JAHRESAUSGABE 2021/2022 - Christliche Ostmission
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2 Jahresausgabe ostvision wird monatlich herausgegeben von der CHRISTLICHEN OSTMISSION (COM), Inhaltsverzeichnis Worb Nr. 601: Juni 2022 Jahresabonnement: CHF 15.– Wort des Präsidenten 3 Redaktion: Gallus Tannheimer (GT), Editorial des Missionsleiters 4– 5 Beatrice Käufeler (BK), Petra Schüpbach (PS), Christine Schneider (CS), Thomas Martin (TM) Profil der Christlichen Ostmission 6 –7 Wir helfen direkt. 8 – 11 Korrespondent Osteuropa Humanitäre Hilfe und Zentralasien: Danik Gasan Wir schützen. 12 –15 Adresse: Christliche Ostmission Menschenhandel Bodengasse 14 3076 Worb BE Wir bauen auf. 16 –19 Telefon: 031 838 12 12 Bildung und Gewerbeförderung Fax: 031 839 63 44 E-Mail: mail@ostmission.ch Wir Kinder von Moldawien 20 –23 Internet: www.ostmission.ch Mission 24 –26 Postkonto: 30-6880-4 IBAN: CH36 0900 0000 3000 6880 4 Sommerlager 27 Bankkonto: Bank SLM Aktion Weihnachtspäckli 28 –29 16 0.264.720.06 Ehrenamtliche Mitarbeit 30 –31 Kontrolle der Bücher: Unico Treuhand AG, Burgdorf Spenden sind in allen Kantonen steuer abzugsberechtigt. Nähere Auskünfte erteilt unser Sekretariat. Gehen für ein Projekt mehr Spenden als benötigt ein, werden diese für ähnliche Zwecke eingesetzt. Bildquellen: COM, Envato Elements Wenn nicht anders vermerkt, haben die abgebildeten Personen keinen Zusammen- hang mit den erwähnten Beispielen. Gestaltung: Thomas Martin Druck: Stämpfli AG, Bern Papier: Das Magazin ist auf chlorfrei gebleichtem und FSC-zertifiziertem Papier gedruckt. Geschäftsleitung: Gallus Tannheimer, Missionsleiter Beat Sannwald, Projektleiter Stiftungsrat: Stefan Zweifel, Worben, Präsident Pfr. Thomas Hurni, Madiswil, Vizepräsident Lilo Hadorn, Selzach Thomas Haller, Langenthal Pfr. Matthias Schüürmann, Reitnau Beauftragter des Stiftungsrates: Günther Baumann Verfasser: 8–11: CS | 12–15: BK | 16–19: CS 20–27: CS | 28–29: CS/Michael Stauffer Das unabhängige Gütesiegel der Stiftung Ehrenkodex attestiert eine umfassende Qualität der Arbeit sowie einen sorgsamen Umgang mit Spendengeldern.
3 wort des präsidenten Deshalb, meine Kinder, lasst uns einander lieben: nicht mit leeren Worten, sondern mit tatkräftiger Liebe und in aller Aufrichtigkeit. 1. Johannes 3,18 Liebe Missionsfreunde Von Simon Sinek, einem amerikanischen Un- ganzes Hab und Gut verlieren. Mit humanitä- ternehmensberater, las ich folgende Aussa- rer Soforthilfe wird die unerträgliche Situation ge, die ich hier sinngemäss weitergebe: «Die gelindert. meisten Organisationen können sehr gut beschreiben, WAS sie tun. Viele Organisatio- Die Sanktionen des Westens treffen tausen- nen können zudem sehr genau beschreiben, de Unternehmen in Russland und vernichten WIE sie etwas tun. Kaum eine jedoch kann Arbeitsplätze in grosser Zahl. Betroffen sind beschreiben, WARUM sie etwas tut.» auch Millionen von Zentralasiaten, die in Russland arbeiten. Sie könnten ihren Job Warum tut die Christliche Ostmission, was verlieren und müssten dann mittellos in ihre sie tut? Oder besser gesagt: Warum tun wir Herkunftsländer zurückkehren – mit völlig un- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (als Ange- gewissen Perspektiven. Auch hier setzt die stellte, Ehrenamtliche oder Spender), was COM an: Durch gezielte Ausbildung von Un- wir tun? Der obenstehende Bibelvers, einer ternehmern bieten wir Hilfe zur Selbsthilfe an. der Leitverse der COM, gibt Antwort: Weil wir als Christen eine Liebe für die bedürfti- Aus der Ukraine flüchten vor allem Frauen gen Menschen haben. Und weil wir Gottes und Kinder. Sie sind in grosser Gefahr, in die Wort gehorchen wollen. Aber auch, weil wir Fänge von gewissenlosen Menschenhänd- im Überfluss leben (siehe dazu Vers 17 aus lern zu geraten, die ihre Not schamlos aus- 1. Johannes 3). Wir fragen nicht nur nach nutzen. In der Schweiz, einem Zielland des den Gründen einer Krise, sondern sehen die Menschenhandels, macht die Christliche Ost- Menschen, die drinstecken. Ihre Not macht mission auf das schreiende Unrecht aufmerk- betroffen und weckt auf – und manchmal sam, unter anderem mit Kundgebungen. belastet sie auch. Aus der Liebe für diese Menschen wachsen Leidenschaft und Kraft. Aus der Not ergeben sich für die COM viele Daraus entstehen Taten, beispielsweise Ge- Möglichkeiten, mit gezielten Projekten Leid bet, Spenden, Mitarbeit. Aus diesen vielen zu lindern. Ihre Gebete und Spenden ma- Taten entsteht konkrete Hilfe vor Ort, die chen die Hilfe erst möglich. Herzlichen Dank Hoffnung, Linderung und Lösungen bringt. dafür und «vergelt’s Gott». Und sie macht es möglich, dass Menschen Kraft und die Mittel erhalten, ihren Nächsten Liebe Grüsse zu helfen. Nachhaltig. In unseren Projektländern sehe ich einige Kri- sen, die unsere Hilfe nötig machen. Denken wir nur schon an die Not, die der Ukraine- Krieg verursacht. Er treibt unzählige Men- Stefan Zweifel schen in den Ruin, lässt viele Ukrainer ihr Präsident
4 Jahresausgabe editorial Liebe Missionsfreunde Wenn ich an das Jahr 2021 denke, erfüllt mich Menschenhandel: stärkeres grosse Dankbarkeit. Trotz aller Schwierigkei- Engagement in der Schweiz ten wegen der anhaltenden Corona-Pandemie Seit fast 20 Jahren engagiert sich die COM haben wir überwältigende Solidarität erlebt. im Kampf gegen den Menschenhandel in un- seren Projektländern. Ebenso wichtig ist die Wir erhielten viele Telefonate, Briefe, Karten Aufklärung hierzulande. Um unsere Bevöl- und E-Mails von Menschen, die Anteilnahme kerung noch stärker zu sensibilisieren, ha- und Interesse ausdrückten, dazu unzählige ben wir die Bemühungen in der Schweiz in grosse und kleine Spenden. So konnten wir den letzten Jahren intensiviert. 2019 führten in unseren Projektländern wirksame Hilfe wir eine erste Kundgebung in Bern durch. leisten und viele Menschen unterstützen. 2021 haben wir die Planung für eine breite Darüber freuen wir uns sehr. Die Hilfe, die Kampagne und eine Grosskundgebung ge- wir bieten, ist vielfältig. Sie reicht von Not- gen Menschenhandel in Angriff genommen, hilfe über die Förderung von Familienbetrie- die am 24. September 2022 stattfinden soll. ben bis zum Kampf gegen Menschenhandel. Wir freuen uns darauf. In der Zwischenzeit Gallus Tannheimer Stets im Blick haben wir Kinder, die ohne ihr haben wir mit Ehrenamtlichen Strassenein- Missionsleiter Dazutun in schwierigen Verhältnissen leben. sätze in Bern, Thun, Basel und Zürich durch- geführt. Eine Herausforderung war, dass gewisse Län- der nach wie vor niemanden einreisen liessen. Aktion Weihnachtspäckli – Wir mussten uns daran gewöhnen, mit man- ein Dauerbrenner chen Projektpartnern nur via Telefon und In- Noch länger, nämlich seit 1996, führt die ternet kommunizieren zu können. Je länger COM die Aktion Weihnachtspäckli durch, die Pandemie dauerte, desto mehr sehnten zuerst alleine, seit 1999 gemeinsam mit LIO wir uns nach persönlichen Begegnungen. (Licht im Osten), AVC (Aktion für verfolgte Christen) und HMK (Hilfe für Mensch und Kirche). Erfreulich ist, dass die Anzahl ge- sammelter Päckli auch 2021 zunahm und «Wir konnten in unseren Projektländern wirksame mit insgesamt 124 800 gesammelten Päckli Hilfe leisten und viele Menschen unterstützen.» ein weiterer Rekord aufgestellt wurde. Indien Schweiz Moldawien Hilfe im Rotlichtviertel Strasseneinsatz gegen Weihnachtspäckli Menschenhandel
5 Lasst uns nicht müde werden, das zu tun, was gut und richtig ist. Denn wenn wir nicht aufgeben, werden wir zu der von Gott bestimmten Zeit die Ernte einbringen. Galater 6,9 Wechsel im Präsidium Brennpunkt Ukraine Ende Jahr übernahm Stefan Zweifel das Prä- Leider mussten wir feststellen, dass die Lage sidium des Stiftungsrates der COM. Er enga- in der Ukraine immer spannungsgeladener giert sich auch als Trainer in der Gewerbeför- wurde. «Es kann nicht gut kommen!», schrieb derung. Wir sind dankbar, dass wir mit Stefan ein Journalist der NZZ angesichts der Diffe- Zweifel wiederum einen kompetenten und renzen mit Russland. Er sollte Recht behal- erfahrenen Präsidenten haben. Ebenso sind ten. Ich gehe davon aus, dass der Krieg in der wir dankbar für die jahrelange Mitarbeit des Ukraine und dessen Folgen uns noch Jahre scheidenden Präsidenten Mario Brühlmann. beschäftigen werden. Das menschliche Leid Während über 30 Jahren hat er in verschie- ist immens und unsere Hilfe langfristig nötig. denen Aufgaben und Funktionen angepackt! Gemeinsam bewirken wir viel «Wir sind froh, dass wir die Herausforderungen Die grosse Arbeit der COM wäre nicht mög- gemeinsam und im Vertrauen lich ohne das versierte Team in Worb. Die 16 auf Gottes Hilfe anpacken können.» Mitarbeitenden bilden zusammen mit den 500 Ehrenamtlichen im ganzen Land das Rückgrat unserer Arbeit. Von Herzen danke Danke ich allen, die sich beteiligt haben, indem sie Es standen und stehen grosse Herausforde- tatkräftig angepackt, mit Gaben die Arbeit rungen an. Wir sind froh, dass wir sie gemein- ermöglicht oder mitgebetet und mitgefie- sam und im Vertrauen auf Gottes Hilfe anpa- bert haben. cken können. Ich danke Ihnen im Namen der ganzen COM für alle Unterstützung und freue Corona-Nothilfe mich, mit Ihnen weiter verbunden zu sein. Hilfe während der Pandemie war in allen Ländern gefragt. Im Projekt «Wir Kinder von Moldawien» zum Beispiel wurde unsere Un- terstützung auf die Familien der Kinder aus- geweitet. Es freut uns sehr, dass sich so der Wirkungskreis des Projektes vergrössert hat. Gallus Tannheimer, Missionsleiter Nepal Vietnam Ukraine Seminar für Corona-Nothilfe Lebensmittelhilfe Familienbetriebe
6 Jahresausgabe 1 2 16 3 9 5 4 6 8 7 10 11 13 12 14 15 In diesen Ländern ist die CHRISTLICHE COM aktiv: 1 Kaliningrad 2 Belarus OSTMISSION – 3 Ukraine 4 Moldawien 5 Rumänien VIELFÄLTIGE HILFE, 6 Nordmazedonien 7 Turkmenistan 8 Usbekistan GROSSE WIRKUNG 9 Kasachstan 10 Tadschikistan 11 Afghanistan 12 Indien Helfen, schützen, aufbauen. So heis- 13 Nepal sen die drei Pfeiler des Dienstes der 14 Vietnam Christlichen Ostmission. Die COM 15 Kambodscha engagiert sich da, wo Menschen lei- 16 Schweiz den, in Gefahr sind oder Wege aus der Armut suchen. Die Christliche Ostmission (COM) ist ein Um mehr Wirkung zu erzielen, Hilfs- und Missionswerk. Ihr Handeln ist arbeitet die COM mit anderen zusammen. motiviert durch Gottes Liebe, die allen Menschen gilt. In Seinem Namen steht sie Notleidenden in Osteuropa und Asien zur Seite. Die COM leistet Hilfe auf vielfältige Weise. Das geht von Nothilfe über die Begleitung von Opfern des Menschenhandels bis zur Unterstützung christlicher Kirchen, von der Förderung verwahrloster Kinder über die Ausbildung junger Christen für den diako- Das unabhängige Gütesiegel der Stiftung Ehrenkodex attestiert nischen und missionarischen Dienst bis eine umfassende Qualität der Arbeit sowie einen sorgsamen zu Seminaren für Menschen, die lernen Umgang mit Spendengeldern. wollen, mit einem eigenen Unternehmen ihre Existenz zu sichern.
7 WIR HELFEN DIREKT WIR SCHÜTZEN WIR BAUEN AUF IN NOTSITUATIONEN, VOR MENSCHEN- DURCH BILDUNG, GEWERBE- KATASTROPHEN UND HANDEL UND LANDWIRTSCHAFTS- KRIEGEN FÖRDERUNG Die COM hilft mit Lebens- Jedes Jahr fordert der Men- Unzählige Menschen stecken mitteln, Kleidern und schenhandel zweieinhalb in der Armut fest und kämp- Heizmaterial, damit Arme Millionen Opfer! Die COM fen täglich ums Überleben. schwierige Zeiten überste- schaut hin und handelt. Sie Wer über mehr Know-how hen. Viele schöpfen wieder engagiert sich für Gefähr- verfügt, hat bessere Chancen, Hoffnung, wenn sie spüren, dete und hilft mit, Opfer zu der Armut zu entkommen. dass andere an sie denken befreien, zu schützen und Darum bildet die COM Men- und helfen. Daraus wächst ihnen einen Weg zurück ins toren aus, die interessierten neue Kraft: Menschen wer- Leben zu ermöglichen. In und fähigen Männern und den fähig, Schwierigkeiten der Schweiz setzt sich die Frauen helfen, Familien- zu überwinden und für sich COM dafür ein, dass Men- betriebe aufzubauen und zu selbst zu sorgen. Bei Natur- schenhandel ein öffentli- führen und damit für sich katastrophen und Kriegen ches Thema wird und Druck und ihre Angehörigen zu leistet die COM Soforthilfe entsteht, damit die Politik sorgen. Ihr Beispiel inspiriert und sobald als möglich entschiedener als bisher andere, ebenfalls Schritte auch Aufbauhilfe. handelt. Weiter ermutigt aus der Armut zu wagen. sie Menschen, im Gebet für Opfer einzustehen.
8 Jahresausgabe WIR HELFEN DIREKT IN NOTSITUATIONEN, KATASTROPHEN UND Vadim Stepanenko KRIEGEN Projektleiter Humanitäre Hilfe «Die heutige Zeit, wo sich alles ständig ändert, stellt uns vor immer neue Heraus- forderungen. Manchmal sieht es aus, als ob es nicht mehr weitergehe. Aber es ist faszinierend zu erleben, wie Gott in solchen Situationen neue Türen öffnet und ganz unerwartete Wege sichtbar macht. Er ermutigt uns auch, die ersten Schritte auf diesen neuen Wegen zu tun. Mein Herz ist voller Freude und Dankbarkeit über das Wirken Gottes in unserer Arbeit.»
9 HUMANITÄRE HILFE «IHR KÖNNT EUCH DIE SCHWIERIGEN LEBENSUMSTÄNDE GAR NICHT VORSTELLEN» In vielen ihrer Einsatzländer leistet die Christliche Ostmission humanitäre Hilfe. Sie steht Menschen zur Seite, die zu wenig zum Leben haben. Es sind Betagte, Behinderte oder Menschen, die durch Schicksalsschläge in Not geraten sind. Nachdenklich sitzt die fast 80-jährige Nina dernisse wie Treppen oder zu schmale Türen. Sumenkova in ihrer Wohnung in der belarus- Nina hat schon manchen Brief an die Stadt- sischen Stadt Gomel. Das Leben hat ihr viele verwaltung geschrieben, um die Beseitigung Nöte und Prüfungen gebracht, doch ener- von Hindernissen für Menschen mit einer gisch und zielstrebig hat sie immer einen Behinderung zu fordern – leider mit wenig Ausweg gesucht. Daran ist sie gewachsen – Erfolg. und es hat sie näher zu Gott gebracht. Jetzt aber ist sie an einem Punkt angelangt, wo sie Geld war schon immer knapp nicht mehr alleine klarkommt. Nina wuchs in einer Lehrerfamilie auf. Ihr Vater arbeitete sein Leben lang an Schulen in Nina lebt mit ihrem 42-jährigen Sohn Mischa ländlichen Gegenden. Als guter Parteimann zusammen. Er sitzt im Rollstuhl. Komplika- wurde er immer wieder in Randregionen ge- tionen während der Geburt sind der Grund, schickt, um dort die Schule im Sinn der Re- weshalb er an einer zerebralen Bewegungs- gierung zu prägen und so zum Aufbau des störung leidet. «Als er noch ein Kind war, ha- ben mein Mann und ich ihn immer getra- gen», erzählt Nina. Später erhielten sie einen Rollstuhl. Leider ist seine Krankheit degene- rativ, seine Bewegungsstörungen nehmen also langsam, aber stetig zu. Auch das Reden fällt ihm schwer. «Sein Intellekt hingegen ist völlig intakt», betont die stolze Mutter. «Er ist schlau, hat Italienisch gelernt und kennt sich mit Computern aus.» Mischa würde nichts lieber tun als arbeiten und seinen Lebens- unterhalt verdienen. Theoretisch könnte er das, aber bisher ist jeder Versuch, eine Stelle zu bekommen, gescheitert. Manchmal waren die Vorbehalte eines Personalchefs dafür ver- antwortlich, manchmal auch praktische Hin- Nina und ihr Sohn Mischa, der an einer zerebralen Bewegungsstörung leidet
10 Jahresausgabe die kurzen Wege in der Wohnung stützt sie sich auf eine Krücke. Nina ist gewohnt, ohne Hilfe klarzukommen. Nicht von anderen ab- hängig zu sein, war ihr immer wichtig. Heute aber muss sie sich damit abfinden, dass das nicht mehr geht. Völlig ungenügende Renten Die beiden leben von der Altersrente der Mutter und der Invalidenrente des Sohnes. Trotz ihres äusserst bescheidenen Lebens- stils reicht das Einkommen nicht. Im Winter, wenn neben den normalen Wohnungskosten auch noch hohe Heizrechnungen anfallen, ist es besonders schwierig. Oder wenn Medi- kamente gekauft werden müssen, was ange- sichts zunehmender gesundheitlicher Prob- leme immer öfter vorkommt. Nina und Mischa mit den Lebensmitteln der Christlichen Ostmission «Die Unterstützung bedeutet sowjetischen Vaterlands beizutragen. Nina auch, dass wir uns nicht stän- wurde ebenfalls Lehrerin. Später nahm sie eine Stelle in einer Fabrik an. Von ihrem ma- dig sorgen müssen, wie es am geren Lehrerinnengehalt war zu wenig üb- nächsten Tag weitergehen soll.» riggeblieben, um für einen kranken Sohn zu sorgen. Obschon Nina und ihr Mann beide arbeiteten, war das Geld in ihrer Familie im- Von staatlicher Seite ist keine Hilfe zu erwar- mer knapp. ten, die Renten bleiben klein. Und wegen der massiv gestiegenen Preise kann man sich für Ninas Mann Nikolai starb vor einigen Jah- das gleiche Geld immer weniger kaufen. So ren ganz plötzlich an einer Hirnblutung. Von springt seit zwei Jahren der moldawische der ganzen Verwandtschaft ist ihr nur eine Partner der Christlichen Ostmission (COM) Schwester geblieben, die in Kiew in der Ukra- in die Bresche. Nina und Mischa bekommen re- ine lebt. Nina hatte davon geträumt, dass sie gelmässig Lebensmittelpakete und im Herbst beide im Alter zusammenziehen könnten. An- so viele Säcke Kartoffeln, dass sie damit über gesichts des Krieges ist daran vorläufig nicht den Winter kommen. zu denken. Hilfe bedeutet unendlich viel Was das für sie bedeute, wurde Nina ge- Obschon Nina und ihr Mann beide arbeiteten, fragt. Zuerst hatte sie keine Worte, stattdes- sen flossen Tränen über ihre Wangen. Dann war das Geld in ihrer Familie immer knapp. fasste sie sich: «Eure Hilfe bedeutet uns un- endlich viel. Anstatt unser bisschen Geld für In den letzten Jahren haben sich bei Nina Al- Essen auszugeben, können wir andere drin- tersbeschwerden bemerkbar gemacht. Sie gende Auslagen bestreiten, zum Beispiel Me- sieht nur noch schlecht und ihre Beine wol- dikamente kaufen. Oder kürzlich mussten len sie beinahe nicht mehr tragen. Selbst für wir Mischas Rollstuhl reparieren lassen. Die
11 Unterstützung bedeutet aber auch, dass wir Und man besucht sie zuhause, um ihre Lebens- uns nicht ständig sorgen müssen, wie es am umstände und Bedürfnisse kennenzulernen. nächsten Tag weitergehen soll. Ich kann ein- Vielen, die sich nach einem langen, arbeit fach nur herzlichen Dank sagen. Gott segne samen Leben vom Staat im Stich gelassen euch für euer Tun!» fühlen, hilft nur schon die Anteilnahme und das Erleben, dass jemand sie wahrnimmt. «Ihr Unterstützung aus der Schweiz könnt euch gar nicht vorstellen, wie schwie- lindert Not rig die Lebensumstände mancher Menschen Der belarussische Partner der Christlichen sind», berichtet ein Mitarbeiter vor Ort. «Er- Ostmission kümmert sich um die Ärmsten leben zu dürfen, was unsere Hilfe bewirkt der Armen. Das sind insbesondere Betagte und welche riesige Dankbarkeit sie auslöst, sowie Menschen mit Behinderungen. Es wer- ist wunderschön. Danke euch allen von der den Treffen für diese Menschen organisiert, Christlichen Ostmission. Ihr macht es mög- damit sie aus ihrer Isolation herauskommen. lich, dass wir hier viel Not lindern können.» HUMANITÄRE HILFE IM JAHR 2021 728 597 kg 282 750 kg 234 441 kg 77 129 Lebensmittel davon 302 757 kg Heizmaterial Kleider Begünstigte Kartoffeln Im Rahmen der Corona-Nothilfe hat die Christliche Ostmission in Moldawien, Zentralasien, Belarus und der Ukraine im Jahr 2021 zusätzlich 162 060 kg Lebensmittel an 18 971 Begünstigte verteilt. Diese Hilfe ist in den obengenannten Zahlen nicht enthalten.
12 Jahresausgabe WIR SCHÜTZEN VOR MENSCHEN- Beatrice Käufeler HANDEL Projektleiterin Menschenhandel «Während der Pandemie war es nicht einfach, gefährdeten Kindern und ausge- beuteten Frauen zu helfen. Wir mussten bei einigen Projekten neue Wege gehen. Aber dadurch ist auch viel Gutes geschehen und neue Türen haben sich geöffnet. Ich bin Gott von Herzen dafür dankbar.»
13 MENSCHENHANDEL «ICH WAR IHNEN HILFLOS AUSGELIEFERT» «Mein Name ist Longdy Chhap. Ich bin mit kambodschanische Polizei in mein Dorf zu- fünf Geschwistern in einer armen Familie rück. Aber nicht lange danach kam derselbe in Kambodscha aufgewachsen. Meine Mut- Mann erneut ins Dorf und holte mich wieder ter arbeitete als Nudel-Verkäuferin, mein Va- nach Thailand. Mehrere Jahre später wurde ter war Tagelöhner. Wir lebten nahe der thai- ich abermals von der thailändischen Polizei ländischen Grenze. Als ich dreijährig war, auf den Posten mitgenommen. Dieses Mal konnte ich plötzlich nicht mehr gehen. Es aber brachte mich die kambodschanische war Polio. Ich konnte mich nur noch mit ei- Polizei nach Phnom Penh. Dort kam ich in nem Rollstuhl fortbewegen und das machte die Obhut der Internationalen Organisation mich sehr traurig. Mutter versuchte alles, da- für Migration (IOM). Über eineinhalb Jahre mit ich die beste medizinische Behandlung konnte ich in ihrem Schutzhaus wohnen und bekäme. Doch viel Geld hatten wir nicht. gleichzeitig zur Schule gehen. Danach fand ich Unterschlupf in einem Heim einer Nicht- Eines Tages, ich war etwa fünf, kam ein regierungsorganisation, die von der Christli- Mann ins Dorf. Er erzählte meiner Mutter, chen Ostmission unterstützt wird. dass ich in Thailand als Bettelkind viel Geld für die Familie verdienen könnte, zwei Drit- tel des erbettelten Geldes würde die Familie «Wenn ich nichts erbettelte, bekommen. Mutter entschied, diesem Mann bekam ich kein Essen.» zu vertrauen. Ich war damals gewalttätig und aggressiv – Er nahm mich mit nach Thailand. Ich lebte genau wie meine Ausbeuter. Die Mitarbeiten- mit drei oder vier Kindern in einem Zimmer. den reagierten mit Geduld und Verständnis. Jeden Morgen brachten mich Männer auf die Therapeutische Gespräche halfen mir, mit Strasse, wo ich betteln musste. Abends hol- meinen Gefühlen zurechtzukommen und ten sie mich wieder ab. Alles Geld kassierten meine traumatischen Erlebnisse aufzuarbei- sie für sich, meine Eltern bekamen nie et- ten. Diese Erfahrung war für mich so zentral, was. Wenn ich nichts erbettelte, bekam ich kein Essen. Auf der Strasse ging es brutal zu. Longdy Chhap setzt Manchmal wurde ich verprügelt und ausge- sich heute weltweit für die Bekämpfung raubt. Ich war hilflos, konnte mich nicht weh- des Menschenhandels ren. Wie sollte ich auch? Ich konnte ja nicht ein. Er nahm im einmal stehen, geschweige denn Dieben hin- November 2021 als terherlaufen. Zu essen gab es danach jeweils Podiumsteilnehmer nichts, denn niemand glaubte mir, dass das an der UNO-General Geld gestohlen wurde. versammlung zur Bewertung des Globalen Aktionsplans Befreiung und nachhaltige Hilfe zur Bekämpfung des Nach vielen Monaten wurde ich von der thai- Menschenhandels ländischen Polizei aufgegriffen. Man brachte 2021 teil. mich auf den Posten und von da über die Longdy Chhap
14 Jahresausgabe dass ich bereits in der siebten Klasse wusste, wichtig, dass die Hilfesuchenden sich ver- was ich einmal werden wollte: Psychologe. standen fühlen und dass ich ihnen mit Liebe, Ich wollte andern helfen, die ähnliches erlebt Geduld und Kompetenz begegne. Ich bin haben wie ich. sehr dankbar, helfen zu können. «Ich habe Später lebte ich in einer Wohngruppe und Heute bin ich verheiratet und habe Kinder. meiner besuchte eine Berufsmittelschule. Nach dem Meine Frau ist stolz auf mich. Sie vertraut mir Abschluss arbeitete ich zuerst freiwillig bei und ist zuversichtlich, dass wir es gemeinsam Mutter dieser Organisation, später wurde ich ange- schaffen. Auch meine Herkunftsfamilie ist vergeben. stellt. Parallel dazu studierte ich Englisch und jetzt stolz auf mich. Meine Mutter fühlte sich Psychologie. Nach dem Bachelor-Abschluss lange schuldig, weil sie mich auf die Strasse Gott hat machte ich einen Master in Management. geschickt hatte. Damals hasste ich sie deswe- gen. Heute haben wir aber ein gutes Verhält- mir dabei In meiner therapeutischen Arbeit helfen mir nis – ich habe ihr vergeben. Gott hat mir da- geholfen.» meine eigenen Erfahrungen sehr. Es ist mir bei geholfen. Er ist der Anker meiner Seele.» Organisierte Bettelei Zwangsbettelei ist eine von vielen Formen, stätigen, dass Betteln von ausländischen Per- die Menschenhändler nutzen, um an Geld sonen immer organisiert, inszeniert und or- zu kommen. In einigen Ländern werden ihre chestriert ist. Die Polizei rät, den bettelnden Opfer – oftmals Kinder – buchstäblich ver- Personen kein Geld zu geben, denn damit stümmelt, damit sie beim Betteln mehr Mit- unterstütze man das ausbeuterische System, leid erregen. Aber nicht allein Kinder, son- das dahintersteckt, und nicht den bettelnden dern auch Erwachsene, die in existenziel- Menschen. ler Not sind, alte oder behinderte Menschen werden in der Bettelei ausgebeutet. Manch- 15 der 26 Kantone der Schweiz verbieten der- mal treten sie auch als Strassenmusikanten zeit das Betteln auf ihrem gesamten Gebiet: auf oder werden zum Stehlen aufgefordert. Waadt, Genf, Neuenburg, Freiburg, Glarus, Schaffhausen, Zug, Graubünden, Zürich, Thur- In vielen Ländern sind organisierte Bettler- gau, Basel-Stadt, Obwalden, St. Gallen, Aargau gruppen am Werk, auch in der Schweiz. Um- und Tessin. Einige bestrafen Betteln im Allge- fangreiche Abklärungen von Fachleuten be- meinen, andere nur «aufdringliches» Betteln. Die Christliche Ostmission handelt Seit über 15 Jahren informiert die Christliche Ostmission über Menschenhandel in der Schweiz und zeigt Zusammenhänge auf. Noch länger engagiert sie sich in Herkunftsländern von Opfern, in Osteuropa und Asien. Sie konzentriert sich darauf, gefährdete Kinder und Frauen frühzeitig in Sicherheit zu bringen und zu schützen sowie Opfer zu befreien und bei der Aufarbeitung zu begleiten. Dazu gehört auch, den Betroffenen eine neue Chance und Zukunftsperspektive zu ermöglichen, insbesondere durch Bildung und Arbeitsver mittlung. Ebenfalls hilft die COM, Risikogruppen vor Ort auf die Gefahren des Menschenhandels aufmerksam zu machen und sie vor Ausbeutung zu bewahren.
15 menschenhandel ist grausam auch! en s ch w eig « ‹Wir sind mit dir und «Es ist nicht einfach, helfen dir, im Leben aber ich versuche, voranzukommen›, jeden Tag einen Schritt sagte man mir. Das vorwärts zu gehen machte mir Mut, an und wieder vertrauen meiner Vergangenheit zu lernen.» zu arbeiten, meine Die 14-jährige Mary* aus Nord mazedonien wurde von einem Ausbildung zu beenden Vertrauten auf niederträchtige und ein neues Leben Weise getäuscht. Über eine zu beginnen.» «Mein Leben war ein Woche lang wurde sie – an ein Bett gefesselt – von vielen Meena* wurde in jungen Jahren an Chaos und ich hatte Männern immer wieder ver ein Bordell in der indischen Stadt alle Hoffnung verloren, gewaltigt. Die Polizei fand sie, Mumbai verkauft und dort über 20 Jahre sexuell ausgebeutet. Heute aber jetzt habe ich weil ihr Vater sie als vermisst gemeldet hatte. Heute ist Mary * Namen wurden zum Schutz der Betroffenen geändert. arbeitet sie als Schneiderin und Hoffnung. Ich bin so in Sicherheit und bekommt Hilfe ist glücklich, ein normales Leben dankbar für alle Hilfe, bei unseren Partnern vor Ort. führen zu können. die ich bekomme. Ich fühle mich geliebt und umsorgt und werde ermutigt, stark zu bleiben.» Als Seiha* 17 war, wurde sie nach China gehandelt und dort mit ei- nem Mann verheiratet, der sie über Jahre wie eine Sklavin behandelte. Auch wurde sie bei der Arbeit ausgebeutet. Jetzt ist Seiha wieder in Kambodscha und versucht, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten. ENGAGEMENT GEGEN MENSCHENHANDEL IM JAHR 2021 434 720 über 80 000 456 203 gefährdete Opfer Personen und gefährdete vermisste Frauen und erhielten Behörden Kinder und Mädchen Mädchen wurden über Jugendliche wurden psychologische und wurden an der zum Teil auch Menschenhandel, wurden ausfindig nepalesisch- medizinische, häusliche Gewalt, persönlich gemacht. indischen Grenze schulische und Kinderschutz und und schulisch abgefangen und juristische Hilfe. Covid-19 informiert. gefördert. betreut.
16 Jahresausgabe WIR BAUEN AUF DURCH BILDUNG, GEWERBE- UND LANDWIRTSCHAFTS- FÖRDERUNG Simon Schürch Projektleiter Gewerbeförderung «Mit Begeisterung blicke ich auf ein Jahr zurück, in dem – trotz Pandemie – viel Fruchtbares und Neues entstanden ist: Unsere Partner und Geschäftsmentoren konnten in ländlichen Gegenden zahlreiche Seminare durchführen und damit viele Familien beim Aufbau eines kleinen Betriebes unterstützen. Diese Ein nahmequelle verhilft ihnen zu einer besseren Lebensgrundlage. Durch die neu entstandenen Programme zur Persönlichkeitsentwicklung fördern wir junge Menschen und unterstützen die Entwicklung in diesen Projektländern.»
17 GEWERBEFÖRDERUNG JA, EIN CHRIST DARF GESCHÄFTSMANN SEIN Vielerorts sind Arbeitsplätze Man- Bekpolat sah nur einen Ausweg: nach Russ- gelware. Darum ermutigt und befä- land gehen und dort Arbeit suchen. Mehrere higt die Christliche Ostmission ge- Jahre war er im Nachbarland, doch es gelang eignete und interessierte Menschen, ihm nicht, genug für seinen Lebensunterhalt ein eigenes Unternehmen aufzubau- zu verdienen. Oft reichte sein Geld nicht ein- en und so ihre Existenz zu sichern. mal für einen kurzen Anruf zuhause. Viele Unternehmer lassen sich da- von inspirieren und helfen ihrerseits anderen, den gleichen Weg einzu- Mehrere Jahre war er in Russland, schlagen. doch es gelang ihm nicht, genug für Schon als Kind musste sich der Usbeke Bekpo- seinen Lebensunterhalt zu verdienen. lat gegen Widrigkeiten behaupten. Nach dem frühen Tod der Mutter machte ihm eine Stief- Seine Schwester in Usbekistan hatte inzwi- mutter das Leben schwer. Als Zehnjähriger schen zum christlichen Glauben gefunden arbeitete er nachts in einer Bäckerei, um et- und angefangen, für Bekpolat zu beten. In was Geld für Essen und Kleider zu verdienen. jener Zeit hatte er mehrmals den gleichen Tagsüber, oft todmüde, ging er zur Schule. Traum. Darin sah er Jesus, der die Hand nach ihm ausstreckte und «Mein Sohn, komm zu Seine Jugendjahre fielen in die Zeit, als die mir» rief. Er glaubte, verrückt zu werden, Sowjetunion zusammenbrach und über- weil er immer wieder das Gleiche träumte. all Not und Armut herrschten. Oft waren die Läden leer. Das brachte Bekpolat auf die Idee, mit Teigwaren zu handeln. Bald waren er und sein Bruder gross im Geschäft. Aber das verdiente Geld verloren sie gleich wieder beim Glücksspiel. Schnelles Geld lockt Zurück in die Bäckerei wollte er nicht, also suchte er nach neuen Geschäftsideen. Er be- schloss, Zigaretten aus dem Nachbarland nach Usbekistan zu schmuggeln. Dass das illegal war und schwere Strafen drohten, wusste er. Doch die Versuchung, rasch viel Geld zu verdienen, war zu gross. Doch schon die erste Schmuggelaktion flog auf und er verlor das Geld, das er für sein neues Ge- schäft ausgeliehen hatte. Statt einen satten Gewinn brachte ihm seine Schmugglerkarri- ere nur Schulden. Bekpolat, Christ und erfolgreicher Geschäftsmann
18 Jahresausgabe Gruppenarbeit an einem Seminar für Familienbetriebe der Christlichen Ostmission in Usbekistan Schliesslich kehrte er nach Usbekistan zu- Volk nützlich sein. Er hatte aber keine Ah- rück. Die Angehörigen waren überglücklich. nung, wie das gehen sollte. Die Geschäfts- Seine Schwester sprach mit ihm über den welt, die ihn früher fasziniert hatte, schloss christlichen Glauben. In seinen Augen hatte er aus. «Ein Christ macht keine Geschäfte», sie den Islam verraten. Er bleibe Muslim, be- war er überzeugt. «Du tust überhaupt nichts teuerte er. Nützliches neben deinem Dienst in der Kir- che», meinte sein Vater verächtlich. 2006 «Wenn du heute stirbst, wohin kommst du? hörte er erstmals, dass man auch als Christ Ins Paradies oder in die Hölle?» Diese Sätze, Geschäftsmann sein könne. Er fing an, sich denen er in einem Buch begegnete, wühlten mit dem Thema zu befassen, und kam zum ihn auf und lösten ein Umdenken aus. Zu- Schluss, dass das Geschäftsleben sehr wohl sammen mit seiner Schwester ging er in die ein möglicher Weg für Christen ist. Kirche und wurde schliesslich auch Christ. Vertrauen zu Gott wächst Er mietete ein kleines Ladenlokal neben ei- Zurück in Usbekistan wollte er der ner Schule und fing an, Snacks und Süssig- keiten zu verkaufen. Der Start verlief harzig, Kirche, aber auch seiner Familie denn genau dann waren die Schüler bei der und seinem Volk nützlich sein. Baumwollernte. In jenen Jahren wurden sie vom Staat dazu verpflichtet. Erst als die jun- gen Leute zurück waren, ging es aufwärts. Es Darf ein Christ Geschäftsmann sein? war Bekpolat eine Lektion: Wer ein Geschäft Freudig begann er, in der Kirchgemeinde startet, muss lokale Gepflogenheiten berück- mitzuhelfen. Für zwei Jahre studierte er an sichtigen. Bald schon kam die nächste Her- der Christlichen Universität UDG in Mol- ausforderung. Der Besitzer des Gebäudes, wo dawien. Zurück in Usbekistan wollte er der er eingemietet war, wollte verkaufen. Wie- Kirche, aber auch seiner Familie und seinem der zweifelte Bekpolat: Will Gott doch nicht,
19 dass ich Geschäftsmann bin? Er lernte aber, auch dieses zu einem Erfolg wird und Arbeits- auf Gott zu vertrauen, gerade in schwieri- plätze für einige Landsleute entstehen. gen Zeiten. «Gott schenkte mir schliesslich ein Ladenlokal, das sogar besser war als das erste», erzählt er. Alles war wieder gut – bis Bekpolat lernte, auf Gott zu vertrauen, er eines Morgens den Laden leer vorfand. Er gerade in schwierigen Zeiten. war bestohlen worden. Erneut nagten Zweifel an ihm, aber Gottes Im Dienst für andere Stimme war stärker. «Ich bin mit dir », fühlte Sein eigenes Erleben hilft ihm sehr, seit er er Gott sagen. «Fang nochmals von vorne an, andere beim Aufbau eines Geschäfts unter- ich werde dich segnen.» Es gelang ihm, wie- stützt. Dazu bewogen hat ihn die Tatsache, der auf die Beine zu kommen, und sein Ge- dass viele seiner Bekannten keine Arbeit ha- schäft florierte. Inzwischen hat er zwei wei- ben. «Was kann ich tun?», fragte er im Ge- tere Ladenlokale gekauft, die er vermietet. bet. Eines Tages erhielt er eine Einladung an Vor Rückschlägen blieb er auch später nicht ein Seminar für Familienbetriebe. Er würde verschont, aber heute sieht er diese als wich- dort lernen können, andere anzuleiten, die tige Erfahrungen an. «Schwierigkeiten gehö- ebenfalls ein Geschäft aufbauen möchten. ren zum Geschäftsleben, daraus lernt man», Er ging nicht alleine, sondern nahm vier ist er überzeugt. junge Männer mit, die mit dem Gedanken spielten, sich als Unternehmer zu versuchen. Zwei von ihnen erstellten einen Businessplan «Schwierigkeiten gehören und erhielten ein kleines Startkapital von ei- zum Geschäftsleben, ner Organisation. Ruslan, der im Möbelbau tätig wurde, ging sehr umsichtig vor und daraus lernt man.» bald stellten sich erste Erfolge ein. Artur be- gann eine Geflügelzucht, traf aber schlechte Neben dem Verkaufsladen hat Bekpolat zu- Entscheidungen. Heute stehen ihm Bekpo- sammen mit seiner Frau Nassiba ein Näh lat und Ruslan zur Seite, damit auch er lernt, atelier gegründet. Die beiden tun alles, damit wie man ein Geschäft richtig führt. GEWERBEFÖRDERUNG IM JAHR 2021 130 2824 194 Seminare Teilnehmende 139 neu ausgebildete und neu gestartete an Seminaren Mentoren Konferenzen Familienbetriebe und Konferenzen
20 Jahresausgabe Beat Sannwald Projektleiter «Wir Kinder von Moldawien» «Im letzten Jahr lag unser Fokus ganz auf den älteren Schülern in den Tages- zentren und ihrem Weg ins Erwachsenenleben und in die Berufswelt. Mich begeistert, dass trotz Corona fast alle Zentren ein spezielles Programm für die Persönlichkeitsentwicklung und Berufsberatung der Teenager begonnen haben. Gleichzeitig schenkte Gott Gelingen beim Aufgleisen einer Arbeitsvermittlung für Schulabgänger.»
21 WIR KINDER VON MOLDAWIEN EINE CHANCE AUF EIN GUTES LEBEN Sie haben kein Zuhause, das diesen reicht, als der Mann begann, Hausrat zu ver- Namen verdient, und sind arm. Das kaufen, um seinen Konsum zu finanzieren. ist es, was die Kinder in den christ- lichen Tageszentren in Moldawien Es war zum Verzweifeln. Die Mutter probierte eint. Sonst aber ist jede ihrer Ge- alles, um ihn vom Trinken abzubringen. schichten einzigartig. So auch jene Nichts half. Da traf sie die wohl schwerste des heute 18-jährigen Andrei. Entscheidung ihres Lebens: Sie trennte sich von ihrem Mann. Nun war die Familie ganz Eigentlich hatten Andrei und sein älterer vom kleinen Lohn der Mutter abhängig. Die Bruder Alexei alle Voraussetzungen für eine Verantwortung lastete schwer auf ihr. Gross- glückliche Kindheit. Der Vater verdiente gu- eltern waren auch noch da, aber deren Ren- tes Geld in Russland, die Mutter trug als Nä- ten deckten kaum den eigenen Lebensunter- herin in einer Kleiderfabrik zum Lebensun- halt. Viel helfen konnten sie also nicht. terhalt bei. Abgesehen davon, dass der Vater zuhause fehlte, ging es der Familie gut. Dann Auch die Mutter geht weg aber änderte sich alles. Als Andrei etwa 10-jährig war, lernte die Mutter einen anderen Mann kennen. Die Der Vater kam nach Moldawien zurück und Brüder mochten ihn nicht und auch er fand hatte grosse Mühe, Arbeit zu finden. Die neue keinen Zugang zu den Kindern. Sie blieben Stelle war viel schlechter bezahlt als jene in einander fremd. Einschneidender war aber, Russland, aber man kam über die Runden. dass er die Mutter dazu animierte, mit ihm Dann ging die Firma Konkurs und er wurde nach Russland zu gehen, um mehr Geld zu arbeitslos. Nach langer, ergebnisloser Stellen- verdienen. Die Buben blieben bei den Gross- suche nahm er Arbeit auf einem landwirt- schaftlichen Betrieb im Dorf an – zu einem Hungerlohn. Alternativen gab es nicht. Den Vater an den Alkohol verloren Seine Familie nicht mehr versorgen zu kön- nen, war schrecklich für ihn. Er zerbrach da- ran, wurde depressiv, verlor jeden Antrieb und alle Hoffnung. Nur bei seinen Schick- salsgenossen, anderen Landarbeitern, fand er etwas Trost. Mit ihnen verbrachte er seine Freizeit, von ihnen erhielt er sein erstes Glas Alkohol. Bald trank er regelmässig und im- mer mehr. Noch heute kann Andrei kaum glauben, wie es möglich war, dass sein Vater innert weniger Monate zu einem schweren Alkoholiker wurde, unfähig, auch nur ein paar Tage zu arbeiten. Der Tiefpunkt war er- Andrei schaut zuversichtlich in die Zukunft.
22 Jahresausgabe Grosseltern hatten nichts gegen die Besuche im Tageszentrum, obschon es von evangeli- schen Christen geführt wurde.» Andreis Familie war orthodox, aber hatte sich nie sonderlich für die Kirche interessiert. Zu- dem war der Nutzen des Tageszentrums der- art offensichtlich, dass sie Bedenken zur Seite schoben. Durch das Tageszentrum wuchsen die Buben auch in die christliche Gemeinde hinein. Sie fühlten sich akzeptiert und wohl in dieser Gemeinschaft. Nach einigen Jahren kam die Mutter mit ih- rem Partner nach Moldawien zurück. Die Be- ziehung der beiden war nicht mehr so gut, oft gab es Streitereien. Bald ging der Mann wie- Andrei beim Eingang zur Technischen Schule der nach Russland. Er liess immer weniger für Computer und Mikroelektronik von sich hören und nach einiger Zeit trenn- ten sie sich. eltern zurück. Hie und da kam etwas Geld aus Russland, so dass sie das Nötigste hat- Auf dem Weg zum Wunschberuf ten. Aber sie vermissten die Mutter und wa- Andrei fing an, sich Gedanken über seine ren oft allein. Zukunft zu machen. Im Tageszentrum hatte man ihn ermutigt zu überlegen, was seine In- teressen und Vorlieben seien. Man hatte auch «Ich verliebte mich regelrecht in das immer wieder betont, wie wichtig eine gute Ausbildung sei. Andrei machte nichts lieber, fröhliche Treiben im Tageszentrum.» als elektrische Geräte zerlegen, reparieren und wieder zusammenbauen. Also schrieb Andrei findet eine neue Heimat er sich an der Technischen Schule für Com- In jener Zeit wurde im Dorf ein christli- puter und Mikroelektronik in der Hauptstadt ches Tageszentrum für Kinder eröffnet. «Ich Chisinau ein. wusste nicht, was mich dort erwartete. Vom ersten Augenblick an war ich fasziniert», er- innert er sich. «Zuerst gab es immer ein fei- Aber Andrei weiss, dass er nes Essen. Danach wurden wir gefragt, wie es in der Schule und zuhause gehe, ob es Pro- seine Chance nutzen muss. bleme gebe. Man half uns bei den Hausauf- gaben, wir hörten biblische Geschichten und Von zuhause und vom Tageszentrum weg- spielten. Ich verliebte mich regelrecht in das zugehen, fiel ihm schwer. Die Gemeinde zu- fröhliche Treiben im Tageszentrum. An den rückzulassen, wo er den christlichen Glau- Tagen, wenn es offen war, konnten wir es je- ben entdeckt und sich für ein Leben mit Gott weils kaum erwarten, dass die Schule aus entschieden hatte, tat weh. Aber Andrei war. Dann rannten wir ins Tageszentrum wie weiss, dass er seine Chance nutzen muss. Er in die Arme unserer Mutter. Wir waren nicht arbeitet hart, um den Abschluss zu schaffen. nur glücklich, auch unsere schulischen Leis- Und schon träumt er davon, Elektro-Ingeni- tungen verbesserten sich markant. Unsere eur zu werden. Damit sollte er selbst unter
23 den schwierigen moldawischen Bedingun- Projekt als Antwort auf Not der Kinder gen eine Stelle finden und seinen Lebensun- terhalt bestreiten können. Armut ist der Grund, weshalb viele Kinder in Moldawien sich selbst überlassen sind. Oft haben sie Eltern, aber diese sind entweder im Ausland, um Geld zu verdienen, oder sie sind «Ich freue mich für die psychisch zu krank, um sich um ihre Kinder zu kümmern. Dar- um werden solche Kinder als Sozialwaisen bezeichnet. Gegen Kinder, die jetzt im Zentrum eine Viertelmillion davon soll es geben. sind und unter der guten Ermutigt von der Christlichen Ostmission nehmen christliche Gemeinden im Land sich solcher Kinder an. Sie betreiben so Betreuung aufblühen.» genannte Tageszentren. Das sind Orte, wo sich Kinder nach der Schule aufhalten können. Sie bekommen zu essen, Hilfe bei den Hausaufgaben und viel Zuwendung. Es wird auch ge- Tageszentrum gab den Ausschlag spielt und die Kinder hören biblische Geschichten. In den Ferien fährt er jeweils nach Hause und besucht neben der Familie auch das Tages- Das Angebot in den Tageszentren wird durch Ehrenamtliche zentrum. Es hat in seinem Leben eine ent- sichergestellt. Die Christliche Ostmission hilft finanziell, sie be- scheidende Rolle gespielt. «Dank Schwester zahlt unter anderem für die Mahlzeiten. Weiter unterstützt und fördert sie die Mitarbeitenden in den Zentren mit Weiterbildung Galina, die das Tageszentrum leitet und ein und Vernetzung. Nachdem zu Beginn vor allem jüngere Kinder grosses Herz für Kinder hat, dank der Christ- im Fokus standen, gibt es heute auch Angebote für Teenager, lichen Ostmission, die finanziell mithilft, bin die ihnen beim Einstieg ins Berufsleben helfen sollen. ich zu dem geworden, der ich heute bin», er- klärt er dankbar. «Klassenkameraden von mir sind inzwischen Alkoholiker oder haben sonst einen schlechten Weg eingeschlagen. Das macht mich traurig. Umso mehr freue ich mich für die Kinder, die jetzt im Zentrum sind und unter der guten Betreuung aufblü- hen. Sie haben eine Chance, etwas Gutes aus ihrem Leben zu machen.» Und lächelnd er- gänzt er: «Danke von Herzen, dass Sie die- ses wunderbare Projekt angefangen haben und weiter fördern. So schaffen Sie eine gute Grundlage für Kinder, die sonst keine Chance hätten. Gott segne Sie dafür.» Die Winterschuhe wurden an Kinder der WKM-Tageszentren, WIR KINDER VON MOLDAWIEN IM JAHR 2021 deren Geschwister und über Kleiderstuben verteilt. über 134 625 5000 3660 Tageszentren ehrenamtlich Mitarbeitende Paar Winterschuhe für Kinder Kinder und Jugendliche
24 Jahresausgabe Gallus Tannheimer Missionsleiter «Es ist faszinierend zu sehen, wie Men- schen in widrigsten Umständen Hoff- nung schöpfen, neue Kraft erhalten und Neues anpacken. So erleben wir Gottes Kraft in den schwersten Zeiten.» Ein rumänisches Roma-Dorf MISSION BRÜCKEN BAUEN ZU DEN MENSCHEN Wo Menschen Gottes befreiende Liebe erleben, geschieht Veränderung zum Guten. Darum unterstützt die Christliche Ostmission auch Missionare, unter anderem Pastoren, die in R umänien wirken. Zsolt und Erika Novák stammen aus Un- Dass Gott Menschen befreien will, dass man garn. Er war erfolgreicher Unternehmer, als zu ihm eine persönliche Beziehung haben er spürte, dass Gott ihn als Missionar in Ru- kann, hatten sie nie gehört. Evangelische Ge- mänien haben wollte. Die Familie liess ihre meinschaften wurden als Sekten betrachtet. sichere Existenz in Ungarn zurück und zog nach Gheorgeni in Rumänien. In jener Ge- «Anfänglich konzentrierten wir uns darauf, gend leben viele ungarischstämmige Men- so vielen Menschen wie möglich die Bibel nä- schen. herzubringen», erzählt Zsolt. Später entwi- ckelten er und seine Frau soziale Angebote «Die Leute hier waren religiös, aber in Re- wie eine Kaffee-Stube, einen Secondhand- geln und Traditionen gefangen», erinnert sich Laden oder einen Mediendienst. Damit woll- Zsolt. Auch Aberglaube war weit verbreitet. ten sie Brücken schaffen zu den Menschen,
25 um die Botschaft von Christus weitergeben zu ein Angebot zur Betreuung von Kindern nach «Wir können. Dazu kamen Kinderlager im Sommer. der Schule. Sie lernen dort viel Praktisches und hören biblische Geschichten. «Man sieht staunen, Über die Kinder langfristig die einen deutlichen Unterschied zwischen Kin- was Gott Gesellschaft prägen dern, die am Programm teilnehmen, und an- Mit der Zeit rückte die Roma-Bevölkerung ins deren», stellt er fest. schon alles Blickfeld. In diesen Gemeinschaften herrsch- ten schreckliche Zustände. Viele Roma leb- Die Arbeit hat sich von Gheorgheni auf an- getan hat.» ten in Slums und waren bitterarm. Sie wa- dere Städte ausgeweitet. Dort gibt es Haus- ren Analphabeten und führten ein zügelloses kreise oder Bibelkreise. «Wir staunen, was Leben. Das bedrückte Zsolt. «Wir müssen mit Gott schon alles getan hat. Das motiviert und den Kindern arbeiten, wenn wir etwas be- inspiriert uns, an noch grössere Verheissun- wirken wollen», wurde ihm klar. Er gründete gen zu glauben», erklärt Zsolt. János Kajcza, selbst ein tere Mitarbeitende: Frauen, die Kinder und Jugendliche betreuen, Rom, arbeitet unter der und eine Handvoll Männer, die ebenfalls predigen. Roma-Bevölkerung in Ora- dea. In der Kirche, in der er Nothilfe während der Pandemie zu Gott gefunden hat, gab János hat die Roma mit allen ihren Nöten im Blick. Die Covid-19- es keine anderen Roma. Er Pandemie traf ihre Gemeinschaft besonders hart, sie brauchten drin- träumte von einer christli- gend Hilfe. «Dank der Unterstützung der Christlichen Ostmission chen Gemeinde, in der diese Menschen Gott konnten wir fast 100 Familien, denen es sehr schlecht ging, mit Le- kennenlernen und ihn anbeten würden. In bensmitteln und Medikamenten versorgen», berichtet er dankbar. der Nähe der Roma-Siedlung gab es ein un- bebautes Grundstück. Es schien János ideal Gelder aus der Schweiz haben es weiter möglich gemacht, Sommerla- für eine Kirche und er begann, dafür zu be- ger für Roma-Jugendliche durchzuführen. Sie spielen eine wichtige ten. Es schien unmöglich, doch die Vision hat Rolle für die Arbeit unter den Roma in Oradea. Viele Teilnehmende sich erfüllt. Heute steht genau dort eine Kir- hören im Lager erstmals von Gott und manche beschliessen, ihm ihr che und sie ist voll mit Roma. Leben anzuvertrauen. «Ich preise Gott für alle, die diesen Schritt ge- wagt haben», sagt er freudig. So komme Gottes Segen in ihr Leben. Anfänglich war János allein in seinem Dienst. Positiv beeinflusst werde es auch dadurch, dass die Roma Teil der Ge- Als die Gemeinde wuchs, schenkte Gott wei- meinde würden.
26 Jahresausgabe János Bányai wirkt unter der Roma-Bevölkerung in Telechiu. Er blickt auf ein ereignisreiches Jahr zurück. Es begann mit der Verteilung von Weih- nachtspäckli, die grosse Freude auslösten. Danach kam es kurz nacheinander zu vier Todesfällen in Kinder eines Roma-Dorfes der Gemeinde. Die Beerdigungen, zu denen sehr viele Leute erschienen, wurden zu Evangelisationsveranstaltungen. onarischen Arbeit, die Menschen werden of- Bald darauf entschieden sich zahlreiche Menschen für ein Leben fener für die christliche Botschaft. Auch ein mit Christus. «Wir erlebten eine richtige Erweckung», erzählt Janos Sommerlager haben wir dank Spenderinnen glücklich. «Wir hören nicht auf, das Evangelium zu verkünden, und und Spendern in der Schweiz anbieten kön- glauben daran, dass Gottes Wort Menschenleben verwandelt. nen. Es war eine gute Gelegenheit, den Le- bensstil der jugendlichen Teilnehmer zu be- Praktische Hilfe öffnet Herzen einflussen und eine positive Veränderung in Die Pandemie beschäftigte uns auch 2021, viele Menschen gerie- ihrem Leben zu bewirken. ten dadurch in Not. Wir sind sehr dankbar, dass uns die Christliche Ostmission zur Seite gestanden ist und wir dadurch Hunderten von Herzlichen Dank für eure Verbundenheit mit Roma hier in Telechiu mit Lebensmitteln und Medikamenten helfen uns und für die materielle und geistliche Un- konnten. Diese praktische Hilfe verstärkt die Wirkung unserer missi- terstützung.» CHRISTLICHE UNIVERSITÄT UDG IN MOLDAWIEN Die Christliche Ostmission unterstützt missionarische Initiativen in Rumänien, Nordmazedonien und Mol- dawien. Strategisch besonders wichtig ist die Zusammenarbeit mit der Christlichen Universität UDG in der moldawischen Hauptstadt Chisinau. Junge Christen aus Zentralasien holen sich an der UDG das Rüstzeug, um in ihren Heimatländern sozial und missionarisch tätig zu werden. Die UDG bietet Lehrgänge in Betriebswirtschaft, Sozialarbeit, Pastoraltheologie und Mission an. UDG-Absolventen sind gut gerüstet, um in ihren Heimatländern das christliche Zeugnis zu stärken und in den noch jungen christlichen Ge- meinschaften Führungsrollen zu übernehmen. Die Ausbildung in Betriebswirtschaft hilft ihnen, den eige- nen Lebensunterhalt zu verdienen. Die allermeisten christlichen Gemeinden in Zentralasien sind nämlich nicht in der Lage, Pastoren oder andere Mitarbeitende zu entlöhnen. Über die UDG fördert die COM also missionarisches Wirken in ganz Zentralasien. Und sie stärkt Kirchen, denen aus der muslimischen Mehr- heitsgesellschaft ein rauer Wind entgegenbläst. ZAHLEN STUDIENJAHR 2021–2022 • Theologie und Mission: 32 Studierende 66 Studierende aus Moldawien 49 % • Betriebswirtschaft und Sprachen: 134 58 Studierende aus Zentralasien 43 % 60 Studierende Studierende • Sozialarbeit: 42 Studierende (Vollzeit) 10 Studierende aus anderen Ländern 8%
27 «ICH WAR DER GLÜCKLICHSTE MENSCH DER WELT» SOMMERLAGER Ein paar Tage Ferien und Erholung: eine Selbstver- ständlichkeit für uns in der Schweiz, ein unerschwing- licher Luxus für die vielen Armen in Osteuropa und Zen- tralasien. Dabei hätten doch sie es besonders nötig. Nicht in ihren kühnsten Träumen hätte sich die 8-jährige Svetlana aus Chisinau in Moldawien vorstellen können, in die Ferien zu rei- sen. Zu sehr war ihr Alltag von Geldsorgen geprägt. Ihre Eltern sind beide voll berufstätig, denn nur mit zwei Einkommen hat die Fami- lie eine Chance zu überleben. Manchmal ist Svetlana bei der Gross- mutter, aber oft verbringt sie die schulfreie Zeit alleine im Hof ihrer Wohnung. Eine Cousine, die zu einer evangelischen Kirche gehört, lud Svetlana in deren Sommerlager ein. Dank Spenden aus der Schweiz müsse die Familie nichts bezahlen. «Ich war der glücklichste Mensch der Welt, als ich das hörte», erzählt Svetlana. Sie genoss die Tage im Lager. Besonders fasziniert war sie von den abendlichen Gruppentreffen. «Wir lernten einander richtig gut ken- Svetlana nen und am Schluss des Abends beteten wir. Alles, was uns beschäf- tigte, konnten wir Gott sagen. So etwas hatte ich noch nie erlebt.» Auch das Singen und die vielen Spiele mochte Svetlana sehr. Zu ih- rer besten Lagerfreundin wurde Natalia, die Köchin: «Sie kochte fei- Danke nes Essen für uns alle und behandelte mich so, als ob ich ihre Toch- ter wäre. Ich liebe sie.» Die Christliche Ostmission (COM) unter- stützt Sommerlager für Kinder in Belarus, Moldawien, Rumänien, Tadschikistan, Usbekistan, Kirgistan, Turkmenistan und der Ukraine sowie in der russischen SOMMERLAGER 2021 Exklave Kaliningrad. Durchgeführt werden sie von lokalen Partnern der COM, vorwiegend Kirchgemeinden, mit Hunderten von freiwilligen Helferinnen und Helfern. Danke allen Spenderinnen und Spendern. 10 675 825 16 Mit ihren Gaben schenken sie Tausenden Kinder Helferinnen Partner von Kindern ein unvergessliches und oft und Helfer in 7 Ländern fürs Leben prägendes Erlebnis.
28 Jahresausgabe AKTION WEIHNACHTSPÄCKLI DANKE, DANKE, DANKE! Weihnachtspäckli sind ein Lichtblick Früher lebten sie ganz gut von ihrem Landwirtschaftsbetrieb. Doch im Alltag bedürftiger Menschen in der Krieg, der 2014 ausbrach, hat alles ruiniert. Granaten haben im Albanien, Bulgarien, Moldawien, Ru- Dorf grosse Zerstörung angerichtet. Das Haus der Familie steht noch, mänien, Serbien, Weissrussland und aber die Fensterscheiben sind längst kaputt. Ein Loch in der Haus- der Ukraine. Hier ein Bericht aus der wand hat man notdürftig geflickt. Zwei Jahre lang verbrachte die Fa- Ukraine. milie die Nächte und auch einen Teil des Tages im Keller, denn man wusste nie, wann und wo die nächste Granate einschlagen würde. Pervomaysk liegt im Osten, nahe der Front, die seit 2014 einen Teil der Donbass-Region Alles ist ruiniert vom Rest des Landes trennt. Unser Besuch Der Krieg hat die Familie ruiniert. Die ständige Angst hat der Ge- im Januar 2022 gilt der Familie Cisteakov. sundheit geschadet. Grossmutter Svetlana erlitt einen Infarkt und Grossmutter Svetlana lebt hier mit ihrem hat seither grosse Mühe beim Gehen. Auch mit den Händen zu arbei- Sohn Andrei und ihren Enkeln, der 12-jähri- ten fällt ihr schwer, und schreiben kann sie kaum mehr. Die Kinder gen Ecaterina und dem 9-jährigen Serghei. haben psychische Probleme. Weil die Wirtschaft in der ganzen Re- gion am Boden liegt, läuft auch der einst blühende Landwirtschafts- betrieb nicht mehr. Arbeit gibt es kaum in der Gegend. Die Familie ist bitterarm geworden. Päckli lösen grosse Freude aus Heute aber sind wir da mit Weihnachtspäckli für die Kinder und die Grossmutter. Serghei und Ecaterina geraten völlig aus dem Häus- chen. In ihrem Alltag gibt es kaum genug zu essen und auch sonst nie auch nur das kleinste Extra. Heute aber halten sie Spielsachen in den Händen und ein paar Süssigkeiten. Serghei strahlt über sein Spiel- zeugauto und das Pop-it, Ecaterina hat glücklich ihren Rucksack ge- schultert. Grossmutter Svetlana weint vor Freude, als sie die Lebens- mittel in ihrem Päckli sieht. Immer wieder muss sie sich Tränen ab- wischen. «Danke, danke, danke!», ist alles, was sie sagen kann. Dank der Esswaren im Päckli kann die Familie den kommenden Wochen etwas ruhiger entgegensehen. Familie Cisteakov Nachtrag: Wir haben keine Informationen, was seit dem Einmarsch der russischen Armee Ende Februar aus F amilie Cisteakov geworden ist. Wir können nur im Gebet an sie denken – und an die Millionen anderen, die durch den Krieg in Not geraten sind. Bitte schliessen Sie sich unseren Gebeten an.
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