Interne Ermittlungen im Spannungsfeld zwischen Unternehmensstrafrecht und Whistleblowing - RA Dilling

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132 | CCZ | 3/2020 | Dilling Interne Ermittlungen im Spannungsfeld

                         RECHTSANWALT DR. JOHANNES DILLING, LL. M. (KÖLN/PARIS1)*

      Interne Ermittlungen im Spannungsfeld zwischen
        Unternehmensstrafrecht und Whistleblowing
Gleich zwei aktuelle gesetzgeberische Initiativen befassen                Aus der Legalitätspflicht wird abgeleitet, dass Unterneh-
sich mit unternehmensbezogenen Straftaten und Rechts-                     men dazu verpflichtet sind, Rechtsverstöße, welche sie be-
verstößen: Der Referentenentwurf des Bundesministeri-                     treffen und von denen sie erfahren, intern aufzuklären
ums der Justiz und für Verbraucherschutz v. 20.4.2020                     und ggf. abzustellen, damit sie sich künftig rechtskonform
(nachfolgend: „RefE“) eines Gesetzes zur Stärkung der                     verhalten können.6 Die Begründung des Referentenent-
Integrität der Wirtschaft (nachfolgend: „VerSanG-E“)1                     wurfes stellt zu Recht heraus, dass es in Deutschland bis-
sowie die Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen                      her an einem Rechtsrahmen für interne Ermittlungen
Parlaments und des Rates v. 23.10.2019 zum Schutz von                     fehlt.7
Personen, die Verstöße gegen Unionsrecht melden
(„Whistleblowerrichtlinie“, nachfolgend „WBRL“).2 Bei-
de Vorhaben weisen den sog. „Internen Ermittlungen“ ei-                   A. Der VerSanG-E
ne zentrale Rolle zu, mögliche Straftaten und Rechtsver-
stöße im Unternehmen aufzuklären und abzustellen. Der                     Der RefE regelt die internen Ermittlungen in den §§ 16
folgende Beitrag soll klären, wie VerSanG-E und WBRL                      bis 18 VerSanG-E. Bezeichnet werden sie dort als ver-
die internen Ermittlungen ausgestalten, bzw. wo diese                     bandsinterne Untersuchungen. Definiert werden sie dort
ggf. noch sinnvollerweise angepasst und aufeinander ab-                   nicht.8 Wenn der Verband sämtliche Voraussetzungen des
gestimmt werden sollten. Hierfür besteht schon deshalb                    § 17 Abs. 1 Nr. 1-5 VerSanG-E erfüllt und das Gericht
Bedarf, weil der Gesetzgeber ausweislich der Entwurfs-                    nach der Neufassung deshalb die Verbandssanktion mil-
begründung des VerSanG-E von der WBRL und deren                           dern muss,9 reduziert sich gem. § 18 S. 1 VerSanG-E das
anstehender Umsetzung in nationales Recht3 bisher noch                    in § 9 Abs. 1-3 VerSanG-E vorgesehene Höchstmaß der
keine Notiz genommen zu haben scheint. Insgesamt kom-                     Verbandsgeldsanktion um die Hälfte und auch das Min-
men Whistleblowing und Hinweisgeberschutz weder in                        destmaß entfällt. Auch muss das Unternehmen nicht mehr
dem VerSanG-E noch in der Entwurfsbegründung vor.                         befürchten, öffentlich an den „Pranger“ gem. § 14 Ver-
Dies ist erstaunlich, da viele interne Ermittlungen, die un-              SanG-E gestellt zu werden, vgl. § 18 S. 2 VerSanG-E. Ei-
ternehmensbezogene Straftaten betreffen, auf Hinweise                     ne Auflösung des Verbandes, die sog. „Todesstrafe für
von Whistleblowern zurückgehen,4 der Richtlinienvor-                      Unternehmen“, wie sie in § 14 VerSanG-E aF noch vor-
schlag bereits seit einiger Zeit diskutiert wird 5 und das                gesehen war, kommt in der Neufassung des VerSanG-E
Europaparlament die WBRL auch schon am 16.4.2019                          ohnehin nicht mehr vor, sodass auch vorschriftsmäßige
verabschiedet hatte.                                                      interne Ermittlungen hierauf keinen Einfluss mehr ha-

*   Der Autor ist selbstständiger Anwalt in Köln.                         6   Zuletzt Pörtge CCZ 2020, 65 (67); Petrasch DRiZ 2020, 96 (97);
1   Vgl. zu der vorherigen Fassung des VerSanG-E, dem „Entwurf eines          Teicke CCZ 2019, 298; Mayer/Jenne CB 2019, 405 (411); vgl. auch
    Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität“ des                 S. 97 RefE und S. 118 RefE: „Außerdem kann die umfassende Auf-
    BMJV v. 15.8.2019, u. a. Schmitz WiJ 2019, 154 ff.; Priewer/Ritzen-       klärung durch das Unternehmen selbst ein erster Schritt zur Einfüh-
    hoff WiJ 2019, 166 ff.; Petrasch DRiZ 2020, 96 ff.                        rung effektiver Compliance-Strukturen sein.“.
2   Vgl. hierzu u. a. Schmolke NZG 2020, 1 ff.; Garden/Hiéramente BB      7   S. 96 RefE; zu den regelungsbedürftigen Materien im Bereich inter-
    2019, 963 ff.; Dilling CCZ 2019, 214 ff.                                  ner Ermittlungen vgl. Bittmann/Brockhaus/von Coelln/Heuking
3   Vgl. Makowicz CB 2020, 1 (7), welcher sogar eine Umsetzung der            NZWiSt 2019, 1 ff.
    WBRL im VerSanG fordert.                                              8   Schmitz WiJ 2019, 154 (164); ausführlich zur Definition der
4   Bittmann/Brockhaus/von Coelln/Heuking NZWiSt 2019, 1 (5).                 internen Ermittlungen: Bittmann/Brockhaus/von Coelln/Heuking
5   Vgl. zum Richtlinienentwurf bereits Wiedmann/Seyfert CCZ 2019,            NZWiSt 2019, 1 (2); Brockhaus, AnwBl Online 2019, 214
    12 (16 ff.); Gerdemann RdA 2019, 16 ff.; Vogel/Poth CB 2019,              (216).
    45 ff.; Johnson CCZ 2019, 66 ff.; Thüsing/Rombey NZG 2018,            9   In der vorherigen Fassung des § 18 Abs. 1 VerSanG-E aF war dies
    1001 ff.                                                                  noch als „Kann-Regelung“ ausgestaltet.
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ben.10 Nach dem neu eingefügten Abs. 3 S. 1 in § 17 Ver-                  Halbierung des Sanktionsrahmens geht – § 9 Abs. 2 Nr. 1
SanG-E hat das Gericht bei der Entscheidung über die                      VerSanG-E ruft hierzu bei Vorsatztaten bis zu 10 % des
Sanktionsmilderung nach Abs. 1 auch Art und Umfang                        durchschnittlichen Jahresumsatzes auf16 –, beginge die Un-
der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die                     ternehmensleitung eine schwere Sorgfaltspflichtsverlet-
Aufklärung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung und                     zung iSv § 93 Abs. 2 S. 1 AktG oder § 43 Abs. 2 GmbHG,
das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungs-                        wenn sie nicht qualifizierte Rechtsanwälte damit beauf-
behörden durch den Verband zu berücksichtigen. § 17                       tragte, die internen Ermittlungen so durchzuführen, damit
Abs. 3 S. 2 VerSanG-E bestimmt nunmehr, dass eine                         zumindest eine annähernd verlässliche Aussicht besteht,
Sanktionsmilderung ausgeschlossen ist, wenn der Ver-                      die gewünschte Sanktionsmilderung zu erhalten.
band die Ergebnisse der internen Untersuchung erst nach
Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) offenbart.                     Die von dem Verband mit den internen Ermittlungen be-
                                                                          auftragten Dritten dürfen allerdings nicht die Verteidiger
Auch nach § 15 Abs. 3 Nr. 7 VerSanG-E ist das Bemühen                     des Unternehmens sein. Dies bestimmt § 17 Abs. 1 Nr. 2
des Verbandes, die Verbandstat aufzudecken, bei der Sank-                 VerSanG-E. In der Begründung des RefE heißt es hierzu,
tionszumessung zu berücksichtigen. Gem. § 41 Abs. 1 S. 1                  dass die Verbindung von verbandsinternen Untersuchun-
VerSanG-E können die Ermittlungsbehörden sogar ganz                       gen und Unternehmensverteidigung die Glaubwürdigkeit
von der Durchführung eines Ermittlungsverfahrens abse-                    der Ergebnisse verbandsinterner Untersuchungen schwä-
hen, wenn das Unternehmen intern ermittelt und dabei die                  che.17 Auch sei die Trennung von verbandsinternen Unter-
Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 VerSanG-E erfüllt hat.                    suchungen und die Vertretung im Ordnungswidrigkeiten-
Gerade im Hinblick auf den hohen Sanktionsrahmen in § 9                   verfahren bereits heute weit verbreitet.18 Die Trennung
Abs. 1, 2 VerSanG-E11 soll es für Unternehmen einen An-                   von Verteidigung einerseits und verbandsinterner Unter-
reiz darstellen, interne Ermittlungen nach Maßgabe dieser                 suchung andererseits sichere den jeweiligen Unter-
Vorschriften durchzuführen. Im RefE werden die §§ 16 bis                  suchungsführern eine größere Eigenständigkeit.19 Auch
18 VerSanG-E deshalb auch als „Anreizsystem“ bezeich-                     führe dies zu einer „erhöhten Glaubwürdigkeit ihrer Un-
net.12                                                                    tersuchungsergebnisse und zu einem Vertrauensvorschuss
                                                                          bei den Verfolgungsbehörden“.20

I. Person der Ermittler                                                   Zu Recht wurde kritisiert, dass kein Anlass besteht, Un-
                                                                          ternehmensverteidigern und ihren Untersuchungsergeb-
Gem. § 16 VerSanG-E hat der Verband die Möglichkeit,                      nissen a priori in dieser Weise zu misstrauen.21 Indessen
die internen Untersuchungen selbst durchzuführen oder                     wollte der Gesetzgeber lediglich Argumente für von der
Dritte damit zu beauftragen. In der Begründung des Ent-                   Unternehmensverteidigung zu trennende interne Ermitt-
wurfes heißt es, dass insbesondere für kleinere und mittel-               lungen vorbringen, da bei der Unternehmensverteidigung
ständische Unternehmen das Bedürfnis bestehen kann,                       Unterlagen nicht beschlagnahmt werden dürfen, bei inter-
selbst zu untersuchen, da die Beauftragung externer Bera-                 nen Ermittlungen hingegen schon. Um diese Beschlagnah-
ter mit erheblichen Kosten verbunden sein könne.13 Die                    me geht es dem Gesetzgeber in § 17 Abs. 1 Nr. 2 Ver-
Nutzung eigenen Personals solle daher nicht zu einem Aus-                 SanG-E.22 Daher stellt der Gesetzgeber diese Trennung,
schluss von der Sanktionsmilderung nach § 17 VerSanG-E                    welche den Weg zu der gewünschten Beschlagnahme be-
führen.14 Dies dürfte dennoch für weite Teile der „kleine-                reiten soll, in der Entwurfsbegründung in einem hellen
ren und mittelständischen Unternehmen“ bloße Theorie                      Lichte dar – auch um den Preis, dass Rechtsanwälte trotz
bleiben. Denn deren eigenes Personal wird jedenfalls dann,                ihrer Rolle als Organe der Rechtspflege und ihrer umfas-
wenn es über keine juristische Vorbildung verfügt, kaum                   senden berufsrechtlichen Pflichten23 damit pauschal ver-
dazu in der Lage sein, die internen Ermittlungen so zu füh-               unglimpft werden.
ren, dass sämtliche Voraussetzungen des § 17 Abs. 1
Nr. 1-5 VerSanG-E erfüllt sind.15 Gerade dann, wenn es                    Die Argumente, welche der Gesetzgeber für die Trennung
für das Unternehmen um eine so bedeutsame Frage wie die                   von internen Ermittlungen und Unternehmensverteidi-
                                                                          gung vorbringt, überzeugen auch in der Sache nicht.24

10 Bereits nach § 19 S. 2 VerSanG-E aF kam eine solche Verbandsauf-
   lösung nicht in Betracht, wenn das Gericht in Folge interner Ermitt-   16 Auch bei „kleinen und mittleren Unternehmen“ besteht gem. § 9
   lungen die Verbandsgeldsanktion nach § 18 Abs. 1 VerSanG-E aF             Abs. 1 Nr. 1 VerSanG-E bei Vorsatztaten immerhin ein Sanktions-
   gemildert hat. Durch die Streichung der Verbandsauflösung (§ 14           rahmen von bis zu 10 Mio. EUR.
   VerSanG-E aF) in der Neufassung des VerSanG-E verschiebt sich die      17 S. 99 RefE.
   Nummerierung der Bestimmungen des VerSanG-E. Soweit in diesem          18 S. 99 RefE.
   Beitrag Aufsätze zum VerSanG-E zitiert werden, beziehen sich die       19 S. 99 RefE.
   dort genannten Passagen und Paragraphennennungen noch auf die          20 S. 99 RefE.
   alte Fassung des VerSanG-E.                                            21 Zu Recht weisen Priewer/Ritzenhoff WiJ 2019, 166 (168) mwN da-
11 Vgl. hierzu Schmitz WiJ 2019, 154 (156 f.).                               rauf hin, dass dieses Misstrauen schon deshalb nicht angezeigt ist,
12 S. 97 RefE.                                                               weil mit § 258 StGB eine Strafnorm über die Grenzen zulässigen
13 S. 98 RefE.                                                               Verteidigungsverhaltens bestimmt und auf berufsrechtlicher Ebene
14 S. 98 RefE.                                                               § 43 a Abs. 3 S. 2 BRAO Anwälten das bewusste Verbreiten von
15 Umfassend und kritisch Schmitz WiJ 2019, 153 (157 ff., 163): der          Unwahrheiten und verfälschten Beweismitteln verbietet.
   von „kaum erfüllbaren zwölf Voraussetzungen des § 18“ spricht;         22 Priewer/Ritzenhoff WiJ 2019, 166 (168); vgl. auch S. 97 RefE.
   vgl. hierzu auch Lüneborg/Resch NZG 2018, 209 (211): „Gerade           23 Ausführlich hierzu Brockhaus WiJ 2019, 12 (15).
   bei schwerwiegenden Regelverstößen und komplexen Sachverhalten         24 Krit. auch Makowicz CB 2020, 1 (6): „Besonders kritisch wird zu-
   können mit einer internen Untersuchung betraute Mitarbeiter des           nächst die vorgesehene Trennung zwischen internen Untersuchun-
   Unternehmens indes schnell an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Au-          gen und der Unternehmensverteidigung gesehen. Dem stimmen auch
   ßerdem gewähren häufig – insbesondere, wenn mehrere Geschäfts-            Verbände zu, wonach eine Sachverhaltsaufklärung und Strafvertei-
   und Infrastruktureinheiten von der Unternehmung betroffen sind –          digung zusammen gehören und eine Trennung darüber hinaus durch
   allein außerhalb des Unternehmens stehende, zur Verschwiegenheit          einen gestiegenen Aufwand insbes. kleine und mittelgroße Unterneh-
   verpflichtete Berater die erforderliche Unabhängigkeit der Unter-         men unangemessen benachteiligen würde. Dem sei auch zugestimmt.
   suchung.“; s. a. Wiedmann/Seyfert CCZ 2019, 12 (20); Süße/Ahrens          Eine derartige Trennung dürfte nicht nur mit doppelten Kosten für
   BB 2019, 1332 (1335); Brockhaus, AnwBl Online 2019, 214 (216).            Verbände verbunden sein, sondern ist auch realitätsfremd.“.
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Denn soweit es im RefE heißt, dass diese Trennung „weit                    und mittelständische Unternehmen“ werden diese Vorstel-
verbreitet“ sei, mag dies allenfalls – und wenn überhaupt –                lung des RefE schon aus Kostengründen mit Sicherheit
auf Großunternehmen zutreffen.25 Der Entwurf nimmt                         nicht abbilden können33 und zwar auch dann nicht, wenn
aber für sich in Anspruch, auch die finanziellen Verhältnis-               Unternehmensverteidiger und interne Ermittler aus dersel-
se von „kleineren und mittelständischen Unternehmen“                       ben Kanzlei stammen, was nach dem RefE zulässig sein
im Auge zu haben. Diese sollen die internen Ermittlungen                   soll.34
deshalb sogar selbst durchführen dürfen (s. o.). Solche Un-
ternehmen können es sich aber regelmäßig gerade nicht
leisten, auch nur ein Team mit der Aufarbeitung eines po-                  II. Wesentlicher Aufklärungsbeitrag
tentiellen Verstoßes zu beschäftigen.26 Von einer „weit ver-
breiteten Trennung“ kann also keine Rede sein.27 Der Ent-                  Von dem Verband oder den von ihm beauftragten Dritten
wurf zwingt die Unternehmen aber dazu, künftig interne                     wird erwartet, dass die internen Ermittlungen in einem we-
Ermittlungen und eine Unternehmensverteidigung zu be-                      sentlichen Aufklärungsbeitrag münden, § 17 Abs. 1 Nr. 1
zahlen, wenn sie ihre Verfahrensrechte behalten wollen.28                  VerSanG-E.35 Soweit die Unternehmen hierzu Hinweis-
Denn im Rahmen der internen Ermittlungen gehen we-                         gebersysteme nutzen, ist die Identität der Hinweisgeber zu
sentliche Verfahrensrechte wie das Selbstbelastungsver-                    schützen und zwar absolut. Dies ist bisher im Referenten-
bot29 oder auch das Recht zu schweigen30 verloren, da das                  entwurf nicht vorgesehen aber zu ergänzen. Denn wenn
Unternehmen die gewünschte Sanktionsmilderung nur                          die Hinweisgeber befürchten müssen, dass ihre Identität
dann erreichen kann, wenn es gem. § 17 Abs. 1 Nrn. 1, 3                    aufgedeckt wird und sie ggf. selbst Gegenstand von Ermitt-
und 4 VerSanG-E wesentliche Aufklärungsbeiträge leistet                    lungsmaßnahmen werden, dann werden sie davon abse-
und umfassend kooperiert und dokumentiert.31 Kleine und                    hen, Hinweisgebersysteme zu vertrauen und deren Nutzen
mittlere Unternehmen, die in den Genuss der Sanktions-                     liefe leer. Zugleich kann hierüber kein wesentlicher Auf-
milderung kommen möchten, sich eine (zusätzliche) Un-                      klärungsbeitrag mehr erwartet werden, was dem Ziel des
ternehmensverteidigung aber nicht leisten können, müss-                    Gesetzentwurfes zuwider liefe.
ten dann hierauf verzichten,32 womit sie ihre auch verfas-
sungsrechtlich garantierten Verfahrensrechte preisgäben.
„Weit verbreitet“ wäre dann nur noch das Fehlen dieser                     III. Kooperation
Verfahrensrechte bei der Verfolgung von unternehmens-
bezogenen Straftaten.                                                      Gem. § 17 Abs. 1 Nr. 3 VerSanG-E müssen der Verband
                                                                           oder die von ihm beauftragten Dritten umfassend, unein-
Egal, wie man zu der Trennung von internen Ermittlungen                    geschränkt und ununterbrochen mit den Strafverfolgungs-
und Unternehmensverteidigung stehen mag – „kleinere                        behörden zusammenarbeiten. In der Praxis kann dies
                                                                           leicht zu einer „Sollbruchstelle“ für die Sanktionsmil-
                                                                           derung werden, da die Ermittlungsbehörden naturgemäß
25 Vgl. auch Teicke CCZ 2019, 298 (300): „Eine parallel laufende           hohe Anforderungen an eine uneingeschränkte und un-
   zweite umfassende interne Untersuchung, durchgeführt durch die          unterbrochene Kooperation stellen werden. Das Unter-
   Unternehmensverteidigung, wird jedoch hoffentlich die Ausnahme
   bleiben.“; zum Nachweis für die angeblich „weit verbreitete Tren-       nehmen wird sich in diesem Rahmen den Ermittlungs-
   nung“ zitiert der Referentenentwurf auf S. 99 Leitner/Rosenau-          behörden weitgehend unterwerfen müssen.36 Vor allem
   Wimmer, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 152 StPO Rn. 16.           können die Ermittlungsbehörden den Unternehmen so den
   Dort heißt es jedoch nur, dass „die Person des internen Unter-
   suchungsführers in der Praxis idR gerade nicht identisch mit der Per-   Umfang und die Intensität der internen Ermittlungen dik-
   son des Firmenvertreters im Ordnungswidrigkeitenverfahrens ist“,        tieren.37
   ohne dass hierfür wiederum eine Quelle genannt wird. Die genannte
   Fundstelle gibt für eine angeblich „weit verbreitete Trennung“ somit    Zum Schutz von Hinweisgebern ist der Entwurf dahin-
   nur wenig her. Empirisch untersucht hat der Gesetzgeber dies jeden-     gehend zu ergänzen, dass die Ermittlungsbehörden die
   falls nicht.; krit. zu dieser Auffassung auch Brockhaus AnwBl Online    Identität des dem Unternehmen ggf. bekannten Hinweis-
   2019, 214 (217): „Soweit in der Literatur andere Auffassungen ver-
   treten werden, erfolgen diese ohne (berufs-)rechtliche Fundierung       gebers nicht herausverlangen dürfen und dass daran die
   oder bleiben etwa vage, wenn es heißt, die Durchführung interner        Sanktionsmilderung nicht scheitern darf.
   Untersuchungen sei „keine anwaltliche Tätigkeit im eigenen Sinne“.
26 Pörtge CCZ 2020, 65 (71); Mayer/Jenne CB 2019, 405 (411); krit.
   auch Priewer/Ritzenhoff WiJ 2019, 166 (170 f.): „Während der Re-
   ferentenentwurf den Schutz von „kleineren und mittelständischen         IV. Dokumentation
   Unternehmen in § 17 RefE-VerSanG vorsieht, wird mit der künst-
   lichen Trennung von Verteidigung und interner Untersuchung im Er-       § 17 Abs. 1 Nr. 4 VerSanG-E sieht vor, dass das Unter-
   gebnis also genau das Gegenteil bewirkt“.
27 Das Argument der „weit verbreiteten Trennung“ kann im Übrigen           nehmen oder der von ihm beauftragte Dritte den Verfol-
   schon deshalb nicht richtig sein, weil es laut dem RefE auf S. 55 we-   gungsbehörden nach Abschluss der internen Unter-
   gen des derzeit noch geltenden Opportunitätsprinzips im Ordnungs-       suchung das Ergebnis einschließlich aller für die Unter-
   widrigkeitenverfahren ein „Anwendungsdefizit“ bei der Verfolgung        suchung wesentlichen Dokumente und einen Abschluss-
   von Verbänden im Bereich der Unternehmenskriminalität gibt.
   Wenn aber ein solches Anwendungsdefizit besteht, dann kann es
   nicht gleichzeitig eine „weit verbreitete Trennung“ von internen Er-
   mittlungen und Unternehmensverteidigung geben.                          33 So auch Schmitz WiJ 2019, 154 (157): „Für einen multinationalen
28 Schmitz WiJ 2019, 154 (157); zu den verschiedenen Optionen, wel-           Konzern mag dies ohne weiteres tragbar sein, für einen kleinen ge-
   che das Unternehmen hat Pörtge CCZ 2020, 65 (67 f.).                       meinnützigen Verein, dessen Finanzen von einem eigennützigen Vor-
29 Instruktiv C. Dannecker ZStW 2015 (2), 370 (371 ff.); C. Dannecker         standsmitglied geplündert wurden, könnte es eine Vervielfältigung
   ZStW 2015 (4), 991 ff.                                                     der ohnehin kaum tragbaren Kosten bedeuten“.
30 C. Dannecker ZStW 2015 (4), 991 (1012 ff.); G. Dannecker/               34 S. 99 RefE; krit. hierzu Schmitz WiJ 2019, 154 (158).
   C. Dannecker NZWiSt, 2016, 162 (176 f.); zwar hat gem. § 33             35 Krit. hierzu Schmitz WiJ 2019, 154 (157).
   Abs. 1 S. 1 VerSanG-E der gesetzliche Vertreter des Unternehmens        36 So auch Schmitz WiJ 2019, 154 (158); Pörtge CCZ 2020, 65 (67):
   das Recht zu schweigen. Dieses Recht wird jedoch dann, wenn sich           „Nicht zu Unrecht wird dieses Verhalten als Unterwerfung oder Ka-
   der Verband zur Kooperation entschließt, entwertet.                        pitulation bezeichnet.“; Bielefeld CB 2019, 413 (415).
31 Pörtge CCZ 2020, 65 (67): „Nicht zu Unrecht wird dieses Verhalten       37 S. 96 RefE: „Die konkrete Ausgestaltung der Zusammenarbeit steht
   als Unterwerfung oder Kapitulation bezeichnet“.                            im Ermessen der Verfolgungsbehörde.“; Schmitz WiJ 2019, 154
32 I. E. auch Bielefeld CB 2019, 413.                                         (158).
Dilling Interne Ermittlungen im Spannungsfeld | 3/2020                | CCZ | 135

bericht zur Verfügung stellen muss. Die Entwurfsbegrün-                   durchführte, müsste immer befürchten, dass der befragte
dung stellt klar, dass keine Dokumente zurückgehalten                     Mitarbeiter „wesentlichste Verfahrensverstöße“ geltend
werden dürfen.38 Ferner ist gem. § 17 Abs. 2 VerSanG-E                    macht, womit es die in § 17 Abs. 1 VerSanG-E vorgesehe-
die Durchführung der internen Untersuchung nach den                       ne Milderung der Verbandssanktion womöglich verlöre.43
Grundsätzen des Abs. 1 Nr. 5 (faires Verfahren) gegen-                    Denn die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 VerSanG-E
über den Verfolgungsbehörden zu dokumentieren.                            und damit auch die Anforderungen an ein faires Verfahren
                                                                          gem. Abs. 1 Nr. 5 müssen sämtlich erfüllt sein, damit die
Auch an dieser Stelle sollte im Gesetz klargestellt werden,               Sanktionsmilderung eintreten kann. Daraus dürfte folgen,
dass weder der Abschlussbericht noch die für die Unter-                   dass es ein Unternehmen vernünftigerweise nicht riskieren
suchung wesentlichen Dokumente die Identität eines Hin-                   wird, allein wegen einer (vermeintlich) fehlerhaft durch-
weisgebers preisgeben dürfen. Bleibt dies offen oder lässt                geführten Mitarbeiterbefragung die Sanktionsmilderung
der Gesetzgeber dies – ggf. mit vielen Ausnahmen und                      zu verfehlen und schon deshalb externe Anwälte man-
Rückausnahmen – zu, werden potentielle Hinweisgeber                       datieren.44
aus Furcht vor Repressalien oder Sanktionen davon abse-
hen, sich zu melden.39
                                                                          VI. Rechtmäßigkeit der internen
V. Verfahrensrechte der von den internen                                  Ermittlungen
Ermittlungen betroffenen Personen und                                     § 18 Abs. 1 Nr. 6 VerSanG-E aF sah noch vor, dass die
Mitarbeiter                                                               interne Untersuchung in Übereinstimmung mit den gelten-
                                                                          den Gesetzen durchgeführt werden muss. Hierfür kommen
§ 17 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) bis c) VerSanG-E räumt den Per-                 insbesondere das Datenschutzrecht45 aber auch die Vor-
sonen, welche von den internen Ermittlungen betroffen                     gaben aus der noch in nationales Recht umzusetzenden
sind, umfangreiche Verfahrensrechte ein. So sind die be-                  EU-Whistleblowerrichtlinie in Betracht. In der Neufas-
fragten Mitarbeiter gem. § 17 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) Ver-                   sung des § 17 Abs. 1 VerSanG-E fehlt es zwar an einer ent-
SanG-E vor der Befragung (ordnungsgemäß) darüber zu                       sprechenden Bestimmung. Gleichwohl stellt die Entwurfs-
belehren, dass ihre Auskünfte in einem Strafverfahren ge-                 begründung klar, dass die verbandsinternen Untersuchun-
gen sie verwendet werden können. Sie müssen zudem das                     gen „selbstverständlich“ in Übereinstimmung mit den gel-
Recht haben, einen anwaltlichen Beistand oder ein Mit-                    tenden Gesetzen durchgeführt werden müssen, wenn die
glied des Betriebsrates hinzuziehen und auch hierauf hin-                 Sanktionsmilderung erreicht werden soll.46 Zur Recht-
gewiesen werden, § 17 Abs. 1 Nr. 5 lit. b) VerSanG-E. Of-                 mäßigkeit der internen Ermittlungen gehört auch, dass
fen bleibt allerdings, wer die Kosten für den anwaltlichen                auch in diesem Rahmen die Belange von Hinweisgebern zu
Beistand zu bezahlen hat.40 Und schließlich löst § 17                     schützen sind, wozu insbesondere die Wahrung der Ver-
Abs. 1 Nr. 5 lit. c) VerSanG-E die lange währende Streit-                 traulichkeit der Identität des Hinweisgebers zählt, vgl.
frage, ob Mitarbeiter sich im Rahmen von internen Ermitt-                 Art. 16 Abs. 1 WBRL. Auch der letzten Fassung des Ver-
lungen selbst belasten müssen,41 dahingehend auf, dass                    SanG-E ist nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber den
dies nicht der Fall ist. Das Unternehmen muss dann akzep-                 Hinweisgeberschutz im Blick hatte.
tieren, dass der betroffene Mitarbeiter entgegen seinen ggf.
bestehenden arbeitsrechtlichen Pflichten schweigt, wenn
es die Möglichkeit der Sanktionsmilderung nicht verlieren                 VII. Beschlagnahmeschutz
will.42
                                                                          Was der Gesetzgeber aber zentral im Blick hatte, ist die Be-
Es ist zu begrüßen, dass § 17 Abs. 1 Nr. 5 VerSanG-E ver-
                                                                          schlagnahme von Unterlagen, welche im Rahmen von in-
gleichsweise hohe Anforderungen an ein faires Verfahren
                                                                          ternen Ermittlungen durch Anwälte erstellt wurden.47 Die-
im Rahmen der internen Ermittlungen stellt. Zugleich
                                                                          se Beschlagnahme kann naturgemäß mit der gem. Art. 16
kann diese Voraussetzung des § 17 Abs. 1 VerSanG-E
                                                                          Abs. 1 WBRL zu wahrenden Vertraulichkeit der Identität
exemplarisch dafür genannt werden, dass die Annahme,
                                                                          von Hinweisgeber kollidieren – etwa dann, wenn diese
das Unternehmen könnte selbst die internen Ermittlungen
                                                                          Identität dem Unternehmen oder den internen Ermittlern
durchführen, sich in der Praxis jedenfalls dann nicht be-
                                                                          bekannt ist und sie diese in ihren Unterlagen dokumentiert
wahrheiten wird, wenn das damit betraute eigene Personal
                                                                          haben.
nicht hinreichend juristisch qualifiziert ist. Denn ein sol-
ches Unternehmen, was die internen Ermittlungen selbst                    Nach dem RefE sollen die Beschlagnahmeverbote des § 97
                                                                          Abs. 1 StPO aber abschließend auf diejenigen Fälle be-
38 S. 100 RefE.
                                                                          schränkt sein, in denen ein Vertrauensverhältnis zwischen
39 Vgl. auch Bittmann/Brockhaus/von Coelln/Heuking NZWiSt 2019,
   1 (5): „Im Zusammenhang mit dem Whistleblowing bedarf es jedoch
   dringend der Anerkennung des Schweigerechts der Ombudsleute            43 Im Ergebnis auch Schmitz WiJ 2019, 154 (159): „Es bleibt jedoch
   und der Beschlagnahmefreiheit ihrer Dokumente, denn die Effektivi-        bei deren Einhaltung Raum für die Bewertung der Untersuchung als
   tät eines Whistleblowing-Systems hängt von der Anonymität der             unfair. Damit könnten sich sämtliche Bemühungen eines Verbands
   Hinweisgeber ab“.                                                         als vergeblich herausstellen, ohne dass ihm praktikable Maßstäbe
40 Vgl. zu den Kosten von internen Ermittlungen bereits Lüneborg/            für ein ausreichend rechtsicheres Vorgehen an die Hand gegeben
   Resch NZG 2018, 209 (213 f.); Fassbach/Hülsberg CB 2018, 1 (3).           werden“.
41 Vgl. hierzu statt vieler Hauschka/Moosmayer/Lösler/Wessing, Cor-       44 Vgl. auch Süße/Ahrens BB 2019, 1332 (1335): „Insofern ist es un-
   porate Compliance, 3. Aufl. 2016, § 46 Rz. 4: „Eine umfassende            erlässlich, dass der interne Ermittler einerseits seine Befugnisse kennt
   Aufklärung kann und wird in vielen Fällen den einzelnen Mitarbeiter       und sich andererseits seiner Haftungsrisiken bewusst ist, wenn er
   arbeitsrechtlich und strafrechtlich belasten. Arbeitsrechtliche Aus-      diese überschreitet“.
   sagepflichten stehen in einem natürlichen Konflikt zu dem strafver-    45 So ausdrücklich die Entwurfsbegründung zum VerSanG-E aF v.
   fahrensrechtlichen Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit.“               15.8.2019 auf S. 103.
42 Schmitz WiJ 2019, 154 (162); Bielefeld CB 2019, 413 (414); Pe-         46 S. 98 RefE.
   trasch DRiZ 2020, 96 (98 f.).                                          47 Vgl. S. 97, 137, 138 RefE.
136 | CCZ | 3/2020 | Dilling Interne Ermittlungen im Spannungsfeld

Beschuldigten und Zeugnisverweigerungsberechtigtem be-                    §§ 16-18 VerSanG-E erstellt werden, der Beschlagnahme,
steht.48 Deshalb soll § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO dahingehend                  da es dort an einem Verteidigerverhältnis zwischen Unter-
geändert werden, dass die Gegenstände, auf die sich das                   nehmen und Rechtsanwalt fehlt. Umgekehrt können inter-
Beschlagnahmeverbot beziehen soll, ausdrücklich dem                       ne Ermittlungsergebnisse der Unternehmensverteidigung
Vertrauensverhältnis des Beschuldigten zu den in § 53                     (wegen des dort bestehenden Beschlagnahmeschutzes) nie-
Abs. 1 Nr. 1-3 b) StPO genannten Personen zuzurechnen                     mals zu der Sanktionsmilderung nach § 17 Abs. 1 Ver-
sind.49 Ein solches Vertrauensverhältnis bestehe etwa bei                 SanG-E führen und zwar ganz egal, wie sehr sie nach
Unterlagen, die der Vorbereitung der Verteidigung dienen                  Abs. 1 Nr. 1 dazu beigetragen haben mögen, die Ver-
oder bei Unterlagen, die einem Rechtsanwalt, Steuerbera-                  bandstat aufzuklären, wie gut die Zusammenarbeit mit
ter oder Wirtschaftsprüfer vom Beschuldigten im Hinblick                  den Ermittlungsbehörden nach Abs. 1 Nr. 3 war, wie qua-
auf eine bestimmte Beratungstätigkeit übergeben wer-                      lifiziert und „glaubwürdig“ der Abschlussbericht nach
den.50 Nicht geschützt sei jedoch eine (reine) Sachverhalts-              Abs. 1 Nr. 4 ist, wie sehr die Rechte der befragten Mit-
aufklärung, die vor Vorliegen einer Beschuldigtenstellung                 arbeiter nach Abs. 1 Nr. 5 gewahrt wurden und wie recht-
stattfindet oder anderen Zielen dient, zB der internen                    mäßig die internen Ermittlungen auch im Übrigen geführt
Compliance.51                                                             wurden. Denn auch § 17 Abs. 1 Nr. 2 VerSanG-E muss
                                                                          für eine Sanktionsmilderung erfüllt sein und danach ist die
Der Gesetzgeber hat erkannt, dass danach für Aufzeich-                    Unternehmensverteidigung von der Durchführung von in-
nungen über Befragungen im Rahmen von verbandsinter-                      ternen Ermittlungen iSd VerSanG-E ausgeschlossen. Al-
nen Untersuchungen Beschlagnahmeschutz besteht, wenn                      lenfalls im Rahmen von § 15 Abs. 3 Nr. 7 VerSanG-E
sie dem geschützten Vertrauensverhältnis zuzuordnen                       können Bemühungen der Unternehmensverteidigung, die
sind.52 Auch habe das Unternehmen bei Sanktionsverfah-                    Verbandstat aufzudecken, sanktionsmildernd berücksich-
ren nach dem VerSanG-E schon die Rechte eines Beschul-                    tigt werden, da für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift
digten, sodass für die Aufzeichnungen über Befragungen                    nicht die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 VerSanG-E
von Leitungspersonen grundsätzlich Beschlagnahme-                         vorliegen müssen.58
schutz bestehe.53 Der Beschlagnahmeschutz besteht also
immer dann, wenn ein Rechtsanwalt die Unterlagen im
Rahmen interner Ermittlungen für die Unternehmensver-                     B. Die EU-Whistleblowerrichtlinie
teidigung erstellt.54 Möchte man die im Rahmen von inter-
nen Ermittlungen erstellten Unterlagen dennoch beschlag-                  In der WBRL fallen die internen Ermittlungen unter die
nahmen, muss man die Unternehmensverteidiger aus den                      sog. „Folgemaßnahmen“, welche ein Unternehmen zu er-
internen Ermittlungen heraushalten. Genau dies ist in § 17                greifen hat, wenn ein Hinweis eingegangen ist. Definiert
Abs. 1 Nr. 2 VerSanG-E vorgesehen.55 Deshalb gibt es die                  werden die Folgemaßnahmen in Art. 5 Nr. 12 WBRL. Da-
Trennung zwischen internen Ermittlungen iSd VerSanG-E                     bei handelt es sich um vom Empfänger einer Meldung oder
einerseits und Unternehmensverteidigung andererseits,56                   einer zuständigen Behörde ergriffene Maßnahmen zur Prü-
welche der RefE mit fragwürdigen Argumenten wie einer                     fung der Stichhaltigkeit der in der Meldung erhobenen Be-
angeblich „weit verbreiteten“ Trennung von internen Er-                   hauptungen und gegebenenfalls zum Vorgehen gegen den
mittlungen einerseits und Unternehmensverteidigung an-                    gemeldeten Verstoß, unter anderem durch interne Nach-
dererseits sowie der fehlenden Glaubwürdigkeit der Unter-                 forschungen, Ermittlungen, Strafverfolgungsmaßnahmen,
suchungsergebnisse der Unternehmensverteidigung zu be-                    Maßnahmen zur (Wieder-)Einziehung von Mitteln oder
gründen versucht (s. o.). Indessen sind die Ermittlungs-                  Abschluss des Verfahrens.
ergebnisse der Unternehmensverteidigung nicht per se
weniger glaubwürdig und zwar auch dann nicht, wenn sie
                                                                          Behandelt werden die internen Ermittlungen im Kapitel II
gleichzeitig die internen Ermittlungen leitet. Der Gesetz-
                                                                          der WBRL „Interne Meldungen und Folgemaßnahmen“
geber kommt nur (auch dann nicht) an deren Unterlagen
                                                                          (Art. 7-9 WBRL). Die WBRL unterscheidet drei Arten von
nicht heran. Eine plausible und unvoreingenommene Be-
                                                                          Meldungen, die nach der Konzeption der WBRL vorzugs-
gründung, warum die Verbindung von verbandsinternen
                                                                          würdig (Art. 7 Abs. 2 WBRL) aber nicht vorrangig zu be-
Untersuchungen und Unternehmensverteidigung die
                                                                          anspruchenden internen Meldekanäle im Unternehmen
Glaubwürdigkeit der Ergebnisse schmälert, liefert der Re-
                                                                          (Art. 7-9 WBRL), die gleichrangig daneben stehenden ex-
fE nicht.57
                                                                          ternen Meldungen bei Behörden (Art. 10-14 WBRL) und
                                                                          schließlich, wenn die internen oder externen Meldungen
Dennoch unterliegen damit nach dem RefE sämtliche Un-
                                                                          nicht fruchteten, die Offenlegung, also das öffentliche Zu-
terlagen, welche im Rahmen interner Ermittlungen iSd
                                                                          gänglichmachen von Informationen über Verstöße
                                                                          (Art. 15 WBRL) ggf. gegenüber der Presse.59
48 S. 137 RefE.
49 S. 37, 137 RefE; vgl. hierzu auch Schmitz WiJ 2019, 154 (161).
50 S. 137 RefE.                                                           57 Auch die Behauptung auf S. 99 RefE, nur ein „unabhängiger Unter-
51 S. 138 RefE.                                                              suchungsführer könne zum Kern der aufzuarbeitenden Straftat vor-
52 S. 137 RefE.                                                              dringen und hierbei eventuelle Verstrickungen der Firmenleitung in
53 S. 138 RefE; die Beschuldigtenstellung folgt auch aus § 27 VerSanG-       den Blick nehmen“, ist sehr pauschal und verkennt zudem, dass eine
   E.                                                                        sorgfältige Unternehmensverteidigung genau dies tut. Hinzu kommt,
54 Daran kommt auch der Gesetzgeber nicht vorbei.; zu Recht weist Pe-        dass dort Mansdörfer jm 2013, 123 (126) nicht ganz richtig zitiert
   trasch DRiZ 2020, 96 (98) darauf hin, dass „ein Schutzstatus für das      wird, denn auch dieser behauptet nicht, dass nur ein unabhängiger
   Unternehmen also denknotwendigerweise nicht erst mit Einleitung           Untersuchungsführer zum Kern der aufzuarbeitenden Straftat vor-
   eines förmlichen Sanktionsverfahrens begründet werden muss, son-          dringen kann.
   dern bereits dann, wenn beim Unternehmen intern bekannt gewor-         58 So ausdrücklich nun S. 98 RefE; vgl. auch Schmitz WiJ 2019, 154
   dene Missstände strafrechtliche Relevanz aufweisen und das Unter-         (163); Mayer/Jenne CB 2019, 405 (411).
   nehmen aufgrund gesellschaftsrechtlicher Verpflichtungen Maßnah-       59 Garden/Hiéramente BB 2019, 963 (964 f.); Dilling CCZ 2019, 214
   men ergreift, den Missstand aufzuklären“.                                 (215); vgl. zum Richtlinienentwurf bereits Wiedmann/Seyfert CCZ
55 So auch Priewer/Ritzenhoff WiJ 2019, 166 (168).                           2019, 12 (16 ff.); Gerdemann RdA 2019, 16 (19 f.); Vogel/Poth CB
56 So auch Schmitz WiJ 2019, 154 (162).                                      2019, 45 (46 f.); Thüsing/Rombey NZG 2018, 1001 (1003 ff.).
Dilling Interne Ermittlungen im Spannungsfeld | 3/2020          | CCZ | 137

Gem. Art. 8 Abs. 1 WBRL haben juristische Personen des                   geschult werden müssen, verlangt Art. 12 Abs. 5 WBRL –
privaten und öffentlichen Sektors, welche die in Art. 8                  allerdings nur für die Mitarbeiter von Behörden bei exter-
WBRL genannten personellen und sachlichen Vorausset-                     nen Meldungen.63 Eine entsprechende Schulungsvorgabe
zungen erfüllen,60 Kanäle und Verfahren für interne Mel-                 fehlt hingegen für diejenigen Mitarbeiter, welche für inter-
dungen und für Folgemaßnahmen einzurichten. Dies                         ne Meldungen und Folgemaßnahmen im Unternehmen zu-
schließt nach der Definition von Art. 5 Nr. 12 WBRL die                  ständig sind. Dass die WBRL damit bei internen Meldun-
Durchführung von internen Ermittlungen somit mit ein.                    gen und Ermittlungen ein niedrige(re)s Qualifikations-
Das Verfahren für interne Meldungen und Folgemaßnah-                     niveau der zuständigen Mitarbeiter in Kauf nimmt, ist um-
men regelt Art. 9 WBRL.                                                  so weniger hinzunehmen, als gem. Art. 7 Abs. 2 WBRL
                                                                         die internen Meldekanäle bevorzugt genutzt werden sol-
                                                                         len.
I. Person der Ermittler
                                                                         Zu Rechtsanwälten und externen Beratern im Zusam-
Zuständig für die Folgemaßnahmen und damit für die in-                   menhang mit internen Ermittlungen äußert sich die
ternen Ermittlungen sollen gem. Art. 9 Abs. 1 lit. c)                    WBRL unmittelbar nicht. Erwägungsgrund Nr. 54
WBRL eine unparteiische Person oder Abteilung sein. Da-                  WBRL sieht allerdings vor, dass auch externe Berater
bei kann es sich um dieselbe Person oder Abteilung han-                  Hinweise entgegen nehmen können, wenn diese entspre-
deln, welche die Meldungen des Whistleblowers entgegen                   chende Garantien für die Wahrung der Unabhängigkeit
nimmt, die mit ihm in Kontakt bleibt und ihn erforderli-                 und Vertraulichkeit, des Datenschutzes und der Geheim-
chenfalls um weitere Informationen ersucht und ihm                       haltung bieten.64 Dann müssen diese entsprechend Art. 9
Rückmeldung gibt.                                                        Abs. 1 lit. c) WBRL aber auch für die Folgemaßnahmen
Fraglich ist, wer eine solche unparteiische Person oder                  und dementsprechend für die internen Ermittlungen zu-
Abteilung sein kann. Die Bestimmungen der Richtlinie ge-                 ständig sein können. Die im VerSanG-E vorgesehene
ben hierüber keinen Aufschluss. Da Mitarbeiter eines Un-                 Trennung zwischen internen Ermittlungen einerseits und
ternehmens den Weisungen der Unternehmensleitung un-                     Unternehmensverteidigung andererseits findet sich in der
terliegen, können diese schwerlich unparteiisch sein. Des-               WBRL nicht.
halb spräche viel dafür, Externe wie Rechtsanwälte und/
oder Ombudsleute mit den internen Ermittlungen zu be-
trauen. In Erwägungsgrund Nr. 56 der WBRL heißt es,                      II. Wesentlicher Aufklärungsbeitrag
dass es von der Struktur des Unternehmens abhängen
soll, welche Personen und Abteilungen Meldungen ent-                     Einen wesentlichen Aufklärungsbeitrag verlangt die
gegennehmen und Folgemaßnahmen ergreifen sollen.                         WBRL anders als § 17 Abs. 1 Nr. 1 VerSanG-E nicht. Al-
Ausdrücklich heißt es auch dort, dass die Unabhängigkeit                 lerdings bestimmt Art. 9 Abs. 1 lit. f) WBRL, dass das Un-
gewährleistet und Interessenkonflikte ausgeschlossen                     ternehmen nach spätestens drei Monaten dem Hinweis-
werden sollen. Allerdings soll in kleineren Unternehmen                  geber eine Rückmeldung zu dem Hinweis geben muss. Die
ein Mitarbeiter im Unternehmen diese Aufgabe erfüllen                    Unternehmen haben einen erheblichen Anreiz, dies zu tun.
können, der direkt an die Unternehmensleitung berichtet,                 Denn tun sie dies nicht und wurden keine Folgemaßnah-
etwa ein Leiter der Compliance- oder Personalabteilung,                  men ergriffen, ist gem. Art. 15 Abs. 1 lit. a) WBRL eine
ein Integritätsbeauftragter, ein Rechts- oder Datenschutz-               wesentliche Voraussetzung für eine sanktionsfreie Offen-
beauftragter, ein Finanzvorstand, ein Auditverantwort-                   legung des Hinweises gegenüber der Öffentlichkeit erfüllt.
licher oder ein Vorstandsmitglied.61 Unabhängig davon,
dass sich längst nicht alle der vielen „kleineren Unterneh-
men“ mit einer Größe von 50 Mitarbeitern, welche gem.                    III. Kooperation
Art. 8 Abs. 3 WBRL verpflichtet werden sollen,62 auch
nur mit einer dieser für sie sehr seltenen Blüten aus diesem             Eine wie in § 17 Abs. 1 Nr. 3 VerSanG-E vorgesehene
bunten Strauß schmücken dürften, sind sie jedoch alle                    Pflicht des Unternehmens, mit den Ermittlungsbehörden
beim Unternehmen selbst angestellt und damit eben nicht                  kooperieren zu müssen, besteht nach der WBRL nicht.
unparteiisch und auch nicht unabhängig. Aber offenbar
stellt dies nach der WBRL keinen Widerspruch dar. Auch
nach der WBRL sollen die Unternehmen damit selbst die
internen Ermittlungen ohne Hilfe von außen durchführen                   IV. Dokumentation
dürfen.
                                                                         Art. 18 WBRL sieht vor, dass die eingehenden Meldun-
Dass die Mitarbeiter, die mit den Untersuchungen befasst                 gen im Einklang mit den Vertraulichkeitsverpflichtungen
sind, hierfür auch qualifiziert sein sollen und sie deshalb              aus Art. 16 WBRL ausführlich – ggf. sogar durch Ton-
                                                                         aufzeichnungen – zu dokumentieren sind. Hierbei han-
                                                                         delt es sich jedoch um eine rein interne Dokumentation.
60 Juristische Personen des privaten Rechts sind hierzu gem. Art. 8
   Abs. 3 WBRL regelmäßig ab einer Mitarbeitergröße von 50 und           Gem. Art. 18 Abs. 2-4 WBRL soll dem Hinweisgeber
   mehr Arbeitnehmern verpflichtet, vgl. zu den weiteren nach der        Gelegenheit gegeben werden, Gesprächsprotokolle und
   WBRL verpflichteten Unternehmen Art. 8 Abs. 4, 7 und 8 WBRL.          Niederschriften von Zusammenkünften zu unterschrei-
61 Erwägungsgrund Nr. 56 WBRL.                                           ben.
62 Soweit es in Art. 8 Abs. 6 S. 1 WBRL heißt, dass private Unterneh-
   men ab einer Größe von 50 bis 249 Arbeitnehmern sich Ressourcen
   bei der Entgegennahme von Meldungen und auch für möglicherwei-
   se durchzuführende Untersuchungen teilen dürfen, dürften Kosten-      63 Vgl. auch die Erwägungsgründe Nr. 74-77 WBRL, die dort genann-
   senkungen kaum zu erwarten sein, da jede Untersuchung neuen Auf-         ten Standards beziehen sich ausschließlich auf externe Meldungen.
   wand verursacht. Auch ist jenseits von Konzernunternehmen nur         64 Hierfür dürften vor allem Rechtsanwälte als Ombudsleute in Be-
   schwer vorstellbar, wie eine solche Ressourcenteilung in der Praxis      tracht kommen, da diese im weitestmöglichen Umfang diese Voraus-
   personell zu bewerkstelligen sein soll.                                  setzungen erfüllen.
138 | CCZ | 3/2020 | Dilling Interne Ermittlungen im Spannungsfeld

V. Verfahrensrechte der von den internen Er- können. Jedenfalls dann, wenn das Unternehmen keine
mittlungen betroffenen Personen              hierauf spezialisierte Rechtsabteilung hat, dürften wieder-
                                                                          um nur externe Berater dafür in Frage kommen, diese Vor-
                                                                          gabe zu erfüllen.66
Die WBRL lässt die (Verfahrens-)Rechte der betroffenen
Personen bei internen Ermittlungen im Unternehmen                         Eine Ergänzung für anonyme Meldungen sieht Art. 9
nach internen Meldungen weitgehend offen. Gem. Art. 5                     Abs. 1 lit. e) WBRL vor: Auch die für anonyme Meldun-
Abs. 1 Nr. 10 WBRL handelt es sich bei einer betroffenen                  gen ergriffenen Folgemaßnahmen sollen ordnungsgemäß
Person um eine natürliche oder juristische Person, die in                 sein, wenn das nationale Recht dies vorsieht. Die besonde-
der Meldung oder Offenlegung als eine Person bezeichnet                   re Erwähnung von anonymen Meldungen hat den Hinter-
wird, die den Verstoß begangen hat oder mit der die be-                   grund, dass gem. Art. 6 Abs. 2 WBRL die Mitgliedsstaa-
zeichnete Person verbunden ist. Soweit es in Art. 9 Abs. 1                ten entscheiden können sollen, ob juristische Personen des
lit. a) WBRL heißt, dass die internen Meldekanäle so si-                  privaten oder öffentlichen Sektors überhaupt dazu ver-
cher konzipiert sein müssen, dass die Vertraulichkeit der                 pflichtet sind, anonyme Meldungen von Verstößen ent-
Identität gewahrt bleiben muss, bezieht sich dies nur auf                 gegenzunehmen und weiterzuverfolgen. Letzteres dürfte
den Hinweisgeber und Dritte, die in der Meldung genannt                   schon aus der Legalitätspflicht der Unternehmen folgen
werden. Diese Dritten sollen aber gerade nicht die von                    und ist auch unabdingbar, wenn das Whistleblowing er-
den Hinweisen betroffenen Mitarbeiter des Unterneh-                       folgreich sein soll.67
mens sein.65
                                                                          Gem. Art. 17 WBRL müssen sämtliche personenbezoge-
Maßnahmen zum Schutz der von den Hinweisen betroffe-                      nen Daten im Rahmen der internen Ermittlungen daten-
nen Personen sieht sodann Art. 22 WBRL vor. Systema-                      schutzkonform verarbeitet werden.
tisch ist diese Vorschrift aus dem VI. Kapitel („Schutz-
maßnahmen“) der WBRL auch auf die internen Meldun-
gen und Ermittlungen gem. Art. 7-9 WBRL anwendbar.                        VII. Beschlagnahmeschutz
Aber dem Wortlaut nach ist Art. 22 WBRL eher auf ex-
terne Meldungen gegenüber Behörden zugeschnitten und                      Die WBRL enthält unmittelbar keine Bestimmungen da-
nicht so sehr auf interne Meldungen im Unternehmen. So                    rüber, dass die im Zusammenhang mit den internen Er-
wird in Art. 22 Abs. 3 WBRL zum Schutz der Identität                      mittlungen erstellten Unterlagen beschlagnahmt werden
der betroffenen Personen auf die Gestaltung externer                      dürfen. Man könnte daher auf die Idee verfallen, dass es
Meldekanäle gem. Art. 12 WBRL verwiesen und gem.                          auch dem Sinn und Zweck der WBRL, welche für sich in
Art. 22 Abs. 2 WBRL sollen diesen Schutz während der                      Anspruch nimmt, die Hinweisgeber schützen zu wollen,
Dauer einer Untersuchung ausdrücklich die „zuständigen                    widerspräche, wenn Unterlagen, welche die Identität des
Behörden“ sicherstellen. Diese sind für interne Meldun-                   Hinweisgebers preisgeben, beschlagnahmt werden dürf-
gen nach Art. 7-9 WBRL aber gerade nicht zuständig.                       ten. Ein wesentlicher Aspekt des von der WBRL be-
Auch das in Art. 22 Abs. 1 WBRL genannte „faire Ge-                       zweckten Hinweisgeberschutzes ist die auch während der
richtsverfahren“ passt zumindest nicht unmittelbar zu un-                 internen Ermittlungen zu wahrende Vertraulichkeit der
ternehmensinternen Ermittlungen. Die dort genannte                        persönlichen Daten des Hinweisgebers gem. Art. 16
„Wahrung der Unschuldsvermutung“ sowie die Verteidi-                      Abs. 1 WBRL. Verstößt das Unternehmen hiergegen,
gungsrechte, einschließlich des Rechts auf Anhörung und                   drohen ihm gem. Art. 23 Abs. 1 lit. d) WBRL empfindli-
des Rechts auf Einsicht in die Akte können und müssen                     che Sanktionen. Das Vertraulichkeitsgebot gilt nach der
aber auf unternehmensinterne Untersuchungen übertra-                      WBRL dennoch nicht absolut: So darf gem. Art. 16
gen werden.                                                               Abs. 2 WBRL die Identität des Hinweisgebers offenge-
Auch an dieser Stelle dürfen Zweifel erlaubt sein, inwie-
weit die von der WBRL angesprochenen kleineren und                        66 Vgl. auch Brockhaus AnwBl Online 2019, 214 (216): „Wie ins-
mittleren Unternehmen, welche die internen Untersuchun-                      besondere die Vorschrift des § 26 BDSG zeigt, erfordert die (Vor-)
gen selbst ohne juristisches Fachpersonal durchführen, da-                   Prüfung, ob interne Maßnahmen zulässig sind, ein fundiertes an-
zu in der Lage sind, die Rechte der Betroffenen in dieser                    spruchsvolles juristisches beziehungsweise anwaltliches Wissen.
                                                                             Pflichten und Grenzen der Tätigkeit des Unternehmensanwalts er-
Weise zu wahren.                                                             geben sich mithin aus dem Strafrecht, Berufsrecht, Datenschutzrecht
                                                                             sowie dem Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht“.
                                                                          67 Vgl. hierzu Schmolke NZG 2020, 1 (11): „Diese „weiche“ Regelung
                                                                             will offenbar einer weit verbreiteten Skepsis gegenüber anonymen
VI. Rechtmäßigkeit der internen Ermittlun-                                   Meldungen Rechnung tragen, die in Zweifeln an der Glaubwürdig-
gen                                                                          keit solcher Meldungen sowie an der Lauterkeit der Meldemotive
                                                                             gründet. Indes hängt die Meldebereitschaft potentieller Hinweis-
                                                                             geber häufig ganz wesentlich davon ab, anonym bleiben zu können.
Die zuständige Person oder Abteilung soll die Folgemaß-                      Ein attraktives, praktisch wirksames Hinweisgebersystem kann
nahmen und damit die internen Ermittlungen gem. Art. 9                       kaum darauf verzichten, auch für anonyme Meldungen offen zu ste-
                                                                             hen. Viele Unternehmen bieten daher jetzt schon die Möglichkeit
Abs. 1 lit. d) WBRL ordnungsgemäß und damit recht-                           anonymer Meldung. Dort hat sich die Befürchtung eines Meldemiss-
mäßig durchführen. Folglich müssen diejenigen, welche                        brauchs bislang nicht bestätigt. Vor diesem Hintergrund sollte der
mit den Ermittlungen betraut sind, hinreichend (juristisch)                  deutsche Umsetzungsgesetzgeber die Pflicht interner und externer
qualifiziert sein, um dies einschätzen und sicherstellen zu                  Stellen zur Entgegennahme und Weiterverfolgung von Hinweisen
                                                                             auch auf anonyme Meldungen erstrecken.“; Veljovic CB 2019, 475
                                                                             (480): „Einige Autoren sehen die Missbrauchsgefahr bei anonymer
                                                                             Hinweisabgabe als deutlich erhöht. Dem kann jedoch entgegen-
65 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 76 WBRL: „Diese Verfahren sollten ge-             gehalten werden, dass gerade die vertrauliche Behandlung der Hin-
   währleisten, dass die Identität aller Hinweisgeber, betroffenen Per-      weise für die Abgabeentscheidung wichtig ist. Die mögliche Hemm-
   sonen und in der Meldung genannten Dritten, zB Zeugen und Kolle-          schwelle des Whistleblowers steigt aus Angst vor negativen Kon-
   gen, in allen Verfahrensstufen geschützt ist.“ Soweit es hier noch        sequenzen. Ein anonymes Whistleblowing sollte zugelassen und die
   heißt, dass die betroffenen Personen zu schützen sind, wurde dies in      Hinweisbearbeitung gegebenenfalls durch einen externen weisungs-
   Art. 9 Abs. 1 lit. a) WBRL nicht umgesetzt.                               unabhängigen Ombudsmann betreut werden“.
Dilling Interne Ermittlungen im Spannungsfeld | 3/2020           | CCZ | 139

legt werden, wenn dies nach Unionsrecht oder nationa-                      II. Unterschiede
lem Recht eine notwendige und verhältnismäßige Pflicht
im Rahmen von Untersuchungen durch nationale Behör-                        Die im RefE vorgesehene „künstliche Trennung“70 zwi-
den oder von Gerichtsverfahren darstellt, so auch im                       schen internen Ermittlungen einerseits und Unternehmens-
Hinblick auf die Wahrung der Verteidigungsrechte der                       verteidigung gibt es in der WBRL nicht.
betroffenen Person, also derjenigen Person, welche den
Verstoß begangen haben soll, der ggf. Gegenstand der                       Auch besteht nach der WBRL keine Pflicht des Unterneh-
internen Untersuchung ist.68 Allerdings soll gem. Art. 16                  mens, mit den Ermittlungsbehörden zusammenzuarbeiten.
Abs. 3 WBRL eine solche Offenlegung „angemessenen
Garantien“ unterliegen. Insbesondere soll der Hinweis-                     Nach der WBRL sind die internen Ermittlungen so zu füh-
geber unterrichtet werden, bevor seine Identität offenge-                  ren, dass die Vertraulichkeit der Identität des Hinweis-
legt wird, es sei denn, diese Unterrichtung würde die ent-                 gebers gewahrt bleibt, während in dem VerSanG-E Hin-
sprechenden Untersuchungen oder Gerichtsverfahren ge-                      weisgeberschutz bisher nicht vorkommt.
fährden.
                                                                           Ein weiterer wesentlicher Unterschied besteht in der Aus-
Mithin lässt die WBRL es unter bestimmten Voraussetzun-                    gestaltung der Verfahrensrechte der befragten Mitarbeiter.
gen zu, dass die gem. Art. 16 Abs. 1 WBRL auch während                     Während der VerSanG-E diese bemerkenswert klar de-
der internen Untersuchungen zu schützende Vertraulich-                     finiert, bleibt nach der WBRL weitgehend offen und auch
keit der Identität des Hinweisgebers in behördlichen oder                  unklar, welche Verfahrensgarantien die betroffenen Per-
gerichtlichen Verfahren preisgegeben wird. Gem. Art. 16                    sonen haben sollen.
Abs. 2 WBRL muss es sich hierbei nur um eine nach Uni-
onsrecht oder nationalem Recht verhältnismäßige Pflicht                    Im Hinblick darauf, dass erhebliche Gemeinsamkeiten be-
zur Offenlegung dieser Identität handeln. Dies kann auf                    stehen und die Unterschiede nicht unüberwindlich er-
die behördliche Anordnung einer Beschlagnahme von Un-                      scheinen, ist es sinnvoll, den Gesetzentwurf zur Umset-
terlagen, welche im Rahmen interner Ermittlungen erstellt                  zung der Richtlinie und das VerSanG-E aufeinander ab-
worden sind, grundsätzlich zutreffen.                                      zustimmen – freilich mit der Maßgabe, dass derzeit noch
                                                                           vorhandene wesentliche „Webfehler“ bereinigt werden.
                                                                           Ein solcher Webfehler des VerSanG-E besteht darin, dass
                                                                           der Entwurf den Schutz von Whistleblowern bisher nicht
C. Vergleich                                                               berücksichtigt, was sich auch daran zeigt, dass die aus-
                                                                           drücklich vorgesehenen Beschlagnahmen von Unterlagen
Folgende Gemeinsamkeiten und Unterschiede weisen Ver-                      aus internen Ermittlungen einem solchen Schutz erkenn-
SanG-E und WBRL damit auf:                                                 bar zuwider laufen.71 Insbesondere wird man von den
                                                                           Hinweisgebern nicht erwarten können, dass sie gem.
                                                                           Art. 18 Abs. 2-4 WBRL Niederschriften und Gesprächs-
I. Gemeinsamkeiten                                                         protokolle mit ihrer Unterschrift bestätigen, wenn sie be-
                                                                           fürchten müssen, dass diese Unterlagen beschlagnahmt
Sowohl VerSanG-E als auch WBRL sehen vor, dass                             werden können. Eine mögliche Beschlagnahme dieser Un-
                                                                           terlagen läuft daher auch in dieser Hinsicht einem praxis-
- das Unternehmen selbst die internen Ermittlungen                         gerechten und richtlinienkonformen Whistleblowing zu-
  durchführen darf;                                                        wider.
- den befragten Mitarbeitern bzw. betroffenen Personen
  Verfahrensrechte zustehen und                                            Auch erscheint es geboten, den Hinweisgeberschutz nicht
                                                                           nur auf EU-Recht zu beschränken, sondern auf die gesam-
- die internen Ermittlungen zu dokumentieren sind.                         te Rechtsordnung auszuweiten, um ein einheitliches
                                                                           Schutzniveau zu erreichen.72 Ebenso sollte der Gesetzgeber
Letzteres erleichtert auch die nach dem VerSanG-E aus-                     der einhelligen Empfehlung73 folgen, dass Unternehmen
drücklich bezweckte Beschlagnahme der im Rahmen der                        auch anonyme Meldungen entgegennehmen und weiter-
internen Ermittlungen erstellten Unterlagen. Auch nach                     verfolgen müssen.
der WBRL dürften Beschlagnahmen von internen Unterla-
gen, welche die Identität des Hinweisgebers preisgeben,
unter den in Art. 16 Abs. 2 und 3 WBRL genannten                           70 Priewer/Ritzenhoff WiJ 2019, 166 (171); Teicke CCZ 2019, 298
Voraussetzungen zulässig sein.                                                (300).
                                                                           71 So auch Bittmann/Brockhaus/von Coelln/Heuking NZWiSt 2019, 1
                                                                              (5): „Im Zusammenhang mit dem Whistleblowing bedarf es jedoch
Weiter dürfte auch die Streichung des § 18 Abs. 1                             dringend der Anerkennung des Schweigerechts der Ombudsleute
                                                                              und der Beschlagnahmefreiheit ihrer Dokumente, denn die Effektivi-
Nr. 6 VerSanG-E aF nichts daran ändern,69 dass die in-                        tät eines Whistleblowing-Systems hängt von der Anonymität der
ternen Ermittlungen nach beiden Vorhaben rechtskon-                           Hinweisgeber ab.“; Vogel/Poth CB 2019, 45 (47): „Die Beschlag-
form und insbesondere datenschutzkonform durch-                               nahme von Whistleblower-Meldungen bringt die Architektur eines
zuführen sind.                                                                effektiven und funktionsfähigen Hinweisgebersystems in Schief-
                                                                              lage“.
                                                                           72 Schmolke NZG 2020, 1 (10); Makowicz CB 2020, 1 (7), welcher
                                                                              sogar eine Umsetzung der Richtlinie im VerSanG fordert; Dilling
68 Ullrich WiJ 2019, 52 (59): „So wichtig es unter rechtsstaatlichen Ge-      CCZ 2019, 214 (216).
   sichtspunkten ist im Rahmen von Whistleblowingfällen auch den           73 Zuletzt Schmolke NZG 2020, 1 (11 f.); Veljovic CB 2019, 475
   Schutz des Betroffenen und dessen Verteidigungsrechte nicht aus            (480); Vogel/Poth CB 2019, 45 (47): „Hinweisgeber, die sich nicht
   dem Blick zu verlieren, so klar muss dem Whistleblower sein, dass          darauf verlassen können, dass ihre Anonymität gewahrt bleibt, wer-
   seine Identität mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgedeckt werden             den aus Angst vor Repressalien ungeachtet des rechtlichen Schutz-
   wird und diese Wahrscheinlichkeit steigt, je schwerwiegender und           niveaus in den seltensten Fällen Rechtsverstöße melden, um sich
   fundierter die Meldung ist“.                                               nicht dem Vorwurf des Denunziantentums auszusetzen („Mauer des
69 Vgl. S. 98 RefE.                                                           Schweigens“); Dilling CCZ 2019, 214 (218, 223).
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