Jetzt in die Zukunft investieren-trotz schuldenbremse
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Investitionen +++ Ausbildungsgarantie +++ industrielle Transformation Gewerkschaftlicher Info-Service Nr. 12/01 — Dezember 2021/Januar 2022 Jetzt in die Zukunft investieren – trotz Schuldenbremse Klimawandel, Digitalisierung, Globalisierung, eine alternde Gesellschaft und zuletzt Corona – all das sorgt für große Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Um die Heraus- forderungen zu stemmen, braucht es massive öffentliche Investitionen. � Aufbruch jetzt � teste und sicherste Lösung gewesen, um ausrei- Schuldenbremse sein. Dafür fallen jetzt die Ein- Große Herausforderungen treffen Investitionsstau chend kreditfinanzierte Investitionen zu ermögli- zahlungen in das jeweilige Sondervermögen unter – das ist die Situation in Deutschland 2021. Um chen. Stattdessen wählt sie einen komplizierteren die Schuldenregel. Bislang war es umgekehrt. Da Wirtschaft und Gesellschaft zu modernisieren, die Weg und kündigt eine Vielzahl von Maßnahmen die Schuldenbremse im kommenden Jahr noch Klimaziele zu erreichen und den sozialen Zusam- an, um den Finanzierungsspielraum im Rahmen ausgesetzt ist, könnten auch 2022 eventuell neue menhalt zu fördern, müssen Bund, Länder und der Schuldenbremse zu erhöhen. krisenbedingte Kredite für eine Stärkung des EKF Kommunen endlich in die Zukunft investieren. Wichtig ist: Die notwendigen zusätzlichen sorgen. In den darauffolgenden Jahren könnten Ein umfangreiches Investitionsprogramm in Investitionen müssen in jedem Fall kommen. die Mittel des Fonds dann für Zukunftsinvestitio- der Größenordnung von zusätzlich mindestens 50 Wenn einzelne Finanzierungsideen des Koaliti- nen eingesetzt werden. Milliarden Euro pro Jahr über die nächsten zehn onsvertrags nicht funktionieren, müssen andere In den Kommunen ist der Investitionsstau Jahre ist nötig – und auch möglich. Wenn die Mit- Wege zur Kreditfinanzierung gewählt werden. Die mit 150 Milliarden Euro enorm. Damit sie die tel klug und nachhaltig investiert werden, kann Zukunft darf nicht unter Finanzierungsvorbehalt Zukunft gestalten können, sollen laut Koalitions- Deutschland sich klimaneutral entwickeln und stehen! vertrag Bund und Länder einmalig übermäßige gleichwertige Lebensverhältnisse schaffen. Das Altschulden übernehmen, wie es auch der DGB fördert auch den sozialen Ausgleich und dient der � Ideen sind da � fordert. Geschlechtergerechtigkeit. Der DGB begrüßt das Vorhaben, die Finanzie- Kritisch ist – neben der Rückkehr zur Schul- rungsmöglichkeiten öffentlicher Unternehmen denbremse 2023 – unter anderem, dass Ausga- � Das ist geplant � wie der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben benkürzungen angekündigt und intransparente SPD, Grüne und FDP nennen in ihrem Koa- und der Bahn AG zu verbessern, um dadurch Öffentlich-Private Partnerschaften in Betracht litionsvertrag keine konkreten Zahlen. Aber auch mehr Investitionen in die Bahninfrastruktur und gezogen werden. sie wollen in Klimaschutz, Digitalisierung, Bildung den Wohnungsbau zu ermöglichen. und Forschung investieren und rufen ein „Jahr- Gut ist auch, dass die Koalition einige Jahre � Das fehlt � zehnt der Zukunftsinvestitionen“ aus. Allerdings später damit anfängt, die Corona bedingt aufge- Der Koalitionsvertrag hat die Chance verpasst, konnte sich die Koalition nicht dazu durchringen, nommen Staatsschulden zu tilgen und sich nun das Steuersystem gerechter zu machen. Genau die Schuldenbremse investitionsfreundlich zu 30 anstatt 20 Jahre Zeit für die Rückzahlung lässt. das wäre notwendig, um die Staatseinnahmen reformieren. Das wäre die einfachste, transparen- Das ist nicht so viel, wie die vom DGB geforderten dauerhaft zu stabilisieren, mehr Geld in Investitio- 50 Jahre, schafft aber vor allem in den nächsten nen und den Öffentlichen Dienst zu lenken, sowie Jahren Spielraum und mindert den Konsolidie- Gering- und Normalverdienende zu entlasten. Der DGB fordert rungsdruck. Weder ein gerechterer Einkommenssteu- Zusätzliche öffentliche Investitionen von gut Zahlreiche Zukunftsinvestitionen sollen ertarif, noch eine Vermögensteuer wird ange- 50 Milliarden Euro pro Jahr für zehn Jahre wohl über den Energie- und Klimafonds (EKF) gangen. Nicht einmal zu einer Reform der Erb- Eine Aufstockung und bessere Bezahlung getätigt werden. Dazu soll der Fonds mit Gel- schaftssteuer konnte sich die Ampel-Koalition des öffentlichen Personals und einen starken dern aufgestockt werden, die aus nicht genutz- durchringen. Obwohl die bisherige Ausgestaltung Sozialstaat ten Krediten des Jahres 2021 stammen. Hinzu mit den enormen Ausnahmeregelungen regelmä- Illustration: DGB Ein gerechtes Steuersystem für einen kommt: Wenn Mittel aus dem EKF oder ähnlichen ßig die größte Steuersubvention im Subventions- handlungsfähigen Staat „Sondervermögen“ abfließen, soll das laut Koa- bericht der Bundesregierung ist, Milliarden kostet litionsvertrag künftig nicht mehr relevant für die und die Vermögensungleichheit verschärft.
Politik Perspektiven schaffen: Ausbildungsgarantie jetzt! Die Aussicht ist düster: Immer weniger junge Menschen finden einen Ausbildungsplatz. Die Corona-Pandemie hat die Probleme massiv verstärkt. Die DGB-Jugend fordert deswegen eine Garantie für Jugendliche, die eine Ausbildung beginnen wollen. � Die Lage ist schlecht � Sozialgesetzbuch III verankert Generation Corona: und damit Teil der staatlichen Es droht eine „Generation Corona“ – der Ausbil- Arbeitsmarktförderung werden. dungsmarkt steckt in einer tiefen Krise, und die 250.000 Die Krise ist nicht vorbei Junge Menschen sollen so die 250.000 Probleme haben in den letzten zwei Jahren enorm Anzahl der abgeschlossenen Ausbildungs- Möglichkeit haben, einen aner- zugenommen. Für den DGB ist klar: Niemand darf verträge vor (2019) und „nach“ Corona kannten Ausbildungsberuf zu 230.000 (2020/21) (Stichtag 30. September) verloren gehen. erlernen. Die Vermittlung in eine Viel weniger junge Menschen können eine reguläre betriebliche Ausbildung Ausbildung anfangen: Nach dem großen Einbruch 210.000 216.200 muss dabei Vorrang haben. 2020 – minus 13,5 Prozent –, gab es auch 2021 Aber: Eine Garantie auf 199.500 keine Erholung. Im Gegenteil, die Anzahl der Aus- 190.000 Ausbildung nützt nichts, wenn es bildungsverträge ist noch einmal um 7,7 Prozent keine Ausbildungsplätze gibt, um zurückgegangen. Im Vergleich zum Ausbildungs- 170.000 -20,2 % sie zu erfüllen. Hier kommt die jahr vor Corona (2019) beträgt der Rückgang also gerechte Finanzierung der Aus- 20,2 Prozent. DGB-Bundesjugendsekretär Kristof 150.000 bildungsplätze ins Spiel. Becker warnt: „Der Ausbildungsmarkt hat sich in 2019 2020 2021 diesem Jahr nicht erholt. Das bekommen die jun- Quelle: Arbeitsagentur Ausbildungsmarktbilanz 2019, 2020, 2021 © DGB-einblick 12/2021 / CC BY 4.0 � Gerecht gen Menschen deutlich zu spüren“. finanzieren � Im Vergleich zum Ausbildungsjahr vor der Coronakrise sind Auch die Zahl der angebotenen Ausbil- über 50 000 Ausbildungsplätze verloren gegangen. Damit alle interessierten Jugend- dungsplätze ist durch Corona eingebrochen. Bis lichen einen Ausbildungsplatz zum 30. September 2021 standen insgesamt in Übergangsmaßnahmen „geparkt“ – ihre beruf- erhalten, muss die Ausbildungsplatzgarantie 19 000 weniger Ausbildungsplätze als im Vorjah- lichen Perspektiven sind ungewiss. solidarisch finanziert werden. Hier sind die reszeitraum (minus 3,6 Prozent) zur Verfügung. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs, Betriebe in der Pflicht, deren zukünftige Fach- Bereits 2020 gab es ein Minus von 7,3 Prozent. denn nicht alle Jugendlichen melden sich bei der kräfte ausgebildet werden. Deshalb muss es Es geht also massiv Substanz verloren und das, Bundesagentur für Arbeit. Auch hier gab es seit einen umlagefinanzierten Zukunftsfonds geben, obwohl bereits vor der Krise über 80 Prozent 2019 einen massiven Rückgang. Sie bleiben in der in den alle Betriebe solidarisch einzahlen, und der Betriebe nicht ausgebildet haben. Die Folge: Statistik unberücksichtigt. „Die reale Situation ist aus dem betriebliche Ausbildungsplätze bezahlt Hunderttausende Jugendliche, die mit einer Aus- also noch gravierender, als es die Zahlen vermuten werden. Ein solcher Fonds würde auch die Aus- bildung ins Berufsleben starten wollten, werden lassen“, kritisiert Becker. bildungsleistung von engagierten Betrieben Fakt ist: Es gibt nicht genügend Ausbil- honorieren, indem sie einen Ausgleich für ihren dungsplätze für alle, die eine Ausbildung machen Einsatz erhalten. Nur so lassen sich ausreichend Der DGB fordert wollen. Damit deutet sich an, dass die berufliche Ausbildungsplätze schaffen und der Fachkräfte- Bildung mit einem schweren und dauerhaften mangel abmildern. Ausbildungsplatzgarantie für junge Menschen Verlust aus der Corona-Krise gehen wird. Für die Fachkräftemangel entgegenwirken berufliche Zukunft junger Menschen bedeutet das umlagefinanzierter Zukunftsfonds, in den nichts Gutes. Zugleich führt dies zu einem Fach- Auf einen Blick die Betriebe einzahlen kräfteverlust von erheblichem Ausmaß. Die Forderungen der DGB-Jugend an die Digitalisierungs- und Finanzierungsoffensive Politik gibt’s hier: www.jugend.dgb.de/-/HpK für Berufsschulen � Jetzt handeln! � Das sagt DGB-Bundesjugendsekretär unbefristete Übernahme im selben Betrieb Der DGB fordert eine gesetzliche Ausbildungsga- Kristof Becker zur Ausbildungssituation 2021: nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung rantie für alle jungen Menschen, die nach einem www.jugend.dgb.de/-/HqQ Ausbildungsplatz suchen. Die Garantie soll im IMPRESSUM Herausgeber Deutscher Gewerkschaftsbund Anschrift DGB-Bundesvorstand, Abteilung Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, Redaktion einblick/ Gegenblende, Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin, Telefon: 030 / 240 60-615, E-Mail: einblick@dgb.de V.i.S.d.P. Manuela Conte Redaktion Dr. Lena Clausen Redaktionelle Mitarbeit Sebastian Henneke, Luis Ledesma Layout zang.design Infografik Klaus Niesen Druck und Vertrieb DCM Druck Center Meckenheim GmbH Abonnements abo-einblick@dgb.de E-Mail-Newsletter www.dgb.de/einblicknewsletter Nachdruck frei für DGB und Mitgliedsgewerkschaften bei Quellenangabe und zwei Belegexemplaren. Alle anderen nur nach schriftlicher Genehmigung durch die Redaktion. Nachdruck von namentlich gezeichneten Artikeln nur nach Genehmigung durch Redaktion und AutorIn. 2 — einblick 12-21/01-22
MEINUNG „Wir brauchen und wir wollen Veränderung“ Michael Vassiliadis, Die Zukunft entscheidet sich jetzt – das spüren die 57, ist seit 2009 Vorsitzender der Beschäftigten in der Industrie deutlich. Politik und Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Wirtschaft müssen sich jetzt den großen Zukunfts- Im Oktober bestätigten ihn die Delegierten des IG BCE- aufgaben stellen. Für den IG BCE-Vorsitzenden Gewerkschaftskongresses im Amt. Michael Vassiliadis ist klar: Die Gewerkschaften Vassiliadis ist gelernter Chemie laborant und seit 1980 müssen und werden vorangehen. Gewerkschaftsmitglied. „V orwärts nach weit“ – dafür steht Arbeit und ein gutes Leben. Das steht im Zentrum dung. Das ist nicht nur ein fundamentaler Angriff bekanntlich, zumindest wenn es nach unseres gewerkschaftlichen Handelns. auf Sozialstaatlichkeit, Beschäftigtenrechte und dem Dadaisten Kurt Schwitters geht, Den Wandel fair gestalten. Das stand nicht Gewerkschaften. So lässt sich auch Transformation der Name Hannover. Insofern war die niedersäch- nur im Zentrum des Kongresses und des direkt nicht verantwortungsvoll und kooperativ gestal- sische Landeshauptstadt, die gleichzeitig Sitz der anschließenden bundesweiten Aktionstages mit ten. Sie schaden sich am Ende selbst. Das dürfen IG BCE ist, genau die richtige Wahl für unseren 7. Tausenden Teilnehmenden. Es wird auch die wir nicht durchgehen lassen. Wir brauchen bei der Ordentlichen Gewerkschaftskongress. Denn im große Zukunftsaufgabe der IG BCE sein – und Tarifbindung endlich die Kehrtwende. Kern ging es auch den 400 Delegierten darum, für nicht nur ihre. Eine gut gemachte Transformation ihre Gewerkschaft die strategischen und konzepti- onellen Weichenstellungen für eine ganze Dekade könnte das größte Modernisierungs- und Stand- ortsicherungsprogramm der deutschen Industrie Gewerkschaften gehören ins vorzunehmen – mutig, konstruktiv und kreativ. seit Jahrzehnten werden. Diese Frage entscheidet Zentrum der Veränderung, Unsere Kolleginnen und Kollegen wis- sich aber jetzt, in dieser Dekade. Unsere ganze nicht an den Rand. sen genau, dass zu Beginn dieses Jahrzehnts Aufmerksamkeit muss sich darauf richten, dass die Grundlagen für die gute Industriearbeit der das Neue nicht irgendwo entsteht. Es muss hier Die neue Bundesregierung muss ernst Zukunft gelegt werden. Sie wissen, dass diese entstehen. Dafür braucht das Land eine Investi- machen damit, sie zu stärken. Es ist seit Jahren neue Zeit mehr Solidarität, mehr Gerechtigkeit tions- und Technologieoffensive in ungekanntem klar und nachgewiesen, dass alle von Tarifverträ- und mehr sozialen Fortschritt braucht. Wir brau- Ausmaß. gen profitieren – Beschäftigte, Unternehmen und chen und wir wollen Veränderung. Wir DGB-Gewerkschaften fordern deshalb Gesellschaft. Deshalb muss Tarifflucht ernsthaft Dazu wurden auf dem Kongress Hunderte schon länger ein auf zehn Jahre angelegtes Infra- bekämpft werden. Wir fordern eine Strategie- Ideen formuliert. Es ist nun an uns, sie umsetzen strukturpaket von 460 Milliarden Euro. Wir in der konferenz zur Tarifbindung zwischen der neuen und womöglich gegen Widerstände durchzuset- IG BCE sind überzeugt davon, dass es darüber hin- Bundesregierung und den Sozialpartnern. Sowohl zen. Wir wollen die Chance – und nicht das Risiko. aus eines 120 Milliarden Euro schweren Transfor- öffentliche Aufträge als auch Fördergelder für Das ist die Aufbruchstimmung, die wir in die IG mationsfonds bedarf, um klimagerechte Projekte Unternehmen in der Transformation dürfen nur BCE-Branchen mit ihren 1,1 Millionen Beschäftig- der Industrie anzuschieben. Das lange Leben von noch an tarifgebundene Betriebe gehen. ten tragen werden. Denn sie sind es, die im Zent- der Substanz hat tiefe Spuren in unserem Gemein- Doch es genügt nicht, nach dem Staat zu rum der industriellen Transformation stehen – und wesen hinterlassen. Und die Transformation wer- rufen. Wir Gewerkschaften müssen an unserer damit vor einer Zeit der Unsicherheit. den wir nicht schnell genug in Gang bringen, eigenen Relevanz arbeiten. Wir müssen gesell- wenn wir nur auf die Unternehmen warten. schaftliche Debatten schneller aufnehmen und Das Neue darf nicht Wir müssen aber auch Kernfragen von Guter Arbeit wieder aufrufen. Ein Beispiel: Von Lösungen anbieten, die eine Mitgliedschaft auch für neue Generationen und Zielgruppen attraktiv irgendwo entstehen. Jahr zu Jahr wächst die Arbeitsverdichtung in der macht. Wir müssen gemeinsam mit den Betriebs- Es muss hier entstehen. Industrie. Von Jahr zu Jahr wachsen die Burn-out- räten Treiber und Ideengeber eines sozialen, Zahlen. Das ist ein Alarmsignal. Viele Beschäf- ökologischen und wirtschaftlichen Aufbruchs Natürlich verdienen unsere Kolleginnen und tigte fühlen sich mittlerweile ausgepresst wie die sein, den dieses Land zweifelsohne braucht. Kollegen dank breiter Branchenabdeckung unserer sprichwörtliche Zitrone. Das liegt an einer unzu- Gewerkschaften gehören ins Zentrum der Ver- Tarifverträge und hohem Organisationsgrad in der reichenden Personalbemessung in den Betrieben. änderung, nicht an den Rand. Davon profitieren Regel vergleichsweise gut. Aber die Beschäftigten Die IG BCE wird sich in ihren Branchen nicht nur unsere Mitglieder, davon profitiert die in den energie- und rohstoffintensiven Industrien dafür einsetzen, dass diese Frage künftig der quali- Gesellschaft als Ganzes. Gehen wir die Heraus- stehen vor einer Phase des radikalen Wandels. Für fizierten Mitbestimmung unterliegt – Personalma- forderung gemeinsam an. Streben wir „vorwärts uns beginnen die Bereitschaft und die Möglichkeit nager*innen und Betriebsräte also auf Augenhöhe nach weit“! unserer Mitglieder, sich auf ihn einzulassen, mit über das sprechen, was an Personal für die jewei- sozialer Sicherheit, mit einer Perspektive für Gute lige Aufgabe nötig ist. Wenn sich die Arbeitgeber dem verweigern, werden wir die Debatte in die Betriebe tragen. Foto: IGB CE Überhaupt: die Arbeitgeber. Immer mehr von ihnen verabschieden sich aus der Tarifbin- einblick 12-21/01-22 — 3
D I E S & DA S who is new Henriette Neumann verstärkt seit 1. November die Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik beim DGB- Bundesvorstand. Sie ist Referentin für Allge- meine Wirtschaftspolitik, Marktregulierung Betriebsräte : ausgezeichnetes Engagement und Verteilungspolitik. Standort gesichert, Jobs erhalten, Zukunftskonzept dienstleisters G+E GETEC Holding aus Magdeburg Julia Hoffmann ist seit 15. entwickelt – für sein Engagement und den Tarifver- erhielt für die Einführung eines einheitlichen Zeiter- November Teil der Online-Redaktion beim trag „Fabrik der Zukunft“ hat der Betriebsrat der fassungssystems den Betriebsrätepreis in Bronze. DGB-Bundesvorstand. Zuvor war sie für die Hauni Maschinenbau GmbH den Betriebsrätepreis Der Sonderpreis „Digitalisierung“ ging an den Kon- Naturfreunde, Jungle World und ver.di tätig. 2021 in Gold erhalten. Die Preise wurden Mitte zernbetriebsrat von IBM für seine Betriebsvereinba- November im Rahmen des Deutschen Betriebs- rung zu Einführung und Nutzung von Künstlicher Sandro Witt leitet seit 15. Novem- rätetags 2021 in Bonn verliehen. Den Preis in Sil- Intelligenz. Den Sonderpreis „Innovative Betriebs- ber das Projekt „Initiative für betriebliche ber verlieh die Jury dem Betriebsrat des Klinikums ratsarbeit“ erhielt das Gremium Finzelberg, Ander- Demokratiekompetenz“ in der Grundsatz- Peine. Die betrieblichen Interessenvertreter*innen nach für sein Maßnahmenpaket zum Schutz der abteilung beim DGB-Bundesvorstand. Zuvor konnten durch ihren Einsatz eine Rekommunalisie- Belegschaft vor Covid-19 und ein neues Schicht- war er seit 2013 stellvertretender Vorsitzen- rung und somit die Standortsicherung erreichen. modell. Mit dem Sonderpreis „Zukunftssicherung“ der des DGB-Bezirks Hessen-Thüringen. Der Konzernbetriebsrat des Start-ups und Energie- wurde der Betriebsrat von WMF ausgezeichnet. ZUKUNFT GESTALTEN WIR. DGB-Bundeskongress „Zukunft gestalten wir“ ist das Motto des 22. Parlaments der Arbeit. Vom 8.-12. Mai 2022 stellen 400 Delegierte aus den acht Mitgliedsgewerkschaften des DGB im Hotel Estrel in Berlin die Weichen für die inhaltlichen Schwer- punkte der nächsten vier Jahre und wählen die Mitglieder des Geschäftsführenden Bundesvorstandes sowie die Revisionskommission. Der Vorschlag des DGB-Bundesvorstandes für die Tagesordnung wird ab dem 10. Februar 2022 auf der Website veröffentlicht. www.bundeskongress.dgb.de
BUCHTIPP: KÜNSTLICHE INTELLIGENZ IN DER ARBEITSWELT Künstliche Intelligenz (KI) stellt Herausforderungen an LIEFERDIENSTE: KAMPF UM Arbeitgeber, Betriebsräte und Beschäftigte: Wer legt fest, ARBEITNEHMERRECHTE was und wie viel Maschinen in der Arbeitswelt selbstständig lernen? Wer überwacht die Systeme? Wo gibt es ethische Digitale Essens-Lieferdienste gehören vielerorts Grenzen? Ex-ver.di-Vorstand Lothar Schröder und die mittlerweile zum Straßenbild. Doch ihre Beschäftigten Mitbestimmungsexpertin Petra Höfers haben ein umfas- arbeiten oft unter miesen Bedingungen. Bei Gorillas sendes Praxishandbuch über KI in der Arbeitswelt geschrie- in Berlin regt sich nun Widerstand gegen Ausbeutung. ben. GewerkschafterInnen können das Buch vorbestellen Zudem macht eine Entscheidung des Berliner und sich einen Rabatt sichern. Arbeitsgerichts Hoffnung. Gorillas ist ein 2020 gegründeter Lieferdienst aus Berlin, der in mehreren deutschen Großstädten aktiv ist. Das Start- up wirbt damit, Lebensmittel und andere Supermarktwaren innerhalb von zehn Minuten zu liefern. Bestellungen lassen sich einfach per App aufgeben. Dahinter steht ein System von zahlreichen Warenhäusern in den Innenstädten, in denen Angestellte die Bestellungen verpacken. Fahrrad- kurier*innen, sogenannte Rider, fahren sie dann zum Ziel – alles innerhalb von Minuten. Der Konzern ist seit seiner Gründung enorm gewachsen, lieferte in den letzten sechs KI-Systeme haben sensorische Fähigkeiten, die die mensch- Monaten 4,5 Millionen Bestellungen aus und sicherte sich lichen bei weitem übersteigen. Dadurch, dass Maschinen kürzlich fast eine Milliarde Dollar Finanzierung. dazu lernen, verändern sie sich fortlaufend. Sie beschleuni- Ausbleibende Löhne, mangelhafte Ausrüstung gen Prozesse im Betrieb und haben die Fähigkeiten Daten Bei den Gorillas-Ridern kommt vom Umsatz wenig an. Seit zu analysieren und zu nutzen, in einer Geschwindigkeit, Monaten protestieren sie für bessere Arbeitsbedingungen. bei der Menschen nicht mithalten können. Dieses Szenario Die Liste der Vorwürfe ist lang, schreibt netzpolitik.org : birgt riesiges Potenzial, aber auch eine Menge rechtlicher, ausbleibende Löhne, mangelhafte Ausrüstung, zu kurze sozialer und ethischer Fragen. Pausen, fehlende Sozialversicherung. In Berlin streikten die Praxishandbuch bietet Orientierung Beschäftigten immer wieder, blockierten Warenlager, und Lothar Schröder und Petra Höfers gehen diesen verschie- organisierten Demonstrationen. denen Facetten nach. In ihrem Praxishandbuch, das Anfang Oktober feuerte das Start-Up zahlreiche Arbeiter*- voraussichtlich im Dezember 2021 erscheint, geben sie innen ohne Vorwarnung, laut netzpolitik.org in einigen Betriebsräten, Gewerkschafter*innen und Beschäftigten Warenlagern fast die gesamte Belegschaft. Grund sei die einen umfassenden Blick auf das gesamte Thema Künstliche angebliche Beteiligung an „illegalen Streiks“ gewesen. Intelligenz. Der Ratgeber soll dabei helfen, sich zu orientie- Viele der Betroffenen wehren sich vor Gericht, dutzende ren. Er bietet Checklisten und Prüffragen zur Gestaltung von Klagen laufen noch. Auch die Gründung von Betriebsräten KI-Systemen in den Betrieben und Verwaltungen. Er vermit- sollte offenbar erschwert werden, etwa durch den Plan, ein telt zudem Qualitätsfaktoren und Vorgehensmodelle. Franchise-Modell aufzubauen. Die Warenlager würden so Recht und Ethik als eigenständige Unternehmenseinheiten betrieben wer- Das Wesen von KI-Anwendungen wird anschaulich erläutert den. Laut Martin Bechert, dem Anwalt einiger Rider, habe und technische, ethische und soziale Zusammenhänge wer- die Zerstückelung des Unternehmens zur Folge, dass die den verständlich gemacht. Die Autor*innen bieten einen Interessensvertretung der einzelnen Kuriere keine Chance Regulierungsrahmen für KI, der die verschiedenen Aspekte auf Organisation habe. und Interessensgruppen im Dialog zusammenführt. Sie nehmen Betriebsratswahlen dürfen stattfinden menschliche Werte zum Maßstab für künstliche Intelligenz Doch es gibt auch gute Nachrichten: So hat das Arbeits- und geben Orientierung sowohl in den Rechtsgrundlagen gericht Berlin entschieden, dass Betriebsratswahlen wie wie auch in der Ethik. Die Empfehlungen helfen dabei sich geplant Ende November erfolgen können. Zwar habe es zu informieren, Gestaltungsaspekte zu priorisieren, KI-Syste- möglicherweise Fehler bei dem Wahlverfahren gegeben, me zu klassifizieren, Mitbestimmungskonzepte zu operatio- diese reichten aber nicht aus für eine Unterbrechung nalisieren und mit lernenden Maschinen zu experimentieren. der Wahl, erklärte das Gericht. Lothar Schröder, Petra Höfers: KI Lagom – Die gute Balance zwischen künstlicher Intelligenz und menschlichen Werten. Foto: DGB/pexels/Tara Winstead SMART IO T SmartUnion: Daten, Technik, Social Media 2022 Bund-Verlag. Erscheint voraussichtlich im Dezember 2021 U N MAR UNION N S Wer im neuen Jahr bei den Themen Daten, Technik oder Social Media auf dem Laufenden bleiben möchte, Bestellschein für Gewerkschafter*innen unter: abonniert unseren kostenlosen SmartUnion-Newsletter www.gegenblende.dgb.de/-/b23 unter: www.unionize.de/-/nvz einblick 12-21/01-22 einblick 12-21/01-22
urteile urteile Aktuelle Entscheidungen zum Arbeits- und Sozialrecht Aktuelle Entscheidungen zum Arbeits- und Sozialrecht ABLEHNUNG DER MASKENPFLICHT ARBEITSZEUGNIS OHNE BEGRÜNDET KÜNDIGUNG PRIVATE WÜNSCHE Lehnt ein Lehrer die vorgeschriebene Mund-Nasen- Beschäftigte, deren Leistung und Verhalten im Arbeitszeug- Bedeckung ab, so kann dies eine Kündigung rechtfertigen. nis mit „gut“ bewertet worden ist, haben keinen Anspruch auf Bescheinigung des Bedauerns über ihr Ausscheiden, Der Fall: Der Lehrer einer brandenburgischen Schule hatte schon gar nicht auf die Steigerung „wir bedauern sehr“. in E-Mails an die Elternvertreterin die Maskenpflicht für Es besteht auch kein Anspruch darauf, dass (gute) Wünsche Kinder als Nötigung, Kindesmissbrauch und Körperver- für die private Zukunft in die Schlussformel eines Endzeug- letzung bezeichnet und sich geweigert, im Schulbetrieb nisses aufgenommen werden. einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Hierzu legte er nach mehrfacher Aufforderung ein im Internet erworbenes Attest Der Fall: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eines österreichischen Arztes vor. Seine Klage gegen die Eigenkündigung verlangte die Arbeitnehmerin ein qualifi- ausgesprochene Kündigung hatte keinen Erfolg. ziertes Endzeugnis mit folgender Schlussformel: »Frau […] verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch, was wir Das Landesarbeitsgericht: Die Kündigung ist aufgrund sehr bedauern. Wir bedanken uns für die stets gute Zu- der Äußerungen gegenüber der Schulelternsprecherin in sammenarbeit und wünschen Frau […] beruflich wie privat E-Mails an diese gerechtfertigt. Eine E-Mail enthielt neben alles Gute und viel Erfolg.« Die Klage gegen die Weigerung Ausführungen zur allgemeinen Bewertung der Masken- des Arbeitgebers hatte keinen Erfolg. pflicht in der Schule („bin ich der Meinung, dass diese „Pflicht“ eine Nötigung, Kindesmissbrauch, ja sogar vor- Das Landesarbeitsgericht: Die Arbeitnehmerin hat keinen sätzliche Körperverletzung bedeutet“) auch die Aufforde- Anspruch auf eine Bescheinigung eines Bedauerns bei rung an die Eltern, mit einem vorformulierten zweiseitigen nur einer guten Verhaltens- und Leistungsbewertung. Schreiben gegen die Schule vorzugehen. Das Land mahnte Die Bedauernsformel ist bei einer nur guten Bewertung, ihn ab, er müsse mit einer Kündigung rechnen, wenn er wie sie hier vorliegt, nicht üblich. Darüber hinaus begehrt nicht von seinem Verhalten Abstand nehme. Im Folgenden die Arbeitnehmerin nicht lediglich eine Bescheinigung hat der Lehrer jedoch mit einer erneuten Erklärung per darüber, dass der Arbeitgeber ihr Ausscheiden bedauere, E-Mail gegenüber der Elternvertreterin und weiteren sondern sogar in der gesteigerten Form des „sehr bedau- Stellen an seinen Äußerungen festgehalten. Als weiterer ern“. Eine Schlussformel darf jedoch nicht im Widerspruch Kündigungsgrund gilt die beharrliche Weigerung des Leh- zum sonstigen Zeugnisinhalt stehen und diesen nicht relati- rers, im Schulbetrieb einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. vieren Dies wäre bei der gesteigerten Bedauernsformel bei Das dann vorgelegte, aus dem Internet bezogene Attest einer nur guten Bewertung aber der Fall. Die geforderten eines österreichischen Arztes rechtfertigt keine Befreiung. Wünsche für die private Zukunft kann die Arbeitnehmerin auch nicht einfordern. Das Arbeitszeugnis dient dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, beruflichen Fortkommen, die Schlussformel erstreckt sich Urteil vom 7. Oktober 2021 – 10 Sa 867/21 deshalb nur auf die berufliche Zukunft oder allgemein auf die Zukunft des Arbeitnehmers. ELEKTRONISCHE SIGNATUR Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 15. Juli 2021 – 3 Sa 188/21 MACHT BEFRISTUNG UNWIRKSAM Nach dem Gesetz muss die Befristung eines Arbeitsvertra- ges schriftlich vereinbart werden. Ist das nicht der Fall, gilt Massenentlassung: der Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Eine einfache elektronische Signatur genügt nicht dem AUCH KRANKHEITSBEDINGTE Schriftformerfordernis. KÜNDIGUNGEN SIND Arbeitsgericht Berlin, ANZEIGEPFLICHTIG Urteil vom 28. September 2021 – 36 Ca 15296/20 Die Pflicht des Arbeitgebers, eine Massenentlassung vorab bei der Bundesagentur für Arbeit anzuzeigen, besteht nicht nur bei betriebsbedingten Kündigungen. Auch wenn eine Vielzahl von Mitarbeitern verhaltensbedingt oder wegen langer Krankheitszeiten gekündigt werden soll, ist die Anzeige vorgeschrieben. Unterbleibt sie, sind die Kündi- gungen unwirksam. Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 15. Oktober 2021 – 7 Sa 405/21 einblick 12-21/01-22 Autor: Luis Ledesma, Kassel einblick 12-21/01-22
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