JAHRBUCH 2020/21 - Baden-Württembergischer ...

 
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JAHRBUCH
  2020/21
JAHRBUCH 2020/21 - Baden-Württembergischer ...
IMPRESSUM

Herausgeber:		 Baden-Württembergischer Handwerkstag e. V.
			Heilbronner Straße 43
			70191 Stuttgart

			Telefon: 0711 263709-0
			E-Mail: info@handwerk-bw.de
			Internet: www.handwerk-bw.de

ViSdP:			Hauptgeschäftsführer
			Peter Haas

Koordination:		 Abteilung Kommunikation
			Marion Buchheit

Herstellung: 		               Natascha Saupe Kommunikationsdesign

Fotos:			                     Elke Büdenbender: Bundesregierung Steffen Kugler, Herr Bürkle:
			                           FV EIT BW, Herr Butz: Fachverband SHK BW, Herr König:
			                           Fachverband SAF, KD Busch, the_lightwriter + pressmaster + Thaut
			                           Images + Kzenon + Yuttana Studio / stock.adobe.com, ksenia
			                           chernaya / pexels

Alle Rechte einschließlich des Übersetzungsrechts für alle Sprachen liegen beim Herausgeber. Auch
der auszugsweise Nachdruck oder Vervielfältigungen, die ganze oder teilweise Übernahme der syste-
matischen Einteilung sowie die gewerbliche Nutzung der angeführten Adressen und Namen sind nicht
gestattet. Gemäß Bundesdatenschutzgesetz unterliegen personenbezogene Daten einem besonderen
Schutz. Eine Übernahme der in diesem Buch mitgeteilten Informationen auf Datenträger aller Art ist
unzulässig und wird auf dem Rechtsweg verfolgt. Ein Anspruch auf Eintragungen kann nicht geltend
gemacht werden. Druckfehler oder etwaige Fehlereintragungen können erst in der nächsten Auflage
berücksichtigt werden.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen
Hauptwörtern in dieser Publikation die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im
Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter.
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INHALT

INHALT
Vorwort                                                                     4

Interview mit dem bisherigen Hauptgeschäftsführer des BWHT, Oskar Vogel,    6
und seinem Nachfolger, Peter Haas

Interview mit Elke Büdenbender                                              8

Master und Meister, Auszubildende und Studierende – Wie weit ist die       10
Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung?

Schnelle Hilfe, wenn es in der Ausbildung mal klemmt                       12

Bildungsstätten des Handwerks                                              14

Rund um den Meister                                                        16

Geld, Zeit, Verständlichkeit: Warum Bürokratieabbau so wichtig ist         18

Krisenberatung Corona – Auch vom Handwerk stark nachgefragt                19

Das Erdöl der Zukunft? Wie das Handwerk Daten für sich nutzen kann         20

Experte Handwerkplattformen                                                22

Digitales 3-D-Aufmaß und Drohneneinsatz auf der Baustelle – Bauverbände    23
mit gewerkeübergreifender Digitalisierungswerkstatt

Kooperation im Sinne der Betriebe – wie Handwerkskammern und die           24
Intensivberatung der BWHM zusammenarbeiten

Kredite nur noch für nachhaltige Betriebe?                                 26

Marktchance „Nachhaltigkeit“ – Das Handwerk hat’s erfunden                 28

Gewerkeübergreifendes Arbeiten als Chance für                              30
Klimawende und Handwerksbetriebe

Der Brexit und das Landeshandwerk – bei diesen Themen wird’s knifflig      31

Betriebsnachfolge: Wer führt morgen meinen Betrieb?                        32

Kurz & knapp                                                               34

Bauboom, Transformation und Pandemie: Das Handwerk im Jahr 2020            36

Handwerk in Zahlen                                                         38

BWHT – Baden-Württembergischer Handwerkstag                                49

BWHM GmbH                                                                  50

BWHT – Gremien und Mitglieder                                              51

Geschäftsstelle                                                            54
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VORWORT
Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass wir alle im Früh-
jahr 2021 noch immer mit der Pandemie und ihren Aus-
wirkungen beschäftigt sind? Umso mehr ist unser Ziel als
Handwerkstag, unsere Mitgliedsorganisationen und die
Handwerksbetriebe bei der Bewältigung der Krise best-
möglich zu unterstützen. Von den 137.000 Betrieben im
Land soll keiner auf der Strecke bleiben. Hierfür sind wir
Tag für Tag im Kontakt mit der Politik, um dort die Sinne
für die Bedürfnisse der Praktiker zu schärfen und Verbes-
serungen zu erreichen.

Dass das Handwerk auch in Krisen ein Stabilitätsanker ist, haben die Betriebe im vergange-
nen Jahr eindrucksvoll bewiesen. So hat das baden-württembergische Handwerk den Vor-
jahresumsatz trotz Corona fast gehalten und rund 107 Milliarden Euro erwirtschaftet. Beson-
ders erfreulich ist, dass bei starken Einbrüchen in anderen Branchen die Ausbildungszahlen
im Handwerk weitgehend stabil geblieben sind. Das belegt das große, ganz individuelle En-
gagement für die betriebliche Ausbildung. Und wir sind uns sicher, dass sich das Handwerk
auch in diesem Jahr nicht von den teils widrigen Umständen abhalten lassen wird und weiter
vielen jungen Menschen eine berufliche Zukunft bietet. Eben weil die Aus- und Weiterbildung
eines der zentralen Themen, wenn nicht das entscheidende Thema für eine erfolgreiche Zu-
kunft des Handwerks ist, haben wir ihm auf den folgenden Seiten verschiedene Interviews
und Beiträge gewidmet. Unter anderem konnten wir die „First Lady“ Deutschlands gewinnen:
Elke Büdenbender, die sich für die berufliche Bildung besonders engagiert einsetzt.

An die neue Landesregierung, die Mitte Mai gestartet ist, haben wir die Erwartungen des
Handwerks klar kommuniziert: Wir brauchen eine kluge Agenda, ein mutiges und dynami-
sches Vorgehen, um das Land aus der Krise zu führen. Gezieltes Investieren und Fördern,
kein einseitiges Beharren auf die Begrenzung von Schulden. Der Finanzierungsvorbehalt,
unter dem die Regierungspläne fast vollständig stehen, darf nicht zulasten der Umsetzung
wichtiger Projekte gehen. Im Gegenteil kann eine kluge Unterstützung der Wirtschaft bei der
Bewältigung der Krise helfen. Viele unserer Botschaften wurden von Grün-Schwarz gehört
und im Koalitionsvertrag verankert. Besonders erfreulich ist das klare Bekenntnis zu einer
Fortführung unserer Zukunftsinitiative „Handwerk 2025“ und zu deren Ausweitung auf das

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JAHRBUCH 2020/21 - Baden-Württembergischer ...
VORWORT

Thema Nachhaltigkeit. Denn wir wissen nicht erst seit einer kürzlich erfolgten Umfrage: Die
Handwerksbetriebe wollen hier etwas bewegen. Neun von zehn Betrieben ist es wichtig, res-
sourcen- oder energieeffizient zu arbeiten. Rund 80 Prozent der Betriebe haben das Ziel, spe-
ziell Produkte oder Dienstleistungen anzubieten, mit denen die Umwelt geschont wird. Dazu
benötigen sie Unterstützung, die wir nun gezielt über „Handwerk 2025“ entwickeln können.
Zu „Handwerk 2025“ wie auch dem Thema Nachhaltigkeit finden Sie in diesem Jahrbuch
ebenfalls Analysen und Erfahrungsberichte.

Noch eine Notiz in eigener Sache: Auch beim Baden-Württembergischen Handwerkstag hat
sich etwas verändert. Der langjährige Hauptgeschäftsführer Oskar Vogel hat seine Tätigkeit
Ende März altersbedingt beendet. Oskar Vogel hat im Rahmen seines zehnjährigen Einsatzes
viele Verbesserungen und Erfolge für das Landeshandwerk erreicht – die Umsetzung von
„Handwerk 2025“ oder die Einführung der Meisterprämie sind nur einige wenige Beispiele.
Neuer Hauptgeschäftsführer – Sie sehen es an der Unterschrift – ist Peter Haas, vormals in
gleicher Funktion beim Verband Südwesttextil. Auf den folgenden Seiten finden Sie ein aus-
führliches Start-Abschied-Interview mit den beiden.

Wir wünschen Ihnen alles Gute, weiterhin Gesundheit – und natürlich auch in diesem Jahr viel
Spaß beim Stöbern in unserem Jahrbuch!

Rainer Reichhold 			 Peter Haas
Präsident 				Hauptgeschäftsführer

                                                                                                     5
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INTERVIEW

    „HANDWERK SCHAFFT WERTE
         UND IST KRISENFEST.“

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JAHRBUCH 2020/21 - Baden-Württembergischer ...
INTERVIEW

INTERVIEW MIT DEM BISHERIGEN HAUPTGESCHÄFTSFÜHRER DES BWHT,
OSKAR VOGEL, UND SEINEM NACHFOLGER, PETER HAAS

Herr Haas, die erste Frage geht an Sie – Sie haben bereits als   Corona hat auch die Verbandsarbeit völlig auf den Kopf ge-
neuer Hauptgeschäftsführer begonnen. Was war Ihnen für Ihre      stellt. Welche Auswirkungen hatte die Krise auf die Arbeit des
Anfangszeit am wichtigsten?                                      BWHT, Herr Vogel?
Im Vordergrund stand natürlich die akute Interessenvertre-       Es kam uns sehr zugute, dass wir im Jahr 2018/19 einen gro-
tung zu Corona-Themen und im Zuge der Regierungsbildung.         ßen Digitalisierungssprung auf der Geschäftsstelle gemacht
Generell war mir für meine ersten 100 Tage wichtig, jede         und zum 1. Januar 2020 das mobile Arbeiten eingeführt ha-
und jeden in unserem Geschäftsstellen-Team persönlich ge-        ben. Beides ist seit dem ersten Lockdown im März 2020 wei-
sprochen zu haben und schon möglichst viele Vertreter des        ter vorangetrieben worden. Wir haben die Corona-Soforthilfe
Ehrenamts und unserer Mitgliedsorganisationen kennenzu-          koordiniert, die über die Kammern und die L-Bank abgewi-
lernen. Diese Phase ist noch nicht abgeschlossen. Ich will       ckelt wurde. Übrigens: So schnell hatten die anspruchsbe-
den Start zum Zuhören nutzen, für meine persönliche „Kun-        rechtigten Betriebe bei keiner der späteren Wirtschaftshilfen
denbefragung“ sozusagen, um Erfahrungen und Erwartun-            ihr Geld auf dem Konto. Und natürlich waren und sind wir mit
gen aufzunehmen. Das wird die Basis sein, um alsbald einige      der Politik im ständigen Austausch, um deren Corona-Krisen-
Ideen anzugehen, die ich habe: noch mehr Sichtbarkeit des        management im Sinne des Handwerks zu bewegen.
„Handwerks BW“ in Politik und Gesellschaft, die Weiterent-
wicklung des BWHT als Denkfabrik der Handwerksorgani-            Herr Haas, welche der neuen Arbeitsweisen und Kommunika-
sation im Südwesten und die verstärkte Wahrnehmung des           tionsformate werden auch nach der Krise bleiben, weil sie sich
Handwerks im Bereich Nachhaltigkeit – schließlich zählt das      bewährt haben?
Handwerk zu den Erfindern der Nachhaltigkeit mit seinem          Ich empfinde es als sehr angenehm, dass eine flexiblere Wahl
Familienunternehmertum über Generationen, mit seiner             des Arbeitsorts selbstverständlicher geworden ist. Es ging
Ortsnähe zum Kunden, mit seiner Kompetenz, Dinge zu re-          mir immer darum, wie die Arbeit erledigt wird und nicht zwin-
parieren und Werte zu erhalten. Handwerk ist Wirtschaft, die     gend wo. Trotzdem hoffe ich auf wieder mehr physische Be-
Wert(e) schafft, könnte das Motto sein.                          gegnungen. Sie sind für kreatives Arbeiten, spontane Ideen
                                                                 und eine gute Teamkultur unverzichtbar. Es wird also bei Mi-
Frage an beide: Welche drei Dinge muss die neue Landesregie-     schungen bleiben. Auch bei der Kommunikation. Das Prakti-
rung am schnellsten anpacken?                                    sche an Videomeetings – einfach, zeiteffizient, ohne große
Wir benötigen nach Corona schnell Wachstumsimpulse, wes-         Anreise und kostengünstiger – sollten wir weiter nutzen, aber
halb Programme wie Invest BW oder die Digitalisierungs-          auch hier im Wechsel mit echten Zusammenkünften.
prämie Plus noch gezielter für den Mittelstand ausgebaut
werden müssen. Hierzu zählt auch die Fortführung unserer         Herr Vogel, das Schlusswort geht an Sie – wenn Sie sich für
Zukunftsinitiative „Handwerk 2025“. Zweitens benötigen wir       eine Sache entscheiden müssten, was würden Sie dem Hand-
weitere und vertiefte Unterstützung bei den verschiedenen        werk für die Zukunft am meisten wünschen?
Transformationsprozessen, beispielsweise im Kfz-, Zuliefer-      Dass vor allem in den Köpfen der Eltern eine Ausbildung im
oder Bauhandwerk. Ob E-Mobilität, klimafreundliche Mate-         Handwerk mehr Wertschätzung erhält. Denn sie sind nach
rialien oder nachhaltige Rohstoffe – diese Entwicklungen         wie vor die wichtigsten Ansprechpartner bei der Berufswahl
können nur gemeinsam mit dem Handwerk langfristig ein Er-        ihrer Kinder. Selbst in dieser schlimmen Pandemie sind die
folg werden. Und drittens würde die Entlastung der Betriebe      meisten Gewerke im Handwerk krisenfest geblieben. Das ist
von Bürokratie einen Konjunkturimpuls setzen, der das Land       eine echte Chance, über die sich Eltern wie Kinder bewusst
nichts kostet. Ein Arbeitsprogramm ohne feste Ziele und Fris-    werden sollten.
ten reicht nicht aus. Vielmehr muss die neue Landesregie-
rung rasch ein Bürokratieentlastungsgesetz vorlegen.

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INTERVIEW

    „IM HANDWERK BEKOMMT JEDER
      JUNGE MENSCH EINE CHANCE.“

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INTERVIEW MIT ELKE BÜDENBENDER, U. A. SCHIRMHERRIN DER
„WOCHE DER BERUFLICHEN BILDUNG“ IM JAHR 2018, SCHIRMHERRIN DER
INITIATIVE „KLISCHEEFREI“

Warum setzen Sie sich in besonderem Maße für die berufliche      nen und Begegnungen das vielfältige Engagement des Hand-
Aus- und Weiterbildung ein?                                      werks im Bereich der Aus- und Weiterbildung noch besser
Die berufliche Aus- und Weiterbildung bietet jungen Men-         kennen- und vor allem schätzen gelernt.
schen eine große Bandbreite an sehr fundierten Grundlagen
für ein erfüllendes und erfolgreiches Berufsleben. Dennoch       Was mich besonders freut: Handwerkerinnen und Handwer-
hat sie in unserer Gesellschaft einen geringeren Stellenwert     ker engagieren sich über das Berufliche hinaus in vielen wei-
als ein Studium. Das hat verschiedene Gründe, auch weil es       teren gesellschaftlichen Bereichen. Und auch das wird nicht
oftmals stark verallgemeinert heißt, dass man durch ein Stu-     nur vor Ort gesehen, sondern allgemein sehr wertgeschätzt.
dium eine bessere Zukunft hat – auch in finanzieller Hinsicht    So werden Handwerkerinnen und Handwerker Rollenvorbil-
und bezüglich der Chancen auf dem Arbeitsmarkt.                  der und geben Jüngeren Orientierung.

Weshalb kann es für junge Menschen die bessere Wahl sein,        Im Handwerk gibt es über 130 Ausbildungsberufe; gerade jun-
eine duale Ausbildung statt eines Studiums für die eigene be-    ge Frauen sind als Nachwuchskräfte überall gesucht. Welche
rufliche Zukunft zu wählen?                                      Chancen sehen Sie durch die Initiative Klischeefrei?
Die allermeisten müssen mit ihrem Beruf ihren Lebensunter-       Die Initiative Klischeefrei setzt sich dafür ein, dass sich Mäd-
halt bestreiten, das muss ein Beruf – sei es nach einer dua-     chen und Jungen bei der Wahl der Ausbildung nicht beschrän-
len Ausbildung oder einem Studium – leisten. Der erlernte        ken lassen. Als Schirmherrin der Initiative Klischeefrei habe
Beruf soll aber auch Freude bereiten. Deshalb ist es wichtig,    ich mich sehr gefreut, als der Zentralverband des Deutschen
jungen Menschen zu helfen, ihre Talente und Interessen zu        Handwerks ohne großes Zögern entschieden hat, Partner zu
ergründen, damit sie dies für die Wahl des Ausbildungsweges      werden und den Kampf gegen Geschlechterklischees enga-
und den Wunschberuf nutzen können. Da haben wir als El-          giert zu unterstützen.
tern, Lehrerin oder Berufsberater eine große Verantwortung.
Es ist entscheidend für eine erfolgreiche und zufriedenstel-     Ich finde es auch besonders vorbildlich, dass sich das Hand-
lende Karriere, dass ich das tue, was mich glücklich macht       werk bei der Auswahl der Auszubildenden nicht ausschließ-
und meinen Neigungen entspricht.                                 lich vom sogenannten Prinzip der vermeintlichen „Besten-
                                                                 auslese“ leiten lässt, sondern bei Ihnen wirklich jeder junge
Für die einen ist dann am Ende vielleicht wirklich ein Studium   Mensch, der sich für einen handwerklichen Beruf entscheidet,
der richtige Weg, für andere die berufliche Ausbildung. Wich-    eine Chance bekommt! Auch wenn der Lebenslauf mal nicht
tig ist jedoch, dass keiner der Wege besser oder schlechter      ganz so glatt aussieht, sondern Ecken und Kanten hat. Und
ist – denn alle führen ans Ziel eines erfüllten Berufslebens     auch ganz egal, ob sich eine junge Frau entscheidet, große
und einer guten Zukunft.                                         Boote zu bauen – oder ein junger Mann, filigrane Schmuck-
                                                                 stücke anzufertigen. Sie fördern diese besonderen Talente.
Glauben Sie, eine handwerkliche Ausbildung wird in Deutsch-
land zurzeit ausreichend wertgeschätzt?                          Sie selbst haben eine Lehre als Industriekauffrau abgeschlos-
Ja, es gibt viel Wertschätzung für das Handwerk in Deutsch-      sen. War diese im Hinblick auf Ihre spätere berufliche Lauf-
land. Und es gibt ja auch eine stolze Handwerkstradition.        bahn hilfreich?
Mein Mann, der Bundespräsident, ist übrigens Schirmherr          Die Offenheit unseres Bildungssystems ist sehr wertvoll und
des Leistungswettbewerbs des Deutschen Handwerks. Seit           bietet die Chance zur Weiterentwicklung und Umorientie-
1951 bereits übernimmt jeder amtierende Bundespräsident          rung. Ich möchte keine der Stationen meines Ausbildungs-
die Schirmherrschaft. Das ist eine schöne und wichtige Tra-      weges missen. Meine Erfahrungen in jungen Jahren haben
dition – und eine Würdigung von ganz oben. Ich selbst hal-       mich sehr geprägt und mir vieles Wertvolle mit auf den Weg
te über meine Themen Chancen- und Bildungsgerechtigkeit          gegeben. Die Ausbildung war fachlich sehr gut, davon habe
intensiven Kontakt zum Handwerk, arbeite zu verschiede-          ich auch im Studium profitiert. Und ich habe schon in jungen
nen Themen oder in Projekten mit dem Zentralverband des          Jahren gelernt, mich in unterschiedlichen Arbeitsfeldern mit
Deutschen Handwerks und Ihrem Präsidenten, Hans Peter            unterschiedlichen Menschen gut zurechtzufinden. Da habe
Wollseifer, sehr gut zusammen. So habe ich in vielen Termi-      ich wirklich etwas fürs Leben gelernt.

                                                                                                                               9
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Olaf Kierstein-Hartmann

MASTER UND MEISTER, AUSZUBILDENDE UND STUDIERENDE –
WIE WEIT IST DIE GLEICHWERTIGKEIT VON BERUFLICHER UND
AKADEMISCHER BILDUNG?

       Schulische Berufsausbildung
       insgesamt: 53.158 |        14.022        39.136

                                                                       Studienanfänger
                                                                       insgesamt: 73.519 |                   36.591            36.928

                                                                   Beamtenausbildung mittlerer Dienst
        Duale Berufsausbildung
                                                                   insgesamt: 1.907 |                 1.098           809
        insgesamt: 67.152 |         41.861       25.291

                                                                     Anfänger im Ausbildungsgeschehen 2019 nach Sektoren/Konten und Ländern,
                                                                     Baden-Württemberg, Quelle: integrierte Ausbildungsberichterstattung 2019

Im Zeitalter von Digitalisierung, veränderten Anforderungen     Gut, dass die Diskussion um die Gleichwertigkeit beruflicher
in der Berufs- und Arbeitswelt, der demografischen Entwick-     und akademischer Bildung in den vergangenen Jahren deut-
lung und dem Klimawandel kommt der beruflichen Bildung          lich an Fahrt aufgenommen hat.
eine Schlüsselrolle zu. Die Anforderungen für Fachkräfte ver-
ändern sich kontinuierlich und werden in vielen Bereichen       So etwa mit der Osnabrücker Erklärung zur beruflichen Bil-
anspruchsvoller. Die berufliche Bildung eröffnet jungen Men-    dung, die die EU gemeinsam mit den Europäischen Sozial-
schen und Erwachsenen durch Ausbildung, Weiterbildung           partnern und der Europäischen Kommission 2020 auf den
und lebenslanges Lernen die hierfür erforderlichen berufli-     Weg gebracht hat.
chen Perspektiven.

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ANALYSE

Ziel ist, die europäische Berufsbildung zu modernisieren        dium an öffentlichen Hochschulen führen – jedoch unter Be-
und gerade auch die Gleichwertigkeit der beruflichen mit der    rücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Angebote.
akademischen Bildung zu fördern. Hilfreich waren auch die
Einordnung von Meister-, Fachwirt- sowie Betriebswirtqualifi-   Die Begabtenförderung muss ebenfalls finanziell gleichge-
kation auf den gleichen Stufen des Deutschen Qualifikations-    stellt werden. Die Berufsbildung erhält bundesweit bislang
rahmens (DQR) wie die akademische Bachelor- sowie Master-       50 Mio. €, die Hochschulen 266 Mio. € zu diesem Zweck
qualifikation und die Verankerung von drei Fortbildungsstufen   – obwohl jährlich nahezu genauso viele jungen Menschen
im Berufsbildungsgesetz als „höherqualifizierende Berufsbil-    eine berufliche Qualifizierung wie ein akademisches Studium
dung“. Daneben haben auch die Empfehlungen des Haupt-           beginnen. Die Finanzierung der Infrastruktur beruflicher Bil-
ausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung zur           dung muss dauerhaft und bedarfsgerecht in gleicher Weise
Durchlässigkeit beruflicher und hochschulischer Bildung zur     wie die Förderung der Hochschulen sichergestellt werden.
verstärkten Wahrnehmung beigetragen.
                                                                Ein ganz wichtiger Punkt aus Sicht des Handwerks:

   Und dennoch ist es noch ein weiter Weg bis
 zu einer uneingeschränkten Gleichstellung der                            Die Steigerung der Mobilität von
   beruflichen mit der akademischen Bildung.                    Auszubildenden durch Einführung eines landes-
                                                                weiten „Azubitickets“ sowie der Ausbau und die
Hier offenbart sich weiterer politischer Handlungsbedarf.       Förderung von erschwinglichen Wohnangeboten
So muss die berufliche Orientierung an Gymnasien im Sin-                          für Auszubildende.
ne einer „ergebnisoffenen“ Berufsorientierung weiterentwi-
ckelt werden, die eine individuelle Entscheidung in Richtung    Auch die internationale Mobilität von Auszubildenden sollte
akademischer, aber auch beruflicher Bildungswege eröffnet.      weiter gestärkt werden. Diese ist im akademischen Bildungs-
Eine Verankerung dieser Ergebnisoffenheit beruflicher Ori-      bereich eine Selbstverständlichkeit und stellt gleichzeitig
entierung sollte auch in § 8 des Schulgesetzes abgebildet       einen wichtigen Aspekt im Hinblick auf die Attraktivität von
werden. Eng damit verbunden sind die Verankerung und Ver-       Bildungswegen dar.
mittlung „beruflicher“ Kompetenz in der Lehreraus- und fort-
bildung.                                                        Eines ist klar: Alle Maßnahmen und Aktivitäten werden nicht
                                                                zum Erfolg führen, wenn nicht gleichzeitig auch die gesell-
Ebenso braucht es eine finanzielle Gleichbehandlung der         schaftliche Anerkennung und Wertschätzung beruflicher Bil-
Aufstiegsfortbildung mit akademischen Abschlüssen ent-          dung steigen. Nur wenn es gelingt, Abitur und Studium nicht
sprechend deren Gleichwertigkeit. Hier ist eine Verstetigung    als allein anzustrebendes Glück und Form höchster Bildung
der Meisterprämie (und im Sinne der Attraktivitätssteigerung    in den Köpfen zu verankern, wird auch die berufliche Aus-,
übrigens auch der Meistergründungsprämie) dringend erfor-       Fort- und Weiterbildung die ihr zustehende Anerkennung er-
derlich. Gemeinsam mit dem Meister-BAföG muss diese zu          fahren und als ein wirklich gleichwertiger Bildungsweg im ge-
einer kostenlosen Meisterausbildung analog dem Erststu-         sellschaftlichen Bewusstsein verankert sein.

                                                                                                                          11
Vanessa Rückemann

SCHNELLE HILFE, WENN ES IN DER AUSBILDUNG MAL
KLEMMT – UNTERSTÜTZUNG FÜR AUSZUBILDENDE UND
FACHKRÄFTESICHERUNG AUS EINER HAND

                                                                    Diese finden Auszubildende, aber auch
Einmal mehr steht das Ausbildungssystem in Deutschland
vor großen Herausforderungen – zusätzlich zu den aktuellen           Betriebe beim Programm „Erfolgreich
Schwierigkeiten durch die Pandemie. Neben dem Einsatz di-        ausgebildet – Ausbildungsqualität sichern“.
gitaler Medien, Zuwanderung oder neuen Familienstrukturen
und Mobilitätserfordernissen kommen veränderte und häu-
fig sehr unterschiedliche Erwartungen an die Ausbildung auf    Die mittlerweile rund 20 Ausbildungsbegleiterinnen und Aus-
beiden Seiten als wichtiger Faktor hinzu.                      bildungsbegleiter konnten seit Programmstart im Jahr 2015
                                                               in knapp 80 Prozent der mehr als 2.600 abgeschlossenen
Diese gestiegene Vielfalt in allen Bereichen stellt Betriebe   Einzelbetreuungen einen Ausbildungsabbruch verhindern.
wie Auszubildende nicht selten vor große Herausforderun-
gen, die auch den erfolgreichen Ausbildungsabschluss ge-
fährden können. In solch einem Fall ist professionelle und
schnelle Hilfe gefragt.

12
BERICHT

                                  „Wichtige Hilfestellungen waren der intensive Kontakt,
                          die vertrauensvollen Gespräche sowie der Austausch zwischen
                              Begleiter und dem Betrieb. Ich würde das Projekt genau in
                          dieser Form empfehlen. Der Wille des Betriebs und des Azubis,
                         gepaart mit der perfekten Unterstützung – es hat funktioniert!“
                                                                                                   Angelika B., Stade Optik

Das vorhandene Ausbildungsverhältnis konnte dank zielge-       sammenarbeit der verschiedenen Akteure in der dualen Aus-
richteter Unterstützung der Projektmitarbeitenden stabili-     bildung bzw. den Unterstützungssystemen immer mehr zum
siert oder aber ein nahtloser Betriebswechsel in die Wege      Schlüssel einer zielführenden Begleitung. Und dies gilt nicht
geleitet werden – was manchmal auch im Sinne beider Sei-       nur für die einzelnen Ausbildungsbegleiterinnen und Aus-
ten ist. Damit bietet das vom Ministerium für Wirtschaft,      bildungsbegleiter vor Ort, sondern auch für die landesweite
Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg geförderte            Koordinierungsstelle des Programms, die bei der Beratungs-
Programm nicht nur Akuthilfe und sichert die berufliche Zu-    und Wirtschaftsförderungsgesellschaft für Handwerk und
kunft junger Menschen, sondern leistet auch einen wichtigen    Mittelstand GmbH (BWHM GmbH) angesiedelt ist. Sie dient
Beitrag zur Fachkräftesicherung.                               als Bindeglied zum Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und
                                                               Wohnungsbau, erarbeitet branchenspezifische Angebote
Um das Beratungsangebot dabei möglichst flexibel, nieder-      zur Steigerung der Ausbildungsqualität und organisiert den
schwellig und zukunftsträchtig zu gestalten, bieten die Pro-   regelmäßigen Erfahrungsaustausch sowie Fortbildungen für
jektträger nicht erst seit der Corona-Pandemie vermehrt On-    die Ausbildungsbegleitungen. Darüber hinaus ist sie für die
line-Beratungen an. Digitale Kommunikationswege sind in        Qualitätssicherung und Weiterentwicklung des Programms
der Beratungsarbeit ebenso wichtig wie zielgruppengerechte     zuständig und betreibt gezielte Netzwerkarbeit.
Werbung, die immer häufiger auch über gängige Social-Me-
dia-Kanäle wie Instagram, Twitter oder Facebook erfolgt.       Dank hervorragender Beziehungen zu Partnerprogrammen
Denn die Digitalisierung macht auch vor den Unterstützungs-    im Land wie auch in anderen Bundesländern entsteht auch
programmen keinen Halt. Mit über 140 Zuschauenden sowie        über die Grenzen Baden-Württembergs hinaus ein produk-
mehr als 300 Klicks auf YouTube war auch der letzte digitale   tiver fachlicher Austausch. Dieser sorgt einerseits für neue
Fachtag des Programms zum Thema „Anforderungen an die          Impulse auf allen Seiten und treibt die generelle inhaltliche
Ausbildung von heute“ regional übergreifend ein großer Er-     Weiterentwicklung voran, hilft andererseits aber auch dabei,
folg.                                                          sich für aktuelle Herausforderungen bestmöglich zu rüsten.
                                                               Denn nur mit gemeinsamen Anstrengungen kann die beruf-
Neben der Flexibilität in der Kommunikation werden aber vor    liche Ausbildung auch in der Zukunft der Qualifizierungsweg
allem auch die gute Verzahnung und die vertrauensvolle Zu-     für die Fachkräftesicherung bleiben.

                                                                 Weiterführende Informationen und Kontaktmöglichkeiten
                                                                 unter: www.erfolgreich-ausgebildet.de

                                                                                                                         13
BERICHT

Olaf Kierstein-Hartmann

BILDUNGSSTÄTTEN DES HANDWERKS – GARANT FÜR
ZUKUNFTSWEISENDE AUS- UND FORTBILDUNG
Mit mehr als 60 überbetrieblichen Berufsbildungsstätten bil-    Dieses zeigt sich gerade auch im Hinblick auf den techno-
det das Handwerk in Baden-Württemberg das Rückgrat des          logischen Wandel und die zunehmende Digitalisierung der
baden-württembergischen Mittelstandes im Bereich der be-        Wirtschaft. Und die damit verbundenen neuen Zukunftstech-
ruflichen Bildung. Mit ihren überbetrieblichen Berufsausbil-    nologien.
dungslehrgängen ergänzen diese die betriebliche Ausbildung
und sichern das hohe Niveau in der Berufsausbildung. Kleine     Die Bildungsstätten und ihre Angebote zeichnen sich dabei
und mittlere Unternehmen erhalten damit oftmals überhaupt       durch Kontinuität, Innovation und ein hohes Maß an Qualität
erst die Möglichkeit, auszubilden und so qualifizierten Nach-   und Zuverlässigkeit aus.
wuchs zu gewinnen.
                                                                Seit Längerem sehen sich die Bildungsstätten jedoch großen
                                                                Herausforderungen gegenüber. Die grundlegende Bedeu-
Mit den Angeboten der Fort- und Weiterbildung
                                                                tung der Bildungsstätten als Teil der öffentlichen Bildungsin-
     leisten die Bildungsstätten darüber hinaus                 frastruktur erfordert eine zukunftsfähige und auskömmliche
einen entscheidenden Beitrag für den Fach- und                  Finanzierung. In den letzten Jahren war die avisierte Drittel-
                                                                Finanzierung durch Bund, Land und Handwerk nicht mehr
              Führungskräftenachwuchs.                          gegeben. Hierfür ist eine zukunftssichernde Förderung des
                                                                Landes sowohl hinsichtlich der Leistungsangebote als auch
                                                                hinsichtlich der Instandhaltung, Modernisierung und Weiter-
                                                                entwicklung der Bildungsstätten unabdingbar. Im Zuge der
                                                                Corona-Pandemie mussten auch die Bildungsstätten ihren
                                                                Betrieb vorübergehend einstellen. Nur mit großem Engage-
                                                                ment der Handwerksorganisation ist es gelungen, dass die
                                                                Angebote der beruflichen Bildung fast gänzlich wieder in Prä-
                                                                senz durchgeführt werden können.

                                                                       Dies zeigt, dass zumindest einem Teil
                                                                   der Politik die grundlegende Bedeutung der
                                                                         Bildungsstätten nicht bekannt ist.

                                                                Mit Blick auf die zukünftige Fachkräftesicherung ist es für das
                                                                Handwerk wie die Wirtschaft insgesamt essenziell, dass die
                                                                Bildungsstätten die Krise unbeschadet überstehen und un-
                                                                terstützt werden. Die Bildungsstätten des Handwerks stehen
                                                                mit ihren Angeboten zunehmend in einem Spannungsfeld mit
                                                                Aktivitäten öffentlicher Träger. Anstelle von konkurrierenden
                                                                Angeboten gilt es jedoch, sich ergänzende, aufeinander ab-
                                                                gestimmte Angebote zu entwickeln und regionale Netzwerke
                                                                zu fördern.

14
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RUND UM DEN MEISTER

                                                BESTANDENE MEISTERPRÜFUNGEN 2020
                                                2.939 (GEGENÜBER VORJAHR –6,4 %)
                                                DAVON    572 (19,5 %)

                                                ZULASSUNGSFREIE HANDWERKE: 205
                                                RÜCKVERMEISTERTE BERUFE: 110

     Wichtige Fortbildungsprüfungen

     Ausbildereignungsprüfung                                                    1.386
     Kraftfahrzeug-Servicetechniker/-in                                           336
     Managementassistent/-in (HWK) (Managementassistent/-in im Handwerk)          158
     Fachmann/-frau für kaufmännische Betriebsführung nach der                    144
     Handwerksordnung (Geprüfte/-r)
     Qualifizierte/-r EDV-Anwender/-in (HWK) (Computerschein A/ECDL)              144

16
INFO-GRAFIK

BELIEBTESTE BERUFE

Kraftfahrzeugtechniker                        Elektrotechniker                    Installateure + Heizungsbauer
462                                           268                                 213

BELIEBTESTE BERUFE

Friseurin                                     Konditorin                            Maßschneiderin
226                                           69                                    56

BESTANDENE MEISTERPRÜFUNGEN IN DEN RÜCKGEFÜHRTEN BERUFEN
TOP 3

Raumausstatter                  Fliesen-, Platten- und Mosaikleger          Parkettleger
31                              26                                          21

                                                                             €€€€€€€€€

RÜCKGEFÜHRTE BERUFE TOP 5

  Rückgeführte Berufe                          Betriebe nach Hand-    Umsatz 2020 inkl.      tätige Personen 2020
                                                    werksrolle       MwSt. (Mio. Euro, tw.        (geschätzt)
                                                                         geschätzt)
  Fliesen-, Platten- und Mosaikleger                 7.725                  1.214                    13.400
  Estrichleger                                         649                    328                     2.500
  Parkettleger                                         889                    293                     2.500
  Rollladen- und Sonnenschutztechniker                 769                    564                     3.500
  Raumausstatter                                     3.702                    984                     8.200

                                                                                                                      17
Stefan Schütze

GELD, ZEIT, VERSTÄNDLICHKEIT: WARUM BÜROKRATIEABBAU
SO WICHTIG IST
Gefühlt nimmt die Regelungsdichte im Handwerk von Jahr zu       Auch bei der Lebensmittelhygiene geht es um vermeidbare
Jahr zu. Die Betriebe überblicken vielfach die Masse der sich   Dokumentationspflichten. Hier wird schlicht von einem ver-
schnell verändernden Regeln nicht mehr. Der BWHT hat sich       alteten Stand der Technik ausgegangen. So wird häufig eine
daher den Bürokratieabbau zur Daueraufgabe gemacht. Ei-         Aufzeichnung der Temperatur von Kühlgeräten verlangt. Mo-
nen Mitstreiter hat das Handwerk im Normenkontrollrat (NKR)     derne Geräte sind jedoch mit einer elektronischen Warnung
des Landes gefunden. In den letzten Monaten standen dort        ausgestattet, sodass diese Dokumentation hinfällig sein
die Bürokratieentlastung in Bäckereien und Optimierungs-        müsste.
möglichkeiten im Brandschutz im Fokus. Die Ergebnisse der
Studie lassen sich auf das gesamte Handwerk übertragen.         Wichtig auch: Verwaltungspersonal muss besser geschult
                                                                werden, damit Schreiben und Formulare möglichst verständ-
                                                                lich gehalten werden.
            Bürokratie kostet bares Geld.

                                                                         Wenn die Kernaussage nicht klar
So wenden Bäckereien für bürokratische Pflichten rund
12,5 Stunden pro Woche auf. Bezogen auf eine 40-Stunden-         erkennbar ist, drohen langwierige Recherchen
Woche heißt das: Die Kosten einer 30-Prozent-Kraft gehen                     und unnötige Nachfragen.
alleine auf das Konto der Bürokratie.

Auch beim Brandschutz könnten Kosten gesenkt werden. Bei        Studien und Vorschläge sind ein wichtiges Element im Kampf
speziellen Bauwerken wie Produktionshallen, Schulen oder        gegen die Bürokratie, entscheidend ist aber die politische
Hochhäusern kann der vorbeugende Brandschutz mehr als           Umsetzung der Vorschläge. Dazu fehlt ein Bürokratieabbau-
zehn Prozent der Baukosten ausmachen. Zwar muss der der-        gesetz des Landes noch immer. Der BWHT wird dieses The-
zeit hohe Brandschutzstandard selbstverständlich gewährt        ma auch in der neuen Legislaturperiode mit Nachdruck ein-
bleiben.                                                        fordern.

     Aber ausufernde Dokumentationspflichten
          fressen viel Zeit und damit Geld.

Der NKR schlägt vor, für die Dokumentation der Gefähr-
dungsbeurteilungen eine allgemein anerkannte Mustervor-
lage zu erstellen, die schnell und einfach ausgefüllt werden
kann. Nicht zuletzt muss sich die Kommunikation zwischen
Behörde und Betrieb ändern. Gerade beim Brandschutz
könnte das viel Geld sparen: Ist ein Gebäude erst im Bau,
werden Umplanungen und Nachrüstungen im laufenden
Prozess teuer. Eine verpflichtende Auftaktbesprechung bei
besonderen Bauprojekten mit Bauherren und Baubehörden
könnte Abhilfe schaffen.

18
BERICHT

Martin Träuble

KRISENBERATUNG CORONA – AUCH VOM HANDWERK
STARK NACHGEFRAGT

Mit der „Krisenberatung Corona“ können Soloselbstständi-     Dabei überwogen Betriebe aus den Gewerken Kfz-Handel
ge, Unternehmen und Angehörige der freien Berufe, die mit    und -werkstätten, das Metallhandwerk, Bäckereien und Kon-
gravierenden Nachfrage- und Produktionsausfällen, unter-     ditoreien, Betriebe der Elektrotechnik und des Friseurhand-
brochenen Lieferketten, Stornierungswellen, massiven Um-     werks.
satzeinbußen und Gewinneinbrüchen konfrontiert sind,
kostenlose Beratung durch externe Experten in Anspruch       Welche Fragen haben die Betriebe in der Beratung beson-
nehmen.                                                      ders beschäftigt?

Den Betrieben kann etwa bei Liquiditätsproblemen zur Vor-
                                                                      Ganz weit vorn lag die Finanz- und
bereitung von Bankgesprächen, bei der Erstellung von Kri-
senplänen für die operative Arbeit im Unternehmen, bei          Kapitalplanung inklusive der Sicherstellung
kurzfristiger Schicht- und Produktionsplanung aufgrund an-                        von Liquidität.
gepasster Ressourcenausstattung oder dem Begleiten des
Krisenmanagements geholfen werden.
                                                             Auch die Erstellung einer Strategie für die Zeit nach der Kri-
Im Rahmen dieses noch laufenden Förderprogramms konnte       se wurde stark nachgefragt. Natürlich gab es auch großes
die BWHM GmbH alleine bis Ende 2020 über                     Interesse an der Begleitung und Optimierung des betriebs-
                                                             internen Krisenmanagements. Dazu gehörte häufig auch die
                                                             Erstellung von Krisenplänen für die operative Arbeit im Unter-
                     300 Projekte
                                                             nehmen.

bewilligen, die überwiegend den maximal beantragbaren        Der Handwerkstag setzt sich für eine Verlängerung der Kri-
Umfang von vier Tagwerken hatten. Betriebe, vertreten vom    senberatung bis Ende des Jahres ein.
Einzelunternehmen bis zur GmbH mit über 200 Mitarbeitern,
mit im Durchschnitt 19 Mitarbeitern, stellten den Löwenan-
teil dar.

                                                                                                                        19
Sebastian Rajca

DAS ERDÖL DER ZUKUNFT? WIE DAS HANDWERK DATEN FÜR SICH
NUTZEN KANN

„Um es im Leben zu etwas zu bringen, muss man früh auf-          Im Handwerk ist man es derweil schon immer gewohnt, früh
stehen, bis in die Nacht arbeiten – und Öl finden“, so Jean      aufzustehen und hart zu arbeiten. Um mit den neuesten
Paul Getty, seines Zeichens Ölunternehmer und ehemals            Technologien und Entwicklungen Schritt zu halten, darf
reichster Mensch der Welt. Erdöl war im vergangenen Jahr-        sich jedoch auch ein wesentlicher Wirtschaftszweig wie das
hundert nicht nur ein unersetzlicher Treiber für Mobilität und   Handwerk diesen nicht verschließen. Im Gegenteil:
wirtschaftlichen Aufschwung, es war ein Rohprodukt, das
Wohlstand nahezu garantierte. Heute übernehmen diese
                                                                        Jetzt entstehen die neuen, digitalen
Rolle des wirtschaftlichen Motors zunehmend Daten. Das
zeigt schon ein Blick auf die Rolle von Tech-Unternehmen wie               Geschäftsmodelle der Zukunft.
Facebook oder Amazon und deren Stellung im Wirtschafts-
system. Statt Förderbänder und Produktionshallen treten          Visionen für diese neue Geschäftswelt des Handwerks gibt
Bürogebäude und Algorithmen in den Vordergrund, unermüd-         es viele und einige sind schon heute in der Anwendung:
lich angetrieben von Datenströmen.                               Künstliche Intelligenzen, Sensoren, präventiver Service –

20
BERICHT

das sind die Schlagworte, mit denen die datengetriebene         chen Daten auch Rückschlüsse auf Verbrauch und Optimie-
Welt von morgen oft beschrieben wird. Aber wie könnte diese     rung ziehen.
ganz konkret und realistisch aussehen? Dazu lohnt ein Blick
in Modellprojekte und Konzepte aus unserer handwerklichen
                                                                     Nachhaltigkeit wird damit letzten Endes
Praxis.
                                                                        ebenfalls zu einer Frage der Daten.
Künstliche Intelligenzen, die sich von möglichst aussagekräf-
tigen Daten ernähren müssen, können schon in kleinsten          Entscheidend ist dabei auch, wer diese Rückschlüsse ziehen
Anwendungen helfen, den Arbeitsalltag zu erleichtern und        kann. Ebenso wie das Öl seit Jean Paul Getty benötigen auch
Profite zu steigern. Das kann eine Stimm-Applikation für den    Daten als Rohstoff der Zukunft einen vernünftigen Schutz
Zupfinstrumentenbauer sein oder ein Bevorratungs- und Ver-      gegen Missbrauch und Misswirtschaft. Mit fortschreitenden
brauchsprogramm für den Bäckermeister, der sich nicht mehr      Entwicklungen werden auch die Möglichkeiten des Daten-
um jede Materialbestellung kümmern muss und Gebäck-Be-          schutzes, gleichzeitig aber auch seine Praktikabilität ange-
darfe der Kunden zuverlässiger vorhersagen kann. Sind hier      passt werden müssen.
entsprechend aussagekräftige Datengrundlagen vorhanden,
so ist die Einrichtung eines passenden Programms lediglich      Um letztlich in der Lage zu sein, digitale Technologien und
noch die sprichwörtliche Kirsche auf dem Törtchen des be-       Geschäftsmodelle von morgen anwenden zu können, bedarf
sagten Bäckermeisters.                                          es einer umfassenden Vorbereitung: der Schaffung von Da-
                                                                tengrundlagen. Ohne einen verlässlichen digitalen Pool von
Anderes Beispiel: Ein klassisches Flachdachhaus ist ent-        Kunden-, Entwicklungs- und Bestandsdaten kann keine neue
sprechend wartungsintensiv, um ein Eindringen von Was-          Technologie implementiert werden. Letztlich ist jede Künst-
ser zu verhindern. Für verhältnismäßig wenig Geld können        liche Intelligenz nur so schlau wie ihr Datenpool und jeder
verbaute Sensoren frühzeitig erkennen, wenn Wasser nicht        Servicedatensatz ist nur so hilfreich wie die Verlässlichkeit
mehr abfließt oder eindringt – große Schäden werden somit       seiner Analyse.
verhindert und die entsprechende handwerkliche Leistung
kann angeboten werden, wenn sie auch wirklich benötigt          Um es in Zukunft also zu etwas zu bringen, frei nach Jean
wird. Analog zu diesem Beispiel wird am Ende der Entwick-       Paul Getty, sollte man früh aufstehen, hart arbeiten – und
lung ein smartes Gebäude stehen, dessen Instandhaltung          auch ein Bewusstsein für seine Daten und deren Nutzen ent-
optimal geregelt ist. Selbstverständlich lassen sich aus sol-   wickeln.

                                     „KÜNSTLICHE INTELLIGENZ WIRD
                                    DEN ARBEITSALLTAG ERLEICHTERN
                                           UND PROFITE STEIGERN.“

                                                                                                                          21
INTERVIEW

Sebastian Rajca

EXPERTE HANDWERKPLATTFORMEN

                                                                Prof. Dr. Heiner Lasi, Direktor des Ferdinand-Steinbeis-Insti-
                                                                tuts, hat die Professur für Industrial Intelligence an der Stein-
                                                                beis-Hochschule inne

Herr Lasi, Daten werden gerne als wertvoller Rohstoff der Zu-   Erfassung der notwendigen Daten. Nach unserer Erfahrung
kunft bezeichnet – trifft das auch auf unsere Handwerksbran-    sind diese vielfach schon vorhanden oder ansonsten (meis-
che zu?                                                         tens) einfach zu erheben.
Daten – dazu gehören neben Kunden- und Auftragsdaten
aus unserer Sicht insbesondere Zustandsdaten, beispiels-        Wo sehen Sie die größten Hürden, die das Handwerk nehmen
weise Bilder (Foto einer Baustelle), Sensorwerte (Tempera-      muss, um digital für die Zukunft gerüstet zu sein?
tur und Luftfeuchtigkeit in einem Raum), Objektdaten (Posi-     Ich verbinde mit dem Handwerk pragmatisch denkende, mu-
tion und Ladezustand eines Akku-Handwerkzeugs) und viele        tige Menschen mit praktischen Fähigkeiten, die vielfältige
mehr.                                                           Probleme durch ihr „Machen“ lösen. Zudem nehme ich wahr,
                                                                dass im Handwerk eine unkomplizierte Zusammenarbeit
In der Erfassung und gemeinsamen Nutzung von Zustands-          zwischen unterschiedlichen Betrieben und Gewerken all-
daten sehen wir für das Handwerk große Potenziale. Auf Ba-      täglich ist. Eigentlich hervorragende Voraussetzungen, um
sis unserer Erfahrung mit Projekten im Handwerk sind wir        auch im Bereich der gemeinsamen Nutzung von Zustands-
der Überzeugung, dass gerade diese nicht personenbezoge-        daten und der Erprobung neuer digitaler Lösungen großarti-
nen Daten einfach und kostengünstig erfasst und schnell         ge Nutzenpotenziale „einfach“ zu erreichen.
genutzt werden können.
                                                                Die große Hürde besteht darin, dass weder das Handwerk
Wie lassen sich neue, datengetriebene Geschäftsmodelle am       noch andere Betriebe und erst recht nicht die Forschung die
ehesten implementieren?                                         Zukunft allein gestalten können. Dies ist nur durch eine ver-
Für mich ist wichtig festzustellen, dass in allen Kontexten,    trauensvolle und pragmatische Zusammenarbeit möglich.
in denen wir mit dem Handwerk zusammen neue Geschäfts-          Ich würde mich daher sehr freuen, wenn Handwerksbetriebe
modelle erarbeitet haben, nicht mit der Frage, welche Da-       mutig auf uns zukommen und wir gemeinsam neue Lösun-
ten vorhanden sind, begonnen wurde. Wir beginnen bei der        gen gestalten können. Dies ist nach meiner Erfahrung ein-
Identifikation des Nutzens – und gehen im Anschluss an die      facher, als die mentalen Hürden es vielleicht vortäuschen.

22
Gregor Gierden

DIGITALES 3-D-AUFMASS UND DROHNENEINSATZ AUF DER
BAUSTELLE – BAUVERBÄNDE MIT GEWERKEÜBERGREIFENDER
DIGITALISIERUNGSWERKSTATT

Gut angekommen ist die gewerkeübergreifende Digitalisie-      den können. Bei einer abschließenden Diskussion konnten
rungswerkstatt, die im vergangenen Jahr zum Thema „Di-        die Teilnehmer sich über die vorgestellten Techniken sowie
gitales 3-D-Aufmaß und Drohneneinsatz auf der Baustelle“      Einsatzmöglichkeiten in ihren Unternehmen austauschen.
stattfand. „Die Nutzung digitaler 3-D-Aufmaß-Techniken
bietet Bauhandwerksfirmen vielfältige Chancen – sowohl        Nach dem erfolgreichen Auftakt wurde die Digitalisierungs-
bei der Optimierung betrieblicher Prozesse als auch bei der   werkstatt in den folgenden Monaten mit zwei weiteren Work-
Erschließung neuer Geschäftsfelder“, so Manuela Schwörer,     shops fortgesetzt. Unter anderem ging es dabei um das
Leiterin der Geschäftsstelle Freiburg der Bauwirtschaft Ba-   Thema „Aufmaß mit Drohnen und Fotogrammetrie“ sowie
den-Württemberg. Ziel der Digitalisierungswerkstatt war es,   um Fragen der Umsetzbarkeit im Betrieb und der Kundenak-
Unternehmen des Bau- und Ausbaugewerbes beim Einstieg         zeptanz. Zusätzlich wurden der Aspekt der Nachvollziehbar-
in die neue Technologie zu unterstützen. Insgesamt sieben     keit sowie rechtliche Gesichtspunkte beim digitalen Aufmaß
Betriebe aus dem Bau-, Dachdecker-, Maler-, Stuckateur-       angesprochen.
und Zimmererhandwerk beteiligten sich an der Maßnahme.
                                                              Um die in den Workshops gewonnenen Ergebnisse auch
Im Rahmen eines ersten Workshops hatten die Teilnehmer        anderen Betrieben zugänglich zu machen, wurden nach Ab-
zunächst Gelegenheit, wesentliche Grundlagen kennenzuler-     schluss der Veranstaltungsreihe Transferunterlagen erstellt.
nen. Ein Vermessungsingenieur stellte aktuelle Entwicklun-    Diese sind veröffentlicht und den beteiligten Handwerksver-
gen im Bereich 3-D-Aufmaß vor und erläuterte wichtige Fach-   bänden zur Weitergabe an ihre Mitglieder zur Verfügung ge-
begriffe. Im Anschluss präsentierten Firmenvertreter anhand   stellt.
verschiedener Instrumente – darunter Totalstationen (elek-
tronische Tachymeter) und 3-D-Scanner – die unterschied-      Das Projekt Digitalisierungswerkstatt wird durch das Minis-
lichen Messmethoden. Für die Zuschauer war es dabei fas-      terium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Würt-
zinierend zu beobachten, wie mithilfe digitaler Techniken     temberg finanziell gefördert und ist eingebunden in die Zu-
Räume in nur wenigen Minuten dreidimensional erfasst wer-     kunftsperspektive „Handwerk 2025“.

                                                                                                                       23
Martin Träuble

KOOPERATION IM SINNE DER BETRIEBE – WIE
HANDWERKSKAMMERN UND DIE INTENSIVBERATUNG
DER BWHM ZUSAMMENARBEITEN

Im hektischen Betriebsalltag ist es oft schwer, den Blick für   So kamen auch in diesem Jahr aus fast allen Kammerbezir-
eine längerfristige und strategisch durchdachte Planung zu      ken Empfehlungen und Kooperationen zustande, die das Be-
haben. Die Intensivberatung der Zukunftsinitiative „Hand-       ratungsangebot der Handwerkskammern um die geförderte
werk 2025“ unterstützt Handwerksbetriebe dabei, Zukunfts-       Intensivberatung für das Handwerk ergänzten und komplet-
themen, Technologie- und Marktentwicklungen für ihr Gewerk      tierten.
zu erkennen und ihr Geschäftsmodell danach auszurichten.
Ein Teil der Betriebe kommt auch über die Handwerkskam-         Ein echtes Beratungs-Highlight war ein Elektrotechnik-Fach-
mern des Landes zur BWHM GmbH, die die Intensivberatun-         betrieb, der sowohl die Personalberatung der Handwerks-
gen verantwortet. In aller Regel handelt es sich um Unter-      kammer Region Stuttgart wie auch die Intensivberatung
nehmen, deren Beratungsprojekt eine Tiefe oder aber einen       zum Themenfeld Personal in Anspruch nahm. Im konkreten
Umfang hat, die bzw. der von den Beratungspersonen der          Fall ging es um die innerbetriebliche Organisation mehrerer
Handwerkskammern aus Kapazitätsgründen teilweise nicht          Teams. Bestehende Reibungsverluste sollten geglättet und
bewerkstelligt werden kann.                                     nach Möglichkeit sogar eliminiert werden. Dietmar Böhm,

24
„DURCH AUSTAUSCH UND
                                 ABSTIMMUNG WURDE DEM BETRIEB
                                        ERFOLGREICH GEHOLFEN.“

der dieses Projekt als freier Berater der BWHM GmbH be-
gleitete, zeigte sich begeistert über die professionelle und         „Wenn ein Betrieb schon Teile entwickelt
eng verzahnte Zusammenarbeit mit Nicola Pauls, Leitung             und herstellt, die in der Luft- und Raumfahrt
Personaloffensive Handwerk 2025. „Die Zusammenarbeit
mit Nicola Pauls lief großartig. Gemeinsam konnte mit dem
                                                                    eingesetzt werden – warum sollen wir dann
Team des Kunden ein tragfähiges Wertesystem entwickelt                     nicht mit Astronauten werben?“
und umsetzungsnah begleitet werden.“

Auch Nicola Pauls sieht durch die Tandemberatung nur Vor-        Doch auch die Unternehmensnachfolge, ein Bereich, der
teile: „Sie bietet dem Betrieb die Möglichkeit, von zwei Bera-   das Handwerk immer stärker beschäftigt, ist oft Kernthema
tungsfeldern und -kompetenzen zu profitieren. Dieser Vorteil     der Kooperation und des kollegialen Austausches zwischen
kam bei der gemeinsamen Beratung mit Herrn Böhm zum              den Handwerkskammern und der BWHM GmbH. Egal ob es
Tragen. Durch den engen Austausch und die dadurch opti-          sich wie bei einer Schreinerei mit zugehörigem Küchenstudio
male Abstimmung von Beratungsprozess und angewandten             und mehreren Niederlassungen um ein Familienunterneh-
Methoden konnte dem Betrieb in seiner Weiterentwicklung          men handelt oder ob die Aufgabenstellung die Suche einer
erfolgreich weitergeholfen werden.“                              externen Person zur Übernahme des Betriebes notwendig
                                                                 macht. In beiden Fällen konnten die Betriebe dank der Ko-
Auch ein metallverarbeitender Betrieb aus der Feinmecha-         operation der Institution fachlich kompetent und umfassend
nik, der für sehr spezielle Branchen wie die Luft- und Raum-     beraten werden. „Dass dabei die ein oder andere Beratung
fahrt tätig ist und daher Fachkräfte der Spitzenklasse be-       zur familieninternen Nachfolge von der Konstellation her ei-
nötigt, wurde von seiner Handwerkskammer in Konstanz             nem Familienfest gleichkommt, hat schon einen besonderen
an die BWHM GmbH empfohlen. Hier wurde gemeinsam mit             Charme“, weiß der freie Berater Oliver Eckert zu berichten.
dem externen Berater – ebenfalls im Rahmen der Intensiv-         Dabei komme es besonders darauf an, eine für alle Betei-
beratung für das Handwerk zu einem hohen Maße gefördert          ligten faire Lösung zu finden, die alle betrieblichen wie auch
– die Besonderheit des Kundenkreises herausgearbeitet            familiären Aspekte berücksichtigt, für eine nachhaltige Zu-
und plakativ auf der Website des Handwerksbetriebes be-          kunft des Betriebs.
worben. In diesem Projekt setzte die BWHM GmbH auf Uli
Korn, der Handwerksbetriebe bei der Stärkung ihrer Arbeit-
gebermarke berät.

                                                                                                                            25
Peter Haas

MARKTCHANCE „NACHHALTIGKEIT“ – DAS HANDWERK
HAT’S ERFUNDEN

Seit die Menschen Kopf und Hand als perfekte Instrumente        sucht. Ganz gleich, ob man Nachhaltigkeit ökologisch, öko-
zur Problemlösung begriffen, nutzten sie diese – also schon     nomisch oder sozial definiert – das Handwerk gehört zu den
seit den erfindungsreichen Werkzeugmachern der Steinzeit.       Erfindern dieser zukunftsorientierten Haltung. Das sollten
Beim Konstruieren, Nahrungzubereiten und Gestalten galt         wir wieder stärker – und selbstbewusster – herausstellen.
es stets, nicht mehr Rohstoffe einzusetzen als nötig.           Wer jetzt abwinkt und sagt, das Wort könne er nicht mehr
                                                                hören, ein jeder rede mittlerweile davon, dem sei gesagt:
                                                                Genau das ist der Zeitpunkt, an dem ein Begriff zur Markt-
  Ressourcenschonung liegt Handwerkerinnen
                                                                chance wird. Es geht gerade erst richtig los – und so schnell
             und Handwerkern in den Genen.                      nicht mehr weg.

Auch die Weitergabe von Erfahrung zur Sicherung und Meh-
                                                                          Nachhaltigkeit wird massenhaft
rung des Wissens, sprich: das handwerkliche Ausbildungswe-
sen, zeugt von einer Nachhaltigkeitskultur, die ihresgleichen                         nachgefragt.

26
BERICHT

Energetisches Bauen, gesunde Ernährung, klimaschonende           Es bedarf meist gar nicht vieler Schritte, um sich als nach-
Mobilität sind Megatrends und zugleich ureigenste Arbeits-       haltiger Betrieb richtig darzustellen – und sich damit auch
felder des Handwerks. Was für ein Glück!                         gegenüber Kunden und auch potenziellen Mitarbeitern at-
                                                                 traktiver zu präsentieren. Denn eines ist sicher: Nachhal-
Klar ist: Der Klimawandel macht Anstrengungen im Umwelt-         tiges Wirtschaften ist ganz konkret für jeden Betrieb ein
schutz besonders vorrangig. Die Energie- und Wassereinspa-       Wettbewerbsvorteil. Konsumenten möchten sich mit den
rungen der letzten Jahrzehnte, im gewerblichen wie privaten      gekauften Waren und bezogenen Dienstleistungen „wohl-
Bereich, waren vielfach das Ergebnis handwerklicher Bera-        fühlen“. Ausbildungsinteressierte legen Wert darauf, dass ihr
tungen und Installationen. Für ein rundum stimmiges Nach-        Arbeitgeber zu den „Guten“ gehört. Auch immer mehr Auf-
haltigkeitsmanagement gehört es aber dazu, dass nicht nur        traggeber aus Industrie und öffentlicher Hand verpflichten
die Umwelt, sondern auch Menschen und Betriebe eine Zu-          sich zur Vergabe an Betriebe mit ausgewiesenem Nachhaltig-
kunft haben. Was Handwerkerinnen und Handwerker dazu             keitsengagement. Eine schöne Aktion in die richtige Richtung
jeden Tag leisten, ist vielen gar nicht bewusst. Die Beispiele   war die Kampagne „Partner der Energiewende“ des Landes-
reichen von der PV-Anlage bis zum Biofleisch, von der E-Mo-      handwerks gemeinsam mit dem Umweltministerium. Hiervon
bilität bis zum Recycling von Materialabfällen.                  brauchen wir mehr!

                                                                 Wie die Nachhaltigkeit ganz konkret belegt wird, was man
      Handwerk baut nicht nur neu, sondern
                                                                 tun kann, strategisch und pragmatisch, in der Betriebsfüh-
          auch um, saniert und repariert.                        rung, im Marketing, in der Personalarbeit – diese Unterstüt-
                                                                 zungsleistung ist eine klare Aufgabe für das Netzwerk der
Im Gegensatz zum Wegwerfartikel aus dem Discount sind            Handwerksunterstützer, also die Handwerks-Organisationen,
handwerkliche Produkte langlebig und qualitätsvoll. Hand-        Kammern, Verbände, Kreishandwerkerschaften und Innun-
werk ist vor Ort, ist die Wirtschaft der kurzen Wege. Hand-      gen. Der BWHT gibt dem Thema Nachhaltigkeit eine neue
werk wirtschaftet mit generationsübergreifender Perspekti-       Priorität. Lassen Sie uns die tausendfachen Chancen her-
ve, erhält das kulturelle Erbe und kennt die Beschäftigten       ausarbeiten, die notwendigen Hilfs- und Beratungsangebote
nicht nur als Humankapital.                                      organisieren und fokussiert promoten und somit hinter die
                                                                 Nachhaltigkeitskompetenz der Gewerke ein neues Ausrufe-
                                                                 zeichen setzen! So schafft die Wirtschaftsmacht von neben-
                                                                 an das gute Leben von übermorgen.

   Peter Haas ist seit 1. April 2021 neuer Hauptgeschäfts-        in Sachen Umweltschutz und faire Arbeitsbedingun-
   führer des Baden-Württembergischen Handwerkstags.              gen global in der Kritik stand. Die Transformation hin
   Das Handwerk kennt und schätzt er aus seiner Zeit              zu nachhaltigeren Produktionen und Produkten sowie
   als Kommunikationschef der Handwerkskammer Ham-                einer entsprechenden Unternehmenskultur war daher
   burg. Vor seinem Wechsel zum BWHT war er für den               ein zentrales Thema seiner Arbeit. Den Verband Süd-
   Verband der Textil- und Bekleidungsindustrie im Süd-           westtextil machte er zum ersten klimaneutralen Indus-
   westen tätig – und damit Vertreter einer Branche, die          trieverband Deutschlands.

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