Interne Ermittlungen im Spannungsfeld zwischen Unternehmensstrafrecht und Whistleblowing - RA Dilling
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
132 | CCZ | 3/2020 | Dilling Interne Ermittlungen im Spannungsfeld RECHTSANWALT DR. JOHANNES DILLING, LL. M. (KÖLN/PARIS1)* Interne Ermittlungen im Spannungsfeld zwischen Unternehmensstrafrecht und Whistleblowing Gleich zwei aktuelle gesetzgeberische Initiativen befassen Aus der Legalitätspflicht wird abgeleitet, dass Unterneh- sich mit unternehmensbezogenen Straftaten und Rechts- men dazu verpflichtet sind, Rechtsverstöße, welche sie be- verstößen: Der Referentenentwurf des Bundesministeri- treffen und von denen sie erfahren, intern aufzuklären ums der Justiz und für Verbraucherschutz v. 20.4.2020 und ggf. abzustellen, damit sie sich künftig rechtskonform (nachfolgend: „RefE“) eines Gesetzes zur Stärkung der verhalten können.6 Die Begründung des Referentenent- Integrität der Wirtschaft (nachfolgend: „VerSanG-E“)1 wurfes stellt zu Recht heraus, dass es in Deutschland bis- sowie die Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen her an einem Rechtsrahmen für interne Ermittlungen Parlaments und des Rates v. 23.10.2019 zum Schutz von fehlt.7 Personen, die Verstöße gegen Unionsrecht melden („Whistleblowerrichtlinie“, nachfolgend „WBRL“).2 Bei- de Vorhaben weisen den sog. „Internen Ermittlungen“ ei- A. Der VerSanG-E ne zentrale Rolle zu, mögliche Straftaten und Rechtsver- stöße im Unternehmen aufzuklären und abzustellen. Der Der RefE regelt die internen Ermittlungen in den §§ 16 folgende Beitrag soll klären, wie VerSanG-E und WBRL bis 18 VerSanG-E. Bezeichnet werden sie dort als ver- die internen Ermittlungen ausgestalten, bzw. wo diese bandsinterne Untersuchungen. Definiert werden sie dort ggf. noch sinnvollerweise angepasst und aufeinander ab- nicht.8 Wenn der Verband sämtliche Voraussetzungen des gestimmt werden sollten. Hierfür besteht schon deshalb § 17 Abs. 1 Nr. 1-5 VerSanG-E erfüllt und das Gericht Bedarf, weil der Gesetzgeber ausweislich der Entwurfs- nach der Neufassung deshalb die Verbandssanktion mil- begründung des VerSanG-E von der WBRL und deren dern muss,9 reduziert sich gem. § 18 S. 1 VerSanG-E das anstehender Umsetzung in nationales Recht3 bisher noch in § 9 Abs. 1-3 VerSanG-E vorgesehene Höchstmaß der keine Notiz genommen zu haben scheint. Insgesamt kom- Verbandsgeldsanktion um die Hälfte und auch das Min- men Whistleblowing und Hinweisgeberschutz weder in destmaß entfällt. Auch muss das Unternehmen nicht mehr dem VerSanG-E noch in der Entwurfsbegründung vor. befürchten, öffentlich an den „Pranger“ gem. § 14 Ver- Dies ist erstaunlich, da viele interne Ermittlungen, die un- SanG-E gestellt zu werden, vgl. § 18 S. 2 VerSanG-E. Ei- ternehmensbezogene Straftaten betreffen, auf Hinweise ne Auflösung des Verbandes, die sog. „Todesstrafe für von Whistleblowern zurückgehen,4 der Richtlinienvor- Unternehmen“, wie sie in § 14 VerSanG-E aF noch vor- schlag bereits seit einiger Zeit diskutiert wird 5 und das gesehen war, kommt in der Neufassung des VerSanG-E Europaparlament die WBRL auch schon am 16.4.2019 ohnehin nicht mehr vor, sodass auch vorschriftsmäßige verabschiedet hatte. interne Ermittlungen hierauf keinen Einfluss mehr ha- * Der Autor ist selbstständiger Anwalt in Köln. 6 Zuletzt Pörtge CCZ 2020, 65 (67); Petrasch DRiZ 2020, 96 (97); 1 Vgl. zu der vorherigen Fassung des VerSanG-E, dem „Entwurf eines Teicke CCZ 2019, 298; Mayer/Jenne CB 2019, 405 (411); vgl. auch Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität“ des S. 97 RefE und S. 118 RefE: „Außerdem kann die umfassende Auf- BMJV v. 15.8.2019, u. a. Schmitz WiJ 2019, 154 ff.; Priewer/Ritzen- klärung durch das Unternehmen selbst ein erster Schritt zur Einfüh- hoff WiJ 2019, 166 ff.; Petrasch DRiZ 2020, 96 ff. rung effektiver Compliance-Strukturen sein.“. 2 Vgl. hierzu u. a. Schmolke NZG 2020, 1 ff.; Garden/Hiéramente BB 7 S. 96 RefE; zu den regelungsbedürftigen Materien im Bereich inter- 2019, 963 ff.; Dilling CCZ 2019, 214 ff. ner Ermittlungen vgl. Bittmann/Brockhaus/von Coelln/Heuking 3 Vgl. Makowicz CB 2020, 1 (7), welcher sogar eine Umsetzung der NZWiSt 2019, 1 ff. WBRL im VerSanG fordert. 8 Schmitz WiJ 2019, 154 (164); ausführlich zur Definition der 4 Bittmann/Brockhaus/von Coelln/Heuking NZWiSt 2019, 1 (5). internen Ermittlungen: Bittmann/Brockhaus/von Coelln/Heuking 5 Vgl. zum Richtlinienentwurf bereits Wiedmann/Seyfert CCZ 2019, NZWiSt 2019, 1 (2); Brockhaus, AnwBl Online 2019, 214 12 (16 ff.); Gerdemann RdA 2019, 16 ff.; Vogel/Poth CB 2019, (216). 45 ff.; Johnson CCZ 2019, 66 ff.; Thüsing/Rombey NZG 2018, 9 In der vorherigen Fassung des § 18 Abs. 1 VerSanG-E aF war dies 1001 ff. noch als „Kann-Regelung“ ausgestaltet.
Dilling Interne Ermittlungen im Spannungsfeld | 3/2020 | CCZ | 133 ben.10 Nach dem neu eingefügten Abs. 3 S. 1 in § 17 Ver- Halbierung des Sanktionsrahmens geht – § 9 Abs. 2 Nr. 1 SanG-E hat das Gericht bei der Entscheidung über die VerSanG-E ruft hierzu bei Vorsatztaten bis zu 10 % des Sanktionsmilderung nach Abs. 1 auch Art und Umfang durchschnittlichen Jahresumsatzes auf16 –, beginge die Un- der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die ternehmensleitung eine schwere Sorgfaltspflichtsverlet- Aufklärung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung und zung iSv § 93 Abs. 2 S. 1 AktG oder § 43 Abs. 2 GmbHG, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungs- wenn sie nicht qualifizierte Rechtsanwälte damit beauf- behörden durch den Verband zu berücksichtigen. § 17 tragte, die internen Ermittlungen so durchzuführen, damit Abs. 3 S. 2 VerSanG-E bestimmt nunmehr, dass eine zumindest eine annähernd verlässliche Aussicht besteht, Sanktionsmilderung ausgeschlossen ist, wenn der Ver- die gewünschte Sanktionsmilderung zu erhalten. band die Ergebnisse der internen Untersuchung erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) offenbart. Die von dem Verband mit den internen Ermittlungen be- auftragten Dritten dürfen allerdings nicht die Verteidiger Auch nach § 15 Abs. 3 Nr. 7 VerSanG-E ist das Bemühen des Unternehmens sein. Dies bestimmt § 17 Abs. 1 Nr. 2 des Verbandes, die Verbandstat aufzudecken, bei der Sank- VerSanG-E. In der Begründung des RefE heißt es hierzu, tionszumessung zu berücksichtigen. Gem. § 41 Abs. 1 S. 1 dass die Verbindung von verbandsinternen Untersuchun- VerSanG-E können die Ermittlungsbehörden sogar ganz gen und Unternehmensverteidigung die Glaubwürdigkeit von der Durchführung eines Ermittlungsverfahrens abse- der Ergebnisse verbandsinterner Untersuchungen schwä- hen, wenn das Unternehmen intern ermittelt und dabei die che.17 Auch sei die Trennung von verbandsinternen Unter- Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 VerSanG-E erfüllt hat. suchungen und die Vertretung im Ordnungswidrigkeiten- Gerade im Hinblick auf den hohen Sanktionsrahmen in § 9 verfahren bereits heute weit verbreitet.18 Die Trennung Abs. 1, 2 VerSanG-E11 soll es für Unternehmen einen An- von Verteidigung einerseits und verbandsinterner Unter- reiz darstellen, interne Ermittlungen nach Maßgabe dieser suchung andererseits sichere den jeweiligen Unter- Vorschriften durchzuführen. Im RefE werden die §§ 16 bis suchungsführern eine größere Eigenständigkeit.19 Auch 18 VerSanG-E deshalb auch als „Anreizsystem“ bezeich- führe dies zu einer „erhöhten Glaubwürdigkeit ihrer Un- net.12 tersuchungsergebnisse und zu einem Vertrauensvorschuss bei den Verfolgungsbehörden“.20 I. Person der Ermittler Zu Recht wurde kritisiert, dass kein Anlass besteht, Un- ternehmensverteidigern und ihren Untersuchungsergeb- Gem. § 16 VerSanG-E hat der Verband die Möglichkeit, nissen a priori in dieser Weise zu misstrauen.21 Indessen die internen Untersuchungen selbst durchzuführen oder wollte der Gesetzgeber lediglich Argumente für von der Dritte damit zu beauftragen. In der Begründung des Ent- Unternehmensverteidigung zu trennende interne Ermitt- wurfes heißt es, dass insbesondere für kleinere und mittel- lungen vorbringen, da bei der Unternehmensverteidigung ständische Unternehmen das Bedürfnis bestehen kann, Unterlagen nicht beschlagnahmt werden dürfen, bei inter- selbst zu untersuchen, da die Beauftragung externer Bera- nen Ermittlungen hingegen schon. Um diese Beschlagnah- ter mit erheblichen Kosten verbunden sein könne.13 Die me geht es dem Gesetzgeber in § 17 Abs. 1 Nr. 2 Ver- Nutzung eigenen Personals solle daher nicht zu einem Aus- SanG-E.22 Daher stellt der Gesetzgeber diese Trennung, schluss von der Sanktionsmilderung nach § 17 VerSanG-E welche den Weg zu der gewünschten Beschlagnahme be- führen.14 Dies dürfte dennoch für weite Teile der „kleine- reiten soll, in der Entwurfsbegründung in einem hellen ren und mittelständischen Unternehmen“ bloße Theorie Lichte dar – auch um den Preis, dass Rechtsanwälte trotz bleiben. Denn deren eigenes Personal wird jedenfalls dann, ihrer Rolle als Organe der Rechtspflege und ihrer umfas- wenn es über keine juristische Vorbildung verfügt, kaum senden berufsrechtlichen Pflichten23 damit pauschal ver- dazu in der Lage sein, die internen Ermittlungen so zu füh- unglimpft werden. ren, dass sämtliche Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Nr. 1-5 VerSanG-E erfüllt sind.15 Gerade dann, wenn es Die Argumente, welche der Gesetzgeber für die Trennung für das Unternehmen um eine so bedeutsame Frage wie die von internen Ermittlungen und Unternehmensverteidi- gung vorbringt, überzeugen auch in der Sache nicht.24 10 Bereits nach § 19 S. 2 VerSanG-E aF kam eine solche Verbandsauf- lösung nicht in Betracht, wenn das Gericht in Folge interner Ermitt- 16 Auch bei „kleinen und mittleren Unternehmen“ besteht gem. § 9 lungen die Verbandsgeldsanktion nach § 18 Abs. 1 VerSanG-E aF Abs. 1 Nr. 1 VerSanG-E bei Vorsatztaten immerhin ein Sanktions- gemildert hat. Durch die Streichung der Verbandsauflösung (§ 14 rahmen von bis zu 10 Mio. EUR. VerSanG-E aF) in der Neufassung des VerSanG-E verschiebt sich die 17 S. 99 RefE. Nummerierung der Bestimmungen des VerSanG-E. Soweit in diesem 18 S. 99 RefE. Beitrag Aufsätze zum VerSanG-E zitiert werden, beziehen sich die 19 S. 99 RefE. dort genannten Passagen und Paragraphennennungen noch auf die 20 S. 99 RefE. alte Fassung des VerSanG-E. 21 Zu Recht weisen Priewer/Ritzenhoff WiJ 2019, 166 (168) mwN da- 11 Vgl. hierzu Schmitz WiJ 2019, 154 (156 f.). rauf hin, dass dieses Misstrauen schon deshalb nicht angezeigt ist, 12 S. 97 RefE. weil mit § 258 StGB eine Strafnorm über die Grenzen zulässigen 13 S. 98 RefE. Verteidigungsverhaltens bestimmt und auf berufsrechtlicher Ebene 14 S. 98 RefE. § 43 a Abs. 3 S. 2 BRAO Anwälten das bewusste Verbreiten von 15 Umfassend und kritisch Schmitz WiJ 2019, 153 (157 ff., 163): der Unwahrheiten und verfälschten Beweismitteln verbietet. von „kaum erfüllbaren zwölf Voraussetzungen des § 18“ spricht; 22 Priewer/Ritzenhoff WiJ 2019, 166 (168); vgl. auch S. 97 RefE. vgl. hierzu auch Lüneborg/Resch NZG 2018, 209 (211): „Gerade 23 Ausführlich hierzu Brockhaus WiJ 2019, 12 (15). bei schwerwiegenden Regelverstößen und komplexen Sachverhalten 24 Krit. auch Makowicz CB 2020, 1 (6): „Besonders kritisch wird zu- können mit einer internen Untersuchung betraute Mitarbeiter des nächst die vorgesehene Trennung zwischen internen Untersuchun- Unternehmens indes schnell an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Au- gen und der Unternehmensverteidigung gesehen. Dem stimmen auch ßerdem gewähren häufig – insbesondere, wenn mehrere Geschäfts- Verbände zu, wonach eine Sachverhaltsaufklärung und Strafvertei- und Infrastruktureinheiten von der Unternehmung betroffen sind – digung zusammen gehören und eine Trennung darüber hinaus durch allein außerhalb des Unternehmens stehende, zur Verschwiegenheit einen gestiegenen Aufwand insbes. kleine und mittelgroße Unterneh- verpflichtete Berater die erforderliche Unabhängigkeit der Unter- men unangemessen benachteiligen würde. Dem sei auch zugestimmt. suchung.“; s. a. Wiedmann/Seyfert CCZ 2019, 12 (20); Süße/Ahrens Eine derartige Trennung dürfte nicht nur mit doppelten Kosten für BB 2019, 1332 (1335); Brockhaus, AnwBl Online 2019, 214 (216). Verbände verbunden sein, sondern ist auch realitätsfremd.“.
134 | CCZ | 3/2020 | Dilling Interne Ermittlungen im Spannungsfeld Denn soweit es im RefE heißt, dass diese Trennung „weit und mittelständische Unternehmen“ werden diese Vorstel- verbreitet“ sei, mag dies allenfalls – und wenn überhaupt – lung des RefE schon aus Kostengründen mit Sicherheit auf Großunternehmen zutreffen.25 Der Entwurf nimmt nicht abbilden können33 und zwar auch dann nicht, wenn aber für sich in Anspruch, auch die finanziellen Verhältnis- Unternehmensverteidiger und interne Ermittler aus dersel- se von „kleineren und mittelständischen Unternehmen“ ben Kanzlei stammen, was nach dem RefE zulässig sein im Auge zu haben. Diese sollen die internen Ermittlungen soll.34 deshalb sogar selbst durchführen dürfen (s. o.). Solche Un- ternehmen können es sich aber regelmäßig gerade nicht leisten, auch nur ein Team mit der Aufarbeitung eines po- II. Wesentlicher Aufklärungsbeitrag tentiellen Verstoßes zu beschäftigen.26 Von einer „weit ver- breiteten Trennung“ kann also keine Rede sein.27 Der Ent- Von dem Verband oder den von ihm beauftragten Dritten wurf zwingt die Unternehmen aber dazu, künftig interne wird erwartet, dass die internen Ermittlungen in einem we- Ermittlungen und eine Unternehmensverteidigung zu be- sentlichen Aufklärungsbeitrag münden, § 17 Abs. 1 Nr. 1 zahlen, wenn sie ihre Verfahrensrechte behalten wollen.28 VerSanG-E.35 Soweit die Unternehmen hierzu Hinweis- Denn im Rahmen der internen Ermittlungen gehen we- gebersysteme nutzen, ist die Identität der Hinweisgeber zu sentliche Verfahrensrechte wie das Selbstbelastungsver- schützen und zwar absolut. Dies ist bisher im Referenten- bot29 oder auch das Recht zu schweigen30 verloren, da das entwurf nicht vorgesehen aber zu ergänzen. Denn wenn Unternehmen die gewünschte Sanktionsmilderung nur die Hinweisgeber befürchten müssen, dass ihre Identität dann erreichen kann, wenn es gem. § 17 Abs. 1 Nrn. 1, 3 aufgedeckt wird und sie ggf. selbst Gegenstand von Ermitt- und 4 VerSanG-E wesentliche Aufklärungsbeiträge leistet lungsmaßnahmen werden, dann werden sie davon abse- und umfassend kooperiert und dokumentiert.31 Kleine und hen, Hinweisgebersysteme zu vertrauen und deren Nutzen mittlere Unternehmen, die in den Genuss der Sanktions- liefe leer. Zugleich kann hierüber kein wesentlicher Auf- milderung kommen möchten, sich eine (zusätzliche) Un- klärungsbeitrag mehr erwartet werden, was dem Ziel des ternehmensverteidigung aber nicht leisten können, müss- Gesetzentwurfes zuwider liefe. ten dann hierauf verzichten,32 womit sie ihre auch verfas- sungsrechtlich garantierten Verfahrensrechte preisgäben. „Weit verbreitet“ wäre dann nur noch das Fehlen dieser III. Kooperation Verfahrensrechte bei der Verfolgung von unternehmens- bezogenen Straftaten. Gem. § 17 Abs. 1 Nr. 3 VerSanG-E müssen der Verband oder die von ihm beauftragten Dritten umfassend, unein- Egal, wie man zu der Trennung von internen Ermittlungen geschränkt und ununterbrochen mit den Strafverfolgungs- und Unternehmensverteidigung stehen mag – „kleinere behörden zusammenarbeiten. In der Praxis kann dies leicht zu einer „Sollbruchstelle“ für die Sanktionsmil- derung werden, da die Ermittlungsbehörden naturgemäß 25 Vgl. auch Teicke CCZ 2019, 298 (300): „Eine parallel laufende hohe Anforderungen an eine uneingeschränkte und un- zweite umfassende interne Untersuchung, durchgeführt durch die unterbrochene Kooperation stellen werden. Das Unter- Unternehmensverteidigung, wird jedoch hoffentlich die Ausnahme bleiben.“; zum Nachweis für die angeblich „weit verbreitete Tren- nehmen wird sich in diesem Rahmen den Ermittlungs- nung“ zitiert der Referentenentwurf auf S. 99 Leitner/Rosenau- behörden weitgehend unterwerfen müssen.36 Vor allem Wimmer, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 152 StPO Rn. 16. können die Ermittlungsbehörden den Unternehmen so den Dort heißt es jedoch nur, dass „die Person des internen Unter- suchungsführers in der Praxis idR gerade nicht identisch mit der Per- Umfang und die Intensität der internen Ermittlungen dik- son des Firmenvertreters im Ordnungswidrigkeitenverfahrens ist“, tieren.37 ohne dass hierfür wiederum eine Quelle genannt wird. Die genannte Fundstelle gibt für eine angeblich „weit verbreitete Trennung“ somit Zum Schutz von Hinweisgebern ist der Entwurf dahin- nur wenig her. Empirisch untersucht hat der Gesetzgeber dies jeden- gehend zu ergänzen, dass die Ermittlungsbehörden die falls nicht.; krit. zu dieser Auffassung auch Brockhaus AnwBl Online Identität des dem Unternehmen ggf. bekannten Hinweis- 2019, 214 (217): „Soweit in der Literatur andere Auffassungen ver- treten werden, erfolgen diese ohne (berufs-)rechtliche Fundierung gebers nicht herausverlangen dürfen und dass daran die oder bleiben etwa vage, wenn es heißt, die Durchführung interner Sanktionsmilderung nicht scheitern darf. Untersuchungen sei „keine anwaltliche Tätigkeit im eigenen Sinne“. 26 Pörtge CCZ 2020, 65 (71); Mayer/Jenne CB 2019, 405 (411); krit. auch Priewer/Ritzenhoff WiJ 2019, 166 (170 f.): „Während der Re- ferentenentwurf den Schutz von „kleineren und mittelständischen IV. Dokumentation Unternehmen in § 17 RefE-VerSanG vorsieht, wird mit der künst- lichen Trennung von Verteidigung und interner Untersuchung im Er- § 17 Abs. 1 Nr. 4 VerSanG-E sieht vor, dass das Unter- gebnis also genau das Gegenteil bewirkt“. 27 Das Argument der „weit verbreiteten Trennung“ kann im Übrigen nehmen oder der von ihm beauftragte Dritte den Verfol- schon deshalb nicht richtig sein, weil es laut dem RefE auf S. 55 we- gungsbehörden nach Abschluss der internen Unter- gen des derzeit noch geltenden Opportunitätsprinzips im Ordnungs- suchung das Ergebnis einschließlich aller für die Unter- widrigkeitenverfahren ein „Anwendungsdefizit“ bei der Verfolgung suchung wesentlichen Dokumente und einen Abschluss- von Verbänden im Bereich der Unternehmenskriminalität gibt. Wenn aber ein solches Anwendungsdefizit besteht, dann kann es nicht gleichzeitig eine „weit verbreitete Trennung“ von internen Er- mittlungen und Unternehmensverteidigung geben. 33 So auch Schmitz WiJ 2019, 154 (157): „Für einen multinationalen 28 Schmitz WiJ 2019, 154 (157); zu den verschiedenen Optionen, wel- Konzern mag dies ohne weiteres tragbar sein, für einen kleinen ge- che das Unternehmen hat Pörtge CCZ 2020, 65 (67 f.). meinnützigen Verein, dessen Finanzen von einem eigennützigen Vor- 29 Instruktiv C. Dannecker ZStW 2015 (2), 370 (371 ff.); C. Dannecker standsmitglied geplündert wurden, könnte es eine Vervielfältigung ZStW 2015 (4), 991 ff. der ohnehin kaum tragbaren Kosten bedeuten“. 30 C. Dannecker ZStW 2015 (4), 991 (1012 ff.); G. Dannecker/ 34 S. 99 RefE; krit. hierzu Schmitz WiJ 2019, 154 (158). C. Dannecker NZWiSt, 2016, 162 (176 f.); zwar hat gem. § 33 35 Krit. hierzu Schmitz WiJ 2019, 154 (157). Abs. 1 S. 1 VerSanG-E der gesetzliche Vertreter des Unternehmens 36 So auch Schmitz WiJ 2019, 154 (158); Pörtge CCZ 2020, 65 (67): das Recht zu schweigen. Dieses Recht wird jedoch dann, wenn sich „Nicht zu Unrecht wird dieses Verhalten als Unterwerfung oder Ka- der Verband zur Kooperation entschließt, entwertet. pitulation bezeichnet.“; Bielefeld CB 2019, 413 (415). 31 Pörtge CCZ 2020, 65 (67): „Nicht zu Unrecht wird dieses Verhalten 37 S. 96 RefE: „Die konkrete Ausgestaltung der Zusammenarbeit steht als Unterwerfung oder Kapitulation bezeichnet“. im Ermessen der Verfolgungsbehörde.“; Schmitz WiJ 2019, 154 32 I. E. auch Bielefeld CB 2019, 413. (158).
Dilling Interne Ermittlungen im Spannungsfeld | 3/2020 | CCZ | 135 bericht zur Verfügung stellen muss. Die Entwurfsbegrün- durchführte, müsste immer befürchten, dass der befragte dung stellt klar, dass keine Dokumente zurückgehalten Mitarbeiter „wesentlichste Verfahrensverstöße“ geltend werden dürfen.38 Ferner ist gem. § 17 Abs. 2 VerSanG-E macht, womit es die in § 17 Abs. 1 VerSanG-E vorgesehe- die Durchführung der internen Untersuchung nach den ne Milderung der Verbandssanktion womöglich verlöre.43 Grundsätzen des Abs. 1 Nr. 5 (faires Verfahren) gegen- Denn die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 VerSanG-E über den Verfolgungsbehörden zu dokumentieren. und damit auch die Anforderungen an ein faires Verfahren gem. Abs. 1 Nr. 5 müssen sämtlich erfüllt sein, damit die Auch an dieser Stelle sollte im Gesetz klargestellt werden, Sanktionsmilderung eintreten kann. Daraus dürfte folgen, dass weder der Abschlussbericht noch die für die Unter- dass es ein Unternehmen vernünftigerweise nicht riskieren suchung wesentlichen Dokumente die Identität eines Hin- wird, allein wegen einer (vermeintlich) fehlerhaft durch- weisgebers preisgeben dürfen. Bleibt dies offen oder lässt geführten Mitarbeiterbefragung die Sanktionsmilderung der Gesetzgeber dies – ggf. mit vielen Ausnahmen und zu verfehlen und schon deshalb externe Anwälte man- Rückausnahmen – zu, werden potentielle Hinweisgeber datieren.44 aus Furcht vor Repressalien oder Sanktionen davon abse- hen, sich zu melden.39 VI. Rechtmäßigkeit der internen V. Verfahrensrechte der von den internen Ermittlungen Ermittlungen betroffenen Personen und § 18 Abs. 1 Nr. 6 VerSanG-E aF sah noch vor, dass die Mitarbeiter interne Untersuchung in Übereinstimmung mit den gelten- den Gesetzen durchgeführt werden muss. Hierfür kommen § 17 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) bis c) VerSanG-E räumt den Per- insbesondere das Datenschutzrecht45 aber auch die Vor- sonen, welche von den internen Ermittlungen betroffen gaben aus der noch in nationales Recht umzusetzenden sind, umfangreiche Verfahrensrechte ein. So sind die be- EU-Whistleblowerrichtlinie in Betracht. In der Neufas- fragten Mitarbeiter gem. § 17 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) Ver- sung des § 17 Abs. 1 VerSanG-E fehlt es zwar an einer ent- SanG-E vor der Befragung (ordnungsgemäß) darüber zu sprechenden Bestimmung. Gleichwohl stellt die Entwurfs- belehren, dass ihre Auskünfte in einem Strafverfahren ge- begründung klar, dass die verbandsinternen Untersuchun- gen sie verwendet werden können. Sie müssen zudem das gen „selbstverständlich“ in Übereinstimmung mit den gel- Recht haben, einen anwaltlichen Beistand oder ein Mit- tenden Gesetzen durchgeführt werden müssen, wenn die glied des Betriebsrates hinzuziehen und auch hierauf hin- Sanktionsmilderung erreicht werden soll.46 Zur Recht- gewiesen werden, § 17 Abs. 1 Nr. 5 lit. b) VerSanG-E. Of- mäßigkeit der internen Ermittlungen gehört auch, dass fen bleibt allerdings, wer die Kosten für den anwaltlichen auch in diesem Rahmen die Belange von Hinweisgebern zu Beistand zu bezahlen hat.40 Und schließlich löst § 17 schützen sind, wozu insbesondere die Wahrung der Ver- Abs. 1 Nr. 5 lit. c) VerSanG-E die lange währende Streit- traulichkeit der Identität des Hinweisgebers zählt, vgl. frage, ob Mitarbeiter sich im Rahmen von internen Ermitt- Art. 16 Abs. 1 WBRL. Auch der letzten Fassung des Ver- lungen selbst belasten müssen,41 dahingehend auf, dass SanG-E ist nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber den dies nicht der Fall ist. Das Unternehmen muss dann akzep- Hinweisgeberschutz im Blick hatte. tieren, dass der betroffene Mitarbeiter entgegen seinen ggf. bestehenden arbeitsrechtlichen Pflichten schweigt, wenn es die Möglichkeit der Sanktionsmilderung nicht verlieren VII. Beschlagnahmeschutz will.42 Was der Gesetzgeber aber zentral im Blick hatte, ist die Be- Es ist zu begrüßen, dass § 17 Abs. 1 Nr. 5 VerSanG-E ver- schlagnahme von Unterlagen, welche im Rahmen von in- gleichsweise hohe Anforderungen an ein faires Verfahren ternen Ermittlungen durch Anwälte erstellt wurden.47 Die- im Rahmen der internen Ermittlungen stellt. Zugleich se Beschlagnahme kann naturgemäß mit der gem. Art. 16 kann diese Voraussetzung des § 17 Abs. 1 VerSanG-E Abs. 1 WBRL zu wahrenden Vertraulichkeit der Identität exemplarisch dafür genannt werden, dass die Annahme, von Hinweisgeber kollidieren – etwa dann, wenn diese das Unternehmen könnte selbst die internen Ermittlungen Identität dem Unternehmen oder den internen Ermittlern durchführen, sich in der Praxis jedenfalls dann nicht be- bekannt ist und sie diese in ihren Unterlagen dokumentiert wahrheiten wird, wenn das damit betraute eigene Personal haben. nicht hinreichend juristisch qualifiziert ist. Denn ein sol- ches Unternehmen, was die internen Ermittlungen selbst Nach dem RefE sollen die Beschlagnahmeverbote des § 97 Abs. 1 StPO aber abschließend auf diejenigen Fälle be- 38 S. 100 RefE. schränkt sein, in denen ein Vertrauensverhältnis zwischen 39 Vgl. auch Bittmann/Brockhaus/von Coelln/Heuking NZWiSt 2019, 1 (5): „Im Zusammenhang mit dem Whistleblowing bedarf es jedoch dringend der Anerkennung des Schweigerechts der Ombudsleute 43 Im Ergebnis auch Schmitz WiJ 2019, 154 (159): „Es bleibt jedoch und der Beschlagnahmefreiheit ihrer Dokumente, denn die Effektivi- bei deren Einhaltung Raum für die Bewertung der Untersuchung als tät eines Whistleblowing-Systems hängt von der Anonymität der unfair. Damit könnten sich sämtliche Bemühungen eines Verbands Hinweisgeber ab“. als vergeblich herausstellen, ohne dass ihm praktikable Maßstäbe 40 Vgl. zu den Kosten von internen Ermittlungen bereits Lüneborg/ für ein ausreichend rechtsicheres Vorgehen an die Hand gegeben Resch NZG 2018, 209 (213 f.); Fassbach/Hülsberg CB 2018, 1 (3). werden“. 41 Vgl. hierzu statt vieler Hauschka/Moosmayer/Lösler/Wessing, Cor- 44 Vgl. auch Süße/Ahrens BB 2019, 1332 (1335): „Insofern ist es un- porate Compliance, 3. Aufl. 2016, § 46 Rz. 4: „Eine umfassende erlässlich, dass der interne Ermittler einerseits seine Befugnisse kennt Aufklärung kann und wird in vielen Fällen den einzelnen Mitarbeiter und sich andererseits seiner Haftungsrisiken bewusst ist, wenn er arbeitsrechtlich und strafrechtlich belasten. Arbeitsrechtliche Aus- diese überschreitet“. sagepflichten stehen in einem natürlichen Konflikt zu dem strafver- 45 So ausdrücklich die Entwurfsbegründung zum VerSanG-E aF v. fahrensrechtlichen Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit.“ 15.8.2019 auf S. 103. 42 Schmitz WiJ 2019, 154 (162); Bielefeld CB 2019, 413 (414); Pe- 46 S. 98 RefE. trasch DRiZ 2020, 96 (98 f.). 47 Vgl. S. 97, 137, 138 RefE.
136 | CCZ | 3/2020 | Dilling Interne Ermittlungen im Spannungsfeld Beschuldigten und Zeugnisverweigerungsberechtigtem be- §§ 16-18 VerSanG-E erstellt werden, der Beschlagnahme, steht.48 Deshalb soll § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO dahingehend da es dort an einem Verteidigerverhältnis zwischen Unter- geändert werden, dass die Gegenstände, auf die sich das nehmen und Rechtsanwalt fehlt. Umgekehrt können inter- Beschlagnahmeverbot beziehen soll, ausdrücklich dem ne Ermittlungsergebnisse der Unternehmensverteidigung Vertrauensverhältnis des Beschuldigten zu den in § 53 (wegen des dort bestehenden Beschlagnahmeschutzes) nie- Abs. 1 Nr. 1-3 b) StPO genannten Personen zuzurechnen mals zu der Sanktionsmilderung nach § 17 Abs. 1 Ver- sind.49 Ein solches Vertrauensverhältnis bestehe etwa bei SanG-E führen und zwar ganz egal, wie sehr sie nach Unterlagen, die der Vorbereitung der Verteidigung dienen Abs. 1 Nr. 1 dazu beigetragen haben mögen, die Ver- oder bei Unterlagen, die einem Rechtsanwalt, Steuerbera- bandstat aufzuklären, wie gut die Zusammenarbeit mit ter oder Wirtschaftsprüfer vom Beschuldigten im Hinblick den Ermittlungsbehörden nach Abs. 1 Nr. 3 war, wie qua- auf eine bestimmte Beratungstätigkeit übergeben wer- lifiziert und „glaubwürdig“ der Abschlussbericht nach den.50 Nicht geschützt sei jedoch eine (reine) Sachverhalts- Abs. 1 Nr. 4 ist, wie sehr die Rechte der befragten Mit- aufklärung, die vor Vorliegen einer Beschuldigtenstellung arbeiter nach Abs. 1 Nr. 5 gewahrt wurden und wie recht- stattfindet oder anderen Zielen dient, zB der internen mäßig die internen Ermittlungen auch im Übrigen geführt Compliance.51 wurden. Denn auch § 17 Abs. 1 Nr. 2 VerSanG-E muss für eine Sanktionsmilderung erfüllt sein und danach ist die Der Gesetzgeber hat erkannt, dass danach für Aufzeich- Unternehmensverteidigung von der Durchführung von in- nungen über Befragungen im Rahmen von verbandsinter- ternen Ermittlungen iSd VerSanG-E ausgeschlossen. Al- nen Untersuchungen Beschlagnahmeschutz besteht, wenn lenfalls im Rahmen von § 15 Abs. 3 Nr. 7 VerSanG-E sie dem geschützten Vertrauensverhältnis zuzuordnen können Bemühungen der Unternehmensverteidigung, die sind.52 Auch habe das Unternehmen bei Sanktionsverfah- Verbandstat aufzudecken, sanktionsmildernd berücksich- ren nach dem VerSanG-E schon die Rechte eines Beschul- tigt werden, da für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift digten, sodass für die Aufzeichnungen über Befragungen nicht die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 VerSanG-E von Leitungspersonen grundsätzlich Beschlagnahme- vorliegen müssen.58 schutz bestehe.53 Der Beschlagnahmeschutz besteht also immer dann, wenn ein Rechtsanwalt die Unterlagen im Rahmen interner Ermittlungen für die Unternehmensver- B. Die EU-Whistleblowerrichtlinie teidigung erstellt.54 Möchte man die im Rahmen von inter- nen Ermittlungen erstellten Unterlagen dennoch beschlag- In der WBRL fallen die internen Ermittlungen unter die nahmen, muss man die Unternehmensverteidiger aus den sog. „Folgemaßnahmen“, welche ein Unternehmen zu er- internen Ermittlungen heraushalten. Genau dies ist in § 17 greifen hat, wenn ein Hinweis eingegangen ist. Definiert Abs. 1 Nr. 2 VerSanG-E vorgesehen.55 Deshalb gibt es die werden die Folgemaßnahmen in Art. 5 Nr. 12 WBRL. Da- Trennung zwischen internen Ermittlungen iSd VerSanG-E bei handelt es sich um vom Empfänger einer Meldung oder einerseits und Unternehmensverteidigung andererseits,56 einer zuständigen Behörde ergriffene Maßnahmen zur Prü- welche der RefE mit fragwürdigen Argumenten wie einer fung der Stichhaltigkeit der in der Meldung erhobenen Be- angeblich „weit verbreiteten“ Trennung von internen Er- hauptungen und gegebenenfalls zum Vorgehen gegen den mittlungen einerseits und Unternehmensverteidigung an- gemeldeten Verstoß, unter anderem durch interne Nach- dererseits sowie der fehlenden Glaubwürdigkeit der Unter- forschungen, Ermittlungen, Strafverfolgungsmaßnahmen, suchungsergebnisse der Unternehmensverteidigung zu be- Maßnahmen zur (Wieder-)Einziehung von Mitteln oder gründen versucht (s. o.). Indessen sind die Ermittlungs- Abschluss des Verfahrens. ergebnisse der Unternehmensverteidigung nicht per se weniger glaubwürdig und zwar auch dann nicht, wenn sie Behandelt werden die internen Ermittlungen im Kapitel II gleichzeitig die internen Ermittlungen leitet. Der Gesetz- der WBRL „Interne Meldungen und Folgemaßnahmen“ geber kommt nur (auch dann nicht) an deren Unterlagen (Art. 7-9 WBRL). Die WBRL unterscheidet drei Arten von nicht heran. Eine plausible und unvoreingenommene Be- Meldungen, die nach der Konzeption der WBRL vorzugs- gründung, warum die Verbindung von verbandsinternen würdig (Art. 7 Abs. 2 WBRL) aber nicht vorrangig zu be- Untersuchungen und Unternehmensverteidigung die anspruchenden internen Meldekanäle im Unternehmen Glaubwürdigkeit der Ergebnisse schmälert, liefert der Re- (Art. 7-9 WBRL), die gleichrangig daneben stehenden ex- fE nicht.57 ternen Meldungen bei Behörden (Art. 10-14 WBRL) und schließlich, wenn die internen oder externen Meldungen Dennoch unterliegen damit nach dem RefE sämtliche Un- nicht fruchteten, die Offenlegung, also das öffentliche Zu- terlagen, welche im Rahmen interner Ermittlungen iSd gänglichmachen von Informationen über Verstöße (Art. 15 WBRL) ggf. gegenüber der Presse.59 48 S. 137 RefE. 49 S. 37, 137 RefE; vgl. hierzu auch Schmitz WiJ 2019, 154 (161). 50 S. 137 RefE. 57 Auch die Behauptung auf S. 99 RefE, nur ein „unabhängiger Unter- 51 S. 138 RefE. suchungsführer könne zum Kern der aufzuarbeitenden Straftat vor- 52 S. 137 RefE. dringen und hierbei eventuelle Verstrickungen der Firmenleitung in 53 S. 138 RefE; die Beschuldigtenstellung folgt auch aus § 27 VerSanG- den Blick nehmen“, ist sehr pauschal und verkennt zudem, dass eine E. sorgfältige Unternehmensverteidigung genau dies tut. Hinzu kommt, 54 Daran kommt auch der Gesetzgeber nicht vorbei.; zu Recht weist Pe- dass dort Mansdörfer jm 2013, 123 (126) nicht ganz richtig zitiert trasch DRiZ 2020, 96 (98) darauf hin, dass „ein Schutzstatus für das wird, denn auch dieser behauptet nicht, dass nur ein unabhängiger Unternehmen also denknotwendigerweise nicht erst mit Einleitung Untersuchungsführer zum Kern der aufzuarbeitenden Straftat vor- eines förmlichen Sanktionsverfahrens begründet werden muss, son- dringen kann. dern bereits dann, wenn beim Unternehmen intern bekannt gewor- 58 So ausdrücklich nun S. 98 RefE; vgl. auch Schmitz WiJ 2019, 154 dene Missstände strafrechtliche Relevanz aufweisen und das Unter- (163); Mayer/Jenne CB 2019, 405 (411). nehmen aufgrund gesellschaftsrechtlicher Verpflichtungen Maßnah- 59 Garden/Hiéramente BB 2019, 963 (964 f.); Dilling CCZ 2019, 214 men ergreift, den Missstand aufzuklären“. (215); vgl. zum Richtlinienentwurf bereits Wiedmann/Seyfert CCZ 55 So auch Priewer/Ritzenhoff WiJ 2019, 166 (168). 2019, 12 (16 ff.); Gerdemann RdA 2019, 16 (19 f.); Vogel/Poth CB 56 So auch Schmitz WiJ 2019, 154 (162). 2019, 45 (46 f.); Thüsing/Rombey NZG 2018, 1001 (1003 ff.).
Dilling Interne Ermittlungen im Spannungsfeld | 3/2020 | CCZ | 137 Gem. Art. 8 Abs. 1 WBRL haben juristische Personen des geschult werden müssen, verlangt Art. 12 Abs. 5 WBRL – privaten und öffentlichen Sektors, welche die in Art. 8 allerdings nur für die Mitarbeiter von Behörden bei exter- WBRL genannten personellen und sachlichen Vorausset- nen Meldungen.63 Eine entsprechende Schulungsvorgabe zungen erfüllen,60 Kanäle und Verfahren für interne Mel- fehlt hingegen für diejenigen Mitarbeiter, welche für inter- dungen und für Folgemaßnahmen einzurichten. Dies ne Meldungen und Folgemaßnahmen im Unternehmen zu- schließt nach der Definition von Art. 5 Nr. 12 WBRL die ständig sind. Dass die WBRL damit bei internen Meldun- Durchführung von internen Ermittlungen somit mit ein. gen und Ermittlungen ein niedrige(re)s Qualifikations- Das Verfahren für interne Meldungen und Folgemaßnah- niveau der zuständigen Mitarbeiter in Kauf nimmt, ist um- men regelt Art. 9 WBRL. so weniger hinzunehmen, als gem. Art. 7 Abs. 2 WBRL die internen Meldekanäle bevorzugt genutzt werden sol- len. I. Person der Ermittler Zu Rechtsanwälten und externen Beratern im Zusam- Zuständig für die Folgemaßnahmen und damit für die in- menhang mit internen Ermittlungen äußert sich die ternen Ermittlungen sollen gem. Art. 9 Abs. 1 lit. c) WBRL unmittelbar nicht. Erwägungsgrund Nr. 54 WBRL eine unparteiische Person oder Abteilung sein. Da- WBRL sieht allerdings vor, dass auch externe Berater bei kann es sich um dieselbe Person oder Abteilung han- Hinweise entgegen nehmen können, wenn diese entspre- deln, welche die Meldungen des Whistleblowers entgegen chende Garantien für die Wahrung der Unabhängigkeit nimmt, die mit ihm in Kontakt bleibt und ihn erforderli- und Vertraulichkeit, des Datenschutzes und der Geheim- chenfalls um weitere Informationen ersucht und ihm haltung bieten.64 Dann müssen diese entsprechend Art. 9 Rückmeldung gibt. Abs. 1 lit. c) WBRL aber auch für die Folgemaßnahmen Fraglich ist, wer eine solche unparteiische Person oder und dementsprechend für die internen Ermittlungen zu- Abteilung sein kann. Die Bestimmungen der Richtlinie ge- ständig sein können. Die im VerSanG-E vorgesehene ben hierüber keinen Aufschluss. Da Mitarbeiter eines Un- Trennung zwischen internen Ermittlungen einerseits und ternehmens den Weisungen der Unternehmensleitung un- Unternehmensverteidigung andererseits findet sich in der terliegen, können diese schwerlich unparteiisch sein. Des- WBRL nicht. halb spräche viel dafür, Externe wie Rechtsanwälte und/ oder Ombudsleute mit den internen Ermittlungen zu be- trauen. In Erwägungsgrund Nr. 56 der WBRL heißt es, II. Wesentlicher Aufklärungsbeitrag dass es von der Struktur des Unternehmens abhängen soll, welche Personen und Abteilungen Meldungen ent- Einen wesentlichen Aufklärungsbeitrag verlangt die gegennehmen und Folgemaßnahmen ergreifen sollen. WBRL anders als § 17 Abs. 1 Nr. 1 VerSanG-E nicht. Al- Ausdrücklich heißt es auch dort, dass die Unabhängigkeit lerdings bestimmt Art. 9 Abs. 1 lit. f) WBRL, dass das Un- gewährleistet und Interessenkonflikte ausgeschlossen ternehmen nach spätestens drei Monaten dem Hinweis- werden sollen. Allerdings soll in kleineren Unternehmen geber eine Rückmeldung zu dem Hinweis geben muss. Die ein Mitarbeiter im Unternehmen diese Aufgabe erfüllen Unternehmen haben einen erheblichen Anreiz, dies zu tun. können, der direkt an die Unternehmensleitung berichtet, Denn tun sie dies nicht und wurden keine Folgemaßnah- etwa ein Leiter der Compliance- oder Personalabteilung, men ergriffen, ist gem. Art. 15 Abs. 1 lit. a) WBRL eine ein Integritätsbeauftragter, ein Rechts- oder Datenschutz- wesentliche Voraussetzung für eine sanktionsfreie Offen- beauftragter, ein Finanzvorstand, ein Auditverantwort- legung des Hinweises gegenüber der Öffentlichkeit erfüllt. licher oder ein Vorstandsmitglied.61 Unabhängig davon, dass sich längst nicht alle der vielen „kleineren Unterneh- men“ mit einer Größe von 50 Mitarbeitern, welche gem. III. Kooperation Art. 8 Abs. 3 WBRL verpflichtet werden sollen,62 auch nur mit einer dieser für sie sehr seltenen Blüten aus diesem Eine wie in § 17 Abs. 1 Nr. 3 VerSanG-E vorgesehene bunten Strauß schmücken dürften, sind sie jedoch alle Pflicht des Unternehmens, mit den Ermittlungsbehörden beim Unternehmen selbst angestellt und damit eben nicht kooperieren zu müssen, besteht nach der WBRL nicht. unparteiisch und auch nicht unabhängig. Aber offenbar stellt dies nach der WBRL keinen Widerspruch dar. Auch nach der WBRL sollen die Unternehmen damit selbst die internen Ermittlungen ohne Hilfe von außen durchführen IV. Dokumentation dürfen. Art. 18 WBRL sieht vor, dass die eingehenden Meldun- Dass die Mitarbeiter, die mit den Untersuchungen befasst gen im Einklang mit den Vertraulichkeitsverpflichtungen sind, hierfür auch qualifiziert sein sollen und sie deshalb aus Art. 16 WBRL ausführlich – ggf. sogar durch Ton- aufzeichnungen – zu dokumentieren sind. Hierbei han- delt es sich jedoch um eine rein interne Dokumentation. 60 Juristische Personen des privaten Rechts sind hierzu gem. Art. 8 Abs. 3 WBRL regelmäßig ab einer Mitarbeitergröße von 50 und Gem. Art. 18 Abs. 2-4 WBRL soll dem Hinweisgeber mehr Arbeitnehmern verpflichtet, vgl. zu den weiteren nach der Gelegenheit gegeben werden, Gesprächsprotokolle und WBRL verpflichteten Unternehmen Art. 8 Abs. 4, 7 und 8 WBRL. Niederschriften von Zusammenkünften zu unterschrei- 61 Erwägungsgrund Nr. 56 WBRL. ben. 62 Soweit es in Art. 8 Abs. 6 S. 1 WBRL heißt, dass private Unterneh- men ab einer Größe von 50 bis 249 Arbeitnehmern sich Ressourcen bei der Entgegennahme von Meldungen und auch für möglicherwei- se durchzuführende Untersuchungen teilen dürfen, dürften Kosten- 63 Vgl. auch die Erwägungsgründe Nr. 74-77 WBRL, die dort genann- senkungen kaum zu erwarten sein, da jede Untersuchung neuen Auf- ten Standards beziehen sich ausschließlich auf externe Meldungen. wand verursacht. Auch ist jenseits von Konzernunternehmen nur 64 Hierfür dürften vor allem Rechtsanwälte als Ombudsleute in Be- schwer vorstellbar, wie eine solche Ressourcenteilung in der Praxis tracht kommen, da diese im weitestmöglichen Umfang diese Voraus- personell zu bewerkstelligen sein soll. setzungen erfüllen.
138 | CCZ | 3/2020 | Dilling Interne Ermittlungen im Spannungsfeld V. Verfahrensrechte der von den internen Er- können. Jedenfalls dann, wenn das Unternehmen keine mittlungen betroffenen Personen hierauf spezialisierte Rechtsabteilung hat, dürften wieder- um nur externe Berater dafür in Frage kommen, diese Vor- gabe zu erfüllen.66 Die WBRL lässt die (Verfahrens-)Rechte der betroffenen Personen bei internen Ermittlungen im Unternehmen Eine Ergänzung für anonyme Meldungen sieht Art. 9 nach internen Meldungen weitgehend offen. Gem. Art. 5 Abs. 1 lit. e) WBRL vor: Auch die für anonyme Meldun- Abs. 1 Nr. 10 WBRL handelt es sich bei einer betroffenen gen ergriffenen Folgemaßnahmen sollen ordnungsgemäß Person um eine natürliche oder juristische Person, die in sein, wenn das nationale Recht dies vorsieht. Die besonde- der Meldung oder Offenlegung als eine Person bezeichnet re Erwähnung von anonymen Meldungen hat den Hinter- wird, die den Verstoß begangen hat oder mit der die be- grund, dass gem. Art. 6 Abs. 2 WBRL die Mitgliedsstaa- zeichnete Person verbunden ist. Soweit es in Art. 9 Abs. 1 ten entscheiden können sollen, ob juristische Personen des lit. a) WBRL heißt, dass die internen Meldekanäle so si- privaten oder öffentlichen Sektors überhaupt dazu ver- cher konzipiert sein müssen, dass die Vertraulichkeit der pflichtet sind, anonyme Meldungen von Verstößen ent- Identität gewahrt bleiben muss, bezieht sich dies nur auf gegenzunehmen und weiterzuverfolgen. Letzteres dürfte den Hinweisgeber und Dritte, die in der Meldung genannt schon aus der Legalitätspflicht der Unternehmen folgen werden. Diese Dritten sollen aber gerade nicht die von und ist auch unabdingbar, wenn das Whistleblowing er- den Hinweisen betroffenen Mitarbeiter des Unterneh- folgreich sein soll.67 mens sein.65 Gem. Art. 17 WBRL müssen sämtliche personenbezoge- Maßnahmen zum Schutz der von den Hinweisen betroffe- nen Daten im Rahmen der internen Ermittlungen daten- nen Personen sieht sodann Art. 22 WBRL vor. Systema- schutzkonform verarbeitet werden. tisch ist diese Vorschrift aus dem VI. Kapitel („Schutz- maßnahmen“) der WBRL auch auf die internen Meldun- gen und Ermittlungen gem. Art. 7-9 WBRL anwendbar. VII. Beschlagnahmeschutz Aber dem Wortlaut nach ist Art. 22 WBRL eher auf ex- terne Meldungen gegenüber Behörden zugeschnitten und Die WBRL enthält unmittelbar keine Bestimmungen da- nicht so sehr auf interne Meldungen im Unternehmen. So rüber, dass die im Zusammenhang mit den internen Er- wird in Art. 22 Abs. 3 WBRL zum Schutz der Identität mittlungen erstellten Unterlagen beschlagnahmt werden der betroffenen Personen auf die Gestaltung externer dürfen. Man könnte daher auf die Idee verfallen, dass es Meldekanäle gem. Art. 12 WBRL verwiesen und gem. auch dem Sinn und Zweck der WBRL, welche für sich in Art. 22 Abs. 2 WBRL sollen diesen Schutz während der Anspruch nimmt, die Hinweisgeber schützen zu wollen, Dauer einer Untersuchung ausdrücklich die „zuständigen widerspräche, wenn Unterlagen, welche die Identität des Behörden“ sicherstellen. Diese sind für interne Meldun- Hinweisgebers preisgeben, beschlagnahmt werden dürf- gen nach Art. 7-9 WBRL aber gerade nicht zuständig. ten. Ein wesentlicher Aspekt des von der WBRL be- Auch das in Art. 22 Abs. 1 WBRL genannte „faire Ge- zweckten Hinweisgeberschutzes ist die auch während der richtsverfahren“ passt zumindest nicht unmittelbar zu un- internen Ermittlungen zu wahrende Vertraulichkeit der ternehmensinternen Ermittlungen. Die dort genannte persönlichen Daten des Hinweisgebers gem. Art. 16 „Wahrung der Unschuldsvermutung“ sowie die Verteidi- Abs. 1 WBRL. Verstößt das Unternehmen hiergegen, gungsrechte, einschließlich des Rechts auf Anhörung und drohen ihm gem. Art. 23 Abs. 1 lit. d) WBRL empfindli- des Rechts auf Einsicht in die Akte können und müssen che Sanktionen. Das Vertraulichkeitsgebot gilt nach der aber auf unternehmensinterne Untersuchungen übertra- WBRL dennoch nicht absolut: So darf gem. Art. 16 gen werden. Abs. 2 WBRL die Identität des Hinweisgebers offenge- Auch an dieser Stelle dürfen Zweifel erlaubt sein, inwie- weit die von der WBRL angesprochenen kleineren und 66 Vgl. auch Brockhaus AnwBl Online 2019, 214 (216): „Wie ins- mittleren Unternehmen, welche die internen Untersuchun- besondere die Vorschrift des § 26 BDSG zeigt, erfordert die (Vor-) gen selbst ohne juristisches Fachpersonal durchführen, da- Prüfung, ob interne Maßnahmen zulässig sind, ein fundiertes an- zu in der Lage sind, die Rechte der Betroffenen in dieser spruchsvolles juristisches beziehungsweise anwaltliches Wissen. Pflichten und Grenzen der Tätigkeit des Unternehmensanwalts er- Weise zu wahren. geben sich mithin aus dem Strafrecht, Berufsrecht, Datenschutzrecht sowie dem Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht“. 67 Vgl. hierzu Schmolke NZG 2020, 1 (11): „Diese „weiche“ Regelung will offenbar einer weit verbreiteten Skepsis gegenüber anonymen VI. Rechtmäßigkeit der internen Ermittlun- Meldungen Rechnung tragen, die in Zweifeln an der Glaubwürdig- gen keit solcher Meldungen sowie an der Lauterkeit der Meldemotive gründet. Indes hängt die Meldebereitschaft potentieller Hinweis- geber häufig ganz wesentlich davon ab, anonym bleiben zu können. Die zuständige Person oder Abteilung soll die Folgemaß- Ein attraktives, praktisch wirksames Hinweisgebersystem kann nahmen und damit die internen Ermittlungen gem. Art. 9 kaum darauf verzichten, auch für anonyme Meldungen offen zu ste- hen. Viele Unternehmen bieten daher jetzt schon die Möglichkeit Abs. 1 lit. d) WBRL ordnungsgemäß und damit recht- anonymer Meldung. Dort hat sich die Befürchtung eines Meldemiss- mäßig durchführen. Folglich müssen diejenigen, welche brauchs bislang nicht bestätigt. Vor diesem Hintergrund sollte der mit den Ermittlungen betraut sind, hinreichend (juristisch) deutsche Umsetzungsgesetzgeber die Pflicht interner und externer qualifiziert sein, um dies einschätzen und sicherstellen zu Stellen zur Entgegennahme und Weiterverfolgung von Hinweisen auch auf anonyme Meldungen erstrecken.“; Veljovic CB 2019, 475 (480): „Einige Autoren sehen die Missbrauchsgefahr bei anonymer Hinweisabgabe als deutlich erhöht. Dem kann jedoch entgegen- 65 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 76 WBRL: „Diese Verfahren sollten ge- gehalten werden, dass gerade die vertrauliche Behandlung der Hin- währleisten, dass die Identität aller Hinweisgeber, betroffenen Per- weise für die Abgabeentscheidung wichtig ist. Die mögliche Hemm- sonen und in der Meldung genannten Dritten, zB Zeugen und Kolle- schwelle des Whistleblowers steigt aus Angst vor negativen Kon- gen, in allen Verfahrensstufen geschützt ist.“ Soweit es hier noch sequenzen. Ein anonymes Whistleblowing sollte zugelassen und die heißt, dass die betroffenen Personen zu schützen sind, wurde dies in Hinweisbearbeitung gegebenenfalls durch einen externen weisungs- Art. 9 Abs. 1 lit. a) WBRL nicht umgesetzt. unabhängigen Ombudsmann betreut werden“.
Dilling Interne Ermittlungen im Spannungsfeld | 3/2020 | CCZ | 139 legt werden, wenn dies nach Unionsrecht oder nationa- II. Unterschiede lem Recht eine notwendige und verhältnismäßige Pflicht im Rahmen von Untersuchungen durch nationale Behör- Die im RefE vorgesehene „künstliche Trennung“70 zwi- den oder von Gerichtsverfahren darstellt, so auch im schen internen Ermittlungen einerseits und Unternehmens- Hinblick auf die Wahrung der Verteidigungsrechte der verteidigung gibt es in der WBRL nicht. betroffenen Person, also derjenigen Person, welche den Verstoß begangen haben soll, der ggf. Gegenstand der Auch besteht nach der WBRL keine Pflicht des Unterneh- internen Untersuchung ist.68 Allerdings soll gem. Art. 16 mens, mit den Ermittlungsbehörden zusammenzuarbeiten. Abs. 3 WBRL eine solche Offenlegung „angemessenen Garantien“ unterliegen. Insbesondere soll der Hinweis- Nach der WBRL sind die internen Ermittlungen so zu füh- geber unterrichtet werden, bevor seine Identität offenge- ren, dass die Vertraulichkeit der Identität des Hinweis- legt wird, es sei denn, diese Unterrichtung würde die ent- gebers gewahrt bleibt, während in dem VerSanG-E Hin- sprechenden Untersuchungen oder Gerichtsverfahren ge- weisgeberschutz bisher nicht vorkommt. fährden. Ein weiterer wesentlicher Unterschied besteht in der Aus- Mithin lässt die WBRL es unter bestimmten Voraussetzun- gestaltung der Verfahrensrechte der befragten Mitarbeiter. gen zu, dass die gem. Art. 16 Abs. 1 WBRL auch während Während der VerSanG-E diese bemerkenswert klar de- der internen Untersuchungen zu schützende Vertraulich- finiert, bleibt nach der WBRL weitgehend offen und auch keit der Identität des Hinweisgebers in behördlichen oder unklar, welche Verfahrensgarantien die betroffenen Per- gerichtlichen Verfahren preisgegeben wird. Gem. Art. 16 sonen haben sollen. Abs. 2 WBRL muss es sich hierbei nur um eine nach Uni- onsrecht oder nationalem Recht verhältnismäßige Pflicht Im Hinblick darauf, dass erhebliche Gemeinsamkeiten be- zur Offenlegung dieser Identität handeln. Dies kann auf stehen und die Unterschiede nicht unüberwindlich er- die behördliche Anordnung einer Beschlagnahme von Un- scheinen, ist es sinnvoll, den Gesetzentwurf zur Umset- terlagen, welche im Rahmen interner Ermittlungen erstellt zung der Richtlinie und das VerSanG-E aufeinander ab- worden sind, grundsätzlich zutreffen. zustimmen – freilich mit der Maßgabe, dass derzeit noch vorhandene wesentliche „Webfehler“ bereinigt werden. Ein solcher Webfehler des VerSanG-E besteht darin, dass der Entwurf den Schutz von Whistleblowern bisher nicht C. Vergleich berücksichtigt, was sich auch daran zeigt, dass die aus- drücklich vorgesehenen Beschlagnahmen von Unterlagen Folgende Gemeinsamkeiten und Unterschiede weisen Ver- aus internen Ermittlungen einem solchen Schutz erkenn- SanG-E und WBRL damit auf: bar zuwider laufen.71 Insbesondere wird man von den Hinweisgebern nicht erwarten können, dass sie gem. Art. 18 Abs. 2-4 WBRL Niederschriften und Gesprächs- I. Gemeinsamkeiten protokolle mit ihrer Unterschrift bestätigen, wenn sie be- fürchten müssen, dass diese Unterlagen beschlagnahmt Sowohl VerSanG-E als auch WBRL sehen vor, dass werden können. Eine mögliche Beschlagnahme dieser Un- terlagen läuft daher auch in dieser Hinsicht einem praxis- - das Unternehmen selbst die internen Ermittlungen gerechten und richtlinienkonformen Whistleblowing zu- durchführen darf; wider. - den befragten Mitarbeitern bzw. betroffenen Personen Verfahrensrechte zustehen und Auch erscheint es geboten, den Hinweisgeberschutz nicht nur auf EU-Recht zu beschränken, sondern auf die gesam- - die internen Ermittlungen zu dokumentieren sind. te Rechtsordnung auszuweiten, um ein einheitliches Schutzniveau zu erreichen.72 Ebenso sollte der Gesetzgeber Letzteres erleichtert auch die nach dem VerSanG-E aus- der einhelligen Empfehlung73 folgen, dass Unternehmen drücklich bezweckte Beschlagnahme der im Rahmen der auch anonyme Meldungen entgegennehmen und weiter- internen Ermittlungen erstellten Unterlagen. Auch nach verfolgen müssen. der WBRL dürften Beschlagnahmen von internen Unterla- gen, welche die Identität des Hinweisgebers preisgeben, unter den in Art. 16 Abs. 2 und 3 WBRL genannten 70 Priewer/Ritzenhoff WiJ 2019, 166 (171); Teicke CCZ 2019, 298 Voraussetzungen zulässig sein. (300). 71 So auch Bittmann/Brockhaus/von Coelln/Heuking NZWiSt 2019, 1 (5): „Im Zusammenhang mit dem Whistleblowing bedarf es jedoch Weiter dürfte auch die Streichung des § 18 Abs. 1 dringend der Anerkennung des Schweigerechts der Ombudsleute und der Beschlagnahmefreiheit ihrer Dokumente, denn die Effektivi- Nr. 6 VerSanG-E aF nichts daran ändern,69 dass die in- tät eines Whistleblowing-Systems hängt von der Anonymität der ternen Ermittlungen nach beiden Vorhaben rechtskon- Hinweisgeber ab.“; Vogel/Poth CB 2019, 45 (47): „Die Beschlag- form und insbesondere datenschutzkonform durch- nahme von Whistleblower-Meldungen bringt die Architektur eines zuführen sind. effektiven und funktionsfähigen Hinweisgebersystems in Schief- lage“. 72 Schmolke NZG 2020, 1 (10); Makowicz CB 2020, 1 (7), welcher sogar eine Umsetzung der Richtlinie im VerSanG fordert; Dilling 68 Ullrich WiJ 2019, 52 (59): „So wichtig es unter rechtsstaatlichen Ge- CCZ 2019, 214 (216). sichtspunkten ist im Rahmen von Whistleblowingfällen auch den 73 Zuletzt Schmolke NZG 2020, 1 (11 f.); Veljovic CB 2019, 475 Schutz des Betroffenen und dessen Verteidigungsrechte nicht aus (480); Vogel/Poth CB 2019, 45 (47): „Hinweisgeber, die sich nicht dem Blick zu verlieren, so klar muss dem Whistleblower sein, dass darauf verlassen können, dass ihre Anonymität gewahrt bleibt, wer- seine Identität mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgedeckt werden den aus Angst vor Repressalien ungeachtet des rechtlichen Schutz- wird und diese Wahrscheinlichkeit steigt, je schwerwiegender und niveaus in den seltensten Fällen Rechtsverstöße melden, um sich fundierter die Meldung ist“. nicht dem Vorwurf des Denunziantentums auszusetzen („Mauer des 69 Vgl. S. 98 RefE. Schweigens“); Dilling CCZ 2019, 214 (218, 223).
Sie können auch lesen