MAUS Mitteilungen ausunsererSäugetierwelt Heft17 - ISSN 0940-807X Arbeitsgruppe Wildlebende Säugetiere (AGWS) - AGWS-BW

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MAUS Mitteilungen ausunsererSäugetierwelt Heft17 - ISSN 0940-807X Arbeitsgruppe Wildlebende Säugetiere (AGWS) - AGWS-BW
MAUS
Mitteilungen
aus unserer Säugetierwelt                           Heft 17

      Arbeitsgruppe Wildlebende Säugetiere (AGWS)
        Baden-Württemberg e. V., September 2011
                    ISSN 0940-807X
MAUS Mitteilungen ausunsererSäugetierwelt Heft17 - ISSN 0940-807X Arbeitsgruppe Wildlebende Säugetiere (AGWS) - AGWS-BW
MAUS 17, 9/2011

                              Inhaltsverzeichnis
In eigener Sache                                                                         1

Berichte und Aktivitäten
Einige Aktionen zum Thema „Dachs – Wildtier des Jahres 2010“ (Thomas Rathgeber)        3
Der Luchs, Wildtier des Jahres 2011 – eine persönliche Betrachtung (Wolfgang Schlund) 10

Originalarbeiten
Soziale Thermoregulation – eine Alternative zum Tagestorpor bei männlichen
Siebenschläfern, Glis glis (Linnaeus, 1766) (Joanna Fietz)                              15
Steinmarder, Martes foina (Erxleben, 1777), ohne Schwanzspitze
(Hans-Werner Maternowski)                                                               16
Alpenspitzmaus (Sorex alpinus) auf der Schwäbischen Alb (Hans-Martin Weisshap)          18
Erfassungsmethoden für Eichhörnchen (Sciurus vulgaris) und andere Hörnchenarten
im Rahmen faunistischer Untersuchungen (Stefan Bosch und Peter W. W. Lurz)              21

Termine
Veranstaltungsangebote des Naturschutzzentrums Ruhestein zum
Themenkomplex Säugetiere                                                               29
Umweltbildung rund um den Biber – Fortbildungsveranstaltung der
Arbeitsgruppe Wildlebende Säugetiere Baden-Württemberg e.V. (AGWS)                     38

Buchbesprechungen, Leserbriefe, Sonstiges
Buchbesprechungen                                                                      40

Zum Schluss
Junge Füchse in Höhlen der Schwäbischen Alb (Thomas Rathgeber)                         42
Arbeitsgruppe Wildlebende Säugetiere Baden-Württemberg e.V. (AGWS)                     44
MAUS, Mitteilungen aus unserer Säugetierwelt (Impressum)                               45

Titelfoto:
Andreas Länge, Reutlingen (zum Artikel „Junge Füchse in Höhlen der Schwäbischen Alb“)
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                                 In eigener Sache

Vor 20 Jahren, am 27. Mai 1991, wurde die Arbeitsgruppe Wildlebende Säugetiere Baden-
Württemberg e. V. (AGWS) gegründet. In den Vereinsakten wird als erstes Mitglied Rainer
Allgöwer geführt, gefolgt von Monika Braun, Dr. Fritz Dieterlen, Dr. Reinhard Flößer, Ewa
Paliocha, Brigitte Röhler, Pia Wilhelm und Harald Brünner. Das war gerade eine Person mehr
als Mitglieder nötig sind, um einen Verein zu gründen. Unter der Vorsitzenden Monika Braun,
deren Stellvertreterin Pia Wilhelm und dem Schatzmeister Reinhard Flößer entwickelte sich
die AGWS aber innerhalb weniger Jahre zu einem ca. 60 Mitglieder starken Verein, der sich
zur Aufgabe gemacht hatte, den Informationsaustausch unter den Säugetierkundlern in Ba-
den-Württemberg zu fördern und gemeinsam für den Schutz und Erhalt der wildlebenden
einheimischen Säugetiere einzutreten.
Schwerpunkt der Arbeit der AGWS war in den ersten Jahren das Projekt „Wildlebende Säuge-
tiere in Baden-Württemberg“, eine Bestandsaufnahme im Rahmen des Artenschutzpro-
gramms des Landes Baden-Württemberg. Nach Erscheinen des ersten Bandes der „Säugetie-
re Baden-Württembergs“ im Jahr 2003 konnte mit der Herausgabe des zweiten Bandes das
ehrgeizige Vorhaben 2005 erfolgreich abgeschlossen werden. Ohne die fleißige Arbeit vieler
AGWS-Mitglieder, die kartiert, ausgewertet und Artikel verfasst haben, wäre dieses großarti-
ge Grundlagenwerk nicht möglich gewesen. Maßgeblich verantwortlich für den großen Er-
folg aber waren zwei Personen, die über Jahre das Projekt koordiniert, vorangetrieben und
zusammengehalten hatten: unsere Gründungsmitglieder Monika Braun und Fritz Dieterlen!
Um die Mitglieder über die Arbeit der AGWS zu informieren und untereinander säugetier-
kundliches Wissen auszutauschen, wurde bereits im ersten Jahr die „MAUS – Mitteilungen
aus unserer Säugetierwelt“ als wichtiges Organ der AGWS herausgegeben. Zugegeben, den
verantwortlichen Redakteuren fiel und fällt es nicht immer leicht, die „MAUS“ mit Beiträgen
zu füllen, schließlich lebt die Vereinszeitschrift von der ehrenamtlichen Mitarbeit der AGWS-
Mitglieder. In den Jahren 2000, 2001 und 2008 ist es tatsächlich nicht gelungen, ein Heft he-
rauszubringen. Schade eigentlich, denn ich glaube, jedes Mitglied freut sich, wenigstens ein-
mal im Jahr unsere Mitteilungen in den Händen halten zu können. Allen, die sich in den
letzten 20 Jahren für das Erscheinen der „MAUS“ eingesetzt haben, gilt unser Dank. Beson-
ders bedanken möchte ich mich bei Thomas Rathgeber, der seit 2005 die Redaktion über-
nommen hat und mit viel Fleiß und großem Sachverstand fast jährlich eine, wenn auch
manchmal kleine, aber jedes Mal feine „MAUS“ zusammenstellt. Ihm ist es auch zu verdan-
ken, dass die AGWS seit 2008 im Internet mit einer eigenen Homepage präsent ist, die regel-
mäßig aktualisiert wird.

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Nach Fertigstellung des Grundlagenwerks „Die Säugetiere Baden-Württembergs“ im Jahr
2005 konnte sich die AGWS anderen Aufgaben zuwenden. Dazu zählt die Förderung von
wissenschaftlichen Freilandarbeiten an Säugetieren und seit dem letzten Jahr die landesweite
Kartierung und das Monitoring der Haselmäuse in Baden-Württemberg im Auftrag der Lan-
desanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg.
Neben dieser eher wissenschaftlichen Ausrichtung der AGWS hat sich in den letzten 20 Jah-
ren aber noch etwas ergeben: Freundschaften zwischen AGWS-Mitgliedern, die bei den jähr-
lichen (Familien-) Treffen mit spannenden Themen gepflegt werden. So waren wir in die-
sem Jahr im Heidelberger Zoo, um uns von Dr. Uli Weinhold und seinen Mitarbeitern das
Feldhamster-Zuchtprojekt vorstellen zu lassen. Der zweite Programmpunkt war ein Besuch
im Luisenpark in Mannheim. Dort begrüßte uns dessen Geschäftsführer Joachim Költzsch
und informierte uns über die Zielsetzung dieses Volksparks. In einem Seminarraum stellten
die Eichhörnchen-Spezialisten Stefan Bosch und Peter Lurz ihr neu erschienenes Buch vor;
letzterer hielt außerdem einen spannenden Vortrag über seine Forschungen an Eichhörnchen
und Grauhörnchen in Großbritannien. Der dritte Teil des Jubiläumsprogramms, das unsere
Mannheimer Mitglieder Paul Hennze und Torsten Kliesch zusammengestellt hatten, war eine
Exkursion zu einem „Hamsterfeld“ in der Umgebung Mannheims. Hier berichteten wieder-
um Uli Weinhold und sein Kollege von den Schwierigkeiten der Erhaltung der hier noch
wildlebenden Hamsterbestände und zeigten die Probleme auf, die bei der Auswilderung ge-
züchteter Feldhamster entstehen.
Es war – mit gemütlichem Ausklang in einer Gartenwirtschaft – ein gelungener und span-
nender Tag auch deshalb, weil viele der Mitglieder von vor 20 Jahren auch dieses Jahr wieder
dabei waren. AGWS – weiter so!

Wolfgang Schlund
(Vorsitzender)

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Berichte und Aktivitäten                                                         MAUS 17, 9/2011

                           Berichte und Aktivitäten

Einige Aktionen zum Thema „Dachs – Wildtier des Jahres 2010“

Thomas Rathgeber

Der Dachs war 2010 von der Schutzgemeinschaft Deutsches Wild, einer Organisation zur
Erhaltung der freilebenden Tierwelt mit Sitz in Bonn, zum „Wildtier des Jahres“ ernannt
worden. Das Staatliche Museum für Naturkunde Stuttgart nahm dies im März und April 2010
zum Anlass, als Auftakt einer neuen Präsentation unter dem Motto „Im Fokus“ eine Schau-
vitrine im Eingang des Museums am Löwentor dem Dachs zu widmen.

                                        Abb. 1: Zu Ehren des Dachses Ende 2009 erschienene Son-
                                        derbriefmarke „Tier des Jahres 2010“.

An Objekten gezeigt wurde neben einem Block der Sonderbriefmarke der Deutschen Post
(Abb. 1) eine Kollektion von 11 Dachs-Schädeln, die zusammen mit anderen Knochen in
einer im Jahr 2007 neu zugänglich gewordenen Höhle bei Lichtenstein entdeckt worden wa-
ren. Als Neuankündigung und als Hinweis auf dieses erste Thema von „Im Fokus“ erschien
im 2-monatlichen Programm des Stuttgarter Naturkundemuseums der folgende Text, der –
was die Zeitstellung von Ren und Gemse betrifft – allerdings nicht ganz zutreffend war:

Im Fokus – Dachse aus der Schneehalle
Mit diesem Veranstaltungsprogramm startet das Museum für Naturkunde eine neue Reihe.
In einer Vitrine direkt am Eingang des Museums am Löwentor stehen alle zwei Monate aus-
gewählte Exponate im Fokus, die ein laufendes Forschungsprojekt des Museums beleuchten.
Den Beginn machen wir – ganz aktuell – mit dem „Wildtier des Jahres 2010“, dem Dachs.
Allerdings haben unsere Dachse schon einige Jahre auf dem Buckel! Sie stammen aus der erst
im Jahr 2007 entdeckten Höhle „Schneehalle“ auf der Schwäbischen Alb bei Lichtenstein.
Dort fanden sich zahlreiche Fossilien aus dem Nacheiszeitalter (Holozän), darunter neben

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Resten von Braunbär, Wolf, Fuchs, Wildkatze, Rentier und Gämse auch 20 Dachse aller Al-
tersstadien – eine Besonderheit, denn fossile Dachse sind echte Raritäten. Möglicherweise
wirkte diese Höhle über lange Zeit als Tierfalle. Dafür sprechen von Kratzspuren zerfurchte
Höhlenwände, die von vergeblichen Befreiungsversuchen abgestürzter Dachse herrühren
könnten. Die Knochenanhäufung könnte aber auch das natürliche Sterben in einer Dachs-
Population über eine lange Zeit widerspiegeln. Weitere Informationen unter: http://science.
naturkundemuseum-bw.de/files/2008_LHF_kl43.pdf
Mit der PDF-Datei, die über die Homepage des Stuttgarter Naturkundemuseums im Internet
für jedermann verfügbar ist, wurde auf eine höhlenkundliche Veröffentlichung im „Laichin-
ger Höhlenfreund“ verwiesen, auf der die ganze Präsentation beruhte.

                                                 Abb. 2: Vitrine im Eingangsbereich des Museums
                                                 am Löwentor mit dem ersten Thema von „Im Fo-
                                                 kus“, den Dachsschädeln aus der Höhle „Schnee-
                                                 halle“ bei Lichtenstein.

In der mit einem ebenen Sockel ausgestatteten, 1 m breiten, 1 m tiefen und 2,2 m hohen
Schauvitrine (Abb. 2) musste man sich aus Platzgründen auf die besterhaltenen Dachsschä-
del aus der Schneehalle beschränken. Dabei zeigten zehn Schädel – im Halbkreis angeordnet
und auf ihrer Unterseite liegend – mit der Schnauzenpartie zur Mitte, wo als Besonderheit ein
vollständig bezahnter elfter Schädel mit dem Gebiss nach oben platziert war (Abb. 3). Die
Nummern bei den Schädeln korrespondierten mit den Fundkomplex-Nummern in einem
aufgelegten Ausschnitt des Höhlenplans, in welchem bei der Bergung die Funde lagerichtig
und orientiert eingetragen worden waren (Abb. 4). Ansonsten gab es in der Vitrine noch ei-
nen 40-zeiligen erläuternden Text, der dem Museumsbesucher einige Grundinformationen
vermittelte. Zusätzliche Erläuterungen zur Höhle, zur Bergung der Funde und zu ihrer Aus-
wertung bot eine Folge von zwölf Bildern mit Erläuterungen, die während der Öffnungszei-
ten auf einem hinter den Funden aufgestellten „digitalen Bilderrahmen“ in sich wiederholen-
der Folge abgespielt wurde.

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Berichte und Aktivitäten                                                       MAUS 17, 9/2011

Abb. 3: Schädelfunde vom Dachs, Meles meles (Linnaeus, 1758) – Auswahl
der elf besterhaltenen Schädel aus der Schneehalle (Gesamtlänge von Schä-
del 10: 13,3 cm).
Für besonders Interessierte gab es zum Mitnehmen ein vierseitiges bebildertes Faltblatt im
Format DIN A5, dessen Text – da anderweitig noch nicht publiziert – im Folgenden nahezu
unverändert wiedergegeben ist:

Dachse aus der Schneehalle
Ein Dachsfriedhof auf der Schwäbischen Alb
Als im Jahr 1758 der schwedische Naturforscher Carl von Linné dem Dachs den lateinischen
Namen Ursus meles gab, sah er in diesem einen kleinen Bruder der Bären. Dazu mögen
Ähnlichkeiten im Gebiss wie bei der Fortbewegung beigetragen haben – und vielleicht auch
eine gewisse Vorliebe für ein zeitweises Leben unter der Erde in selbst gegrabenen Bauen
oder in vorhandenen Höhlen. Der Dachs, der wissenschaftlich jetzt Meles meles heißt, gehört
zwar, wie die Bären, in die Ordnung der Raubtiere, als Angehöriger der Marder-Familie ist er
mit den Bären allerdings nur sehr entfernt verwandt.
Der Dachs, das Wildtier des Jahres 2010, bewohnt meist seine im Boden und in Lockergestei-
nen selbstgegrabenen Baue. Auf der Schwäbischen Alb, wo unterm Boden nur Festgesteine
vorhanden sind, nutzt er heute zusätzlich auch natürliche Höhlen. In der Vergangenheit war
dies ebenso, doch aus älteren Ablagerungen sind Reste des Dachses selten und meist auf
Einzelstücke beschränkt. Ein Glücksfall war daher im Jahr 2007 die Entdeckung der Höhle
„Schneehalle“ (Abb. 5) unweit des Lichtensteins auf der Reutlinger Alb.

                                                                                            5
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                                                         Abb. 4: Kartierung der Tierschädel- und
                                                         weiterer Knochenfunde in der Schnee-
                                                         halle – schematische Darstellung im
                                                         Grundrissplan aufgrund der Einmes-
                                                         sung der Funde am 11. Juli 2007 durch
                                                         Frank Schüler (Planzeichnung F. Schü-
                                                         ler; Grafik Th. Rathgeber).

Neuentdeckung mit über 500 Knochen
Knöcherne Reste von mehr als 20 Dachsen aller Altersstadien, darunter 11 ziemlich gut bis
vollständig erhaltene Schädel (Abb. 3 und 6), konnten am Boden der Höhle geborgen werden.
Einzelne Reste von Braunbär, Wolf, Fuchs, Wildkatze, Ren und Gämse deuten darauf hin,
dass die Höhle über einen Jahrtausende, vom jüngeren Eiszeitalter bis zur Gegenwart, rei-
chenden Zeitraum zu einer Knochenkammer geworden war.

                                              Abb. 5: Werner Nagel, der Entdecker, bei der ersten
                                              Erkundung der „Schneehalle“ am 24. Juni 2007
                                              (Foto W. Nagel).

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Vermutlich zeugt die wohl überwiegend während des Holozäns, der bis heute andauernden
Nacheiszeit, gebildete Knochenanhäufung sowohl vom natürlichen Sterben in einer Dachs-
Population als auch von einer gelegentlichen Nutzung der Höhle durch andere Raubtiere.
Diese dürften die wenigen Reste der Pflanzenfresser eingeschleppt haben oder – wie die
Dachse – selbst in der Höhle verendet sein.

Dachsbaue als Fossillagerstätten
Von den Tieren selbst gegrabene Dachsbaue können über Jahrtausende bestehen. Knochen
sind in ihnen nur ausnahmsweise erhalten, weil sie in der Regel durch die späteren Bewoh-
ner an die Oberfläche transportiert werden. Dort unterliegen sie unter natürlichen Bedingun-
gen der Verwitterung. In einer Höhle, die als Dachsbau dient, ist dies nicht der Fall. Hier
sammeln sich die Reste über Generationen an und bleiben, wie im Fall der „Schneehalle“,
unter günstigen Bedingungen erhalten.

                                                     Abb. 6: Dachsschädel Nr. 10 mit linkem Unter-
                                                     kiefer in Fundlage (Foto W. Nagel).

Knochen aus wesentlich älteren, rund 110000 Jahre alten Dachsbauen wurden von den Palä-
ontologen des Stuttgarter Naturkundemuseums in den Jahren 1986/87 in Steinheim an der
Murr untersucht. Vom Dachs hat man in den verfüllten Hohlräumen nur wenige Reste ge-
funden, dafür aber umso mehr von Kleinsäugern, Vögeln, Reptilien, Amphibien und Fischen.

Schriften
Bloos, G., Böttcher, r., heinrich, W.-D. & MünzinG, K. (1991): Ein Vorkommen von Kleinverte-
   braten in jungpleistozänen Deckschichten (Wende Eem/Würm) bei Steinheim an der
   Murr. – Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde, Serie B (Geologie und Paläontologie), Nr. 170,
   S. 1-72, 26 Abb., 4 Tab.; Stuttgart.

                                                                                                 7
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PeGel, M. (2005): Dachs, Meles meles (Linnaeus, 1758). – In: Die Säugetiere Baden-Württem-
   bergs, Band 2, S. 477-498, 11 Abb., Tab. 100-103; Stuttgart (Verlag E. Ulmer).
r athGeBer, th. (2008): Pleistozäne und holozäne Tierreste aus Höhlen im Kartenblatt 7521 Reut-
   lingen (Schwäbische Alb). – Laichinger Höhlenfreund, Jg. 43, S. 27-34, 6 Abb., 2 Tab.; Lai-
   chingen. < http://science.naturkundemuseum-bw.de/files/2008_LHF_kl43.pdf (0,42 MB) >

Nach zwei Monaten ging die Ausstellung in Stuttgart zu Ende. Bereits zuvor war die Idee
entstanden, die Dachsfunde während des Jahres 2010 auch in ihrem Herkunftsgebiet auf der
Reutlinger Alb zu zeigen. Eine passende Gelegenheit bot das Event „Kunst im Tuffsteinkeller“
in Honau unterm Lichtenstein. Dabei waren an den vier Wochenenden des Juni sechs der
unter diesem Ort so zahlreichen Tuffsteinkeller zu besichtigen, in welchen die Künstler ihre
meist eigens für diesen besonderen Raum geschaffenen Werke präsentierten.
Der Schwerpunkt unserer kleinen, von der Höhlenforschungsgruppe Pfullingen betreuten
Begleitausstellung im alten Rathaus von Honau lag auch diesmal bei den Dachsschädeln.
Weil in der Vitrine eine etwas größere Fläche zur Verfügung stand, konnten an einer Serie
von acht Schienbeinen unterschiedlichen Lebensalters das Größenwachstum des Dachses
und die zunehmende Verknöcherung des Schienbeins demonstriert werden – vom Neugebo-
renen bis zum Alttier, bei dem im Extremfall sogar Schien- und Wadenbein fest miteinander
verwachsen sind (Abb. 7).

                                                               Abb. 7: Schienbeine des Dachses in
                                                               der Honauer Ausstellung – unter-
                                                               schiedliche Altersstadien von neu-
                                                               geboren bzw. neonat (links) bis
                                                               hochbetagt bzw. senil (rechts).

Außerdem wurden einige „Beifunde“ aus der Schneehalle gezeigt. Als besonders wichtig
waren Reste von solchen Arten ausgewählt, die nach ihrem Erhaltungszustand oder ihrem
bloßen Vorhandensein einen jungpleistozänen Anteil an der Gesamtfauna aufzeigen, wie Rot-
fuchs, Ren und Gämse. Weitere Arten dürften, wie sicher die Mehrzahl der Dachse, ein holo-
zänes Alter haben, nämlich Wolf, Braunbär und Wildkatze (Abb. 8). Auffallend ist das Fehlen

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von Haustieren, die in nacheiszeitlichen Höhlenfaunen der Schwäbischen Alb in der Regel
zahlreich vertreten sind.
Diese kleine Präsentation ergänzend und abschließend bot ich am letzten Sonntag im Juni
unter dem Titel „Dachs & Co. – die vierbeinigen Helfer der Höhlenforscher“ in einem Vortrag
mit Bildern Informationen zur Biologie und Paläontologie des Dachses an. Die Themen wa-
ren unter anderem: Dachse als Entdecker von Höhlen und archäologischen bedeutsamen
Gegenständen, Skelettbau und Gebiss des Dachses sowie seine Altersstadien, Aussehen und
Erstreckung von Dachsbauen, Aufsammlungen an Dachsbauen und deren Auswertung.
Schließlich ging es auch noch einmal um Funde und Befunde aus der Schneehalle, und hier
besonders um die möglicherweise von Kratzspuren der Dachse zerfurchten Wandpartien in
der Höhle (Abb. 9).

                                                                       Abb. 8: Übersicht über
                                                                       die Großsäugetiere aus
                                                                       der Schneehalle – Dar-
                                                                       stellung unter Berück-
                                                                       sichtigung ihrer Fund-
                                                                       häufigkeit.

Mein Fazit speziell zum Wildtier Dachs, das dann noch für reichen Diskussionsstoff sorgte,
bestand aus folgenden, sicherlich auch allgemein bedenkenswerten Thesen:
• Der Dachs ist ein faszinierendes Säugetier, das durch seine Baue in der Lage ist, sogar die
  Landschaft zu beeinflussen.
• An Dachsbauen werden durch natürliche Vorgänge tierische Überreste konzentriert wie bei
  uns heute sonst nirgendwo in der Landschaft.
• Es gibt keinen vernünftigen Grund, den Dachs im 21. Jahrhundert in Mitteleuropa zu beja-
  gen.

                                                                                             9
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Bedauerlicherweise fiel die Veranstaltung zeitlich zusammen mit einem Achtelfinalspiel im
Rahmen der Fußballweltmeisterschaft, weshalb sich nur wenige Zuhörer eingefunden hat-
ten.
Doch alles in allem wird man wohl die geschilderten Aktionen als positiven Beitrag werten
dürfen in dem Bemühen, dem Dachs, dem Wildtier des Jahres 2010, mehr Aufmerksamkeit
zu verschaffen, auch wenn der Fokus stärker auf die Paläontologie als auf die Rezentbiologie
unseres „Erdmarders“ gerichtet war.

                                                    Abb. 9: Möglicherweise war die Schneehalle
                                                    lange Zeit eine Tierfalle. Dafür sprechen mit
                                                    schneeweißer Montmilch überzogene Wand-
                                                    partien, die von Kratzspuren zerfurcht sind.
                                                    Diese könnten von vergeblichen Befreiungs-
                                                    versuchen abgestürzter Dachse herrühren.
                                                    Die Montmilch ist eine mikrokristalline, we-
                                                    gen ihres hohen Wasseranteils zunächst vis-
                                                    kose Kalzit-Ablagerung, die beim Austrock-
                                                    nen zunehmend hart wird.

Anschrift
Thomas Rathgeber, Staatl. Museum für Naturkunde Stuttgart, Rosenstein – Gewann 1,
70191 Stuttgart, E-Mail: thomas.rathgeber@smns-bw.de

Der Luchs, Wildtier des Jahres 2011 – eine persönliche Betrachtung

Wolfgang Schlund

Die Schutzgemeinschaft Deutsches Wild e.V. hat den Luchs zum Tier des Jahres 2011 gewählt.
Als Begründung wird angeführt, dass die größte in Europa lebende Katzenart, die durch
starke Vertreibung einst fast verschwunden gewesen ist, zunehmend wieder den Weg in
deutsche Wälder finde. Die Schutzgemeinschaft Deutsches Wild möchte mit dieser Wahl die
bedrohte Tierart Luchs in den Fokus der Allgemeinheit rücken.
Also eine gute Idee dieser Schutzgemeinschaft! Aber ist die Informationskampagne über-
haupt notwendig? Ist der Luchs nicht längst schon bei uns angekommen? In Hochglanzbro-

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Berichte und Aktivitäten                                                        MAUS 17, 9/2011

schüren der Touristikfachleute stehen Luchse werbewirksam für intakte Naturlandschaften,
Luchse schmücken die Kataloge von Outdoor-Ausrüstern, Luchse sind Maskottchen für
Imagekampagnen von Naturschutzverbänden, Plüschluchse zieren die Kinderzimmer, und
wenn ich Teilnehmer an naturkundlichen Wanderungen durch die Wälder des Nordschwarz-
walds frage, ob es hier wohl Luchse gebe, wird in aller Regel mit einem „Ja, selbstverständ-
lich“ geantwortet.
Man könnte also den Eindruck gewinnen, der Luchs sei schon längst da, zumindest in den
Köpfen vieler sei er angekommen. Aber wie verhält es sich mit dem Tier selbst? In der Schweiz
und in Frankreich, in den Südvogesen und im Französischen Jura, leben Luchse. In Bayern
gibt es eine stabile Luchspopulation im Bayerischen Wald. Im Harz existiert eine kleine
Luchspopulation. In Nordrhein-Westfalen (Eifel und Hohes Venn), in Hessen und in Rhein-
land-Pfalz (Pfälzer Wald) gibt es regelmäßig Luchs-Sichtungen. Rings um Baden-Württem-
berg ist also Luchsland. Und wie steht es bei uns?
In Baden-Württemberg war der Luchs nicht „fast verschwunden“, wie es bei der Schutzge-
meinschaft Deutsches Wild für ganz Deutschland heißt, sondern er war völlig verschwun-
den. 1846, vor 155 Jahren, wurde in Baden-Württemberg nachweislich der letzte Luchs erlegt.
Als „Nahrungskonkurrent“, als „Bestie“, als „mörderisches Wildtier“ oder einfach nur als
Jagdkonkurrent hat man den Luchs ausgerottet – und mit ihm Bär und Wolf, und ebenso
unsere Adlerarten, den Schrei-, den Stein- und den Schlangenadler.
In unseren Nachbarländern war das übrigens genau so. Ganz Mitteleuropa war mehr oder
weniger „luchsfrei“. Und als vor 100 Jahren eine zarte Naturschutzbewegung in Europa und
vor allem in Deutschland entstand, galt ihr Interesse vorrangig der Bewahrung von schönen
Landschaftsbildern, dem Schutz seltener Pflanzen, wie Orchideen, und seltener Tiere, wie
vielen Vogelarten, aber lange noch nicht dem Schutz oder gar der Wiedereinbürgerung von
„Raubtieren“.
Gedanken wie „Natur Natur sein lassen“, Sukzession und Dynamik zulassen, „Wildnis för-
dern“, das sind bei uns moderne Naturschutzansätze, die erst langsam den Weg in die Natur-
schutzarbeit gefunden haben, heute aber – obwohl noch lange nicht allgemein anerkannt –
eine tragende Säule in Naturschutzstrategien darstellen. Mit gutem Grund hat die
Bundesregierung 2008 in der nationalen Biodiversitätsstrategie festgelegt, dass 5 % der Deut-
schen Wälder bis zum Jahr 2020 aus der Nutzung genommen werden sollen. Mit der Schaf-
fung von „Wildnisgebieten aus zweiter Hand“ oder – vielleicht wissenschaftlich korrekter
ausgedrückt – mit der Schaffung von Naturentwicklungsgebieten, wäre, so die einhellige
Meinung vieler Ökologen, ein großer Schritt getan, dem Artenrückgang entgegenzuwirken.
Mehr noch, hat nicht Michael Succow recht, wenn er schreibt:

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„Wildnis, also nutzungsfreie Naturräume, die aus sich heraus existieren, brauchen den Men-
schen nicht, aber der Mensch der technisierten Welt braucht Wildnis auch als Maß und um
seiner Demut willen. Wildnis ist eine Alternative zur zunehmend urbanisierten Welt. In einer
Zeit wachsender Orientierungslosigkeit und Entwurzelung können wir im Erleben unverletz-
ter ‚heiler Welt‘ zu geistigseelischem Wohlbefinden, zu künstlerischer Inspiration, zu Hoffung,
aber auch zu Ehrfurcht vor der Natur, zu Spiritualität und zur Bescheidenheit gelangen. In
diesem Sinne ist der Erhalt von Wildnis kein Luxus, sondern eine Kulturaufgabe der mensch-
lichen Gesellschaft.“ (succoW 2011)
Das sind große Worte. Was hat das aber mit dem Luchs zu tun? Ich meine, viel. Mein acht-
jähriger Sohn begreift diese Worte nicht. Er hat sie aber schon längst im Herzen, wenigstens
verraten das seine Augen, wenn wir gemeinsam durch einen Bannwald spazieren. Er hat sie
schon längst im Herzen, wenn wir gemeinsam einen Specht, ein Reh oder einen Hirsch be-
obachten – und jetzt noch einen Luchs, das wäre die Krönung für ihn!
Die Werbestrategen haben dieses Empfinden, diese Sehnsucht nach „Wildnis“ schon längst
erkannt, und der Luchs ist ein Aushängeschild dazu. Für Ökologen und Naturschützer darf
der Luchs aber kein Aushängeschild sein. Uns sollte er ein Maß sein, mit dem wir messen
können, wie ernst wir es mit dem Zulassen von mehr Wildnis meinen und wie erfolgreich
wir damit sind.
Hat der Luchs bei uns eine Chance? Seit beinahe 40 Jahren wurde darüber in Baden-Würt-
temberg diskutiert – und leider auch häufig gestritten. Hat der Luchs Platz in unserer Kultur-
landschaft, verträgt er unsere Kulturlandschaft, wie viel Rehe frisst er den Jägern weg und
welche gravierenden Nachteile haben Landwirte und Schäfer zu befürchten, wenn sich der
Luchs wieder bei uns breit machen würde? Das sind Sorgen und Ängste, die nicht mit einer
romantisch verklärten Leidenschaft für den Luchs weggewischt werden können, Sorgen und
Ängste, die sachlichen Dialog brauchen. In Baden-Württemberg bietet dazu seit 2004 die
„Arbeitgruppe Luchs“ (AG Luchs) eine gute Plattform. Eingesetzt vom Ministerium Ländli-
cher Raum und funktional angesiedelt bei der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt
Baden-Württemberg (FVA) tauschen sich hier Luchsbefürworter und solche, die Bedenken
haben, regelmäßig aus. Bei der FVA laufen alle Luchsmeldungen aus Baden-Württemberg
zusammen und hier werden auch Forschungsarbeiten zum Luchs koordiniert.
Doch wo stehen wir heute? Was wissen wir? Die Standpunkte haben sich angenähert, man
redet sachlich miteinander, hat Vertrauen zueinander gefunden – ein erster Erfolg für den
Luchs! Wir wissen, dass es weltweit keinen Fall gibt, bei dem Menschen durch Luchse gefähr-
det wurden. Wir wissen aber auch, dass Luchse, obwohl sie als Art streng geschützt sind,
immer wieder durch den Menschen gefährdet und gewildert werden. Wir wissen, dass Luch-

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Berichte und Aktivitäten                                                             MAUS 17, 9/2011

se genügend Lebensraum in unserer Kulturlandschaft finden würden. Nach den Simulations-
modellen von Stephanie Kramer-Schadt (zitiert in „Der Luchs“, 2008) könnten 60 bis 80
Tiere im Schwarzwald auf Dauer leben. Wir wissen aber auch, dass Luchse zu Verkehrsop-
fern werden können. Wir wissen, dass Luchse Rehe fressen. Wir wissen aber auch, dass die
Rehbestände in Baden-Württemberg so hoch sind, dass Jäger und Luchse gemeinsam jagen
könnten. Wir wissen, dass Luchse auch andere Säugetiere fressen und auch nicht vor Schafen
oder Kälbern halt machen. Wir wissen, dass man in solchen Fällen die Landwirte und Schä-
fer entschädigen muss. Wir wissen ferner, dass Landwirte und Schäfer bei Anwesenheit des
Luchses besondere Herdenschutzmaßnahmen ergreifen müssen. In der AG Luchs besteht
Einigkeit darüber, dass Luchse in Baden-Württemberg leben könnten, und man würde sie,
wenn sie denn kämen, bei uns akzeptieren.
Wir wissen also viel. Aber wo bleibt der Luchs? Auch in Baden-Württemberg gab und gibt es
immer wieder Luchsbeobachtungen, Meldungen von Waldspaziergängern, Autofahrern, Jä-
gern oder Förstern. Viele dieser Meldungen konnten von Experten nicht bestätigt werden und
fallen deshalb nach den internationalen SCALP-Kriterien (Status and Conservation of the
Alpine Lynx Population) unter die Kategorie C3. In den vergangenen Jahren gelangen aber
auch mehrere C2-Nachweise, also von Experten bestätigte Risse und Fährten. C1-Nachweise,
das sind Fotos, Totfunde, eingefangene Luchse oder genetische Nachweise, gab es in Baden-
Württemberg aber nur in den Jahren 2005 bis 2007, als zum Beispiel ein Luchs an seinem
Riss gefilmt werden konnte. Den traurigen Höhepunkt der Luchsnachweise bot dann schließ-
lich ein überfahrener Luchs auf der A8 bei Laichingen im Januar 2007. Alle späteren Luchs-
meldungen sind meistens der Kategorie C3 und nur selten C2 zuzuordnen. Baden-Württem-
berg hat demnach keine Luchspopulation, es gibt höchstens Einzeltiere, deren Herkunft,
Aufenthalt und Verschwinden aber völlig unklar sind.
Warum ist nun rings um Baden-Württemberg Luchsland und bei uns nicht? Das lässt sich
einfach erklären. Auch in anderen Ländern wurde jahrelang über die Luchsfrage diskutiert. Im
Unterschied zu uns hat man sich dort aber durchgerungen, Luchse aktiv auszuwildern. Alle
Luchspopulationen in den Nachbarländern gehen auf Auswilderungen zurück. Die Luchsexper-
ten sind sich darin einig, dass eine tragfähige Luchspopulation in Baden-Württemberg mittel-
fristig nur durch ein gutes, wissenschaftlich begleitetes Auswilderungsprojekt erfolgreich etab-
liert werden kann. Für ein solches Projekt gibt es leider derzeit bei der AG Luchs keine Einigkeit.
Das ist schade, denn jetzt wäre es an der Zeit. Jetzt, im „Jahr des Luchses“, sollten wir den Mut
haben und dem Vorgehen anderer Länder folgen. Geben wir doch dem Luchs – und auch uns
– eine Chance, und zeigen wir, dass auch Baden-Württemberg wieder ein Luchsland werden
kann. Auch bei uns muss ein Stück Wildnis möglich sein: für uns, für den Luchs und für

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unsere Zukunft. Der Luchs braucht jetzt unsere Hilfe, es liegt in unserer Hand. Baden-Würt-
temberg sollte endlich sein Luchs-Auswilderungsprojekt starten!
Wäre es nicht wunderbar zu wissen, dass uns auf einer Wanderung im Schwarzwald plötz-
lich ein Luchs begegnen könnte? Für meinen Sohn und für mich wäre es das Größte.

Mehr Infos zum Luchs unter < info@der-luchs.de > und folgenden Links:
NABU Nordrhein-Westfalen – http://nrw.nabu.de/themen/jagd/beutegreifer/luchs/
AG Luchs Baden-Württemberg – http://www.ag-luchs.de/
Raubkatzen-Forum       von     HYPERLINK       „HTTP://WWW.BIG-CATS.DE/PAGE.PHP?ID
=MITGLIED&USERID=1“ FRANK HUBER – http://www.big-cats.de/luchs.htm
Tipp: Besuch des Luchserlebnispfades bei Baden-Baden < www.luchspfad-baden-baden.de >

Literatur
K raMer-schaDt, stePhanie: [Nicht publizierte Gutachten und Vorträge sowie „PhD thesis“ von
   schaDt, stePhanie 2002, Ergebnisse zusammengefasst zitiert in:] – Der Luchs – zurück in
   Baden-Württemberg, NABU Baden-Württemberg e.V. – 32 Seiten, zahlr. Abb.; Stuttgart
   (2007).
succoW, Michael (2011): „... warum mir der Naturschutz so am Herzen liegt!“ (Naturschutz
   persönlich betrachtet). – Natur und Landschaft, Zeitschrift für Naturschutz und Land-
   schaftspflege, Jg. 86, Nr. 1, S. 19-23, 5 Abb.; Stuttgart.

Anschrift
Dr. Wolfgang Schlund, Naturschutzzentrum Ruhestein, Schwarzwaldhochstraße 2,
77889 Seebach
E-Mail: Wolfgang.Schlund@naturschutzzentren-bw.de

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Originalarbeiten                                                                 MAUS 17, 9/2011

                                  Originalarbeiten

Soziale Thermoregulation – eine Alternative zum Tagestorpor bei männlichen
Siebenschläfern, Glis glis (Linnaeus, 1766)

Joanna Fietz

Siebenschläfer (Glis glis) sind mit ca. 100 g die größten einheimischen Bilche und verbringen
ca. 8 Monate pro Jahr unter der Erde im Winterschlaf. Sie gehen aber auch während ihrer
viermonatigen Aktivitätsphase oftmals für mehrere Stunden am Tag in Torpor. Während des
Torpors wird die Körpertemperatur bis auf die Umgebungstemperatur gesenkt und der Sau-
erstoffverbrauch drastisch reduziert. So können torpide Tiere bis zu 95 % ihres Energiever-
brauchs einsparen. Torpor stellt also die effizienteste physiologische Anpassung dar, um
Energie zu sparen und somit Zeiten der Nahrungsknappheit und Kälte zu überstehen.
Bei Siebenschläfern ist jedoch, wie bei einigen anderen Winterschlaf haltenden Säugerarten,
zum Beispiel dem Feldhamster (Cricetus cricetus) oder dem Goldmantel-Ziesel (Spermophi-
lus lateralis), bekannt, dass reproduktive Männchen diese effiziente Anpassung nicht nutzen
können, da hohe Testosteronwerte die Fähigkeit, in Torpor zu gehen, blockieren. Reproduk-
tive Männchen erfahren daher hohe thermoregulatorische Kosten während einer Zeit im
Frühsommer, wenn die Nahrungsgrundlagen noch recht mager sind, und nehmen während
dieser Zeit auch deutlich ab. Ziel unserer Freilanduntersuchungen war es daher zu untersu-
chen, welche ökophysiologischen und verhaltensökologischen Konsequenzen die Reproduk-
tivität der Männchen hat.
Da wir während unserer Nistkastenkontrollen oftmals mehrere Männchen zusammen in
Schlafgruppen antrafen, nahmen wir an, dass Siebenschläfer die soziale Thermoregulation als
Energiesparalternative zum Torpor nutzen. Um abzuschätzen wie viel Energie durch das Bil-
den von Schlafgruppen eingespart werden kann, quantifizierten wir mit Hilfe von tragbaren
Stoffwechselboxen den Energieverbrauch von einzelnen Siebenschläfern und von Schlafgrup-
pen im Freiland. Ergebnisse dieser Messungen zeigten, dass Siebenschläfer in Schlafgruppen
bis zu 40 % weniger Energie verbrauchten, da sich die Tiere gegenseitig wärmen und dadurch
einen geringeren Wärmeverlust haben als Tiere, die alleine sitzen. Die Größe der Schlafgruppen
wird zum einen durch die Umgebungstemperatur bestimmt, das heißt an kalten Tagen sitzen
mehr Tiere zusammen als an warmen. Zum anderen war die Gruppengröße aber auch von
der Körpergröße der Männchen bestimmt, denn kleine Individuen haben ein ungünstiges Ver-
hältnis von Oberfläche zu Volumen und verlieren dadurch vergleichsweise mehr Wärme an

                                                                                             15
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die Umgebung. Kleine Männchen waren entsprechend öfter in größeren Gruppen zu finden als
große. Zudem konnten wir auch zeigen, dass Männchen mit großen Hoden und entsprechend
hohen Testosteronwerten in größeren Gruppen saßen als Männchen mit kleinen Hoden. Dies
bedeutet, dass Siebenschläfer-Männchen Schlafgruppen bilden, um thermoregulatorische Kos-
ten zu sparen, und die Gruppengröße in Abhängigkeit von Umgebungstemperatur, Körpergrö-
ße und Reproduktivität variieren. Die Soziale Thermoregulation stellt also eine flexible Verhal-
tensanpassung dar, um thermoregulatorische Kosten zu reduzieren.

Literatur
Fietz, J.; K lose, s. M. & K alKo, e.K. V. (2010): Behavioural and physiological consequences of
   male reproductive trade-offs in edible dormice (Glis glis). – Naturwissenschaften, The
   Science of Nature, Vol. 97, No. 10, p. 883-890, 2 fig., 4 tab.; Berlin und Heidelberg.

Anschrift
PD Dr. Joanna Fietz, Institut für Experimentelle Ökologie, Universität Ulm,
Albert-Einstein-Allee 11, 89069 Ulm
E-Mail: Joanna.Fietz@uni-ulm.de

Steinmarder, Martes foina (Erxleben, 1777), ohne Schwanzspitze

Hans-Werner Maternowski

Aus ökonomischer Sicht können Straßen vielleicht eine positive Bilanz aufweisen. Für die
Tierwelt ist sie eindeutig negativ. Das fängt bei der Zerschneidung der Landschaft an und hat
u. a. seine Fortsetzung bei den durch den Verkehr zu Tode gekommenen Tieren. Eine Vielzahl
von Publikationen weisen auf diese Problematik hin (z. B. Günther et al. 2005).
Zu den häufigen Verkehrsopfern gehört auch der Steinmarder (MaternoWsKi 1999, linDeroth
2005). In diesem Zusammenhang kann von einem interessanten Fund aus Bühl (MTBQ
7314/2) im Landkreis Rastatt berichtet werden.
Am 15. Januar 2011 lag ein totes Exemplar dieser Art am südlichen Ortsausgang der Stadt, an
der Bundesstraße B 3 auf Höhe der Siemensstraße, am Straßenrand. Der Zustand des Tieres
und auch die Verkehrssituation erlaubten die Bergung.
Die Untersuchung des weiblichen Steinmarders zeigte eine Fraktur am linken Hinterbein und
diverse schwere Verletzungen im Schädelbereich. Das Vermessen ergab folgende Werte:

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Originalarbeiten                                                                     MAUS 17, 9/2011

                                               Abb. 1: Steinmarder ohne Schwanzspitze.

Gewicht             1390 g
Kopf-Rumpflänge 420 mm
Schwanzlänge         140 mm
Hinterfußlänge        80 mm
Ohrlänge              38 mm
Stutzig macht gewiss die geringe Länge des Schwanzes. turni in linDeroth (2005) nennt für
fünf weibliche Steinmarder in Baden-Württemberg Schwanzlängen zwischen 218 mm – 240
mm. stuBBe (1993) ermittelte bei der Messung von 160 weiblichen Tieren ein Mindestmaß
von 205 mm. Die detaillierte Untersuchung des geborgenen Tieres ergab, dass ein Teil des
Schwanzes fehlte (Abb. 1). Der Verlust muss aber bereits vor längerer Zeit eingetreten sein,
denn die Wunde war gut verheilt.
Erwähnenswert ist weiterhin die Kehlfleckzeichnung (Abb. 2). Meist hat sie beim Steinmar-
der eine gegabelte Form, dabei ist die Variationsbreite groß (stuBBe 1993). Bei dem vorliegen-
den Individuum bedeckt der weiße Kehlfleck nahezu flächendeckend den Unterhals und
reicht bis in den Brustbereich. Im Übergangsbereich zwischen Hals und Rumpf befindet sich
mittig angeordnet ein kleiner brauner Fellfleck. Eine ähnliche Form zeigt Dieterlen (2005)
durch eine Zeichnung von F. Müller, nur ohne den braunen Fleck in der Mitte.

.

                                               Abb. 2: Steinmarder mit weißem Kehlfleck, der bis in
                                               den Brustbereich reicht, und mittig angeordnetem
                                               braunem Mittelfleck

                                                                                                 17
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Eine Untersuchung des Mageninhalts erbrachte nur einen ca. 1 cm3 großen Klumpen Haare,
wahrscheinlich von Kleinsäugern stammend, einzelne kleine Knochenfragmente sowie drei
Nadeln von einer Eibe.
Der vorgestellte Fund eines verkehrstoten Steinmarders ohne Schwanzspitze ergänzt ein we-
nig den Kenntnisstand. Die zur Bestimmung wichtigen Ober- und Unterkiefer liegen als Prä-
parat vor.

Literatur
Dieterlen, F. (2005): Ordnung Raubtiere (Raubsäuger, Beutegreifer) (Carnivora). – In: Braun,
   M. & Dieterlen, F. (Hrsg.): Die Säugetiere Baden-Württembergs, Bd. 2. Stuttgart (Eugen
   Ulmer): 356-362.
Günther, a., niGMann, u., achtziGer, r. & GruttKe, h. (2005): Analyse der Gefährdungsursachen
   planungsrelevanter Tiergruppen in Deutschland zur Ergänzung der bestehenden Roten
   Listen gefährdeter Tierarten. – Naturschutz und Biologische Vielfalt, 21. Münster-Hiltrup
   (LV Druck im Landwirtschaftsverlag GmbH): 19-605.
linDeroth, P. (2005): Steinmarder Martes foina (Erxleben, 1777). – In: Braun, M. & Dieterlen,
   F. (Hrsg.): Die Säugetiere Baden-Württembergs, Bd. 2. Stuttgart (Eugen Ulmer): 437-450.
MaternoWsKi, H.-W. (1999): Steinmarder (Martes foina ERXLEBEN 1777) als Straßenver-
   kehrsopfer. - Mitteilungen des LFA für Säugetierkunde Brandenburg, 1999 (2): 2-10;
   Beeskow.
stuBBe, M. (1993): Martes foina (Erxleben, 1777) – Haus-, Steinmarder. – In: stuBBe, M. &
   K raPP, F. (Hrsg.): Handbuch der Säugetiere Europas, Bd. 5/1 (Carnivora). Wiesbaden (AU-
   LA-Verlag GmbH): 427-475.

Anschrift
Hans-Werner Maternowski, Im Grün 34, 77815 Bühl
E-Mail: HW.Maternowski@t-online

Alpenspitzmaus (Sorex alpinus) auf der Schwäbischen Alb

Hans-Martin Weisshap

In Baden-Württemberg konzentrieren sich die Vorkommen der Alpenspitzmaus auf die
Schwarzwaldhochlagen. Außerhalb sind die Funde oder Beobachtungen äußerst spärlich

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und beschränken sich weitgehend auf wenige Fundorte auf der Schwäbischen Alb (turni
2005): So gelang P. Löhrl 1969 ein Nachweis bei Balingen-Weilstetten in einer Höhe von
830 m ü. NN. Im Jahr 1988 gelang H.-P. Döhler ein fotografischer Nachweis bei Mühlheim an
einem Fels nahe dem Kloster Beuron. Zuletzt wurde die Alpenspitzmaus im Jahr 1998 bei
Tuttlingen beobachtet (D. Dolch).

Abb. 1: Alpenspitzmaus (Sorex alpinus) am Plettenberg bei Dotternhausen, Schwäbische Alb.

Am 18.07.2011 fand ich im NSG Plettenkeller am Plettenberg bei Dotternhausen eine tote
Spitzmaus, die ich aufgrund der einheitlich dunklen Fellfärbung, des auffallend langen
Schwanzes und der großen Füße als Alpenspitzmaus einordnete. Ich habe das Tier fotogra-
fisch dokumentiert (s. Abb.1 u. Abb. 2).
Die Funddaten sind: Blockhalde in Südwest-Ausrichtung, ehemaliger Steinbruch oberhalb
Ratshausen, ca. 905 m ü. NN; Koordinaten: 8.81033 O, 48.20161 N, Datum: 18.07.2011.
Der Fund belegt, dass die Alpenspitzmaus auf der Schwäbischen Alb nach wie vor vorhanden
ist. Dass innerhalb der vergangenen 42 Jahre nur vier Nachweise gelangen, zeigt jedoch auch,
dass die Alpenspitzmaus auf der Schwäbischen Alb auf sehr wenige, mehr oder weniger
isolierte Lebensräume beschränkt ist.

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Abb. 2: Alpenspitzmaus (Sorex alpinus) am Plettenberg bei Dotternhausen, Schwäbische Alb. Dasselbe Tier
in ventraler Ansicht.

Literatur
turni, H. (2005): Alpenspitzmaus – Sorex alpinus Schinz 1837. – In: Braun, M. & F. Dieterlen
   (Hrsg.): Die Säugetiere Baden-Württembergs, Bd. 2, p. 62-68; Stuttgart (Eugen Ulmer).

Anschrift
Hans-Martin Weisshap, Fred-West-Str. 16, 72379 Hechingen
E-Mail: HYPERLINK „mailto:hm@weisshap.de“ hm@weisshap.de

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Erfassungsmethoden für Eichhörnchen (Sciurus vulgaris) und andere
Hörnchenarten im Rahmen faunistischer Untersuchungen

Stefan Bosch und Peter W. W. Lurz

Im Naturschutz und in der Landschaftspflege sind Eichhörnchen als typische Waldbewohner
bei der Bewertung von Waldlebensräumen eine wichtige Schlüsselart. Eichhörnchen sind
zwar weit verbreitet, aber nicht häufig zu beobachten. Durchschnittliche Dichten in verschie-
denen Waldtypen liegen meistens unter oder um ein Tier pro Hektar (Bosch & lurz 2011). Die
Dichte in einem Gebiet bzw. die Aktionsräume einzelner Tiere unterliegen zahlreichen Ein-
flüssen: vor allem dem verfügbaren Nahrungsangebot (energiereiche Baumsamen) sowie
vorhandenen Baumarten, Jahreszeit, Witterung und Fortpflanzungsaktiviäten – und die an-
gewandte Erfassungsmethode nimmt ebenfalls Einfluss auf die Ergebnisse.
Damit Eichhörnchen nicht nur mit Gelegenheitsbeobachtungen in Gebietsartenlisten oder bei
säugetierkundlichen Erfassungen und Gutachten einfließen, sollten sie mit inzwischen ver-
fügbaren Methoden sicher nachgewiesen und ggf. im Bestand erfasst werden. Methodische
Hinweise dazu sind u. a. von Münch 1996 in Deutschland veröffentlicht worden. In Großbri-
tannien wurden in den letzten Jahren im Rahmen des Grauhörnchen-Problems (z. B. lurz et
al. 2005, Bosch & lurz 2011) teilweise leicht handhabbare Methoden erarbeitet und evaluiert,
die eine schnelle Erfassung von Eichhörnchen im Feld ermöglichen, um einheitliche, ver-
gleichbare Daten zu erhalten (Gurnell et al. 2009, 2011).
Mit diesen Methoden können
1) die Anwesenheit von Eichhörnchen nachgewiesen,
2) zwischen der Anwesenheit von Eich- und Grauhörnchen differenziert und
3) quantitative Aussagen zur Dichte in einem Gebiet getroffen werden (Tab. 1). Vor allem letz-
tere Daten sind zum Nachweis von Bestandsentwicklungen, z. B. im Rahmen des schwanken-
den Nahrungsangebotes sowie für Schutz- und Forstmanagement zur Erfolgskontrolle wichtig.
In unserer Übersicht sollen die derzeit gängigen Methoden kurz dargestellt und in ihrer Aus-
sagekraft bewertet werden.
Grundsätzlich bieten sich zwei Gruppen von Erfassungsmethoden an:

1. Direkte Methoden
Bei direkten Methoden sind geltende Bestimmungen der Natur-, Arten- und Tierschutzgeset-
ze zu beachten und ggf. vor Aufnahme der Arbeiten behördliche Genehmigungen einzuholen
sowie Sachkenntnisse und Erfahrungen mit den Methoden nachzuweisen.

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Fallenfang
Wegen ihres Fleisches und Pelzes wurden Eichhörnchen früher mit Totschlagfallen gefangen.
Für wissenschaftliche Fragestellungen werden allerdings Lebendfallen eingesetzt. Fang, Mar-
kierung und Wiederfang liefern viele Daten aus dem Leben einzelner Tiere. Der Lebendfallen-
fang hat aber durchaus seine Schwierigkeiten, er ist eine Kunst und eine Wissenschaft. Bei
Baumkronenbewohnern wie Eichhörnchen ist die Platzierung von Fallen schwierig. Der Fang-
erfolg schwankt übers Jahr erheblich, denn bei gutem natürlichem Nahrungsangebot (z. B.
Samenmast) sind Köder ziemlich uninteressant. Ob Tiere überhaupt in die Falle gehen, hängt
von diversen Faktoren ab. Die Fängigkeit ist entsprechend der Aktivitäten und des Vorhanden-
seins von Futter unterschiedlich und im Frühjahr (Paarungsbeginn) oder Sommer (Futter-
knappheit, da oft Samen vom Vorherbst aufgebraucht sind und Köder ein willkommenes Essen
sind; lurz 1995) oder Herbst (Münch 1998) höher als im Winter. Mitunter spielen auch Alter und
Geschlecht, Witterung, Bewölkung oder die Baumartendichte eine Rolle. Es gibt „fallen-freudi-
ge“ Hörnchen, die sich mehrfach fangen lassen und andere, die man nur ein einziges Mal oder
überhaupt nicht erwischt. Zudem können Futterköder zusätzliche Tiere anlocken, deshalb soll-
ten Bestandsangaben diesen möglichen Effekt berücksichtigen.
Fallenfang bedeutet für Fänglinge extremen Stress: Symptome wie unkoordinierte Handlun-
gen, Zuckungen, Bewusstlosigkeit bis hin zum Tod (Gurnell 1987) sind möglich. Einflüsse auf
Herzfrequenz, Körpertemperatur (Abfall rektal bis 27° C), Nebennieren-Glucocorticoide und
Blutzucker sind nachgewiesen. Zur erhöhten Sterblichkeit kommt es möglicherweise verstärkt
bei rangniederen Tieren, schlechter Kondition und niedrigem Fettvolumen. Aus diesen Grün-
den müssen Lebendfallen tagsüber zwei- bis dreimal kontrolliert werden und Fänglinge dürfen
nie lange Zeit und niemals über Nacht gefangen sein. Lebendfallen müssen einen dunklen
Unterschlupf bieten, in den sich Fänglinge zurückziehen und schützen können. Ist das Hörn-
chen während der Vorbereitungsphase kurz vor Entnahme aus der Falle gestresst, sollte die
Falle unter Umständen abgedeckt werden. Verletzungen können auftreten, wenn Tiere in Panik
gegen den Fallendraht stoßen.
Der Umgang mit gefangenen Eichhörnchen erfordert Wissen und Erfahrung. Sie müssen vor-
sichtig und sicher behandelt werden, z. B. in kleinen Maschendraht-Zylindern (handling-co-
nes). Sie helfen Stress zu reduzieren: die Tiere müssen nicht festgehalten, sondern können ruhig
am Boden abgelegt und mit einem Tuch bedeckt werden (Dunkelheit beruhigt). So werden die
Tiere schnell und schonend behandelt, gemessen oder markiert und stressbedingte Todesfälle
vermieden (lurz 1995, Münch 1998). Mehr Geschick und Übung erfordert ein Beutel (handling-
bag; z. B. KoProWsKi 2002), der sich nach vorne verengt und nur soviel Platz bietet, um den Kopf
hindurch zu stecken. Der Beutel kann mit einem Reiß- oder Klettverschluss geöffnet werden.

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Individuelle Markierung
Zur Markierung einzelner Tiere sind Fellfarben, Schwanz- und Ohrmarken, Tätowierungen
oder passive, integrierte Transponder (pit tags) geeignet. Allerdings sind Markierungen, die
Sichtbeobachtungen erfordern, im Wald schwer zu entdecken. Eine ideale aber aufwändige
Methode zur Verfolgung einzelner Tiere ist die terrestrische Radiotelemetrie. Mit Halsband-
sendern versehene Tiere können über längere Zeiträume mit Funksignalempfängern verfolgt
und wertvolle Daten über Aufenthaltsorte und evtl. über Aktivitäten und Temperatur ge-
wonnen werden. Zur Methodik und Auswertung von Telemetriedaten finden sich Details bei
K enWarD 2001 und Wauters et al. 2007.

2. Indirekte Methoden

Sichtbeobachtungen
Aufgrund der Lebensweise sind Sichtbeobachtungen nicht immer einfach. In dichten Nadel-
wäldern oder bei ungünstigem Wetter sind die Tiere praktisch nicht zu sehen. Mit Sichtbeob-
achtungen lassen sich die Anwesenheit und die Art ermitteln, Dichteabschätzungen sind nur
begrenzt möglich und erfordert eine Distanzmessung zwischen Beobachter und Tier (siehe
Gurnell et al. 2009). Sichtbeobachtungen werden auf festgelegten Routen (Transekten)
durchgeführt. Um den Erfolg der Methode zu verbessern, hat man in Großbritannien mit
kleinen, auf einen weiten Bereich verstreuten Futtermengen experimentiert (Gurnell et al.
2011). In einem bestimmten Zeitschema wird auf den Transekten vorher mit kleinen Samen-
mengen angefüttert, um die Eichhörnchen aus den Baumkronen zu locken, was die Anzahl
erfolgreicher Beobachtungen im Durchschnitt signifikant erhöht.

Nest- bzw. Kobelzählungen
Von der Zahl an Winterkobeln kann man nur annähernd auf die Zahl anwesender Tiere schlie-
ßen. Kobelzählungen im Nadelwald sind schwierig und im Laubwald nur in der laublosen
Jahreszeit möglich. Kobel sind nicht immer sicher zu identifizieren (Verwechslung mit Vogel-
nestern) und beim Vorkommen mehrerer Baumhörnchenarten nicht eindeutig zuzuordnen.
Eichhörnchen haben parallel mehrere Kobel in Betrieb. In Telemetriestudien in Nordengland
lag der Durchschnitt bei drei bis vier mit einem Maximum von acht verschiedenen, gleichzeitig
benutzten Kobeln über eine Zeitspanne von drei Wochen (lurz 1995). Ein gezählter Kobel muss
nicht zwangsläufig aktuell besetzt sein (Details bei Wauters & Dhont 1988, Gurnell et al. 2009).
Manche Studien nutzten „Nistkästen“ für Eichhörnchen, in denen Jungtiere leichter gezählt,
untersucht, vermessen und markiert werden können und das in einem früheren Lebensalter

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als beim Lebendfang (z. B. shuttleWorth 1999). Allerdings suchen Eichhörnchen nicht regel-
mäßig Nisthilfen auf, sondern bauen meistens Zweignester oder nutzen Baumhöhlen.

Fressspuren
Typische Fressspuren wie abgenagte Zapfenspindeln bestätigen die Anwesenheit von Hörn-
chen, aber nicht die Art und erlauben grobe Dichteabschätzungen in großen Wäldern (Gur-
nell et al. 2009). Die Methode funktioniert nur, wenn Nadelbäume (Anwesenheit und Dichte-
abschätzung) und/oder Haselnüsse (nur Anwesenheit) vorhanden sind. Dichteabschätzungen
sind in der Regel sehr variabel, zeigen jedoch große Veränderungen in der Eichhörnchen-
Anzahl deutlich an.
Mit ausgelegten Maiskörnern kann man Hörnchen anlocken. Anhand charakteristischer
Fressspuren sind vor allem Grauhörnchen von anderen Interessenten klar unterscheidbar
und die Methode ist schnell und einfach durchzuführen (Gurnell et al. 2009).

Haarspuren
Mit Fressködern beschickte Haarfallen (hairtubes) sammeln Haare der vorhandenen Hörn-
chen. Kriecht ein Tier durch die Röhre, bleiben an einem Klebefilmstreifen Haare hängen, die
unter dem Mikroskop untersucht und der Art zugeordnet werden können (teerinK 1991). Die
Methode erfasst die Art (die Struktur der Deckhaare ist bei Eich- und Grauhörnchen unter-
schiedlich) und ihre Anwesenheit, ist jedoch arbeitsintensiv und erfordert Erfahrung mit
Haaranalysen (Gurnell et al. 2009). Dichteabschätzungen sind schwierig und ungenau. Haar-
fallen erwiesen sich zum Monitoring in Italien und England zusammen mit anderen Daten
als eine gute Möglichkeit, Hörnchenpopulationen in dichten Nadelwäldern und niedriger Po-
pulationsdichte (0,1 bis 0,5 Tiere/ ha) zu erfassen (Bertolino et al. 2009).

Fotofallen
Eine weitere Methode sind mit Bewegungsmeldern ausgestattete Digitalkameras (Fotofallen),
die in den letzten Jahren z. B. bei Tigern in Indien, Wölfen in den Alpen und Wildkatzen in
Schottland im Einsatz sind. Sie eignen sich besonders zum Erfassen seltener oder schwierig
zu beobachtender Tierarten.
Die Anwendung stellt allerdings einige Herausforderungen, da nicht nur sich bewegende und
von Ast zu Ast springende Hörnchen, sondern auch vom Wind bewegte Äste und Blätter die
Kamera auslösen können. Die Nützlichkeit der Geräte für Anwesenheit und Dichteschätzun-
gen wird daher seit einem Jahr in Schottland und Nordwestengland erforscht. Erste Ergebnis-
se zeigen, dass die beste Kombination mit einer Futterplattform am Stamm ist, auf die die

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Kamera freie Sicht hat. So halten sich Fehlauslösungen so gering wie möglich – ansonsten
sind tausende von Bildern auszuwerten. Bislang abgelichtete Besucher reichen von Dachs,
Mäusen und vielen Vogelarten (z. B. Buntspecht) bis zu Grau- und Eichhörnchen (Abb. 1, 2).
Die Futterstellen werden, wie bei Sichtbeobachtungen, mit kleinen Futtermengen regelmäßig
an zwei Tagen pro Woche aufgefüllt und die Kameras alle zwei Wochen kontrolliert und
wenn nötig mit Batterien und Speichermedien versehen. Parallel dazu werden von Februar
bis Oktober jeden zweiten Monat Sichtbeobachtungen und Fallenfänge durchgeführt. Ziel ist,
mit diesen ergänzenden Daten Fotofallen im Vergleich zu den anderen Methoden zu kalibrie-
ren. Fotofallen würden vor allem in abgelegen Waldgebieten (z. B. Nordschottland oder Nord-
england) wetterunabhängige und verlässliche Bestandsaufnahmen ermöglichen.

Anmerkungen zur Methodenwahl
Bestandsaufnahmen von Eichhörnchen für Naturschutz und Landschaftspflege umfassen oft
große Waldgebiete und sind häufig nur in Zusammenarbeit mit Naturschutzverbänden und
der Öffentlichkeit effektiv durchführbar. Indirekte Methoden, wie Sichtbeobachtungen (siehe
Tab. 1), eignen sich besonders für die Beteiligung von freiwilligen Helfern und werden in
England und Schottland zu Bestandsaufnahmen und zur Feststellung der Verbreitung von
Grauhörnchen weiträumig eingesetzt. Bei jeder Anwendung der verschiedenen Methoden
sollte man sich allerdings zu Beginn eine Reihe von Fragen stellen:
• Warum werden die Bestandsaufnahmen durchgeführt und welche Informationen (Daten)
  werden benötigt?
• Welche Methode eignet sich am besten für die Waldart, in der die Bestandsaufnahme durch-
  geführt wird?
• Welche Mittel stehen zur Verfügung und wie kann man sie am besten anwenden?
• Kann die gewählte Methode eine Gefahr für die Eichhörnchen darstellen? (Z. B. kann in
  Großbritannien ein tödliches Virus durch Kontakt von Grau- auf Eichhörnchen übertragen
  werden. Methoden, die die beiden Arten an bestimmten Punkten in Kontakt bringen, wie
  z. B. Haarfallen, sollten daher nicht angewandt werden.)
• Wer verwaltet wie die Daten und wie werden sie analysiert?
Indirekte Methoden erlauben in der Regel keine präzisen Bestandsaufnahmen (lurz et al.
2008), sind aber genau genug, um Trends in Population aufzuzeigen (z. B. in Bezug auf
Veränderungen im Wald wie Abholzen, Fragmentierung etc.). Sie deuten die Anwesenheit
von Arten und deren Verbreitung an und können, im Vergleich zum Fallenfang, weiträumig
eingesetzt werden.

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