Jetzt ist die Zeit! die bunte Vielfalt Vom Glück, der Natur zu schützen - Museum für Naturkunde Berlin
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
MAGAZIN Museum für naturkunde berlin # 6 2022 Jetzt ist die Zeit! Vom Glück, die bunte Vielfalt der Natur zu In Kooperation mit schützen
„Der Mensch muss das Große und Gute wollen. editorial Inhalt Das Übrige hängt vom Schicksal ab.“ Im Mai wurde die „Berliner Erklärung“ prachtstück Alexander von Humboldt zum Weltnaturgipfel 2022 vorge- 4 Der Rotfuchs stellt. Es ist eine Initiative der drei Leibniz-Naturforschungsmuseen: forschen der Senckenberg Gesellschaft 6 Neues aus für Naturforschung, des Leibniz- Forschung und Instituts zur Analyse des Biodiversi- Sammlung tätswandels und des Museums für titel Naturkunde Berlin. Viele bekannte Wissenschaftler:innen, wie Christian 10 Die Zeit ist jetzt! Drosten und die Trägerin des Eine neue Liebe Deutschen Umweltpreises, Katrin zur Natur Böhning-Gaese, haben die Erklärung wissen Liebe Leserinnen bereits unterzeichnet. Die Politik 16 Ausgestorben wird anlässlich des kommenden Welt- und Leser, naturgipfels zu mutigen und porträt raschen Maßnahmen aufgefordert, 18 Die Vermittlerin der Sommer steht vor um die Zwillingskrisen Klima- der Tür und mit ihm wandel und Biodiversitätsverlust botschafterin der Wunsch von uns einzudämmen. Der Weltnaturgipfel 21 Franziska Giffey allen, so viel Zeit wie im Herbst 2022 wird zum zweiten Mal hochrangige Personen aus Digitlisierung möglich in der Natur Wissenschaft, Politik, Wirtschaft 22 Der Aufbruch zu verbringen. und Philanthropie zusammen- der Zugvögel Teil unserer Arbeit im führen, um gemeinsam an Lösungen kalender Ich bin die größte Chamäleonart der Welt, Calumma parsonii (Titelbild), und lebe in den Baumwipfeln Forschungsmuseum zu arbeiten. 24 Natur für alle: des Ranomafana Nationalparks in Madagaskar. Ich bin ein Reptil, genauso wie Krokodile oder Schildkröten, aber um einiges bunter! Meine Haut ist türkis, mein Lippen sind gelb und meine Augen? ist es, Antworten auf Wir übernehmen Verantwortung! T. rex Tristan kehrt Die sind orange, würde ich sagen. Viele meiner Reptilienverwandten wurden jetzt erstmals die Fragen zu finden, Lesen Sie in dieser Ausgabe was zurück umfassend daraufhin untersucht, wie stark bedroht sie sind. Die Daten von mehr als 900 Wissen- schaftler:innen flossen in eine Studie ein, die im Fachmagazin Nature welche Maßnahmen es außerdem Neues im Museum citizen science veröffentlicht wurde; beteiligt war auch Mark-Oliver Rödel vom Museum für Naturkunde Berlin. für den Schutz der zu entdecken gibt. Wir wünschen 28 Es summt und Natur und besonders Ihnen viel Spaß! Fotos: Jana Riemann / MfN (Titel), Pablo Castagnola Das Ergebnis: 21 Prozent aller erfassten 10.196 Reptilienarten brummt: Forschen 37.500 gelten als bedroht wegen der immer weiter voranschreitenden Zerstörung und Veränderung ihrer Lebensräume. 58 Prozent gegen die Zwillings- für Wildbienen aller Schildkrötenarten und 50 Prozent aller Krokodilarten sind von Ausrottung bedroht – und zwar vor allem durch krisen Klimawandel Prof. Johannes Vogel, Ph. D., was tun sie illegale Jagd und Handel. Sie zählen somit – mit den und Biodiversitäts- Generaldirektor für Natur … bedrohte Tier- und Amphibien – zu den am stärksten bedrohten Landwirbel- verlust notwendig Stephan Junker, 31 Herr Frommolt? Pflanzenarten erfasste tierarten weltweit! die Weltnaturschutzunion Auch für mich wird es immer enger. Das Washingtoner sind. Geschäftsführer IUCN in der Roten Artenschutzübereinkommen stuft mich als „fast bedroht“ Liste 2021 ein. Es ist höchste Zeit, mich besser zu schützen, denn ich bin einzigartig – wie alle meine Verwandten, die bunten wie die weniger bunten. Macht euch stark für uns – für Natur! 3
prachtstück Verewigt. Ist es eine wertvolle Bronze, zeigt sie womög- lich eine ägyptische Gottheit? Das schimmernde Blaugrün in Ohren und Augen lässt die Maske wertvoll metallen erscheinen. Aber nein: Es ist der Gipsausguss einer Totenmaske, die vor rund 70 Jahren einem gewöhnlichen Rotfuchs abgenommen und geschickt bemalt wurde. Der Verhaltensbiologe Günter Tembrock hatte ein Freigehege für Füchse im Garten des Museums für Naturkunde Berlin anlegen lassen, um sie von seiner Dienstvilla aus zu beobachten und zu be- lauschen. Die Laute, die die Tiere von sich gaben, wurden aufgezeichnet und zum Grundstock des von Tembrock 1951 gegründeten Tierstimmen- archivs. Dort wird die Totenmaske des Rot- fuchses auf bewahrt. Heute sehen die Forscher- innen und Forscher des Tierstimmenarchivs keine Füchse mehr, wenn sie am Schreibtisch sitzen. Foto: Carola Radke / MfN Wie sie arbeiten, dazu mehr auf Seite 31. Viele weitere faszinierende Geschichten aus dem Museum für Naturkunde Berlin gibt es in der Neuauflage des Buches „Wissensdinge – Geschichten aus dem Naturkundemuseum“ zu lesen. 4
forschen Fossilien der Erdneuzeit im Neues Sinnes- organ bei Zikaden Moostier- chen werden Neuer Farn im Wald Nilbecken werden erforscht entdeckt erfasst von Chemnitz Kleinzikaden sind häufig in heimischen Moostierchen sind kleine Forschende unter Beteiligung des Museums Gärten zu finden, ziehen aber aufgrund vielzellige Tiere, die Süß- wie für Naturkunde Berlin haben eine neue ihrer geringen Größe und ihrer unauffälligen auch Salzwasserbewohner fossile Pflanzenart beschrieben: den Kommunikationsweise kaum Aufmerksam- sein können. Ihre Identifika- Farnsamer Medullosa stellata. Die Krone keit auf sich. Zwar besitzen die kleinen tion ist mühsam und erfordert der Pflanze wurde im Jahr 2010 im Verstei- Zikaden ein ähnliches Organ zur Signaler- spezielle technische Geräte nerten Wald von Chemnitz ausgegraben. zeugung wie ihre größeren und bekannteren und Expertenwissen. Die Vor 291 Millionen Jahren begruben dort Verwandten, die Singzikaden. Aber während bisher vorhandenen Daten- mächtige Ascheschichten einen kompletten die Singzikaden dies zur Schallerzeugung banken liefern kein umfassen- Wald samt Flora und Fauna, der bis heute nutzen, werden die Signale der Kleinzikaden des Bild ihrer Vielfalt. Um ihre in großer Detailtreue dreidimensional Spurensuche als Vibrationen über die Pflanzen zu den taxonomische Identifikation konserviert ist. Nach mehr als zehn Jahren im Sudan Artgenossen gesendet. Wissenschaftlerinnen zu erleichtern, soll ein Identi- Präparationsarbeit liegt nun die weltweit des Museums für Naturkunde Berlin und fikationswerkzeug für fossile erste detailgetreue Rekonstruktion eines Wissenschaftler des ZUSE-Instituts Berlin und rezente Moostierchen Medullosales-Farnsamers vor. Die Pflanzen- und der RWTH Aachen haben nun bei aus dem Mittelmeer und Nord- art erinnert an große Baumfarne, war auf den Kleinzikaden ein neues Sinnesorgan atlantischen Lebensraum ganzjährig feuchte Standorte angewiesen zur Wahrnehmung von Vibrationssignalen geschaffen werden. Diese und hatte eine weite Verbreitung im frühen entdeckt und in The Royal Society Biology Forschung ist Teil des von Perm. Im zunehmend trockener werdenden Letters publiziert. „Kleinzikaden besitzen der EU geförderten Projekts Klima auf dem Superkontinent Pangäa ein Sinnesorgan im vorderen Bereich des Synthesys+. Ausgewählte starben die Medullosales Ende des Perms aus. Hinterleibs, das im Verhältnis zu solch Exemplare der Sammlung des Ziel weiterer Untersuchungen wird es sein, kleinen Insekten außergewöhnlich groß ist Museums für Naturkunde die Vielfalt der Pflanzen in den Wäldern des Im Sudan, vor allem im dortigen Nilbecken, lagern große Mengen von Fossilien der und aus bis zu 400 Sinneszellen besteht“, Berlin werden hierfür mit dem frühen Perms und ihre Rolle in den so die Erstautorin Sarah Ehlers vom Berliner Rasterelektronenmikroskop zunehmend extremen Ökosystemen dieser Erdneuzeit. Sie sind aber noch weitgehend unentdeckt, ihr wissenschaftliches Potenzial Naturkundemuseum. Die Entdeckung aufgenommen. Auf Basis Zeit zu erforschen. „Die Ergebnisse Fotos: Faysal Bibi / MfN Berlin, Jürgen Deckert / MfN Berlin, Ludwig Luthardt / MfN Berlin wurde bisher übersehen. „Paleonile“ ist das erste groß angelegte systematische palä- dieses neuen Organs bietet zahlreiche neue dieser Fotos in Kombination tragen zu einem besseren Verständnis der Forschungsansätze, da einige Arten mit Daten anderer Museen Wechselwirkungen zwischen Vegetation ontologische Projekt, das im Sudan durchgeführt wird. Der Fokus des vom Europäischen von Kleinzikaden wirtschaftlich bedeutsame wird dann ein automatischer und Klima im späten Paläozoikum bei, einer Forschungsrat (ERC) für fünf Jahre mit zwei Millionen Euro geförderten Projektes Pflanzenkrankheiten übertragen. Zur Identifikationsalgorithmus Zeit am Ende einer großen Vereisungs- liegt auf der fachübergreifenden Erforschung der Paläontologie des Nilbeckens im Sudan. biologischen Schädlingsbekämpfung könnte trainiert. Auch die aufgenom- phase unserer Erde, die Ähnlichkeiten mit mittels eines Störsignals die Paarung menen Metadaten dieser unserer heutigen Situation hat“, so Der ERC ist die wichtigste europäische Förderorganisation für exzellente Pionier- der Insekten unterbunden werden, damit Moostierchen werden erstmals Ludwig Luthardt, Paläobotaniker am Museum forschung. „Ich freue mich auf die Arbeit mit den sudanesischen Kolleg:innen und die sie sich nicht weiter ausbreiten. in einer Datenbank erfasst, für Naturkunde Berlin. georeferenziert und über verschiedenen Fachdisziplinen und Ansätze“, so Preisträger Faysal Bibi vom Museum museumseigene und externe für Naturkunde Berlin. „Gemeinsam werden wir eine neue Synthese aus hydro- Datenbanken öffentlich zu- gänglich sein. Damit werden grafischen, phylogenetischen, archäologischen und paläontologischen Daten schaffen. die Voraussetzungen für Das daraus erworbene Wissen über die jüngere Vergangenheit kann uns helfen, Forschungs- einen weltweiten Zugang für fragen der Gegenwart und Zukunft zu lösen.“ Projektpartner sind die Al Neelain Uni- Forschende und Interessierte geschaffen. Damit setzt das versity in Khartoum und Sumiko Tsukamoto vom Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik Museum für Naturkunde Berlin in Hannover. Es sollen hochmoderne Untersuchungstechniken angewendet werden, konsequent seinen Zukunfts- plan um, die Sammlung zu einschließlich experimenteller Methoden wie der Gewinnung von Paläobiomolekülen und Vibrieren statt singen: erschließen und zugänglich 291 Millionen Jahre alt: Rhododendronzikade Graphocephala Versteiner te Wedel des Farnsamers neuer Ansätze bei der Datierung von Sedimenten. fennahi auf einem Rhododendronblatt zu machen. Medullosa stellata 6 7
forschen Arten Weltweiter Neun Museen entdecken Zugrif f erfassen für jeden auf Fossilien Fledermäuse Überall auf der Welt ist ein Rückgang „Krantz Rheinisches Mineralien- Neun renommierte Museen Europas, der biologischen Vielfalt zu beobach- Kontor“ ist ein Familienunternehmen, darunter das Museum für Naturkunde ten, der zu einem Zusammenbruch das schon seit 180 Jahren mit Berlin, haben die in ihren Samm- von Ökosystemen führen könnte. „Die Mineralien, Fossilien und Gesteinen lungen enthaltenen Vertreter von drei Entdeckung von Arten und die Über- handelt. Viele dieser Objekte wurden Hufeisennasenfledermausfamilien wachung der Biodiversität werden daher von prominenten Forschenden (Rhinolophidae, Hipposideridae, in Zukunft einen noch viel größeren zusammengetragen und befinden Geheimnisvoll: UV-Photolumineszenz Rhinonycteridae) nach einheitlichen Raum einnehmen“, so Rudolf Meier, sich heute weltweit in Sammlungen beim Flughörnchen P teromyscus Standards erfasst. Das Projekt pulverulentus unter UV-Licht Leiter des Zentrums für Integrative verteilt, einige in Ausstellungen und „COVID-19 Chiroptera knowledge Rosarot Biodiversitätsentdeckung am Museum andere in Sammlungen. Im Rahmen des base“ wurde von der EU im Rahmen für Naturkunde Berlin. „Alle Länder EU-Projekts Synthesys+ wird ein des Projekts Synthesys+ Virtual Access werden Echtzeitinformationen über die Verbreitung und Häufigkeit von Arten Digitalisierungsprojekt nun die paläo- biologischen Daten zu Provenienzen leuchtet gefördert. Es beinhaltet die Erfassung der Objekte sowie eine taxonomische benötigen, um wirksame Strategien und Taxonomie dieser Objekte das Fell Aufarbeitung und Georeferenzierung Tristan Otto hatte und Maßnahmen zur Erhaltung zu ent- zusammentragen. der Daten. Mehr als 2.700 Samm- wickeln.“ Ziel der Forschenden um Gleichzeitig werden die Objekte foto- lungsobjekte dieser drei Fledermaus- Rudolf Meier war es daher, eine ein- fache, aber qualitativ hochwertige eine Knocheninfektion grafiert, um die Nachnutzung zu befördern. Abschließend werden die Wenn das Fell verschiedener Säuge- tierarten ultraviolettem Licht aus- familien, Schädel, Skelette, Bälge und Alkoholpräparate, wurden in der Da- Methode zur schnellen Artbestimmung Daten im Portal GeoCASe veröffent- gesetzt wird, leuchtet es in Rosa- und tenbank Specify bearbeitet und durch zu entwickeln. Wissenschaftler:innen licht und sind somit erstmals weltweit Rottönen. Eine internationale Gruppe wichtige Informationen ergänzt. Der des Museums für Naturkunde Berlin Forschende aus Berlin hatten kürzlich die Gelegenheit, zugänglich und durchsuchbar. Projekte von Forschenden unter Leitung des Abschluss dieses Projekts ist ein wei- Fotos: Dr. Patrick Grootaert, Carola Radke / MfN Berlin, Margot Belot, Séverine Toussaint, Eileen Westwig und der Nationalen Universität Singapur einen Teil des linken Unterkiefers von Tyrannosaurus rex dieser Art leisten einen wichtigen Museums für Naturkunde Berlin und terer Beitrag für die Entwicklung der gelang dies mithilfe eines sogenannten Tristan Otto aus dem Berliner Naturkundemuseum zu Beitrag, um Objekte mit historisch rele- der Humboldt-Universität zu Berlin Sammlung des Museums für Natur- genetischen „Strichcodes“ und eines vanten Informationen zu verknüpfen hat das Molekül Porphyrin, das vorüber- kunde Berlin zu einer der modernsten kleinen Sequenziergerätes. Der neue untersuchen (siehe auch Seite 25). Während frühere und somit Datenverlust entgegen- gehend in den Haaren gespeichert offenen Wissensinfrastrukturen, die Ansatz ist mit minimalem Kosten- und Untersuchungen meist auf invasiven Probenahmen und zusteuern. Auch dieses Projekt ist ein wird, als Ursache für dieses Phäno- den zukünftigen wissenschaftlichen, Materialaufwand verbunden und in Baustein bei der Erschließung der men identifiziert. Dieser organische gesellschaftlichen und technologi- der Handhabung so einfach, dass er von Analysen beruhten, verwendete das Team nun einen Sammlung des Museums für Natur- Farbstoff, der durch die körpereigene schen Anforderungen gewachsen und jedem am Ort der Entdeckung durch- nicht invasiven Ansatz mit einem klinischen CT-Scanner kunde Berlin im Rahmen des Entsorgung von Porphyrinen entsteht, ein integraler Bestandteil der euro- geführt werden kann. Zukunftsplanes. lässt das Fell leuchten. Diese Ergeb- päischen Forschungslandschaft sind. und einer Technik namens Dual-Energie-Computer- nisse deuten darauf hin, dass der tomografie (DECT). „Um ein gutes Bild zu erhalten, Lumineszenz zugrundeliegende Pro- mussten Strom und Spannung des CT-Scanners an die zess bei Säugetieren weit verbreitet ist. Untersucht wurden auch Felle aus hohe Dichte der fossilen Knochen angepasst werden“, der Sammlung des Berliner Natur- so Charlie Hamm, Radiologe an der Charité – Universi- kundemuseums. Bei dem Prozess, der als Fotolumineszenz bekannt tätsmedizin in Berlin. Die Bilder zeigen auf der linken ist, kann UV-Licht absorbiert und als Seite des Kiefers eine Verdickung, die auf eine Knochen- sichtbare Farbe wieder abgegeben infektion hinweist. „Das bildgebende Verfahren könnte werden. In den letzten Jahren haben mehrere Wissenschaftler:innen in der Paläontologie künftig eine wichtige Rolle spielen, Fotolumineszenz bei verschiedenen da es eine zerstörungsfreie Methode zur Bewertung Säugetieren wie Igeln und Flughörn- chen nachgewiesen. In Zukunft wird Neue Art gefunden? Ein von Fossilien darstellt“, so Oliver Hampe, Wirbeltier- Gastropoden (Schnecken) es wahrscheinlich weitere Berichte Hufeisennasenfledermaus Sequenziergerät macht es möglich, und die dazugehörigen Etiketten in der S ammlung des Berliner das schnell zu erkennen. paläontologe am Museum für Naturkunde Berlin. eines Objekts der Firma Krantz über leuchtende Säugetiere geben. Naturkundemuseums 8 9
Jet z t titel Tex t Mirco Lomoth D iese Vielfalt der Formen, Farben ihre Lieder in Noten umrechnen und Synthe- und Klänge. Der Gesang einer sizereffekte auslösen. So ist ein elektronisch er- Nachtigall etwa. Plötzlich, an ei- weitertes Getriller entstanden, das von einem nem Frühlingsabend, ist sie da und Wesen der Natur ausgelöst wird. Ähnliches hat 90 Um mehr als zwitschert in der Dämmerung ihre er mit Fledermäusen vor. „Ich werde ihren betörenden Lieder, die aus bis zu 300 Strophen Echo-Ortungsruf in Berliner Parks live in No- bestehen können. Oder das blau schillernde ten übersetzen, die Tiere werden im Vorbeiflie- Gefieder eines Eisvogels, der über einen Bach- gen Musik produzieren.“ Bei Technofestivals lauf schießt. Für Dominik Eulberg sind dies die hat er das schon Dutzende Male ausprobiert, Prozent sind die Bestände der Kiebitze kleinen Wunder der Natur, deren Schönheit etwa auf dem Brandenburger Festival „Wilde in Deutschland und Raffinesse uns in Entzückung versetzen – Möhre“, und als ehrenamtlicher Fledermaus- zurückgegangen wenn wir sie denn beachten. „Die Freude über botschafter des NABU nächtliche Führungen i st d i e einen Eisvogel oder den Gesang einer Nachti- für Raver:innen angeboten. gall kann so wahrhaftig sein, dass jede Zelle in einem jubiliert“, sagt Eulberg. „Mikroor- „Die Schäden, die wir der gasmen“ nennt er diese Momente des tiefen Glücks im Angesicht der Natur. Biodiversität zufügen, werden Eulberg ist international bekannter Techno- schneller zu einer Bedrohung DJ, Musikproduzent und Ökologe. Am Muse- um für Naturkunde Berlin verbindet er diese für die Menschheit werden als Z e it Welten, seine elektronischen Sounds mit der die globale Er wärmung.“ Naturwissenschaft, das Kreative mit dem Ein- Dominik Eulberg ordnenden. Er trägt den Blickwinkel eines Künstlers in die Forschung, wirft Fragen auf, gibt Denkanstöße und entwickelt spielerische Seit Eulberg mit seiner Musik erfolgreich wur- Angebote für die Museumsbesucher:innen. „Ich de, hat er die Bühnen genutzt, die ihm geboten will die Herzen öffnen und das kindliche Stau- wurden, um ökologische Botschaften unter die nen wieder aktivieren“, sagt Eulberg, dessen Leute zu bringen. Wer sich das Avichrom-Al- Bunte Geschöpfe musikalisches Werk sich wie eine Enzyklopä- bum kauft, erfährt nebenher etwas über die Si- überall: Techno-DJ die der heimischen Tierwelt liest. Sein jüngstes tuation der Wiesenbrüter in Deutschland, wie Dominik Eulberg feiert in seiner Musik Album „Avichrom“, das auf Platz 34 der Deut- den Kiebitzen, deren Bestände in den letzten 40 die Artenvielfalt. schen Albumcharts gelandet ist, widmet sich Jahren um 90 Prozent zurückgegangen sind. Am Museum für Naturkunde Berlin der berauschenden Farbenvielfalt unter den „Früher habe ich Rebhühner bei meinen Vogel- will er zum Staunen Vögeln – die Lieder heißen Grünfink, Goldre- beobachtungen im Westerwald gar nicht mit- anregen genpfeifer, Rotmilan oder Schwarzhalstaucher. Und auch durch seine anderen Alben schwirren bunte Geschöpfe wie Fünffleck-Widderchen, Rosengallwespen, Neuntöter, Rotkehlchen oder Totenkopfschwärmer. Seit Eulberg Gastwissenschaftler am Muse- um für Naturkunde Berlin ist, finden im Sau- riersaal Biodiversitätsshows statt, in denen Ar- tenvielfalt als Gesamtkunstwerk mit Bildern, Klängen und „Wunderfakten“ gefeiert wird. „Wunderfakten“, das sind für Eulberg all die Der einfachste Schlüssel zum Glück: belegbaren Wissenshappen über faszinierende Begabungen der Natur, die uns zum Staunen Wie das Museum für Naturkunde Berlin anregen können. Die Biolumineszenz der Glüh- würmchen etwa oder die Fähigkeit der Spechte, mit Kunst und Wissen dafür wirbt, mit dem Kopf gegen Holz zu hämmern, ohne Foto: Natalia Luzenko eine Gehirnerschütterung zu bekommen. dass wir unsere Augen und Herzen öffnen – Dem meisterhaften Gesang der Nachtigall hat Eulberg im Auftrag des Museums in einer Klanginstallation ein elektrisierendes Denkmal und die Natur neu lieben lernen gesetzt. Er hat Algorithmen programmiert, die 10 11
titel gezählt, so häufig waren die“, erzählt Eulberg, dafür. Anderswo sehe es unter Wasser nicht viel lauscht und versucht, das Blaukehlchen zu der noch immer jeden Tag durch die Natur des besser aus. Für Nordafrika hat Freyhof berech- fotografieren. Und er hat sich für Naturschutz Westerwalds wandert. „Heute sehe ich sie gar net, dass der Artenverlust bei 15 Prozent liegt. engagiert. „Dieser Linie bin ich treu geblieben, nicht mehr.“ Auch das dramatische Insekten- „Oft haben wir eine verloren geglaubte Fischart Wissenschaft muss für mich mit Engagement 80 sterben macht er immer wieder zum Thema, gesucht und nicht mal mehr den Bach vorge- verbunden sein, um Sinn zu machen“, sagt zwischen 1989 und 2016 seien die Bestände in funden, in dem diese einst lebte“, sagt Freyhof. Freyhof. So fließt seine Forschung in Manage- deutschen Naturschutzgebieten um mehr als Manchmal gelang ihm eine Notrettung aus dem mentpläne für die Fischerei ein und ist Grund- drei Viertel zurückgegangen. „Viele Leute ver- letzten Wasserloch, in vielen Fällen nicht. lage für die Ausgestaltung und Finanzierung Prozent der stehen nicht, dass 80 Prozent der Pflanzenar- „Es ist bittere Realität, dass wir am Anfang von Schutzprojekten. Mit seinem Fischwissen Pflanzenarten sind auf Bestäubung ten auf Insektenbestäubung angewiesen sind des sechsten Massensterbens stehen, einer vom berät er Politiker:innen und Nichtregierungs- durch Insekten und es zu Nahrungsmittelknappheit führen Menschen massiv erhöhten Aussterberate“, sagt organisationen und sitzt in Gremien, etwa angewiesen wird, wenn dieses fragile System zusammen- Freyhof. „Dabei kennen wir erst einen Teil der zur Vorbereitung des Übereinkommens über bricht“, sagt Eulberg. „Die Schäden, die wir der irren Vielfalt, die uns umgibt.“ Dass die Zeit die biologische Vielfalt. Andere Expert:innen Biodiversität zufügen, werden schneller zu ei- drängt, um die bunte Lebendigkeit um uns he- des Museums beraten auf ähnliche Weise zu ner Bedrohung für die Menschheit werden als rum zu erhalten und damit auch uns selbst zu Amphibien, Reptilien, Krebsen oder Garnelen. die globale Erwärmung.“ schützen, wird immer deutlicher. Der neueste „Gerade dieses spezifische Wissen braucht es, Artenschutzbericht des UN-Weltbiodiversitäts- um Millionen von Arten bewahren zu können“, rats IPBES warnt davor, dass in den nächsten sagt Freyhof. Und am Biodiversity Policy Lab, Das Verstummen der Natur Jahrzehnten weltweit bis zu eine Million Arten einer Forschungseinheit für Biodiversitätspo- ist noch aufzuhalten aussterben könnte – mit dramatischen Folgen litik, entstehen parallel dazu Denkimpulse für auch für die Menschheit. In diesem Jahr soll die Debatten rund um Artenvielfalt und das Das blasse Wesen, das in einem Glas mit gelb- daher endlich ein neues Weltnaturabkommen Verhältnis von Mensch und Natur. lichem Alkohol liegt, in einer Vitrine des Mu- im chinesischen Kunming verhandelt werden, Eine wichtige Basis für den Biodiversitäts- seums für Naturkunde Berlin, ist bereits unwi- um das Verstummen der Natur doch noch schutz leistet auch die Taxonomie, also die sys- derruflich verloren. Die letzten Exemplare des aufzuhalten. Denn das Letzte, 2010 im japani- tematische Einordnung von Lebewesen. „Um Chinesischen Schwertstörs wurden vor rund 15 schen Nagoya vereinbarte, ist mit seinen Zielen zu wissen, welche Arten Schutz brauchen, 10 Jahren gesichtet. Gekrümmt und mit breitem, kläglich gescheitert. „Zum Glück ist die Natur müssen wir zunächst erst mal wissen, welche verzerrtem Maul liegt das etwa eineinhalb Me- widerstandsfähig und kann sich erholen, aber es überhaupt gibt“ sagt Freyhof. „Und für diese ter lange Geschöpf mit Knopfaugen inmitten dafür braucht es dringend einen viel höheren Einordnung braucht es die Typusexemplare, hunderter anderer Fische aller Formen und Stellenwert des Arten- und Naturschutzes“, anhand derer bestimmte Arten zum ersten 10 Prozent aller Fischarten sind seit Größen, in einem abgedunkelten Raum, der für sagt Freyhof. „Und realistische Ziele, die auch Mal beschrieben wurden – das sind die echten 1700 in Deutschland Besucher:innen des Museums immer auch einen erreicht werden können.“ Schätze naturkundlicher Sammlungen.“ In der ausgestorben oder verschollen, darunter Gruselfaktor hat: der Nass-Sammlung. Sammlung des Museums für Naturkunde Berlin „Der Schwertstör wurde jahrelang gnadenlos liegen viele dieser Referenzarten – allein 5.600 die meisten Störarten „Zum Glück ist die Natur wider- überfischt, man hat immer mehr rausgezogen, Vögel und 1.700 Fische, darunter Sensationen wie bis irgendwann einfach Schluss war“, sagt Jörg standsfähig und kann sich der Rundkopf-Geigenrochen, der von Marcus Freyhof, der am Museum für Naturkunde Berlin erholen, aber dafür braucht es Élieser Bloch vor mehr als 200 Jahren erstmals zu Artenvielfalt und Artensterben forscht, vor beschrieben wurde. allem unter Wasser. Freyhof ist Ichthyologe, dringend einen höheren eine Dosenpalette aus dem Supermarkt“, sagt Sieht Forschung Fischkundler, und eine Koryphäe auf dem Ge- Stellenwert des Naturschutzes.“ Die Rettung der Korneyev, ein großer Mann mit tiefer Stimme, als Engagement: Jörg Freyhof stellt biet der Süßwasserfische. Für Deutschland und der Bergsteigerstiefel trägt und eine getönte der Politik sein Europa koordiniert er die Rote Liste gefähr- Jörg Freyhof genadelten Fliegen vor Brille. Korneyev ist Dipterologe, Fliegen- und geballtes Fisch- wissen zur Verfügung, deter Fischarten. „Der Zustand bei den Fischen russischen Bomben Mückenforscher. Er stammt aus der Ukraine, um bedrohte Arten ist besorgniserregend, in die aktuelle Rote Liste Leidenschaf t und wo er die Entomologische Abteilung und das besser zu schützen mussten wir deutlich mehr Arten aufnehmen In einem unsanierten Teil des Museums- Sammlungsmanagement am Schmalhausen Ins- als in die letzte und wir haben mehr verloren, Exper tenwissen, um die gebäudes, in der Sammlung der „Dipteren“, also titut für Zoologie in Kyiv leitet, das zur Nationa- als wir dachten.“ Ar tenvielfalt zu bewahren der Fliegen und Mücken, hat Valery Korneyev len Akademie der Wissenschaften der Ukraine 2010 Auch in Deutschland sind fast alle Störarten mittlerweile ausgestorben, ebenso der Nord- seeschnäpel – insgesamt zehn Prozent aller Wie viele Wissenschaftler:innen am Museum für Naturkunde Berlin hat Jörg Freyhof früh einen temporären Arbeitsplatz eingerichtet, zwischen Dutzenden alten Schränken, in denen über Jahrhunderte gesammelte Insekten lagern. gehört. Die Fliegen hat er aus Kyiv nach Berlin gebracht, um sie vor den Bomben zu schützen. Im Februar, als der russische Überfall auf die Foto: Pablo Castagnola wurde das letzte Fischarten seien nachweislich verschwunden, ein Gen für Tiere und Pflanzen in sich ent- Auf seinem Schreibtisch am Fenster stapeln sich Ukraine begann, sei er gerade dabei gewesen, die Weltnaturabkommen vereinbart – es gilt die tatsächliche Zahl liege aber vermutlich weit- deckt. Statt im Westerwald, wie Dominik Eul- Kästen mit sorgfältig genadelten und mit chine- Fliegen der Familie Pyrgotidae einer Revision zu als gescheitert. aus höher. Umweltbelastung, falsches Fischerei- berg, hat er sich an alten Rheinarmen nahe sischer Tusche etikettierten Fliegen. Manche in unterziehen, also naturkundliche Sammlungen In diesem Jahr soll in China ein neues management und unkontrolliertes Aussetzen Ludwigshafen herumgetrieben, in Tarnzelten provisorisch verklebten Pappschachteln, andere nach Exemplaren zu durchforsten und die beste- verhandelt werden invasiver Arten sind nur drei der vielen Gründe an Tümpeln gehockt, Krötenkonzerten ge- in Holzetuis oder Zigarrenkisten. „Das hier war hende taxonomische Systematik zu überprüfen, 12 13
titel „Was uns Menschen davon rücklassen“, erzählt Korneyev. Viele seiner jün- die Politik handlungsfähiger zu machen. geren Kollegen hätten indes beschlossen, das Mit weiteren Forschungskolleg:innen und abhält, uns selbst zu Land zu verteidigen. „Es war eine schwierige Bürgerwissenschaftler:innen erstellt er einen vernichten, Krie ge zu führen Entscheidung, aber ich habe die Verantwortung auf Berlin fokussierten Statusbericht zur Arten- für diese Sammlungsstücke übernommen, des- vielfalt, den Living Berlin Index. Und bei seinen und die Biosphäre mit all wegen musste ich es tun.“ Eine Rakete schlug Führungen, durch den Tiergarten etwa, macht ihrer Artenvielfalt zu ruinieren, am Bahnhof ein und tötete mehrere Menschen, er auf die Schätze der Natur aufmerksam, die ist die dünne Schicht der bald nachdem sie in den Zug gestiegen waren. direkt vor unserer Nase leben. „Dort gibt es Tau- Er erzählt die Geschichte gefasst, ohne sichtba- sende spannende Dinge, allein wenn man einen Kultur, die all jene leichtfertig re Wut, lässt die Fakten für sich sprechen. „Was Stein umdreht und erfährt, dass es drei Arten Rund zerstören können, die keine das Leben auf diesem Planeten möglich macht, ist die dünne Schicht an Wasser und Atmosphä- von Kellerasseln gibt, die vor Jahrmillionen als Krebse an Land gegangen sind“, sagt Freyhof. 180.000 Empathie in sich tragen.“ re“, sagt er. „Aber was uns Menschen davon ab- „Im Tiergarten gibt es auch die dichtesten Ha- Typusexemplare Valer y Korneyev hält, uns selbst zu vernichten, Kriege zu führen bichtbestände in ganz Europa!“ Wenn jede und bewahrt das Museum für Naturkunde Berlin und die Biosphäre mit all ihrer Artenvielfalt zu jeder in Berlin auch nur ein bisschen mehr über auf, darunter 21.000 „Pyrgotidae sind wirklich spektakulär, manche ruinieren, ist die noch viel dünnere Schicht der all die biologische Vielfalt wüsste, ist Freyhof Fliegen, Mücken und legen ihre Eier in Blatthornkäfer, indem sie Ge- Kultur, die all jene leichtfertig zerstören kön- überzeugt, kämen Wertschätzung und Liebe Flöhe, 5.600 Vögel und 1.700 Fische. Anhand schlechtsverkehr nachahmen“, sagt er. „Diese nen, die keine Empathie in sich tragen.“ von ganz allein. „Deswegen brauchen wir einen dieser Exemplare Art hier müssen Sie auch sehen!“ Er zeigt ein drastischen Wandel in der Umweltbildung, um wurden die jeweiligen Arten zum ersten Mal Exemplar der Art Achias rothschildi aus der Jung und Alt für Natur einzunehmen“, sagt er. Kellerasseln und Habichte – beschrieben. Das Sammlung des Museums für Naturkunde Berlin, „Der Grundsatz für die Zukunft sollte sein: Man Bild zeigt den Guppy mit dem er gerade arbeitet. Der schlanken Fliege Staunen im Tiergarten muss nicht alles kaputtmachen!“ (Poecilia reticulata), dessen Typusexemplar stehen im rechten Winkel zwei Stiele von ihrem im Museum für Natur- Kopf ab, die länger sind als ihr gesamter Körper. Jörg Freyhof führt hinaus aus der Nass-Samm- kunde Berlin auf- „Dort am Ende sitzen die Augen, mit der Länge lung, durch alte Torbögen zu einem überwu- Von Umwelt zu „Mitwelt“ bewahrt wird. ihrer Augenstiele locken sie Weibchen an“, sagt cherten Hinterhof. „Unser Zaubergarten“, sagt Korneyev und führt mit seinen Armen das Impo- er. Eine rothaarige Katze streift durchs Grün, Der Musiker und Künstler Dominik Eulberg hat nierverhalten von Achias rothschildi vor. Er lacht Wildbienen schwirren, eine Elster hüpft. „Sogar bereits viele Ideen entwickelt, um den Menschen kurz, dann ist er wieder sehr ernst. ein Fuchs lebt hier manchmal“, sagt Freyhof. die Wunder der Natur lustvoll vor Augen zu füh- Zu Kriegsbeginn lagerten rund 60 Prozent Mit dem Umbau des Museums in den kom- ren – und vor Ohren. Mit seinem neuen Projekt der weltweit existierenden Typuexemplare von menden Jahren soll auf dieser Fläche ein Bio- „Tönende Tiere“ will er die spannendsten Laute Pyrgotidae in Korneyevs Wohnung, weil an sei- top entstehen. Ein Teich ist angedacht, auch der heimischen Tierwelt hörbar machen, weil nem Institut kein Platz mehr dafür war. „Wenn begrünte Dächer auf den Neubauten, Nistkäs- viele Menschen diese gar nicht mehr kennen – eine Bombe darauf gefallen wäre, wäre dieser ten für Vögel, Rückzugsorte für Fledermäuse. „wer weiß schon, dass ein Schmetterling wie der Schatz unwiederbringlich zerstört worden“, sagt Auf dem zukünftigen Wissenschaftscampus an Totenkopfschwärmer pfeifen kann? Oder wie ein Korneyev. Also beschlossen er und seine Frau der Invalidenstraße sollen Mensch und Natur Reh bellt?“ Der Künstler Matthias Garff wird für Elena Kameneva, die ebenfalls Biologin ist, ihre sich begegnen können. „Wenn wir als Museum eine Wanderausstellung Tierskulpturen aus All- fliegenden Schützlinge in Sicherheit zu bringen. Verantwortung für Natur übernehmen, müssen tagsgegenständen schaffen, Eulberg seine bio- !!! Geflügelter Schatz: was seit den ersten Beschreibungen niemand Zuerst brachten sie die Typusexemplare des wir das auch in unserem Hinterhof tun“, sagt elektronischen Sounds dazu erklingen lassen, Valery Korneyev evakuierte eine mehr getan hatte. Pyrgotidae-Exemplare aus al- Schmalhausen-Instituts nach Czernowitz nahe Freyhof. „Die meisten Menschen wollen doch und seine „Wunderfakten“ natürlich. wertvolle Fliegen- ler Welt hat er dafür nach Kyiv geholt, aus Wien, der rumänischen Grenze, darunter viele wertvol- in Harmonie mit der Natur leben, und gerade „Wenn die Leute verstehen, wie kostbar es sammlung aus Kyiv. Carnegie, Bloemfontein, Prag oder Honolulu; an- le Stücke aus den ehemaligen Sowjetrepubliken. auf lokaler Ebene gibt es viele Möglichkeiten, ist, dass wir die Erde mit anderen faszinierenden Am Museum für Hören Sie, wie Dominik Naturkunde Berlin dere hat er selbst gesammelt, etwa im Iran. Vieles Ein paar Wochen später gelang es ihnen, auch die Artenvielfalt zu fördern.“ Lebewesen teilen dürfen, dann kommen sie ir- Eulberg den Gesang setzt er die Arbeit in der ursprünglichen Systematik war mit den Pyrgotidae aus dem belagerten Kyiv zu evakuie- Im Forschungscluster NaturBerlin des gendwann von ganz allein drauf zu fragen: Was von Rotkehlchen und daran nun fort Jahren durcheinandergeraten, manche Arten ren – und mit Bus und Bahn über fünf Grenzen Museums für Naturkunde Berlin setzt sich können wir tun, um all das zu schützen?“, sagt Feldlerche in elektro- nische Musik verwandelt waren doppelt oder dreifach beschrieben worden, bis nach Berlin zu transportieren, wo sein For- Freyhof mit seiner Kollegin Nike Sommer- Eulberg. Statt Umwelt müsse es künftig „Mit- – im „Beats & Bones“- andere nicht als eigene Art erkannt. „Es macht schungskollege Rudolf Meier vom Museum für werk dafür ein, den Biodiversitätswandel welt“ heißen. „Wir müssen eine Verwandtschaft Podcast! mir viel Freude, Ordnung ins Chaos zu bringen“, Naturkunde Berlin Korneyev, seiner Frau, und in der Stadt besser zu dokumentieren, um zur Natur spüren, uns als Teil von ihr sehen.“ sagt Korneyev, der in seiner Arbeit eine entschei- seinen Fliegen eine sichere Bleibe angeboten Naturschutz sei für ihn eine positive Lebens- dende Grundlage für den Naturschutz sieht und hatte. Hier sind beide nun über ein Forschungs- philosophie, denn Verantwortung zu überneh- Foto: Pablo Castagnola für die Rote Liste der Insekten in der Ukraine stipendium angestellt, um ihre Revisionsprojekte „Der Grundsatz für die men, erfülle das Leben mit Sinn und mache mitverantwortlich ist. Man merkt ihm an, dass abzuschließen, zunächst für sechs Monate. Zukunft muss sein: man muss auch noch Spaß. „Die Natur ist der einfachste, er von ganzem Herzen liebt, was er ordnet und „Wir hatten nur zwei Rucksäcke mit den gesündeste und kostengünstigste Schlüssel zum schützt, dass er sich für all die kleinen Sonderbar- Kästen voller Insekten, unsere Kleidung und nicht alles kaputtmachen!“ Glück“, sagt Eulberg. „Wir müssen uns nur da- beats-and-bones.podigee. keiten der Fliegenwelt begeistern kann. Dokumente dabei, sonst mussten wir alles zu- Jörg Freyhof ran erinnern.“ io /21-neue-episode 14 15
Ausgestorben wissen Spix-Ara Die Papageienart, die im Film „Rio“ die Hauptrolle spielt, gilt seit dem Jahr 2000 in der freien Wildbahn 5 als ausgestorben. Zwei Präparate sind im Museum zu sehen. Es existieren noch wenige hundert Spix- In der Erdgeschichte gab es immer wieder Massenaussterbeereignisse. Archaeopteryx Das Berliner Exemplar des 6 Aras in menschlicher Obhut. Of t haben sie den Beginn eines neuen Erdzeitalters markiert und die Entstehung befiederten kleinen Raub- Chinesischer sauriers ist eines der am neuer Ar ten begünstigt. Wer zuvor die Hauptrolle gespielt hat, trat in der Regel ab. besten erhaltenen. Dass der Schwertstör Urvogel wirklich aktiv fliegen Das sechste große Artensterben, das wir derzeit erleben, vollzieht sich viel konnte und nicht nur durch schneller als alle bisherigen. Der Grund dafür ist der Mensch. Doch Nothosaurus, die Lüfte glitt, konnte ein Forscherteam unter Feder- Im Jahr 2020 wurde der 6 Panzerfische und Farnsamer sind aus ganz anderen Gründen verschwunden führung des Museums für Naturkunde Berlin Chinesische Schwertstör offiziell als ausgestorben 2500 beweisen. 4 erklärt. Ein Exemplar ist Fichtelgebirgs- in der Nass-Sammlung Farnsamer Nothosaurus des Berliner Museums Apollo 2 ausgestellt und steht nun Etwa 4 Millionen Die Pflanze war während Saurier in Berlin? Fast, in den heutigen und zukünftig Schmetterlinge beherbergt eines Vulkanausbruches vor Kalksteinbrüchen von Rüders- Forschenden zur das Museum für Natur- ca. 291 Millionen Jahren in dorf wurde die 1,35 Meter Verfügung. kunde Berlin. Darunter Asche gefallen und wurde im lange Meeresechse gefunden. Jahr 2010 im Versteinerten sind viele Arten, die stark Wald von Chemnitz wieder Dimetrodon Sie schwamm damals durch gefährdet oder bereits das Muschelkalkmeer und 1 ausgegraben. Forschende Dimetrodon war kein ist heute im Museum für ausgestorben sind. des Berliner und Chem- Dinosaurier, sondern Naturkunde Berlin. Der Fichtelgebirgs-Apollo 2000 Graptolithen nitzer Naturkundemuseums ist mit den Therapsiden gilt seit 1909 als aus- gestorben. konnten so die zehn Meter verwandt, den Reptilien, Die wurmartigen Tiere hohe Pflanze rekonstruieren aus denen die Säuge- lebten einst in den Panzerf ische und als neue Art (Medullosa tiere hervorgingen. Meeren. Fossilien ihrer stellata) beschreiben. Diese fielen dem Massen- Wohnröhren können Dass Knochen wachsen und sich sterben vor 290 Millionen noch heute im Museum regenerieren können, ist das Ergebnis von Jahren zum Opfer. Über- für Naturkunde Berlin Jahrmillionen Evolution. Forschende des 3 reste von Dimetrodon bestaunt werden. Museums haben herausgefunden, dass wurden am Bromacker in Dort befindet sich die bereits die urzeitlichen Panzerfische einen Thüringen gefunden, wo Grapolithen-Sammlung ähnlichen Knochenstoffwechsel hatten das Museum an einem des ehemaligen Direk- wie wir Menschen. tors Hermann Jaeger Forschungsprojekt Trilobiten Beutelwolf beteiligt ist. 1500 (1929 – 1992). Trilobiten starben am Ende Durch die Konkurrenz mit des Perm aus. Ein Forscher- den vom Menschen einge- team unter Beteiligung von schleppten Dingos in Austra- Jason Dunlop vom Museum 5 lien und die Jagd auf ihn, ist für Naturkunde Berlin der Beutelwolf bereits seit konnte anhand von Fossil- 100 Jahren aus-gestorben. resten die Augen der Tiere Das im Museum ausgestellte rekonstruieren und erstmalig Tier lebte bis 1904 Text und Konzeption: Dr. Gesine Steiner, Illustration: Sarah Matuszewski nachweisen, dass ihr Auf- im Berliner Zoo. bau dem von Krebsen, Tyrannosaurus rex Insekten und Tausendfüßern Den Raubsaurier kennt jedes Kind – insbesondere entspricht – und nicht Tristan Otto, der, nach einem Besuch in Kopenhagen, von Spinnentieren. dieses Jahr wieder in Berlin zu sehen sein wird. 1000 Berliner Forschende haben eine Knochenerkrankung in seinem Kiefer entdeckt, die zu seinem Tod geführt haben könnte. 2 1 4 1 | Vor 440 Mio. Jahren 2 | Vor 360 Mio. Jahren am Ende 3 | Vor 250 Mio. Jahren am Ende des Perm 5 | Vor 65 Mio. Jahren am Ende der 6 | Heute im Anthropozän erleben am Ende des Ordoviziums gab es des Devons starb auf der Erde unge- starben 96 Prozent aller Ar ten aus. Auf dem Kreidezeit starben die Dinosaurier aus. wir das sechste große Ar tensterben das erste Aussterbeereignis, fähr die Hälf te aller Lebensformen Riesenkontinent Pangäa herrschten lebens- 4 | Vor 200 Mio. Jahren am Ende Ein Glücksfall für uns Menschen, denn – verursacht durch den Menschen, das wahrscheinlich durch Klima- aus. Die Ursache dafür ist noch nicht feindliche Bedingungen: Wüsten breiteten sich der Trias bricht der Urkontinent aus- so konnten sich unsere S äugetier vorfahren der Ökosysteme zerstör t und 500 schwankungen herbeigeführt geklär t. Vielleicht war es ein Meteo - aus, Lava floss aus Erdspalten und bedeckte einander, der Atlantik bildet sich ausbreiten. Der Grund für das S terben das Klima verändert. Täglich sterben große Flächen. Schwefel, Kohlendioxid und wurde. Korallen, Muscheln, Stachel- häuter, Brachiopoden, Trilobiten riteneinschlag oder ein Vulkanaus- bruch. Da sich in der Zeit das Leben Methan gelangten in die Atmosphäre, die 3 um, Lava tritt an den Bruchstellen aus. Die Folge: Die dominierenden Dino -, könnte ein gigantischer Asteroid gewesen sein. Der Einschlagskrater wurde nördlich der 150 Tier- und P flanzenar ten aus. Innerhalb der nächsten Jahrzehnte Anzahl und Graptolithen wurden stark in vor allem unter Wasser abspielte, Meere versauer ten und die Wasser temperatur Flug- und Fischsaurier sowie die mexikanischen Yucatán-Halbinsel gefunden. könnten bis zu eine Million Ar ten der Gattungen ihrer Artenvielfalt reduziert. traf es zum Beispiel die Panzerfische. stieg auf rund 40 Grad Celsius an. Hälf te aller Tierar ten sterben aus. Zeitgleich gab es sehr starken Vulkanismus. verschwunden sein. Millionen jahre vor 600 400 300 200 100 0 heute 16 17
porträt Text Mirco Lomoth Fotos Pablo Castagnola Die „Wir möchten ihnen nach der lan- die Bedeutung naturkundlicher Bildung Die Natur geht uns gen Coronazeit schöne Erlebnisse er- außerhalb der Schule und wirbt Gelder alle an, davon ist Astrid möglichen und einen Raum geben, um ein, um die Angebote des Museums Faber überzeug t. sich selbstbestimmt auszuprobieren“, für Naturkunde breit zu fächern. „Wir Vermitt- sagt Astrid Faber, die am Museum für haben um die 40 Formate für alle Alters- Die Biologin setzt sich Naturkunde Berlin den Bereich Bil- klassen entwickelt, die wir anbieten kön- dafür ein, dass so viele dung und Vermittlung leitet und damit nen, von Mikroskopierkursen und the- verantwortlich dafür ist, dass so viele matischen Führungen im Museum und Menschen wie möglich Menschen wie möglich vom naturkund- durch die Natur bis zu Workshops zur vom Wissen und von der lichen Wissen und der Sammlung des Evolution des Menschen“, sagt Faber. lerin Sammlung des Museums Museums profitieren. Sie spricht mit Insbesondere die Umweltbildung zur Bedacht und der Überzeugung, dass Stadtnatur will sie in den nächsten für Naturkunde Berlin sie sich einer wichtigen gesellschaft- Jahren ausbauen. „Wir merken, dass profitieren. Mit ihrem lichen Aufgabe stellt. „Gerade in Zeiten viele Kinder kaum Naturerfahrungen von Wissenschaftsskeptizismus ist es haben und nur eine geringe Artenkennt- Team erreicht sie jährlich unser Ziel, ein besseres Verständnis nis, da wollen wir gegensteuern.“ um die 60.000 Kinder für die Wissenschaft zu fördern und Die Sechst- und Siebtklässler:innen ein Bewusstsein für den Schutz der des nawi.clubs etwa unternehmen auch und Er wachsene biologischen Vielfalt“, sagt sie. „Dafür Exkursionen in Parks und auf Fried- fangen wir mit den Jüngsten an, die sich höfe. Ein ähnliches Programm gibt es häufig stark für alles interessieren, was für Kindergartenkinder. Sie lernen Tier- D mit Natur zu tun hat.“ stimmen kennen, basteln Tiermasken, ie Entdeckung der Natur ist Bei ihr selbst sei das auch so gewe- bauen ein Insektenhotel und stromern an diesem Dienstagnach- sen. Als junges Mädchen habe sie sich durch die Stadtnatur. „Die Kinder ler- mittag wieder in vollem am Stadtrand von Bonn durch die Wäl- nen so, die Scheu vor Insekten und an- Gange. Im Mikroskopier- der geschlagen und ein Naturschutz- deren Tieren zu verlieren, auch wenn zentrum des Museums gebiet mit einem erloschenen Vulkan sie mit ihren Eltern vielleicht noch nie für Naturkunde Berlin wuseln zehn oberhalb des Rheins ausgekundschaf- im Wald waren“, sagt Faber. „Viele Kinder zwischen Labortischen umher, tet. „Wir haben unsere Fantasie von der sind sehr stolz, wenn sie sich erst mal legen Krebspanzer, Korallen, behaar- Natur anregen lassen“, erinnert sie sich. überwunden haben, einen Käfer auf te Spinnen und zartgelbe Blütenblät- Später haben sie die großen Zusammen- die Hand zu nehmen.“ Kooperationen ter unter Objektive, schauen reihum hänge gepackt – wie der Mensch mit der bestehen aktuell mit 19 Berliner Kitas. durch Okulare und schmieden Pläne Natur lebt und welche großen Theo- für ihre digitalen „Forschungsprojekte“. rien sich aus kleinsten Beobachtungen Eine Mädchengruppe plant einen ableiten lassen. Sie studierte Biologie Trickfilm, in dem sie das Wachstum und Psychologie und kam danach ans einer Blume mit Knetmasse nachstel- Museum für Naturkunde Berlin. „Ich len will. Auch Samen soll ihre Knet- habe als Praktikantin in der Museums- blume produzieren, neues Leben. Ein pädagogik begonnen, seither hat mich paar Jungs arbeiten derweil an einer das nicht mehr losgelassen“, sagt sie. digitalen Rallye, bei der sich mit der Es folgten Jahre als Museumsguide App „Actionbound“ spannende Objek- und in der Öffentlichkeitsarbeit. Sie te der Ausstellung entdecken lassen: schrieb einen Ausstellungsführer für der Zesel etwa, eine Mischung aus Ze- Kinder und übernahm 2011 schließlich bra und Esel, oder die ausgestorbene die Abteilung Bildung und Vermittlung. Zebra-Unterart Quagga. Die Kinder Seither koordiniert sie alle Bildungs- sind aus der nahen Gustav-Falke- aktivitäten des Museums für Natur- Grundschule im Wedding herge- kunde Berlin und ein Team von zehn kommen. Ein Schulhalbjahr lang neh- Mitarbeiter:innen und bis zu 30 Guides. men sie am nawi.club des Museums Faber liebt es, die Fäden zu ziehen, für Naturkunde Berlin teil, einem For- die zu einer guten Bildungsarbeit Astrid Faber knüpf t Kontakte scherclub für Schüler:innen, den das quer durch die S tadtgesellschaf t, führen. Sie knüpft Kontakte zu Schulen, Bundesministerium für Bildung und um demokratische Bildungsarbeit Kindertagesstätten, Universitäten, For- möglich zu machen Blick ins Innere der Natur: Beim Forschung im Aktionsprogramm „Auf- schungsinstituten und Volkshochschu- nawi.club ent wickeln Schüler:innen holen nach Corona“ fördert. len. Sie spricht mit Politiker:innen über eigene digitale Wissensprojekte 18 19
botschaf terin Damit ihre Mitarbeiter:innen immer Fragt man Astrid Faber, was ihr bei für deren Familien. Im Grunde betreibt „Die Welt verstehen auf dem neuesten wissenschaftlichen ihrer Arbeit am wichtigsten ist, dann sie mit ihrem Team eine umfassende Stand sind, organisiert Faber für sie antwortet sie, dass sie alle Menschen Demokratisierung der Bildungsarbeit regelmäßig Fortbildungen mit den mitnehmen will. „Ich möchte auch sol- und forscht zu neuen Wegen der Ver- und verändern“ Expert:innen des Museums. Dann be- che Gruppen ansprechen, die wir bis- mittlung von Naturwissen. Für Faber, richtet etwa die Paläontologin Daniela her nicht im Museum sehen“, sagt sie. die Vermittlerin, ist das Museum für Schwarz im Sauriersaal von neuesten „Wenn sie nicht zu uns kommen, ver- Naturkunde Berlin auch eine lokale Erkenntnissen aus der Dinosaurierfor- suche ich herauszufinden, woran das Bildungseinrichtung, die in die Stadt hin- schung und beantwortet alle Fragen, liegt und wie ich sie erreichen kann.“ einwirkt und die sich mit dem geplan- mit denen die Guides sie löchern. Sie bietet Führungen für Menschen mit ten Umbau in den nächsten Jahren zu „Wissen ist ständig im Fluss“, sagt Demenzerkrankungen oder Sehbehin- einem Treffpunkt für die Nachbarschaft Faber. „Und das wollen wir auch so derungen an, Zeichenkurse für geflüch- entwickeln muss. Zu einem Ort, an dem weitergeben.“ tete Kinder und Bildungsprogramme die Stadtgesellschaft miteinander und mit der Natur auf positive Weise in Be- rührung kommt. In Zeiten von Artensterben und Klimawandel muss sich Bildungsarbeit aber auch den unbequemen Wahr- heiten stellen. Gerade Kinder und Jugendliche beschäftige der Zustand der Welt sehr, sie würden viele Fragen stellen, etwa zum Verschwinden von Arten oder zu Plastik im Meer. Die Ant- worten darauf können wissenschaft- licher Art sein – oder auch künstleri- scher. Jugendliche der Hagenbeck- Starke Stimme für Nachhaltigkeit: Als Menschheit stehen wir vor den großen und drängenden Schule in Weißensee etwa haben sich Aufgaben, den Klimaschutz deutlich voranzubringen, Arten- in ausgestorbene Tiere der Ausstellung Franziska Giffey, Regierende vielfalt zu erhalten und unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu des Museums für Naturkunde Berlin Bürgermeisterin von Berlin, schätzt schützen. Auch in Berlin können wir dazu viel beitragen. Das zeigt hineinversetzt und mit einem Lyriker das Museum für Naturkunde Berlin. Weil es der Forschung wie das Museum für Naturkunde gemeinsam Gedichte zu ihnen verfasst, der Gesellschaft als Ganzes erlaubt, globale Zusammenhänge und zum Beutelwolf etwa. Eines beginnt Berlin als Impulsgeber Herausforderungen zu verstehen. Aber auch – und das schätze mit dem Vers: „Ich bin enttäuscht. Ihr ich ganz besonders –, weil sich das Naturkundemuseum mit seinem M Menschen, ihr Bastarde! Zerstört meine Team als Antreiber für Veränderung begreift. Es bringt Forschung, Insel, habt doch Gnade!“ Und endet mit Politik und Gesellschaft zusammen und gibt damit wichtige den Worten: „Doch der Glanz, den ich itten in Berlin befindet sich ein ganz beson- Impulse im Sinne von Nachhaltigkeit und einer guten gemeinsamen mal hatte, ist nicht mehr da.“ deres Tor zu unserer Welt: das Museum für Zukunft auf unserer Erde. Dieses Engagement für die Lösung Dass Bildungsarbeit globale Pro- Naturkunde Berlin. Seine Besucherinnen und globaler Herausforderungen zeigt sich genauso auf der Ebene des bleme lösen kann, glaubt Faber nicht – Besucher begeistert es mit spannenden Aus- öffentlichen Diskurses wie in konkreten Aktionen vor Ort. Das „dafür braucht es die Politik.“ Aber sie stellungen und pädagogischen Angeboten auf konnte ich zuletzt im Dezember vergangenen Jahres miterleben, als könne einen Beitrag leisten und es mache der Höhe der Zeit. Wohl kaum irgendwo gelingt es so gut, Kinder das Naturkundemuseum eine Kinderimpfaktion organisierte und schon einen großen Unterschied, wenn und Jugendliche für Naturwissenschaften, unsere Natur und deren so einen Beitrag zur Bekämpfung der Coronapandemie leistete. Menschen beginnen würden, ihre Lebens- Schutz zu interessieren wie im Museum für Naturkunde Berlin. Am Naturkundemuseum werden auch die kommenden Jahre weise umzustellen oder sich vor ihrer Ich erinnere mich gut daran, wie fasziniert ich als Kind bei meinen sehr spannend. Das Land Berlin und der Bund stärken das Museum Haustür dafür einsetzten, dass Grün- Besuchen dort war. Doch das Museum bringt nicht nur Kinder- für Naturkunde massiv: Mit einer Sonderfinanzierung in Höhe flächen erhalten oder Gärten insekten- augen verlässlich zum Leuchten, sondern ist auch für Forschende von insgesamt 660 Millionen Euro wird das Naturkundemuseum in freundlich gestaltet werden. „Ich glaube, Foto: SPD Berlin / Jonas Holthaus ein begeisternder Ort. Als Forschungsmuseum der Leibniz-Gemein- seiner Entwicklung zu einem vernetzten Wissenschaftscampus dass das Wissen und positive Erlebnisse schaft ist es der Arbeitsplatz von rund 170 Wissenschaftlerinnen für Natur und Gesellschaft unterstützt. mit Natur, die wir den Menschen ver- und Wissenschaftlern, die auf international herausragendem Niveau Ich bin mir sicher: Das Naturkundemuseum wird weiterhin mitteln, dazu führen können, dass sie die Entstehung der Erde und des Lebens erforschen. Die beein- weit über Berlin hinaus Maßstäbe setzen. Mitten in Berlin bleibt sich anders verhalten oder sogar für druckende naturkundliche Sammlung – mit Highlights wie dem es ein Tor zum Verständnis unserer Welt und eine starke Stimme Natur engagieren.“ weltweit größten aufgestellten Saurierskelett – ist die größte für ein nachhaltiges Zusammenleben. Gemeinsam mit den ihrer Art in Deutschland und Kern der wichtigen Forschungsinfra- Berlinerinnen und Berlinern sowie den Gästen unserer Stadt freue Die Evolution im Rücken: Exper t:innen geben re gelmäßig den neuesten S tand struktur, die das Naturkundemuseum bietet. ich mich auf viele weitere Impulse im Zeichen der Natur. des Wissens an Fabers Te am weiter 20 21
Sie können auch lesen