Jahresrückblick 2020 - Gemeinschaft in Kehna
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Inhalt 3 Inhaltsverzeichnis Einerseits-Andererseits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Corona – zwischen Mainstream und Gemeinschaftsmodell . . . . . . . . . . . . . . 5 Jahresrückblick Freundeskreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Neues aus Wenkbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Licht und Schatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Neue Menschen in Kehna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 MOSAIK Atelier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Aus den Malgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Rhythmus und Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Ein besonderes Gartenjahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Latte-Art-Tulpe gießen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Die Schreiner*innen berichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . 35 Webereirückblick 2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Die Vielfalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 In Seelbach auf dem Ziegenhof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . 40 Melikes Lieblingsrezept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Weihnachten in Kehna – die zweite Chance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 42 Das Leben in Kehna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Pfingst-Frühstück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Designer-Preis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
Die Gemeinschaft in Kehna Editorial 4 Einerseits-Andererseits Ein Jahr voller Widersprüche Einerseits: sollten wir an dieser Stelle „Corona, Corona, Corona“ schreiben. Andererseits: Gibt es davon nicht schon zum Abwinken viel? Einerseits: war dies ein Jahr der Einschränkungen. Andererseits: Geht es uns, wenn wir über den nationalen Tellerrand schauen, richtig gut. Einerseits war dieses Jahr ein Jahr der Vereinzelung. Andererseits hat sich unser Gemeinschaftsmodell als sehr tragfähig erwiesen. Einerseits hatten wir befürchtet, dass die Umsetzung des Bundesteilhabegeset- zes und die damit verbundene Umstellung der Finanzierungsstruktur zu gro- ßen Schwierigkeiten führen würde. Andererseits verlief der Prozess mit erstaunlich wenigen Komplikationen. Einerseits sind Investitionen in die Zukunft gerade fragwürdig. Andererseits haben wir einen weiteren Hof in Wenkbach erworben, um die Ba- sis für ein lebensfähiges Wohn- und Kulturprojekt zu erweitern. Einerseits leidet die deutsche Gesellschaft unter einem großen Fachkräfteman- gel, insbesondere was Pflege und Betreuung betrifft. Andererseits freuen wir uns über eine nahezu volle Besetzung unserer Stellen und konnten wieder viele engagierte Freiwillige und Auszubildende finden. Einerseits sollte ein Jahresrückblick am Ende des Jahres erscheinen. Andererseits: Der Beginn des Folgejahres ist doch auch ein guter Termin, oder? Einerseits danken wir allen für ihre großartige Unterstützung in einer heraus- fordernden Zeit. Andererseits wünschen wir Ihnen und Ihrer Familie alles Gute im neuen Jahr – und vor allem: Bleiben Sie gesund! Michael Gehrke
5 Corona – zwischen Mainstream Einige freiwillige externe Mitarbeiter*- und Gemeinschaftsmodell innen zogen zu uns nach Kehna, einige Bewohner*innen zogen es vor, in der Soviel ist schon geschrieben und kommenden Zeit bei ihren Angehö- gesagt worden und das Thema ist rigen zu wohnen. Wir gestalteten das dazu geeignet, zu spalten und alte Leben für etwa fünf Wochen wie ein Freundschaften in Frage zu stellen. Feriencamp, ohne dass wir nach au- Wir möchten hier über unsere guten ßen gingen oder externe Mitarbeitende Erfahrungen berichten: „hereinkamen“. Die Köchinnen über- Noch Anfang März glaubten wir, nahmen die Einkäufe für alle und koch- es mit nichts anderem als einer Art ten für uns, natürlich ohne Begegnung. Grippeepidemie zu tun zu haben und Die erste Maßnahme, die gut ankam, dachten, sie wird uns auf jeden Fall war, dass alle eine Stunde länger schla- treffen und wir werden das so wie im- fen konnten. Weiterhin richteten wir mer überstehen. Eine Quarantäne in- ein Morgentreffen ein, an dem jeder nerhalb der Gemeinschaft schien also und jede teilnehmen konnte. Hier unnötig zu sein. wurde der Tag besprochen und unsere Auf diesem Hintergrund entstand die „Corona-Strategie“ von Tag zu Tag wei- Idee, dass wir uns als gesamte Ge- terentwickelt. Hierzu ist zu sagen, dass meinschaft als ein Haushalt definieren wir mit den Entscheidungen auf uns und daher für uns alle gemeinsam die selbst gestellt waren. Ein erster Kontakt Regeln, die staatlicherseits vorgegeben zum Gesundheitsamt kam erst Wochen wurden, eben wie für einen Haushalt später zustande und die eingereichten gelten. Eine Kontaktbeschränkung in- Konzepte wurden nicht geprüft oder nerhalb der hier vor Ort lebenden Ge- kommentiert. meinschaftsmitglieder kam daher also Innerhalb eines Tages wurden Be- nicht in Frage. schäftigungsmöglichkeiten geschaf- Diese Position, die zunächst aus einer fen, denn der normale Werkstatt- Bagatellisierung der Pandemie ent- betrieb konnte ja nicht stattfinden. stand, erwies sich im weiteren Verlauf als Webstühle und Werkbänke wurden Glücksgriff und tragfähig auch in ern- hierhin und dorthin getragen. Viele sterer Lage. Die Lösung im März, als der Angebote wurden gemacht, kreative Lockdown verhängt wurde, war nicht Aktionen, wie Landart, Holzarbeiten, die Vereinzelung innerhalb des Ortes, Spaziergänge, Fahrradworkshop und sondern eine Abschottung nach außen. vieles mehr.
Die Gemeinschaft in Kehna Lebenskunst 6 Als Stimmungsbild sei hier ein Beitrag Die allmähliche Aufhebung des Lock- aus unserem Kehna-Blog, den wir zu downs war komplizierter als die Um- Beginn der Zeit eröffnet hatten, abge- setzung zu Beginn, die mehr oder we- druckt: niger an einem Tag stattgefunden hatte. Eine Zwischenbilanz (von Katja Lanz) Viele Einzelfragen wurden geklärt. Die Heute neigt sich die vierte Woche der Maskenfrage warf viele Fragen auf. freiwilligen Isolation dem Ende. Eine Wir wollten und wollen unser ge- gute Zeit, die wir bisher miteinander meinschaftliches Modell, ohne Di- verbracht haben. Vielleicht merkt man stanzierungen innerhalb der hier es am ehesten daran, wie schnell die Zeit Wohnenden zu leben, nicht aufgeben vergeht ohne dass es eine Mühe bereitet. und weiterhin als ein Haushalt gelten. Ich würde sagen, wir befinden uns im Dies macht es notwendig, besonders „Flow“, haben mittlerweile eine ganz akribisch auf den Schutz vor Anstek- gut funktionierende Tagesstruktur auf- kung von außen zu achten. Neben der gebau, mit der wir alle zufrieden sind. Maskenpflicht im täglichen Werkstatt- In den Medien häufen sich die Berichte, betrieb wurden weitere Maßnahmen wie sehr immer mehr Menschen durch ergriffen. CO2-Wächter wurden zu die Corona-Krise in Angst, Stress, Ein- Kontrolle der Raumluft angeschafft, samkeit, etc. geraten. in den Gemeinschaftsräumen wur- Davon ist hier wenig zu spüren. Unse- den Luftfilter aufgestellt und schließ- re Gemeinschaft ist sehr tragfähig, das lich waren kurz vor Weihnachten beweist sie gerade in dieser Zeit sehr dann auch die Schnelltests da, sodass deutlich. Die letzten Tage ist mir immer Besucher*innen, Rückkehrer*innen wieder das Gedicht „Osterspaziergang“ oder auch Bewohner*innen mit Kran- von Johann Wolfgang von Goethe in keitssymptomen etc. von unserem den Sinn gekommen. Die letzte Passage Test-Team Sebastian Nowak und Do- ist ein schönes Sinnbild für unser Leben rothee Born getestet werden können. in Kehna. Es lautet: Die externen Werkstattbeschäftigten Ich höre schon des Dorfs Getümmel, arbeiten seit Juni wieder mit, werden hier ist des Volkes wahrer Himmel, aber in drei Arbeitsgruppen getrennt zufrieden jauchzet Groß und Klein, von den Bewohnern betreut. Das ist hier bin ich Mensch, hier darf ich sein. nach wie vor der bittere Preis, den wir Ein Wehrmutstropfen war das Werk- bezahlen müssen, und die betroffenen statt-Betretungsverbot für die externen sehnen den Tag herbei, wo wieder al- Werkstattbeschäftigten. les „normal“ wird.
7 Unser Modell hat bis heute standge- dass dies bis zum Ende der Pandemie, halten, ungezwungene Treffen wie das aufgrund der anlaufenden Imp- die Silvesterparty waren auf diesem fungen in diesem Jahr zu erwarten ist, Hintergrund möglich und wir hoffen, auch so bleibt. Michael Gehrke
Die Gemeinschaft in Kehna Abschied und Dank 8 Jahresrückblick Freundeskreis 22 Jahren engagierten Einsatzes leider ihr Amt abgegeben. Sie war bereits bei Durch den Lockdown war die Zu- der Gründung am 31.08.1995 dabei!!! sammenarbeit des Vorstandes und Eigentlich ein Datum und Anlass, die der Mitglieder des Freundeskreises 25-jährige Vereinstätigkeit zu feiern. auf einem bisher nie da gewesenen Gerne hätten wir zu einem solchen Tiefpunkt. Da keine Einsätze für Fe- Fest eingeladen. Aber was noch nicht ste und sonstige Aktivitäten planbar ist, kann ja noch werden, nur Geduld. waren, gab es ab März auch keine Neu gewählt wurden entsprechend weiteren Treffen. einer vorgelegten Satzungsänderung Wie schön, dass wir noch im Fe- fünf gemeinsam vertretungsberech- bruar zu unserem alljährlich tige Vorstandsmitglieder. Erfreuli- stattfindenden Winter-Café die cherweise erklärten sich noch weitere Bewohner*innen und Mitglieder sechs Mitglieder bereit, als Beisitzer einladen und mit allerlei Köstli- zu fungieren, somit steht uns ein grö- chem bewirten konnten. Zur allge- ßerer Kreis unmittelbar mit Ideen und meinen Unterhaltung wurden klei- Tatkraft zur Seite. ne Musikstücke vorgetragen sowie Wir danken an dieser Stelle allen Mit- Texte und Gedichte präsentiert, die gliedern, die dem Freundeskreis wei- Bewohner*innen und Werkstattmit- terhin ihre finanzielle Unterstützung arbeitende zu dem Thema „Körper, haben zukommen lassen. Somit war Seele, Geist“ entwickelt hatten. es möglich, auch in diesem Jahr die Diese Veranstaltung erfreut sich in- Spenden und Mitgliedsbeiträge an zwischen großer Beliebtheit, bietet die Gemeinschaft in Kehna zu beson- sie doch die Möglichkeit, neue Men- deren Verwendungen weiterleiten zu schen und Interessierte in gemütli- können. Besondere Ausgaben gab es cher Runde kennen zu lernen. in diesem Jahr sicherlich einige. Dem Winter-Café ging am gleichen An dieser Stelle auch noch ein gro- Tag eine Mitgliederversammlung ßes Dankeschön an alle Mitarbeiten- voraus, in der ein neuer Vorstand den der Gemeinschaft in Kehna. Mit gewählt wurde. Unsere sehr ge- vorausschauender Umsicht haben sie schätzte langjährige Vorstandsvor- Umstrukturierungen im häuslichen sitzende Christa Heilmann hat nach wie im arbeitstechnischen Bereich or-
9 ganisiert, alle Beteiligten informiert Freuen wir uns auf das neue Jahr, auf und damit Akzeptanz geschaffen für wieder mögliche Treffen und eine Einschränkungen, die durch die Co- gute Zusammenarbeit mit allen Mit- rona-Pandemie unumgänglich waren gliedern und Interessierten. und es noch immer sind. Für den Vorstand des Freundeskreises Birgit Braun und Lucia Korzen Unser aller Dank gilt Christa Heilmann (links)
Die Gemeinschaft in Kehna Abschied und Anfang 10 Aktenübergabe 22 Jahre hat Christa Heilmann den Liebe Christa, wir möchten dir an die- Freundeskreis der Gemeinschaft in ser Stelle noch einmal herzlich dan- Kehna als Vorsitzende geleitet. Im ken für die langjährige stetige und Februar dieses Jahres kam der unaus- treue Erfüllung dieser wichtigen Auf- weichliche Zeitpunkt, an dem Sie die gabe, die du stets mit Weitsicht, und Aufgabe in neue Hände, nämlich in großem Geschick, stets freilassend die von Birgit Braun übergab, die sich und, nicht zu vergessen, mit Humor vorwiegend als Koordinatorin des neu geleistet hast. gewählten Vorstands verstanden wis- sen möchte. Wir wünschen Birgit und Die Gemeinschaft in Kehna dankt dir ihrem Vorstandsteam alles Gute für herzlich! ihre Aufgabe. Michael Gehrke
11 Neues aus Wenkbach schränkungen konnten keine Treffen stattfinden, so muss der Beginn noch Im vergangenen Jahr berichteten wir etwas warten. über den Erwerb einer Hofreite und Es gibt aber dennoch Neuigkeiten: eines Wiesengrundstücks im Ortsteil Eine weitere Hofreite mit einem gro- Wenkbach. Im Rahmen eines Betei- ßen Obstgarten, direkt angrenzend ligungsprozesses, an dem neben den an das bisherige Grundstück, konn- Verantwortlichen der Gemeinschaft te erworben werden. Dies schafft die in Kehna sowohl Ortsansässige als Möglichkeit einer breiteren Entwick- auch Bewohner*innen der Gemein- lung und die Gelegenheit für mehr schaft mit Assistenzbedarf teilneh- Menschen, in der „neuen Dorfmit- men würden, sollte in diesem Jahr te“ in Wenkbach einen Lebensort zu ein erstes Konzept für ein integratives finden. Der Bedarf und das Interesse Wohn- und Kulturprojekt entwickelt sind groß. werden. Aufgrund der Corona-Be- Michael Gehrke Neuer Hof in Wenkbach
Die Gemeinschaft in Kehna 12 Licht und Schatten „Licht und Schatten", das von 'Wort- haben; Zeit zum Spazieren, zum finder' ausgeschriebene Motto des Nachdenken, zum Beobachten der Schreibwettbewerbs erreichte uns Natur, zum Schreiben. in der letzten Februarwoche 2020. So haben manche betreute Mitar- Schreibinteressierte setzten sich beitende ihre Ideen aufgeschrieben zusammen, spontane Gedanken, und erfolgreich am Wettbewerb Ideen, Fantasien zum Thema wur- teilgenommen. den gesammelt, Wünsche, Träume, Lucia Korzen Erlebnisse, Erfahrungen, Möglich- Hintergrundbild von Markus Brummert: keiten, Grenzen angesprochen, Nachtmond ausgetauscht. Doch wenige Tage später wurden wir alle mit einer unerwarteten Si- tuation konfrontiert: Die Werkstät- ten mussten geschlossen werden, das vertraute tägliche Miteinander war nicht mehr möglich. Eine Situation, die „schattige" Ge- danken aufkommen ließ. Begleitet von der hellen, angeneh- men Frühlingssonne entstand aber auch ein lichtvolles Gefühl. Ein Gefühl von Ruhe, von Zeit
13 Hell und Dunkel Licht und Schatten Tag und Nacht In der pechschwarzen Nacht, kommt es Die Sonne scheint über Land, ganz anders als gedacht, Gibt Licht und Wärme viele Menschen wurden in dieser Und die Menschen freuen sich Nacht, um ihre Freiheit gebracht. Auf den Sonnenschein. Dies vollbrachte eine Meute, voll von Und die Menschen freuen sich böser Leute. Auf das Meer. Vom Licht verlassen, vom Glück Und die Menschen freuen sich vergessen, Auf das Schwimmen im Meer. standen dort die die Menschenherden Und sie sind glücklich dabei. und nicht mehr auf Erden, werden sie den Tag sehen Viele Tiere freuen sich und auch nicht verstehen, auf das Dunkel-Werden. warum ihnen das Licht und Glück Und viele Tiere freuen sich genommen wurde. Viele glauben, Im Dunkel wieder zu sehen. das wird im Traum vergehen, Und viele Tiere freuen sich doch aus was wird, das neue Licht auf ihre Tänze in der Dunkelheit. und Glück bestehen? Aus kein Arm Danach legen sie sich in die Wiesen, und Bein, um zu schlafen und zu schlafen. aus kein Erz und auch kein Marmor- Ein Igel sucht nach Nahrung stein. Aber aus Feuer, Erde, Wasser in der Dunkelheit. und Wind, sodass ein jeder Mensch Und er schläft und schläft und schläft es wiederfind´t. Am hellen Tag. Leon Herzig Michelle Klier
Die Gemeinschaft in Kehna 14 Frida Frank Hallo liebe Gemeinschaft, ich heiße Frida und bin 0 Jahre alt. Ich bin 63 cm klein, was sich aber tagtäglich nach oben hin ändert. Ich habe blaue Augen und relativ kurzes rotblondes Haar. Ich bin erst im August bei meinen El- Annabelle Apel tern eingezogen und finde es auf dem Alter: 30 Jahre. Jongeshof recht gemütlich. Ich habe Wohnort: Gießen-Wieseck. noch einen großen Bruder und un- glaublich viele Mitbewohner*innen, Funktion: Erzieherin im Anerken- die ich mir gerade versuche zu mer- nungsjahr. ken. Ich schlürfe am aller liebsten Arbeitsbereich: Weberei. Muttermilch, Couscous oder Polenta kriege ich einfach nicht runter. Mei- Tätig in Kehna seit: August 2020. ne Hobbies sind schlafen, lachen, Ich bin: geduldig, zuverlässig, enfühl- weinen, mir die Welt anschauen, mit sam, offen für Neues. Menschen schäkern und alles annul- lern was ich in die Finger kriegen Das ist mir wichtig: Familie, Freunde, kann. Momentan übe ich das greifen mein Freund und unser rot-weißer und mache jeden Tag an die 100 sit Kater Oscar. Vertrauen, Akzeptanz, up‘s. Für die naheliegende Zukunft in Achtung vor Mensch und Natur, Viel- Kehna wünsche ich mir mal ein lecke- falt (Individualität). res Brötchen ohne alles und dass ich Das mache ich gerne: in die Natur ge- endlich ohne Hilfe an diesem riesigen hen, Skifahren, Reisen, Backen und Tisch sitzen kann. Häkeln.
Neue Menschen in Kehna 15 Lisa Woitschitzky Tätigkeit seit: Juni 2020 als freiwillige Mitarbeiterin und seit August 2020 in fester Anstellung. Funktion: Betreuerin in der Garten- gruppe. Was mache ich dort: die Betreuung Maja Jetzen der Mitarbeiter/innen ist natürlich Funktion/Einsatzstelle: In Jonges 1 mit allen anfallenden Arbeiten im und in der Hermes Hof Küche. Garten verbunden. Ein "Gartenjahr" Tätigkeit seit: Mitte August. in Stichpunkten zusammengefasst könnte so aussehen: Beete vermes- Das ist mir wichtig: Die Welt ein bis- sen, anlegen und vorbereiten, aussä- schen besser zu hinterlassen, als ich sie en, pflanzen, ernten, unkrauten, gie- vorgefunden habe. Etwas zu bewegen ßen, Äpfel-und Pflaumenernten, die und zu bewirken. Dabei brauche ich Küchen mit knackfrischem Obst und meine Familie und Freunde, dement- Gemüse beliefern, Laub rechen, bei sprechend sind sie mir auch unfassbar gestalterischen Projekten mitwirken, wichtig. Holz spalten, lagern und ausliefern. Das mache ich gerne: Das Leben ge- Das ist zumindest ein kleiner Einblick nießen, dazu gehört Abenteuer erle- in unsere tägliche Arbeit. ben, Kochen, Musik hören, Spazier- gänge, usw. Das mag ich gerne: viel draußen sein, Natur, Lagerfeuer, "Abendteuer", Zeit mit Familie und Freunden verbringen, Tiere, im sozialen Bereich arbeiten.
Die Gemeinschaft in Kehna Neue Menschen 16 Nina Woolley Wagner Ich wurde am 03.03.1990 in Brasilien geboren. Mario Alejandro Orellana Guevara Meine Muttersprache ist Portugiesisch. Alter: 27 Jahre alt. Was mich glücklich macht, ist gutes Es- Funktion: Freiwilliger in Jonges 1 in- sen, mit meiner Familie und Freunden nerhalb der Pflege und Betreuung im zusammen sein, reisen, Rad fahren, ein Wohnbereich. gutes Buch lesen, Filme ansehen, Mu- Tätigkeit seit: September 2020. sik hören, tanzen, fotografieren, in der Natur spazieren gehen und was Gutes Hobbies: Lesen, Wandern, Filme für Menschen und die Welt tun. schauen, neue Kulturen kennen und lieben lernen. Ich habe mein BFD in der Kehna Rö- sterei im September 2020 begonnen Lieblings Jahreszeit: Herbst. und freue mich schon sehr über die Was mir an Kehna gut gefällt: Die Men- Zeit, die ich bisher hier verbracht habe schen, die Ruhe, die Verbundenheit und die Menschen, die ich hier ken- mit der Natur, die Philosophie Kehnas. nengelernt habe.
17 zug in unsere eigentliche Wohnung verschob sich ein ums andere Mal. Und dann kam Corona… Wir hatten uns in- zwischen so gut eingelebt und unseren Platz innerhalb der Gemeinschaft ge- funden, so dass wir gar nicht mehr weg wollten! Unser Anliegen fand allgemei- ne Zustimmung und nun schätzen wir uns glücklich, als Teil der Gemeinschaft in Kehna in einer Wohnung mit wun- derbarem Ausblick zu leben! Rebecca Keller Zoe Emilia Cable In Kehna als: FSJlerin in Jonges 2 und bei den Vielfaltern seit September.. Funktion: Gemeinschaftskind, Tele- fonistin, zuständig für Erheiterung, Das mache ich gerne: klettern, ko- Freude verteilen und versüßen des chen, draußen sein, alles am liebsten Alltages aller… mit anderen Menschen Das mache ich gern: Spazierengehen, Das mache ich außerhalb von Kehna: telefonieren, singen, Oma und Opa Freizeiten organisieren und auf wel- besuchen, malen in Opas Büro, Ka- che mitfahren, neue Orte entdecken. kao trinken in der Rösterei. Noëmi Marfa Veronique Scholtes Zoe schreibt: „Cnhfydgjcccccvx j,jfasc c,dfbbbbb,bvn vmjhdfsaröyf cfjfyyxy. Funktion: Mama von Zoe, Elternzeitvertretung für Eva (Rösterei)/Alina (Be- treutes Wohnen), MO- ASAIK Atelier, vorüber- gehende Webereiaushilfe, Mädchen für alles… Coronabedingt: Vor ei- nem Jahr zogen wir vor- übergehend in die „Ge- flüchtetenwohnung“ im Hermeshof. Der Anfang des Jahres geplante Um-
Die Gemeinschaft in Kehna Kunst und Kultur 18 unseren externen Kolleg*innen Grüße zu übermitteln und nutzten das außerge- wöhnlich langanhaltende sonnige Wetter, um viel draußen zu unternehmen und uns mit Naturmaterialien kreativ zu beschäfti- gen. So wurden beispielsweise in der Kar- woche mit Hilfe von Landart und in Form von Mandalas der Kreislauf von Leben und Vergänglichkeit und das Erwachen des Frühlings thematisiert. Um diese Kontra- ste erfahrbar zu machen, wurden bewusst einmal Vertrocknetes, Abgestorbenes ver- wendet und ein anderes Mal farbenfrohe und lebendige Materialien. Ein anderes Projekt entstand nach ein paar Wochen, als die anfänglich fröhliche und Die MOSAIK-Künstlerinnen ... unbeschwerte Stimmung innerhalb der MOSAIK Atelier Isolation sich zu verändern begann, sich Unsicherheiten und Ungeduld ob der Dau- Nach dem ersten Lockdown und inner- er der Isolation auszuprägen begannen. halb unserer freiwilligen Isolation öffne- Aus den vielen bunt gestalteten Rinden, te das MOSAIK Atelier seine Türen mit Stöcken, Klangstäben und Ähnlichem fer- nachmittäglich wechselnden künstleri- tigten wir Mobiles an, als gemeinschaft- schen und kreativen Angeboten. Anfangs liche und einzelne Werke. Kein leichtes wurde an jedem Tag etwas Anderes kre- Unterfangen, die Balance zu suchen und iert, doch mit der Zeit entwickelte sich immer wieder neu auszugleichen; doch ein festes Angebot im Wochenrhythmus irgendwie passend zu den Anforderungen (montags malen, dienstags basteln mit Pa- der äußeren Umstände dieser Zeit! pier/Naturmaterialien, mittwochs filzen Mit dem Wiedereröffnen der Werkstät- usw.). Mit der Zeit kristallisierte sich eine ten schloss das MOSAIK Atelier langsam feste Gruppe von Teilnehmer*innen her- wieder seine Türen. Nach einer längeren aus, sodass auch an längeren Projekten ge- Übergangszeit, in der Verena Krezdorn arbeitet werden konnte, die über eine Ein- und ich an zwei Vormittagen das Krea- heit hinaus gingen. Auf dem Blog konnte tivangebot noch in ähnlicher Weise wei- unser Schaffen verfolgt werden. terführten, findet inzwischen die Kunst- Inhaltlich orientierten wir uns an den therapie in bekannter Weise statt und ich Jahreszeiten- und Festen (z.B. Frühling/ bin in anderen Bereichen tätig. Ostern), wir stellten Grußkarten her, um Noëmi Scholtes
19 ... bei der Präsentation und Betrachtung ihrer Kunstwerke
Die Gemeinschaft in Kehna 20
21 Aus den Malgruppen der Wunsch, ein bestimmtes Materi- Wir aus den Malgruppen wollen an die- al auszuprobieren, oder es ist der Far- ser Stelle die Gelegenheit nutzen, um brausch an sich, der beflügelt. Euch ein paar Einblicke in unsere Mal- Was auch immer der Anlass, der Fun- stunden zu geben. Eigentlich trifft es ke für ein Bild gewesen sein mag, in das Wort „Jahresrückblick“ nicht ganz, jedem Werk spiegelt sich ganz un- denn die Bilder zeigen Werke, die zwi- verwechselbar und einzigartig der schen 2016 und jetzt entstanden sind. Mensch, aus dessen Hand es Gestalt Immer montags vormittags treffen sich angenommen hat, wieder. So haben die Malgruppen, um gemeinsam in die sich im Laufe der Jahre wirklich wun- Welt der Farben und Formen einzutau- derbare Kunstwerke angesammelt, die chen. Derzeit sind es zwei Gruppen mit wir Euch nicht vorenthalten wollen. je fünf Künstler*innen und eine Einzel- Viel Freude beim Betrachten wün- malstunde. Oft sind es die eigenen Ide- schen die Montagsmaler: en der Teilnehmenden, die zu Papier Johanna, Nadine Schölling, Christi- gebracht werden. Für manche sind mit- an, Markus, Lena, Caroline, Robert, gebrachte Fundstücke oder Bildbände Sandra, Irene, Leo, Joachim Möglichkeiten, um ein Interesse für ein mit Verena Krezdorn Motiv zu entwickeln. Oder es besteht Lena Engel: Flamingos
Caroline Bier: Vogel Joachim Abe: Farbenspiel
Christian Schröder: Kerze
Die Gemeinschaft in Kehna 24 Nadine Schölling: Blumenwiese Johanna Schmidt: Blumen
25 Satyara Hahn: Vogel Leu Moreno: Bär
Sandra Lill: Federn
Irene Wonesch: Herbstblätter
Die Gemeinschaft in Kehna Bewegung und Garten 28 Rhythmus und Körper eine Schlange ähnelt, wenn sie ihren Kopf anhebt) und die Dehnübungen Im März begannen wir (die WGs) mit (z.B. Rückendehnung – Strecken des Sophie ein wöchentliches Atem-/Lun- Oberkörpers in Richtung Füße). gentraining. Wir haben uns dazu ent- Michelle und Ronni finden z.B. die schlossen, da wir die Gesundheit unse- Übung „Äpfel pflücken“ sehr gut. Hier res Körpers stärken wollten. Gerade im sitzt man im Schneidersitz und streckt Hinblick auf das Corona-Virus, wel- seine Arme abwechselnd so hoch wie ches eine starke Erkrankung der Lun- möglich nach oben. Eben wie beim ge verursachen kann, hielten wir eine Äpfel pflücken. Lungenstärkung für sinnvoll. Ebenso, da wir momentan nicht viel unterneh- men konnten. Wir verknüpften also ein sinnvolles Atemtraining mit viel Spaß, Freude und gemeinsamer Zeit. Wir treffen uns aktuell mit Marco jeden Mittwoch um 17:30 Uhr. Die Atem- übungen dauern ca. 45 Minuten. Es be- steht auch die Möglichkeit, die Übun- gen allein oder in Kleingruppen in den Atemübungen zur Lungenstärkung WGs zu machen. Dafür sollte man sie Das Schönste an allen Übungen ist die allerdings gemeinsam durchsprechen Verbindung zwischen dem Atemryth- und ausprobieren. So mache ich es z.B. mus und der Körperbewegung. auch mit Valena in unserer WG. Wenn ihr Interesse an den Übungen Das Interesse von uns ist sehr groß (und Erklärungen) habt, könnt ihr und wir freuen uns, dass wir gemein- uns gern ansprechen. Wir können sam an den Übungen mitwirken kön- euch die Übungen gern einmal zeigen nen. Außerdem ist es eine schöne oder die Anleitung geben. Gelegenheit, sich in einer anderen At- Text von Steffen & Marco mosphäre zu treffen. Hier sind einige unserer Lieblingsübungen: Im Namen der Teilnehmenden (Michelle, Ronni, Sylvia, Jan, Carina und Valena) Meine Lieblingsübungen sind die Atemübungen (z.B. kleine Kobra – Quelle: https://atemtherapie.meyn.pro/uploads /1/6/8/0/16800764/atemmuskeltraining_ Atmung im selben Rhythmus wie die und_dehnu%CC%88bungen_im_liegen_ Körperbewegung, die der Bewegung und_sitzen.pdf
29 Ein besonderes Gartenjahr Alfredo zu geben und ihn zu behalten. Seitdem haben wir sehr viel Spaß mit Wenn man, wie die Landschaftspfle- ihm. Er ist eine willkommene Ab- gegruppe, in und mit der Natur ar- wechslung zu unserem arbeitsintensi- beitet, ist jedes Jahr etwas Besonderes. ven Gartenalltag. Schon wenn wir auf Es gibt kein Jahr, welches gleich ver- dem Weg hoch zum Garten sind, läuft läuft. Immerzu gibt es Veränderungen er uns freudig entgegen. Er fordert und Überraschungen, sonniges und täglich Streicheleinheiten ein – eine ungemütliches Wetter, anstrengende Zeit, in der man einmal durchatmen Arbeitsspitzen und meditativere Zei- kann, in der Kummer und Unmut ten beim Gärtnern, eine neue Grup- verfliegen können. penzusammensetzung, kleines und Es folgte ein ungewöhnliches Frühjahr, besonders groß gewachsenes Gemüse, in der der reguläre Werkstattbetrieb landschaftsgestalterische Aufträge so- für einige Wochen geschlossen war. Da wie neue Außenaufträge. die Frühjahrsbestellung gemacht wer- Trotzdem war dieses Jahr auch bei uns Ronni mit Kater Alfredo besonders geprägt durch Corona. Für dieses Jahr hatten wir uns vor- genommen, vier Bildungs- und Ver- netzungsausflüge zu machen. Anfang März konnten wir zum Glück noch un- seren ersten, aber dann einzigen, Aus- flug zum Ziegenhof nach Seelbach ver- wirklichen. Von dort stammen die Zie- gen, die im Naturschutzgebiet Kehnaer Trifft weiden. Wir pflegen den Zaun, der die Weideflächen umgibt. (Siehe Bericht: Ausflug zum Ziegenhof). Im März kam uns dann schon eine Überraschung zugelaufen. Auf einmal war in unserem Hausgarten ein Ka- ter anwesend, der nicht mehr gehen wollte. Als sich herausstellte, dass kein Besitzer ausfindig zu machen ist, ha- ben wir beschlossen, ihm den Namen
Die Gemeinschaft in Kehna Gartenkunst 30 den musste sowie die Außenanlagen weiter zu pflegen waren, arbeiteten wir verantwortlichen externen Mitarbei- tenden weiterhin. Es war im Garten so ruhig wie noch nie zuvor. Eine ganz untypische, etwas bedrückende und demotivierende Ruhe umgab uns. Wir haben versucht uns daran zu gewöh- nen, doch ist es uns nicht richtig gelun- gen. In dieser Zeit fiel uns sehr deut- lich auf, welche körperlichen Kräfte wir doch für unsere Arbeit aufbringen müssen. Was sonst auf die Muskeln Lena versetzt Berge Seitdem unterstützen Veronika Hack und Frank Baumann ganztags die Gruppe. Carina Stallknecht konnten wir als neues Mitglied für die Grup- pe gewinnen. Christian Schröder und Elke Meier schlossen sich einer neu entstandenen Brennholzgruppe an. Sandra Lill entschied sich, ganztags in die Weberei zu wechseln, um dort neu Strohgabelei in der Wenkbacher Scheune angebotene Kreativangebote wahr- aller zwölf Gruppenmitglieder verteilt nehmen zu können. war, mussten nun zwei Mitarbeitende Bald darauf entstand eine zweite, leisten. Schubkarre um Schubkarre ge- externe Gartengruppe, die seitdem wöhnten wir uns daran. vormittags rund um den Oarmshof Als ein Großteil der Pflanzungen ge- agiert. Für diese Gruppe konnten wir macht war, bekamen wir wieder Un- zusätzlich Kim Emmerich und Tobi terstützung von den Kehnianern. Eine Gundlach gewinnen. Beide sind ei- interne Gartengruppe, in neuer Zu- gentlich in der Schreinerei tätig. sammensetzung, kehrte schrittweise Der Sommer schritt voran, der Regen wieder in ihren Arbeitsalltag zurück. blieb wie erwartet ein weiteres Jahr
31 aus. Das hieß: gießen, gießen und für alle eine sehr spannende Räum- noch mehr gießen … Dafür gab es aktion, mit der Hoffnung, auch für erstaunlich wenig Unkraut, was uns sich selbst noch einige Schätzchen zu sehr freute. Die interne Gartengruppe finden. Auch die Ernte war, wie jedes kümmerte sich nun um die zwei Gär- Jahr, einzubringen. Es beginnt immer ten, die externe Gartengruppe brachte mit der Apfelernte, die für alle einen den Oarmshof auf Vordermann und Höhepunkt darstellt. Wir lassen näm- fuhr nach Wenkbach zu unserem lich einen Großteil der Ernte bei den neuen Hof in der Dorfstraße. Dort „Erpressern“ (ein Betrieb in Nieder- gibt es eine große Scheune, die mit al- weimar) zu Saft pressen und konn- tem Stroh vollgefüllt war. Das wurde ten auch dieses Jahr wieder live dabei in mühsamer langer Gabelei hinaus- sein. Trotz der Trockenheit ist unser befördert. Lisa Woitschitzky konnten Erdkeller so voll mit Gemüse gefüllt, wir in dieser Zeit als freiwillige Mit- wie lange nicht mehr. Das liegt auch arbeiterin für diese Gruppe gewinnen. an dem sehr langen warmen Herbst. Seit August ist sie mit einem festen Die Küchen freuen sich über große Stundenkontingent bei uns tätig, wor- Steckrüben, schönen Kohl, viele Rote über wir uns sehr freuen. Beten und Selleries. Vor den Sommerferien verabschie- Die externe Gartengruppe gestal- deten wir unsere zwei Helfer, Mirko tet seit Herbst das Gelände hinter Scholz und Jonathan Zielony. dem Oarmshof. Es sind Terrassen Im August stieß überraschender Wei- entstanden, die zukünftig mit Kräu- se Elena Engler zu uns. Sie absolviert tern und Stauden bepflanzt wer- eine Ausbildung zur Heilerziehungs- den können. Hut ab vor den flei- pflegerin und hat zuvor in Jonges 1 ßigen Steineschlepper*innen und gearbeitet. Schon in der ersten Woche Brombeerwurzelentferner*innen! Au- hat sie sich als sehr gute Ergänzung ßerdem hatten wir seit langem wieder für unsere Gruppe bewährt und das einmal Kommissionierungsaufträge Gärtnern schneller lieben gelernt, als von der Firma Lather aus Damm. Im sie es sich je hätte vorstellen können. November hat unsere Mitarbeiterin Im Sommer erwarb die Gemeinschaft Kristin Kleinehanding trotz der Coro- in Kehna im Ortsteil Wenkbach ei- nawirren ihren Berufsbildungsbereich nen weiteren Hof. Bei einer Hausen- erfolgreich abgeschlossen. Sie hat in trümpelungsaktion waren unsere der Werkstattschließzeit zu Hause ein Mukkis als Gärtner gefordert. Es war eigenes Projekt durchgeführt und sich
Die Gemeinschaft in Kehna Kaffee und Kunst 32 neue Themen erarbeitet. Wir freuen Nun entstand die Idee, auch für die ex- uns, dass sich Kristin entschieden hat, ternen Mitarbeitenden einen Advents- festes Mitglied der Garten- und Land- kalender zu entwerfen. Wir kauften Sü- schaftspflegegruppe zu werden. ßigkeiten ein und versuchten diese so Eine schöne Abwechslung im Herbst zu verpacken, dass man nicht erraten war das Ausliefern von Kaminholz kann, was sich im jeweiligen Päckchen an einige Kunden. Wir kamen raus befindet. Jeden Tag wird ein Los ge- aus Kehna, haben mal etwas Anderes zogen und der Gezogene darf sich ein gesehen, ohne mit Menschen direkt Überraschungspäckchen aussuchen. in Kontakt zu kommen. Wir belie- Wir hoffen, es hat euch Spaß gemacht. fern euch nächstes Jahr gerne wieder. Das letzte Highlight des Jahres ist wohl, dass Alex Diehl ein Praktikum im Garten- und Land- schaftsbereich begon- nen hat. Wir freuen uns darüber alle sehr. Ich möchte mich zum Schluss ein- mal ganz herz- lich bei all meinen Gartenkolleg*innen bedanken. Ihr konn- tet dieses Jahr eine sehr große Flexibilität aufbringen. Das ist in diesen schwierigen Freude nach der Adventskettenproduktion Zeiten oft nötig gewe- Wie jedes Jahr haben wir in der kalten- sen. Wir sind ein wunderbares Team. Jahreszeit begonnen, ab und an zu ba- Ich freue mich jeden Tag, euch wieder steln. Vom Adventskranzbinden übers zu sehen und mit euch zusammen zu Sternefalten bis hin zum selbst geba- arbeiten. Ich hoffe sehr, dass wir unse- stelten Adventskalender, der schon zu re zwei Gruppen bald wieder vereinen einem absoluten Muss geworden ist. können. Schubkarre voraus! Julia Kehm
33 Latte-Art-Tulpe gießen Schritt 1: Espresso in einer Tasse zubereiten. Schritt 2: Milchschäumen Die Lanze ungefähr 1 cm un- ter die Oberfläche. Düse auf- drehen und die Milch zirku- lieren lassen. Leicht Luft un- termischen, damit die Milch „cremig“ wird. So lange erhitzen, bis das Kännchen handwarm ist (ein Cappuccino sollte immer trinkbereit sein). Schritt 3: Die Tasse in einem ca. 45 Grad Winkel halten. Dann mit Schritt 4 beim Eingießen die Milch unter die Crema mischen und kurz wieder mit dem Eingießen aufhören. Schritt 5: Mit dem Schnabel nah an die Crema, anschließend einen Punkt (mit- tig) anvisieren und die Milch laufen lassen. Nun bildet sich ein weißer Milch- schaumpunkt. Absetzen.
Die Gemeinschaft in Kehna Handwerkskunst 34 Schritt 6: Nun einen zweiten Milchschaumpunkt in den anderen reinschieben, das Kännchen hochziehen und durch den anderen Punkt ziehen. Schritt 7: Fertig! Du hast eine Tulpe gegossen. Schritt 8: Trinken und genießen Hinweis: Wundere dich nicht, wenn es nicht direkt funktioniert hat. Eine Tulpe zu gießen benötigt viel Geduld und Übung. Für die Rösterei von Leon Herzig
35 Die Schreiner*innen berichten Unsere lieben externen Kollegen blie- ben zu Hause. Auch die Kehnianer ka- Schon wieder liegt ein ganzes Jahr hin- men eine Zeitlang nicht in die Schrei- ter uns, in dem viel gearbeitet, gelacht, nerei, um ihre Arbeit zu verrichten. geschwitzt, gefeiert, gerungen und sich Die Türen wurden geschlossen. Da- über Vieles gewundert wurde … hinter ging die Arbeit jedoch weiter. Nach den Sommerferien 2019 kam Und auch vor der Tür sah man immer Charlotte Müller zu uns und begann wieder fleißige Bewohner*innen, die ihr FSJ in der Schreinerei. Wir haben sich mit Brennholz sägen fit hielten. uns schnell kennengelernt und uns Wir nutzten diese Zeit, um mal Din- über ihre frohe und tüchtige Mitarbeit ge zu erledigen, die schon lange an- gefreut. standen und ansonsten im laufenden Anfang des Jahres 2020 hatten wir Tagesgeschäft nicht zu schaffen wa- eine Zeitlang Unterstützung zweimal ren. Wir renovierten unser Büro von wöchentlich von Johanna aus der We- der Pieke auf. Schliffen den Boden ab, berei. Sie lernte K-Lumet stopfen und strichen die Wände. Bauten unsere verrichtete ihre Arbeit stets in Beglei- Schränke und Schreibtische um und tung von ihren zwei Barbie-Kollegin- räumten alles wieder neu ein. Hierbei nen – und Paul Sterz. unterstütze uns tatkräftig Harry, der in Steffen absolvierte mit Freude ein dieser Zeit bei uns angeschlossen war. zweiwöchiges Praktikum im „Musik- In der Rösterei wurde eine Vitrine für haus am Biegen“. Produkte aus der Schreinerei und We- Eyup begann ein Praktikum im Rah- berei angefertigt und eingepasst. So- men seiner Schule (was allerdings lei- bald das Café wieder für Kunden geöff- der Corona bedingt vorzeitig endete) net hat, wird diese in Betrieb genom- und Maria schnupperte zwei Wochen men und kann „bewundert“ werden. die staubige und ölgetränkte Luft der Und dann „fiel auch in der Schreinerei Schreinerei. der Hammer“. Für zwei Wochen gin- Es ist immer wieder schön, neue Men- gen auch wir Betreuer in Urlaub. schen kennenzulernen und ihnen un- Als wir dann unsere Arbeit wieder- sere Arbeit zu erläutern und ein Stück aufnehmen konnten, gab es einige näher zu bringen. Änderungen: Man musste sich doch Und dann kam Corinna, Carola, Ca- an so Einiges gewöhnen, konnte sich roner, Cordula … Äh Corona. ärgern und doch auch einfach hinneh- Und Vieles änderte sich. men. Unsere alltägliche Begrüßung
Die Gemeinschaft in Kehna Handwerkskunst 36 durch Händedruck wurde von einem Auch haben wir einige Sonderanferti- Gruß mit dem Ellenbogen abgelöst. gungen hergestellt. Eine wunderschö- Es wurden verantwortliche Mitar- ne Eschentischplatte. Ein Tisch aus beitende gefunden, die jeden Abend Eiche und dazu passende Bänke. Es zuverlässig die gebrauchten Masken wurden Streifenbretter, Frühstücks- zum Waschen brachten, die regelmä- brettchen, Lichthalter, Stapelkästen, ßig für frische Luft sorgten, und nicht Rutschbretter und viele Hocker und zu vergessen, an die „Disziplin“ des Bänke gefertigt. regelmäßigen Händewaschens und Ab Ende November begann Alex -desinfizieren erinnerten. Diehl ein Langzeitpraktikum im Gar- Wir vermissten unsere externen ten. Wir wünschen viel Freude. Und Kolleg*innen, die in der „Vielfalter“ werden dich vermissen, Alex. Gruppe einen „neuen“ Arbeitsplatz Wir dürfen aber eine neue Kollegin gefunden hatten. Es wurden immer begrüßen, Elke. Wir sind gespannt, wieder Grüße von dem einen Hof, auf auf alles was wir zusammen erleben der einen Seite des Dorfes, zu dem werden. Hof auf der anderen Seite geschickt. Es grüßen die Schreiner*innen Auch fehlten uns unsere Kunden, Für das Team Mira Jöckel die derzeit leider nicht zu uns in die Schreinerei kommen dürfen. Was uns besonders freute: Wir haben ganz wunderbare Unterstützung von Markus und Thorsten vormittags be- kommen. Ganz flexibel einsetzbar, ha- ben sie sich schnell eingearbeitet und verrichten viele unterschiedliche Ar- beiten. Und haben zusätzlich Kapazi- täten die gesamte Belegschaft freudig zu „bespaßen“. Seit Sommer 2020 ist Mirko Scholz wieder bei uns in der Schreinerei. Mit einem großen Applaus und viel Freu- de wurde er von allen begrüßt. Er hat mit der dreijährigen Ausbildung zum Arbeitserzieher in Bad Boll begonnen.
37 Echte Schreiner*innen und Besuchs-Schreiner*innen
Die Gemeinschaft in Kehna Handwerkskunst 38 Webereirückblick 2020 Puppen welche umgebunden, damit sie genauso gut geschützt sind wie wir alle! Wir wuseln durch unsere Weberei und Manch einer hatte seinen angestamm- draußen sieht es aus wie immer im No- ten Arbeitsplatz verlassen … Leu zum vember. Es wird neblig und kalt und wir Beispiel musste seinen Geduldsfaden in werfen unser Öfchen an. Außer, dass vor der Weberei unter Beweis stellen, kann dem Hermeshof ein dickes Seemanns- jetzt aber selbst seine Hemden bügeln! seil gespannt hängt, um womögliche Wichtige Telefonate wurden von Frau Ire- Kundschaft abzubremsen, sieht Kehna ne angenommen, unserer Vorzimmerda- aus wie Kehna aussieht ... me am Webstuhl. Zum Glück hat sie ihre Und doch ist alles anders. Was für ein wichtige Operation so bravourös über- Jahr! Seit dem Frühjahr kommen jede standen. (Mit Nutellabrot ans Bett!) Woche neue Nachrichten, Verordnun- Danny vermisste die anregenden Kun- gen, Umstrukturierungen durch das dengespräche und den Kontakt zu seiner Leu bügelt und Irene telefoniert Virus. Bisher hatten wir Glück und sind externen Lieblings-Arbeitskollegin sehr. verschont geblieben von Infektionen! In Wir freuen uns wirklich SEHR wenn wir der Hoffnung, dass wir es weiter so gut wieder Besuch bekommen können … schaffen, arbeiten wir zwar anders, aber Kehna ist ein schöner Ort, aber er lebt weiter! Das Leben bleibt ja nicht stehen! besonders durch die Besuche von außen! Im Frühjahr wurden viele Mund- Gegen aufkeimende Sorgen und Nak- Nasen-Masken genäht, Johanna hat kenverspannungen gab Saty uns knak- kurzerhand aus den Stoffresten ihren kigen Yogaunterricht, oder wir dreh-
39 Die Weberinnen und Weber ten eine Runde im Naturschutzgebiet. te, stickte und webte. Wenn jemand Hil- Sandra produzierte wie nie und arbeitet fe brauchte, war sie eine verständnisvol- gerade an einem Tischläufer für ihren le Ansprechpartnerin. Bruder. Eva liebte unseren niegelna- Nadine und Marvin waren nur manch- gelneuen Werkstattsauger und gab am mal hier, sie machten Praktika zuhause Computer im Büro neuerdings unsere in der Hauswirtschaft und kommen Anwesenheitsliste ein. wieder richtig arbeiten, wenn alles et- Valena hatte sich super eingelebt in die was normaler wird. Weberei und das Sticken für sich ent- Ingrid brachte aus ihrer Homeoffic deckt. Sie hatte auch schon kurzerhand „Homeoffice“-Sticken in ihrer Woh- nung gemacht und auch ihren Klavier- unterricht nahm sie online. Christian stickte wunderschöne Gruß- karten in künstlerischer Eigenregie und streute ab und zu schlimme Witze ein. Michelle Klier guckte sich ganz schön um, denn auf einmal hatte sie eine Na- menskollegin! Michéle Schäfer war An- Pflanzenfärberei jede Woche neue Wol- fang November aus Frankfurt gekommen le in Farben mit, die uns die Laune auf- und nach Kehna gezogen. Sie webt schon hellten, wenn wir sie in den Händen wie am Schnürchen und hat ein wunder- hielten und verarbeiteten. schönes ansteckendes Lachen! Michelle Und unser „Saloon“ wurde von Jutta und Michéle teilen sich sogar einen Web- Klingelhöfer bis unters Dach mit Toi- stuhl! Wer soll da noch durchblicken. lettenpapier gefüllt, um jegliche Not er- Annabelle, unsere Erzieherin im An- träglicher zu machen … erkennungsjahr, liess sich von unserer Wir hoffen, Ihr bleibt alle gesund, und Textillust anstecken und häkelte, strick- wir auch! Eure Webis.
Die Gemeinschaft in Kehna Vielfalt und ein Gruss aus 40 Die Vielfalter In Seelbach auf dem Ziegenhof Wir sind eine gemischte Gruppe aus ex- Als wir in Seelbach angekommen ternen Mitarbeitenden der Weberei und sind, haben wir uns die Zicklein und Schreinerei, jetzt im Winter auch der die Schweine angeschaut. Ein Zick- Gartengruppe. Organisatorisch sind wir lein war erst zwei Tage alt und ganz unseren Werkstätten angeschlossen, ar- klein. Ronni und Sylvia haben es beiten aber seit mehreren Monaten von mit der Flasche gefüttert. Danach ist 9 bis 13 Uhr im Oarmshof. Claudia, die Bäuerin, mit uns zu den Dort fügen wir uns in die Betriebsam- Schafen gegangen. Auch die Scha- keit der Rösterei ein – in getrenntem fe hatten Nachwuchs. Zwei Lämmer Raum – genießen leckeren Kaffee in der waren schwarz mit weißer Mütze. Sie Frühstückspause und einen wunderba- waren ganz verkuschelt. Im Anschluss ren Ausblick aufs Naturschutzgebiet. sind wir zum großen Ziegenstall ge- Arbeiten? Aber klar! Nach Tempe- laufen. Hans Friedel hat mit seinem ratur messen, Händewaschen und Rollator die Milchflaschen gefahren. -desinfizieren weben wir, sticken, hä- Beim Stall haben Frank, Jan, Joach- keln, schleifen, stopfen, schreddern, im und Thomas weitere Zicklein mit schneiden, drücken … Aber auch la- Milch gefüttert. Claudia hat uns von chen, singen, reimen … Bei alledem den Ziegen erzählt. In den letzten Ta- vermissen wir natürlich unsere Werk- gen sind 80 Zicklein geboren worden. stätten und Kolleg*innen und nutzen Zum Schluss sind wir wieder zum Hof unsere Möglichkeiten, wie Übergaben zurückgelaufen. Dort haben wir uns an der Fußgängerbrücke, Telefonate, die Käserei und das Hoflädchen an- Begegnungen im neu aufgestellten Be- geschaut. Der Ausflug war sehr schön. gegnungspavillon oder draußen (na- Wir haben ganz viele Fotos gemacht. türlich alles mit gebotenem Abstand). Die Landschafter Also, harren wir der Dinge und ma- chen was draus! Ingrid Veyl
der Küche 41 Melikes Lieblingsrezept
Die Gemeinschaft in Kehna Lebenskunst 42 Weihnachten in Kehna – externen Mitarbeitenden, die bei ihren Die zweite Chance Familien blieben, nahmen Urlaub, den sie sicher gerne anders genutzt hätten. Wenn ich über das Leben in Kehna im Einige Bewohner*innen blieben auf Jahr 2020 schreiben möchte, dann muss ungewisse Zeit bei ihren Angehörigen, ich zwangsläufig zuerst die Pandemie die uns auf diese Weise entlasteten. Wir erwähnen, die uns im Frühling ereilt fühlten von all diesen gut unterstützt hat. Als klar wurde, was vor uns stand, und sind auch hierfür dankbar. Statt Pfingstfeier werden die internen Mitarbeitenden bestens versorgt nahmen wir uns nur kurze Zeit für Er- Die in Kehna verbliebenen Menschen wägungen und beschlossen eine freiwil- konnten das Zusammenleben gestal- lige Selbstisolation. Versorgt wurden wir ten, ohne Angst vor Ansteckung und von den „externen“ Mitarbeitenden, die ohne Stress und Mitarbeitermangel. für uns kochten, einkaufen gingen, alles Wir fühlten uns wirklich wie eine große erledigten, wofür man Kehna verlassen Familie, waren auf Augenhöhe, denn es musste und wofür wir dankbar sind. Ei- spielte keine Rolle mehr, ob jemand ei- nige der externen Mitarbeitenden zogen nen Führerschein hatte oder auch nicht. hier ein, um mitzuhelfen; die freiwilligen Das Auto blieb einfach auf dem Park- Helfer*innen und HEP-Schüler*innen platz, keine Veranstaltungen, kein Be- verzichteten auf Besuche bei ihrer Fami- such bei Freunden, plötzlich waren die lie, Partnerschaften wurden mit Whats- Mitmenschen, mit denen wir unter ei- App und Distanz gepflegt. Die anderen nem Dach leben, wichtiger als je zuvor.
43 Wir fühlten uns plötzlich sogar mit Vorschriften, Empfehlungen und Ap- den externen Mitarbeitenden wie eine pelle zur Vorsicht, die der Pandemie- große Familie. Noch heute bekomme Ausschuss sondierte und zu einem ei- ich eine Gänsehaut, wenn ich an den genen Konzept für Kehna zusammen- Geburtstag am 3. April im Saal denke, fügte. Aber trotz der Gefahr, dass dies als sich die externen Betreuer*innen ausgenutzt werden kann, so bekom- im Hof versammelten, um für zwei men wir erneut die Chance, über den Geburtstagskinder im Kollegium zu Begriff Freiheit nachzudenken. Ist es singen, die keine Gäste von auswärts Freiheit, wenn unser Handeln durch empfingen. Oder an das Pfingst-Früh- Verbote eingeschränkt wird? Nach stück, welches von den „Externen“ für meiner Ansicht kann sich Freiheit uns vorbereitet wurde, als diese mit auch darin zeigen, indem ich mich Distanz und Abstand den Saal wie- freiwillig beschränke und aus Einsicht der betreten durften. Mehr und mehr richtig und rücksichtsvoll handle. Die nahm ich wahr: Die Einschränkungen meisten Menschen in meiner Umge- sind eine Chance für unsere Gemein- bung, nicht nur in Kehna, handeln so schaft und für jeden Einzelnen, um und werden trotz äußerer Distanz zu einen Blick zu entwickeln für das, was meinen Mit-Menschen. wirklich wichtig ist. Wenn wir einmal Nun blicken wir auf den Winter. Wäh- auf diese schwierige Zeit zurückblik- rend viele Überlegungen darüber an- ken, dann werden einige von uns sa- gestellt wurden, wie das Weihnachts- gen: Es war ein schöner Sommer, mit fest wird, welche Lockerungen mög- den abendlichen Runden am Lager- lich sind, waren wir ganz entspannt: feuer, ohne die täglichen Begegnun- Das Weihnachtsfest konnte sein wie gen mit anderen Menschen. in den letzten Jahren, im kleinen Es kam der Herbst, die zweite Welle Kreis, zusammen mit denen, die nicht hat uns noch kälter erwischt mit den zu ihren Angehörigen fuhren. Wir vielen Hotspots, die sich in Deutsch- sind hier zuhause! Aber etwas hat ge- land ausbreiteten. In politischen Ent- fehlt: Das Christgeburtspiel! Deshalb scheidungen wurde jetzt mehr auf Ei- möchte ich meinen persönlichen Jah- genverantwortung der Menschen als resrückblick beschließen mit einem auf Verbote gesetzt. Die Gemeinschaft Rückblick auf das Christgeburtspiel in Kehna wurde ein Stück weit zu ei- vor einem Jahr. nem Abbild der Gesellschaft: Neben Schon die Zusammensetzung der klaren Vereinbarungen gab es viele Kumpanei war eine Besonderheit: Sie-
Die Gemeinschaft in Kehna Lebenskunst 44 ben Mitspielende waren Menschen Bewohner*innen und bis dahin frem- aus der Gemeinschaft, sieben weitere, den Kindern im Christgeburtspiel. darunter eine 14-jährige Klavierspie- Für einige erforderte es Mut, sich lerin, waren Kinder im Alter von 6 unvoreingenommen auf diese Begeg- bis 14 Jahren aus vier verschiedenen nung einzulassen. Ein Mitspieler hatte Schulen und einem Kindergarten, in den Vorjahren jedes Angebot auf zuletzt übernahmen auch drei jun- eine Rolle im Christgeburtspiel abge- ge Mitarbeitende in Ausbildung oder lehnt. Nach längerem Zögern über- FSJ eine Rolle. Ich musste interessier- nahm er diesmal eine der Hauptrol- ten Mitspielenden vom vorherigen len. Er spielte beeindruckend, mit viel Jahr absagen: „Diesmal dürfen ande- persönlichen Einsatz. Bei einer der re eine Chance bekommen!“ So kam ersten Proben äußerte er: „Eine solche es, dass nur zwei Personen ihre Rolle Chance bekommt man nur einmal im schon kannten, fast alle anderen stan- Leben!“ Ich möchte ihm widerspre- den zum ersten Mal auf der Bühne. chen: Ich hoffe, es gibt auch eine zwei- So kam es auch, dass die Proben auf- te Chance. Wenn nicht im Jahr 2020, wändiger waren als je zuvor. Aber es dann vielleicht in 2021. hat sich gelohnt. Das allseits bekannte Wir haben im Jahr 2021 sicher im- Spiel wurde durch diese bunte Zusam- mer wieder neue Chancen Gemein- mensetzung der Kumpanei zu einem schaft zu leben, hoffentlich ohne eine besonderen Ereignis. Beschränkung der Begegnungen zu, Deshalb möchte ich noch einmal allen sondern in freier Rücksichtnahme Mitspielenden danken und all denen, und Toleranz. In diesem Sinne wün- die im Hintergrund mitgewirkt haben. sche ich allen Zuversicht für ein gutes Für mich hat sich ein jahrelang geheg- neues Jahr. ter Traum erfüllt: Die Begegnung von Volker Braun
45 Das Leben in Kehna Pfingst-Frühstück In Kehna ist es sehr schön. Liebe Freunde in und außerhalb von Ich möchte eine Geschichte darüber Kehna, erzählen, wie ich zurück nach Kehna Jan, Carina, Steffen, Sophie und ich kam und alle meine Kumpels wieder- haben uns am Samstag den 30. Mai in gesehen habe. der Eckwohnung zum gemeinsamen An einem Donnerstag hat meine Mutter Backen getroffen. Wir haben italieni- mich von Frankfurt nach Kehna gefah- sches Weißbrot und Zitronenkuchen ren. Die Autofahrt ist super gelaufen. gebacken. Am Sonntag haben sich Vor meiner Rückkehr wurde ich auf Carina, Steffen und ich zu einem ge- Corona getestet. Alles war im grünen meinsamen Pfingst-Frühstück getrof- Bereich, ich war gesund. fen. Es gab das selbstgebackene Brot Meine Freunde in Kehna haben sich und Kuchen mit verschiedenen Auf- sehr gefreut, dass ich nach länge- strichen. Vor dem Frühstück habe ich rer Zeit wieder da war. Und auch ich noch das Pfingst-Evangelium gelesen. selbst finde es eigentlich sehr gut, dass Es war sehr schön und ich freue mich ich wieder da bin. auf ein nächstes Mal. Nachdem ich wieder da war, bin ich Es grüßen euch Steffen, Carina und zuerst immer um 11 Uhr in die Schrei- Valena. nerei gegangen, im Moment gehe ich Valena Ostermann um 10 Uhr und bald normalisiert sich Kehna, den 30.05.2020 alles wieder, sodass ich um 9 Uhr mit der Arbeit beginne. Ich werde immer für euch da sein und mit meiner Erlaubnis kann diese Ge- schichte in der Gemeinschaft in Keh- na immer weitergegeben werden. Steffen Wiengarten
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