JAHRESAUSGABE 2021/2022 - Christliche Ostmission

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JAHRESAUSGABE 2021/2022 - Christliche Ostmission
601 | JUNI 2022            Monatszeitschrift der Christlichen Ostmission

                  JAHRESAUSGABE
                            2021/2022
JAHRESAUSGABE 2021/2022 - Christliche Ostmission
2   Jahresausgabe
                                                     ostvision
                                                     wird monatlich herausgegeben von der
                                                     CHRISTLICHEN OSTMISSION (COM),
      Inhaltsverzeichnis                             Worb

                                                     Nr. 601: Juni 2022
                                                     Jahresabonnement: CHF 15.–
      Wort des Präsidenten                      3
                                                     Redaktion: Gallus Tannheimer (GT),
      Editorial des Missionsleiters          4– 5    Beatrice Käufeler (BK), Petra Schüpbach (PS),
                                                     Christine Schneider (CS), Thomas Martin (TM)
      Profil der Christlichen Ostmission     6 –7
            Wir helfen direkt.              8 – 11   Korrespondent Osteuropa
            Humanitäre Hilfe                         und Zentralasien: Danik Gasan

            Wir schützen.                  12 –15    Adresse:           Christliche Ostmission
            Menschenhandel                                              Bodengasse 14
                                                                        3076 Worb BE
            Wir bauen auf.                 16 –19    Telefon:           031 838 12 12
            Bildung und Gewerbeförderung             Fax:               031 839 63 44
                                                     E-Mail:            mail@ostmission.ch
      Wir Kinder von Moldawien             20 –23    Internet:          www.ostmission.ch
      Mission                              24 –26    Postkonto: 30-6880-4
                                                     IBAN: CH36 0900 0000 3000 6880 4
      Sommerlager                              27
                                                     Bankkonto: Bank SLM
      Aktion Weihnachtspäckli              28 –29
                                                                16 0.264.720.06
      Ehrenamtliche Mitarbeit              30 –31
                                                     Kontrolle der Bücher:
                                                     Unico Treuhand AG, Burgdorf

                                                     Spenden sind in allen Kantonen steuer­
                                                     abzugsberechtigt. Nähere Auskünfte
                                                     er­teilt unser Sekretariat. Gehen für ein
                                                     Projekt mehr Spenden als benötigt
                                                     ein, werden diese für ähnliche Zwecke
                                                     ein­gesetzt.

                                                     Bildquellen: COM, Envato Elements
                                                     Wenn nicht anders vermerkt, haben die
                                                     abgebildeten Personen keinen Zusammen-
                                                     hang mit den erwähnten Beispielen.

                                                     Gestaltung: Thomas Martin

                                                     Druck: Stämpfli AG, Bern

                                                     Papier: Das Magazin ist auf chlorfrei
                                                     gebleichtem und FSC-zertifiziertem Papier
                                                     gedruckt.

                                                     Geschäftsleitung:
                                                     Gallus Tannheimer, Missionsleiter
                                                     Beat Sannwald, Projektleiter

                                                     Stiftungsrat:
                                                     Stefan Zweifel, Worben, Präsident
                                                     Pfr. Thomas Hurni, Madiswil, Vizepräsident
                                                     Lilo Hadorn, Selzach
                                                     Thomas Haller, Langenthal
                                                     Pfr. Matthias Schüürmann, Reitnau

                                                     Beauftragter des Stiftungsrates:
                                                     Günther Baumann

                                                     Verfasser:
                                                     8–11: CS | 12–15: BK | 16–19: CS
                                                     20–27: CS | 28–29: CS/Michael Stauffer

                                                                 Das unabhängige Gütesiegel der Stiftung
                                                                 Ehrenkodex attestiert eine umfassende
                                                                 Qualität der Arbeit sowie einen sorgsamen
                                                                 Umgang mit Spendengeldern.
JAHRESAUSGABE 2021/2022 - Christliche Ostmission
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wort des
präsidenten
 Deshalb, meine Kinder, lasst uns einander lieben: nicht mit leeren
 Worten, sondern mit tatkräftiger Liebe und in aller Aufrichtigkeit.
 1. Johannes 3,18

 Liebe Missionsfreunde

 Von Simon Sinek, einem amerikanischen Un-        ganzes Hab und Gut verlieren. Mit humanitä-
 ternehmensberater, las ich folgende Aussa-       rer Soforthilfe wird die unerträgliche Situation
 ge, die ich hier sinngemäss weitergebe: «Die     gelindert.
 meisten Organisationen können sehr gut
 beschreiben, WAS sie tun. Viele Organisatio-     Die Sanktionen des Westens treffen tausen-
 nen können zudem sehr genau beschreiben,         de Unternehmen in Russland und vernichten
 WIE sie etwas tun. Kaum eine jedoch kann         Arbeitsplätze in grosser Zahl. Betroffen sind
 beschreiben, WARUM sie etwas tut.»               auch Millionen von Zentralasiaten, die in
                                                  Russland arbeiten. Sie könnten ihren Job
 Warum tut die Christliche Ostmission, was        verlieren und müssten dann mittellos in ihre
 sie tut? Oder besser gesagt: Warum tun wir       Herkunftsländer zurückkehren – mit völlig un-
 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (als Ange-      gewissen Perspektiven. Auch hier setzt die
 stellte, Ehrenamtliche oder Spender), was        COM an: Durch gezielte Ausbildung von Un-
 wir tun? Der obenstehende Bibelvers, einer       ternehmern bieten wir Hilfe zur Selbsthilfe an.
 der Leitverse der COM, gibt Antwort: Weil
 wir als Christen eine Liebe für die bedürfti-    Aus der Ukraine flüchten vor allem Frauen
 gen Menschen haben. Und weil wir Gottes          und Kinder. Sie sind in grosser Gefahr, in die
 Wort gehorchen wollen. Aber auch, weil wir       Fänge von gewissenlosen Menschenhänd-
 im Überfluss leben (siehe dazu Vers 17 aus       lern zu geraten, die ihre Not schamlos aus-
 1. Johannes 3). Wir fragen nicht nur nach        nutzen. In der Schweiz, einem Zielland des
 den Gründen einer Krise, sondern sehen die       Menschenhandels, macht die Christliche Ost-
 Menschen, die drinstecken. Ihre Not macht        mission auf das schreiende Unrecht aufmerk-
 betroffen und weckt auf – und manchmal           sam, unter anderem mit Kundgebungen.
 belastet sie auch. Aus der Liebe für diese
 Menschen wachsen Leidenschaft und Kraft.         Aus der Not ergeben sich für die COM viele
 Daraus entstehen Taten, beispielsweise Ge-       Möglichkeiten, mit gezielten Projekten Leid
 bet, Spenden, Mitarbeit. Aus diesen vielen       zu lindern. Ihre Gebete und Spenden ma-
 Taten entsteht konkrete Hilfe vor Ort, die       chen die Hilfe erst möglich. Herzlichen Dank
 Hoffnung, Linderung und Lösungen bringt.         dafür und «vergelt’s Gott».
 Und sie macht es möglich, dass Menschen
 Kraft und die Mittel erhalten, ihren Nächsten    Liebe Grüsse
 zu helfen. Nachhaltig.

 In unseren Projektländern sehe ich einige Kri-
 sen, die unsere Hilfe nötig machen. Denken
 wir nur schon an die Not, die der Ukraine-
 Krieg verursacht. Er treibt unzählige Men-       Stefan Zweifel
 schen in den Ruin, lässt viele Ukrainer ihr      Präsident
JAHRESAUSGABE 2021/2022 - Christliche Ostmission
4        Jahresausgabe

                                editorial
                                Liebe Missionsfreunde

                                Wenn ich an das Jahr 2021 denke, erfüllt mich     Menschenhandel: stärkeres
                                grosse Dankbarkeit. Trotz aller Schwierigkei-     Engagement in der Schweiz
                                ten wegen der anhaltenden Corona-Pandemie         Seit fast 20 Jahren engagiert sich die COM
                                haben wir überwältigende Solidarität erlebt.      im Kampf gegen den Menschenhandel in un-
                                                                                  seren Projektländern. Ebenso wichtig ist die
                                Wir erhielten viele Telefonate, Briefe, Karten    Aufklärung hierzulande. Um unsere Bevöl-
                                und E-Mails von Menschen, die Anteilnahme         kerung noch stärker zu sensibilisieren, ha-
                                und Interesse ausdrückten, dazu unzählige         ben wir die Bemühungen in der Schweiz in
                                grosse und kleine Spenden. So konnten wir         den letzten Jahren intensiviert. 2019 führten
                                in unseren Projektländern wirksame Hilfe          wir eine erste Kundgebung in Bern durch.
                                leisten und viele Menschen unterstützen.          2021 haben wir die Planung für eine breite
                                Darüber freuen wir uns sehr. Die Hilfe, die       Kampagne und eine Grosskundgebung ge-
                                wir bieten, ist vielfältig. Sie reicht von Not-   gen Menschenhandel in Angriff genommen,
                                hilfe über die Förderung von Familienbetrie-      die am 24. September 2022 stattfinden soll.
                                ben bis zum Kampf gegen Menschenhandel.           Wir freuen uns darauf. In der Zwischenzeit
          Gallus Tannheimer     Stets im Blick haben wir Kinder, die ohne ihr     haben wir mit Ehrenamtlichen Strassenein-
               Missionsleiter   Dazutun in schwierigen Verhältnissen leben.       sätze in Bern, Thun, Basel und Zürich durch-
                                                                                  geführt.
                                Eine Herausforderung war, dass gewisse Län-
                                der nach wie vor niemanden einreisen liessen.     Aktion Weihnachtspäckli –
                                Wir mussten uns daran gewöhnen, mit man-          ein Dauerbrenner
                                chen Projektpartnern nur via Telefon und In-      Noch länger, nämlich seit 1996, führt die
                                ternet kommunizieren zu können. Je länger         COM die Aktion Weihnachtspäckli durch,
                                die Pandemie dauerte, desto mehr sehnten          zuerst alleine, seit 1999 gemeinsam mit LIO
                                wir uns nach persönlichen Begegnungen.            (Licht im Osten), AVC (Aktion für verfolgte
                                                                                  Christen) und HMK (Hilfe für Mensch und
                                                                                  Kirche). Erfreulich ist, dass die Anzahl ge-
                                                                                  sammelter Päckli auch 2021 zunahm und
    «Wir konnten in unseren Projektländern wirksame                               mit insgesamt 124 800 gesammelten Päckli
    Hilfe leisten und viele Menschen unterstützen.»                               ein weiterer Rekord aufgestellt wurde.

                                Indien                            Schweiz                           Moldawien
                                Hilfe im Rotlichtviertel          Strasseneinsatz gegen             Weihnachtspäckli
                                                                  Menschenhandel
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Lasst uns nicht müde werden, das zu tun, was gut und richtig ist.
Denn wenn wir nicht aufgeben, werden wir zu der von Gott bestimmten
Zeit die Ernte einbringen. Galater 6,9

Wechsel im Präsidium                             Brennpunkt Ukraine
Ende Jahr übernahm Stefan Zweifel das Prä-       Leider mussten wir feststellen, dass die Lage
sidium des Stiftungsrates der COM. Er enga-      in der Ukraine immer spannungsgeladener
giert sich auch als Trainer in der Gewerbeför-   wurde. «Es kann nicht gut kommen!», schrieb
derung. Wir sind dankbar, dass wir mit Stefan    ein Journalist der NZZ angesichts der Diffe-
Zweifel wiederum einen kompetenten und           renzen mit Russland. Er sollte Recht behal-
erfahrenen Präsidenten haben. Ebenso sind        ten. Ich gehe davon aus, dass der Krieg in der
wir dankbar für die jahrelange Mitarbeit des     Ukraine und dessen Folgen uns noch Jahre
scheidenden Präsidenten Mario Brühlmann.         beschäftigen werden. Das menschliche Leid
Während über 30 Jahren hat er in verschie-       ist immens und unsere Hilfe langfristig nötig.
denen Aufgaben und Funktionen angepackt!

Gemeinsam bewirken wir viel
                                                    «Wir sind froh, dass wir die Heraus­forderungen
Die grosse Arbeit der COM wäre nicht mög-           gemeinsam und im Vertrauen
lich ohne das versierte Team in Worb. Die 16        auf Gottes Hilfe anpacken können.»
Mitarbeitenden bilden zusammen mit den
500 Ehrenamtlichen im ganzen Land das
Rückgrat unserer Arbeit. Von Herzen danke        Danke
ich allen, die sich beteiligt haben, indem sie   Es standen und stehen grosse Herausforde-
tatkräftig angepackt, mit Gaben die Arbeit       rungen an. Wir sind froh, dass wir sie gemein-
ermöglicht oder mitgebetet und mitgefie-         sam und im Vertrauen auf Gottes Hilfe anpa-
bert haben.                                      cken können. Ich danke Ihnen im Namen der
                                                 ganzen COM für alle Unterstützung und freue
Corona-Nothilfe                                  mich, mit Ihnen weiter verbunden zu sein.
Hilfe während der Pandemie war in allen
Ländern gefragt. Im Projekt «Wir Kinder von
Moldawien» zum Beispiel wurde unsere Un-
terstützung auf die Familien der Kinder aus-
geweitet. Es freut uns sehr, dass sich so der
Wirkungskreis des Projektes vergrössert hat.     Gallus Tannheimer, Missionsleiter

Nepal                            Vietnam                            Ukraine
Seminar für                      Corona-Nothilfe                    Lebensmittelhilfe
Familienbetriebe
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6          Jahresausgabe

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                                           2

                        16                     3
                                                                              9
                                       5
                                               4
                                       6                                 8
                                                                     7
                                                                                  10

                                                                             11

                                                                                             13

                                                                                        12

                                                                                                               14
                                                                                                          15

     In diesen
     Ländern ist die
                                       CHRISTLICHE
     COM aktiv:
     1 Kaliningrad
     2 Belarus
                                          OSTMISSION –
     3 Ukraine
     4 Moldawien
     5 Rumänien
                                    VIELFÄLTIGE HILFE,
     6 Nordmazedonien
     7 Turkmenistan
     8 Usbekistan
                                       GROSSE WIRKUNG
     9 Kasachstan
    10 Tadschikistan
    11 Afghanistan
    12 Indien                                                                                 Helfen, schützen, aufbauen. So heis-
    13 Nepal                                                                                  sen die drei Pfeiler des Dienstes der
    14 Vietnam                                                                                Christlichen Ostmission. Die COM
    15 Kambodscha                                                                             engagiert sich da, wo Menschen lei-
    16 Schweiz
                                                                                              den, in Gefahr sind oder Wege aus
                                                                                              der Armut suchen.

                                                                                              Die Christliche Ostmission (COM) ist ein
     Um mehr Wirkung zu erzielen,                                                             Hilfs- und Missionswerk. Ihr Handeln ist
     arbeitet die COM mit anderen zusammen.                                                   motiviert durch Gottes Liebe, die allen
                                                                                              Menschen gilt. In Seinem Namen steht
                                                                                              sie Notleidenden in Osteuropa und Asien
                                                                                              zur Seite.
                                                                                              Die COM leistet Hilfe auf vielfältige Weise.
                                                                                              Das geht von Nothilfe über die Begleitung
                                                                                              von Opfern des Menschenhandels bis zur
                                                                                              Unterstützung christlicher Kirchen, von der
                                                                                              Förderung verwahrloster Kinder über die
                                                                                              Ausbildung junger Christen für den diako-
                        Das unabhängige Gütesiegel der Stiftung Ehrenkodex attestiert         nischen und missionarischen Dienst bis
                        eine umfassende Qualität der Arbeit sowie einen sorgsamen             zu Seminaren für Menschen, die lernen
                        Umgang mit Spendengeldern.                                            wollen, mit einem eigenen Unternehmen
                                                                                              ihre Existenz zu sichern.
JAHRESAUSGABE 2021/2022 - Christliche Ostmission
7

WIR HELFEN DIREKT                WIR SCHÜTZEN                   WIR BAUEN AUF
  IN NOTSITUATIONEN,               VOR MENSCHEN-              DURCH BILDUNG, GEWERBE-
  KATASTROPHEN UND                     HANDEL                  UND LANDWIRTSCHAFTS-
       KRIEGEN                                                      FÖRDERUNG

Die COM hilft mit Lebens-      Jedes Jahr fordert der Men-    Unzählige Menschen stecken
mitteln, Kleidern und          schenhandel zweieinhalb        in der Armut fest und kämp-
Heizmaterial, damit Arme       Millionen Opfer! Die COM       fen täglich ums Überleben.
schwierige Zeiten überste-     schaut hin und handelt. Sie    Wer über mehr Know-how
hen. Viele schöpfen wieder     engagiert sich für Gefähr-     verfügt, hat bessere Chancen,
Hoffnung, wenn sie spüren,     dete und hilft mit, Opfer zu   der Armut zu entkommen.
dass andere an sie denken      befreien, zu schützen und      Darum bildet die COM Men-
und helfen. Daraus wächst      ihnen einen Weg zurück ins     toren aus, die interessierten
neue Kraft: Menschen wer-      Leben zu ermöglichen. In       und fähigen Männern und
den fähig, Schwierigkeiten     der Schweiz setzt sich die     Frauen helfen, Familien-
zu überwinden und für sich     COM dafür ein, dass Men-       betriebe aufzubauen und zu
selbst zu sorgen. Bei Natur-   schenhandel ein öffentli-      führen und damit für sich
katastrophen und Kriegen       ches Thema wird und Druck      und ihre Angehörigen zu
leistet die COM Soforthilfe    entsteht, damit die Politik    sorgen. Ihr Beispiel inspiriert
und sobald als möglich         entschiedener als bisher       andere, ebenfalls Schritte
auch Aufbauhilfe.              handelt. Weiter ermutigt       aus der Armut zu wagen.
                               sie Menschen, im Gebet für
                               Opfer einzustehen.
JAHRESAUSGABE 2021/2022 - Christliche Ostmission
8   Jahresausgabe

                                                        WIR HELFEN DIREKT
                                                           IN NOTSITUATIONEN,
                                                           KATASTROPHEN UND
                     Vadim Stepanenko                           KRIEGEN
                     Projektleiter Humanitäre Hilfe

      «Die heutige Zeit, wo sich alles ständig ändert, stellt uns vor immer neue Heraus-
      forderungen. Manchmal sieht es aus, als ob es nicht mehr weitergehe. Aber es ist
      faszinierend zu erleben, wie Gott in solchen Situationen neue Türen öffnet und
      ganz unerwartete Wege sichtbar macht. Er ermutigt uns auch, die ersten Schritte
      auf diesen neuen Wegen zu tun. Mein Herz ist voller Freude und Dankbarkeit
      über das Wirken Gottes in unserer Arbeit.»
JAHRESAUSGABE 2021/2022 - Christliche Ostmission
9

           HUMANITÄRE HILFE

                 «IHR KÖNNT EUCH
                   DIE SCHWIERIGEN
               LEBENSUMSTÄNDE GAR
                NICHT VORSTELLEN»
In vielen ihrer Einsatzländer leistet die Christliche Ostmission humanitäre
Hilfe. Sie steht Menschen zur Seite, die zu wenig zum Leben haben. Es
sind Betagte, Behinderte oder Menschen, die durch Schicksalsschläge in
Not geraten sind.

Nachdenklich sitzt die fast 80-jährige Nina         dernisse wie Treppen oder zu schmale Türen.
Sumenkova in ihrer Wohnung in der belarus-          Nina hat schon manchen Brief an die Stadt-
sischen Stadt Gomel. Das Leben hat ihr viele        verwaltung geschrieben, um die Beseitigung
Nöte und Prüfungen gebracht, doch ener-             von Hindernissen für Menschen mit einer
gisch und zielstrebig hat sie immer einen           Behinderung zu fordern – leider mit wenig
Ausweg gesucht. Daran ist sie gewachsen –           Erfolg.
und es hat sie näher zu Gott gebracht. Jetzt
aber ist sie an einem Punkt angelangt, wo sie       Geld war schon immer knapp
nicht mehr alleine klarkommt.                       Nina wuchs in einer Lehrerfamilie auf. Ihr
                                                    Vater arbeitete sein Leben lang an Schulen in
Nina lebt mit ihrem 42-jährigen Sohn Mischa         ländlichen Gegenden. Als guter Parteimann
zusammen. Er sitzt im Rollstuhl. Komplika-          wurde er immer wieder in Randregionen ge-
tionen während der Geburt sind der Grund,           schickt, um dort die Schule im Sinn der Re-
weshalb er an einer zerebralen Bewegungs-           gierung zu prägen und so zum Aufbau des
störung leidet. «Als er noch ein Kind war, ha-
ben mein Mann und ich ihn immer getra-
gen», erzählt Nina. Später erhielten sie einen
Rollstuhl. Leider ist seine Krankheit degene-
rativ, seine Bewegungsstörungen nehmen
also langsam, aber stetig zu. Auch das Reden
fällt ihm schwer. «Sein Intellekt hingegen ist
völlig intakt», betont die stolze Mutter. «Er ist
schlau, hat Italienisch gelernt und kennt sich
mit Computern aus.» Mischa würde nichts
lieber tun als arbeiten und seinen Lebens-
unterhalt verdienen. Theoretisch könnte er
das, aber bisher ist jeder Versuch, eine Stelle
zu bekommen, gescheitert. Manchmal waren
die Vorbehalte eines Personalchefs dafür ver-
antwortlich, manchmal auch praktische Hin-          Nina und ihr Sohn Mischa, der an einer zerebralen Bewegungsstörung leidet
JAHRESAUSGABE 2021/2022 - Christliche Ostmission
10      Jahresausgabe

                                                                               die kurzen Wege in der Wohnung stützt sie
                                                                               sich auf eine Krücke. Nina ist gewohnt, ohne
                                                                               Hilfe klarzukommen. Nicht von anderen ab-
                                                                               hängig zu sein, war ihr immer wichtig. Heute
                                                                               aber muss sie sich damit abfinden, dass das
                                                                               nicht mehr geht.

                                                                               Völlig ungenügende Renten
                                                                               Die beiden leben von der Altersrente der
                                                                               Mutter und der Invalidenrente des Sohnes.
                                                                               Trotz ihres äusserst bescheidenen Lebens-
                                                                               stils reicht das Einkommen nicht. Im Winter,
                                                                               wenn neben den normalen Wohnungskosten
                                                                               auch noch hohe Heizrechnungen anfallen,
                                                                               ist es besonders schwierig. Oder wenn Medi-
                                                                               kamente gekauft werden müssen, was ange-
                                                                               sichts zunehmender gesundheitlicher Prob-
                                                                               leme immer öfter vorkommt.

         Nina und Mischa mit den Lebensmitteln der Christlichen Ostmission

                                                                               «Die Unterstützung bedeutet
                              sowjetischen Vaterlands beizutragen. Nina        auch, dass wir uns nicht stän-
                              wurde ebenfalls Lehrerin. Später nahm sie
                              eine Stelle in einer Fabrik an. Von ihrem ma-    dig sorgen müssen, wie es am
                              geren Lehrerinnengehalt war zu wenig üb-         nächsten Tag weitergehen soll.»
                              riggeblieben, um für einen kranken Sohn zu
                              sorgen. Obschon Nina und ihr Mann beide
                              arbeiteten, war das Geld in ihrer Familie im-    Von staatlicher Seite ist keine Hilfe zu erwar-
                              mer knapp.                                       ten, die Renten bleiben klein. Und wegen der
                                                                               massiv gestiegenen Preise kann man sich für
                              Ninas Mann Nikolai starb vor einigen Jah-        das gleiche Geld immer weniger kaufen. So
                              ren ganz plötzlich an einer Hirnblutung. Von     springt seit zwei Jahren der moldawische
                              der ganzen Verwandtschaft ist ihr nur eine       Partner der Christlichen Ostmission (COM)
                              Schwester geblieben, die in Kiew in der Ukra-    in die Bresche. Nina und Mischa bekommen re-
                              ine lebt. Nina hatte davon geträumt, dass sie    gelmässig Lebensmittelpakete und im Herbst
                              beide im Alter zusammenziehen könnten. An-       so viele Säcke Kartoffeln, dass sie damit über
                              gesichts des Krieges ist daran vorläufig nicht   den Winter kommen.
                              zu denken.
                                                                               Hilfe bedeutet unendlich viel
                                                                               Was das für sie bedeute, wurde Nina ge-
     Obschon Nina und ihr Mann beide arbeiteten,                               fragt. Zuerst hatte sie keine Worte, stattdes-
                                                                               sen flossen Tränen über ihre Wangen. Dann
     war das Geld in ihrer Familie immer knapp.                                fasste sie sich: «Eure Hilfe bedeutet uns un-
                                                                               endlich viel. Anstatt unser bisschen Geld für
                              In den letzten Jahren haben sich bei Nina Al-    Essen auszugeben, können wir andere drin-
                              tersbeschwerden bemerkbar gemacht. Sie           gende Auslagen bestreiten, zum Beispiel Me-
                              sieht nur noch schlecht und ihre Beine wol-      dikamente kaufen. Oder kürzlich mussten
                              len sie beinahe nicht mehr tragen. Selbst für    wir Mischas Rollstuhl reparieren lassen. Die
11

Unterstützung bedeutet aber auch, dass wir         Und man besucht sie zuhause, um ihre Lebens-
uns nicht ständig sorgen müssen, wie es am         umstände und Bedürfnisse kennenzulernen.
nächsten Tag weitergehen soll. Ich kann ein-       Vielen, die sich nach einem langen, arbeit­
fach nur herzlichen Dank sagen. Gott segne         samen Leben vom Staat im Stich gelassen
euch für euer Tun!»                                fühlen, hilft nur schon die Anteilnahme und
                                                   das Erleben, dass jemand sie wahrnimmt. «Ihr
Unterstützung aus der Schweiz                      könnt euch gar nicht vorstellen, wie schwie-
lindert Not                                        rig die Lebensumstände mancher Menschen
Der belarussische Partner der Christlichen         sind», berichtet ein Mitarbeiter vor Ort. «Er-
Ostmission kümmert sich um die Ärmsten             leben zu dürfen, was unsere Hilfe bewirkt
der Armen. Das sind insbesondere Betagte           und welche riesige Dankbarkeit sie auslöst,
sowie Menschen mit Behinderungen. Es wer-          ist wunderschön. Danke euch allen von der
den Treffen für diese Menschen organisiert,        Christlichen Ostmission. Ihr macht es mög-
damit sie aus ihrer Isolation herauskommen.        lich, dass wir hier viel Not lindern können.»

HUMANITÄRE HILFE IM JAHR 2021

     728 597 kg                       282 750 kg                       234 441 kg                           77 129
      Lebensmittel
      davon 302 757 kg                  Heizmaterial                       Kleider                        Begünstigte
         Kartoffeln

Im Rahmen der Corona-Nothilfe hat die Christliche Ostmission in Moldawien, Zentralasien, Belarus und der Ukraine im Jahr 2021
zusätzlich 162 060 kg Lebensmittel an 18 971 Begünstigte verteilt. Diese Hilfe ist in den obengenannten Zahlen nicht enthalten.
12   Jahresausgabe

                                                         WIR SCHÜTZEN
                                                           VOR MENSCHEN-
                      Beatrice Käufeler                        HANDEL

                     Projektleiterin Menschenhandel

       «Während der Pandemie war es nicht einfach, gefährdeten Kindern und ausge-
       beuteten Frauen zu helfen. Wir mussten bei einigen Projekten neue Wege gehen.
       Aber dadurch ist auch viel Gutes geschehen und neue Türen haben sich geöffnet.
       Ich bin Gott von Herzen dafür dankbar.»
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          MENSCHENHANDEL

        «ICH WAR IHNEN
      HILFLOS AUSGELIEFERT»
«Mein Name ist Longdy Chhap. Ich bin mit         kambodschanische Polizei in mein Dorf zu-
fünf Geschwistern in einer armen Familie         rück. Aber nicht lange danach kam derselbe
in Kambodscha aufgewachsen. Meine Mut-           Mann erneut ins Dorf und holte mich wieder
ter arbeitete als Nudel-Verkäuferin, mein Va-    nach Thailand. Mehrere Jahre später wurde
ter war Tagelöhner. Wir lebten nahe der thai-    ich abermals von der thailändischen Polizei
ländischen Grenze. Als ich dreijährig war,       auf den Posten mitgenommen. Dieses Mal
konnte ich plötzlich nicht mehr gehen. Es        aber brachte mich die kambodschanische
war Polio. Ich konnte mich nur noch mit ei-      Polizei nach Phnom Penh. Dort kam ich in
nem Rollstuhl fortbewegen und das machte         die Obhut der Internationalen Organisation
mich sehr traurig. Mutter versuchte alles, da-   für Migration (IOM). Über eineinhalb Jahre
mit ich die beste medizinische Behandlung        konnte ich in ihrem Schutzhaus wohnen und
bekäme. Doch viel Geld hatten wir nicht.         gleichzeitig zur Schule gehen. Danach fand
                                                 ich Unterschlupf in einem Heim einer Nicht-
Eines Tages, ich war etwa fünf, kam ein          regierungsorganisation, die von der Christli-
Mann ins Dorf. Er erzählte meiner Mutter,        chen Ostmission unterstützt wird.
dass ich in Thailand als Bettelkind viel Geld
für die Familie verdienen könnte, zwei Drit-
tel des erbettelten Geldes würde die Familie
                                                 «Wenn ich nichts erbettelte,
bekommen. Mutter entschied, diesem Mann          bekam ich kein Essen.»
zu vertrauen.
                                                 Ich war damals gewalttätig und aggressiv –
Er nahm mich mit nach Thailand. Ich lebte        genau wie meine Ausbeuter. Die Mitarbeiten-
mit drei oder vier Kindern in einem Zimmer.      den reagierten mit Geduld und Verständnis.
Jeden Morgen brachten mich Männer auf die        Therapeutische Gespräche halfen mir, mit
Strasse, wo ich betteln musste. Abends hol-      meinen Gefühlen zurechtzukommen und
ten sie mich wieder ab. Alles Geld kassierten    meine traumatischen Erlebnisse aufzuarbei-
sie für sich, meine Eltern bekamen nie et-       ten. Diese Erfahrung war für mich so zentral,
was. Wenn ich nichts erbettelte, bekam ich
kein Essen. Auf der Strasse ging es brutal zu.                                                   Longdy Chhap setzt
Manchmal wurde ich verprügelt und ausge-                                                         sich heute weltweit
                                                                                                 für die Bekämpfung
raubt. Ich war hilflos, konnte mich nicht weh-
                                                                                                 des Menschenhandels
ren. Wie sollte ich auch? Ich konnte ja nicht                                                    ein. Er nahm im
einmal stehen, geschweige denn Dieben hin-                                                       November 2021 als
terherlaufen. Zu essen gab es danach jeweils                                                     Podiumsteilnehmer
nichts, denn niemand glaubte mir, dass das                                                       an der UNO-General­
Geld gestohlen wurde.                                                                            versammlung zur
                                                                                                 Bewertung des
                                                                                                 Globalen Aktionsplans
Befreiung und nachhaltige Hilfe                                                                  zur Bekämpfung des
Nach vielen Monaten wurde ich von der thai-                                                      Menschenhandels
ländischen Polizei aufgegriffen. Man brachte                                                     2021 teil.
mich auf den Posten und von da über die          Longdy Chhap
14    Jahresausgabe

                            dass ich bereits in der siebten Klasse wusste,     wichtig, dass die Hilfesuchenden sich ver-
                            was ich einmal werden wollte: Psychologe.          standen fühlen und dass ich ihnen mit Liebe,
                            Ich wollte andern helfen, die ähnliches erlebt     Geduld und Kompetenz begegne. Ich bin
                            haben wie ich.                                     sehr dankbar, helfen zu können.

     «Ich habe              Später lebte ich in einer Wohngruppe und           Heute bin ich verheiratet und habe Kinder.
     meiner                 besuchte eine Berufsmittelschule. Nach dem         Meine Frau ist stolz auf mich. Sie vertraut mir
                            Abschluss arbeitete ich zuerst freiwillig bei      und ist zuversichtlich, dass wir es gemeinsam
     Mutter                 dieser Organisation, später wurde ich ange-        schaffen. Auch meine Herkunftsfamilie ist
     vergeben.              stellt. Parallel dazu studierte ich Englisch und   jetzt stolz auf mich. Meine Mutter fühlte sich
                            Psychologie. Nach dem Bachelor-Abschluss           lange schuldig, weil sie mich auf die Strasse
     Gott hat               machte ich einen Master in Management.             geschickt hatte. Damals hasste ich sie deswe-
                                                                               gen. Heute haben wir aber ein gutes Verhält-
     mir dabei
                            In meiner therapeutischen Arbeit helfen mir        nis – ich habe ihr vergeben. Gott hat mir da-
     geholfen.»             meine eigenen Erfahrungen sehr. Es ist mir         bei geholfen. Er ist der Anker meiner Seele.»

                            Organisierte Bettelei
                            Zwangsbettelei ist eine von vielen Formen,         stätigen, dass Betteln von ausländischen Per-
                            die Menschenhändler nutzen, um an Geld             sonen immer organisiert, inszeniert und or-
                            zu kommen. In einigen Ländern werden ihre          chestriert ist. Die Polizei rät, den bettelnden
                            Opfer – oftmals Kinder – buchstäblich ver-         Personen kein Geld zu geben, denn damit
                            stümmelt, damit sie beim Betteln mehr Mit-         unterstütze man das ausbeuterische System,
                            leid erregen. Aber nicht allein Kinder, son-       das dahintersteckt, und nicht den bettelnden
                            dern auch Erwachsene, die in existenziel-          Menschen.
                            ler Not sind, alte oder behinderte Menschen
                            werden in der Bettelei ausgebeutet. Manch-         15 der 26 Kantone der Schweiz verbieten der-
                            mal treten sie auch als Strassenmusikanten         zeit das Betteln auf ihrem gesamten Gebiet:
                            auf oder werden zum Stehlen aufgefordert.          Waadt, Genf, Neuenburg, Freiburg, Glarus,
                                                                               Schaffhausen, Zug, Graubünden, Zürich, Thur-
                            In vielen Ländern sind organisierte Bettler-       gau, Basel-Stadt, Obwalden, St. Gallen, Aargau
                            gruppen am Werk, auch in der Schweiz. Um-          und Tessin. Einige bestrafen Betteln im Allge-
                            fangreiche Abklärungen von Fachleuten be-          meinen, andere nur «aufdringliches» Betteln.

     Die Christliche Ostmission handelt
     Seit über 15 Jahren informiert die Christliche Ostmission über Menschenhandel in der Schweiz und zeigt
     Zusammenhänge auf. Noch länger engagiert sie sich in Herkunftsländern von Opfern, in Osteuropa und
     Asien. Sie konzentriert sich darauf, gefährdete Kinder und Frauen frühzeitig in Sicherheit zu bringen und zu
     schützen sowie Opfer zu befreien und bei der Aufarbeitung zu begleiten. Dazu gehört auch, den Betroffenen
     eine neue Chance und Zukunftsperspektive zu ermöglichen, insbesondere durch Bildung und Arbeitsver­
     mittlung. Ebenfalls hilft die COM, Risikogruppen vor Ort auf die Gefahren des Menschenhandels auf­merksam
     zu machen und sie vor Ausbeutung zu bewahren.
15

                                                                                                          menschenhandel
                                                                                                          ist grausam auch!
                                                                                                                               en
                                                                                                                  s ch w eig

    « ‹Wir sind mit dir und                                                                        «Es ist nicht einfach,
    helfen dir, im Leben                                                                           aber ich versuche,
    voranzukommen›,                                                                                jeden Tag einen Schritt
    sagte man mir. Das                                                                             vorwärts zu gehen
    machte mir Mut, an                                                                             und wieder vertrauen
    meiner Vergangenheit                                                                           zu lernen.»
    zu arbeiten, meine                                                                             Die 14-jährige Mary* aus Nord­
                                                                                                   mazedonien wurde von einem
    Ausbildung zu beenden
                                                                                                   Vertrauten auf niederträchtige
    und ein neues Leben                                                                            Weise getäuscht. Über eine
    zu beginnen.»                                   «Mein Leben war ein                            Woche lang wurde sie – an
                                                                                                   ein Bett gefesselt – von vielen
    Meena* wurde in jungen Jahren an
                                                    Chaos und ich hatte
                                                                                                   Männern immer wieder ver­
    ein Bordell in der indischen Stadt              alle Hoffnung verloren,                        gewaltigt. Die Polizei fand sie,
    Mumbai verkauft und dort über 20
    Jahre sexuell ausgebeutet. Heute
                                                    aber jetzt habe ich                            weil ihr Vater sie als vermisst
                                                                                                   gemeldet hatte. Heute ist Mary

                                                                                                                                      * Namen wurden zum Schutz der Betroffenen geändert.
    arbeitet sie als Schneiderin und                Hoffnung. Ich bin so                           in Sicherheit und bekommt Hilfe
    ist glücklich, ein normales Leben
                                                    dankbar für alle Hilfe,                        bei unseren Partnern vor Ort.
    führen zu können.
                                                    die ich bekomme.
                                                    Ich fühle mich geliebt
                                                    und umsorgt und
                                                    werde ermutigt, stark
                                                    zu bleiben.»
                                                    Als Seiha* 17 war, wurde sie nach
                                                    China gehandelt und dort mit ei-
                                                    nem Mann verheiratet, der sie über
                                                    Jahre wie eine Sklavin behandelte.
                                                    Auch wurde sie bei der Arbeit
                                                    ausgebeutet. Jetzt ist Seiha wieder
                                                    in Kambodscha und versucht, ihre
                                                    Vergangenheit aufzuarbeiten.

ENGAGEMENT GEGEN MENSCHENHANDEL IM JAHR 2021

       434                          720                   über 80 000                        456                         203
   gefährdete                       Opfer                   Personen und                   gefährdete                 vermisste
   Frauen und                       erhielten                 Behörden                     Kinder und                 Mädchen
    Mädchen                                                 wurden über                   Jugendliche                    wurden
                             psychologische und
    wurden an der                zum Teil auch            Menschenhandel,                    wurden                     ausfindig
    nepalesisch-                 medizinische,            häusliche Gewalt,                persönlich                   gemacht.
  indischen Grenze              schulische und            Kinderschutz und                und schulisch
   abgefangen und              juristische Hilfe.        Covid-19 informiert.               gefördert.
       betreut.
16   Jahresausgabe

                                                           WIR BAUEN AUF
                                                         DURCH BILDUNG, GEWERBE-
                                                          UND LANDWIRTSCHAFTS-
                                                               FÖRDERUNG
                      Simon Schürch
                      Projektleiter Gewerbeförderung

       «Mit Begeisterung blicke ich auf ein Jahr zurück, in dem – trotz Pandemie – viel
       Fruchtbares und Neues entstanden ist: Unsere Partner und Geschäftsmentoren
       konnten in ländlichen Gegenden zahlreiche Seminare durchführen und damit
       viele Familien beim Aufbau eines kleinen Betriebes unterstützen. Diese Ein­
       nahmequelle verhilft ihnen zu einer besseren Lebensgrundlage. Durch die neu
       entstandenen Programme zur Persönlichkeitsentwicklung fördern wir junge
       Menschen und unterstützen die Entwicklung in diesen Projektländern.»
17

                 GEWERBEFÖRDERUNG

       JA, EIN CHRIST DARF
      GESCHÄFTSMANN SEIN
Vielerorts sind Arbeitsplätze Man-              Bekpolat sah nur einen Ausweg: nach Russ-
gelware. Darum ermutigt und befä-               land gehen und dort Arbeit suchen. Mehrere
higt die Christliche Ostmission ge-             Jahre war er im Nachbarland, doch es gelang
eignete und interessierte Menschen,             ihm nicht, genug für seinen Lebensunterhalt
ein eigenes Unternehmen aufzubau-               zu verdienen. Oft reichte sein Geld nicht ein-
en und so ihre Existenz zu sichern.             mal für einen kurzen Anruf zuhause.
Viele Unternehmer lassen sich da-
von inspirieren und helfen ihrerseits
anderen, den gleichen Weg einzu-
                                                Mehrere Jahre war er in Russland,
schlagen.                                       doch es gelang ihm nicht, genug für
Schon als Kind musste sich der Usbeke Bekpo-    seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
lat gegen Widrigkeiten behaupten. Nach dem
frühen Tod der Mutter machte ihm eine Stief-    Seine Schwester in Usbekistan hatte inzwi-
mutter das Leben schwer. Als Zehnjähriger       schen zum christlichen Glauben gefunden
arbeitete er nachts in einer Bäckerei, um et-   und angefangen, für Bekpolat zu beten. In
was Geld für Essen und Kleider zu verdienen.    jener Zeit hatte er mehrmals den gleichen
Tagsüber, oft todmüde, ging er zur Schule.      Traum. Darin sah er Jesus, der die Hand nach
                                                ihm ausstreckte und «Mein Sohn, komm zu
Seine Jugendjahre fielen in die Zeit, als die   mir» rief. Er glaubte, verrückt zu werden,
Sowjetunion zusammenbrach und über-             weil er immer wieder das Gleiche träumte.
all Not und Armut herrschten. Oft waren
die Läden leer. Das brachte Bekpolat auf die
Idee, mit Teigwaren zu handeln. Bald waren
er und sein Bruder gross im Geschäft. Aber
das verdiente Geld verloren sie gleich wieder
beim Glücksspiel.

Schnelles Geld lockt
Zurück in die Bäckerei wollte er nicht, also
suchte er nach neuen Geschäftsideen. Er be-
schloss, Zigaretten aus dem Nachbarland
nach Usbekistan zu schmuggeln. Dass das
illegal war und schwere Strafen drohten,
wusste er. Doch die Versuchung, rasch viel
Geld zu verdienen, war zu gross. Doch schon
die erste Schmuggelaktion flog auf und er
verlor das Geld, das er für sein neues Ge-
schäft ausgeliehen hatte. Statt einen satten
Gewinn brachte ihm seine Schmugglerkarri-
ere nur Schulden.                               Bekpolat, Christ und erfolgreicher Geschäftsmann
18   Jahresausgabe

                 Gruppenarbeit an einem Seminar für Familienbetriebe der Christlichen Ostmission in Usbekistan

                  Schliesslich kehrte er nach Usbekistan zu-      Volk nützlich sein. Er hatte aber keine Ah-
                  rück. Die Angehörigen waren überglücklich.      nung, wie das gehen sollte. Die Geschäfts-
                  Seine Schwester sprach mit ihm über den         welt, die ihn früher fasziniert hatte, schloss
                  christlichen Glauben. In seinen Augen hatte     er aus. «Ein Christ macht keine Geschäfte»,
                  sie den Islam verraten. Er bleibe Muslim, be-   war er überzeugt. «Du tust überhaupt nichts
                  teuerte er.                                     Nützliches neben deinem Dienst in der Kir-
                                                                  che», meinte sein Vater verächtlich. 2006
                  «Wenn du heute stirbst, wohin kommst du?        hörte er erstmals, dass man auch als Christ
                  Ins Paradies oder in die Hölle?» Diese Sätze,   Geschäftsmann sein könne. Er fing an, sich
                  denen er in einem Buch begegnete, wühlten       mit dem Thema zu befassen, und kam zum
                  ihn auf und lösten ein Umdenken aus. Zu-        Schluss, dass das Geschäftsleben sehr wohl
                  sammen mit seiner Schwester ging er in die      ein möglicher Weg für Christen ist.
                  Kirche und wurde schliesslich auch Christ.
                                                                  Vertrauen zu Gott wächst
                                                                  Er mietete ein kleines Ladenlokal neben ei-
       Zurück in Usbekistan wollte er der                         ner Schule und fing an, Snacks und Süssig-
                                                                  keiten zu verkaufen. Der Start verlief harzig,
       Kirche, aber auch seiner Familie                           denn genau dann waren die Schüler bei der
       und seinem Volk nützlich sein.                             Baumwollernte. In jenen Jahren wurden sie
                                                                  vom Staat dazu verpflichtet. Erst als die jun-
                                                                  gen Leute zurück waren, ging es aufwärts. Es
                  Darf ein Christ Geschäftsmann sein?             war Bekpolat eine Lektion: Wer ein Geschäft
                  Freudig begann er, in der Kirchgemeinde         startet, muss lokale Gepflogenheiten berück-
                  mitzuhelfen. Für zwei Jahre studierte er an     sichtigen. Bald schon kam die nächste Her-
                  der Christlichen Universität UDG in Mol-        ausforderung. Der Besitzer des Gebäudes, wo
                  dawien. Zurück in Usbekistan wollte er der      er eingemietet war, wollte verkaufen. Wie-
                  Kirche, aber auch seiner Familie und seinem     der zweifelte Bekpolat: Will Gott doch nicht,
19

dass ich Geschäftsmann bin? Er lernte aber,      auch dieses zu einem Erfolg wird und Arbeits-
auf Gott zu vertrauen, gerade in schwieri-       plätze für einige Landsleute entstehen.
gen Zeiten. «Gott schenkte mir schliesslich
ein Ladenlokal, das sogar besser war als das
erste», erzählt er. Alles war wieder gut – bis   Bekpolat lernte, auf Gott zu vertrauen,
er eines Morgens den Laden leer vorfand. Er      gerade in schwierigen Zeiten.
war bestohlen worden.

Erneut nagten Zweifel an ihm, aber Gottes        Im Dienst für andere
Stimme war stärker. «Ich bin mit dir », fühlte   Sein eigenes Erleben hilft ihm sehr, seit er
er Gott sagen. «Fang nochmals von vorne an,      andere beim Aufbau eines Geschäfts unter-
ich werde dich segnen.» Es gelang ihm, wie-      stützt. Dazu bewogen hat ihn die Tatsache,
der auf die Beine zu kommen, und sein Ge-        dass viele seiner Bekannten keine Arbeit ha-
schäft florierte. Inzwischen hat er zwei wei-    ben. «Was kann ich tun?», fragte er im Ge-
tere Ladenlokale gekauft, die er vermietet.      bet. Eines Tages erhielt er eine Einladung an
Vor Rückschlägen blieb er auch später nicht      ein Seminar für Familienbetriebe. Er würde
verschont, aber heute sieht er diese als wich-   dort lernen können, andere anzuleiten, die
tige Erfahrungen an. «Schwierigkeiten gehö-      ebenfalls ein Geschäft aufbauen möchten.
ren zum Geschäftsleben, daraus lernt man»,       Er ging nicht alleine, sondern nahm vier
ist er überzeugt.                                junge Männer mit, die mit dem Gedanken
                                                 spielten, sich als Unternehmer zu versuchen.
                                                 Zwei von ihnen erstellten einen Businessplan
«Schwierigkeiten gehören                         und erhielten ein kleines Startkapital von ei-
zum Geschäftsleben,                              ner Organisation. Ruslan, der im Möbelbau
                                                 tätig wurde, ging sehr umsichtig vor und
daraus lernt man.»                               bald stellten sich erste Erfolge ein. Artur be-
                                                 gann eine Geflügelzucht, traf aber schlechte
Neben dem Verkaufsladen hat Bekpolat zu-         Entscheidungen. Heute stehen ihm Bekpo-
sammen mit seiner Frau Nassiba ein Näh­          lat und Ruslan zur Seite, damit auch er lernt,
atelier gegründet. Die beiden tun alles, damit   wie man ein Geschäft richtig führt.

GEWERBEFÖRDERUNG IM JAHR 2021

                                         130                             2824
           194                        Seminare                       Teilnehmende
                                                                                                        139
      neu ausgebildete                   und                                                         neu gestartete
                                                                      an Seminaren
        Mentoren                     Konferenzen                                                   Familienbetriebe
                                                                     und Konferenzen
20   Jahresausgabe

                      Beat Sannwald
                      Projektleiter «Wir Kinder von Moldawien»

       «Im letzten Jahr lag unser Fokus ganz auf den älteren Schülern in den Tages-
       zentren und ihrem Weg ins Erwachsenenleben und in die Berufswelt. Mich
       begeistert, dass trotz Corona fast alle Zentren ein spezielles Programm für die
       Persönlichkeitsentwicklung und Berufsberatung der Teenager begonnen haben.
       Gleichzeitig schenkte Gott Gelingen beim Aufgleisen einer Arbeitsvermittlung
       für Schulabgänger.»
21

                     WIR KINDER VON MOLDAWIEN

        EINE CHANCE
      AUF EIN GUTES LEBEN
Sie haben kein Zuhause, das diesen                reicht, als der Mann begann, Hausrat zu ver-
Namen verdient, und sind arm. Das                 kaufen, um seinen Konsum zu finanzieren.
ist es, was die Kinder in den christ-
lichen Tageszentren in Moldawien                  Es war zum Verzweifeln. Die Mutter probierte
eint. Sonst aber ist jede ihrer Ge-               alles, um ihn vom Trinken abzubringen.
schichten einzigartig. So auch jene               Nichts half. Da traf sie die wohl schwerste
des heute 18-jährigen Andrei.                     Entscheidung ihres Lebens: Sie trennte sich
                                                  von ihrem Mann. Nun war die Familie ganz
Eigentlich hatten Andrei und sein älterer         vom kleinen Lohn der Mutter abhängig. Die
Bruder Alexei alle Voraussetzungen für eine       Verantwortung lastete schwer auf ihr. Gross-
glückliche Kindheit. Der Vater verdiente gu-      eltern waren auch noch da, aber deren Ren-
tes Geld in Russland, die Mutter trug als Nä-     ten deckten kaum den eigenen Lebensunter-
herin in einer Kleiderfabrik zum Lebensun-        halt. Viel helfen konnten sie also nicht.
terhalt bei. Abgesehen davon, dass der Vater
zuhause fehlte, ging es der Familie gut. Dann     Auch die Mutter geht weg
aber änderte sich alles.                          Als Andrei etwa 10-jährig war, lernte die
                                                  Mutter einen anderen Mann kennen. Die
Der Vater kam nach Moldawien zurück und           Brüder mochten ihn nicht und auch er fand
hatte grosse Mühe, Arbeit zu finden. Die neue     keinen Zugang zu den Kindern. Sie blieben
Stelle war viel schlechter bezahlt als jene in    einander fremd. Einschneidender war aber,
Russland, aber man kam über die Runden.           dass er die Mutter dazu animierte, mit ihm
Dann ging die Firma Konkurs und er wurde          nach Russland zu gehen, um mehr Geld zu
arbeitslos. Nach langer, ergebnisloser Stellen-   verdienen. Die Buben blieben bei den Gross-
suche nahm er Arbeit auf einem landwirt-
schaftlichen Betrieb im Dorf an – zu einem
Hungerlohn. Alternativen gab es nicht.

Den Vater an den Alkohol verloren
Seine Familie nicht mehr versorgen zu kön-
nen, war schrecklich für ihn. Er zerbrach da-
ran, wurde depressiv, verlor jeden Antrieb
und alle Hoffnung. Nur bei seinen Schick-
salsgenossen, anderen Landarbeitern, fand
er etwas Trost. Mit ihnen verbrachte er seine
Freizeit, von ihnen erhielt er sein erstes Glas
Alkohol. Bald trank er regelmässig und im-
mer mehr. Noch heute kann Andrei kaum
glauben, wie es möglich war, dass sein Vater
innert weniger Monate zu einem schweren
Alkoholiker wurde, unfähig, auch nur ein
paar Tage zu arbeiten. Der Tiefpunkt war er-      Andrei schaut zuversichtlich in die Zukunft.
22    Jahresausgabe

                                                                     Grosseltern hatten nichts gegen die Besuche
                                                                     im Tageszentrum, obschon es von evangeli-
                                                                     schen Christen geführt wurde.»

                                                                     Andreis Familie war orthodox, aber hatte sich
                                                                     nie sonderlich für die Kirche interessiert. Zu-
                                                                     dem war der Nutzen des Tageszentrums der-
                                                                     art offensichtlich, dass sie Bedenken zur Seite
                                                                     schoben. Durch das Tageszentrum wuchsen
                                                                     die Buben auch in die christliche Gemeinde
                                                                     hinein. Sie fühlten sich akzeptiert und wohl
                                                                     in dieser Gemeinschaft.

                                                                     Nach einigen Jahren kam die Mutter mit ih-
                                                                     rem Partner nach Moldawien zurück. Die Be-
                                                                     ziehung der beiden war nicht mehr so gut, oft
                                                                     gab es Streitereien. Bald ging der Mann wie-
                    Andrei beim Eingang zur Technischen Schule       der nach Russland. Er liess immer weniger
                               für Computer und Mikroelektronik      von sich hören und nach einiger Zeit trenn-
                                                                     ten sie sich.
                    eltern zurück. Hie und da kam etwas Geld
                    aus Russland, so dass sie das Nötigste hat-      Auf dem Weg zum Wunschberuf
                    ten. Aber sie vermissten die Mutter und wa-      Andrei fing an, sich Gedanken über seine
                    ren oft allein.                                  Zukunft zu machen. Im Tageszentrum hatte
                                                                     man ihn ermutigt zu überlegen, was seine In-
                                                                     teressen und Vorlieben seien. Man hatte auch
     «Ich verliebte mich regelrecht in das                           immer wieder betont, wie wichtig eine gute
                                                                     Ausbildung sei. Andrei machte nichts lieber,
     fröhliche Treiben im Tageszentrum.»
                                                                     als elektrische Geräte zerlegen, reparieren
                                                                     und wieder zusammenbauen. Also schrieb
                    Andrei findet eine neue Heimat                   er sich an der Technischen Schule für Com-
                    In jener Zeit wurde im Dorf ein christli-        puter und Mikroelektronik in der Hauptstadt
                    ches Tageszentrum für Kinder eröffnet. «Ich      Chisinau ein.
                    wusste nicht, was mich dort erwartete. Vom
                    ersten Augenblick an war ich fasziniert», er-
                    innert er sich. «Zuerst gab es immer ein fei-    Aber Andrei weiss, dass er
                    nes Essen. Danach wurden wir gefragt, wie
                    es in der Schule und zuhause gehe, ob es Pro-
                                                                     seine Chance nutzen muss.
                    bleme gebe. Man half uns bei den Hausauf-
                    gaben, wir hörten biblische Geschichten und      Von zuhause und vom Tageszentrum weg-
                    spielten. Ich verliebte mich regelrecht in das   zugehen, fiel ihm schwer. Die Gemeinde zu-
                    fröhliche Treiben im Tageszentrum. An den        rückzulassen, wo er den christlichen Glau-
                    Tagen, wenn es offen war, konnten wir es je-     ben entdeckt und sich für ein Leben mit Gott
                    weils kaum erwarten, dass die Schule aus         entschieden hatte, tat weh. Aber Andrei
                    war. Dann rannten wir ins Tageszentrum wie       weiss, dass er seine Chance nutzen muss. Er
                    in die Arme unserer Mutter. Wir waren nicht      arbeitet hart, um den Abschluss zu schaffen.
                    nur glücklich, auch unsere schulischen Leis-     Und schon träumt er davon, Elektro-Ingeni-
                    tungen verbesserten sich markant. Unsere         eur zu werden. Damit sollte er selbst unter
23

den schwierigen moldawischen Bedingun-              Projekt als Antwort auf Not der Kinder
gen eine Stelle finden und seinen Lebensun-
terhalt bestreiten können.                          Armut ist der Grund, weshalb viele Kinder in Moldawien sich
                                                    selbst überlassen sind. Oft haben sie Eltern, aber diese sind
                                                    entweder im Ausland, um Geld zu verdienen, oder sie sind
«Ich freue mich für die                             psychisch zu krank, um sich um ihre Kinder zu kümmern. Dar-
                                                    um werden solche Kinder als Sozialwaisen bezeichnet. Gegen
Kinder, die jetzt im Zentrum                        eine Viertelmillion davon soll es geben.

sind und unter der guten                            Ermutigt von der Christlichen Ostmission nehmen christliche
                                                    Gemeinden im Land sich solcher Kinder an. Sie betreiben so
Betreuung aufblühen.»                               genannte Tageszentren. Das sind Orte, wo sich Kinder nach
                                                    der Schule aufhalten können. Sie bekommen zu essen, Hilfe
                                                    bei den Hausaufgaben und viel Zuwendung. Es wird auch ge-
Tageszentrum gab den Ausschlag
                                                    spielt und die Kinder hören biblische Geschichten.
In den Ferien fährt er jeweils nach Hause und
besucht neben der Familie auch das Tages-           Das Angebot in den Tageszentren wird durch Ehrenamtliche
zentrum. Es hat in seinem Leben eine ent-           sichergestellt. Die Christliche Ostmission hilft finanziell, sie be-
scheidende Rolle gespielt. «Dank Schwester          zahlt unter anderem für die Mahlzeiten. Weiter unterstützt und
                                                    fördert sie die Mitarbeitenden in den Zentren mit Weiterbildung
Galina, die das Tageszentrum leitet und ein
                                                    und Vernetzung. Nachdem zu Beginn vor allem jüngere Kinder
grosses Herz für Kinder hat, dank der Christ-
                                                    im Fokus standen, gibt es heute auch Angebote für Teenager,
lichen Ostmission, die finanziell mithilft, bin
                                                    die ihnen beim Einstieg ins Berufsleben helfen sollen.
ich zu dem geworden, der ich heute bin», er-
klärt er dankbar. «Klassenkameraden von
mir sind inzwischen Alkoholiker oder haben
sonst einen schlechten Weg eingeschlagen.
Das macht mich traurig. Umso mehr freue
ich mich für die Kinder, die jetzt im Zentrum
sind und unter der guten Betreuung aufblü-
hen. Sie haben eine Chance, etwas Gutes aus
ihrem Leben zu machen.» Und lächelnd er-
gänzt er: «Danke von Herzen, dass Sie die-
ses wunderbare Projekt angefangen haben
und weiter fördern. So schaffen Sie eine gute
Grundlage für Kinder, die sonst keine Chance
hätten. Gott segne Sie dafür.»

                                                                                          Die Winterschuhe wurden an
                                                                                          Kinder der WKM-Tageszentren,
WIR KINDER VON MOLDAWIEN IM JAHR 2021                                                     deren Geschwister und über
                                                                                          Kleiderstuben verteilt.

           über
                                          134                        625                            5000
         3660                        Tageszentren
                                                                 ehrenamtlich
                                                                Mitarbeitende
                                                                                              Paar Winterschuhe
                                                                                                  für Kinder
 Kinder und Jugendliche
24   Jahresausgabe

                                                                                      Gallus Tannheimer
                                                                                      Missionsleiter

                                                                                      «Es ist faszinierend
                                                                                      zu sehen, wie Men-
                                                                                      schen in widrigsten
                                                                                      Umständen Hoff-
                                                                                      nung schöpfen, neue
                                                                                      Kraft erhalten und
                                                                                      Neues anpacken.
                                                                                      So erleben wir
                                                                                      Gottes Kraft in den
                                                                                      schwersten Zeiten.»

     Ein rumänisches Roma-Dorf

                                 MISSION

            BRÜCKEN BAUEN
             ZU DEN MENSCHEN
                        Wo Menschen Gottes befreiende Liebe erleben, geschieht Veränderung
                        zum Guten. Darum unterstützt die Christliche Ostmission auch Missionare,
                        unter anderem Pastoren, die in R
                                                       ­ umänien wirken.

                        Zsolt und Erika Novák stammen aus Un-           Dass Gott Menschen befreien will, dass man
                        garn. Er war erfolgreicher Unternehmer, als     zu ihm eine persönliche Beziehung haben
                        er spürte, dass Gott ihn als Missionar in Ru-   kann, hatten sie nie gehört. Evangelische Ge-
                        mänien haben wollte. Die Familie liess ihre     meinschaften wurden als Sekten betrachtet.
                        sichere Existenz in Ungarn zurück und zog
                        nach Gheorgeni in Rumänien. In jener Ge-        «Anfänglich konzentrierten wir uns darauf,
                        gend leben viele ungarischstämmige Men-         so vielen Menschen wie möglich die Bibel nä-
                        schen.                                          herzubringen», erzählt Zsolt. Später entwi-
                                                                        ckelten er und seine Frau soziale Angebote
                         «Die Leute hier waren religiös, aber in Re-    wie eine Kaffee-Stube, einen Secondhand-
                        geln und Traditionen gefangen», erinnert sich   Laden oder einen Mediendienst. Damit woll-
                        Zsolt. Auch Aberglaube war weit verbreitet.     ten sie Brücken schaffen zu den Menschen,
25

um die Botschaft von Christus weitergeben zu     ein Angebot zur Betreuung von Kindern nach      «Wir
können. Dazu kamen Kinderlager im Sommer.        der Schule. Sie lernen dort viel Praktisches
                                                 und hören biblische Geschichten. «Man sieht     staunen,
Über die Kinder langfristig die                  einen deutlichen Unterschied zwischen Kin-
                                                                                                 was Gott
Gesellschaft prägen                              dern, die am Programm teilnehmen, und an-
Mit der Zeit rückte die Roma-Bevölkerung ins     deren», stellt er fest.                         schon alles
Blickfeld. In diesen Gemeinschaften herrsch-
ten schreckliche Zustände. Viele Roma leb-       Die Arbeit hat sich von Gheorgheni auf an-
                                                                                                 getan hat.»
ten in Slums und waren bitterarm. Sie wa-        dere Städte ausgeweitet. Dort gibt es Haus-
ren Analphabeten und führten ein zügelloses      kreise oder Bibelkreise. «Wir staunen, was
Leben. Das bedrückte Zsolt. «Wir müssen mit      Gott schon alles getan hat. Das motiviert und
den Kindern arbeiten, wenn wir etwas be-         inspiriert uns, an noch grössere Verheissun-
wirken wollen», wurde ihm klar. Er gründete      gen zu glauben», erklärt Zsolt.

                 János Kajcza, selbst ein        tere Mitarbeitende: Frauen, die Kinder und Jugendliche betreuen,
                 Rom, arbeitet unter der         und eine Handvoll Männer, die ebenfalls predigen.
                 Roma-Bevölkerung in Ora-
                 dea. In der Kirche, in der er   Nothilfe während der Pandemie
                 zu Gott gefunden hat, gab       János hat die Roma mit allen ihren Nöten im Blick. Die Covid-19-
                 es keine anderen Roma. Er       Pandemie traf ihre Gemeinschaft besonders hart, sie brauchten drin-
                 träumte von einer christli-     gend Hilfe. «Dank der Unterstützung der Christlichen Ostmission
chen Gemeinde, in der diese Menschen Gott        konnten wir fast 100 Familien, denen es sehr schlecht ging, mit Le-
kennenlernen und ihn anbeten würden. In          bensmitteln und Medikamenten versorgen», berichtet er dankbar.
der Nähe der Roma-Siedlung gab es ein un-
bebautes Grundstück. Es schien János ideal       Gelder aus der Schweiz haben es weiter möglich gemacht, Sommerla-
für eine Kirche und er begann, dafür zu be-      ger für Roma-Jugendliche durchzuführen. Sie spielen eine wichtige
ten. Es schien unmöglich, doch die Vision hat    Rolle für die Arbeit unter den Roma in Oradea. Viele Teilnehmende
sich erfüllt. Heute steht genau dort eine Kir-   hören im Lager erstmals von Gott und manche beschliessen, ihm ihr
che und sie ist voll mit Roma.                   Leben anzuvertrauen. «Ich preise Gott für alle, die diesen Schritt ge-
                                                 wagt haben», sagt er freudig. So komme Gottes Segen in ihr Leben.
Anfänglich war János allein in seinem Dienst.    Positiv beeinflusst werde es auch dadurch, dass die Roma Teil der Ge-
Als die Gemeinde wuchs, schenkte Gott wei-       meinde würden.
26    Jahresausgabe

                      János Bányai wirkt unter der Roma-Bevölkerung
                      in Telechiu. Er blickt auf ein ereignisreiches Jahr
                      zurück. Es begann mit der Verteilung von Weih-
                      nachtspäckli, die grosse Freude auslösten. Danach
                      kam es kurz nacheinander zu vier Todesfällen in       Kinder eines Roma-Dorfes
                      der Gemeinde. Die Beerdigungen, zu denen sehr
     viele Leute erschienen, wurden zu Evangelisationsveranstaltungen.      onarischen Arbeit, die Menschen werden of-
     Bald darauf entschieden sich zahlreiche Menschen für ein Leben         fener für die christliche Botschaft. Auch ein
     mit Christus. «Wir erlebten eine richtige Erweckung», erzählt Janos    Sommerlager haben wir dank Spenderinnen
     glücklich. «Wir hören nicht auf, das Evangelium zu verkünden, und      und Spendern in der Schweiz anbieten kön-
     glauben daran, dass Gottes Wort Menschenleben verwandelt.              nen. Es war eine gute Gelegenheit, den Le-
                                                                            bensstil der jugendlichen Teilnehmer zu be-
     Praktische Hilfe öffnet Herzen                                         einflussen und eine positive Veränderung in
     Die Pandemie beschäftigte uns auch 2021, viele Menschen gerie-         ihrem Leben zu bewirken.
     ten dadurch in Not. Wir sind sehr dankbar, dass uns die Christliche
     Ostmission zur Seite gestanden ist und wir dadurch Hunderten von       Herzlichen Dank für eure Verbundenheit mit
     Roma hier in Telechiu mit Lebensmitteln und Medikamenten helfen        uns und für die materielle und geistliche Un-
     konnten. Diese praktische Hilfe verstärkt die Wirkung unserer missi-   terstützung.»

          CHRISTLICHE UNIVERSITÄT UDG IN MOLDAWIEN
          Die Christliche Ostmission unterstützt missionarische Initiativen in Rumänien, Nordmazedonien und Mol-
          dawien. Strategisch besonders wichtig ist die Zusammenarbeit mit der Christlichen Universität UDG in
          der moldawischen Hauptstadt Chisinau. Junge Christen aus Zentralasien holen sich an der UDG das
          Rüstzeug, um in ihren Heimatländern sozial und missionarisch tätig zu werden. Die UDG bietet Lehrgänge
          in Betriebswirtschaft, Sozialarbeit, Pastoraltheologie und Mission an. UDG-Absolventen sind gut gerüstet,
          um in ihren Heimatländern das christliche Zeugnis zu stärken und in den noch jungen christlichen Ge-
          meinschaften Führungsrollen zu übernehmen. Die Ausbildung in Betriebswirtschaft hilft ihnen, den eige-
          nen Lebensunterhalt zu verdienen. Die allermeisten christlichen Gemeinden in Zentralasien sind nämlich
          nicht in der Lage, Pastoren oder andere Mitarbeitende zu entlöhnen. Über die UDG fördert die COM also
          missionarisches Wirken in ganz Zentralasien. Und sie stärkt Kirchen, denen aus der muslimischen Mehr-
          heitsgesellschaft ein rauer Wind entgegenbläst.

          ZAHLEN STUDIENJAHR 2021–2022

               • Theologie und
                 Mission:
                 32 Studierende
                                                                            66   Studierende
                                                                                 aus Moldawien
                                                                                                           49 %
               • Betriebswirtschaft
                 und Sprachen:                         134                  58   Studierende
                                                                                 aus Zentralasien
                                                                                                    43 %

                 60 Studierende                     Studierende
               • Sozialarbeit:
                 42 Studierende
                                                      (Vollzeit)
                                                                            10   Studierende aus
                                                                                 anderen Ländern
                                                                                                           8%
27

                                              «ICH WAR DER
                                             GLÜCKLICHSTE
                                            MENSCH DER WELT»
                                                             SOMMERLAGER

                                             Ein paar Tage Ferien und Erholung: eine Selbstver-
                                             ständlichkeit für uns in der Schweiz, ein unerschwing-
                                             licher Luxus für die vielen Armen in Osteuropa und Zen-
                                             tralasien. Dabei hätten doch sie es besonders nötig.

                                             Nicht in ihren kühnsten Träumen hätte sich die 8-jährige Svetlana
                                             aus Chisinau in Moldawien vorstellen können, in die Ferien zu rei-
                                             sen. Zu sehr war ihr Alltag von Geldsorgen geprägt. Ihre Eltern sind
                                             beide voll berufstätig, denn nur mit zwei Einkommen hat die Fami-
                                             lie eine Chance zu überleben. Manchmal ist Svetlana bei der Gross-
                                             mutter, aber oft verbringt sie die schulfreie Zeit alleine im Hof ihrer
                                             Wohnung.

                                             Eine Cousine, die zu einer evangelischen Kirche gehört, lud Svetlana
                                             in deren Sommerlager ein. Dank Spenden aus der Schweiz müsse die
                                             Familie nichts bezahlen. «Ich war der glücklichste Mensch der Welt,
                                             als ich das hörte», erzählt Svetlana.

                                             Sie genoss die Tage im Lager. Besonders fasziniert war sie von den
                                             abendlichen Gruppentreffen. «Wir lernten einander richtig gut ken-
Svetlana                                     nen und am Schluss des Abends beteten wir. Alles, was uns beschäf-
                                             tigte, konnten wir Gott sagen. So etwas hatte ich noch nie erlebt.»
                                             Auch das Singen und die vielen Spiele mochte Svetlana sehr. Zu ih-
                                             rer besten Lagerfreundin wurde Natalia, die Köchin: «Sie kochte fei-
Danke                                        nes Essen für uns alle und behandelte mich so, als ob ich ihre Toch-
                                             ter wäre. Ich liebe sie.»
Die Christliche Ostmission (COM) unter-
stützt Sommerlager für Kinder in Belarus,
Moldawien, Rumänien, Tadschikistan,
Usbekistan, Kirgistan, Turkmenistan
und der Ukraine sowie in der russischen      SOMMERLAGER 2021
Exklave Kaliningrad. Durchgeführt
werden sie von lokalen Partnern der
COM, vorwiegend Kirchgemeinden, mit
Hunderten von freiwilligen Helferinnen
und Helfern.
Danke allen Spenderinnen und Spendern.             10 675                    825                       16
Mit ihren Gaben schenken sie Tausenden              Kinder                 Helferinnen                Partner
von Kindern ein unvergessliches und oft                                    und Helfer              in 7 Ländern
fürs Leben prägendes Erlebnis.
28    Jahresausgabe

                            AKTION WEIHNACHTSPÄCKLI

             DANKE, DANKE, DANKE!
     Weihnachtspäckli sind ein Lichtblick          Früher lebten sie ganz gut von ihrem Landwirtschaftsbetrieb. Doch
     im Alltag bedürftiger Menschen in             der Krieg, der 2014 ausbrach, hat alles ruiniert. Granaten haben im
     Albanien, Bulgarien, Moldawien, Ru-           Dorf grosse Zerstörung angerichtet. Das Haus der Familie steht noch,
     mänien, Serbien, Weissrussland und            aber die Fensterscheiben sind längst kaputt. Ein Loch in der Haus-
     der Ukraine. Hier ein Bericht aus der         wand hat man notdürftig geflickt. Zwei Jahre lang verbrachte die Fa-
     Ukraine.                                      milie die Nächte und auch einen Teil des Tages im Keller, denn man
                                                   wusste nie, wann und wo die nächste Granate einschlagen würde.
     Pervomaysk liegt im Osten, nahe der Front,
     die seit 2014 einen Teil der Donbass-Region   Alles ist ruiniert
     vom Rest des Landes trennt. Unser Besuch      Der Krieg hat die Familie ruiniert. Die ständige Angst hat der Ge-
     im Januar 2022 gilt der Familie Cisteakov.    sundheit geschadet. Grossmutter Svetlana erlitt einen Infarkt und
     Grossmutter Svetlana lebt hier mit ihrem      hat seither grosse Mühe beim Gehen. Auch mit den Händen zu arbei-
     Sohn Andrei und ihren Enkeln, der 12-jähri-   ten fällt ihr schwer, und schreiben kann sie kaum mehr. Die Kinder
     gen Ecaterina und dem 9-jährigen Serghei.     haben psychische Probleme. Weil die Wirtschaft in der ganzen Re-
                                                   gion am Boden liegt, läuft auch der einst blühende Landwirtschafts-
                                                   betrieb nicht mehr. Arbeit gibt es kaum in der Gegend. Die Familie
                                                   ist bitterarm geworden.

                                                   Päckli lösen grosse Freude aus
                                                   Heute aber sind wir da mit Weihnachtspäckli für die Kinder und die
                                                   Grossmutter. Serghei und Ecaterina geraten völlig aus dem Häus-
                                                   chen. In ihrem Alltag gibt es kaum genug zu essen und auch sonst nie
                                                   auch nur das kleinste Extra. Heute aber halten sie Spielsachen in den
                                                   Händen und ein paar Süssigkeiten. Serghei strahlt über sein Spiel-
                                                   zeugauto und das Pop-it, Ecaterina hat glücklich ihren Rucksack ge-
                                                   schultert. Grossmutter Svetlana weint vor Freude, als sie die Lebens-
                                                   mittel in ihrem Päckli sieht. Immer wieder muss sie sich Tränen ab-
                                                   wischen. «Danke, danke, danke!», ist alles, was sie sagen kann. Dank
                                                   der Esswaren im Päckli kann die Familie den kommenden Wochen
                                                   etwas ruhiger entgegensehen.
     Familie Cisteakov

     Nachtrag: Wir haben keine Informationen, was seit dem Einmarsch der russischen Armee Ende Februar aus F   ­ amilie
     Cisteakov geworden ist. Wir können nur im Gebet an sie denken – und an die Millionen anderen, die durch den Krieg
     in Not geraten sind. Bitte schliessen Sie sich unseren Gebeten an.
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