeit die limitierenden Faktoren für den breiteren Einsatz von Festoxid-Brennstoffzellen (SOFC) mit Erdgas zur kombinierten Erzeugung von elektrischem Strom und Wärme. Darum ist eine systematische Optimierung von Materialien und Zell-Design erforderlich, um die Effizienz und Lebensdauer zu steigern. In unserem Ansatz setzen wir auf digitales Materialdesign (DMD), wobei Methoden der Multiphysik-Simulation, 3D-Mikrostruktur- charakterisierung (Tomographiedaten) und elektrochemische Impedanzspektroskopie (EIS) kombiniert werden. Basierend auf dem DMD-Ansatz werden die Beziehungen zwischen Materi- aleigenschaften, Mikrostruktur, Zell-Design und Performance auf einem quantitativen Level er- arbeitet. Dieser Ansatz ermöglicht die Definition von Design-Richtlinien für optimierte Elektro- den und beschleunigt den Innovationszyklus für zukünftige SOFC-Geräte. Mitwirkende: P. Marmet, L. Holzer, T. Hocker, J. Brader, J. Grolig, H. Bausinger, A. Mai Partner: Hexis AG Finanzierung: BFE Dauer: 2019–2022 Für die nächste Generation von SOFC (Solid Oxide Spektren richtig zu interpretieren. Am ICP entwi- Fuel Cells) verlangt der Markt nach höherem Wir- ckelte Multiphysik-Simulationsmodelle mit AC- und kungsgrad, längerer Lebensdauer und niedrigeren DC-Modi ermöglichen die Simulation der EIS-Spek- Systemkosten. Um diesen Anforderungen gerecht zu tren sowie des DC-Verhaltens während des norma- werden, arbeiten wir an neuen Anodenkonzepten, len Zellbetriebs. Damit wird ein grundlegendes Ver- die auf Mischleitern (mixed ionic and electronic ständnis der komplexen Prozesse und eine Separie- conductors, MIEC) wie dotiertem Ceroxid und rung der EIS-Spektren erreicht. Mit einem kalibrierten Perowskit-Materialien basieren. Aufgrund der kom- Simulationsmodell können die Auswirkungen von plexen physikalisch-chemischen Prozesse, die den Designanpassungen (z. B. Material- und Mikrostruk- Gastransport in den Poren, den Transport von Ionen turvariationen) auf die Zellleistung beurteilt werden. und Elektronen in der Ceroxidphase, die Brennstoff- Ein wesentlicher Punkt ist dabei die korrekte Be- oxidationsreaktion an der Oberfläche des Ceroxids schreibung der Mikrostruktureffekte. usw. beinhalten, gibt es zahlreiche entgegengesetzte Anforderungen, welche den Entwicklungsprozess er- schweren. Für eine systematische Optimierung des Systems sind daher ausgefeilte Methoden erforder- lich, die sowohl mathematische Modelle als auch ex- perimentelle Methoden umfassen. Abb. 2: Flächenspezifischer Widerstand (ASR) von Anoden für ver- schiedene Mikrostrukturen als Funktion der Schichtdicke L. Abb. 1: Simuliertes Anoden-EIS-Spektrum mit separierten Impe- Die Mikrostrukturanalyse auf der Grundlage der FIB- danzprozessen: ZSR = Wasserstoffoxidationsreaktion, Zchrg tpt = Tomographie ermöglicht die Quantifizierung morpho- Transport der Ladungsträger, Zgas = Gasimpedanz, Zanode,tot = Totale Impedanz der Anode. logischer Merkmale (Tortuosität, Porosität usw.) und der damit verbundenen Transporteigenschaften. Mit In der SOFC-Forschung ist die elektrochemische Im- dem Digital Materials Design (DMD)-Ansatz kann der pedanzspektroskopie (EIS) ein wesentliches Charak- Einfluss von Mikrostrukturvariationen auf die Zellleis- terisierungswerkzeug, das als Grundlage für die Ma- tung bestimmt werden. Indem die Beziehung zwi- terialoptimierung auf Elektroden-, Zellen- und Stack- schen Materialeigenschaften, Mikrostruktur, Zellde- Level dient. Überlappende Prozesse in den EIS- sign und Leistung hergestellt wird, können Richtlinien Spektren und fehlendes Verständnis der komplexen für ein neues Anodenmaterialdesign abgeleitet wer- Vorgänge machen es jedoch schwierig, die EIS- den. Dies ermöglicht eine schnellere und systemati- schere Entwicklung neuer SOFC-Elektroden. Zürcher Fachhochschule 11 www.zhaw.ch
Institutsbericht 2021 Institute of Computational Physics Massive Simultaneous Cloud Computing (MSCC) für datengetrie- bene Optimierung von SOFC-Elektroden Digital Materials Design (DMD) ermöglicht eine systematische modellbasierte Entwicklung und Optimierung von Materialsystemen und Mikrostrukturen. Die Anwendung von DMD für die Ent- wicklung von Solid Oxide Fuel Cell (SOFC)-Elektroden führt zu einem sehr grossen Parameter- raum, der mit konventionellen Rechenressourcen sehr zeitaufwändig ist. Das Konzept des Mas- sive Simultaneous Cloud Computing (MSCC) ermöglicht den Zugriff auf nahezu unbegrenzte Re- chenressourcen auf Abruf. Diese drastische Reduktion der Rechenzeiten ermöglicht die volle Nutzung des DMD-Ansatzes für die Entwicklung der nächsten Generation von SOFC-Elektroden. Mitwirkende: L. Holzer, P. Marmet, T. Hocker, G. Boiger, J. M. Brader, J. G. Grolig, H. Bausinger, A. Mai, M. Fingerle Partner: Hexis AG, Math2Market GmbH, Kaleidosim Technologies AG Finanzierung: BFE Dauer: 2019–2022 Digital Materials Design (DMD) ist ein moderner An- Ein Beispiel für eine relativ kleine Parameterstudie ist satz zur modellbasierten Materialoptimierung. In un- in Abb. 2 dargestellt, wobei die Zusammensetzung serem DMD-Ansatz zur Optimierung von SOFC- und Porosität einer LST/CGO-Anode variiert werden. Elektroden kombinieren wir stochastische Mikro- strukturmodellierung (d. h. Simulation der Auswir- kung von Fertigungsparametern auf 3D-Morpholo- gien), virtuelle Tests von 3D-Mikrostrukturen und ein Multiphysik-Elektrodenmodell. Damit kann ein gros- Porosity → ser Parameterraum als Basis für die datengetriebene Mikrostrukturoptimierung untersucht werden. a) b) Composition → Abb. 2: Beispiel einer kleinen Parameterstudie für verschiedene Po- rositäten und Zusammensetzungen einer LST/CGO-Anode. Die virtuellen Mikrostrukturen werden mit einer Kom- Abb. 1: a) Virtuelle LST/CGO-Struktur einer SOFC-Anode mit simu- bination von 3D-Analysen und numerischen Simula- liertem Potentialabfall, b) Vergleich der Rechenzeit mit klassischem tionen charakterisiert. Anschliessend werden die und MSCC-Ansatz. Mikrostruktureigenschaften als Input für ein Elektro- Allerdings begrenzen lange Rechenzeiten oft den denmodell verwendet, welches die Leistungsfähig- Einsatz von grossen Parameterstudien. In einer Zu- keit der Elektroden berechnet (Abb. 3). Die Analyse sammenarbeit von ZHAW, Kaleidosim AG und dieser Ergebnisse führt schliesslich zu neuen De- Math2Market wurden kürzlich neue Konzepte für signrichtlinien für optimierte SOFC-Elektroden. Massive Simultaneous Cloud Computing (MSCC) entwickelt, die den Zugang zu nahezu unbegrenzten Rechenressourcen ermöglichen. Tausende von Mik- rostrukturen können parallel berechnet werden. Für eine Parameterstudie mit z. B. 103 -104 3D-Szena- rien, wie in Abb. 1 b) visualisiert, beträgt die Rechen- zeit für stochastische Simulationen und zugehörige virtuelle Tests mit einem klassischen Ansatz auf ei- nem lokalen Server typischerweise mehr als 1 Jahr. Im Gegensatz dazu ist die Rechenzeit mit MSCC na- hezu unabhängig von der Anzahl der Parameterkom- Abb 3: Flächenspezifischer Anodenwiderstand als Funktion der Po- binationen und reduziert sich daher auf nur 1–2 Tage. rosität und Zusammensetzung einer LST/CGO-Anode. Zürcher Fachhochschule 12 www.zhaw.ch
Institutsbericht 2021 Institute of Computational Physics 1.12 Modellbasierte Entwicklung keramischer Filter für Masken, Luftrei- niger und Klimaanlagen Die Covid-19-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig geeignete Filter zur Vermeidung von Infektionen sind und dass effizientere und nachhaltigere Filterlösungen benötigt werden. Keramische Filter haben einige wesentliche Vorteile hinsichtlich ihrer Sterilisierbarkeit und Umweltverträglichkeit. Deshalb werden von einem interdisziplinären Team der ZHAW neuartige Keramikfilter mit einem modellbasierten Ansatz entwickelt. Dabei wird die komplexe keramische Filterstruktur virtuell nachgebildet. Durch die Simulation des Druckverlustes und der Filtereffizienz vieler virtueller Filterdesigns können Designrichtlinien für eine geeignete Fertigung der keramischen Filter er- stellt werden. Mitwirkende: P. Marmet, L. Holzer, R. Kontic, M. Gorbar, D. Penner Partner: Institute of Materials and Process Engineering (IMPE) Finanzierung: ZHAW Dauer: 2020–2021 In einem intern von der School of Engineering der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissen- b) d) schaften geförderten Projekt untersucht ein For- a) c) schungsteam massgeschneiderten Keramikfilter für die Aerosolfiltration und Virenbeseitigung. Kerami- sche Filter haben gegenüber den Standardfiltern aus Polymerfaservliesen einige signifikante Vorteile. Die Mikrostruktur und Geometrie der Porenkanäle der Keramik lässt sich über einen weiten Bereich nach Wunsch einstellen. Keramik lässt sich problemlos durch einfaches Erhitzen sterilisieren und macht dadurch Mehrfachgebrauch eines Filters möglich. Keramik ist völlig unkritisch bezüglich Umweltbelas- Abb 1: Mikroskopische Aufnahme der keramischen Multiskalen- tung und Recycling während der massive Gebrauch struktur der Mesoskala a) und Mikroskala b). Virtuelle Rekonstruk- und unkontrollierte Abfall polymerer Mikrovliesfasern tion der mesoskaligen c) und mikroskaligen Struktur des Filters mit GeoDict. eine signifikante Quelle von Mikroplastik darstellt. Poröses Medium kalibriert mit der Ein Team aus Forschern vom Institute of Materials Simulation der Mikroskale and Process Engineering (IMPE) und vom Institute of a) b) Computational Physics (ICP) erstellt virtuelle Modelle der im Labor hergestellten porösen Keramiken, um den Druckverlust, die Permeabilität und die Filtrati- onsleistung zu untersuchen. Basierend auf Mikrosko- pieaufnahmen (Abb. 1 a, b) wird die Mikrostruktur mit der Software GeoDict virtuell rekonstruiert. Dabei werden die mesoskaligen und die mikroskaligen Strukturen in zwei verschiedenen geometrischen Mo- dellen erfasst (Abb. 1 b, c). In einem ersten Schritt werden die Permeabilität und die Filtereffizienzstatis- tik der Mikroskala ermittelt. Anschliessend werden Abb. 2: a) Simulation des Druckabfalls zur Bestimmung der Perme- abilität und b) Filtrationssimulation zur Bestimmung der Filtereffizi- Strömungs- und Filtrationssimulationen (Abb. 2 a, b) enz mit GeoDict. Die Mikroskala der Struktur wird durch die Kalib- auf der Mesoskala durchgeführt, wobei die Mikro- rierung der Permeabilität und der Filtereffizienzstatistik in der porö- sen Zone der mesoskaligen Struktur berücksichtigt. struktur als poröses Medium modelliert ist, kalibriert durch die Permeabilitäts- und Filtereffizienzstatistik Nach der Validierung des Modells können aus Hun- der Mikroskalensimulation. Damit können die Perme- derten von virtuell erzeugten Strukturen Gesetzmäs- abilität und die Filtereffizienzstatistik für die komplexe sigkeiten abgeleitet werden, die wiederum den Kera- Multiskalenstruktur bestimmt werden. Die Ergeb- mikforschern als Designgrundlage für die Weiterent- nisse können dann mit realen Messungen an einzel- wicklung dienen. Dies reduziert die Anzahl der not- nen Keramikproben verglichen werden. wendigen Laborversuche zur Entwicklung optimierter Filtermaterialien. Zürcher Fachhochschule 13 www.zhaw.ch
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