IVS-Aktionsplan Österreich - Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich

Die Seite wird erstellt Hortensia-Emilia Pieper
 
WEITER LESEN
IVS-Aktionsplan Österreich - Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich
IVS-Aktionsplan Österreich

Strategie zur Umsetzung eines
Intelligenten Verkehrssystems in Österreich
IVS-Aktionsplan Österreich - Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich
IVS-Aktionsplan Österreich

    Impressum

                       Eigentümer, Herausgeber und Medieninhaber:
                        Bundesministerium für Verkehr, Innovation und
                        Technologie – BMVIT
                        Radetzkystraße 2, 1030 Wien
                       AutorInnen:
                        Martin Böhm, Barbara Flechl, Gerhard Menzel,
                        Reinhard Pfliegl, Martin Russ, Katharina Zwick
                        (AustriaTech);
                        Florian Matiasek, Helge Molin,
                        Franz Schwammenhöfer (BMVIT)
                       Endredaktion:
                        jost.con.sult Kommunikationsbüro
                        Dr. Johannes Steiner
                        1010 Wien
                       Gestaltung und Produktion:
                        Grafikbüro Mag. Alexander Schatek
                        2700 Wiener Neustadt
                       Fotohinweise:
                        iStockphoto (©: Cameron Whitman, Pei Ling Hoo, Nikada,
                        pixac, George Clerk), lianem/Shotshop.com,
                        iStockphoto (©: millionhope, 4x6, seraficus, diego cervo,
                        samxmeg, Mlenny Photography, ollo, Eric Hood, querbeet,
                        Joshua Hodge Photography)

2      Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich
IVS-Aktionsplan Österreich - Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich
IVS-Aktionsplan Österreich

Vorwort
Die Leistungsfähigkeit des österreichischen Verkehrs-    ten Verkehrssystems im Zusammenspiel von Fahrzeug,
systems ist ein wichtiger Standortfaktor und entschei-   Infrastruktur, Verkehrssteuerung und Verkehrsinfor-
dend für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirt-     mation zu einem außerordentlichen Fortschritt geführt,
schaft und auch für die Lebensqualität unserer Bürger    insbesondere bei der Schaffung sogenannter Intelligen-
und Bürgerinnen. Die Erfahrungen der vergangenen         ter Verkehrssysteme (IVS). Diese erlauben neue Ansät-
50 Jahre bestätigen, dass Wirtschaftswachstum und        ze in der Verkehrssteuerung und Verkehrsorganisation,
Verkehrswachstum eng miteinander verknüpft sind.         mit denen das Erarbeiten wirkungsvoller Strategien zur
Die Verkehrspolitik hat in diesem Zeitraum auf dieses    Lösung der zuvor aufgezeigten Probleme ermöglicht
Verkehrswachstum mit einem kontinuierlichen Ausbau       wird.
der Infrastruktur geantwortet, um die erforderlichen     Österreich hat bereits 2004 mit dem Rahmenplan für
Kapazitäten zur Verfügung zu stellen. Heute stoßen       den Einsatz der Telematik im österreichischen Ver-
wir an die Grenzen der Finanzierbarkeit eines weiteren   kehrssystem einen ersten wichtigen und vor allem in-
großzügigen Infrastrukturausbaus.                        novativen und richtungsweisenden Schritt gesetzt, dem
                                                         2008 der EU-IVS-Aktionsplan und im August 2010 die
Nationale wie europäische Prognosen zum zukünfti-        EU-IVS-Richtlinie der Europäischen Kommission ge-
gen Verkehrsgeschehen gehen trotz des zuletzt erleb-     folgt sind.
ten Einbruchs in Folge der Weltwirtschaftskrise von
einem weiteren erheblichen Wachstum des Verkehrs         Nunmehr ist es notwendig, Österreichs Strategie für ein
aus. Gleichzeitig steigen im globalen Wettbewerb auch    Intelligentes Verkehrssystem den europäischen Rah-
die Qualitätsanforderungen an das Verkehrssystem,        menbedingungen anzupassen. Mit dem vorliegenden
und zwar im Güterverkehr wie im Personenverkehr. Das     IVS-Aktionsplan formuliert das Bundesministerium
Fehlen ausreichender Kapazitäten zur Abwicklung der      für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) nach
Verkehrsnachfrage würde zu unerwünschten Begleiter-      sorgfältiger Analyse die Strategie für die Umsetzung ei-
scheinungen für Standort, Gesellschaft und Wirtschaft    nes Intelligenten Verkehrssystems im Einklang mit den
führen, wie etwa zu Mobilitätseinschränkungen, Ver-      europäischen Vorgaben für Österreich.
lust der Erreichbarkeit und damit Verlust der Wettbe-
werbsfähigkeit in einzelnen Sektoren der Wirtschaft.     Wir sind der Überzeugung, mit diesem Vorhaben nicht
                                                         nur den Vorgaben der europäischen EU-IVS-Richtlinie
Welche Antworten sind darauf zu geben?                   zu entsprechen, sondern auch wesentliche Akzente für
                                                         ein zukunftsfähiges Mobilitätssystem zu setzen – und
Die technologischen Entwicklungen haben in den ver-      damit einen wichtigen Beitrag zur Zukunft Österreichs
gangenen 20 Jahren aus der Perspektive des integrier-    zu leisten.

                                           Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich   3
IVS-Aktionsplan Österreich - Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich
IVS-Aktionsplan Österreich

4   Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich
IVS-Aktionsplan Österreich - Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich
IVS-Aktionsplan Österreich

Danksagung
Der IVS-Aktionsplan ist in einem unvergleichlich dyna-    Das Redaktionsteam hat diese Aufgaben in vielen Stun-
mischen Umfeld entstanden. Dies wurde allen Beteilig-     den der Diskussion, Konzeption und Verschriftlichung
ten mehr als einmal deutlich vor Augen geführt, indem     engagiert wahrgenommen und damit wesentlich zum
Aufbau und Inhalt aufgrund aktueller Entwicklungen        vorliegenden Ergebnis beigetragen.
umstrukturiert bzw. neu verfasst werden mussten.
                                                          Unser Dank gilt aber auch den vielen ExpertInnen der
Dies betrifft in erster Linie die europäische Ebene:      heimischen Telematiklandschaft, welche an den zahl-
Während in Österreich am IVS-Aktionsplan gearbeitet       reichen Workshops und Einzelgesprächen engagiert
worden ist, wurden einige für die Zukunft der Verkehrs­   teilgenommen und ihre Ideen, Meinungen und Anre-
telematik bzw. des Mobilitäts- und Verkehrsbereiches      gungen eingebracht haben.
insgesamt wesentliche Dokumente, wie Richtlinien
und strategische Positionierungen, zuletzt etwa das       Viele dieser Positionen finden sich im IVS-Aktionsplan
Weißbuch der Kommission, veröffentlicht.                  und haben aus unserer Sicht dazu beigetragen, die vor-
                                                          liegende Arbeit umfassend und ganzheitlich werden zu
                                                          lassen.

                                            Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich   5
IVS-Aktionsplan Österreich - Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich
IVS-Aktionsplan Österreich

                         ACATECH         Deutsche Akademie der Technikwissenschaften
                                AIS      Automatic Identification System
                          ASFINAG        Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft
                            ASTRA        Bundesamt für Straßen (CH)
                                BIP      Bruttoinlandsprodukt
                           BITKOM        Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien
                            BMVBS        Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (D)
                           BMVBW         Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungs­wesen (D)
                            BMVIT        Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (AUT)
                             BVWP        Bundesverkehrswegeplan (D)
                               CEN       Comité Européen de Normalisation
                                CO2      Kohlendioxid
                          E-FRAME        Extend FRAMEwork architecture for cooperative systems
                            EITSFA       European Intelligent Transport Systems Framework A
                                                                                          ­ rchitecture
                            ERTMS        European Rail Traffic Management System
                                ETS      Electronic Tolling System
                               ETSI      European Telecommunications Standards Institute
    Abkürzungen

                                EU       Europäische Union
                            FRAME        European Framework Architecture for Intelligent T
                                                                                         ­ ransport Systems
                                GIP      Graphenintegrationsplattform
                             GIP.at      Graphenintegrationsplattform – Einheitlicher Verkehrsgraph für Österreich
                           GIP.gv.at     E-Government auf Basis der Graphenintegrationsplattform
                               GSM       Global System for Mobile Communications
                             GVP-Ö       Generalverkehrsplan Österreich
                                IKT      Informations- und Kommunikationstechnologien
                                ISO      International Organization for Standardization
                                ITS      Intelligent Transport Systems
                              ITU-T      International Telecommunication Union – Telecommunication Standardization Sector
                               IV2S      Innovative Verkehrstechnologien und Services
                                IVS      Intelligentes Verkehrssystem
                            KAREN        Keystone Architecture Required for European Networks
                               KFZ       Kraftfahrzeug
                             KLIEN       Klima- und Energiefonds der Bundesregierung
                               LKW       Lastkraftwagen
                               LRIT      Long-range Identification and Tracking
                               MIV       motorisierter Individualverkehr
                               NOx       Stickoxide
                                ÖV       Öffentlicher Verkehr
                               P&R       Park and Ride
                              PKW        Personenkraftwagen
                               RBL       Rechnergestütztes Betriebsleitsystem
                                RIS      River Information Systems
                             SESAR       Single European Sky Air Traffic Management Research
                               SSN       SafeSeaNet
                               T3P       Trusted Third Party
                                    TC   Technical Committee
                             TEN-V       Transeuropäisches Verkehrsnetz
                              TPEG       Transport Protocol Experts Group
                           TSI TAG       Technische Spezifikation für die Interoperabilität  –Telematik für den Güterverkehr
                             TTS-A       Transport Telematik Systeme Austria
                               UKV       unbegleiteter kombinierter Verkehr
                               USA       United States of America
                               VAO       Verkehrsauskunft Österreich
                                VRI      Verkehrs- und Reiseinformationsdienste
                            VTMIS        Vessel Traffic Monitoring and Information System
                                WG       Working Group

6      Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich
IVS-Aktionsplan Österreich - Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich
IVS-Aktionsplan Österreich

                  Aktionsfelder    Die Aktionsfelder beschreiben den Rahmen, in dem Maßnahmen zur Er-
                                   reichung der IVS-Vision gesetzt werden, und gliedern sich weiter in ver-
                                   schiedene Thematiken.
      Besonders gefährdete         Besonders gefährdete VerkehrsteilnehmerInnen sind nicht motorisierte
              Verkehrs­teil­­-     VerkehrsteilnehmerInnen wie zum Beispiel Fußgänger und Fahrradfah-
             nehmer­Innen          rer sowie Motorradfahrer und Personen mit Behinderungen oder einge-
                                   schränkter Mobilität und eingeschränktem Orientierungssinn.
               Handlungsfelder     Die Handlungsfelder beschreiben die drei wesentlichen Gebiete, auf die
                                   IVS-Dienste einen positiven Einfluss erzielen sollen: Sicherheit, Effizienz
                                   und Umwelt.
          Intelligente Verkehrs-   Bei IVS handelt es sich um Systeme, bei denen Informations- und Kom-
                   systeme (IVS)   munikationstechnologien im Verkehr, einschließlich seiner Infrastruk-
                                   turen, Fahrzeuge und NutzerInnen, sowie beim Verkehrs- und Mobili-
                                   tätsmanagement und für Schnittstellen zwischen den Verkehrsträgern
                                   eingesetzt werden.
Glossar

               Interoperabilität   Interoperabilität ist die Fähigkeit von Systemen und der ihnen zugrunde
                                   liegenden Geschäftsabläufe, Daten auszutauschen und Informationen
                                   und Wissen weiterzugeben.
               IVS-Anwendung       Eine IVS-Anwendung ist ein operationelles Instrument für die Anwen-
                                   dung von IVS.
                     IVS-Dienst    IVS-Dienst bedeutet die Bereitstellung einer IVS-Anwendung innerhalb
                                   eines genau definierten organisatorischen und operationellen Rahmens
                                   mit dem Ziel, zur Erhöhung der Nutzersicherheit, der Effizienz, des Kom-
                                   forts und des Umweltschutzes und/oder zur Erleichterung oder Unter-
                                   stützung von Abläufen im Verkehr und bei Reisen beizutragen.
          IVS-Dienste-Anbieter     Ein IVS-Dienste-Anbieter ist ein Anbieter eines öffentlichen oder privaten
                                   IVS-Dienstes.
               IVS-NutzerInnen     Die IVS-NutzerInnen sind NutzerInnen von IVS-Anwendungen oder
                                   -Diensten, einschließlich Reisende, besonders gefährdete Verkehrsteil-
                                   nehmerInnen, Nutzer und Betreiber der Verkehrsinfrastruktur, Flotten-
                                   manager und Betreiber von Notdiensten.
                     IVS-Vision    Die IVS-Vision formuliert die zentralen Kernelemente und Ziele eines In-
                                   telligenten Verkehrssystems in Österreich.
          Kooperative Systeme      Unter kooperativen Systemen versteht man IVS-Dienste, die auf ver-
                                   netzter Kommunikation zwischen Fahrzeugen und der Infrastruktur
                                   (autonome Fahrerassistenzsysteme, Kommunikation zwischen Fahrzeug
                                   –­ ­Fahrzeug, Infrastruktur – Fahrzeug und Infrastruktur – Infrastruktur) ba-
                                   sieren.
           Maßnahmenkatalog        Der Maßnahmenkatalog beschreibt Maßnahmen innerhalb des Rahmens
                                   der Aktionsfelder und Thematiken, die seitens der öffentlichen Hand
                                   stimuliert werden müssen, um positive Veränderungen hinsichtlich der
                                   Handlungsfelder der IVS-Vision zu erzielen.
                      Telematik    Telematik ist ein Kunstwort aus den Begriffen Telekommunikation, Au-
                                   tomation und Information und bezeichnet im Kontext von Verkehr und
                                   Transport die Integration dieser Komponenten in ein System oder Pro-
                                   dukt mit verkehrsrelevanter Funktionalität.
                   Thematiken      Thematiken konkretisieren Themengebiete innerhalb von Aktionsfel-
                                   dern, in denen Maßnahmen zur Erreichung der IVS-Vision gesetzt werden.
                Verkehrsträger     Verkehrsträger sind die Elemente beziehungsweise Plattformen, wo Ver-
                                   kehr stattfindet  – Wasser, Luft, Schiene und Straße.

                                       Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich   7
IVS-Aktionsplan Österreich - Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich
IVS-Aktionsplan Österreich

8   Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich
IVS-Aktionsplan Österreich - Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich
IVS-Aktionsplan Österreich

Inhalt

         Die Ausgangslage                                                             10
         Mobilität in Österreich                                                      10
         Intelligente Verkehrssysteme in Österreich                                   24
         Verkehrstelematik in Europa                                                  28

         Die Herausforderungen                                                        36
         Verkehrliche Entwicklungen                                                   36
         Leitbild für das österreichische Verkehrssystem der Zukunft                  39

         Die Vision                                                                   44
         Vision für ein Intelligentes Verkehrssystem                                  44
         Handlungsfelder der Vision                                                   45

         Die Strategie                                                                48
         Identifikation der Aktionsfelder und Thematiken                              48
         Maßnahmenkatalog zur Umsetzung der Vision                                    52
         Funktionales Schema zur Beschreibung der IVS-Dienste                         54

         Verzeichnisse                                                                60

          Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich   9
IVS-Aktionsplan Österreich - Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich
IVS-Aktionsplan Österreich

     Die Ausgangslage

     Mobilität in Österreich
     Der Rahmen
     Die Industrialisierung und in der Folge der Sprung von       Kostenersparnis Antriebsfaktoren für die Investitions-
     der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft und           bereitschaft darstellen, eine rasche, kontinuierliche
     weiter zu den wissensbasierten Ökonomien unserer             und erfolgreiche Weiterentwicklung zu beobachten
     Zeit haben den Verkehrssektor in Europa wesentlich           ist, ist speziell im Bereich der Verkehrsinfrastruktur
     mitgeprägt.                                                  eine kongruente Entwicklung nicht erkennbar. Diese
                                                                  Diskrepanz ist ein weltweit zu beobachtendes Phäno-
     Die Entwicklungen im System Bahn, in der Schifffahrt,        men.
                     bei den Kraftfahrzeugen (KFZ) und
                     auch in der Luftfahrt wurden im              Die Gründe sind vielfältig und weitgehend bekannt.
                     Lauf des 19. und 20. Jahrhunderts            Sie liegen in:
                     von stetigen Innovationen voran-              unterschiedlich gelagerten politischen Interessen,
                     getrieben. Und sie übten ihrerseits             nicht zuletzt aufgrund der heterogenen Kompe-
                     wieder einen signifikanten Einfluss             tenzlagen im Verkehrsbereich,
                     auf die globalen wirtschaftlichen             fehlenden betreiberübergreifenden Zielsetzungen,
                     Entwicklungen aus.                            der fehlenden Priorisierung von Maßnahmen im
                                                                     Rahmen eines abgestimmten Gesamtkonzeptes
                      Bis etwa 1980 dominierte dabei                 zwischen den staatlichen Hierarchieebenen (in Ös-
                      die laufende technologische Wei-               terreich: Bund, Länder, Kommunen),
                      terentwicklung der Transportträger           der fehlenden Realisierung eines harmonisierten,
                      selbst, also der Lokomotiven, des              in sich vernetzten Verkehrssystems,
                      rollenden Materials, der Schiffe,            fehlenden, exakt formulierten Handlungsempfeh-
                      Automobile und Flugzeuge. Sie war              lungen und konkreten Vorschlägen für die Umset-
                      geprägt durch Optimierungen der                zung einer mittelfristigen Perspektive – vor allem
                      mechanischen und elektrotechni-                auch über Kompetenzgrenzen hinweg,
                      schen Komponenten der Transport-             wirtschaftlichem Protektionismus oder aber dem
                      mittel (Fahrzeugbau, Antriebe) und             Rückzug aus den Gestaltungsbereichen (die Ge-
     durch die Verdichtung der Infrastruktur.                        staltung wird einem „Markt“ überlassen, welcher
                                                                     sich jedoch mangels Rahmenbedingungen und Ge-
     In den darauf folgenden Jahren haben die Fortschritte           schäftsmodellen nicht bildet) sowie
     der Computertechnik – etwa in der Mikroelektronik,            der Vernachlässigung volkswirtschaftlicher und so-
     der Systemsteuerung mittels Software, der Telekom-              zialer Aspekte.
     munikation oder der digitalen Sensorik – auch im Ver-
     kehrsbereich Einzug gehalten. Das Zusammenwirken             Um diese Situation in Österreich zu überwinden, hat
     dieser Technologien wird seither unter dem Begriff           das BMVIT 2004 den „Rahmenplan für den Einsatz
     Telematik identifiziert. Damit begann eine stürmi-           der Telematik im österreichischen Verkehrssystem“
     sche und vor allem technologiegetriebene Entwick-            veröffentlicht. Dieser Rahmenplan ging von der Prä-
     lung von Telematikanwendungen in allen Bereichen             misse aus, dass seitens des BMVIT vor allem jene
     des Verkehrs (z.B. alle Verkehrsträger, Infrastruktur,       Einsatzbereiche der Telematik im Verkehr zu forcie-
     Fahrzeuge, Güter- beziehungsweise Personenverkehr,           ren sind, welche aus volkswirtschaftlicher Sicht ein
     Logistik). Diese wurden ausgehend vom US-amerika-            positives Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweisen (im
     nischen Markt fortan unter dem Sammelbegriff Intel-          Gegensatz zum privatwirtschaftlich/betriebswirt-
     ligent Transport Systems (ITS) beziehungsweise Intel-        schaftlich motivierten Telematikeinsatz). Das betrifft
     ligente Verkehrssysteme (IVS) subsumiert.                    vor allem Bereiche wie die Steuerung des Verkehrs,
                                                                  die effiziente Nutzung der Infrastruktur, Sicherheit
     Während aber in den wirtschaftlich/industriell domi-         und Umweltschutz.
     nierten Anwendungsbereichen, wo Wettbewerb und

10   Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich
IVS-Aktionsplan Österreich

Abb. 1: Kosten-Nutzen-Analyse der 2004 definierten                            Intelligente Verkehrssysteme in
Maßnahmen (BMVIT, 2004)                                                        der Infrastruktur
                      Maßnahmenbündel 1 : kurzfristige Maßnahmen
                      Maßnahmenbündel 2 : mittelfristige Maßnahmen         IVS wird bis heute primär als Synonym für die indus-
                      Maßnahmenbündel 3 : langfristige Maßnahmen
                                                                           triegetriebene, technologische Innovation telemati-
                                                                           scher Komponenten im Verkehrssystem betrachtet
            hoch
                                                                           – etwa in der Infrastruktur, am Fahrzeug oder bei
                                                                           personenbezogenen mobilen Endgeräten. Es wurde
                                                                           allerdings verabsäumt, Fragestellungen von öffentli-
  Nutzen

           mittel
                                                                           chem Interesse (Politik, Verwaltung, Administration)
                                                                           gleichrangig mit den technologischen Entwicklungen
                                                                           zu betrachten (z.B. sowohl rechtliche, organisatori-
           gering
                                                                           sche und operative Aspekte als auch Haftungsfragen
                                                                           und Ausrüstungsverpflichtungen) und intensiv in eu-
                    gering           mittel           hoch                 ropäischem Kontext aufzuarbeiten.
                                    Kosten
                                                                           Dies mag einer der Hauptgründe sein, weshalb entge-
Im Rahmenplan wurden Telematikanwendungen aus                              gen allen, noch Mitte der 1990er Jahre veröffentlich-
allen Bereichen des Verkehrs hinsichtlich ihres volks-                     ten Prognosen der realisierte Technologieeinsatz weit
wirtschaftlichen Nutzens bewertet (vgl. Abbildung                          hinter der Erwartungshaltung der Industrie, aber auch
1) und gereiht. Diese so priorisierten Anwendungen                         der Politik zurückgeblieben ist. Dadurch sind natur-
wurden zu drei Maßnahmenbündeln zusammenge-                                gemäß die erwarteten positiven Auswirkungen weder
fasst, die in einem Zeitraum von 15 Jahren umgesetzt                       für die einzelnen NutzerInnen noch auf das System
werden sollten.                                                            als Ganzes eingetreten. Eine abnehmende Investiti-
                                                                           onsbereitschaft der öffentlichen Hand, der Infrastruk-
Dieser pragmatisch-analytische Ansatz hat zum Zeit-                        turbetreiber und der öffentlichen Verkehrsbetreiber
punkt der Veröffentlichung in Europa große Aufmerk-                        war die Folge. In letzter Konsequenz blieben auch die
samkeit erzeugt und in vielen Ländern der Europäi-                         vorausgesagten Verbesserungen im Verkehrssystem
schen Union (EU) nationale Aktivitäten ausgelöst,                          wie Verkehrsfluss, Effizienz, Zuverlässigkeit und ge-
um auch dort zu nationalen Investitions- und Umset-                        samthafte Mobilitätsansätze aus.
zungsplänen zu kommen.
                                                                           Diese Erfahrungen haben gezeigt, dass die Fokussie-
So haben zum Beispiel Deutschland, Schweden, die                           rung auf technologische Entwicklungen im Verkehrs-
Schweiz, Finnland und Norwegen seit 2005 nationa-                          system nicht aus sich heraus die gewünschten Ergeb-
le Pläne ausgearbeitet und veröffentlicht, wenn auch                       nisse bringt.
mit unterschiedlichen Ausgangspositionen und Ziel-
setzungen.                                                                 Die der Verkehrstelematik damit zugeschriebenen Po-
                                                                           tenziale zur Verkehrssteuerung und Effizienzsteige-
Die Europäische Kommission hat ihrerseits nach in-                         rung waren überdies aus heutiger Sicht bei weitem zu
tensiver Diskussion 2008 den EU-IVS-Aktionsplan                            optimistisch angesetzt. Effizienzgewinne von 30 und
COM(2008) 886 zur Einführung Intelligenter Ver-                            mehr Prozent durch räumlich begrenzten Verkehrste-
kehrssysteme in Europa publiziert. Mitte 2010 ist                          lematikeinsatz in Netzteilen sind nur in den seltens-
die EU-IVS-Richtlinie 2010/40/EU in Kraft getreten,                        ten Fällen erreichbar.
welche den Rahmen für die Einführung Intelligenter
Verkehrssysteme im Straßenverkehr und für deren                            Eine Fortschreibung des bisherigen, primär auf die
Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern definiert.                       technologische Entwicklung fokussierten Weges

                                                             Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich   11
IVS-Aktionsplan Österreich

     ohne vorangestellte politische Vision eines messba-          Serviceaktivitäten und Hol- und Bringdienste unter-
     ren, sichtbaren und spürbaren Nutzens für die Bür-           teilt werden. In die Funktion Arbeiten fallen auch
     gerInnen und den Staat ist deshalb nicht weiter zu           dienstliche oder geschäftliche Aktivitäten. Da die mit
     verfolgen.                                                   der Erfüllung dieser Funktionen verbundenen Aktivi-
                                                                  täten üblicherweise nicht an einem einzigen Ort er-
     Nutzen und Wirkung für die einzelnen Verkehrsteil-           füllt werden können, muss sich der Mensch im Raum
     nehmerInnen und für das Verkehrssystem müssen                bewegen. Sein Mobilitätsverhalten ist dabei je nach
     gegenüber der technologischen Innovation in den              individueller Lebenssituation abhängig von Alter, Be-
     Vordergrund gestellt werden. Technologieentwick-             schäftigung, Lebensstandard, Wohnort oder persönli-
     lung darf nicht zum Selbstzweck werden. Darüber              chen Einstellungen unterschiedlich ausgeprägt.
     hinaus sind klare Vorgaben aus verkehrspolitischer
     Sicht zu formulieren, welche Dienste das Verkehrs-
     system seinen NutzerInnen in welcher Qualität zur
                                                                     Erhebungen des
     Verfügung stellen muss. Daraus sind nun die notwen-              ­Mobilitätsverhaltens
     digen Maßnahmen auf rechtlicher, organisatorischer
     und technologischer Ebene abzuleiten und mittels             Umfassende Untersuchungen des Mobilitätsverhal-
     eines koordinierten Aktionsplans aufeinander abge-           tens werden wegen des hohen Aufwands nur selten
     stimmt umzusetzen.                                           durchgeführt und sind meist auf ein abgegrenztes Ge-
                                                                  biet beschränkt. 10.000 Haushalte mit über 20.000
                                                                  Personen gelten vielfach als Minimum für eine qua-
                                                                  litativ aussagekräftige Untersuchung. Damit können
     Personenverkehr                                              schwerwiegende verkehrspolitische Entscheidungen
                                                                  mit belastbaren Grundlagendaten begründet und teu-
     Mobilität ist eines der zentralen Elemente unseres           re Fehlentscheidungen vermieden werden.
     Seins. Sie ermöglicht uns die Teilhabe am gesellschaft-
     lichen Leben, beruflich ebenso wie privat. Wir alle ha-      In der Theorie des Mobilitätsverhaltensmodells wird
     ben unsere individuellen Mobilitätsmuster, die durch         angenommen, dass eine Person dann ihr Haus ver-
     eine Vielzahl von Faktoren bestimmt oder beeinflusst         lässt beziehungsweise einen Weg durchführt, wenn
     werden. Lebensumstände, die mit einer Vielzahl von           der persönlich bewertete Nutzen am Zielort höher ist
     Parametern wie Haushaltsgröße, Erwerbsquellen und            als der entsprechend gewichtete Nutzen am Quellort
     Höhe der Erwerbseinkünfte in Beziehung stehen, so-           einschließlich des mit der Ortsveränderung verbunde-
     wie Wohnort, Lage der Arbeitsstätte, Zugang zu An-           nen Wegwiderstandes. Der Wegwiderstand setzt sich
     geboten des öffentlichen Verkehrs – oder allgemeiner         aus Kosten, in erster Linie Fahrpreise, und Zeit, aber
     die Raum- und Siedlungsstruktur beeinflussen unser           auch aus Sicherheitsbedenken oder anderen persönli-
     Mobilitätsverhalten.                                         chen Einstellungen zusammen. Jeder dieser Faktoren
                                                                  wird zusätzlich einer individuellen Bewertung unter-
                                                                  zogen.
        Daseinsgrundfunktionen und
         ­Aktivitäten                                             Während der Wegwiderstand für die Funktionen
                                                                  Wohnen, Arbeiten und Ausbilden kaum von Relevanz
     Das Leben der Menschen ist mit Aktivität verbunden.          ist, stehen heute für die Erfüllung der Funktionen
     Die Mobilitätsverhaltensforschung identifiziert dabei        Freizeit und Versorgen meist eine Vielzahl von mögli-
     fünf Daseinsgrundfunktionen, die der Mensch in sei-          chen alternativen Zielorten zur Verfügung.
     ner Lebensgestaltung erfüllen muss: Wohnen, Arbei-
     ten, Ausbilden, Versorgen und Freizeit. Die Funktion         Von Bedeutung ist der Unterschied zwischen Zweck-
     Versorgen kann noch weiter in Einkaufen, Erledigen,          mobilität und Erlebnismobilität. Zweckmobilität be-

12   Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich
IVS-Aktionsplan Österreich

deutet, dass mit dem Zurücklegen eines Weges ein             Diese Faktoren beeinflussen in erster Linie die zu-
Zweck verfolgt wird: Die Ortsveränderung ist Mittel          rückgelegten Wegstrecken. Gerade in peripheren
zum Zweck. Bei der Erlebnismobilität ist hingegen der        Gebieten sind die zurückgelegten Wegstrecken oft
Weg das Ziel: Es geht nur ums Unterwegssein, egal            deutlich höher als in verdichteten Räumen.
ob zu Fuß, mit dem Rad, dem öffentlichen Verkehr            Verfügbarkeit von Verkehrsmitteln: Wenn ein be-
oder mit dem Auto. Zweckmobilität und Erlebnismo-            stimmtes Verkehrsmittel vorhanden ist, dann wird
bilität haben völlig unterschiedliche Eigenschaften          es auch benutzt. Das trifft sowohl auf nahegelegene
und relevante Einflussparameter. Auch der Bezug der          öffentliche Verkehrsmittel zu wie auch auf das eige-
Verkehrsnachfrage zum Verkehrsangebot, etwa der              ne Fahrzeug.
Qualitätsanspruch an Infrastruktur oder Zuverlässig-        Einkommen: Alle Studienergebnisse belegen, dass
keit der Reisezeit, ist ein gänzlich anderer.                ein hohes Einkommen eine hohe Mobilität mit sich
                                                             bringt. Dies liegt einerseits an beruflich bedingten
                                                             Wegen, andererseits am höheren Haushaltsbudget,
   Einflussfaktoren auf das                                 das für Freizeitaktivitäten verfügbar ist.
    ­Mobilitätsverhalten
Das Mobilitätsverhalten wird durch gesellschaftliche        Mobilitätsindikatoren
Entwicklungen und durch die individuellen Eigen-
schaften und Werthaltungen der Menschen beein-           Mobilitätsindikatoren sind als wesentliche Einfluss-
flusst. Aber auch räumliche Prozesse haben Auswir-       parameter zu beachten, wenn es um die Gestaltung
kungen auf die Nachfrage nach Mobilitätsleistungen       des Verkehrssystems geht. Sie können aber ebenso als
und somit auf das Mobilitätsangebot.                     Qualitätsindikatoren für das Verkehrssystem an sich
                                                         herangezogen werden.
In allen gängigen Mobilitätsszenarien im europäi-
schen Raum lassen sich gesellschaftliche und indi-       Mobile Personen
viduelle Faktoren als dominante Einflussgrößen der       Rund 90 Prozent der Menschen verlassen täglich den
Verkehrsnachfrageentwicklung identifizieren.             Ort ihres Wohnens, und sei es nur für einen kurzen
 Alter und Gesundheitszustand: Diese beiden Fak-        Spaziergang. Solche Personen werden mobil genannt.
   toren beeinflussen primär den Grad an Mobilität       Der Anteil mobiler Personen hängt stark vom Alter
   einer Person. Ältere und jüngere Personen sind we-    und der Beschäftigungssituation ab. Auch Wetter und
   niger mobil. Personen im mittleren Alter, zwischen    Witterung können einen erheblichen Einfluss auf den
   20 und 40 Jahren, weisen die höchste Mobilität auf.   Anteil mobiler Personen haben.
   Allerdings sind die Mobilitätsanforderungen der äl-
   teren Generation stark im Steigen begriffen.          Wege
 Erwerbstätigkeit beziehungsweise Beschäftigung:        Eine durchschnittliche Person legt in Österreich rund
   Geht eine Person einer Beschäftigung nach, hat        3,7 Wege pro Tag (BMVIT, 2007) zurück. Weltweit
   dies erhebliche Auswirkungen auf ihr Mobilitäts-      schwankt dieser Wert nur sehr geringfügig. In den
   verhalten. Erwerbstätige Personen sind weit mo-       Vereinigten Staaten wird, verursacht durch den hö-
   biler als nichtbeschäftigte Personen. Am mobilsten    heren Grad an Nutzungsentmischung im Raum und
   sind Personen im Bereich der Teilzeitarbeit und an-   durch die Trennung beziehungsweise Spezialisierung
   derer flexibler Beschäftigungsformen.                 der Aktivitätsstandorte, eine Wegezahl von bis zu 4,5
 Haushaltsgröße und Familienumstände: Sie beein-        Wegen pro Person und Tag erreicht.
   flussen das Mobilitätsverhalten einer Person ganz
   wesentlich, wobei der Mobilitätsgrad mit zuneh-       Verkehrszwecke
   mender Haushaltsgröße abnimmt.                        Verkehrszwecke beschreiben den Grund, warum
 Raum- und Siedlungsstruktur der Umgebung:              ein bestimmter Weg durchgeführt wird. Während

                                           Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich   13
IVS-Aktionsplan Österreich

     Abb. 2: Verkehrszwecke in Österreich in Mio. Wegen pro Tag: 2005 (links) & Prognose für 2025 (rechts) (BMVIT, 2009)

       2005                                         2025
                                                                                                   Arbeit
                               11,40 %                                     12,70 %                 Personenwirtschaftsverkehr
           22,30 %                                      20,90 %                                    Einkauf
                                                                                                   private Erledigungen
                                                                                                   Freizeit
                                         21,80 %     3,20 %                           22,80 %      Ausblidung
        3,60 %
                                                                                                   Urlauber-Lokalverkehr
                                                     9,40 %
        11,40 %
                                   9,40 %
                                                                                 10,50 %
                     20,20 %                                  20,50 %

     Arbeitswege in den vergangenen Jahren abgenom-                im Jahr 1995 etwa 29 km (Werktagsmobilität). In
     men haben, steigt die Anzahl von Freizeitwegen und            Niederösterreich betrug die durchschnittliche Tages-
     Einkaufswegen. Dies zeigt auch die in Abbildung 2             wegelänge 35 km im Jahr 1995 und 43 km im Jahr
     dargestellte prozentuelle Aufteilung der Wege nach            2003 (BMVIT, 2007). Tendenziell ist eine Steigerung
     Verkehrszweck. Laut der Prognose für 2025 werden              der Wegelängen pro Jahr um ein Prozent zu bemer-
     die Anteile von Personenwirtschaftsverkehr, Einkauf,          ken.
     privaten Erledigungen und Freizeit insgesamt um 3,7
     Prozentpunkte gegenüber 2005 zunehmen. Die rest-              Tageswegedauer
     lichen Bereiche Ausbildung, Urlauber-Lokalverkehr             Die „im Verkehr“ – also „unterwegs“ – zugebrachte
     und Arbeit werden im gleichen Zeitraum um insge-              Zeit bleibt seit Jahrzehnten, wenn nicht seit Jahrhun-
     samt 3,8 Prozentpunkte zurückgehen.                           derten, gleich. Rund 90 Minuten verbringt eine mobi-
                                                                   le Person pro Tag damit, seine verschiedenen Ziele im
     Tageswegelänge                                                Raum zu erreichen. Dieser Wert ist auch für Personen
     Die Tageswegelänge, also die Anzahl zurückgelegter            in Entwicklungsländern kaum größer oder kleiner.
     Kilometer pro Person und Tag, betrug in Österreich

14   Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich
IVS-Aktionsplan Österreich

Abb. 3: Durchschnittliche Unterwegszeit nach Bruttoinlandsprodukt (BMVBS, 2010)

                                          5,0       African Villages in:                City Surveys:                                                                             National Travel Surveys:
                                                    I Tanzania, 1986                    01 Tianjin (China), 1993                        19 Paris (France), 1983                   A Belgium, 1965/66
                                                    II Ghana, 1988                      02 Kazanlik (Bulgaria), 1965/66                 20 Paris (France), 1991                   B Austria, 1983
                                          4,5                                           03 Lima-Callao (Peru), 1965/66                  21 Sendai ( Japan), 1972                  C Great Britain, 1985/86
                                                                                        04 Pskov (Former USSR), 1965/66                 22 Sapporo ( Japan), 1972                 D Germany, 1976
    Unterwegszeit pro Tag und Einwohner

                                                                                        05 Maribor (Former Yugoslavia), 1965/66         23 Kanazawa ( Japan), 1974                E Netherlands, 1979
                                          4,0                                           06 Kragujevac (F. Yugoslavia), 1965/66          24 Kagoshima ( Japan), 1974               F Great Britain, 1989/91
                                                                                        07 Torun (Poland), 1965/66                      25 Kumamoto ( Japan), 1973                G Finland, 1986
                                                                                        08 Gyoer (Hungary), 1965/66                     26 Hamamatsu ( Japan), 1975               H Netherlands, 1987
                                          3,5                                           09 Olomouc (Fomer CSFR), 1965/66                27 Fukui ( Japan), 1977                    I France, 1984
                                                                                        10 Hoyerswerde (Fomer GDR), 1965/66             28 Niigata ( Japan), 1978                  J Germany, 1982
                                                                                        11 Sao Paulo (Brazil), 1987                     29 Hiroshima ( Japan), 1978               K Netherlands, 1989
                                          3,0                                           12 Sao Paulo (Brazil), 1977                     30 Osaka ( Japan), 1980                   L USA, 1990
                                                                                        13 Warsaw (Poland), 1993                        31 Tokyo ( Japan), 1980                   M Germany, 1989
                                                                                        14 6 Cities (France), 1965/66                   32 Osaka ( Japan), 1985                   N Switzerland, 1984
                                          2,5                                           15 Osnabrück (Germany), 1965/66                 33 Tokyo ( Japan), 1985                   O Switzerland, 1989
                                                                                        16 44 Cities (USA), 1965/66                     34 Cities No. 21-29 in 1987               P Australia, 1986
                                                                                        17 Jackson (USA), 1965/66                       35 Tokyo ( Japan), 1990                   Q Singapore, 1991
                                          2,0                                           18 Paris (France), 1976                         36 Osaka ( Japan), 1990                   R Norway, 1985
                                                                                                                                                                                  S Norway, 1992
                                                                                                                                                                                  T Japan, 1987
                                          1,5            2        3           4
                                                                                   13                                              18         19                20
                                                                                                                                            G
                                                                      6                                                                          16
                                                              7                                                              31             J H   17                 R   35         O
                                                                                       12                                          D B                  K   P
                                                         1                                                                                                                    S
                                          1,0   I
                                                                  5
                                                                          8                 11
                                                                                                              22
                                                                                                            21 23 25    29                  33
                                                                                                                                                 32    T
                                                                                                                                                                          N
                                                                                                                                                                                              L
                                                    II                                                                            30
                                                              9                                        A   14 15    24                  E                   F        M   36
                                                                                  10                                     28                  C I
                                                                                                                   26 27                               34
                                          0,5                                                                                                      Q

                                          0,0
                                                0            2.000                4.000          6.000      8.000       10.000 12.000 14.000 16.000 18.000 20.000
                                                                                       Bruttosozialprodukt pro Einwohner in US-Dollar (1985)

   Die erforderliche Intelligenz des
    Verkehrssystems                                                                                                           nicht zu groß werden. Die Flexibilisierung der Ar-
                                                                                                                              beitszeiten und das zunehmende Aufweichen tra-
Ein Intelligentes Verkehrssystem muss in der Lage                                                                             ditioneller Aktivitätsroutinen führen zu einem – für
sein, die Belastungen in der Spitzenstunde ohne allzu                                                                         die Verkehrsplanung vorteilhaften – Abflachen der
hohe Verluste aufnehmen zu können. Die dement-                                                                                Aufkommenskurven. Darüber hinaus können heute
sprechende Dimensionierung des Verkehrssystems                                                                                moderne Techniken dazu beitragen, die Spitzen der
ist eine hochdiffizile Aufgabe, denn einerseits wäre                                                                          Belastungskurven abzutragen, etwa durch nachfrage-
es ineffizient, das System auf die selten auftreten-                                                                          abhängige Systeme zur Preisgestaltung oder die vo-
den Spitzenwerte zu dimensionieren, andererseits                                                                              rauseilende Bereitstellung von Informationen für die
dürfen die durch Überlastung eintretenden Verluste                                                                            VerkehrsteilnehmerInnen.

                                                                                                       Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich                                     15
IVS-Aktionsplan Österreich

     Abb. 4: Startzeiten der Wege (absolut in Mio. Wegen pro Tag) nach Wochentagen:
             Werktage, Samstag und Sonntag (BMVBS, 2010)

                                                                                                  werktags      Samstag        Sonntag
             30

             20

             10

              0
         Uhrzeit   1   2   3      4   5   6   7   8   9   10   11   12       13   14   15   16   17   18   19   20   21   22   23   24

     Bei den heute immer komplexer werdenden Verket-                         Vorteile eines hohen
     tungen von Aktivitäten spielen segmentierte Wege                         Mobilitätsgrades­
     eine zunehmende Rolle. Ein segmentierter Weg wird
     durch die sequenzielle Verwendung mehrerer Ver-                     Mobilität ermöglicht die Erweiterung des Horizonts,
     kehrsmittel charakterisiert (z.B. mit dem Personen-                 den kulturellen Austausch, die Vernetzung von Men-
     kraftwagen zur Park-and-Ride-Anlage vor der Stadt,                  schen sowie den Austausch von Wissen und erlern-
     dann mit dem öffentlichen Verkehr in die Stadt und                  ten Kulturtechniken. Ebenso wird die Erledigung von
     dann das letzte Stück mit dem Fahrrad zum Zielort).                 Versorgungsaktivitäten durch einen hohen Mobili-
     Die Erfassung solcher segmentierter Wege im Zuge                    tätsgrad erleichtert und die erzielbare Qualität erhöht.
     von Mobilitätserhebungen ist eine komplexe Aufgabe                  Dabei geht es nicht nur um das Einkaufen, sondern
     und wird erst seit kurzem durchgeführt. Die Bedeu-                  auch um private Erledigungen, etwa Arztbesuche und
     tung solcher Wege wird zunehmen, weil sie auf die                   dergleichen. Durch einen hohen Mobilitätsgrad ist für
     Verwendung der verschiedenen Verkehrsmittel ge-                     Menschen ein größeres Angebot wahrnehmbar, der
     mäß ihren Stärken abzielen und dazu beitragen kön-                  Wettbewerb zwischen Anbietern verstärkt sich und
     nen, erhebliche Effizienzgewinne zu realisieren. Aller-             sorgt so für höhere Qualität und niedrigere Preise,
     dings erfordern derartige segmentierte Wege mitunter                während ineffiziente monopolartige Strukturen durch
     diffizile Planungen oder den Einsatz telematischer                  einen hohen Mobilitätsgrad zurückgedrängt werden.
     Anwendungen, etwa im Bereich der Stellplatzreser-                   Außerdem werden Freizeitaktivitäten durch mehr
     vierung für PKW oder Fahrrad, um den NutzerInnen                    Mobilität vielfältiger, Menschen können auf ein grö-
     ein möglichst attraktives Mobilitätsangebot hoher                   ßeres Angebot zurückgreifen, ihre Erholungsphasen
     Akzeptanz anzubieten.                                               abwechslungsreicher gestalten und damit neue Ener-
                                                                         gie und Impulse für den Arbeitsalltag freilegen.

16   Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich
IVS-Aktionsplan Österreich

Nicht zuletzt aus diesen Gründen ist der freie Perso-    Gesamtsystems beeinflusst. Puffer- und Wartezeiten
nenverkehr einschließlich der Niederlassungsfreiheit     können verkürzt oder vermehrt genutzt werden, die
zu einer Grundfeste der Europäischen Union und des       Nutzungsintensität des Bestandes wird insgesamt er-
Binnenmarktes erkoren worden. Dies wurde auch            höht, ohne dass der Bestand erweitert werden muss.
im 2011 veröffentlichten EU-Weißbuch „Fahrplan           Widerstände und Verluste werden reduziert – man
zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum         spricht von einem Intelligenten Verkehrssystem.
– Hin zu einem wettbewerbsorientierten und res-
sourcenschonenden Verkehrssystem“ bekräftigt. Die
Einschränkung von Mobilität sei keine Option zur
Erreichung der angestrebten Emissionsreduktionen         Güterverkehr und
(„Curbing mobility is not an option“, Europäische
Kommission, 2011).                                       Logistik
Ziel der Verkehrspolitik ist es, die Rahmenbedingungen   Neben jener für den Personenverkehr wird der euro-
so zu gestalten, dass der Bevölkerung ein leistungsfä-   päische Binnenmarkt von den Freiheiten für Güter-,
higes und qualitativ hochwertiges Verkehrssystem zur     Dienstleistungs- und Kapitalverkehr dominiert. Der
Verfügung gestellt werden kann, das die Erfüllung der    Zweck des Güterverkehrs liegt in der Versorgung der
genannten Daseinsgrundfunktionen nicht nur ermög-        Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs und
licht, sondern stetig verbessert und kostengünstiger     darüber hinaus. Produkte, die in früheren Zeiten ge-
gestaltet. Der Staat ist heute in seiner gemeinwirt-     meinhin als Luxusgüter bezeichnet wurden, sind heu-
schaftlichen Verantwortung mehrheitlich nur noch für     te für den Großteil der Bevölkerung täglich verfügbar
die Bereitstellung einer Verkehrsinfrastruktur verant-   und definieren eine Art erweiterten Bedarf. Ob die
wortlich, während der Betrieb und die Dienstleistung     Erfüllung dieses erweiterten Bedarfs in Relation zu
zunehmend privatwirtschaftlich unter Wettbewerbs-        setzen ist zu von der Bevölkerung als negativ erlebten
bedingungen abgewickelt werden. Aufgabe der öffent-      Auswirkungen steigenden Gütertransports und da-
lichen Hand ist es, geeignete Rahmenbedingungen          her einschränkende Maßnahmen zu ergreifen sind,
zu schaffen, die es der Bevölkerung ermöglichen, den     ist Gegenstand des verkehrspolitischen Diskurses.
Wunsch nach Mobilität zu befriedigen. Dem realisier-     Allerdings hat sich der gemeinschaftsrechtlich veran-
ten Mobilitätsverhalten liegen höchst komplexe Ent-      kerte europäische Binnenmarkt in erster Linie durch
scheidungsstrukturen zugrunde.                           einen Abbau von diskriminierenden Hemmnissen für
                                                         den Güteraustausch definiert und damit den libera-
Anwendungen der Telematik sorgen für einen opti-         lisierten Markt für Verkehrsdienstleistungen in die
mierten Betrieb von Verkehrssystemen und beeinflus-      Wege geleitet. Die Disposition gemeinschaftsrecht-
sen damit Qualität und Attraktivität eines bestimmten    lich verankerter Grundsätze scheint an dieser Stelle
Verkehrsmittels oder einer bestimmten Route. Ver-        nicht angebracht und wird daher auch nicht repliziert.
kehrstelematiklösungen liefern Informationen an die      Zutreffend erscheint dennoch, dass die mit höherer
NutzerInnen von Verkehrssystemen über Bedingun-          Transportleistung einhergehende internationale Spe-
gen, Nutzen und Kosten ihrer Entscheidungen. Damit       zialisierung von Produktions- wie Dienstleistungs-
werden Entscheidungen sowohl auf Seiten der An-          standorten zu einer Freisetzung von Skalenerträgen
bieter von Verkehrsdienstleistungen sowie auf Seiten     geführt hat, welche die Bereitstellung des erweiterten
der NutzerInnen im Interesse einer Optimierung des       Bedarfs für einen Großteil der Bevölkerung erst er-

                                           Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich   17
IVS-Aktionsplan Österreich

     möglicht hat. Die internationale Arbeitsteilung und          strecke, was die Kosten und die Transportzeit betrifft,
     Spezialisierung geht einher mit dem Abbau organisa-          kaum mit dem Lastkraftwagen (LKW) konkurrieren.
     torischer Hemmnisse an Grenzen und der Steigerung            In Österreich werden die meisten Inlandstranspor-
     von Leistungsfähigkeit und Qualität des Verkehrsan-          te innerhalb eines Radius von 150 km abgewickelt.
     gebots. Das verbesserte Verkehrsangebot wird wie-            Die durchschnittliche Transportentfernung betrug im
     derum im Allgemeinen mit Liberalisierung, also der           Jahr 2004 lediglich 48 km. In Deutschland war dieser
     Schaffung eines freien Marktes unter Wettbewerbs-            Wert mit 97 km mehr als doppelt so hoch.
     bedingungen zwischen den Anbietern von Transport-
     dienstleistungen, in Verbindung gebracht.                    Abbildung 5 zeigt, dass die Güterverkehrsleistung in
                                                                  Österreich in den vergangenen 20 Jahren erheblich
                                                                  zugenommen hat, sowohl auf der Straße als auch auf
        Maßzahlen zum Güterverkehr                               der Schiene.
     Die Verteilung des Transportaufkommens nach Gü-
     tergruppen und Verkehrsträgern gibt Hinweise auf
     die besonderen Eignungen der Verkehrsträger. Das             Abb. 5: Güterverkehr in Österreich (UBA, 2010)
     weitaus größte Transportaufkommen besteht für die
     Warengruppe der Steine, Erden und Baustoffe. Die-                                                                                           Straße                Bahn                 Donau
                                                                                     45.000
     ses Material wird zumeist in der Fläche gewonnen
                                                                                     40.000
     und verteilt. Dementsprechend erreicht der Anteil des
     Straßengüterverkehrs 95 Prozent des Gesamtaufkom-                               35.000

     mens. Sehr flächenbezogen und daher auch straßen-                               30.000
                                                                    Mio. Tonnen-km

     lastig sind beispielsweise die Sammlung und Vertei-
                                                                                     25.000
     lung von Nahrungs- und Futtermitteln. Die Transporte
                                                                                     20.000
     von Kohlen und Erzen sind hingegen bahnaffin. Hier
     besteht ein ungebrochener Quell- und Zielverkehr mit                            15.000

     hohem Transportaufkommen und geringeren Ansprü-                                 10.000
     chen an Transportgeschwindigkeit und Pünktlichkeit.                              5.000
     Dank der Industriestandorte an der Donau hält die
                                                                                         0
     Schifffahrt in den Transporten von Düngemitteln und
                                                                                              1980
                                                                                                     1982
                                                                                                            1984
                                                                                                                   1986
                                                                                                                          1988
                                                                                                                                 1990
                                                                                                                                        1992
                                                                                                                                               1994
                                                                                                                                                      1996
                                                                                                                                                             1998
                                                                                                                                                                    2000
                                                                                                                                                                           2002
                                                                                                                                                                                  2004
                                                                                                                                                                                         2006
                                                                                                                                                                                                2008

     Erzen relativ hohe Anteile. Die Bahn kann in gebro-
     chenen Transporten mit unter 300 km Beförderungs-

18   Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich
IVS-Aktionsplan Österreich

Abb. 6: Fahrleistungen im ASFINAG-Netz (ASFINAG, 2010a; Statistik Austria, 2004 & 2010b)

                                100.000                                                                                                                     25.000
                                                 Importe
                                                 Exporte
                                 90.000
                                                 PKW-Fahrleistung
                                 80.000          LKW-Fahrleistung                                                                                           20.000

                                                                                                                                                                     Fahrleistung in Mio. KFZ-km
   Exporte / Importe in 1000t

                                 70.000

                                 60.000                                                                                                                     15.000

                                 50.000

                                 40.000                                                                                                                     10.000

                                 30.000

                                 20.000                                                                                                                     5.000

                                 10.000

                                     0                                                                                                                      0
                                          1995       1996     1997   1998   1999   2000   2001   2002   2003   2004   2005    2006   2007     2008   2009

Die Wirtschaftskrise hat tiefe Spuren im Handelsvo-
lumen und damit auch im Transportvolumen hinter-
                                                                                                    Verkehrssicherheit       12,9

lassen, wie Abbildung 5 zeigt. Der Güterverkehr ist im
                                                                                                    Eine der zentralen Aufgaben eines Intelligenten Ver-
Jahr 2009 erheblich eingebrochen, für 2010 kündigte
                                                                                                    kehrssystems ist die Erhöhung der Verkehrssicherheit
sich allerdings bereits eine leichte Erholung der Nach-
                                                                                                    sowie die damit verbundene Reduzierung des Unfall-
fragedaten an.
                                                                                                    risikos und der Unfallfolgen.
Die Abbildung 6 zeigt die Fahrleistungen im Netz der
Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-
Aktiengesellschaft (ASFINAG) und macht den Unter-
schied zwischen den Verkehrsbelastungen, die einer-
seits von PKW und andererseits von LKW verursacht
werden, deutlich. Vom Volumen übertrifft die Fahr-
leistung des PKWs jene des LKWs um ein Vielfaches.

                                                                                   Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich                                       19
IVS-Aktionsplan Österreich

     Abb. 7: Entwicklung des Unfallgeschehens in Österreich: 1990 –2010 (KFV, 2010a)

                                          70.000                                                     1.800

                                                                                                     1.600
                                          60.000
                                                                                                     1.400
         Anzahl der Verkehrsunfälle und

                                          50.000

                                                                                                             Anzahl der Verkehrstoten
            der verletzten Personen

                                                                                                     1.200

                                          40.000                                                                                        Verkehrsunfälle
                                                                                                     1.000
                                                                                                                                        Verletzte Personen
                                                                                                     800                                Verkehrstote
                                          30.000

                                                                                                     600
                                          20.000
                                                                                                     400
                                          10.000
                                                                                                     200

                                              0                                                      0
                                              1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010

     Seit 1961 werden Straßenverkehrsunfälle systema-                                               ner. Wien und das Burgenland haben mit 27,2 und
     tisch erhoben und statistisch ausgewertet. So ist im                                           34,0 Unfällen pro 10.000 Einwohner die geringsten
     Jahr 2010 mit insgesamt 522 getöteten Personen im                                              Unfallwerte innerhalb Österreichs.
     Straßenverkehr ein historischer Tiefstand erreicht
     worden (vgl. Abbildung 7). Bis Ende der 1990er Jahre                                           Im europäischen Vergleich liegt Österreich 2009
     lagen die Zahlen der pro Jahr auf Österreichs Straßen                                          mit 7,6 im Straßenverkehr getöteten Personen pro
     tödlich Verunglückten zwischen 1.000 und 2.000. Ein                                            100.000 Einwohner im Mittelfeld. In Griechenland
     Rückgang ist auch bei den Unfällen insgesamt und                                               hingegen sterben im Durchschnitt 12,9 Personen
     den dabei verletzten Personen zu verzeichnen. Die-                                             pro 100.000 Einwohner im Verkehr. Das ist mehr als
     se Entwicklung ist sicherlich eine Folge von forcierten                                        dreimal so viel wie in Großbritannien, dem Land mit
     Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit                                                  den wenigsten tödlichen Verkehrsunfällen.
     wie zum Beispiel die Kindersitz-Pflicht (1994) oder                                            Intelligente Verkehrssysteme werden als ein effek-
     die Senkung des Blutalkohol-Grenzwertes auf 0,5                                                tives Mittel gesehen, um positiv auf die Verkehrssi-
     Promille (1998). Auch das 2002 präsentierte Konzept                                            cherheit einzuwirken. So wird die Harmonisierung
     des Österreichischen Verkehrssicherheitsprogramms                                              und Anwendung von Technologie für die Straßenver-
     trägt maßgeblich zur Erhöhung der Sicherheit auf Ös-                                           kehrssicherheit – u.a. Systeme zur Fahrerunterstüt-
     terreichs Straßen bei. Dabei wird erstmals versucht,                                           zung, eCall, kooperative Systeme und Fahrzeug-Inf-
     bestehende Problemlagen gesamtheitlich zu erfassen                                             rastruktur-Schnittstellen – als wichtige europäische
     und entsprechende Lösungswege aufzuzeigen. Be-                                                 Maßnahme zur Erreichung einer „Vision Zero“ für
     zogen auf die Einwohnerzahl gab es im Jahr 2009 in                                             die Straßenverkehrssicherheit gesehen (Europäische
     Österreich im Schnitt 51 Verkehrsunfälle pro 10.000                                            Kommission, 2011). Durch den gezielten Einsatz
     Einwohner. Innerhalb Österreichs ist Oberösterreich                                            Intelligenter Verkehrssysteme sollen die IVS-Nutzer­
     mit 65,9 Unfällen pro 10.000 Einwohner das Bundes-                                             Innen geschützt, die Koordination der Einsatzkräfte
     land mit den meisten Verkehrsunfällen, gefolgt von                                             erleichtert und die Einhaltung von Verkehrsgesetzen
     der Steiermark mit 62,8 Unfällen pro 10.000 Einwoh-                                            besser überwacht werden.

20   Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich
IVS-Aktionsplan Österreich

Abb. 8: Verkehrstote pro 100.000 Einwohner, internationaler Vergleich 2009 (KFV, 2010b)

                                                 13
                                                                                                                                                                                  12,9
                                                 12
                                                                                                                                                                           12,0
                                                 11
            Verkehrstote pro 100.000 Einwohner

                                                 10
                                                  9                                                                                                                  9,7

                                                  8                                                                                                      8,4   8,6
                                                                                                                                                   8,2
                                                                                                                                             7,9
                                                  7                                                                                    7,6
                                                                                                                                 7,1
                                                                                                                           6,8
                                                  6
                                                                                                                  5,9
                                                  5                                             5,3   5,3   5,5
                                                                                    5,1   5,2
                                                  4                     4,4   4,5
                                                      3,8   3,9   3,9
                                                  3
                                                  2
                                                  1
                                                  0
                                                      UK    S     NL    N     CH    D     FIN    IS   IRL   DK     E       F      I    A     P     H     SLO   CZ    L     PL     GR
                                                                                                                  Land

Verkehrsinfrastruktur                                                                                                  km pro 1.000 km2) und liegt damit im guten Mittel-
                                                                                                                       feld.

   Netze                                                                                                              Die Eisenbahnnetzdichten liegen in ganz Europa deut-
                                                                                                                       lich über den entsprechenden Autobahnnetzdichten.
Netzdichten und die über die Netze abgewickelten                                                                       In Österreich ist die Eisenbahnnetzdichte mehr als
Transporte von Personen und Gütern geben einen                                                                         dreimal so hoch wie die Autobahnnetzdichte.
ersten Überblick über Ausbaugrad und Erreichbarkei-
ten innerhalb dieser Netze, aber auch über den Grad                                                                        Knoten
der Inanspruchnahme nach Transportleistungen.
                                                                                                                       Stellvertretend für die Infrastrukturknoten des Perso-
Vergleicht man die österreichischen Transportnetze                                                                     nen- und Güterverkehrs soll an dieser Stelle die Auf-
innerhalb Europas (EU27 im Jahr 2007), wird klar,                                                                      kommensentwicklung der intermodalen Umschlags-
dass Österreich zum gegenwärtigen Zeitpunkt hin-                                                                       anlagen des Güterverkehrs erläutert werden:
sichtlich der Verkehrsträger Schiene und Straße eine
über dem europäischen Durchschnitt liegende Netz-                                                                      In Österreich gibt es gegenwärtig 17 Umschlagsan-
dichte aufweist, wenngleich Österreich klar hinter den                                                                 lagen im unbegleiteten kombinierten Verkehr (UKV),
Beneluxstaaten (z.B. alle über 50 km Autobahn-Netz-                                                                    welche rund 800.000 Ladeeinheiten umschlagen. Im
stecke pro 1.000 km2 Landesfläche) sowie Deutsch-                                                                      Jahr 2025 wird die Zahl der umgeschlagenen Einhei-
land mit in etwa 34 km pro 1.000 km2 zurückbleibt.                                                                     ten (jeweils ohne Leercontainer und Gateway-Züge)
                                                                                                                       auf etwa 1,5 Mio. Einheiten angewachsen sein.
Österreich verfügt über eine Autobahnnetzdichte von
20,2 km pro 1.000 km2 Landesfläche (EU-Durch-                                                                          Die stärksten Nachfragen sowie die absolut größten
schnitt: 15,1 km) und über eine Eisenbahnnetzdichte                                                                    Zuwächse sind – etwa deckungsgleich zu den demo-
von 69,3 km pro 1.000 km2 (EU-Durchschnitt: 49,1                                                                       grafischen und verkehrlichen Entwicklungen in den

                                                                                                Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich                         21
IVS-Aktionsplan Österreich

     Räumen und Netzen – in den wirtschaftlichen Zent-            Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur beschäfti-
     ralräumen um die Ballungszentren zu erwarten.                gen zunächst Unternehmen unmittelbar oder als Zu-
                                                                  lieferer. Daraus entstehen Unternehmer- und Lohn-
     Verkehrlich spiegelt sich dies vor allem in den Vor-         einkommen. Werden diese Einkommen investiert
     und Nachlaufverkehren auf der Straße (Trucking) wi-          oder konsumiert, so wird dadurch die gesamte Wirt-
     der, wobei die Beschickung und Abholung der inter-           schaft belebt (Multiplikatoreffekt).
     modalen Ladegefäße nicht gleichmäßig über den Tag
     verteilt erfolgt, sondern in der Regel danach getrachtet     Weiters senkt eine Verbesserung der Verkehrsinfra-
     wird, Zwischenumschläge und damit Kosten zu ver-             struktur unmittelbar die Beschaffungs- und Vertei-
     meiden (induzierte Spitzen) und die bereitgestellten         lungskosten der Unternehmen, indem die Produk-
     Eisenbahntragwagen nach Möglichkeit direkt zu be-            tivität des Verkehrssektors erhöht wird. So hat ein
     schicken.                                                    LKW-Fahrer auf einer gut ausgebauten Autobahn
                                                                  die vierfache Arbeitsproduktivität eines LKW-Fahrers
                                                                  auf einer Landstraße, der dort nur mit halber Durch-

     Die volkswirtschaftliche                                     schnittsgeschwindigkeit und infolge von Gewichtsbe-
                                                                  schränkungen nur mit halber Ladung fahren kann.
     Dimension des Verkehrs-                                      Neben diesen produktionsrelevanten Auswirkungen
     systems für Österreich                                       des Infrastrukturausbaus können sich auch die Le-
                                                                  bensqualität verbessernde Wirkungen ergeben, zum
     Das Verkehrswesen hat in einer Volkswirtschaft viel-         Beispiel: bequemeres und schnelleres Reisen, besse-
     fältige Aufgaben. Verbesserungen im Verkehrswesen            re Anbindungen, schönere Bahnhöfe, weniger Zeit-
     haben sowohl wirtschaftliche als auch gesellschaftli-        verlust und Ärger im Stau, geringeres Unfallrisiko,
     che Auswirkungen. Eine den Bedürfnissen der Wirt-            weniger Umweltbelastungen, größere Wahlmöglich-
     schaft und der Industrie entsprechende Infrastruktur         keiten für den Wohnsitz und die Freizeitaktivitäten.
     verringert die Kosten der Raumüberwindung und er-            (Puwein, 2006)
     höht somit die Attraktivität des Standorts Österreich.
     Niedere Transportkosten beleben einerseits die Kon-          Somit steigert auch die Verfügbarkeit von IVS-Diens-
     kurrenz auf dem Regionalmarkt, andererseits wird der         ten zur Verbesserung und Erhöhung der Mobilität die
     Zugang zu entfernten Märkten attraktiver.                    Lebensqualität der Bevölkerung sowohl im Rahmen
                                                                  beruflicher als auch privater Aktivitäten.

22   Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich
IVS-Aktionsplan Österreich

Andererseits müssen negative Auswirkungen des Ver-       minus den Vorleistungen und den Steuern und Abga-
kehrssystems auf die Volkswirtschaft reduziert bezie-    ben zuzüglich der Subventionen. Im Jahr 2007 wur-
hungsweise neue Wege beschritten werden, um sie          de eine Wertschöpfung von € 13,1 Mrd. erzielt. Dies
gänzlich zu vermeiden. Das Ziel ist, nicht die Trans-    stellt verglichen mit dem Vorjahr eine Steigerung von
portleistungen per se, sondern die vom Verkehr ver-      knapp fünf Prozent dar (WKO, 2009).
ursachten Lärm- und Schadstoffemissionen, Unfall-
kosten und sonstigen negativen Effekte zu reduzieren.    In Summe tätigten die Unternehmen der Sparte
Die externen Kosten in Österreich alleine im Straßen-    Transport und Verkehr im Jahr 2007 Bruttoinves-
verkehr betrugen im Jahr 2000 über € 9,2 Mrd. Der        titionen in der Höhe von knapp € 7 Mrd., was eine
Gesamtbetrag setzt sich hierbei aus externen Unfall-     Steigerung von knapp 17 Prozent verglichen mit dem
kosten, Lärmkosten, Gesundheitskosten, Schadstoff-       Vorjahr bedeutet. Die höchsten Bruttoinvestitionen
kosten, Gebäude- und Klimakosten (CO2) zusammen.         sind dabei den Schienenbahnen mit mehr als € 3 Mrd.
                                                         zuzuschreiben (WKO, 2009).
Die Fortschreibung der Unfallkostenrechung 2004 für
das Jahr 2006 weist für sämtliche Straßenverkehrs-       Die Mauterlöse (inkl. der Sondermautstellen und Vi-
unfälle in Österreich jährliche Kosten in der Höhe von   gnetten) beliefen sich im Jahr 2008 in Österreich auf
€ 10 Mrd. aus. In dieser Summe sind sowohl die inter-    rund € 1.516 Mio. Davon entfallen € 1.062 Mio. (ent-
nen, somit die von den Verursachern selbst getrage-      spricht mehr als 70 Prozent) auf LKW. Die Vignetten-
nen, als auch die externen, also von der Allgemeinheit   erlöse und somit der Beitrag der PKW zum Ausbau
getragenen Unfallkosten enthalten (BMVIT, 2007).         und der Instandhaltung der Infrastruktur liegen bei €
Die volkswirtschaftliche Betrachtung des Verkehrs-       336 Mio. (Quelle: ASFINAG). An den österreichischen
systems umfasst jedoch auch die Wirtschaftsindika-       Sondermautstellen wurden 2008 durch LKW (über
toren der im Transport und Verkehr angesiedelten         3,5 Tonnen) mehr als € 181 Mio. eingenommen, wo-
Unternehmen. Mit Ende 2009 waren in den der Spar-        bei alleine die Maut für die Brenner Autobahn einen
te Transport und Verkehr zugeordneten Unternehmen        Anteil von 61 Prozent ausmacht. Mehr als 6,2 Mio.
197.283 ArbeitnehmerInnen beschäftigt. In Summe          LKW überqueren die österreichischen Sondermaut-
wurden in diesen Unternehmen (ohne Fahrschulen)          stellen, wobei die Brenner Autobahn mit rund 36 Pro-
im Jahr 2007 Erlöse und Erträge im Wert von rund €       zent die höchste Frequenz aufweist. Zwischen 2002
41,9 Mrd. erzielt, das sind um 5,5 Prozent mehr als      und 2008 stiegen die Mauteinnahmen durch LKW
im vorhergehenden Jahr 2006. Die Bruttowertschöp-        um knapp 16 Prozent, die LKW-Frequenz um 14 Pro-
fung zu Faktorkosten ist definiert als Umsatzerlöse      zent (WKO, 2009).

                                           Strategie zur Umsetzung eines Intelligenten Verkehrssystems in Österreich   23
Sie können auch lesen