JAHRBUCH 2020/21 - Baden-Württembergischer ...
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IMPRESSUM Herausgeber: Baden-Württembergischer Handwerkstag e. V. Heilbronner Straße 43 70191 Stuttgart Telefon: 0711 263709-0 E-Mail: info@handwerk-bw.de Internet: www.handwerk-bw.de ViSdP: Hauptgeschäftsführer Peter Haas Koordination: Abteilung Kommunikation Marion Buchheit Herstellung: Natascha Saupe Kommunikationsdesign Fotos: Elke Büdenbender: Bundesregierung Steffen Kugler, Herr Bürkle: FV EIT BW, Herr Butz: Fachverband SHK BW, Herr König: Fachverband SAF, KD Busch, the_lightwriter + pressmaster + Thaut Images + Kzenon + Yuttana Studio / stock.adobe.com, ksenia chernaya / pexels Alle Rechte einschließlich des Übersetzungsrechts für alle Sprachen liegen beim Herausgeber. Auch der auszugsweise Nachdruck oder Vervielfältigungen, die ganze oder teilweise Übernahme der syste- matischen Einteilung sowie die gewerbliche Nutzung der angeführten Adressen und Namen sind nicht gestattet. Gemäß Bundesdatenschutzgesetz unterliegen personenbezogene Daten einem besonderen Schutz. Eine Übernahme der in diesem Buch mitgeteilten Informationen auf Datenträger aller Art ist unzulässig und wird auf dem Rechtsweg verfolgt. Ein Anspruch auf Eintragungen kann nicht geltend gemacht werden. Druckfehler oder etwaige Fehlereintragungen können erst in der nächsten Auflage berücksichtigt werden. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern in dieser Publikation die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter.
INHALT INHALT Vorwort 4 Interview mit dem bisherigen Hauptgeschäftsführer des BWHT, Oskar Vogel, 6 und seinem Nachfolger, Peter Haas Interview mit Elke Büdenbender 8 Master und Meister, Auszubildende und Studierende – Wie weit ist die 10 Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung? Schnelle Hilfe, wenn es in der Ausbildung mal klemmt 12 Bildungsstätten des Handwerks 14 Rund um den Meister 16 Geld, Zeit, Verständlichkeit: Warum Bürokratieabbau so wichtig ist 18 Krisenberatung Corona – Auch vom Handwerk stark nachgefragt 19 Das Erdöl der Zukunft? Wie das Handwerk Daten für sich nutzen kann 20 Experte Handwerkplattformen 22 Digitales 3-D-Aufmaß und Drohneneinsatz auf der Baustelle – Bauverbände 23 mit gewerkeübergreifender Digitalisierungswerkstatt Kooperation im Sinne der Betriebe – wie Handwerkskammern und die 24 Intensivberatung der BWHM zusammenarbeiten Kredite nur noch für nachhaltige Betriebe? 26 Marktchance „Nachhaltigkeit“ – Das Handwerk hat’s erfunden 28 Gewerkeübergreifendes Arbeiten als Chance für 30 Klimawende und Handwerksbetriebe Der Brexit und das Landeshandwerk – bei diesen Themen wird’s knifflig 31 Betriebsnachfolge: Wer führt morgen meinen Betrieb? 32 Kurz & knapp 34 Bauboom, Transformation und Pandemie: Das Handwerk im Jahr 2020 36 Handwerk in Zahlen 38 BWHT – Baden-Württembergischer Handwerkstag 49 BWHM GmbH 50 BWHT – Gremien und Mitglieder 51 Geschäftsstelle 54
VORWORT Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass wir alle im Früh- jahr 2021 noch immer mit der Pandemie und ihren Aus- wirkungen beschäftigt sind? Umso mehr ist unser Ziel als Handwerkstag, unsere Mitgliedsorganisationen und die Handwerksbetriebe bei der Bewältigung der Krise best- möglich zu unterstützen. Von den 137.000 Betrieben im Land soll keiner auf der Strecke bleiben. Hierfür sind wir Tag für Tag im Kontakt mit der Politik, um dort die Sinne für die Bedürfnisse der Praktiker zu schärfen und Verbes- serungen zu erreichen. Dass das Handwerk auch in Krisen ein Stabilitätsanker ist, haben die Betriebe im vergange- nen Jahr eindrucksvoll bewiesen. So hat das baden-württembergische Handwerk den Vor- jahresumsatz trotz Corona fast gehalten und rund 107 Milliarden Euro erwirtschaftet. Beson- ders erfreulich ist, dass bei starken Einbrüchen in anderen Branchen die Ausbildungszahlen im Handwerk weitgehend stabil geblieben sind. Das belegt das große, ganz individuelle En- gagement für die betriebliche Ausbildung. Und wir sind uns sicher, dass sich das Handwerk auch in diesem Jahr nicht von den teils widrigen Umständen abhalten lassen wird und weiter vielen jungen Menschen eine berufliche Zukunft bietet. Eben weil die Aus- und Weiterbildung eines der zentralen Themen, wenn nicht das entscheidende Thema für eine erfolgreiche Zu- kunft des Handwerks ist, haben wir ihm auf den folgenden Seiten verschiedene Interviews und Beiträge gewidmet. Unter anderem konnten wir die „First Lady“ Deutschlands gewinnen: Elke Büdenbender, die sich für die berufliche Bildung besonders engagiert einsetzt. An die neue Landesregierung, die Mitte Mai gestartet ist, haben wir die Erwartungen des Handwerks klar kommuniziert: Wir brauchen eine kluge Agenda, ein mutiges und dynami- sches Vorgehen, um das Land aus der Krise zu führen. Gezieltes Investieren und Fördern, kein einseitiges Beharren auf die Begrenzung von Schulden. Der Finanzierungsvorbehalt, unter dem die Regierungspläne fast vollständig stehen, darf nicht zulasten der Umsetzung wichtiger Projekte gehen. Im Gegenteil kann eine kluge Unterstützung der Wirtschaft bei der Bewältigung der Krise helfen. Viele unserer Botschaften wurden von Grün-Schwarz gehört und im Koalitionsvertrag verankert. Besonders erfreulich ist das klare Bekenntnis zu einer Fortführung unserer Zukunftsinitiative „Handwerk 2025“ und zu deren Ausweitung auf das 4
VORWORT Thema Nachhaltigkeit. Denn wir wissen nicht erst seit einer kürzlich erfolgten Umfrage: Die Handwerksbetriebe wollen hier etwas bewegen. Neun von zehn Betrieben ist es wichtig, res- sourcen- oder energieeffizient zu arbeiten. Rund 80 Prozent der Betriebe haben das Ziel, spe- ziell Produkte oder Dienstleistungen anzubieten, mit denen die Umwelt geschont wird. Dazu benötigen sie Unterstützung, die wir nun gezielt über „Handwerk 2025“ entwickeln können. Zu „Handwerk 2025“ wie auch dem Thema Nachhaltigkeit finden Sie in diesem Jahrbuch ebenfalls Analysen und Erfahrungsberichte. Noch eine Notiz in eigener Sache: Auch beim Baden-Württembergischen Handwerkstag hat sich etwas verändert. Der langjährige Hauptgeschäftsführer Oskar Vogel hat seine Tätigkeit Ende März altersbedingt beendet. Oskar Vogel hat im Rahmen seines zehnjährigen Einsatzes viele Verbesserungen und Erfolge für das Landeshandwerk erreicht – die Umsetzung von „Handwerk 2025“ oder die Einführung der Meisterprämie sind nur einige wenige Beispiele. Neuer Hauptgeschäftsführer – Sie sehen es an der Unterschrift – ist Peter Haas, vormals in gleicher Funktion beim Verband Südwesttextil. Auf den folgenden Seiten finden Sie ein aus- führliches Start-Abschied-Interview mit den beiden. Wir wünschen Ihnen alles Gute, weiterhin Gesundheit – und natürlich auch in diesem Jahr viel Spaß beim Stöbern in unserem Jahrbuch! Rainer Reichhold Peter Haas Präsident Hauptgeschäftsführer 5
INTERVIEW INTERVIEW MIT DEM BISHERIGEN HAUPTGESCHÄFTSFÜHRER DES BWHT, OSKAR VOGEL, UND SEINEM NACHFOLGER, PETER HAAS Herr Haas, die erste Frage geht an Sie – Sie haben bereits als Corona hat auch die Verbandsarbeit völlig auf den Kopf ge- neuer Hauptgeschäftsführer begonnen. Was war Ihnen für Ihre stellt. Welche Auswirkungen hatte die Krise auf die Arbeit des Anfangszeit am wichtigsten? BWHT, Herr Vogel? Im Vordergrund stand natürlich die akute Interessenvertre- Es kam uns sehr zugute, dass wir im Jahr 2018/19 einen gro- tung zu Corona-Themen und im Zuge der Regierungsbildung. ßen Digitalisierungssprung auf der Geschäftsstelle gemacht Generell war mir für meine ersten 100 Tage wichtig, jede und zum 1. Januar 2020 das mobile Arbeiten eingeführt ha- und jeden in unserem Geschäftsstellen-Team persönlich ge- ben. Beides ist seit dem ersten Lockdown im März 2020 wei- sprochen zu haben und schon möglichst viele Vertreter des ter vorangetrieben worden. Wir haben die Corona-Soforthilfe Ehrenamts und unserer Mitgliedsorganisationen kennenzu- koordiniert, die über die Kammern und die L-Bank abgewi- lernen. Diese Phase ist noch nicht abgeschlossen. Ich will ckelt wurde. Übrigens: So schnell hatten die anspruchsbe- den Start zum Zuhören nutzen, für meine persönliche „Kun- rechtigten Betriebe bei keiner der späteren Wirtschaftshilfen denbefragung“ sozusagen, um Erfahrungen und Erwartun- ihr Geld auf dem Konto. Und natürlich waren und sind wir mit gen aufzunehmen. Das wird die Basis sein, um alsbald einige der Politik im ständigen Austausch, um deren Corona-Krisen- Ideen anzugehen, die ich habe: noch mehr Sichtbarkeit des management im Sinne des Handwerks zu bewegen. „Handwerks BW“ in Politik und Gesellschaft, die Weiterent- wicklung des BWHT als Denkfabrik der Handwerksorgani- Herr Haas, welche der neuen Arbeitsweisen und Kommunika- sation im Südwesten und die verstärkte Wahrnehmung des tionsformate werden auch nach der Krise bleiben, weil sie sich Handwerks im Bereich Nachhaltigkeit – schließlich zählt das bewährt haben? Handwerk zu den Erfindern der Nachhaltigkeit mit seinem Ich empfinde es als sehr angenehm, dass eine flexiblere Wahl Familienunternehmertum über Generationen, mit seiner des Arbeitsorts selbstverständlicher geworden ist. Es ging Ortsnähe zum Kunden, mit seiner Kompetenz, Dinge zu re- mir immer darum, wie die Arbeit erledigt wird und nicht zwin- parieren und Werte zu erhalten. Handwerk ist Wirtschaft, die gend wo. Trotzdem hoffe ich auf wieder mehr physische Be- Wert(e) schafft, könnte das Motto sein. gegnungen. Sie sind für kreatives Arbeiten, spontane Ideen und eine gute Teamkultur unverzichtbar. Es wird also bei Mi- Frage an beide: Welche drei Dinge muss die neue Landesregie- schungen bleiben. Auch bei der Kommunikation. Das Prakti- rung am schnellsten anpacken? sche an Videomeetings – einfach, zeiteffizient, ohne große Wir benötigen nach Corona schnell Wachstumsimpulse, wes- Anreise und kostengünstiger – sollten wir weiter nutzen, aber halb Programme wie Invest BW oder die Digitalisierungs- auch hier im Wechsel mit echten Zusammenkünften. prämie Plus noch gezielter für den Mittelstand ausgebaut werden müssen. Hierzu zählt auch die Fortführung unserer Herr Vogel, das Schlusswort geht an Sie – wenn Sie sich für Zukunftsinitiative „Handwerk 2025“. Zweitens benötigen wir eine Sache entscheiden müssten, was würden Sie dem Hand- weitere und vertiefte Unterstützung bei den verschiedenen werk für die Zukunft am meisten wünschen? Transformationsprozessen, beispielsweise im Kfz-, Zuliefer- Dass vor allem in den Köpfen der Eltern eine Ausbildung im oder Bauhandwerk. Ob E-Mobilität, klimafreundliche Mate- Handwerk mehr Wertschätzung erhält. Denn sie sind nach rialien oder nachhaltige Rohstoffe – diese Entwicklungen wie vor die wichtigsten Ansprechpartner bei der Berufswahl können nur gemeinsam mit dem Handwerk langfristig ein Er- ihrer Kinder. Selbst in dieser schlimmen Pandemie sind die folg werden. Und drittens würde die Entlastung der Betriebe meisten Gewerke im Handwerk krisenfest geblieben. Das ist von Bürokratie einen Konjunkturimpuls setzen, der das Land eine echte Chance, über die sich Eltern wie Kinder bewusst nichts kostet. Ein Arbeitsprogramm ohne feste Ziele und Fris- werden sollten. ten reicht nicht aus. Vielmehr muss die neue Landesregie- rung rasch ein Bürokratieentlastungsgesetz vorlegen. 7
INTERVIEW MIT ELKE BÜDENBENDER, U. A. SCHIRMHERRIN DER „WOCHE DER BERUFLICHEN BILDUNG“ IM JAHR 2018, SCHIRMHERRIN DER INITIATIVE „KLISCHEEFREI“ Warum setzen Sie sich in besonderem Maße für die berufliche nen und Begegnungen das vielfältige Engagement des Hand- Aus- und Weiterbildung ein? werks im Bereich der Aus- und Weiterbildung noch besser Die berufliche Aus- und Weiterbildung bietet jungen Men- kennen- und vor allem schätzen gelernt. schen eine große Bandbreite an sehr fundierten Grundlagen für ein erfüllendes und erfolgreiches Berufsleben. Dennoch Was mich besonders freut: Handwerkerinnen und Handwer- hat sie in unserer Gesellschaft einen geringeren Stellenwert ker engagieren sich über das Berufliche hinaus in vielen wei- als ein Studium. Das hat verschiedene Gründe, auch weil es teren gesellschaftlichen Bereichen. Und auch das wird nicht oftmals stark verallgemeinert heißt, dass man durch ein Stu- nur vor Ort gesehen, sondern allgemein sehr wertgeschätzt. dium eine bessere Zukunft hat – auch in finanzieller Hinsicht So werden Handwerkerinnen und Handwerker Rollenvorbil- und bezüglich der Chancen auf dem Arbeitsmarkt. der und geben Jüngeren Orientierung. Weshalb kann es für junge Menschen die bessere Wahl sein, Im Handwerk gibt es über 130 Ausbildungsberufe; gerade jun- eine duale Ausbildung statt eines Studiums für die eigene be- ge Frauen sind als Nachwuchskräfte überall gesucht. Welche rufliche Zukunft zu wählen? Chancen sehen Sie durch die Initiative Klischeefrei? Die allermeisten müssen mit ihrem Beruf ihren Lebensunter- Die Initiative Klischeefrei setzt sich dafür ein, dass sich Mäd- halt bestreiten, das muss ein Beruf – sei es nach einer dua- chen und Jungen bei der Wahl der Ausbildung nicht beschrän- len Ausbildung oder einem Studium – leisten. Der erlernte ken lassen. Als Schirmherrin der Initiative Klischeefrei habe Beruf soll aber auch Freude bereiten. Deshalb ist es wichtig, ich mich sehr gefreut, als der Zentralverband des Deutschen jungen Menschen zu helfen, ihre Talente und Interessen zu Handwerks ohne großes Zögern entschieden hat, Partner zu ergründen, damit sie dies für die Wahl des Ausbildungsweges werden und den Kampf gegen Geschlechterklischees enga- und den Wunschberuf nutzen können. Da haben wir als El- giert zu unterstützen. tern, Lehrerin oder Berufsberater eine große Verantwortung. Es ist entscheidend für eine erfolgreiche und zufriedenstel- Ich finde es auch besonders vorbildlich, dass sich das Hand- lende Karriere, dass ich das tue, was mich glücklich macht werk bei der Auswahl der Auszubildenden nicht ausschließ- und meinen Neigungen entspricht. lich vom sogenannten Prinzip der vermeintlichen „Besten- auslese“ leiten lässt, sondern bei Ihnen wirklich jeder junge Für die einen ist dann am Ende vielleicht wirklich ein Studium Mensch, der sich für einen handwerklichen Beruf entscheidet, der richtige Weg, für andere die berufliche Ausbildung. Wich- eine Chance bekommt! Auch wenn der Lebenslauf mal nicht tig ist jedoch, dass keiner der Wege besser oder schlechter ganz so glatt aussieht, sondern Ecken und Kanten hat. Und ist – denn alle führen ans Ziel eines erfüllten Berufslebens auch ganz egal, ob sich eine junge Frau entscheidet, große und einer guten Zukunft. Boote zu bauen – oder ein junger Mann, filigrane Schmuck- stücke anzufertigen. Sie fördern diese besonderen Talente. Glauben Sie, eine handwerkliche Ausbildung wird in Deutsch- land zurzeit ausreichend wertgeschätzt? Sie selbst haben eine Lehre als Industriekauffrau abgeschlos- Ja, es gibt viel Wertschätzung für das Handwerk in Deutsch- sen. War diese im Hinblick auf Ihre spätere berufliche Lauf- land. Und es gibt ja auch eine stolze Handwerkstradition. bahn hilfreich? Mein Mann, der Bundespräsident, ist übrigens Schirmherr Die Offenheit unseres Bildungssystems ist sehr wertvoll und des Leistungswettbewerbs des Deutschen Handwerks. Seit bietet die Chance zur Weiterentwicklung und Umorientie- 1951 bereits übernimmt jeder amtierende Bundespräsident rung. Ich möchte keine der Stationen meines Ausbildungs- die Schirmherrschaft. Das ist eine schöne und wichtige Tra- weges missen. Meine Erfahrungen in jungen Jahren haben dition – und eine Würdigung von ganz oben. Ich selbst hal- mich sehr geprägt und mir vieles Wertvolle mit auf den Weg te über meine Themen Chancen- und Bildungsgerechtigkeit gegeben. Die Ausbildung war fachlich sehr gut, davon habe intensiven Kontakt zum Handwerk, arbeite zu verschiede- ich auch im Studium profitiert. Und ich habe schon in jungen nen Themen oder in Projekten mit dem Zentralverband des Jahren gelernt, mich in unterschiedlichen Arbeitsfeldern mit Deutschen Handwerks und Ihrem Präsidenten, Hans Peter unterschiedlichen Menschen gut zurechtzufinden. Da habe Wollseifer, sehr gut zusammen. So habe ich in vielen Termi- ich wirklich etwas fürs Leben gelernt. 9
Olaf Kierstein-Hartmann MASTER UND MEISTER, AUSZUBILDENDE UND STUDIERENDE – WIE WEIT IST DIE GLEICHWERTIGKEIT VON BERUFLICHER UND AKADEMISCHER BILDUNG? Schulische Berufsausbildung insgesamt: 53.158 | 14.022 39.136 Studienanfänger insgesamt: 73.519 | 36.591 36.928 Beamtenausbildung mittlerer Dienst Duale Berufsausbildung insgesamt: 1.907 | 1.098 809 insgesamt: 67.152 | 41.861 25.291 Anfänger im Ausbildungsgeschehen 2019 nach Sektoren/Konten und Ländern, Baden-Württemberg, Quelle: integrierte Ausbildungsberichterstattung 2019 Im Zeitalter von Digitalisierung, veränderten Anforderungen Gut, dass die Diskussion um die Gleichwertigkeit beruflicher in der Berufs- und Arbeitswelt, der demografischen Entwick- und akademischer Bildung in den vergangenen Jahren deut- lung und dem Klimawandel kommt der beruflichen Bildung lich an Fahrt aufgenommen hat. eine Schlüsselrolle zu. Die Anforderungen für Fachkräfte ver- ändern sich kontinuierlich und werden in vielen Bereichen So etwa mit der Osnabrücker Erklärung zur beruflichen Bil- anspruchsvoller. Die berufliche Bildung eröffnet jungen Men- dung, die die EU gemeinsam mit den Europäischen Sozial- schen und Erwachsenen durch Ausbildung, Weiterbildung partnern und der Europäischen Kommission 2020 auf den und lebenslanges Lernen die hierfür erforderlichen berufli- Weg gebracht hat. chen Perspektiven. 10
ANALYSE Ziel ist, die europäische Berufsbildung zu modernisieren dium an öffentlichen Hochschulen führen – jedoch unter Be- und gerade auch die Gleichwertigkeit der beruflichen mit der rücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Angebote. akademischen Bildung zu fördern. Hilfreich waren auch die Einordnung von Meister-, Fachwirt- sowie Betriebswirtqualifi- Die Begabtenförderung muss ebenfalls finanziell gleichge- kation auf den gleichen Stufen des Deutschen Qualifikations- stellt werden. Die Berufsbildung erhält bundesweit bislang rahmens (DQR) wie die akademische Bachelor- sowie Master- 50 Mio. €, die Hochschulen 266 Mio. € zu diesem Zweck qualifikation und die Verankerung von drei Fortbildungsstufen – obwohl jährlich nahezu genauso viele jungen Menschen im Berufsbildungsgesetz als „höherqualifizierende Berufsbil- eine berufliche Qualifizierung wie ein akademisches Studium dung“. Daneben haben auch die Empfehlungen des Haupt- beginnen. Die Finanzierung der Infrastruktur beruflicher Bil- ausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung zur dung muss dauerhaft und bedarfsgerecht in gleicher Weise Durchlässigkeit beruflicher und hochschulischer Bildung zur wie die Förderung der Hochschulen sichergestellt werden. verstärkten Wahrnehmung beigetragen. Ein ganz wichtiger Punkt aus Sicht des Handwerks: Und dennoch ist es noch ein weiter Weg bis zu einer uneingeschränkten Gleichstellung der Die Steigerung der Mobilität von beruflichen mit der akademischen Bildung. Auszubildenden durch Einführung eines landes- weiten „Azubitickets“ sowie der Ausbau und die Hier offenbart sich weiterer politischer Handlungsbedarf. Förderung von erschwinglichen Wohnangeboten So muss die berufliche Orientierung an Gymnasien im Sin- für Auszubildende. ne einer „ergebnisoffenen“ Berufsorientierung weiterentwi- ckelt werden, die eine individuelle Entscheidung in Richtung Auch die internationale Mobilität von Auszubildenden sollte akademischer, aber auch beruflicher Bildungswege eröffnet. weiter gestärkt werden. Diese ist im akademischen Bildungs- Eine Verankerung dieser Ergebnisoffenheit beruflicher Ori- bereich eine Selbstverständlichkeit und stellt gleichzeitig entierung sollte auch in § 8 des Schulgesetzes abgebildet einen wichtigen Aspekt im Hinblick auf die Attraktivität von werden. Eng damit verbunden sind die Verankerung und Ver- Bildungswegen dar. mittlung „beruflicher“ Kompetenz in der Lehreraus- und fort- bildung. Eines ist klar: Alle Maßnahmen und Aktivitäten werden nicht zum Erfolg führen, wenn nicht gleichzeitig auch die gesell- Ebenso braucht es eine finanzielle Gleichbehandlung der schaftliche Anerkennung und Wertschätzung beruflicher Bil- Aufstiegsfortbildung mit akademischen Abschlüssen ent- dung steigen. Nur wenn es gelingt, Abitur und Studium nicht sprechend deren Gleichwertigkeit. Hier ist eine Verstetigung als allein anzustrebendes Glück und Form höchster Bildung der Meisterprämie (und im Sinne der Attraktivitätssteigerung in den Köpfen zu verankern, wird auch die berufliche Aus-, übrigens auch der Meistergründungsprämie) dringend erfor- Fort- und Weiterbildung die ihr zustehende Anerkennung er- derlich. Gemeinsam mit dem Meister-BAföG muss diese zu fahren und als ein wirklich gleichwertiger Bildungsweg im ge- einer kostenlosen Meisterausbildung analog dem Erststu- sellschaftlichen Bewusstsein verankert sein. 11
Vanessa Rückemann SCHNELLE HILFE, WENN ES IN DER AUSBILDUNG MAL KLEMMT – UNTERSTÜTZUNG FÜR AUSZUBILDENDE UND FACHKRÄFTESICHERUNG AUS EINER HAND Diese finden Auszubildende, aber auch Einmal mehr steht das Ausbildungssystem in Deutschland vor großen Herausforderungen – zusätzlich zu den aktuellen Betriebe beim Programm „Erfolgreich Schwierigkeiten durch die Pandemie. Neben dem Einsatz di- ausgebildet – Ausbildungsqualität sichern“. gitaler Medien, Zuwanderung oder neuen Familienstrukturen und Mobilitätserfordernissen kommen veränderte und häu- fig sehr unterschiedliche Erwartungen an die Ausbildung auf Die mittlerweile rund 20 Ausbildungsbegleiterinnen und Aus- beiden Seiten als wichtiger Faktor hinzu. bildungsbegleiter konnten seit Programmstart im Jahr 2015 in knapp 80 Prozent der mehr als 2.600 abgeschlossenen Diese gestiegene Vielfalt in allen Bereichen stellt Betriebe Einzelbetreuungen einen Ausbildungsabbruch verhindern. wie Auszubildende nicht selten vor große Herausforderun- gen, die auch den erfolgreichen Ausbildungsabschluss ge- fährden können. In solch einem Fall ist professionelle und schnelle Hilfe gefragt. 12
BERICHT „Wichtige Hilfestellungen waren der intensive Kontakt, die vertrauensvollen Gespräche sowie der Austausch zwischen Begleiter und dem Betrieb. Ich würde das Projekt genau in dieser Form empfehlen. Der Wille des Betriebs und des Azubis, gepaart mit der perfekten Unterstützung – es hat funktioniert!“ Angelika B., Stade Optik Das vorhandene Ausbildungsverhältnis konnte dank zielge- sammenarbeit der verschiedenen Akteure in der dualen Aus- richteter Unterstützung der Projektmitarbeitenden stabili- bildung bzw. den Unterstützungssystemen immer mehr zum siert oder aber ein nahtloser Betriebswechsel in die Wege Schlüssel einer zielführenden Begleitung. Und dies gilt nicht geleitet werden – was manchmal auch im Sinne beider Sei- nur für die einzelnen Ausbildungsbegleiterinnen und Aus- ten ist. Damit bietet das vom Ministerium für Wirtschaft, bildungsbegleiter vor Ort, sondern auch für die landesweite Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg geförderte Koordinierungsstelle des Programms, die bei der Beratungs- Programm nicht nur Akuthilfe und sichert die berufliche Zu- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft für Handwerk und kunft junger Menschen, sondern leistet auch einen wichtigen Mittelstand GmbH (BWHM GmbH) angesiedelt ist. Sie dient Beitrag zur Fachkräftesicherung. als Bindeglied zum Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, erarbeitet branchenspezifische Angebote Um das Beratungsangebot dabei möglichst flexibel, nieder- zur Steigerung der Ausbildungsqualität und organisiert den schwellig und zukunftsträchtig zu gestalten, bieten die Pro- regelmäßigen Erfahrungsaustausch sowie Fortbildungen für jektträger nicht erst seit der Corona-Pandemie vermehrt On- die Ausbildungsbegleitungen. Darüber hinaus ist sie für die line-Beratungen an. Digitale Kommunikationswege sind in Qualitätssicherung und Weiterentwicklung des Programms der Beratungsarbeit ebenso wichtig wie zielgruppengerechte zuständig und betreibt gezielte Netzwerkarbeit. Werbung, die immer häufiger auch über gängige Social-Me- dia-Kanäle wie Instagram, Twitter oder Facebook erfolgt. Dank hervorragender Beziehungen zu Partnerprogrammen Denn die Digitalisierung macht auch vor den Unterstützungs- im Land wie auch in anderen Bundesländern entsteht auch programmen keinen Halt. Mit über 140 Zuschauenden sowie über die Grenzen Baden-Württembergs hinaus ein produk- mehr als 300 Klicks auf YouTube war auch der letzte digitale tiver fachlicher Austausch. Dieser sorgt einerseits für neue Fachtag des Programms zum Thema „Anforderungen an die Impulse auf allen Seiten und treibt die generelle inhaltliche Ausbildung von heute“ regional übergreifend ein großer Er- Weiterentwicklung voran, hilft andererseits aber auch dabei, folg. sich für aktuelle Herausforderungen bestmöglich zu rüsten. Denn nur mit gemeinsamen Anstrengungen kann die beruf- Neben der Flexibilität in der Kommunikation werden aber vor liche Ausbildung auch in der Zukunft der Qualifizierungsweg allem auch die gute Verzahnung und die vertrauensvolle Zu- für die Fachkräftesicherung bleiben. Weiterführende Informationen und Kontaktmöglichkeiten unter: www.erfolgreich-ausgebildet.de 13
BERICHT Olaf Kierstein-Hartmann BILDUNGSSTÄTTEN DES HANDWERKS – GARANT FÜR ZUKUNFTSWEISENDE AUS- UND FORTBILDUNG Mit mehr als 60 überbetrieblichen Berufsbildungsstätten bil- Dieses zeigt sich gerade auch im Hinblick auf den techno- det das Handwerk in Baden-Württemberg das Rückgrat des logischen Wandel und die zunehmende Digitalisierung der baden-württembergischen Mittelstandes im Bereich der be- Wirtschaft. Und die damit verbundenen neuen Zukunftstech- ruflichen Bildung. Mit ihren überbetrieblichen Berufsausbil- nologien. dungslehrgängen ergänzen diese die betriebliche Ausbildung und sichern das hohe Niveau in der Berufsausbildung. Kleine Die Bildungsstätten und ihre Angebote zeichnen sich dabei und mittlere Unternehmen erhalten damit oftmals überhaupt durch Kontinuität, Innovation und ein hohes Maß an Qualität erst die Möglichkeit, auszubilden und so qualifizierten Nach- und Zuverlässigkeit aus. wuchs zu gewinnen. Seit Längerem sehen sich die Bildungsstätten jedoch großen Herausforderungen gegenüber. Die grundlegende Bedeu- Mit den Angeboten der Fort- und Weiterbildung tung der Bildungsstätten als Teil der öffentlichen Bildungsin- leisten die Bildungsstätten darüber hinaus frastruktur erfordert eine zukunftsfähige und auskömmliche einen entscheidenden Beitrag für den Fach- und Finanzierung. In den letzten Jahren war die avisierte Drittel- Finanzierung durch Bund, Land und Handwerk nicht mehr Führungskräftenachwuchs. gegeben. Hierfür ist eine zukunftssichernde Förderung des Landes sowohl hinsichtlich der Leistungsangebote als auch hinsichtlich der Instandhaltung, Modernisierung und Weiter- entwicklung der Bildungsstätten unabdingbar. Im Zuge der Corona-Pandemie mussten auch die Bildungsstätten ihren Betrieb vorübergehend einstellen. Nur mit großem Engage- ment der Handwerksorganisation ist es gelungen, dass die Angebote der beruflichen Bildung fast gänzlich wieder in Prä- senz durchgeführt werden können. Dies zeigt, dass zumindest einem Teil der Politik die grundlegende Bedeutung der Bildungsstätten nicht bekannt ist. Mit Blick auf die zukünftige Fachkräftesicherung ist es für das Handwerk wie die Wirtschaft insgesamt essenziell, dass die Bildungsstätten die Krise unbeschadet überstehen und un- terstützt werden. Die Bildungsstätten des Handwerks stehen mit ihren Angeboten zunehmend in einem Spannungsfeld mit Aktivitäten öffentlicher Träger. Anstelle von konkurrierenden Angeboten gilt es jedoch, sich ergänzende, aufeinander ab- gestimmte Angebote zu entwickeln und regionale Netzwerke zu fördern. 14
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RUND UM DEN MEISTER BESTANDENE MEISTERPRÜFUNGEN 2020 2.939 (GEGENÜBER VORJAHR –6,4 %) DAVON 572 (19,5 %) ZULASSUNGSFREIE HANDWERKE: 205 RÜCKVERMEISTERTE BERUFE: 110 Wichtige Fortbildungsprüfungen Ausbildereignungsprüfung 1.386 Kraftfahrzeug-Servicetechniker/-in 336 Managementassistent/-in (HWK) (Managementassistent/-in im Handwerk) 158 Fachmann/-frau für kaufmännische Betriebsführung nach der 144 Handwerksordnung (Geprüfte/-r) Qualifizierte/-r EDV-Anwender/-in (HWK) (Computerschein A/ECDL) 144 16
INFO-GRAFIK BELIEBTESTE BERUFE Kraftfahrzeugtechniker Elektrotechniker Installateure + Heizungsbauer 462 268 213 BELIEBTESTE BERUFE Friseurin Konditorin Maßschneiderin 226 69 56 BESTANDENE MEISTERPRÜFUNGEN IN DEN RÜCKGEFÜHRTEN BERUFEN TOP 3 Raumausstatter Fliesen-, Platten- und Mosaikleger Parkettleger 31 26 21 €€€€€€€€€ RÜCKGEFÜHRTE BERUFE TOP 5 Rückgeführte Berufe Betriebe nach Hand- Umsatz 2020 inkl. tätige Personen 2020 werksrolle MwSt. (Mio. Euro, tw. (geschätzt) geschätzt) Fliesen-, Platten- und Mosaikleger 7.725 1.214 13.400 Estrichleger 649 328 2.500 Parkettleger 889 293 2.500 Rollladen- und Sonnenschutztechniker 769 564 3.500 Raumausstatter 3.702 984 8.200 17
Stefan Schütze GELD, ZEIT, VERSTÄNDLICHKEIT: WARUM BÜROKRATIEABBAU SO WICHTIG IST Gefühlt nimmt die Regelungsdichte im Handwerk von Jahr zu Auch bei der Lebensmittelhygiene geht es um vermeidbare Jahr zu. Die Betriebe überblicken vielfach die Masse der sich Dokumentationspflichten. Hier wird schlicht von einem ver- schnell verändernden Regeln nicht mehr. Der BWHT hat sich alteten Stand der Technik ausgegangen. So wird häufig eine daher den Bürokratieabbau zur Daueraufgabe gemacht. Ei- Aufzeichnung der Temperatur von Kühlgeräten verlangt. Mo- nen Mitstreiter hat das Handwerk im Normenkontrollrat (NKR) derne Geräte sind jedoch mit einer elektronischen Warnung des Landes gefunden. In den letzten Monaten standen dort ausgestattet, sodass diese Dokumentation hinfällig sein die Bürokratieentlastung in Bäckereien und Optimierungs- müsste. möglichkeiten im Brandschutz im Fokus. Die Ergebnisse der Studie lassen sich auf das gesamte Handwerk übertragen. Wichtig auch: Verwaltungspersonal muss besser geschult werden, damit Schreiben und Formulare möglichst verständ- lich gehalten werden. Bürokratie kostet bares Geld. Wenn die Kernaussage nicht klar So wenden Bäckereien für bürokratische Pflichten rund 12,5 Stunden pro Woche auf. Bezogen auf eine 40-Stunden- erkennbar ist, drohen langwierige Recherchen Woche heißt das: Die Kosten einer 30-Prozent-Kraft gehen und unnötige Nachfragen. alleine auf das Konto der Bürokratie. Auch beim Brandschutz könnten Kosten gesenkt werden. Bei Studien und Vorschläge sind ein wichtiges Element im Kampf speziellen Bauwerken wie Produktionshallen, Schulen oder gegen die Bürokratie, entscheidend ist aber die politische Hochhäusern kann der vorbeugende Brandschutz mehr als Umsetzung der Vorschläge. Dazu fehlt ein Bürokratieabbau- zehn Prozent der Baukosten ausmachen. Zwar muss der der- gesetz des Landes noch immer. Der BWHT wird dieses The- zeit hohe Brandschutzstandard selbstverständlich gewährt ma auch in der neuen Legislaturperiode mit Nachdruck ein- bleiben. fordern. Aber ausufernde Dokumentationspflichten fressen viel Zeit und damit Geld. Der NKR schlägt vor, für die Dokumentation der Gefähr- dungsbeurteilungen eine allgemein anerkannte Mustervor- lage zu erstellen, die schnell und einfach ausgefüllt werden kann. Nicht zuletzt muss sich die Kommunikation zwischen Behörde und Betrieb ändern. Gerade beim Brandschutz könnte das viel Geld sparen: Ist ein Gebäude erst im Bau, werden Umplanungen und Nachrüstungen im laufenden Prozess teuer. Eine verpflichtende Auftaktbesprechung bei besonderen Bauprojekten mit Bauherren und Baubehörden könnte Abhilfe schaffen. 18
BERICHT Martin Träuble KRISENBERATUNG CORONA – AUCH VOM HANDWERK STARK NACHGEFRAGT Mit der „Krisenberatung Corona“ können Soloselbstständi- Dabei überwogen Betriebe aus den Gewerken Kfz-Handel ge, Unternehmen und Angehörige der freien Berufe, die mit und -werkstätten, das Metallhandwerk, Bäckereien und Kon- gravierenden Nachfrage- und Produktionsausfällen, unter- ditoreien, Betriebe der Elektrotechnik und des Friseurhand- brochenen Lieferketten, Stornierungswellen, massiven Um- werks. satzeinbußen und Gewinneinbrüchen konfrontiert sind, kostenlose Beratung durch externe Experten in Anspruch Welche Fragen haben die Betriebe in der Beratung beson- nehmen. ders beschäftigt? Den Betrieben kann etwa bei Liquiditätsproblemen zur Vor- Ganz weit vorn lag die Finanz- und bereitung von Bankgesprächen, bei der Erstellung von Kri- senplänen für die operative Arbeit im Unternehmen, bei Kapitalplanung inklusive der Sicherstellung kurzfristiger Schicht- und Produktionsplanung aufgrund an- von Liquidität. gepasster Ressourcenausstattung oder dem Begleiten des Krisenmanagements geholfen werden. Auch die Erstellung einer Strategie für die Zeit nach der Kri- Im Rahmen dieses noch laufenden Förderprogramms konnte se wurde stark nachgefragt. Natürlich gab es auch großes die BWHM GmbH alleine bis Ende 2020 über Interesse an der Begleitung und Optimierung des betriebs- internen Krisenmanagements. Dazu gehörte häufig auch die Erstellung von Krisenplänen für die operative Arbeit im Unter- 300 Projekte nehmen. bewilligen, die überwiegend den maximal beantragbaren Der Handwerkstag setzt sich für eine Verlängerung der Kri- Umfang von vier Tagwerken hatten. Betriebe, vertreten vom senberatung bis Ende des Jahres ein. Einzelunternehmen bis zur GmbH mit über 200 Mitarbeitern, mit im Durchschnitt 19 Mitarbeitern, stellten den Löwenan- teil dar. 19
Sebastian Rajca DAS ERDÖL DER ZUKUNFT? WIE DAS HANDWERK DATEN FÜR SICH NUTZEN KANN „Um es im Leben zu etwas zu bringen, muss man früh auf- Im Handwerk ist man es derweil schon immer gewohnt, früh stehen, bis in die Nacht arbeiten – und Öl finden“, so Jean aufzustehen und hart zu arbeiten. Um mit den neuesten Paul Getty, seines Zeichens Ölunternehmer und ehemals Technologien und Entwicklungen Schritt zu halten, darf reichster Mensch der Welt. Erdöl war im vergangenen Jahr- sich jedoch auch ein wesentlicher Wirtschaftszweig wie das hundert nicht nur ein unersetzlicher Treiber für Mobilität und Handwerk diesen nicht verschließen. Im Gegenteil: wirtschaftlichen Aufschwung, es war ein Rohprodukt, das Wohlstand nahezu garantierte. Heute übernehmen diese Jetzt entstehen die neuen, digitalen Rolle des wirtschaftlichen Motors zunehmend Daten. Das zeigt schon ein Blick auf die Rolle von Tech-Unternehmen wie Geschäftsmodelle der Zukunft. Facebook oder Amazon und deren Stellung im Wirtschafts- system. Statt Förderbänder und Produktionshallen treten Visionen für diese neue Geschäftswelt des Handwerks gibt Bürogebäude und Algorithmen in den Vordergrund, unermüd- es viele und einige sind schon heute in der Anwendung: lich angetrieben von Datenströmen. Künstliche Intelligenzen, Sensoren, präventiver Service – 20
BERICHT das sind die Schlagworte, mit denen die datengetriebene chen Daten auch Rückschlüsse auf Verbrauch und Optimie- Welt von morgen oft beschrieben wird. Aber wie könnte diese rung ziehen. ganz konkret und realistisch aussehen? Dazu lohnt ein Blick in Modellprojekte und Konzepte aus unserer handwerklichen Nachhaltigkeit wird damit letzten Endes Praxis. ebenfalls zu einer Frage der Daten. Künstliche Intelligenzen, die sich von möglichst aussagekräf- tigen Daten ernähren müssen, können schon in kleinsten Entscheidend ist dabei auch, wer diese Rückschlüsse ziehen Anwendungen helfen, den Arbeitsalltag zu erleichtern und kann. Ebenso wie das Öl seit Jean Paul Getty benötigen auch Profite zu steigern. Das kann eine Stimm-Applikation für den Daten als Rohstoff der Zukunft einen vernünftigen Schutz Zupfinstrumentenbauer sein oder ein Bevorratungs- und Ver- gegen Missbrauch und Misswirtschaft. Mit fortschreitenden brauchsprogramm für den Bäckermeister, der sich nicht mehr Entwicklungen werden auch die Möglichkeiten des Daten- um jede Materialbestellung kümmern muss und Gebäck-Be- schutzes, gleichzeitig aber auch seine Praktikabilität ange- darfe der Kunden zuverlässiger vorhersagen kann. Sind hier passt werden müssen. entsprechend aussagekräftige Datengrundlagen vorhanden, so ist die Einrichtung eines passenden Programms lediglich Um letztlich in der Lage zu sein, digitale Technologien und noch die sprichwörtliche Kirsche auf dem Törtchen des be- Geschäftsmodelle von morgen anwenden zu können, bedarf sagten Bäckermeisters. es einer umfassenden Vorbereitung: der Schaffung von Da- tengrundlagen. Ohne einen verlässlichen digitalen Pool von Anderes Beispiel: Ein klassisches Flachdachhaus ist ent- Kunden-, Entwicklungs- und Bestandsdaten kann keine neue sprechend wartungsintensiv, um ein Eindringen von Was- Technologie implementiert werden. Letztlich ist jede Künst- ser zu verhindern. Für verhältnismäßig wenig Geld können liche Intelligenz nur so schlau wie ihr Datenpool und jeder verbaute Sensoren frühzeitig erkennen, wenn Wasser nicht Servicedatensatz ist nur so hilfreich wie die Verlässlichkeit mehr abfließt oder eindringt – große Schäden werden somit seiner Analyse. verhindert und die entsprechende handwerkliche Leistung kann angeboten werden, wenn sie auch wirklich benötigt Um es in Zukunft also zu etwas zu bringen, frei nach Jean wird. Analog zu diesem Beispiel wird am Ende der Entwick- Paul Getty, sollte man früh aufstehen, hart arbeiten – und lung ein smartes Gebäude stehen, dessen Instandhaltung auch ein Bewusstsein für seine Daten und deren Nutzen ent- optimal geregelt ist. Selbstverständlich lassen sich aus sol- wickeln. „KÜNSTLICHE INTELLIGENZ WIRD DEN ARBEITSALLTAG ERLEICHTERN UND PROFITE STEIGERN.“ 21
INTERVIEW Sebastian Rajca EXPERTE HANDWERKPLATTFORMEN Prof. Dr. Heiner Lasi, Direktor des Ferdinand-Steinbeis-Insti- tuts, hat die Professur für Industrial Intelligence an der Stein- beis-Hochschule inne Herr Lasi, Daten werden gerne als wertvoller Rohstoff der Zu- Erfassung der notwendigen Daten. Nach unserer Erfahrung kunft bezeichnet – trifft das auch auf unsere Handwerksbran- sind diese vielfach schon vorhanden oder ansonsten (meis- che zu? tens) einfach zu erheben. Daten – dazu gehören neben Kunden- und Auftragsdaten aus unserer Sicht insbesondere Zustandsdaten, beispiels- Wo sehen Sie die größten Hürden, die das Handwerk nehmen weise Bilder (Foto einer Baustelle), Sensorwerte (Tempera- muss, um digital für die Zukunft gerüstet zu sein? tur und Luftfeuchtigkeit in einem Raum), Objektdaten (Posi- Ich verbinde mit dem Handwerk pragmatisch denkende, mu- tion und Ladezustand eines Akku-Handwerkzeugs) und viele tige Menschen mit praktischen Fähigkeiten, die vielfältige mehr. Probleme durch ihr „Machen“ lösen. Zudem nehme ich wahr, dass im Handwerk eine unkomplizierte Zusammenarbeit In der Erfassung und gemeinsamen Nutzung von Zustands- zwischen unterschiedlichen Betrieben und Gewerken all- daten sehen wir für das Handwerk große Potenziale. Auf Ba- täglich ist. Eigentlich hervorragende Voraussetzungen, um sis unserer Erfahrung mit Projekten im Handwerk sind wir auch im Bereich der gemeinsamen Nutzung von Zustands- der Überzeugung, dass gerade diese nicht personenbezoge- daten und der Erprobung neuer digitaler Lösungen großarti- nen Daten einfach und kostengünstig erfasst und schnell ge Nutzenpotenziale „einfach“ zu erreichen. genutzt werden können. Die große Hürde besteht darin, dass weder das Handwerk Wie lassen sich neue, datengetriebene Geschäftsmodelle am noch andere Betriebe und erst recht nicht die Forschung die ehesten implementieren? Zukunft allein gestalten können. Dies ist nur durch eine ver- Für mich ist wichtig festzustellen, dass in allen Kontexten, trauensvolle und pragmatische Zusammenarbeit möglich. in denen wir mit dem Handwerk zusammen neue Geschäfts- Ich würde mich daher sehr freuen, wenn Handwerksbetriebe modelle erarbeitet haben, nicht mit der Frage, welche Da- mutig auf uns zukommen und wir gemeinsam neue Lösun- ten vorhanden sind, begonnen wurde. Wir beginnen bei der gen gestalten können. Dies ist nach meiner Erfahrung ein- Identifikation des Nutzens – und gehen im Anschluss an die facher, als die mentalen Hürden es vielleicht vortäuschen. 22
Gregor Gierden DIGITALES 3-D-AUFMASS UND DROHNENEINSATZ AUF DER BAUSTELLE – BAUVERBÄNDE MIT GEWERKEÜBERGREIFENDER DIGITALISIERUNGSWERKSTATT Gut angekommen ist die gewerkeübergreifende Digitalisie- den können. Bei einer abschließenden Diskussion konnten rungswerkstatt, die im vergangenen Jahr zum Thema „Di- die Teilnehmer sich über die vorgestellten Techniken sowie gitales 3-D-Aufmaß und Drohneneinsatz auf der Baustelle“ Einsatzmöglichkeiten in ihren Unternehmen austauschen. stattfand. „Die Nutzung digitaler 3-D-Aufmaß-Techniken bietet Bauhandwerksfirmen vielfältige Chancen – sowohl Nach dem erfolgreichen Auftakt wurde die Digitalisierungs- bei der Optimierung betrieblicher Prozesse als auch bei der werkstatt in den folgenden Monaten mit zwei weiteren Work- Erschließung neuer Geschäftsfelder“, so Manuela Schwörer, shops fortgesetzt. Unter anderem ging es dabei um das Leiterin der Geschäftsstelle Freiburg der Bauwirtschaft Ba- Thema „Aufmaß mit Drohnen und Fotogrammetrie“ sowie den-Württemberg. Ziel der Digitalisierungswerkstatt war es, um Fragen der Umsetzbarkeit im Betrieb und der Kundenak- Unternehmen des Bau- und Ausbaugewerbes beim Einstieg zeptanz. Zusätzlich wurden der Aspekt der Nachvollziehbar- in die neue Technologie zu unterstützen. Insgesamt sieben keit sowie rechtliche Gesichtspunkte beim digitalen Aufmaß Betriebe aus dem Bau-, Dachdecker-, Maler-, Stuckateur- angesprochen. und Zimmererhandwerk beteiligten sich an der Maßnahme. Um die in den Workshops gewonnenen Ergebnisse auch Im Rahmen eines ersten Workshops hatten die Teilnehmer anderen Betrieben zugänglich zu machen, wurden nach Ab- zunächst Gelegenheit, wesentliche Grundlagen kennenzuler- schluss der Veranstaltungsreihe Transferunterlagen erstellt. nen. Ein Vermessungsingenieur stellte aktuelle Entwicklun- Diese sind veröffentlicht und den beteiligten Handwerksver- gen im Bereich 3-D-Aufmaß vor und erläuterte wichtige Fach- bänden zur Weitergabe an ihre Mitglieder zur Verfügung ge- begriffe. Im Anschluss präsentierten Firmenvertreter anhand stellt. verschiedener Instrumente – darunter Totalstationen (elek- tronische Tachymeter) und 3-D-Scanner – die unterschied- Das Projekt Digitalisierungswerkstatt wird durch das Minis- lichen Messmethoden. Für die Zuschauer war es dabei fas- terium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Würt- zinierend zu beobachten, wie mithilfe digitaler Techniken temberg finanziell gefördert und ist eingebunden in die Zu- Räume in nur wenigen Minuten dreidimensional erfasst wer- kunftsperspektive „Handwerk 2025“. 23
Martin Träuble KOOPERATION IM SINNE DER BETRIEBE – WIE HANDWERKSKAMMERN UND DIE INTENSIVBERATUNG DER BWHM ZUSAMMENARBEITEN Im hektischen Betriebsalltag ist es oft schwer, den Blick für So kamen auch in diesem Jahr aus fast allen Kammerbezir- eine längerfristige und strategisch durchdachte Planung zu ken Empfehlungen und Kooperationen zustande, die das Be- haben. Die Intensivberatung der Zukunftsinitiative „Hand- ratungsangebot der Handwerkskammern um die geförderte werk 2025“ unterstützt Handwerksbetriebe dabei, Zukunfts- Intensivberatung für das Handwerk ergänzten und komplet- themen, Technologie- und Marktentwicklungen für ihr Gewerk tierten. zu erkennen und ihr Geschäftsmodell danach auszurichten. Ein Teil der Betriebe kommt auch über die Handwerkskam- Ein echtes Beratungs-Highlight war ein Elektrotechnik-Fach- mern des Landes zur BWHM GmbH, die die Intensivberatun- betrieb, der sowohl die Personalberatung der Handwerks- gen verantwortet. In aller Regel handelt es sich um Unter- kammer Region Stuttgart wie auch die Intensivberatung nehmen, deren Beratungsprojekt eine Tiefe oder aber einen zum Themenfeld Personal in Anspruch nahm. Im konkreten Umfang hat, die bzw. der von den Beratungspersonen der Fall ging es um die innerbetriebliche Organisation mehrerer Handwerkskammern aus Kapazitätsgründen teilweise nicht Teams. Bestehende Reibungsverluste sollten geglättet und bewerkstelligt werden kann. nach Möglichkeit sogar eliminiert werden. Dietmar Böhm, 24
„DURCH AUSTAUSCH UND ABSTIMMUNG WURDE DEM BETRIEB ERFOLGREICH GEHOLFEN.“ der dieses Projekt als freier Berater der BWHM GmbH be- gleitete, zeigte sich begeistert über die professionelle und „Wenn ein Betrieb schon Teile entwickelt eng verzahnte Zusammenarbeit mit Nicola Pauls, Leitung und herstellt, die in der Luft- und Raumfahrt Personaloffensive Handwerk 2025. „Die Zusammenarbeit mit Nicola Pauls lief großartig. Gemeinsam konnte mit dem eingesetzt werden – warum sollen wir dann Team des Kunden ein tragfähiges Wertesystem entwickelt nicht mit Astronauten werben?“ und umsetzungsnah begleitet werden.“ Auch Nicola Pauls sieht durch die Tandemberatung nur Vor- Doch auch die Unternehmensnachfolge, ein Bereich, der teile: „Sie bietet dem Betrieb die Möglichkeit, von zwei Bera- das Handwerk immer stärker beschäftigt, ist oft Kernthema tungsfeldern und -kompetenzen zu profitieren. Dieser Vorteil der Kooperation und des kollegialen Austausches zwischen kam bei der gemeinsamen Beratung mit Herrn Böhm zum den Handwerkskammern und der BWHM GmbH. Egal ob es Tragen. Durch den engen Austausch und die dadurch opti- sich wie bei einer Schreinerei mit zugehörigem Küchenstudio male Abstimmung von Beratungsprozess und angewandten und mehreren Niederlassungen um ein Familienunterneh- Methoden konnte dem Betrieb in seiner Weiterentwicklung men handelt oder ob die Aufgabenstellung die Suche einer erfolgreich weitergeholfen werden.“ externen Person zur Übernahme des Betriebes notwendig macht. In beiden Fällen konnten die Betriebe dank der Ko- Auch ein metallverarbeitender Betrieb aus der Feinmecha- operation der Institution fachlich kompetent und umfassend nik, der für sehr spezielle Branchen wie die Luft- und Raum- beraten werden. „Dass dabei die ein oder andere Beratung fahrt tätig ist und daher Fachkräfte der Spitzenklasse be- zur familieninternen Nachfolge von der Konstellation her ei- nötigt, wurde von seiner Handwerkskammer in Konstanz nem Familienfest gleichkommt, hat schon einen besonderen an die BWHM GmbH empfohlen. Hier wurde gemeinsam mit Charme“, weiß der freie Berater Oliver Eckert zu berichten. dem externen Berater – ebenfalls im Rahmen der Intensiv- Dabei komme es besonders darauf an, eine für alle Betei- beratung für das Handwerk zu einem hohen Maße gefördert ligten faire Lösung zu finden, die alle betrieblichen wie auch – die Besonderheit des Kundenkreises herausgearbeitet familiären Aspekte berücksichtigt, für eine nachhaltige Zu- und plakativ auf der Website des Handwerksbetriebes be- kunft des Betriebs. worben. In diesem Projekt setzte die BWHM GmbH auf Uli Korn, der Handwerksbetriebe bei der Stärkung ihrer Arbeit- gebermarke berät. 25
Peter Haas MARKTCHANCE „NACHHALTIGKEIT“ – DAS HANDWERK HAT’S ERFUNDEN Seit die Menschen Kopf und Hand als perfekte Instrumente sucht. Ganz gleich, ob man Nachhaltigkeit ökologisch, öko- zur Problemlösung begriffen, nutzten sie diese – also schon nomisch oder sozial definiert – das Handwerk gehört zu den seit den erfindungsreichen Werkzeugmachern der Steinzeit. Erfindern dieser zukunftsorientierten Haltung. Das sollten Beim Konstruieren, Nahrungzubereiten und Gestalten galt wir wieder stärker – und selbstbewusster – herausstellen. es stets, nicht mehr Rohstoffe einzusetzen als nötig. Wer jetzt abwinkt und sagt, das Wort könne er nicht mehr hören, ein jeder rede mittlerweile davon, dem sei gesagt: Genau das ist der Zeitpunkt, an dem ein Begriff zur Markt- Ressourcenschonung liegt Handwerkerinnen chance wird. Es geht gerade erst richtig los – und so schnell und Handwerkern in den Genen. nicht mehr weg. Auch die Weitergabe von Erfahrung zur Sicherung und Meh- Nachhaltigkeit wird massenhaft rung des Wissens, sprich: das handwerkliche Ausbildungswe- sen, zeugt von einer Nachhaltigkeitskultur, die ihresgleichen nachgefragt. 26
BERICHT Energetisches Bauen, gesunde Ernährung, klimaschonende Es bedarf meist gar nicht vieler Schritte, um sich als nach- Mobilität sind Megatrends und zugleich ureigenste Arbeits- haltiger Betrieb richtig darzustellen – und sich damit auch felder des Handwerks. Was für ein Glück! gegenüber Kunden und auch potenziellen Mitarbeitern at- traktiver zu präsentieren. Denn eines ist sicher: Nachhal- Klar ist: Der Klimawandel macht Anstrengungen im Umwelt- tiges Wirtschaften ist ganz konkret für jeden Betrieb ein schutz besonders vorrangig. Die Energie- und Wassereinspa- Wettbewerbsvorteil. Konsumenten möchten sich mit den rungen der letzten Jahrzehnte, im gewerblichen wie privaten gekauften Waren und bezogenen Dienstleistungen „wohl- Bereich, waren vielfach das Ergebnis handwerklicher Bera- fühlen“. Ausbildungsinteressierte legen Wert darauf, dass ihr tungen und Installationen. Für ein rundum stimmiges Nach- Arbeitgeber zu den „Guten“ gehört. Auch immer mehr Auf- haltigkeitsmanagement gehört es aber dazu, dass nicht nur traggeber aus Industrie und öffentlicher Hand verpflichten die Umwelt, sondern auch Menschen und Betriebe eine Zu- sich zur Vergabe an Betriebe mit ausgewiesenem Nachhaltig- kunft haben. Was Handwerkerinnen und Handwerker dazu keitsengagement. Eine schöne Aktion in die richtige Richtung jeden Tag leisten, ist vielen gar nicht bewusst. Die Beispiele war die Kampagne „Partner der Energiewende“ des Landes- reichen von der PV-Anlage bis zum Biofleisch, von der E-Mo- handwerks gemeinsam mit dem Umweltministerium. Hiervon bilität bis zum Recycling von Materialabfällen. brauchen wir mehr! Wie die Nachhaltigkeit ganz konkret belegt wird, was man Handwerk baut nicht nur neu, sondern tun kann, strategisch und pragmatisch, in der Betriebsfüh- auch um, saniert und repariert. rung, im Marketing, in der Personalarbeit – diese Unterstüt- zungsleistung ist eine klare Aufgabe für das Netzwerk der Im Gegensatz zum Wegwerfartikel aus dem Discount sind Handwerksunterstützer, also die Handwerks-Organisationen, handwerkliche Produkte langlebig und qualitätsvoll. Hand- Kammern, Verbände, Kreishandwerkerschaften und Innun- werk ist vor Ort, ist die Wirtschaft der kurzen Wege. Hand- gen. Der BWHT gibt dem Thema Nachhaltigkeit eine neue werk wirtschaftet mit generationsübergreifender Perspekti- Priorität. Lassen Sie uns die tausendfachen Chancen her- ve, erhält das kulturelle Erbe und kennt die Beschäftigten ausarbeiten, die notwendigen Hilfs- und Beratungsangebote nicht nur als Humankapital. organisieren und fokussiert promoten und somit hinter die Nachhaltigkeitskompetenz der Gewerke ein neues Ausrufe- zeichen setzen! So schafft die Wirtschaftsmacht von neben- an das gute Leben von übermorgen. Peter Haas ist seit 1. April 2021 neuer Hauptgeschäfts- in Sachen Umweltschutz und faire Arbeitsbedingun- führer des Baden-Württembergischen Handwerkstags. gen global in der Kritik stand. Die Transformation hin Das Handwerk kennt und schätzt er aus seiner Zeit zu nachhaltigeren Produktionen und Produkten sowie als Kommunikationschef der Handwerkskammer Ham- einer entsprechenden Unternehmenskultur war daher burg. Vor seinem Wechsel zum BWHT war er für den ein zentrales Thema seiner Arbeit. Den Verband Süd- Verband der Textil- und Bekleidungsindustrie im Süd- westtextil machte er zum ersten klimaneutralen Indus- westen tätig – und damit Vertreter einer Branche, die trieverband Deutschlands. 27
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