JAHRBUCH 2018/19 - Baden-Württembergischer ...
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IMPRESSUM Herausgeber: Baden-Württembergischer Handwerkstag e.V. Heilbronner Straße 43 70191 Stuttgart Telefon: 0711 263709-0 Fax: 0711 263709-100 E-Mail: info@handwerk-bw.de Internet: www.handwerk-bw.de ViSdP: Hauptgeschäftsführer Oskar Vogel Koordination: Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Marion Buchheit Herstellung: Natascha Saupe Kommunikationsdesign Fotos: Baden-Württembergischer Handwerkstag, KD Busch, Heike Schiller Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, Arnold Mikea, A. Heddergott, Innenministerium Baden-Württemberg, Chaperon SMEunited, 2019, Schreinerei Wirth-Bucher, Dominique Brewing Photography, Alexander Limbach + Felix Meyer / fotolia.com Alle Rechte einschließlich des Übersetzungsrechts für alle Sprachen liegen beim Herausgeber. Auch der auszugsweise Nachdruck oder Vervielfältigungen, die ganze oder teilweise Übernahme der syste- matischen Einteilung sowie die gewerbliche Nutzung der angeführten Adressen und Namen sind nicht gestattet. Gemäß Bundesdatenschutzgesetz unterliegen personenbezogene Daten einem besonderen Schutz. Eine Übernahme der in diesem Buch mitgeteilten Informationen auf Datenträgern aller Art ist unzulässig und wird auf dem Rechtsweg verfolgt. Ein Anspruch auf Eintragungen kann nicht geltend gemacht werden. Druckfehler oder etwaige Fehlereintragungen können erst in der nächsten Auflage berücksichtigt werden.
INHALT INHALT Rund um den Meister 5 Interview mit Thomas Strobl 6 Interview mit Ulrike Rabmer-Koller 8 Schwerpunktthema „Handwerk 2025“ 10 Wo stehen wir bei „Dialog und Perspektive Handwerk 2025“? 12 Unternehmerwerkstatt geht in neue Runde 13 Qualität statt Preisdruck – Gutem Handwerk eine Plattform geben 14 Nicht jeden Fehler selbst machen: Erfa-Gruppen kommen gut an 16 Echtes Handwerk – und trotzdem voll digital 18 Die Personalberatung von „Handwerk 2025“ – ein bundesweit 20 einzigartiges Angebot Das Handwerk – der Partner der Energiewende 23 Künstliche Intelligenz – Das Handwerk nimmt auch in Europa Fahrt auf 24 „Digitalisierung: Eine rechtliche Herausforderung für die HwO?“ 26 Die Mobilität von morgen: vernetzt und intelligent? 27 Kurz & Knapp 28 Die Handwerkergenossenschaft – ein „altes“ Konzept für die 30 digitale Zukunft? Wer lernt was im Handwerk? 32 Umsatz im Südwest-Handwerk: 100-Milliarden-Grenze geknackt! 34 Fremdes Land – neues Leben 36 Das Jahr in Bildern 40 BWHT-Delegationsreise nach Brüssel 42 Handwerk in Zahlen 44 BWHT – Baden-Württembergischer Handwerkstag 54 BWHT – Gremien und Mitglieder 55 Geschäftsstelle 59
VORWORT VORWORT Wir schaffen Zukunft – so der Slogan des großen Stra- tegieprojekts „Dialog und Perspektive Handwerk 2025“ des Handwerkstags und des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, das Sie inzwischen alle kennen. Und heute, fast zwei Jahre nach dem Start, können wir sagen: Ja, wir haben bereits einiges „geschafft“. Und noch viel mehr Spannendes liegt vor uns. Zurzeit steht die Ver- längerung des geförderten Projekts an. Hierfür haben wir uns in zahlreichen Gesprächen mit Landesregierung und Landtagsfraktionen eingesetzt. Die Signale sind – so viel kann verraten werden – sehr positiv. Die öffentliche Aufmerksamkeit für das Handwerk war in den vergangenen Monaten so groß wie lange nicht. Die wirtschaftliche Entwicklung knackt einen Rekord nach dem anderen; im Jahr 2018 hat das Handwerk in Baden-Württemberg erstmals die magische Grenze von 100 Milliarden Euro Umsatz überschritten. Die Kehrseite: Viele Betriebe sind mehr als ausgelastet. Denn ihnen fehlen Mitarbeiter. Die Presse im Land wie bundesweit berichtet über die Auswirkungen des gravierenden Fachkräf- temangels. Die Politik hat Unterstützung bei der Wiedereinführung der Meisterpflicht in eini- gen Gewerken zugesagt. Dagegen müssen wir für die Meisterprämie in Baden-Württemberg und damit für mehr Anerkennung für den Handwerksberuf immer noch kämpfen. Dabei sollte eines klar sein: Wenn Studium und duale Ausbildung wirklich gleichwertig sind – auch kosten- seitig – dann sehen wieder mehr junge Menschen ihre Zukunft im Handwerk! Eine Zukunft, die beste Karrierechancen und die Chance auf Selbstverwirklichung bietet. Die sicher ist - und längst auch digital. Im Handwerk sprechen wir nicht nur über die Digitalisie- rung, wir arbeiten mit ihr. Die digitale Welt zieht sich durch alle Lebens- und Arbeitsbereiche – wie Sie auch auf vielen Seiten unseres Jahrbuchs 2018/2019 lesen werden. Dabei wünschen wir Ihnen viel Freude! Rainer Reichhold Oskar Vogel Präsident Hauptgeschäftsführer 4
INFO-GRAFIK RUND UM DEN MEISTER MEISTERPFLICHTIGE BERUFE MEISTERPFLICHTIGE BERUFE zulassungspflichtiges Handwerk zulassungspflichtiges Handwerk 86.571* 79.542* | -8,1 % NICHT MEISTERPFLICHTIGE NICHT MEISTERPFLICHTIGE BERUFE BERUFE ab 2004 zulassungsfreies ab 2004 zulassungsfreies Handwerk Handwerk 12.615* 29.913* | +137,1 % *ZAHL DER BETRIEBE 1998 2018 ENTWICKLUNG DER BETRIEBE NACH ZULASSUNGSPFLICHT UND AUSGEWÄHLTEN BERUFEN SEIT 20 JAHREN ZULASSUNGSPFLICHTIGE HANDWERKE Elektrotechniker Installateure + Heizungsbauer Feinwerkmechaniker Friseure -6,4 % +5,0 % -29,3 % +33,5 % ZULASSUNGSFREIE HANDWERKE HANDWERKSÄHNLICHE GEWERBE Gebäudereiniger Fotografen Schuhmacher Kosmetiker +689,6 % +536,6 % -69,1 % +114,9 % 5
INTERVIEW THOMAS STROBL, STELLVERTRETENDER MINISTERPRÄSIDENT VON BADEN-WÜRTTEMBERG UND MINISTER FÜR INNERES, DIGITALISIERUNG UND MIGRATION Herr Minister, Sie waren Ende Februar zu Gast beim Digitali- Ihre Digitalisierungsstrategie beinhaltet erhebliche Summen sierungssymposium des Handwerkstages. Welchen Eindruck für den Breitbandausbau. Welche konkreten Maßnahmen ge- haben Sie, wie ist das Handwerk in Sachen Digitalisierung hören außerdem zur Strategie? aufgestellt? Wir investieren in dieser Legislaturperiode etwa eine Mil- Sehr gut: Ich habe einen sehr positiven Eindruck mitgenom- liarde Euro für die Digitalisierung. Mit etwa 80 Projekten men, zum einen wegen der großen Resonanz, die das Di- bringen wir die Digitalisierung ganz konkret voran. Lassen gitalisierungssymposium gefunden hat, und zum anderen Sie mich ein Beispiel herausheben,das jedem Handwerker wegen den interessierten Nachfragen, die bei der Podiums- passieren kann: Cyberangriffe auf private und auf geschäft- diskussion aufkamen. Im Handwerk ist das so wie in ande- liche Daten nehmen zu. Deshalb habe ich das Pilotprojekt ren Bereichen der Wirtschaft: Viele haben die Chancen, die „Cyberwehr“ ins Leben gerufen. Seit Sommer 2018 können die Digitalisierung bietet, bereits erkannt und sind entspre- sich im Testgebiet Karlsruhe mittlerweile knapp 11.000 Un- chend aufgestellt, einige noch nicht. Das kann gefährlich ternehmen im 24/7-Betrieb an eine zentrale Notrufnummer sein, denn viel Zeit für Anpassungen bleibt bei der schnellen, wenden. Dort wird ihr Fall aufgenommen, bewertet und So- dynamischen Entwicklung durch die Digitalisierung nicht. forthilfe geleistet. Bei Bedarf kommen die Spezialisten vor Ort. Ein im Bundesgebiet einmaliges Projekt, das wir nach Was haben Sie von der Veranstaltung mitgenommen? Kamen der Testphase auf das ganze Land ausdehnen wollen. Dinge zur Sprache, die die Landesregierung verbessern sollte? Da ist zunächst einmal der immer noch sehr große Informa- Wie wird das Handwerk davon profitieren? tionsbedarf zu nennen. Wir müssen da als Landesregierung Die digitale Infrastruktur und das Vertrauen von Handwer- offenbar noch intensiver die Möglichkeiten und Chancen der kern und Kunden in die Sicherheit digitaler Lösungen sind Digitalisierung aufzeigen. Über die Risiken wird ja ohnehin die Voraussetzungen, um die Chancen der Digitalisierung ständig gesprochen. Unsere Webseite www.digital-bw.de ist nutzen zu können. Das Land unterstützt Handwerksbetriebe ein Ansatz, um sich über unsere Strategie digital@bw und bei der Einführung digitaler Systeme für ihre betrieblichen die konkreten Projekte zu informieren. Insbesondere das Prozesse, Produkte und Dienstleistungen sowie zur Verbes- Wirtschaftsministerium macht ja ganz konkrete Angebote. serung der Sicherheit in der Informations- und Kommunika- tionstechnik. Nach wie vor scheitern viele Handwerksbetriebe, die stärker auf digitale Angebote setzen wollen, an der schlechten Breit- Ein Instrument hierzu sind etwa Digitalisierungsgutscheine, bandverbindung vor Ort. Können Sie den Betroffenen Hoff- die reißenden Absatz finden. Ein ganz wichtiger Bereich ist nung machen? Wann haben wirklich alle Regionen im Land auch das Thema Digitalisierung und berufliche Bildung, bei- schnelles Internet? spielsweise zur Digitalisierung von Meistervorbereitungskur- Die Versorgung mit schnellem Internet hat sich im Land in sen. Gerne möchte ich noch das Thema Verwaltungen erwäh- den letzten Jahren erheblich verbessert. Durch die Telekom- nen. 80 Prozent der Verwaltungsdienstleistungen werden munikationsunternehmen und dort, wo der Markt kein An- von Gemeinden, Städten und Landkreisen angeboten. Das gebot hergibt, durch die Kommunen mit massiver Förderung Land bietet den Kommunen die neue gemeinsame E-Go- durch das Land. Damit befindet sich das Land inzwischen in vernment-Infrastruktur „service-bw“ an. So kann eine Ver- der Spitzengruppe der Flächenländer und über dem Bundes- waltung 4.0 vor Ort zukünftig alle Handwerksbetriebe und durchschnitt. Unser Ziel ist es, bis 2025 die flächendecken- die gesamte Bürgerschaft erreichen. Ich hoffe sehr, dass de Verfügbarkeit von gigabitfähigen Internetanschlüssen zu die Kommunen bald intensiv von diesem Angebot Gebrauch erreichen. Deshalb haben wir unsere Förderung neu aufge- machen und damit auch für die Handwerksbetriebe gilt: Das stellt, mit Unterstützung aus der Bundesförderung können Amt kommt zum Bürger, nicht umgekehrt! so zukünftig bis zu 90 Prozent der Kosten gefördert werden. Das gibt uns einen zusätzlichen Schub! 7
INTERVIEW „EUROPA FÜR KMU GESTALTEN, KMU IN EUROPA STÄRKEN“ Ulrike Rabmer-Koller, Präsidentin SME United und Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) Seit November 2018 nennt sich der Verband nicht mehr UEAPME, In der Europäischen Union werden die deutschen Hand- sondern SMEunited. Warum diese Namensänderung? werksbetriebe vom europäischen Dachverband SMEunited Um kleinen Unternehmen mehr Sichtbarkeit und eine stär- vertreten. Auch der Zentralverband des Deutschen Hand- kere Stimme zu geben, haben wir unseren Verband in SMEu- werks (ZDH) ist dort Mitglied. Der Spitzenverband bündelt nited umbenannt. Mit dem neuen Namen SMEunited und die Interessen von europaweit rund 12 Millionen Unterneh- einem zukunftsgerichteten Memorandum für die Europawahl men mit etwa 55 Millionen Beschäftigten. SMEunited ist 2019 wird Klein- und Mittelbetrieben größeres Gewicht und seit 2018 der neue Name der Vorgängerorganisation UE- mehr Sichtbarkeit gegenüber EU-Institutionen und Interes- APME. Zur Europawahl hat der Verband ein sogenanntes sengruppen in Brüssel verliehen. Die Stärkung von kleinen Memorandum, ein Papier mit 10 politischen Forderungen und mittleren Unternehmen ist für uns eine unverzichtbare vorgelegt. Basis für eine erfolgreiche Zukunft Europas. 8
INTERVIEW Sie haben sich auch ein neues Motto gegeben: „Europa für Was ist Ihre Hauptforderung zur Europawahl bzw. zur nächsten KMU gestalten, KMU in Europa stärken“. Warum haben Sie Wahlperiode? sich dafür entschieden? Europäische KMU und Handwerksbetriebe sind eine maß- Klein- und Mittelbetriebe sind die Grundlage für Europas gebliche Wählergruppe bei den EU-Wahlen 2019. Anstatt Wirtschaft und Gesellschaft. Die EU muss das anerken- über KMU nur zu reden, müssen die europäischen Entschei- nen und verstärkt Initiativen setzen, die an die Größe, die dungsträger handeln. Die Stärkung der KMU in Europa ist die Herausforderungen und die Realität der 24 Millionen KMU grundlegende Botschaft der zehn Prioritäten in unserem Me- und Handwerksbetriebe in Europa angepasst sind. Unsere morandum. Ohne sie geht es nicht! Unternehmen wollen zu einem stärkeren Europa beitragen. Sie können dies jedoch nur tun, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben, Innovationen schaffen und Geschäftsmöglichkeiten nutzen können, die etwa Digitalisierung und Kreislaufwirt- „OHNE KMU GEHT ES IN schaft bieten. EUROPA NICHT!“ Welche konkreten Erfolge kann SMEunited in der ablaufenden EU-Wahlperiode verzeichnen? Wie bewerten Sie die Rolle des Handwerks in der mittelständi- Als europäischer Sozialpartner sind wir mittlerweile als DIE schen europäischen Wirtschaft? Stimme der KMU anerkannt und sitzen bei hochrangigen Insgesamt habe ich den Eindruck, dass unsere Handwerks- Treffen regelmäßig mit am Tisch, um die Interessen des Mit- betriebe zwar viel Anerkennung und verbale Unterstützung telstands einzubringen. bekommen, diesen aber keine Taten folgen. Es gibt immer noch in vielen Bereichen zu viele und unnötige Belastungen. Es ist uns gelungen, auch im Rahmen des Europäischen Als größte Herausforderungen für unsere Handwerker wür- Fonds für Strategische Investitionen einen Teil für KMU-Fi- de ich die Digitalisierung, die technologische Entwicklung im nanzierung vorzusehen. Aktuell arbeiten wir daran, dass die- Allgemeinen, die Globalisierung und den Fachkräftemangel se Programme im Rahmen des Mehrjährigen EU-Budgets (In- nennen. Gerade unsere Handwerker haben oft Schwierig- vestEU Programm) fortgesetzt werden. Bankenfinanzierung keiten, geeignete und qualifizierte Mitarbeiter zu finden, die wird weiterhin für die Mehrheit von KMU eine der wichtigsten auch in der Lage sind, die aktuellen technologischen Heraus- Finanzierungsquellen bleiben – hier haben wir uns erfolg- forderungen zu meistern. reich für Erleichterungen bei der Kreditvergabe von Banken an KMU eingesetzt. Warum sollte jeder Handwerker am 26. Mai wählen gehen? Europa steht auf dem Scheideweg. Um im internationalen Im Bereich Digitalisierung haben wir europaweit Best Practi- Wettbewerb mit anderen Regionen bestehen zu können, ce-Beispiele für Initiativen und Unterstützungsmaßnahmen brauchen wir ein starkes und geeintes Europa. Die anste- gesammelt und arbeiten derzeit mit der EU-Kommission an henden Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai und die der Schaffung eines „Digital Knowledge Centres“ für KMU, Zusammensetzung der nächsten EU-Kommission werden für um den digitalen Wandel in unseren Betrieben bestmöglich Europa und ganz besonders auch für unsere KMU und unse- zu begleiten und zu fördern. re Handwerker entscheidend sein. Jede Stimme zählt! 9
Erfa-Gruppen Veranstaltungen Intensivberatung Modellprojekte Digitalisierungs- Werkstätten DIGITALISIERUNG + 11
Stefan Schütze WO STEHEN WIR BEI „DIALOG UND PERSPEKTIVE HANDWERK 2025“? Die Maßnahmen des Strategieprojektes sind in weiten Tei- bergischen Handwerkstag (BWHT) und der BWHM GmbH len angelaufen. Bundesweit einzigartig in ihrer Tiefe ist eine eigene Online-Plattform auf, die unabhängig und objek- die Personaloffensive. Dazu gehört die Online-Plattform tiv Informationen und Beratung anbietet. Das Elektro- und www.personal.handwerk2025.de, auf der Betriebe zu Per- Informationstechnische Handwerk plant eine systematische sonalthemen gute Beispiele und Hilfe zur Umsetzung erhal- Erfassung und Digitalisierung von vorhandenen Zustandsbe- ten. Sie wurde im Mai 2018 im Rahmen der Auftaktveran- richten zu elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln, die zu staltung einer Roadshow durch die Kammerbezirke feierlich Tausenden bei den wiederkehrenden Prüfungen im Rahmen freigeschaltet. Daneben steht bei jeder Handwerkskammer des E-CHECK erstellt werden. Basierend auf diesen digitali- ein Ansprechpartner zu Personalthemen für Beratungsge- sierten Daten sollen dann neue Dienstleistungen rund um spräche parat. Vor allem kleinere Betriebe nehmen dieses den Betrieb von Gebäuden, Liegenschaften, technischen An- kostenfreie Angebot gerne wahr. Wer tiefergehenden Bera- lagen und Infrastrukturen systematisch entwickelt werden. tungsbedarf hat, für den bietet die BWHM GmbH eine preis- lich attraktive Intensivberatung. Diese steht insbesondere Allerdings werden die Herausforderungen im Handwerk nicht auch für das Themenfeld Strategie zur Verfügung und war mit dem bisherigen Projektschluss zum Jahresende 2019 so erfolgreich, dass Mitte des Jahres 2018 das Beratungs- gemeistert sein. Personalfragen, strategisches Denken und kontingent ausgeweitet werden musste, um die Nachfrage Digitalisierung werden das Handwerk weiter begleiten. Eine zu befriedigen. Die Gründung moderierter Erfahrungsaus- interne Evaluation der Maßnahmen bei Kammern und Fach- tauschgruppen bei Fachverbänden und Informationsveran- verbänden hat ergeben, dass viele der Maßnahmen aus staltungen runden die Angebote ab. dem Projekt weitergeführt werden sollten. Dabei stehen vor allem die Personaloffensive, die Intensivberatung und die Er- Im Jahr 2019 steht neben der Fortsetzung der laufenden fahrungsaustauschgruppen im Fokus. Zugleich könnte eine Maßnahmen vor allem die Digitaloffensive im Fokus. So sol- Fortsetzung auch ein Aufschlag für neue Projektideen sein. len Werkstattgruppen starten, die den Erfahrungsaustausch Erfreulich ist, dass in der Politik die Erfolge des Projekts ge- um praktische Hilfe und Begleitung bei der Umsetzung von sehen und gewürdigt werden und es Signale zu einer Weiter- Digitalisierungsprojekten ergänzen. Zudem wurden verschie- führung gibt. Der BWHT wird sich weiter intensiv für eine Fort- dene Modellprojekte konzipiert. So baut der Verband des setzung einsetzen. Die endgültige Entscheidung wird erst im Zimmerer- und Holzbaugewerbes Baden-Württemberg in den Dezember 2019 mit der Verabschiedung des Doppelhaushal- kommenden Monaten gemeinsam mit dem Baden-Württem- tes für die Jahre 2020 / 2021 fallen. 12
Michael Keck / Marion Buchheit UNTERNEHMERWERKSTATT GEHT IN NEUE RUNDE Der vollgepackte Handwerksalltag lässt Betriebsinhabern Insgesamt besteht die Unternehmerwerkstatt aus sechs oft kaum Spielraum, sich mit strategischen Themen oder der über das Jahr verteilten Modulen. Die 2019er-Werkstatt eigenen Weiterbildung zu beschäftigen. Die Beratungstoch- ist im März in Bad Herrenalb mit dem Modul „Erfolgsfaktor ter des Baden-Württembergischen Handwerkstags (BWHT), Unternehmerpersönlichkeit“ gestartet. Die 13 Teilnehmer die BWHM GmbH, hat dieses Problem erkannt und bietet des aktuellen Jahrgangs kommen vor allem aus dem Bau- gemeinsam mit den acht Handwerkskammern im Land die bereich, der Metallverarbeitung und dem Elektrohandwerk. Unternehmerwerkstatt an. Dieses Projekt ist eine innovative Das Thema Digitalisierung spielt als Querschnittsthema bei Kombination aus Workshop, Seminar, Erfahrungsaustausch fast allen Modulen eine bedeutende Rolle. Damit wird die ak- und individueller Beratung für Inhaber und Führungskräfte tuelle Unternehmerwerkstatt auch den Herausforderungen von Handwerksbetrieben. Die Unternehmerwerkstatt unter- der Studie, auf der die Maßnahmen des Projekts „Dialog und stützt die Betriebschefs in allen entscheidenden Bereichen Perspektive Handwerk 2025“ basieren, gerecht. der Unternehmensführung. Dadurch können sie besser und schneller auf Veränderungen im Markt reagieren. Im Laufe Bauunternehmer Bernd Schneider aus Fellbach – Teilnehmer der Dauer lernen die Teilnehmer, die aus ganz unterschied- der ersten Unternehmerwerkstatt im vergangenen Jahr – be- lichen Gewerken kommen, mehr über das Gewinnen neuer wertet das Konzept positiv: „Die Unternehmerwerkstatt hat Kunden, wie sie auch in Zukunft kreditfähig sind und wie sie mir geholfen, mich und meinen Betrieb weiterzuentwickeln. langfristig eine positive Unternehmensentwicklung sichern. Der Austausch mit anderen Handwerksbetrieben hat mich motiviert und mir Mut gegeben. Ich habe bisher zu viel im Un- ternehmen und zu wenig am Unternehmen gearbeitet. Dies hat sich jetzt geändert.“ DIE SECHS MODULE IM ÜBERBLICK: ERFOLGSFAKTOR UNTERNEHMERPERSÖNLICHKEIT PROZESSE & DIGITALISIERUNG Führung Motivation, Change Management Arbeitsabläufe optimieren, Effizienz steigern 22. und 23. März 2019 in Bad Herrenalb 22. und 23. November 2019 (Raum Mannheim) in Kooperation mit der Handwerkskammer Karlsruhe in Kooperation mit der Handwerkskammer Mannheim, Rhein-Neckar-Odenwald UNTERNEHMERZAHLEN IM GRIFF Controlling, Kennzahlen und Finanzen MARKETING & VERTRIEB 10. und 11. Mai 2019 in Rottenburg Kunden gewinnen und binden in Kooperation mit der Handwerkskammer Reutlingen 14. und 15. Februar 2020 in Stimpfach in Kooperation mit der Handwerkskammer Heilbronn-Franken STRATEGIE – WEGE IN DIE ZUKUNFT Trends und Chancen für Ihr Unternehmen MITARBEITER – GEMEINSAM ZUM ERFOLG 27. und 28. September 2019 in Radolfzell Fachkräftegewinnung, Personalführung, Employer Branding in Kooperation mit der Handwerkskammer Konstanz 03. und 04. April 2020 Bad Boll in Kooperation mit der Handwerkskammer Region Stuttgart 13
Anna-Lena Gentemann QUALITÄT STATT PREISDRUCK – GUTEM HANDWERK EINE PLATTFORM GEBEN 14
Früher war der Marktplatz vor Ort DIE Plattform, auf der sich Da der einzelne Betrieb hier nur wenig unternehmen kann, Kaufinteressierte und Händler trafen – heute sind es Inter- kommt den Handwerksorganisationen eine Schlüsselrolle netportale. Digitale Plattformen gibt es mittlerweile für na- zu. Diese sollten mit der Gesamtheit ihrer Mitgliedsbetrie- hezu alles, was wir in unserem täglichen Leben nutzen oder be die Entwicklung von Plattform-Lösungen und Digitalisie- suchen. So werden online übrig gebliebene Lebensmittel, rungsstrategien zügig vorantreiben. Zimmer auf Zeit oder Autos, die lieber geteilt werden wollen, als in der Garage zu stehen, vermittelt. Dass der Aufbau einer Plattform ein anspruchsvolles, aber für alle Seiten lohnenswertes Projekt sein kann, erlebt der- Die Grundidee digitaler Plattformen orientiert sich am traditio- zeit der Verband des Zimmerer- und Holzbaugewerbes Ba- nellen Marktplatz: Verschiedene Nutzergruppen miteinander den-Württemberg: „In den kommenden Monaten werden wir vernetzen. Finanziert werden sie meist über Werbeanzeigen, gemeinsam mit unseren Mitgliedern, dem Baden-Württem- kostenpflichtige Nutzerprofile oder Vermittlungsprovisionen. bergischen Handwerkstag (BWHT) und seiner Servicetochter BWHM GmbH am Aufbau einer eigenen Plattform arbeiten. Auch Handwerker-Leistungen und Informationen lassen sich Wir schaffen ein Portal, auf dem wir unabhängig und objektiv auf digitalen Plattformen finden – sowohl auf gewerkespezi- Informationen und Beratung anbieten. fischen wie der Heizungsbauplattform Stegimondo als auch auf breiter aufgestellten wie blauarbeit.de oder MyHammer. Zudem müssen sich Betriebe so nicht abhängig machen von Letztere bieten Privatpersonen eine Vielzahl an Produkten anderen Plattformen, auf denen sie bisweilen zu reinen Erfül- und Dienstleistungen unterschiedlicher Gewerke an. lungsgehilfen werden. Ein weiteres zentrales Merkmal wird sein, dass die Qualität und nicht der Preis im Vordergrund Für beide Gruppen – Anbieter und Käufer – kann die digita- steht“, erläutert Konstantin zu Dohna, stellvertretender le Plattform praktisch und zeitsparend sein. Problematisch Hauptgeschäftsführer des Fachverbandes. wird es, wenn der Wettbewerb auf einer Vermittlungsplatt- form zu Preisdruck führt. Für Kunden und Betriebe stellt sich „Die Experten für Zimmerei und Holzbau sind außerdem die Frage, wie verantwortungsvoll Plattformbetrei- ber mit gesammelten Daten über Nutzer und deren Kommu- unsere eigenen Mitglieder.“ nikation umgehen. „Als Verband sind wir der ideale Partner, um die erste Fach- plattform für das Zimmerer- und Holzbaugewerbe aufzubau- Nicht auf jeder Plattform werden die Standards en und zu betreiben. Denn die Experten für Zimmerei und eines fairen Wettbewerbs eingehalten. Holzbau sind unsere eigenen Mitglieder.“ Gefördert wird der Aufbau der Plattform als innovatives Modellprojekt im Rah- Die bisherigen Erfahrungen zeigen: Dass Plattformen An- men des Projekts „Dialog und Perspektive Handwerk 2025“. bieter zulassen, die ihre Dienstleistung zu Dumping-Preisen anbieten, schadet letztlich allen Handwerksbetrieben. Was Nicht für jeden Fachverband ist es leistbar und sinnvoll, eine das Handwerk also braucht, sind Online-Plattformen, die im eigene Plattform aufzubauen. Als strategische Vordenker Interesse der Handwerksbetriebe handeln, die Preisdumping sollten die Handwerksorganisationen aber in jedem Fall aktiv verhindern und einen fairen Wettbewerb und hohe Qualität werden – indem sie über die Potenziale digitaler Plattformen sicherstellen. informieren, Betriebe vernetzen und bei der Entwicklung di- gitaler Plattform-Lösungen unterstützen – auch mit Hilfe des Maßnahmenpakets von „Handwerk 2025“. 15
Martin Träuble/Marion Buchheit NICHT JEDEN FEHLER SELBST MACHEN: ERFA-GRUPPEN KOMMEN GUT AN Im hektischen Alltag bleibt vielen Inhabern von Handwerks- Thomas Bär, Geschäftsführer des Landesinnungsverbands betrieben kaum Zeit, sich mit anderen Betrieben auszutau- des Maler- und Lackiererhandwerks Baden-Württemberg, schen. So entgeht ihnen die Chance, von Erfahrungen ande- ist überzeugt, dass Erfa-Gruppen für sein Gewerk genau rer zu profitieren und zu lernen. Diesen Gedanken hat das das Richtige sind: „Wir sind ein sehr vielseitiges Gewerk, das Projektteam um „Dialog und Perspektive Handwerk 2025“ innen und außen tätig ist, das Maschineneinsatz mit Hand- aufgegriffen und die Erfahrungsaustausch-Gruppen, kurz arbeit verbindet, das Kreativität und Wirtschaftlichkeit unter Erfa-Gruppen initiiert. Handwerksunternehmer sollen in klei- einen Hut bringen muss. Was sind die praktischen Probleme nen Gruppen Erfahrungen diskutieren und Lösungen zu be- mit neuen Techniken, was können die Mitarbeiter und was stimmten Themen erarbeiten. Bislang lag der Schwerpunkt will der Kunde? Nicht jeder Betrieb muss jeden Fehler selbst auf der strategischen Unternehmensführung. Titel wie „Was machen!“ macht der SHK-Betrieb der Zukunft“, „Strategische Nachfol- ge im Zimmererhandwerk“ oder auch „Personal finden – bin- „Genau dafür ist ein Erfahrungsaustausch den – führen“ zeigen aber, wie vielfältig die Themen sind. mit Kollegen Gold wert.“ 16
Veranstalter der Erfa-Gruppen sind die Fach- und Innungs- Deshalb setzt das SHK-Handwerk auch in diesem Jahr wie- verbände des baden-württembergischen Handwerks. Bis der auf Zusammenarbeit, erklärt Wolfgang Becker, Haupt- Ende 2018 haben sie elf vom Land geförderte Erfahrungs- geschäftsführer des Fachverbands Sanitär-Heizung-Klima: austauschgruppen gegründet. Für Konstantin zu Dohna, „Neben unseren bereits existierenden Erfa-Gruppen – unter stellvertretender Hauptgeschäftsführer von Holzbau Ba- anderem zum Thema Strategie – stehen jeweils zwei weitere den-Württemberg, ist klar: Die Erfa-Gruppen sind ein Erfolgs- Erfa-Veranstaltungen mit zukunftsweisenden Themenstellun- modell. gen bevor. Zielsetzung aller Treffen ist die Konfrontation der Teilnehmer mit aktuellen und zukünftigen Themenstellungen und mit innovativen Ansätzen zur betrieblichen Optimierung „Unternehmen sind erfolgreicher, wenn der durch externe Experten. Und vor allem: Die Teilnehmer sollen Inhaber in einer Erfa mitarbeitet.“ voneinander lernen. Gerade für eine Zukunftsbranche wie das SHK-Handwerk sind deshalb Formate wie der gezielte „Unsere Mitgliedsunternehmen stehen alle vor großen professionelle Erfahrungsaustausch enorm wichtig.“ Herausforderungen. Durch die Ausweitung der Bürokra- tie und Anforderungen von verschiedensten Seiten wird Weil die Erfa-Gruppen für so viele Bereiche interessant sind, der Aufwand für die Verwaltung immer höher. Auf der an- sind mittlerweile auch Gewerke-übergreifende Gruppen in deren Seite stehen die Betriebe weiter unter Preisdruck, Planung. So soll es Mitte 2019 eine Gruppe aus Bau- und weil es mehr und mehr Kleinstbetriebe mit niedrigen Ge- baunahem Handwerk zum Thema BIM „Building Information meinkosten gibt. In den Erfa-Gruppen können sich die Teil- Modeling“ geben. Verbände, die jetzt über eigene Erfa-Grup- nehmer austauschen, Netzwerke bilden und Probleme ge- pen nachdenken, können sich an die Servicetochter des Ba- meinsam lösen. Aus unserer Erfahrung sind Unternehmen den-Württembergischen Handwerkstags, die BWHM GmbH erfolgreicher, wenn der Inhaber in einer Erfa-Gruppe mitar- (www.bwhm-beratung.de) wenden. beitet. Das ist für uns ein echtes Erfolgskriterium!“ 17
Anna-Lena Gentemann ECHTES HANDWERK – UND TROTZDEM VOLL DIGITAL Strategisch denken, die Möglichkeiten der Digitalisierung weiterentwickelt hat. 1935 gestartet, arbeitet der Betrieb sinnvoll und nachhaltig nutzen und Mitarbeiter erfolgreich heute für öffentliche, private und gewerbliche Auftraggeber finden und binden – diese ambitionierten Ziele will das Pro- im Bereich Möbelanfertigung, Innenausbau und Objektein- jekt „Dialog und Perspektive Handwerk 2025“ in möglichst richtung. viele Handwerksbetriebe im Land tragen. Doch schon heute gibt es Vorreiter, die sich strategisch mit Personal- und Digi- Die Anschaffung eines CNC-Bearbeitungszentrums im Jahr talisierungsfragen auseinandersetzen. 2011 machte es dem Team um Geschäftsführer Michael Bucher möglich, auch besonders komplexe Aufträge umzu- Solch ein Betrieb ist die Wirth-Bucher GmbH & Co.KG in Bad setzen. 2015 kam dann der Einsatz von CAD/CAM-Software Waldsee bei Ravensburg. Als Traditionsbetrieb mit über 8o dazu. Aufmaße, die beim Kunden digital erfasst werden, flie- Jahren Geschichte konnte die Schreinerei gerade deshalb ßen über Schnittstellen in die Software und können dort di- bestehen, weil sie sich strategisch und für Neuerungen offen rekt weiterverarbeitet werden. 18
Zur Basisausstattung in jedem Betriebsfahrzeug gehört ein stück auch im Raum gut wirkt. Bucher erläutert: „Wenn der Tablet. So können Buchers Mitarbeiter nicht nur unkompli- Kunde sein Möbelstück online fertig geplant hat, machen ziert Aufmaße nehmen und Pläne prüfen. Sie können über wir ihm ein Angebot und besprechen gemeinsam die Details das Tablet auch ihre Arbeitszeit erfassen und Unterschriften der Fertigung.“ Nach wie vor sei der persönliche Austausch des Kunden für Rapporte und Aufträge einholen. Im Büro flie- zwischen Betrieb und Kunden wichtig. Mit dem Online-Pla- ßen die Daten dann in die Buchhaltungssoftware und das nungs-Tool komme man aber dem wachsenden Bedürfnis Warenwirtschaftssystem. „Prozessdigitalisierung ist zeit- und der Kunden entgegen, zunächst unverbindlich am Rechner arbeitsintensiv“, gibt Bucher zu. Diese Zeit müsse man sich Varianten auszuprobieren und dann den Kontakt zum Be- als Unternehmer aber zwingend nehmen, denn digitalisierte trieb zu suchen. Prozesse sparten in vielen Geschäftsbereichen eine Menge Zeit. Auch was das Marketing angeht, setzen Bucher und sein Team auf digitale Wege. Seit 2011 ist die Schreinerei „Digitalisierung muss im Vorfeld gut auf Facebook mit einer Unternehmensseite und bietet dort geplant werden.“ möglichen Kunden Einblicke in aktuelle Projekte. „Gleichzei- tig nutzen wir Facebook auch, um potenziellen neuen Azubis Dass seine Schreinerei heute in allen Betriebsbereichen di- zu zeigen, was man als Schreinerin oder Schreiner leisten gitalisiert ist, sei kein Zufall und auch nicht von gestern auf kann und wie unser Team bei Wirth-Bucher aussieht“, erklärt heute passiert. „Digitalisierung muss im Vorfeld gut geplant der Schreinermeister. werden und die Wirtschaftlichkeit geklärt sein. Der eigene enorme Zeitaufwand, die Strukturierung und Strategieent- Zeigen, was man leisten kann, spielt auch in Buchers jüngs- wicklung dürfen nicht unterschätzt werden“, macht Bucher tem Digitalisierungsprojekt, einer Visualisierungs- und Pla- deutlich. Er rät aber auch: „Ich kann nur empfehlen, anzu- nungsapp, eine wichtige Rolle. Kunden der Schreinerei kön- fangen, gut informiert und zunächst in einem Teilbereich des nen die App verwenden, um von zu Hause aus Möbelstücke Unternehmens. Aber schon mit Blick fürs Ganze. Und dann zu planen und visualisiert zu prüfen, ob das Wunschmöbel- immer weiter Schritt für Schritt.“ ZUR BASISAUSSTATTUNG IN JEDEM BETRIEBSFAHRZEUG GEHÖRT EIN TABLET. 19
INTERVIEW Stefan Schütze DIE PERSONALBERATUNG VON „HANDWERK 2025“ – EIN BUNDESWEIT EINZIGARTIGES ANGEBOT PETRA ENGSTLER-KARRASCH, GESCHÄFTSFÜHRERIN HANDWERKSKAMMER REGION STUTTGART UND KOORDINATORIN DER PERSONALBERATUNG HANDWERK 2025 Weshalb wurde das Projekt Personalberatung ins Leben ge- Was macht das Projekt so einzigartig? rufen? Es ist wunderbar, dass wir mithilfe dieser neu geschaffenen Die Frage „Wie finde ich qualifizierte und zu meinem Betrieb Stellen das Thema Fachkräfte als zentrale Herausforderung passende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und wie halte ich in den Handwerksbetrieben der Region wirklich ganzheitlich sie?“ beschäftigt das Handwerk in Zeiten des zunehmen- und in allen Facetten bedienen können. Dies auch deshalb, den Fachkräftemangels in nahezu allen Gewerken mehr und weil die Berater bis zu acht Personentage pro Jahr in einem mehr. Das Projekt nimmt sich im Rahmen der „Personaloffen- Unternehmen erbringen dürfen; ein Deputat, mit dem sich sive Handwerk 2025“ dieser Problematik an: Mit acht Bera- schon einiges bewegen lässt. Einzigartig ist aber auch die terstellen in den Handwerkskammern Baden-Württembergs durch die zentrale Koordination entstandene enge Vernet- können wir nicht nur übergreifend informieren, sondern ganz zung und damit verbundene Nutzung von Synergien zwischen konkret in den Unternehmen unterstützen. den Häusern: Beratungsprodukte und –tools werden gemein- sam entwickelt, ausgetauscht und kontinuierlich verbessert. Mit welchen Fragen kommen die Betriebe auf die Berater zu und wie können die Berater konkret unterstützen? Was wünschen Sie sich für die Zukunft ab 2020? Über 50 Prozent der Beratungen ranken sich um Personal- Konkret bezogen auf die Personaloffensive wünsche ich uns marketing und Personalauswahl, gefolgt von Fragen zu Per- allen, dass wir auch im Doppelhaushalt 2020/2021 des Lan- sonalbindung, -entwicklung und -führung. So geht es zum des dieses in der Bundesrepublik im Handwerk einmalige Beispiel ganz konkret um die passende Unternehmenskultur, Angebot aufrechterhalten können. Die kontinuierlich zuneh- eine Überarbeitung des gesamten Personalgewinnungspro- mende Nachfrage zeigt, dass der Bedarf konkret vorhanden zesses, Zusatzleistungen für Mitarbeiter oder die Ein- und ist: Die Kundenbefragungen zeigen eine sehr hohe Zufrie- Durchführung von Mitarbeitergesprächen oder Mitarbeiter- denheit mit Durchführung und Wirksamkeit. Und über das befragungen und –workshops. Dies immer wieder auch als Projekt hinaus wünsche ich mir, dass wir zum Wohle unserer Teil ganzheitlich angelegter Veränderungsprojekte in den Be- Kunden auch in anderen Spezialgebieten unserer Beratungs- trieben. angebote eine ähnlich enge Vernetzung und ein vergleichbar intensives Zusammenwirken über die Kammergrenzen hin- aus schaffen können. 20
WAS SIND IHRE GRÖSSTEN ERFOLGE ALS PERSONALBERATER? Niklas Czeranski, Freiburg Telefon: 0761 21800118 | niklas.czeranski@hwk-freiburg.de „Trotz meiner kurzen Zeit als Personalberater tung der Stellenanzeige und weiteren Zugängen bei der Handwerkskammer habe ich schon sehr zu potenziellen Kandidaten, erhielt ich eine Wo- positive Erfahrungen gesammelt. Mein größter che später folgende Nachricht: ‚Ich hatte letztes Erfolg war bis dato eine gelungene Stellenbe- Wochenende in der Zeitung und beim Jobcenter setzung. Der Inhaber des Betriebs hatte bereits die Anzeige eingestellt. Ergebnis waren zwei Be- mehrfach in der Zeitung und im Internet ohne werber und einen davon habe ich eingestellt.‘“ Erfolg inseriert. Nach einer Beratung zur Gestal- Fabienne Gehrig, Konstanz Telefon: 07531 205 377 | fabienne.gehrig@hwk-konstanz.de „Ich höre oft den Satz ‚Ich bin Handwerker und Erfolge für mich sind, wenn jemand aufgrund ei- kein Personaler‘. Personal geht für viele Be- ner überarbeiteten Rekrutierungsstrategie neue triebsinhaber mit Unsicherheiten einher, wes- Mitarbeiter findet, ein Konflikt gelöst wird oder halb diese froh sind, dass es eine langfristige das Klima durch Mitarbeitergespräche verbes- Unterstützung und Begleitung gibt. Die größten sert werden konnte.“ Beate Karcher, Karlsruhe Telefon: 0721 1600 135 | karcher@hwk-karlsruhe.de „Bei meinen Beratungen lerne ich viele innova- Erfolg. Auch mit den Personal-Veranstaltungen tive Handwerksunternehmen kennen. Diese mit kann ich neue Impulse geben, um mit den Ver- meinem Fachwissen durch Informationen, Hand- änderungen auf dem Arbeitsmarkt und dem Ge- lungsempfehlungen zum Beispiel bei der Mit- nerationenkonflikt erfolgreich umzugehen. Das arbeitersuche oder durch gemeinsame Projekte Thema Personal und die Personalberatung durch wie Mitarbeiterbefragungen bei Ihren Herausfor- die Handwerkskammer sind erfolgreich bei unse- derungen zu unterstützen, ist für mich ein toller ren Mitgliedsunternehmen angekommen.“ Lisa-Marie Kreis, Heilbronn Telefon: 07131 791 172 | www.hwk-heilbronn.de/personalberatung „Inhaber von Handwerksbetrieben wieder für kräfte mehr auf dem Markt‘ nach der Beratung Personalthemen zu gewinnen und sie bei der zu einer positiveren Einstellung führt nach dem Umsetzung zu begleiten, das ist es, was die Tä- Motto ‚Okay, packen wir es gemeinsam an‘. Das tigkeit als Personalberaterin auszeichnet. Ich er- ist ein schönes Gefühl und zeigt, dass die Bera- lebe immer wieder, dass die anfangs distanzierte tung Früchte trägt.“ Haltung im Sinne von ‚Es gibt einfach keine Fach- 21
Alexandra Natter, Ulm Telefon: 0731 1425-6389 | a.natter@hwk-ulm.de „Besonders stolz macht es mich, wenn eine Bä- den ich beraten habe und für den wir gemein- ckerei ohne Website und mit wenigen Mitteln sam eine Karriereseite auf seiner Homepage dank der gemeinsam erstellten Stellenanzeige entwickelt haben. Nun erhält er viel besser zu- ihre offenen Stellen besetzen kann. Ein sehr geschnittene Bewerbungen – ein toller Erfolg!“ schönes Beispiel war auch ein Elektrobetrieb, Nicola Pauls, Stuttgart Telefon: 0711 1657-315 | nicola.pauls@hwk-stuttgart.de „Für mich gibt es nicht nur den einen großen begleitet werden. Aber auch bei ganz grundle- Erfolg, sondern eine ganze Reihe an Erfolgsge- genden Themen wie dem Aufbau einer ganzheit- schichten. So gibt es Betriebe, die immer wieder lichen Personalstrategie nehmen die Betriebe hinsichtlich Führung Rat und Unterstützung su- dankbar die Beratung an. Dadurch können sie die chen. Diese erhalten durch die Personalberatung eigenen Mitarbeiter binden und sich als attrakti- neue Impulse und können gleichzeitig individuell ven Arbeitgeber nach außen präsentieren.“ Nina Vobis, Mannheim Tel. 0621 18002-150 | vobis@hwk-mannheim.de „Zu Beginn jeder Beratung steht der Vertrauens- den größten Erfolgen zählt, wenn ein Handwer- aufbau der Mitgliedsbetriebe in die Personalbe- ker am Ende einer Beratung dankbar ist, weil er ratung. Nach dem ersten Termin sind die Betrie- die Personalberatung als Chance für einen neu- be meist über das Dienstleistungsangebot der en und gut durchdachten Schritt in die Zukunft Kammern überrascht und erleichtert über die wahrnimmt.“ unkomplizierte und zeitnahe Hilfestellung. Zu Sylvia Weinhold Tel. 07121 2412-133 | sylvia.weinhold@hwk-reutlingen.de „Das Thema Fachkräftesicherung brennt den attraktiven Entlohnungssystems. Die Unterneh- Handwerksunternehmen auf den Nägeln. Mit men sind jedenfalls durchweg begeistert und das der neu geschaffenen Personalberatung kön- schönste Lob für uns ist es, wenn wir nach der nen wir die Betriebe praxisnah und kompetent Beratung weiterempfohlen werden!“ unterstützen. Das reicht von der Formulierung einer Stellenanzeige über die Einführung eines Arbeitszeitmodells bis hin zur Entwicklung eines 22
BERICHT Dr. Antje Vogel-Sperl DAS HANDWERK – DER PARTNER DER ENERGIEWENDE Das baden-württembergische Umweltministerium und der Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit der Energiewende Baden-Württembergische Handwerkstag (BWHT) haben ge- wie das Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWärmeG), die Ener- meinsam eine Kampagne initiiert, um die Energiewende im gieeinsparverordnung (EnEV) oder das Erneuerbare-Ener- Land voranzubringen. Diese Informationsoffensive geht we- gien-Gesetz (EEG) kurz, knapp und verständlich erläutert so- sentlich auf eine Anregung des BWHT-Landesausschuss Um- wie das gemeinsame Ziel einer erfolgreichen Energiewende welt und Energie zurück. vermittelt. Zentrale Botschaft: Die Rolle des Handwerks Der Bürger wird vor Ort über die als Schlüsselakteur der Energiewende. Energiewende informiert. Es wird dem Kernanliegen des Handwerks Rechnung getragen, Weitere Kommunikationsmaterialien sind das gemeinsame konkrete neutrale Unterstützung für das Kundengespräch zu Logo sowie Aufkleber mit dem Logo für Handwerksfahrzeuge erhalten. Denn die Handwerker stehen täglich im Kundenkon- und die beim Bauherrn umgesetzte Maßnahme. Ferner kann takt. Sie haben dabei als Überbringer vermeintlich schlechter das gemeinsame Logo für den Briefkopf des jeweiligen Be- Botschaften häufig einen schweren Stand. Dabei müssen sie triebs verwendet werden. Zusätzlicher Benefit der Kampag- im Sinne der Energiewende über die Einhaltung vorhandener ne: Der Bürger wird vor Ort über die Energiewende informiert. gesetzlicher Regelungen und Pflichten informieren. So kann die Akzeptanz für Maßnahmen der Energiewende Ein starker Partner wie das Umweltministerium unterstützt erhöht werden. Und das liegt wiederum im Interesse der Poli- das Handwerk dabei, neutral über gesetzliche Anforderun- tik. Also: eine echte Win-Win-Situation für beide Partner der gen, technisch mögliche Maßnahmen und die damit ver- Kampagne. bundenen Kosten zu informieren und zu beraten. Der Kunde kann so auswählen, welche Maßnahmen er für mehr Energie- Die gemeinsame Kampagne ist Teil des Kommunikations- effizienz und erneuerbare Energien in seinem Haus umset- konzepts „Unser Land voller Energie“ der Landesregierung. zen will. So werden in einem gemeinsamen Flyer komplexe 23
Florian Jentsch / Christoph Arnold KÜNSTLICHE INTELLIGENZ – DAS HANDWERK NIMMT AUCH IN EUROPA FAHRT AUF Eine bahnbrechende Technologie wie die Künstliche Intelli- Technologien und Märkte entwickeln sich dabei mit solch ra- genz (KI) wird zunehmend alle Bereiche unseres Lebens ver- santer Geschwindigkeit, dass etablierte Wachstumsmodelle ändern. Das wirtschaftliche Potenzial von KI-Anwendungen in Gefahr geraten. Fachkräftemangel, begrenzte finanzielle ist immens. Vor allem die Perspektiven neuerer Deep-Lear- Ressourcen und eine überholte digitale Infrastruktur entwi- ning-Anwendungen scheinen die Fantasie der Entwickler und ckeln sich dabei für KMU vor allem international zunehmend Anwender zu beflügeln. zu einem enormen Wettbewerbsnachteil. Fakt ist: Digitale Geschäftsmodelle fordern zunehmend klas- In einer Wirtschaft, in der Daten der Rohstoff für Künst- sische Wertschöpfungsketten heraus. In diese neuen, digita- liche Intelligenz und maschinelles Lernen sind, drohen die len Wertschöpfungsnetzwerke müssen sich die Handwerks- Europäische Union und Deutschland mit ihren umfassenden betriebe mittelfristig integrieren, wollen sie auch zukünftig Datenschutzregelungen zwischen den Extremen von ameri- Erfolg haben. kanischem Daten-Laissez-faire und chinesischem Staats- datenkapitalismus zerrieben zu werden. Was aber, wenn es 24
ANALYSE gelänge, diese datenschutzrechtliche Sonderstellung zum sichts der unglaublichen Geschwindigkeit, mit der sich der Wettbewerbsvorteil Europas umzumünzen, also Bürgern technologische Wandel vollzieht, muss dem handwerksspe- mehr digitale Privatsphäre als in den USA und China zu ga- zifischen Technologietransfer seitens der Politik in Zukunft rantieren, aber der Wirtschaft zugleich digitale Geschäfts- eine noch größere Rolle beigemessen werden“, erklärte Lan- modelle zu ermöglichen? Europa auf dem Weg zur eigenen deshandwerkspräsident Reichhold. Datenmacht schiene in dieser Konstellation zumindest keine Utopie mehr zu sein. Die Wirtschaftsverbände zur Entwicklung digitaler Geschäfts- modelle und Services sehen es als wettbewerbsentschei- Um als deutsche und besonders baden-württembergische dend an, dass auf europäischer Ebene Regelungen etabliert Wirtschaft bei der Politik Gehör zu finden, ist entscheidend, werden, die KMU einen freien und herstellerunabhängigen sich einheitlich und eindeutig zu Themen wie Künstlicher In- Zugang zu geschäftsrelevanten Daten und Informationen ge- telligenz oder Datenökonomie zu positionieren. Deshalb trat währleisten. der Baden-Württembergische Handwerkstag (BWHT) im Ja- nuar 2019 beim Wirtschaftsgipfel in Brüssel unter dem Titel Das Handwerk muss die Daten und „Digitalisierung gestalten – Mittelstand stärken“ gemeinsam mit weiteren baden-württembergischen Wirtschaftsverbän- Informationen zu seinem wirtschaftlichen den in Erscheinung. Nutzen verwerten können. In einem gemeinsamen Positionspapier forderten BWHT, Nur, wenn ein solcher Rechtsrahmen geschaffen wird, kön- BWIHK sowie Genossenschafts-, Sparkassen- und Banken- nen im Handwerk auch künftig Innovationen vorangetrieben verband in Baden-Württemberg die EU auf, in den Bereichen und die eigenen Wertschöpfungsprozesse digital vernetzt Künstlicher Intelligenz und Digitalisierung einen stärkeren werden. Handwerk und Verbraucher dürfen nicht zu reinen Fokus auf kleinere und mittlere Unternehmen zu legen. Das Datenlieferanten für die Hersteller werden. Auch das Hand- bedeutet: Mehr finanzielle Förderung, geringere bürokra- werk muss die Daten und Informationen zu seinem wirt- tische Hürden bei Ausschreibungen, Krediten und der Ab- schaftlichen Nutzen verwerten und Wertschöpfung erzielen wicklung von Fördergeldern sowie ein erleichterter Transfer können. zwischen Forschung, beruflicher Ausbildung und unterneh- merischer Praxis. Hier muss die EU schnell aktiv werden, um auch in Zeiten digitaler Plattformen, Datenökonomie und Künstlicher Intel- „Das Handwerk mit seinen spezifischen Innovationskompe- ligenz einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten – der nach- tenzen als Technologiemittler, -anwender und -multiplikator haltige Innovationsimpulse freisetzt und langfristig Wohl- sollte künftig stärker in die Innovationsdebatte und die Ge- stand schafft. staltung der Innovationspolitik einbezogen werden. Ange- 25
INTERVIEW „DIGITALISIERUNG: EINE RECHTLICHE HERAUSFORDERUNG FÜR DIE HANDWERKSORDNUNG?“ PROF. DR. JUR. MARTIN BURGI, BERATENDER DIREKTOR LUDWIG-FRÖHLER-INSTITUT F. HANDWERKSWISSENSCHAFTEN Herr Prof. Dr. Burgi, die Digitalisierung wirkt sich auf unser Lassen Sie uns einen Blick ins zulassungspflichtige Gesund- gesamtes Lebens- und Arbeitsumfeld aus. Die Handwerksord- heitshandwerk werfen. Ein Zahntechniker-Meister stellt in nung (HwO) steht hingegen in Teilen seit einigen Jahren unver- seiner Werkstatt Zahnersatz für die örtliche Ärzteschaft her. ändert da. Sollten wir deshalb nicht mal einen Blick durch die Er nutzt dabei ausschließlich digitale Technologien und lässt digitale Brille auf die HwO werfen? mittels eines 3D-Druckers fertigen, ohne selbst Hand anzule- Es stimmt, die HwO geht von einem eher traditionellen Bild gen. Ist das noch Handwerk im Sinne der HwO? eines Handwerksbetriebes aus. Ob ihre Regelungen auch Schwierig ist in diesem Fall vor allem die Beurteilung der auf neue Geschäftsmodelle passen, bedarf daher der Unter- Handwerksmäßigkeit. Ob sie vorliegt, wird anhand einer Ge- suchung. samtschau verschiedener Indizien ermittelt. Ein ganz wichti- ges Indiz ist das Maß des Einsatzes von Technik. Stellt man Eigentlich eine klare Sache: Eine Internet-Plattform kann kein dieses Indiz in den Vordergrund, so rückt bei einer vollstän- Handwerksbetrieb sein. Oder sieht das die HwO anders? digen Ersetzung jeder Handarbeit wie im Beispielsfall die Zu- Digitale Plattformen sind in der HwO nicht speziell geregelt. ordnung zur Industrie näher. Daher gilt es, diese noch eher neuen Erscheinungen richtig in dem bestehenden Regelungsregime der HwO einzuord- Wie könnte für Sie eine passende Weiterentwicklung der HwO nen. Ob dabei eine Internet-Plattform selbst als Handwerks- – ganz grob – aussehen? betrieb einzustufen ist, muss im Einzelfall durch Analyse der Entscheidend ist, dass auch für neue Geschäftsmodelle jeweiligen Struktur festgestellt werden. Von vornherein aus- passende rechtliche Rahmenbedingungen bestehen müs- geschlossen ist es jedenfalls nicht. sen. Bevor über mögliche Weiterentwicklungen des Rechts nachgedacht werden kann, ist zu analysieren, ob die beste- Ein Plattform-Start-up kann also ein Handwerksbetrieb sein, henden Gesetze, möglicherweise durch eine moderne Aus- ohne selbst handwerkliche Leistungen ausführen zu müssen? legung, nicht schon zufriedenstellende Regelungen bieten. Diese Aussage kann ich nicht unterschreiben. Ein Hand- Diese Thematik ist sehr spannend und auch ein aktueller werksbetrieb oder handwerksähnlicher Betrieb kann nur vor- Forschungsschwerpunkt des Ludwig-Fröhler-Instituts. liegen, wenn das ausgeübte Gewerk in den Anlagen A oder B zur HwO aufgeführt ist. Wenn eine Internet-Plattform hand- Nicht nur die zunehmende „Plattformisierung“ sorgt für werkliche Leistungen lediglich vermittelt, dann entspricht ein Verschwimmen von Branchengrenzen. Auch digita- diese Vermittlungstätigkeit keinem der aufgeführten Berufe. le Technologien wie 3D-Druck und Robotik erschweren Eine solche Plattform wäre also kein Handwerksbetrieb. zunehmend die Abgrenzung von Handwerkstätigkeiten und industrieller Fertigung. Gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 HwO liegt ein zulassungspflichtiger Betrieb dann vor, wenn er handwerksmäßig betrieben wird, ein Gewerbe aus Anla- ge A vollständig umfasst oder Tätigkeiten ausübt, die für dieses Gewerbe wesentlich sind. 26
BERICHT Florian Jentsch DIE MOBILITÄT VON MORGEN: VERNETZT UND INTELLIGENT? Megatrends wie Elektrifizierung, Individualisierung und Digi- und Verwaltung der Ladeeinrichtung. Ähnlich sehe es im talisierung bestimmen die Mobilität von morgen. Haupttrei- Kfz-Gewerbe aus, in welchem – etwa durch die Nutzung ein- ber des Wandels sind die technologischen Entwicklungen heitlicher Telematik-Systeme – neue digitale Geschäftsmo- und das steigende Bedürfnis der Menschen nach neuen For- delle entwickelt werden können. men der Mobilität. Ein freier Zugang zu Daten ist „In Zeiten von Fahrverboten, räumlicher Flexibilität und stei- gendem Umweltbewusstsein ist Elektromobilität zu DEM wettbewerbsentscheidend. Megatrend in der Fahrzeugbranche herangewachsen. Die technologischen Neuerungen verändern dabei nicht nur die Ein freier, vom Hersteller unabhängiger Zugang zu wettbe- Geschäftsprozesse. Auch die erforderlichen Unternehmens- werbsrelevanten Daten und Informationen sei für das Hand- kompetenzen sowie die Kundenerwartungshaltung wandeln werk dabei absolut wettbewerbsentscheidend und der kriti- sich“, erklärt Daniel Duwe vom Mittelstand 4.0-Kompetenz- sche Faktor schlechthin, wenn es um neue Geschäftsmodelle zentrum Stuttgart beim Digitalisierungssymposium des Ba- und die Realisierung komplexer, digitaler Systemdienstleis- den-Württembergischen Handwerkstags (BWHT) 2019. Dies tungen geht, so Daniel Duwe. Ziel müsse es im Handwerk verlange gerade auch von Kfz- und Elektrohandwerk – eine sein, die anfallenden Daten – sei es im Gebäude- oder Kfz-Be- strategische Neuausrichtung. reich – zu sammeln und gemeinsam nutzbar zu machen. „Schon heute sind Kfz- und Elektrobetriebe gefragte An- Thomas Bürkle appelliert am Ende an alle Betriebe, dass sprechpartner rund um die E-Mobilität. Sie haben bereits in speziell die Informationswertschöpfung im Handwerk noch großen Teilen ihr Geschäftsmodell auf die neuen Technolo- mehr zum Bestandteil neuer Geschäftsmodelle werden müs- gien ausgerichtet“, berichtet Thomas Bürkle, Präsident des se. Denn das Handwerk sei nach wie vor zentraler Impulsge- Fachverbands Elektro- und Informationstechnik Baden-Würt- ber bei Kundengewinnung, Beratung und Warten. Auf diese temberg. Der Beratungsbedarf beim Kunden steige jedoch Weise werde es gelingen, dass das regional verwurzelte und kontinuierlich an und erfordere von den Elektrohandwerks- fachlich kompetente Handwerk auch künftig Schlüsselpart- betrieben neue Angebote rund um die digitale Abrechnung ner der Mobilität bleibt. 27
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