Gewalt Wissenschaftliche Jahrestagung Online 2021 aus dem Saarland - besser - Bundeskonferenz für ...

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Gewalt Wissenschaftliche Jahrestagung Online 2021 aus dem Saarland - besser - Bundeskonferenz für ...
Gewalt

Wissenschaftliche
Jahrestagung
Online 2021
aus dem Saarland

                       besser
                    beraten
Gewalt
                                                                         Wissenschaftliche
                                                                         Jahrestagung
                                                                         Online 2021
                                                                         aus dem Saarland

                                                  Kreisstadt Saarlouis
                                                                         Mittwoch, 27. 10. bis
                                                                         Freitag, 29. 10.
     Saarlouis: Impression aus dem ursprünglich
     geplanten Tagungsort

4    Schirmherrschaft                                                    Vorbereitungsgruppe
5    Grußwort                                                            Renato Barachino
7    Vorwort                                                             Eva-Maria Brachmann
8    Das Programm                                                        Peter Bruna
12   Vorträge                                                            Lena Fischer
17   Arbeitsgruppen M1-M12                                               Kai Götzinger
     Mittwoch, 27. 10.                                                   Sylke Oberdörfer-Weingärtner
25   Arbeitsgruppen D1-D12                                               Alexander Penth
     Donnerstag, 28. 10.                                                 Dörte Saamann
33   Aktuelle Stunde                                                     Elke Schratz
34   Referentinnen und Referenten                                        Susanne Tinnemeier
37   Anmeldung                                                           Theresia Wagner
38   Datenschutz                                                         Susanne Weyand
39   Impressum                                                           Marina Wilhelm
                                                                         von der
                                                                         Landesarbeitsgemeinschaft für
                                                                         Erziehungs- und Familienberatung
                                                                         im Saarland e.V.
Grußwort

    Schirmherrschaft
                                           Sehr geehrte Fachkräfte der Erziehungs- und Familienbera-
                                           tung, sehr geehrte Damen und Herren,
                                              sehr gerne habe ich die Schirmherrschaft Ihrer Wissen-
                                           schaftlichen Fachtagung übernommen. Gerne hätte ich Sie im
                                           letzten Jahr zu der Veranstaltung im Saarland begrüßt; leider
                                           war dies wegen der Pandemie nicht möglich und auch in
                                           diesem Jahr kann Ihre Bundeskonferenz nur im Format einer
                                           Videokonferenz stattfinden.
                                              Dennoch bin ich der bke sehr dankbar, dass Sie nun die
                                           Durchführung dieser Konferenz ermöglicht haben, und ich
                                           begrüße es sehr, dass Sie den Fokus Ihres Kongresses auf
                                           das Schwerpunktthema »Gewalt« richten.
                                              Gewalt an Kindem und Jugendlichen, Gewalt in Familien,
                                           aber auch Gewalt von Kindern und jungen Menschen stellen
                Monika Bachmann            eine große Herausforderung für unsere Gesellschaft dar. Sie
                Ministerin für Soziales,   sind ein Thema, das an Gegenwärtigkeit leider nicht verloren
                                           hat. Hierbei geht es auch längst nicht mehr nur um körper-
                Gesundheit, Familie        liche Gewalt, Gewalt ist heute
                und Frauen des             noch vielschichtiger geworden
                Saarlandes hat die         – ich nenne nur das Stichwort
                Schirmherrschaft über      »Cybermobbing«.
                                              Die in der Familienberatung
                die Wissenschaftliche      tätigen Fachkräfte erleben in
                Jahrestagung der bke       ihrer täglichen Arbeit nur zu oft,
                2021 übernommen.           wie weit gesetzlich verankerte
                                           Schutzbestimmungen im Gegen-
                                           satz zur Realität in einzelnen
                                           Familien stehen. Zu ihnen kom-
                                           men Eltern, die Hilfe suchen,
                                           weil sie bei der Erziehung ihrer
                                           Kinder ratlos sind oder sich überfordert fühlen. Sie werden
                                           konfrontiert mit allen Formen von Gewalt, mit körperlicher
                                           und psychischer Misshandlung, mit sexuellem Missbrauch
                                           oder häuslicher Gewalt zwischen Vater und Mutter.
                                              Wir dürfen deshalb nicht nachlassen in unseren Bemühun-
                                           gen, die Beratungs- und Hilfsangebote zu verbessem und
                                           weiterzuentwickeln. Hierbei gilt der Grundsatz: Je früher wir
                                           ansetzen, desto wirksamer sind diese – Prävention ist besser
                                           als Intervention. Auch Normen und administrative Strukturen
                                           zum Schutz von Kindern und Jugendlichen sowie zur Unter-
                                           stützung und Beratung müssen ständig überprüft und bei
                                           Bedarf novelliert werden.

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Ich bin daher sehr froh darüber, dass wir im Saarland
schon im Jahr 2007 das Landesprogramm »Frühe Hilfen –
                                                                Vorwort
Keiner fällt durchs Netz« gestartet haben. Unser Ziel war es,   Gewalt birgt Schrecken. Menschen leiden unter Gewalt, sie
frühe Zugänge zu belasteten Familien und niedrigschwellige      fliehen vor ihr. Menschen üben Gewalt aneinander aus –
Beratungs- und Unterstützungsangebote für Eltem zu schaf-       auch dann, wenn sie in Familien als Partner oder als Eltern
fen. Das Saarland war das erste Bundesland, das flächende-      miteinander leben. Gewalt präsentiert sich in unterschied-
ckend ein solches Netzwerk Früher Hilfen vorgehalten hat.       lichsten Erscheinungsformen, von struktureller Gewalt, über
Als weiteren Baustein haben wir seit 2020 an allen Geburts-     körperliche Schädigung bis hin zu subtiler psychischer Ge-
kliniken »Frühe-Hilfen-Lotsendienste« implementiert, damit      walt in Form von Abwertung und Manipulation.
noch mehr Familien präventiv erreicht werden können.                Zugleich scheint von Gewalt eine Faszination auszugehen
    Mit einer gewachsenen Vernetzung und einem guten Mit-       – sie ist Inhalt menschlicher Phantasien und Gegenstand
einander aller relevanten Akteurinnen und Akteure im Be-        von Kunst und Unterhaltungsindustrie. Kinder, Jugendliche
reich Kinderschutz konnte in den vergangenen Jahren damit       und Erwachsene werden im Verlauf ihres Lebens in den
bereits eine gute Grundstruktur aufgebaut werden.               unterschiedlichsten Rollen mit Gewaltphänomenen in allen
    Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung im Kinder-      Lebenswelten konfrontiert. Aus dieser alltäglichen Gegen-
schutz haben für uns weiterhin oberste Priorität und sie        wärtigkeit, der Bedeutsamkeit wie dem Facettenreichtum
sind Daueraufgabe, d.h. wir dürfen bei dem Erreichten nicht     des gesamten Themenfeldes »Gewalt« ergeben sich zahl-
stehenbleiben. Kitas, Schulen, Kirchen, die Wohlfahrt, der      reiche Fragen an das Arbeitsfeld der Erziehungsberatung,
Sport, Internate oder auch Kliniken und Einrichtungen aus       die zu einer intensiven Auseinandersetzung im Rahmen der
dem ambulanten medizinischen und therapeutischen Be-            Wissenschaftlichen Jahrestagung der bke 2021 anregen. Und
reich stehen nach wie vor in der Verantwortung, den Schutz      dies angesichts der Corona-Virus-Pandemie dieser Zeit umso
der Kinder und Jugendlichen vor Gewalt weiter zu verbes-        mehr: Familien wurden auf sich selbst zurückgeworfen, sie
sern und betroffenen Mädchen und Jungen schneller und           haben sich zeitweise in weitgehende Isolation von ihrem
passgenauer zu helfen.                                          sozialen Umfeld und ihren Beziehungen begeben. Die Funk-
    Vor diesem Hintergrund hat die Landesregierung im Au-       tionalität der Familien war extrem gefordert und überforder-
gust 2019 die Kommission Kinderschutz im Saarland einge-        te viele. In engen Bewegungs- und Handlungsräumen wurde
richtet. Mit der Einrichtung der unabhängigen Expertenkom-      eine Zunahme der zwischenmenschlichen Spannungen bis
mission verfolgt die saarländische Landesregierung das Ziel,    hin zur häuslichen Gewalt sichtbar. So ist ein differenzierter
die Herausforderungen eines zeitgemäßen, effektiven Kinder-     Blick auf Gewalt sowie die Diskussion ihrer Phänomene
schutzes im Bereich des sexuellen Missbrauchs, aber auch        geboten.
bei Misshandlung und Vernachlässigung aktiv anzugehen
und die bestehenden Strukturen und Angebote auf den Prüf-       Gewalt und Gesellschaft – der Makrokosmos der Gewalt
stand zu stellen und einem Kinderschutz-Check zu unterzie-      Im Bemühen um eine definitorische Klärung des Begriffs
hen. Denn: Kinder sind das Wertvollste, was uns anvertraut      »Gewalt« erscheint eine begriffliche Annäherung über Ag-
ist, sie bedürfen unseres ganz besonderen Schutzes.             gression als Gruppe von Verhaltenssystemen, »um sich
    Der bke und allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der       gegen andere mit schädigenden Mitteln zu behaupten und
Fachtagung 2021 wünsche ich einen guten Erfahrungsaus-          durchzusetzen« (Wahl 2013) angezeigt. In einem nächsten
tausch, interessante Diskussionen und wertvolle Erkenntnis-     Schritt gilt es, »gesellschaftliche und staatliche, zeit- und
se für Ihre Arbeit.                                             kulturabhängige Normierungen« (ebd.) zu berücksichtigen.
                                                                   Schlaglichter auf gesellschaftliche Entwicklungen im Kon-
Mit herzlichen Grüßen                                           text Gewalt deuten das Spannungsfeld an, vor dessen Hin-
Monika Bachmann                                                 tergrund sich die individuelle Entwicklung von Emotionsre-
Ministerin für Soziales, Gesundheit,                            gulation und Verhaltenskontrolle bei Aggressivität vollzieht,
Familie und Frauen des Saarlandes

6                                                                                                                            7
und welchen Herausforderungen Erziehende wie Heranwach-        Ebene auf psychosoziale Formen (Mobbing, Cyber-Mobbing,
sende begegnen.                                                Cyber-Bullying, u.a.) verlagert und hier neue Strategien von
   So zeigt sich seit der im Jahr 2000 verabschiedeten ge-     allen an der Erziehung Beteiligten erarbeitet werden müs-
setzlichen Regelungen zur gewaltfreien Erziehung ein signi-    sen.
fikanter Rückgang in der Akzeptanz (von ca. 53,7% auf 17%
für »leichte Ohrfeigen«) sowie in der Häufigkeit tatsächlich   Wenn aus Aggression Gewalt wird – der Mikrokosmos der
berichteter körperlicher Bestrafungen (von 65,1% auf 30,8%     Gewalt
für »leichte Ohrfeigen«) (Plener, Rodens, Fegert, 2016). Bei   »Survival of the fittest« – das aller Evolution zugrunde
allem Rückgang ist es dennoch höchst alarmierend, dass         liegende Prinzip gibt bereits einen klaren Hinweis auf die
annähernd ein Drittel der befragten Kinder weiterhin von zu-   Bedeutung von Konkurrenz, Durchsetzungsvermögen und
mindest leichten Formen körperlicher Bestrafung berichtet.     Suche nach dem eigenem Vorteil. Dabei gilt es als unbe-
   Vor dem Hintergrund einer gesamtgesellschaftlichen          stritten, dass ein interindividuell unterschiedliches Aggres-
Tendenz, körperliche Auseinandersetzung immer weniger          sionspotenzial von Natur aus veranlagt ist, aus dem sich
zu tolerieren, agieren Erziehende bei kindlichem körperbe-     die Tendenz zu aggressivem Verhalten ableitet. Prosoziale
zogenem Spielverhalten wie raufen, sich körperlich messen,     Verhaltensweisen gilt es, obwohl auch diese teilweise als
kämpfen, zusehends unsicher.                                   biologisch veranlagt gelten, in der Erziehung zu erlernen.
   In diesem Zusammenhang kann auch vermutet werden,              Als beste Gewaltprävention gelten eine gelingende Ent-
dass sich die Ausübung von Gewalt von der körperlichen         wicklung, eine sichere Bindung, das Erlernen von Impuls-

Das Programm                 Mittwoch                          Donnerstag                      Freitag
                             27. Oktober                       28. Oktober                     29. Oktober
Die Eröffnungsveranstal-     9.15    Eröffnung                 9.15   Dr. Heinz Kindler        9.15    Eva Borries
tung sowie die Vorträge                                               Hintergründe familiä-            Sichtbare und
werden aus einem Stu-        10.30 Dr. Rita Steffes-enn               rer Gewalt und                   unsichtbare
dio in Saarbrücken in              Gewalt und                         Handlungsstrategien              Gewalt in digitalen
HD-Qualität gestreamt.             gesellschaftlicher Wandel          in der Beratung                  Medienwelten.
Die Arbeitsgruppen wer-                                                                                Was tut weh?
den mit einem Videokon-      12.00 Jun.-Prof. Dr.              10.45 Jun.-Prof. Dr.
ferenztool durchgeführt.           Lisa Wagels                       Catherine                 10.45 Prof. Dr.
                                   Psychobiologie                    Gunzenhauser                    Jörg M. Fegert
                                   aggressiven Verhaltens            Ein ganz normaler               Gewaltfreie Erziehung
                                                                     Wutanfall
                                                                     Wut und
                                                                     Aggression bei
                                                                     typisch entwickelten
                                                                     Kindern

                             13.00 Mittagspause                12.00 Mittagspause              12.00 Ende der Tagung

                             15.00 Arbeitsgruppen              14.00 Arbeitsgruppen
                             bis                               bis
                             18.00                             17.00

8                                                                                                                              9
kontrolle, Herstellung guter Beziehungen zu Gleichaltrigen,   Aggression und Gewalt in Beratungssituationen geschützt?
Empathie und pro-sozialem Verhalten, usw. Umgekehrt           Wie gehen sie mit eigener Aggressivität um?
erhöht sich bei schwierigen Entwicklungsverläufen, der Ku-       Vor diesem Hintergrund will die Wissenschaftliche Jahres-
mulation sozialer Belastungsfaktoren und unsicheren Bezie-    tagung eine vielfältige reflektierte Betrachtung von Aggres-
hungen das Risiko, gewalttätiges Verhaltens zu zeigen.        sion und Gewalt ermöglichen, welche die zugrunde liegen-
   Sowohl für die Unterstützung gelingender Entwick-          den Mechanismen, äußere Auslöser, ihre innere Logik, ihre
lungsverläufe als auch für die Intervention bei schwierigen   neuro-biologischen Grundlagen und ihre gesellschaftliche
Entwicklungsverläufen hält Erziehungsberatung ein breites     Verteilung berücksichtigt.
Angebot bereit.                                                  Gerade angesichts der Erfahrungen in Zeiten der Corona-
                                                              Pandemie erscheint es uns wichtig, den Blick auf unsere
Gewalt im Kontext der Erziehungsberatung                      humanistischen Werte und unseren Alltag im Zusammenle-
Kinder und Jugendliche leiden unter den Belastungen mit       ben in Familie und Gesellschaft zu richten.
Gewalt assoziierter Erfahrungen. An Kindern wird körper-         Sehr gerne hätten wir Sie, liebe Kolleginnen und Kolle-
liche, körperlich sexualisierte und psychische Gewalt aus-    gen, zur Wissenschaftlichen Jahrestagung im Saarland be-
geübt. Sie erleiden Herabwürdigungen oder werden zum          grüßt. Die Entwicklung der Pandemie war zu dem Zeitpunkt,
Spielball erwachsener Interessen im Umfeld von eskalierten    als wir endgültig unsere organisatorische Planung/Vorberei-
Trennungs- und Scheidungskonflikten. Kinder und Jugend-       tung abschließen mussten, nicht vorhersehbar. Wir haben
liche üben aber auch in körperlicher wie in psychischer       uns für die sowohl für die Teilnehmenden als auch für die
Hinsicht Gewalt aneinander aus. Sie prügeln sich, verleiten   Referierenden »sichere« Maßnahme der Studioveranstaltung
andere zu exzessivem Alkoholkonsum, sie denunzieren sich      im Online-Format entschieden.
und stellen sich bloß, sie trachten nach gesellschaftlicher      Dennoch hoffen wir, dass es uns gelingt, Ihnen neben
Ausgrenzung anderer und vieles mehr, was als »Gewalt«         allen fachlichen Erkenntnissen und Informationen auch et-
verstanden werden muss.                                       was von der saarländischen Lebensart und Herzlichkeit zu
   Eltern wiederum erscheinen vor dem Hintergrund alltäg-     vermitteln.
licher Erziehungsherausforderungen immer wieder verun-           An dieser Stelle danken wir dem ehemaligen Vorsitzen-
sichert und zögerlich in ihren Erziehungsbotschaften und      den der saarländischen Landesarbeitsgemeinschaft, Kai
-praktiken. Sie benötigen eine klare Trennung zwischen        Götzinger. Er hat das Projekt Wissenschaftliche Jahrestagung
Tatkraft und Durchsetzungsvermögen gegenüber Kindern im       zum Thema »Gewalt« angeregt und gemeinsam mit der
Erziehungsalltag und einer die persönlichen Grenzen verlet-   Vorbereitungsgruppe inhaltlich und organisatorisch voran-
zenden Aggressivität.                                         getrieben. Auch der Entwurf für dieses Vorwort stammt von
   Für das professionelle Feld der Erziehungsberatung und     ihm. Er hat sich Ende 2020 beruflich neu orientiert und den
angrenzender Arbeitsfelder ergibt sich eine permanente        Arbeitsbereich Erziehungsberatung verlassen. Danke für die
Auseinandersetzung mit Facetten von Aggressivität und         gute Vorarbeit Kai!
Gewalt. Welches aggressive Verhalten bei Kindern ist Be-
standteil einer gesunden Entwicklung? Wie begegnen Eltern     Theresia Wagner               Bodo Reuser
dem aggressivem Verhalten Ihrer Kinder? Wie erkennen Er-      Vorsitzende der Landes­       Vorsitzender der
ziehende ihre eigenen aggressiven Impulse und verhindern,     arbeitsgemeinschaft für       Bundeskonferenz für
dass sie in Erziehungssituationen handlungsleitend werden?    Erziehungs- und Familien­     Erziehungsberatung e.V.
Bedeutet »gewaltfreie Kommunikation« Verzicht auf jegliche    beratung im Saarland e.V.
Form von Ärger in Erziehungskontexten? Wie können die
durch Gewalt entstandenen Wunden heilen? Wie erkennen
professionell Helfende Gewaltkonstellationen in Familien?
Welche Maßnahmen zur Gewaltprävention haben sich als
wirksam erwiesen? Sind Fachkräfte ausreichend gegenüber

10                                                                                                                      11
Vorträge                                                      gebungsstudien zeigen hier bereits erste Ergebnisse. Durch
                                                              ein besseres Verständnis der biologischen Schaltstellen
                                                              entstehen auch vermehrt Möglichkeiten so genannte Neu-
Vortrag 1           Mittwoch, 27. 10.            10.30 Uhr    rostimulationsverfahren einzusetzen. Anhand verschiedener
Dr. Rita Steffes-enn                                          Studienergebnisse werden einerseits verschiedene biolo-
Gewalt und gesellschaftlicher Wandel                          gische Einflussfaktoren für Aggression näher erläutert und
                                                              andererseits Möglichkeiten zu biologischer Modulation von
Inwieweit ist Gewalt Ausdruck von Kultur und/oder Trend?
                                                              aggressiven Reaktionen aufgezeigt.
Hat sich die Gewalt gewandelt und/oder die Gesellschaft?
Oder ist Gewalt gar ein soziales Konstrukt? Um diese          Vortrag 3           Donnerstag, 28. 10.             9.15 Uhr
Fragen möglichst breit diskutieren zu können, werden          Dr. Heinz Kindler
gesellschaftliche Einflussfaktoren auf das Phänomen
                                                              Hintergründe familiärer Gewalt und
»Gewalt« und den Umgang mit diesem vorgestellt.
Darüber hinaus werden ausgewählte kriminologische             Handlungsstrategien in der Beratung
Erklärungsansätze zur Entstehung von Gewaltkriminalität       Da in Fällen familiärer Gewalt für betroffene Kinder, Eltern
erörtert.                                                     und Fachkräfte viel auf dem Spiel stehen kann, ist ein gu-
                                                              ter Informationsfluss zwischen Forschung und Praxis hier
Vortrag 2           Mittwoch, 27. 10.            12.00 Uhr    besonders wichtig. Im Vortrag werden vor diesem Hinter-
Jun.-Prof. Dr. Lisa Wagels                                    grund vier Themen behandelt: eine Heuristik für die Un-
                                                              terscheidung zwischen Kindesmisshandlung als Form von
Psychobiologie aggressiven Verhaltens
                                                              Kindeswohlgefährdung und Erziehungsgewalt als »bloßem«
Aggressives Verhalten hat multifaktorielle Ursprünge. Wäh-    Hilfeanlass, die Befundlage zu Risikoeinschätzungen nach
rend erste Modelle für Aggression eher einen einfachen        Kindesmisshandlung und Partnerschaftsgewalt, Weiterent-
Zusammenhang zwischen Frustration und der Wahrschein-         wicklung des Verständnisses der Ursachen von Kindes-
lichkeit einer aggressiven Reaktion sahen, sind wissen-       misshandlung jenseits der ökologischen Theorie multipler
schaftstheoretische Modelle heute komplexer. Zusätzlich zur   Belastungen und, darauf aufbauend, der Wissensstand zu
Auslösesituation sind es vor allem Emotionen, Gedanken        eher erfolgversprechenden Beratungsstrategien nach Erzie-
und der Erregungszustand der Person, die bedingen, ob         hungsgewalt oder Kindesmisshandlung.
jemand aggressiv reagiert (Anderson & Bushmann, 2001).
Hier zeigt die moderne Forschung deutlich, dass biologische   Vortrag 4           Donnerstag, 28. 10.           10.45 Uhr
Faktoren eine erhebliche Rolle spielen. Dazu gehören Verän-   Jun.-Prof. Dr. Catherine Gunzenhauser
derungen im Hormonspiegel. Beispielsweise das Stresshor-      Ein ganz normaler Wutanfall
mon Cortisol, das Neuropeptidhormon Arginin-Vasopressin       Wut und Aggression bei typisch entwickelten Kindern
und natürlich Testosteron können Ärger und Aggression
antreiben. Befunde aus den Neurowissenschaften deuten         Eine wichtige Entwicklungsaufgabe in der frühen und mittle-
an, dass die Hormone bestimmte Gehirnnetzwerke, die für       ren Kindheit besteht darin, emotionales Erleben und emoti-
soziale Kognition eine wichtige Rolle spielen, modulieren.    onalen Ausdruck den sozialen Anforderungen entsprechend
Dazu zählen ein Emotionsnetzwerk, ein Regulationsnetzwerk     zu regulieren. Insbesondere adaptive Strategien zur Regula-
und auch das Belohnungsnetzwerk, das entscheidend für         tion von Wut sind unerlässlich, um Konflikte und Meinungs-
Appetition und Motivation ist. Die Komplexität biologischer   verschiedenheiten im sozialen Miteinander gewaltfrei klären
Einflussfaktoren zeichnet sich auch dadurch ab, dass diese    zu können. Diese Fertigkeit wird bereits ab dem frühen
Netzwerke und auch die Effektivität der Hormone zusätzlich    Kindesalter gelernt und maßgeblich durch die Interaktion
durch genetische Faktoren beeinflusst werden können. Bild-    mit primären Bezugspersonen wie den Eltern, aber auch
                                                              pädagogischen Fachkräften und auch Gleichaltrigen sozia-

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lisiert. Gerade in Entwicklungsphasen, die auch bei typisch     enwelten erleben. Dabei geht es neben den »offensicht-
entwickelten Kindern durch einen gesteigerten Ausdruck          lichen« Formen von Gewalt in Videos und Online-Spielen
von Wut und Aggression geprägt sind, gelangen Eltern nicht      auch um die Erfahrung von sexualisierter Gewalt. Daneben
selten an ihre eigenen emotionalen Grenzen. Viele Eltern        stehen Gewalterfahrungen in der digitalen Kommunikation
fühlen sich in solchen Phasen verunsichert und suchen nach      und solche Erlebnisse, die Außenstehende nicht gleich als
Antworten auf die Frage, ob das Verhalten ihres Kindes          »Gewalt« begreifen würden – die aber für den Betroffenen
(noch) normal ist, und wie sie auf Wutausbrüche ihres Kin-      nicht minder schmerzlich sind. Wo fängt Gewalterleben in
des reagieren sollen. Im Vortrag werden zunächst entwick-       digitalen Medienwelten eigentlich an, und wie reagieren wir
lungspsychologische Grundlagen zu Wut und Aggression in         darauf? Die Erziehungsberatung steht vor der Herausforde-
der typischen Entwicklung zusammengefasst und es wird           rung, Betroffene in diesen Gewalterfahrungen zu begleiten
näher beleuchtet, welche Rolle verschiedene Faktoren im El-     und zu beraten. Die Beratung steht und fällt mit der Haltung
ternhaus sowie im Umgang mit pädagogischen Fachkräften          der Beratenden zu digitalen Medienwelten einerseits und
hierbei spielen. Anschließend wird das emotionsfokussierte      der Annahme andererseits, dass jedes Erleben im digitalen
Elterntraining »Tuning in to Kids« vorgestellt, welches diese   Raum ernst zu nehmen ist. Der zweite Teil des Vortrags
Grundlagen aufgreift und zur Vorbeugung sowie Behandlung        widmet sich der Frage, wie die praktische Erziehungsbe-
von emotionalen und Verhaltensproblemen bei Vor- und            ratung zu diesem Thema aussehen kann. Was brauchen
Grundschulkindern eingesetzt werden kann. In einem ver-         Erziehungsberater/innen, um konkreten Beratungsheraus-
tiefenden Workshop können ausgewählte Übungen dieses            forderungen gerecht zu werden und kompetent beraten zu
evidenzbasierten Trainings näher kennengelernt und prak-        können? Und welche Impulse, Gedanken und Hilfestellungen
tisch ausprobiert werden.                                       brauchen Betroffene, Opfer, ihre Familien und die Täter?

Vortrag 5             Freitag, 29. 10.             9.15 Uhr     Vortrag 6             Freitag, 29. 10.           10.45 Uhr
Eva Borries                                                     Prof. Dr. Jörg M. Fegert
Sichtbare und unsichtbare Gewalt in digitalen                   Gewaltfreie Erziehung
Medienwelten.                                                   Ellen Key (1849-1926) bezeichnete das 20. Jahrhundert
Was tut weh? Bestandsaufnahme und praktische                    hoffnungsvoll als das »Jahrhundert des Kindes«. Schon
Impulse für den Erziehungsberatungsalltag                       sie formulierte ein Recht aller Kinder auf eine gewaltfreie
Kinder und Jugendliche verbringen einen großen Teil ihrer       und liebevolle Erziehung. Erstmals stieß missbräuchliche
Freizeit online. Scheinbar nichts geht mehr ohne WhatsApp,      elterliche Gewalt mit der Verrechtlichung des Kindeswohl-
Instagram, Youtube und Tiktok und Co. Dabei steht erstmal       gedankens im Deutschen BGB Anfang des 20. Jahrhunderts
Spaß, Vernetzung und Unterhaltung im Vordergrund. Die           an staatliche Grenzen. Dennoch dauerte es ein ganzes Jahr-
Corona-Pandemie gilt nochmal als Beschleuniger und hat          hundert, bis u. a. die Vorgaben des Bundesverfassungsge-
die digitale Welt unweigerlich noch mehr in den Fokus von       richts und die Vorgaben aus der UN-Kinderrechtskonvention,
Heranwachsenden und Familien gerückt. Die Zeit im digi-         welche 1989 verabschiedet wurden, in Deutschland im Bür-
talen Raum ist bei allen deutlich gestiegen – und auch die      gerlichen Gesetzbuch ihren Niederschlag fanden. Während in
Konfrontation mit unterschiedlichen Formen von digitaler        Österreich sofort 1989 Gewalt an Kindern verboten wurde,
Gewalt. In ihrem Vortrag nimmt die Medienpädagogin Eva          wurde erst nach der Jahrtausendwende, am 2.11. 2000, §
Borries unterschiedlichen Formen von digitaler Gewalt aus       1631 Abs. 2 BGB, von der Rot-Grünen Koalition in der Amts-
der Sicht Heranwachsender in den Blick und ordnet das           zeit der Bundesfamilienministerin Dr. Christine Bergmann
Thema für die praktische Erziehungsberatungsarbeit ein. Der     gegen heftigen Widerstand geändert. Eine der Hauptkritik-
Blick richtet sich dabei zuerst auf die Frage, welche Formen    punkte damals war, dass es sich dabei nur um symbolische
von (digitaler) Gewalt Heranwachsende in digitalen Medi-        Gesetzgebung handele, die ohne entsprechende Sanktio-

14                                                                                                                        15
nen nicht Wirkung entfalten könne. Bussmann führte 2005
(veröffentlicht 2010) eine Elternstudie durch und konnte
                                                                  Arbeitsgruppen M1–M12
5 Jahre nach der Einführung der gewaltfreien Erziehung            Mittwoch                   27.10           15.00–18.00 Uhr
eine deutliche Reduktion der Akzeptanz von Körperstrafen          M1 Jörg Ewering
aufzeigen. Unsere eigene Untersuchung etwas mehr als 10                Deeskalation im Beratungskontext
Jahre nach Bussmann zeigt, dass die Akzeptanz für Kör-
                                                                  M2 Marco Flatau
perstrafen in der Allgemeinbevölkerung weiter drastisch
                                                                       Cybergrooming
abgesunken ist. So hielten 2005 noch drei Viertel der Be-
                                                                       Schutz vor sexualisierter Gewalt aus dem Internet
fragten einen Klaps auf den Po in der Erziehung für legitim,
während dies 2016 weniger als die Hälfte der repräsentativ        M3 Dorothee Lappehsen-Lengler
befragten Personen bejahten. Während 2005 über die Hälfte              Tatort Familie
eine leichte Ohrfeige als ein angemessenes Erziehungsmittel       M4 Dr. Ulrike Lux
hielten, waren 2016 noch 17% der Befragten. Eine Reana-                Eltern werden zwischen Wunsch und Wirklichkeit
lyse dieser Daten zusammen mit Daten der in der gleichen               Beratung junger Familien bei Regulationsproblemen
Stichprobe erhobenen »Mittestudie« zum Autoritarismus                  des Kindes
zeigte signifikante Zusammenhänge zwischen politisch auto-        M5 Andreas Schrappe
ritaristischer Einstellung und der Präferenz für Körperstrafen.        Psychische Erkrankung und Misshandlung
Signifikante Prädiktoren für die Befürwortung von Körper-              Das Wohl von Kindern psychisch und suchterkrankter
strafen waren neben rechtsextremer Ideologie das männ-                 Eltern sichern
liche Geschlecht und höheres Alter. Der zentrale Prädiktor        M6 Dr. Lieselotte Simon-Stolz
mit weitaus größtem Gewicht war aber die Frage, ob man                 Gewalterfahrungen in der frühen Kindheit
als Kind selbst Körperstrafen erlebt hat. In einer noch nicht          Ursachen – Formen – Folgen – Präventiver
veröffentlichten Untersuchung zeigten wir, Clemens et. al.,            Kinderschutz
under Review, dass, je stärker Autoritarismus befürwor-           M7 Dr. Rita Steffes-enn
tet wird, desto stärker der Zusammenhang zwischen dem                  Cybercrime
eigenen Erleben von körperlicher Gewalt in der Kindheit                Sexueller Missbrauch und sexuelle
unter Befürwortung von Körperstrafen im Erwachsenenalter               Missbrauchsabbildungen heute
ist. Dies ist wichtig für die Beratung von Eltern, die selbst
                                                                  M8 Jun.-Prof. Dr. Lisa Wagels
Gewalt erlebt haben. Denn der so genannte Transgeneratio-
                                                                       Aggression – klinische Störungsbilder,
nale Circle of Violence ist kein unumstößliches Naturgesetz,
                                                                       Diagnostik und Gesprächsführung
sondern die elterliche Einstellung und Reflexion der eigenen
erfahrenen Erziehung.                                             M9 Christine Wanjura
                                                                       Durch Worte Brücken bauen statt Mauern
                                                                       Gewaltfreie Kommunikation nach M. Rosenberg
                                                                  M10 Rita Weber-Stehr
                                                                       Wohin mit den Gefühlen?
                                                                       Wenn Ärger und Wut gegen sich selbst gerichtet
                                                                       werden
                                                                  MD12 Gabriele Kremer, Heidemarie Stehr, Alexandra Scheel
                                                                       Stopp! Wo sind meine Grenzen und wie setze
                                                                       ich sie klar und deutlich durch?
                                                                       Arbeitsgruppe für Teamassistentinnen im Sekretariat
                                                                       der Beratungsstelle. Diese Arbeitsgruppe wird am
                                                                       Donnerstag fortgesetzt.

16                                                                                                                        17
M1                                                               Vernachlässigungen, Diebstahl, Schikanen, sexuelle Ge-
Jörg Ewering                                                     walt. Sie leben mit denen, die ihnen dies antun, in einem
                                                                 Haushalt. Es sind Mutter, Vater, Stiefmutter, Stiefvater,
Deeskalation im Beratungskontext
                                                                 (Stief-Geschwister), die sie schädigen. Oft haben die Kinder/
Im Beratungskontext treffen Berater/innen immer wieder auf       Jugendlichen eine längere Leidensgeschichte hinter sich, bis
Personen, deren Nerven blank liegen und die einen Un-            ihnen geholfen wird, sie wirksam geschützt werden und sie
terstützungsbedarf haben. Hohe Stressbelastung stellt ein        die notwenige Unterstützung bekommen, um sich wieder
bedeutendes Risiko für eine Eskalation da. Besonders bei         zu erholen. Was brauchen diese Kinder? Was brauchen die
Beratungen im Zwangskontext ist dies eine große Heraus-          Sorgeberechtigen, um wirksam zu schützen und Heilung ein-
forderung für das Fachpersonal. In diesem Workshop soll es       zuleiten? Was brauchen diejenigen, die schikanieren? Diese
einen Austausch darüber geben, welche Faktoren eine Be-          Fragen werden in dem Workshop untersucht und praktische
ratungssituation beeinflussen, und an welchen »Stellschrau-      Lösungen werden erarbeitet.
ben« Sie drehen können, um ein Beratungsgespräch sicher
zu gestalten und, wenn notwendig, wieder zurück auf einen        M4
konstruktiven Weg zu führen.                                     Dr. Ulrike Lux
                                                                 Eltern werden zwischen Wunsch und Wirklichkeit
M2
                                                                 Beratung junger Familien bei Regulationsproblemen
Marco Flatau                                                     des Kindes
Cybergrooming
Schutz vor sexualisierter Gewalt aus dem Internet                Der Übergang zur (Erst-)Elternschaft stellt für die meisten
                                                                 Paare eine bedeutsame Herausforderung dar, die nicht im-
Die Gefahr online und über neue Medien im Kindesalter se-        mer ohne Spannungen bleibt. Kommen dazu Kinder mit Re-
xuell belästigt oder angegriffen zu werden, ist in den letzten   gulationsproblemen, wie z.B. exzessivem Schreien, Ein- und
Jahren dramatisch angestiegen. Die Vorgehensweisen der           Durchschlafstörungen oder starker negativer Affektivität,
Täter werden dabei immer vielfältiger und undurchschauba-        sind interparentale Konflikte und Überlastungsreaktionen
rer für Kinder und Jugendliche sowie für besorgte Erwachse-      die Folge. Nicht umsonst fokussieren Aufklärungskampag-
ne und Eltern. In der Arbeitsgruppe werden essenzielle Ba-       nen auf die Prävention von Schütteltraumata in Folge des
sisinformationen zum Thema sexuelle Gewalt aus den Neuen         unstillbaren Schreiens von Säuglingen. Vor diesem Hinter-
Medien vermittelt. Hierzu wird thematisiert, warum gerade        grund betrachtet der Workshop die Interventionsmöglich-
das Internet so viele Angriffsmöglichkeiten bietet, und wel-     keiten der Erziehungsberatung als Frühe Hilfe bei Eltern von
che Strategien dabei von den Tätern angewandt werden.            Kindern, die erhöhte Anforderungen an die Fähigkeiten von
Sensibilisierung für Grenzen, Datenschutz und virtuelle Ge-      Eltern stellen. Ausgehend von einer systemisch-entwick-
fahren sind wichtige Bausteine in der präventiven Arbeit mit     lungspsychologischen und bindungstheoretischen Perspek-
Kindern und Jugendlichen. Was man zum eigenen Schutz             tive werden die Herausforderungen im Übergang zur Eltern-
tun kann und wie man sich als Opfer verhalten sollte, wird       schaft und die Bedeutung der emotionalen Verfügbarkeit
mit den Teilnehmer/innen besprochen. Eine Vorstellung der        von Eltern für eine gelingende kindliche Affektregulation
eigenen präventiven Arbeit dient hierbei als anschauliches       herausgearbeitet. Im Austausch mit den Teilnehmenden wird
Beispiel.                                                        ein mögliches Vorgehen für die Elternarbeit erarbeitet, das
                                                                 Erziehungs- und Beziehungskompetenzen von Eltern fördert
M3
                                                                 und dabei die Bedeutung von Selbstfürsorge und Bindungs-
Dorothee Lappehsen-Lengler                                       bedürfnissen im Elternpaarsystem mit berücksichtigt.
Tatort Familie
Zu viele Kinder und Jugendliche werden in Familien ge-
schädigt durch Schläge, entwürdigende Bestrafungen,

18                                                                                                                          19
sundheit. Dabei gilt: je früher, desto mehr, je länger, desto
M5
                                                                 mehr. Eine besonders vulnerable Gruppe stellen die jungen
Andreas Schrappe                                                 Kinder psychisch und suchterkrankter Eltern dar. Sie sind
Psychische Erkrankung und Misshandlung                           vielfältigen, teils pränatalen, oft chronischen Belastungen
Das Wohl von Kindern psychisch und suchterkrankter               und Entwicklungsrisiken ausgesetzt. Daher gelten sie als
Eltern sichern                                                   Hochrisikogruppe für eine eigene psychische und/oder Such-
                                                                 terkrankung sowie für Vernachlässigung und Misshandlung.
Da müssen wir schon hinschauen: Einige psychische Er-
                                                                 Kindeswohlgefährdung in der frühen Kindheit ist oft nicht
krankungen, einschließlich Sucht, zählen zu den schwersten
                                                                 das Resultat einer feindseligen Haltung, sondern von Über-
Beeinträchtigungen von uns Menschen. Zumindest soweit sie
                                                                 forderung und Unwissenheit. Notwendig ist daher ein früh-
ein starkes Ausmaß entwickelt haben und nicht gut behan-
                                                                 zeitiges, unter Umständen sogar pränatal startendes und
delt werden können. Wenn bei einem psychisch erkrankten
                                                                 breites Spektrum von individuell angepassten Hilfen der
Elternteil die Steuerungsfähigkeit und das Fürsorgeverhal-
                                                                 unterschiedlichsten Leistungssysteme. Wirksame Prävention,
ten verringert sind, oder wenn die Einfühlungsfähigkeit
                                                                 Unterstützung und Schutz der betroffenen Kinder und ihrer
durch harsche innere Impulse ausgehebelt wird, kann es
                                                                 Eltern erfordert Vertrauen, Transparenz und Beteiligung der
zur Misshandlung von Kindern kommen. Wir können da an
                                                                 Familien und ist nur interdisziplinär in Kooperation mit an-
Vernachlässigung oder körperliche bzw. sexuelle Gewalt
                                                                 deren Professionen und Institutionen fachlich adäquat und
denken – noch häufiger ist die psychische Misshandlung.
                                                                 erfolgreich zu bewältigen. Mögliche Interventionsstrategien
Neben der Behandlung der psychischen Erkrankung der Mut-
                                                                 werden diskutiert.
ter oder des Vaters gibt es viele weitere Ansatzpunkte, wie
wir das Wohl der Kinder sicherstellen können. In aller Regel     M7
mit den Eltern, selten ohne oder gar gegen die Eltern, aber      Dr. Rita Steffes-enn
immer mit den und für die Kinder. Beratungsstellen können
                                                                 Cybercrime
eine wichtige Rolle im Kinderschutz spielen, da sie mit dem
psychiatrischen Versorgungsbereich vernetzt sind und über        Sexueller Missbrauch und sexuelle
ein klares Vorgehen bei Anhaltspunkten für eine Kindeswohl-      Missbrauchsabbildungen heute
gefährdung verfügen. In dem Workshop wird erarbeitet, bei        »Ich weiß auch nicht, wie das auf meinen Rechner ge-
welchen Formen und Verläufen psychischer Erkrankungen die        kommen ist …« – Kinderpornografische Sammlungen ent-
Wahrscheinlichkeit für die Misshandlung von Kindern erhöht       stehen ebenso wie nicht-pornografische Bildsammlungen
ist und sie erkannt wird. Es wird gezeigt, wie die Fachkräfte    von Kindern keinesfalls zufällig. Vielmehr spiegeln sie die
aus Beratungsstellen für den Schutz der Kinder sorgen kön-       Persönlichkeit des Klienten und seine (kriminogenen) Be-
nen. Schließlich trägt auch hier die Kooperation der beteilig-   darfe wider. Im Umgang mit Konsumenten sexueller Miss-
ten Berufsgruppen und Versorgungssysteme wie Jugendhilfe,        brauchsabbildungen, stellt sich daher auch immer die Frage,
Psychiatrie usw. zum Gelingen des Kinderschutzes bei.            ob von diesen Klienten auch eine Gefahr des Begehens
                                                                 pädosexueller Hands-On-Handlungen ausgeht. Da online
M6
                                                                 die Grenzen vom ideologisch-überzeugten Pädophilen bis
Dr. Lieselotte Simon-Stolz                                       hin zum situationsmotivierten Konsumenten fließend sind,
Gewalterfahrungen in der frühen Kindheit                         wird die (Online-)«Pädo-Szene« eingehender betrachtet und
Ursachen – Formen – Folgen – Präventiver                         die spezifischen Auswirkungen auf Opfer sexueller Miss-
Kinderschutz                                                     brauchsabbildungen werden erörtert. Abschließend wird mit
                                                                 den Teilnehmenden der Arbeitsgruppe der Nutzen dieses
Gewalterfahrungen in der frühen Kindheit, d.h. Vernachläs-
                                                                 Wissens für die alltägliche Arbeit diskutiert. Und zur Vorab-
sigung, Misshandlung und Missbrauch haben gravierende
                                                                 information: Wir kommen ohne das Betrachten entsprechen-
lebenslange Folgen für die körperliche und seelische Ge-
                                                                 der Bildmaterialien in die gemeinsame Diskussion.

20                                                                                                                          21
M8                                                              keine Routine im Erwachsenwerden. Wir alle erinnern uns
Jun.-Prof. Dr. Lisa Wagels                                      an diese Empfindsamkeit und Verwundbarkeit unserer Ju-
                                                                gend. Warum richten Jugendliche und vor allem Mädchen
Aggression – klinische Störungsbilder, Diagnostik
                                                                ihren Ärger, ihre Wut gegen sich selbst? Warum fühlen sie
und Gesprächsführung                                            sich schneller bedroht und können ihre Emotionen kaum
In dem Workshop werden zunächst theoretische Grundla-           regulieren? Und warum haben sie wenig Vertrauen in
gen der Aggressionsforschung weiter vertieft und vor allem      Menschen, die helfen könnten, die eigenen Gefühle bes-
verschiedene klinische Störungsbilder thematisiert, bei de-     ser zu regulieren? Es sind nicht alleine ihre individuellen
nen aggressives Verhalten ein häufiges (Begleit-) Symptom       Erfahrungen, aber sie besonders: Z.B. wenn sie als Kinder
darstellt. Im Hinblick auf die Diagnostik werden klassische     abgelehnt, entwertet und unkontrollierbaren Stress ausge-
Diagnosestellungen den so genannten Research Domain             setzt waren, wenn sie keine Hilfe bekamen, ihre erregen-
Criteria (RDoC) gegenüber gestellt. In einem praxisorientier-   den Empfindungen oder gar traumatische Erlebnisse zu
ten Teil werden Gesprächsführungselemente und Instrumen-        beruhigen. Dann sind sie schlecht ausgerüstet, besonders
te, die zur Einschätzung aggressiven Verhaltens verwendet       ihr Leben in der Adoleszenz zu bewältigen. Welche Ängste,
werden können, näher betrachtet.                                welcher Stress oder gar Selbsthass werden mit Drogen,
                                                                Alkohol, selbstverletztem Verhalten, Essstörungen versucht
M9                                                              zu betäuben? Der eigene Körper wird zur Angriffsfläche.
Christine Wanjura                                               Statt das Vertrauen in Beziehungen zu entwickeln, breiten
Durch Worte Brücken bauen statt Mauern                          sich Selbstanklagen und Selbstverachtung aus. Die stärks-
Gewaltfreie Kommunikation nach M. Rosenberg                     te Form der Selbstverachtung ist die Selbstzerstörung im
                                                                Suizid. Korrigierende gute emotionale Erfahrungen und sei
Wo fängt Gewalt an? Nach M. Rosenberg entsteht Gewalt           es nur mit einem Menschen, sind von enorm großer Bedeu-
schon in unseren Gedanken und dann erst in unseren              tung diesen destruktiven Prozessen entgegenzuwirken. z.
Worten. Wir tun uns und anderen mit unserem alltäglichen        B. dass man lernt, Konflikte zu ertragen und zu lösen, ohne
Sprachgebrauch oft Gewalt an, meist ohne es zu wissen. Wir      Beziehungen sofort zu beenden. Dabei spielen professionel-
wundern uns, dass ein Gespräch entgleist, obwohl wir viel-      le Betreuer; Erzieher und Lehrer eine entscheidende Rolle.
leicht das Beste im Sinn hatten. Die Gewaltfreie Kommuni-       Neben dieser individuellen Perspektive gibt es aber auch
kation bietet einen Ansatz, mit uns selbst und mit anderen      eine ebenso wichtige Sicht auf die Gesellschaft, in die jede
Menschen in Verbindung zu kommen, ein tieferes Verständ-        individuelle Entwicklung eingebettet ist. Wir werden uns in
nis für uns und andere zu entwickeln und die Möglichkeit,       dem Workshop mit dem Spektrum fremd- und autoaggres-
so auch schwierige Situationen mit einem neuen Blick an-        siver Emotionen beschäftigen und mit den Faktoren, die
zugehen. Durch praktische Übungen werden die Teilnehmer/        destruktive Haltungen und Handlungen sich selbst gegen-
innen selbst die Möglichkeit haben, Erfahrungen mit der         über verstärken. Dabei werden transgenerationale Aspekte,
Methode zu machen.                                              Wechselwirkungen von Beziehungen in den familiären Mili-
                                                                eus und besonders gesellschaftliche Einflüsse, wie aktuelle
M10
                                                                Erziehungsideale, einbezogen. Wir werden uns auch mit den
Rita Weber-Stehr                                                zeitgeistigen Entwicklungen, wie der Rolle des Körpers, das
Wohin mit den Gefühlen?                                         Konsumverhalten, der Rolle des Internets beschäftigen und
Wenn Ärger und Wut gegen sich selbst gerichtet                  damit, durch welche Faktoren sie beeinflusst werden.
werden
Jugend ist, wenn Flügel wachsen aber auch Schmerzen un-
erträglich werden können. Alles ist intensiv und das erste
Mal: schön und schrecklich. Es gibt noch keine Erfahrungen,

22                                                                                                                        23
MD12
                                                               Arbeitsgruppen D1–D12
Gabriele Kremer, Heidemarie Stehr, Alexandra Scheel
Stopp! Wo sind meine Grenzen und wie setze ich sie             Donnerstag                 28.10           14.00–17.00 Uhr
klar und deutlich durch?                                       D1   Hagen Berndt
                                                                    Prävention von (Cyber-) Mobbing
Arbeitsgruppe für Teamassistentinnen im Sekretariat
                                                               D2 Eva Borries
der Beratungsstelle
                                                                    »Sexting« – oder: Der Austausch erotischer Bilder
Unzufriedenheit, Aggressivität, sogar Gewalt: Sind das auch         Worum geht’s?
Themen für Sie als Teamassistentin? Wahrscheinlich werden      D3 Dr. Inés Brock
auch Sie schon damit Erfahrung gemacht haben, z.B. so,              Grenzverletzungen unter Geschwistern
wie Sie gelegentlich angesprochen werden: Der Ton ist zu            Destruktive Rivalität verstehen und vermeiden
laut, Sie kommen nicht zu Wort, Ihr Gegenüber ignoriert Sie.   D4 Udo Brossette
Oder Ihre Grenzen werden nicht akzeptiert, und Sie wissen           Autorität durch Beziehung
nicht, bzw. fragen sich, wie Sie darauf reagieren können.           Elterliche und professionelle Präsenz in der Beziehung
Ist das alles schon Gewalt? Was bedeutet Gewalt für jede            zu Kindern und Jugendlichen
Einzelne? In unserer Arbeitsgruppe wollen wir uns vor allem    D5 Harald Conrad
mit verbaler und nonverbaler Gewalt oder auch körperlicher          Deliktpräventive Therapie für sexuell übergriffige
Gewalt beschäftigen. Wir besprechen Möglichkeiten, wie              Jugendliche
darauf angemessen reagiert werden kann und wie wir in
                                                               D6 Jun.-Prof. Dr. Catherine Gunzenhauser
verschiedenen schwierigen Situationen unsere Grenzen set-           Tuning in to Kids Ein Elterntraining zur Förderung
zen und einfordern können. Mit unterschiedlichen Methoden           der Emotionssozialisation im Vor- und Grundschulalter
wollen wir vielfältig und kreativ dieses Thema erarbeiten,
                                                               D7 Dr. Heinz Kindler
z.B. Gewaltfreie (wertschätzende) Kommunikation (Rosen-
                                                                    Unterstützung von Kindern nach miterlebter
berg) einüben. Bitte bringen Sie dazu Beispiele aus Ihrer
                                                                    Partnerschaftsgewalt
Arbeit mit. Für einen kollegialen Austausch besteht selbst-
verständlich auch die Möglichkeit. Alexandra Scheel, die       D8 Andrea Dixius, Prof. Dr. med. Eva Möhler
                                                                    Stress-Arousal-Regulation-Treatment
Fachrichtungsvertreterin für Teamassistenz im bke-Vorstand,
                                                                    Ein skillsbasiertes Programm zur Förderung der
wird sie über fachpolitische Entwicklungen informieren und
                                                                    Emotionsregulation (START und START-Kids)
ihre Wünsche und Anregungen entgegennehmen.
Diese Arbeitsgruppe wird am Donnerstag fortgesetzt.            D9 Donata Oerke
Für Teamassistentinnen und -assistenten gilt eine ermäßig-          Konstruktiver Umgang mit Aggression
te Tagungsgebühr in Höhe von nur EUR 125,–                     D10 Prof. Dr. Roland Weierstall-Pust
                                                                    Aggression im Kontext frustrierter Grundbedürfnisse
                                                                    verstehen lernen
                                                                    Eine schematherapeutische Perspektive
                                                               D11 Dr. Andreas Zimmer, Angela Dieterich
                                                                    Prävention sexualisierter Gewalt als Thema für
                                                                    Erziehungsberatungsstellen? Konzeption und
                                                                    Erfahrungen bei der Lebensberatung im Bistum Trier
                                                               MD12 Gabriele Kremer, Heidemarie Stehr, Alexandra Scheel
                                                                    Stopp! Wo sind meine Grenzen und wie setze ich
                                                                    sie klar und deutlich durch? Arbeitsgruppe für
                                                                    Teamassistentinnen im Sekretariat der Beratungsstelle.
                                                                    Fortsetzung der Arbeitsgruppe vom Mittwoch

24                                                                                                                      25
D1                                                              D3
Hagen Berndt                                                    Dr. Inés Brock
Prävention von (Cyber-) Mobbing                                 Grenzverletzungen unter Geschwistern
(Cyber-) Mobbing ist mittlerweile die häufigste Form der        Destruktive Rivalität verstehen und vermeiden
schulischen Gewalt. Aber nicht nur im Schulkontext führt        Der ständige Wechsel von Liebe und Rivalität unter Ge-
das Phänomen bei den Betroffenen zu großem Leid, auch           schwistern, die miteinander aufwachsen, stellt Eltern vor
weil Präventions- und Interventionsstrategien nicht bekannt     besondere Herausforderungen, denn oft ist nicht leicht zu
sind. Inhalt des Workshops sind allgemeine Informationen        verstehen, was noch normal und was schon dysfunktional
zum Thema. Möglichkeiten der Verhinderung von (Cyber-)          ist. Geschwisterrivalität kann die Grenzen des Akzeptablen
Mobbing, sowie erprobte und evaluierte Gegenmaßnahmen           überschreiten und einzelne Kinder psychisch beeinträch-
werden zudem vorgestellt.                                       tigen. Dabei gibt es Unterschiede zwischen Brüdern und
                                                                Schwestern, zwischen leiblichen, Halb- und Stiefgeschwis-
D2
                                                                tern. Der Altersabstand, der Erziehungsstil von Vater und
Eva Borries                                                     Mutter, die Temperamente der Geschwister und die Lebens-
»Sexting« – oder: Der Austausch erotischer Bilder               verhältnisse tragen dazu bei, dass es zu Grenzverletzungen,
Worum geht’s?                                                   Mobbing und auch zu Gewalt kommen kann. Dabei sind die
                                                                frühen Formen der Eifersucht nach der Geburt von der laten-
»Sexting« beschreibt den Austausch erotischer Bilder mit-
                                                                ten Existenz eines benachteiligten Schattenkindes zu unter-
tels digitaler Medien. Das Phänomen wird vor allem im
                                                                scheiden. Auch inzestuöse Geschwisterbeziehungen können
Zusammenhang mit Heranwachsenden immer wieder medial
                                                                die Grenzen des sexuellen Missbrauchs überschreiten. Im
thematisiert und sowohl aufgeregt als auch skandalisierend
                                                                Workshop werden zunächst theoretische Implikationen von
diskutiert. Die Medienpädagogin Eva Borries beschäftigt sich
                                                                grenzverletzendem Verhalten und Gewalt unter Geschwistern
seit Jahren intensiv mit dem Phänomen und hat als Refe-
                                                                erörtert und Formen von Geschwisterschaft mit entsprechen-
rentin in unterschiedlichen Kontexten mit Fachkräften aus
                                                                den Gefährdungspotenzialen vorgestellt. Prävention und
ganz Deutschland zu dem Thema gearbeitet. Der Workshop
                                                                Vermeidung dieser innerfamiliären Gewaltformen werden –
greift das Thema nicht nur wissenschaftlich, sondern auch
                                                                auch anhand von Fallgeschichten – diskutiert.
praktisch auf und widmet sich u.a. den folgenden spannen-
den Fragen: Was ist Sexting eigentlich (nicht)? Was passiert,   D4
wenn Sexting, also der Austausch privater, erotischer Bil-      Udo Brossette
der, schief geht? Wie ordnet man das Phänomen vor dem
                                                                Autorität durch Beziehung
Hintergrund der Entwicklung Heranwachsender (richtig) ein?
Welche Macht haben die Geschlechter bei der Bewertung           Elterliche und professionelle Präsenz in der
des Themas? Wie beeinflusst unsere Haltung zu dem Thema         Beziehung zu Kindern und Jugendlichen
unser Handeln als Berater/innen in der Erziehungsberatung?      Kinder und Jugendliche brauchen erwachsene Präsenz. Diese
Das Ziel des Workshops ist neben der Vermittlung von fun-       Haltung ist hilfreich für die unmittelbare Beziehungsgestal-
diertem Wissen aus Forschung, Wissenschaft und Praxisar-        tung der Erwachsenen zu ihnen. Anhand von Fallbeispielen
beit das Angebot, in die Arbeit mit der eigenen Haltung zu      aus dem familiären und pädagogischen Alltag können die
dem Thema zu gehen und eine Haltung »mitzunehmen«, die          Strategien des Konzeptes der Neuen Autorität betrachtet
in konkreten Beratungssituationen einen beschützende und        werden. Wie können Erwachsene anders handeln, wenn die
respektvolle Beratung auf Augenhöhe ermöglicht.                 bisherigen Versuche sich immer wieder als unwirksam her-
                                                                ausstellen, wenn aus diesem Erleben Ohnmacht oder sogar
                                                                Gleichgültigkeit erwachsen? Wie können aus Scham und

26                                                                                                                        27
Ohnmachtserfahrung Erwachsene wieder zu verantwortli-          entwickelt, welches kognitiv-verhaltenstherapeutische und
chem Handeln gelangen, ohne dabei Macht oder gar Gewalt        dialektisch-behaviorale Prinzipien kombiniert und zur Vor-
einzusetzen? Dabei wird besonders auf die Bedeutung von        beugung sowie Behandlung von emotionalen und Verhal-
Präsenz geschaut und anhand einiger Beispiele können           tensproblemen bei Vor- und Grundschulkindern eingesetzt
eigene Erfahrungen mit einfließen. Welche Arten von Eska-      werden kann. In dem Training werden elterliche emotions-
lation gibt es und welche Wirkung erzielen sie? Schließlich    bezogene Einstellungen (Metaemotionen) verändert und
sollen erste Schritte aus diesem Teufelskreis nachgezeichnet   entwicklungsförderliche Reaktionen auf kindliche Emotionen
werden und sie können anhand praktischer Übungen vertieft      (Emotionscoaching) praktisch eingeübt und zudem Wege
werden. Die Methoden sind: Vortrag, Falldarstellung aus der    aufgezeigt, mit eigenen Emotionen adaptiv umzugehen.
praktischen Arbeit, Übungen und Diskussion.                    In randomisiert-kontrollierten Studien zeigten sich positi-
                                                               ve Effekte auf elterliche emotionsbezogene Einstellungen
D5                                                             und Verhaltensweisen sowie auf kindliche emotionale und
Harald Conrad                                                  Verhaltensprobleme, die vergleichbar mit der Effektivität
Deliktpräventive Therapie für sexuell übergriffige             des Elterntrainings Triple P waren. Im Workshop wird die
Jugendliche                                                    deutsche Version von »Tuning in to Kids« vorgestellt und
                                                               die Teilnehmer/innen erhalten die Gelegenheit, ausgewählte
»Sind noch Kinder und schon Täter.« – In diesem Workshop       Elemente genauer kennenzulernen und Übungen aus dem
wird das therapeutische Vorgehen mit jugendlichen sexuel-      Training selbst auszuprobieren.
len Grenzverletzern vorgestellt. Es wird die Möglichkeit ge-
ben, über Berufs- oder Tätigkeitsgrenzen hinweg jugendliche    D7
Sexualität in Normbereich, kritische Verhaltensweisen und      Dr. Heinz Kindler
strafrechtliche Relevanz einzuordnen. Hierzu werden ano-       Unterstützung von Kindern nach miterlebter
nymisierte Fallbeispiele eingesetzt, um möglichst praxisnah
                                                               Partnerschaftsgewalt
arbeiten zu können.
                                                               In den letzten beiden Jahrzehnten ist miterlebte Partner-
D6                                                             schaftsgewalt zunehmend klarer als Kindeswohlthema her-
Jun.-Prof. Dr. Catherine Gunzenhauser                          vorgetreten, so dass die Bereitschaft gewachsen ist, Formen
Tuning in to Kids                                              von Unterstützung bzw. Intervention zu erproben. Im Work-
Ein Elterntraining zur Förderung der                           shop werden daher aufbauend auf Befunden zu Möglichkei-
Emotionssozialisation im Vor- und Grundschulalter              ten der Unterstützung betroffener Kinder Handlungsoptio-
                                                               nen für Beratungsstellen besprochen. Im Einzelnen wird auf
Ein angemessenes emotionsbezogenes Erziehungsverhalten         Kindergruppen, Einzelberatungen gewaltbelasteter Elterntei-
der Eltern leistet einen zentralen Beitrag zur Entwicklung     le, Stellungnahmen in Gerichtsverfahren und auf die Zusam-
sozial-emotionaler Kompetenz und zur Vorbeugung von dys-       menarbeit mit Opferschutzeinrichtungen eingegangen.
regulierter Wut und Aggression bei Kindern. Gerade intensi-
vere Emotionen bei Kindern können jedoch auf Eltern auch       D8
erschreckend oder verunsichernd wirken. In entsprechenden      Andrea Dixius, Prof. Dr. med. Eva Möhler
Ratgebern und Trainings wird häufig vorrangig thematisiert,    Stress-Arousal-Regulation-Treatment
wie problematischen Situationen, die mit starken Emotionen     Ein skillsbasiertes Programm zur Förderung der
einhergehen, auf der Verhaltensebene entgegenzuwirken
                                                               Emotionsregulation (START und START-Kids)
ist. Dabei wird außer Acht gelassen, dass häufig berechtigte
Emotionen Auslöser von Problemverhalten sind. Basierend        Kinder haben vielfältige Anforderungen in Schule, Freizeit
auf diesen Annahmen wurde in Australien vor einigen Jahren     und Familie zu bewältigen. Auseinandersetzungen, Mobbin-
das emotionsfokussierte Elterntraining »Tuning in to Kids«     gerfahrungen, Gewalterlebnisse oder traumatische Erlebnis-

28                                                                                                                      29
se erzeugen Stress. Häufig führt dies zu vulnerablen Beein-    men und seine Bedeutung zu verstehen, um angemessen
trächtigungen in der Entwicklung und zur Aufrechterhaltung     damit umgehen zu können. Die Grundlagen dafür, wie wir
von psychischen und emotionalen Belastungen. Frühe             mit Ärger und Wut umgehen, werden in der Kindheit gelegt.
Interventionen und präventive Ansätze können hingegen          So betrachtet, ist es sehr lohnend, diesem Gefühl Aufmerk-
die Entwicklung positiv beeinflussen. START ist ein niedrig-   samkeit zu widmen. In diesem Workshop können Sie Ihr
schwelliges und kulturintegratives Stabilisierungskonzept      Wissen erweitern: Welche Stufen vom kleinen Ärger bis zur
für Kinder und Jugendliche mit starkem Stresserleben oder      Mordswut gibt es und wie kann ich sie erkennen? Aggressi-
Traumafolgen und schweren emotionalen Belastungen, das         on und Trauma. Wie unterstütze ich Kinder, die Signale der
im Gruppen- wie auch im Einzelsetting eingesetzt werden        kleinen und großen Wut wahrzunehmen? Welche Hilfe und
kann. Ursprünglich im Rahmen der praktischen Arbeit mit        Begleitung gebe ich Kindern bei Wutausbrüchen? Wann und
hoch gestressten, unbegleiteten minderjährigen Flüchtlin-      wie muss ich einschreiten? Wie übe ich mit Kindern Impuls-
gen in Clearing- und Erstaufnahmekontexten und in der          kontrolle ein? Welche Rituale zum Entladen von Ärger und
klinischen Versorgung der Kinder- und Jugendpsychiatrie        Wut ohne Selbst- und Fremdverletzung kann ich Kindern
entwickelt, ist es mittlerweile auch bei deutschen Kindern     anbieten?
und Jugendlichen sehr beliebt und evaluiert. Im Workshop
werden neben dem international etablierten START-Konzept       D10
für Jugendliche im Alter von 13 bis18 Jahren auch die neuen    Prof. Dr. Roland Weierstall-Pust
Module von START-Kids für Kinder im Alter von 6 bis 12 in      Aggression im Kontext frustrierter Grundbedürfnisse
Theorie und Praxis vorgestellt. Die Interventionen sind für    verstehen lernen
ein breites Anwendungsfeld von Therapie und Pädagogik          Eine schematherapeutische Perspektive
konzipiert und beinhalten altersentsprechende, spielerische-
re Übungen und Skills zum Umgang mit Stress, emotionalen       Wie jede andere menschliche Verhaltensweisen auch wird
Belastungen, und zur Stabilisierung und Förderung von          aggressives Verhalten durch die individuellen Ziele und
Resilienz. (Weitere Infos: www.startyourway.de.)               Bedürfnisse eines Individuums motiviert. Die Sanktionierung
                                                               von aggressivem Verhalten birgt jedoch die Gefahr, dass die
D9                                                             der Aggression zugrundeliegenden Grundbedürfnisse nicht
Donata Oerke                                                   versorgt oder befriedigt werden können. In der Folge nimmt
Konstruktiver Umgang mit Aggression                            zwar das beobachtbare aggressive Verhalten ab, nicht je-
                                                               doch die motivationale Energie, welche durch die anhalten-
Einen lebensförderlichen, nicht verletzenden Umgang mit        de Frustration der Bedürfnisbefriedigung sogar noch zuneh-
Aggression zu erlernen, ist ein lebenslanger Gewinn, sowohl    men kann. In dem Workshop wird der Zusammenhang von
für sich selbst als auch für alle Menschen mit denen man in    frustrierten Grundbedürfnissen und aggressivem Verhalten
Beziehung steht. Wie wäre eine Welt, in der Kinder schon       anhand von praktischen Beispielen erläutert. Als theoreti-
frühzeitig einen angemessenen Umgang mit diesem schwie-        scher Rahmen dient das schematherapeutische Störungs-
rigen Gefühl lernen? In der sie lernen, für ihren Standpunkt   modell. Den Teilnehmer/innen soll hierdurch ein Werkzeug
einzustehen und gleichzeitig lösungsorientiert zu sein? In     an die Hand gegeben werden, welches es Ihnen ermöglicht,
der Gewinner-Gewinner-Lösungen zum Alltag gehören und          in der eigenen Arbeit funktionaler mit aggressiven Klienten
Konflikte als Botschaft verstanden werden: »Du bist mir        umgehen zu können und sich komplementär zu den frust-
wichtig.« Ein konstruktiver Umgang mit Aggression meint        rierten Grundbedürfnissen des Gegenübers zu verhalten.
keineswegs, Ärger und Wut zu unterdrücken, nach dem
Motto »das lohnt sich doch nicht« oder »das ist es nicht
wert.« Vielmehr bedeutet es, den eigenen Ärger wahrzuneh-

30                                                                                                                      31
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