Willkommen zurück! Wie Wasseramsel, Gebirgs-stelze & Co. die Panke bunter machen
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MAGAZIN MUSEUM FÜR NATURKUNDE BERLIN # 4 2021 Willkommen zurück! Wie Wasseramsel, Gebirgs- stelze & Co. die Panke bunter machen In Kooperation mit
„Ideen können nur nützen, editorial Inhalt wenn sie in vielen Köpfen lebendig werden.“ Wir unternehmen mit Ihnen prachtstück Alexander von Humboldt einen Spaziergang an die 4 Gorilla Bobby Berliner Panke, zeigen Ihnen, forschen wie unsere Forscherinnen ins Innere eines Schlangenschädels 6 Neues aus blicken können, ohne ihn zu Forschung und beschädigen, erklären Ihnen die Sammlung Geheimnisse alter Schriften titel und vieles mehr. 10 Wie die Natur an die Panke Ganz besonders freut uns der zurückkehrt Erfolg unseres Podcasts wissen Beats & Bones, der mit dem Liebe Leserinnen Deutschen Hörbuchpreis 2021 16 Wer hat unsere und Leser, ausgezeichnet wurde und der Sammlungen Ihnen Wissen für Natur und beste aufgebaut? auch 2021 nehmen Unterhaltung auf eine neue, porträt wir Sie mit unserem überraschende Weise nahebringt. 18 Die Bewahrerin FÜR NATUR Magazin Nicht zuletzt die Erfahrungen der botschafter mit in die Welt 21 Steffen Krach Coronapandemie zeigen uns, der Natur und des dass die gesellschaftliche Wahr- digitalisierung Museums für nehmung von Wissenschaft, 22 Einblicke mit Naturkunde Berlin. aber auch die Wissenschaft selbst, dem CT-Scanner sich verändert. Unser Ziel ist, Das zweite Leben der Panke. Lassen Sie sich mit die Menschen für Natur zu kalender Lange war sie unter den Berlinerinnen und Berlinern als „Stinke-Panke“ der neuen Aus- begeistern, mit ihnen zu lernen 24 Natur für alle: verschrien. Jetzt wird die kleine Schwester der Spree renaturiert gabe für die Vielfalt und als international sichtbarer draußen & digital und die Artenvielfalt nimmt und die Schönheit wissenschaftlicher und kultu- citizen science wieder zu. Ein besonderer der Natur begeistern: reller Leuchtturm für Natur Fotos: Christian Neumann (Titel), Pablo Castagnola Gast ist die Wasseramsel, die Debatten um die Zukunft 28 Sütterlin & Co.: Cinclus cinclus (Titelbild), die im Winter aus Skandi- der Erde zu beflügeln. Alte Schriften navien kommt. Ihr beein- entziffern druckendes Jagdverhal- ten wurde schon mitten was tun sie in der Stadt beobachtet: für Natur … An der Wiesenburg im Prof. Johannes Vogel, 31 Herr Kilbourne? Wedding taucht sie vom Ph. D., Generaldirektor Pankeufer aus nach Bachflohkrebsen und Larven. Stephan Junker, Geschäftsführer Willkommen zurück! 3
prachtstück Hausbesitzer. Bobby ist der einzige Gorilla weltweit, der eine Villa sein Eigen nannte – jedenfalls wenn man dem Komponisten Walter Jurmann glaubt, der sich von ihm zu dem Evergreen „Mein Gorilla hat ‘ne Villa im Zoo“ inspirieren ließ. Als Zwei- jähriger kam Bobby 1928 in den Berliner Zoo und wurde schnell zum Liebling der Besuchen- den, starb aber schon 1935 an einer Blinddarm- entzündung. Den Präparatoren Karl Kaestner und Gerhard Schroeder gelang es, die Trauer in Staunen zu verwandeln: So lebensecht wirkt die Dermoplastik, die sie noch in seinem Todesjahr anfertigten. Bis heute gilt Bobby als ein Meister- werk der Präparationskunst und zieht die Be- suchenden im Museum für Naturkunde Berlin ebenso an wie seinerzeit die Spaziergänger im Zoo. Derweil hält Max Raabe den Evergreen Foto: Waltraud Harre / MfN vom Gorilla mit der Villa lebendig. Viele weitere faszinierende Geschichten aus dem Museum für Naturkunde Berlin gibt es in der Neuauflage des Buches „Wissensdinge – Geschichten aus dem Naturkundemuseum“ zu lesen. 4
FORSCHEN Ökosysteme über Singende Heuschrecken: Strahlen- tierchen Wenn der Ozean wärmer wird, Jahrmillionen stabil Arten entstehen viel langsamer, machen Leben erst verringert sich die Biomasse trotz Artensterben als sie sterben möglich drastisch Strahlentierchen, auch Bereits vor 182 Millionen Jahren, während Radiolarien genannt, der Jurazeit, gab es eine rasche und sind einzellige Plankton- intensive Phase der Klimaerwärmung – organismen, die seit und sie hatte gravierende Auswirkungen Millionen von Jahren im auf die Tierwelt der Meere. Forschende Meerwasser vorkommen. des Museums für Naturkunde Berlin und Plankton bildet die Basis der University of Exeter in Großbritannien der meisten marinen haben die ökologischen Auswirkungen Nahrungsketten, ist für dieser Klimaerwärmung erforscht. Anhand den Abbau von Kohlen- der überlieferten Fossilien – Schalen dioxid aus der Atmo- von Austern und Brachiopoden – konnte sphäre verantwortlich gezeigt werden, dass sich mit dem Tempe- und spielt daher eine raturanstieg des Meerwassers die Arten- entscheidende Rolle für vielfalt und Biomasse drastisch verringerten. das Leben auf unserer Dadurch änderte sich die Zusammen- Erde. Trotzdem gab es setzung der Lebensgemeinschaften nach- bisher keinen aktuellen haltig. Bisher war man davon ausgegangen, Überblick über die dass die Ursache der Faunenkrise die rezenten und fossilen Ausbreitung von sauerstoffarmen Meeres- Radiolarien.„Paleobio- gewässern sei. Die Studie zeigt, welche So könnte es ausgesehen haben: Damenwahl: Weiblicher logy of the Polycystine Langzeitfolgen die aktuelle Klimaerwärmung Fotos: Oscar Sanisidro / Universidad de Alcalá de Henares, Wolfram Schulze, Carola Radke / MfN Rekonstruktion eines Ökosystems Nachtigallgrashüpfer für die Ökosysteme der Meere haben kann. Radiolaria“ ist das erste auf der Iberischen Halbinsel (Chorthippus biguttulus) umfassende Buch über die Strahlentierchen Maßnahmen zum Schutz von ganzen Ökosystemen sind langfristig Fossilien – hier eine Auster Wie und wie schnell entstehen neue seit zwanzig Jahren, aus der Jurazeit – bele gen nicht Arten? Das hat eine Gruppe von geschrieben von David nur klimabeding te Änderungen für die menschliche Gesellschaft erfolgreicher als eine Fokussierung Forschenden des Museums für Natur- Lazarus, Mikropaläonto- in der Faunenzusammensetzung, sondern liefern mittels geo - kunde Berlin und der Ludwig-Maxi- loge am Museum auf einzelne Arten. Zu diesem Ergebnis kommt ein spanisch- chemischer Signale ihrer Schalen milians-Universität München untersucht für Naturkunde Berlin, zugleich wichtige Informationen über das Ausmaß der Klima- deutsches Team von Forschenden mit Beteiligung des Museums für – an singenden Heuschrecken. Deren Weibchen verpaaren sich nur mit per- in Kooperation mit japa- nischen Kollegen. Das er wärmung Naturkunde Berlin. Sie untersuchten fossile Großsäuger der Iberischen fekten Sängern. Diese Form der Damen- wahl hält nicht nur die Artgrenzen Buch gibt einen Über- blick über die Biologie, Halbinsel, die über 21 Millionen Jahre bis in das Untere Miozän aufrecht. Sie hat auch zur Entstehung Ökologie und die fossilen mehrerer Arten in der kurzen evolutio- Aufzeichnungen dieser zurückreichen, und fanden heraus: Ökologische Gemeinschaften nären Zeitspanne von 500.000 Jahren Organismen sowie über geführt. Doch könnten die Arten jetzt ihre Anwendung in der von Säugetieren blieben – trotz mehrerer Umweltkrisen – über sehr viel schneller sterben: Die Arten- Forschung. Mit diesem Jahrmillionen hinweg in ihren Wechselbeziehungen stabil, obwohl vielfalt von Heuschrecken ist akut gefährdet. Viele leben in gefährdeten Kompendium hat das Museum seine Stellung die einzelnen Arten ausstarben und durch neue ersetzt wurden. Lebensräumen oder in montanen oder alpinen Regionen. Dort wird es ihnen als eines der weltweit führenden Zentren für Daher schlussfolgern die Forschenden: Maßnahmen zum Schutz aufgrund des Klimawandels zunehmend die Erforschung fossiler zu heiß, und ein Ausweichen in höher- Radiolarien einmal von kompletten Ökosystemen versprechen am meisten Erfolg. gelegene Regionen ist nicht mehr möglich. mehr verdeutlicht. 6 7
FORSCHEN Blue & Steckt in der Knie oder Fischfossilien Lonesome – DNA der Fleder- Hüfte: Dino- zeigen, die Einsamkeit mäuse das saurier be- wie sich unsere der Blauböcke Geheimnis wegten sich Knochen in Museen guten Alterns? wie Säuger entwickelten Blauböcke (Hippotragus Größere Säugetiere leben normalerweise Wie bewegten sich Dino- leucophaeus), eine afrika- länger als kleine. Doch die älteste bekannte saurier fort: eher wie Säuge- nische Antilopenart, sind freilebende Fledermaus wurde über 41 tiere oder eher wie Vögel? sehr selten in den weltweiten Jahre alt bei einem Gewicht von gerade Forschende des Royal Vete- Forschungssammlungen. einmal 7 Gramm. Ihre extreme Langlebigkeit rinary College (RVC) und Es gibt sogar weitaus we- und die Tatsache, dass sie wenige Alterungs- des Museums für Naturkunde niger Exemplare als bisher erscheinungen zeigen und auch keinen Berlin haben die Entwick- angenommen: Zehn der 16 Krebs bekommen, machen Fledermäuse zu lung der Fortbewegung von potenziellen Exemplare aus spannenden Forschungsobjekten. Eine neue Dinosauriern untersucht. neun Museen wurden ge- Studie in Nature Communications zeigt, dass Bisher wurde angenommen, netisch untersucht; nur vier das Alter von freilebenden Fledermäusen dass die Haltung der Beine davon waren, wie die Analyse Hochenergetischer S trahl: mit hoher Genauigkeit vorhergesagt werden während der Dinosaurier- Illustration eines Asteroideneinschlags ergab, wirklich Blauböcke. über der Antarktis kann. Ein weltweites Team von Forschenden evolution allmählich weniger Damit ist die am Ende des mit Beteiligung des Museums für Natur- aufrecht und mehr geduckt 18. Jahrhunderts ausgestor- kunde Berlin untersuchte dafür die an die wurde und somit von einem bene Art eine der seltensten Mittelgroße Asteroiden DNA gebundenen Methylgruppen (CH3) hüftgetriebenen zu einem Fotos: NHM Wien / Alice Schumacher, Mark A. Garlick, José Gabriel Martínez Fonseca, dontmesswithdinosaur.com Säugetierarten in Museen. von 26 Fledermausarten. Ihre lange, gesun- kniegetriebenen Mechanis- Die Studie einer internatio- nalen Forschergruppe unter bedrohen die Erde de Lebenszeit resultiert aus einer guten Immunantwort und der Unterdrückung von mus des Gehens und Laufens überging. Das Team Leitung des Museums für Krebsentstehung. Die Erkenntnisse zu scannte Fossilien von Dino- Naturkunde Berlin und der Ein internationales Team unter Beteiligung des Museums diesen Anti-Aging-Anpassungen könnten sauriern ein, u. a. auch aus Rekonstruktion des untersuchten Fisches Universität Potsdam zeigt, für Naturkunde Berlin hat einen Meteoriteneinschlag vor in der Medizin genutzt werden. Bis dahin der Forschungssammlung Bothriolepis trautscholdi. Dieser Panzerfisch, der Kiefer trug, lebte vor rund wie Genetik genutzt werden hilft uns weiterhin Sport, gesunde Ernährung, des Museums, erstellte 3-D- kann, um Arten in Sammlun- 430.000 Jahren im Bereich des antarktischen Eisschildes frische Luft – und Entspannung. Modelle der Knochen und 380 Millionen Jahren gen eindeutig zu identifizie- erforscht. Das außerirdische Material – kleine Kügelchen verband diese zu digitalen ren, auch wenn nur wenige Skeletten. 13 Modelle mit Ob Vögel, Fische oder Säugetiere: Alle Vergleichsobjekte vorhanden – wurde in einem Labor des Museums mittels Elektro- jeweils 35 Muskeln wurden Wirbeltiere besitzen ein inneres Gerüst aus sind und eindeutige mor- nenstrahlmikrosonde untersucht. Der circa 100 Meter geschaffen. Die Ergebnisse Knochen. Doch diese komplexe Architektur phologische Merkmale zur der Simulationen und aus lebendigem und anorganischem große Asteroid explodierte bereits in der Atmosphäre, sein Artunterscheidung fehlen. Modellierungen zeigen, dass Material musste im Lauf der Evolution erst geschmolzenes beziehungsweise gasförmiges Material sich die Bewegung von entstehen. Wie und wann das geschah, Das einzige weibliche erreichte die Oberfläche als hochenergetischer Strahl. Eine Vögeln und ihren Dinosaurier- untersuchte ein Team am Museum für Natur- Exemplar eines auf- vorfahren signifikant unter- kunde Berlin und am Musée national gestellten Blaubocks Mischung aus verdampftem Eis und gasförmigem Asteroid scheidet. Die Fortbewegung d’Histoire naturelle Paris. 400 Millionen Jahre befindet sich im Naturhistorischen stieg dann in der Atmosphäre auf und bildete durch Kon- der frühen Dinosaurier alte Fischfossilien aus der Berliner Forschungs- Museum Wien war eher mit Säugetieren sammlung wurden dafür am Helmholtz- densation Kügelchen, die über tausende Kilometer verteilt wie dem Menschen, als Zentrum Berlin im Rasterelektronenmikroskop wurden. Die Studie zeigt, wie wichtig es ist, die Bedrohung mit Vögeln vergleichbar. untersucht. Die Forschenden fanden heraus, der Erde durch mittelgroße Asteroiden neu zu bewerten. dass bereits Knochenzellen in frühen fossilen Wirbeltieren die Knochenmineralien auflösen, Ein solches Ereignis auf der heutigen, stark besiedelten speichern und wiederherstellen konnten. Erde würde eine große zerstörerische Wirkung hervorrufen Diese Fähigkeit verschaffte den Fischen mit Knochenzellen einen Vorteil, der möglicher- mit Millionen von Opfern und schweren Schäden über Langlebig: die Gewöhnliche weise so tiefgreifend war, dass er die Evolution Vampirfledermaus Entfernungen von bis zu Hunderten von Kilometern. (Desmodus rotundus) der Wirbeltiere veränderte. 8 9
titel Die geschundene Panke soll wieder natürlich werden. Das Museum für Naturkunde Berlin begleitet die Renaturierung mit einem Citizen Science- Projekt für Kinder und kooperiert mit der Kunststiftung LAS und dem dänischen Digitalkünstler Jakob Kudsk Steensen, der im Berghain den Berliner Ursumpf virtuell zum Leben er weckt Janz A uf dem vergilbten Papier ist sie ten fangen, Wasserproben entnehmen, den Was lebt denn da alles? als dünner Strich eingezeichnet. Schlamm nach Kleinstlebewesen durchsuchen Die Biologin Kim Sie entspringt in den Feucht- und Vögel bestimmen. Hier am Rande des Na- Mor tega erforscht mit wiesen von Bernau und mäan- turschutzgebiets Karower Teiche, aber auch an Berliner Schulkindern Gewässerqualität dert in engen Windungen durch weniger naturnahen Orten, wo die Panke durch und Ar tenvielfalt an sumpfige Erlenwälder und Dörfer, Zepernick, dicht bebautes Stadtgebiet fließt. der Panke leise Buch, „Blanckenburg“, Niederschönhausen, „Panckow“ und weiter durch die Felder und Gärten am Rande der preußischen Hauptstadt Berlin – bis zur Mündung in die Spree am heuti- gen Schiffbauerdamm, damals noch ein grünes Ufer. Die Karte von 1787 zeigt die Panke, den drittgrößten Fluss Berlins, am Vorabend der Industrialisierung. Damals, als der Geograf Friedrich Wilhelm Karl Graf von Schmettau gluckst durch Preußen zog und die Landschaft vermaß, sah er ein ursprüngliches Flüsschen, in dem Forellen in der Strömung standen und Bach- neunaugen im Morast gründelten, an dessen Ufern Hirsche grasten und Eisvögel brüteten. Im Frühjahr, wenn die Schneemassen tauten, schwoll die Panke zu dem bedrohlichen Gewäs- ser an, das in ihrem slawischen Namen steckt: pankowe – der „strudelnde“ Fluss. An einem Tag im Frühling, gut 230 Jahre die später, schlagen drei Biologinnen des Museums für Naturkunde Berlin am Ufer der Panke in Karow eine braun karierte Picknickdecke auf. Schnurstracks läuft der Fluss hier auf die große Stadt zu, von Menschenhand begradigt. Flach und schnell fließt er dahin, Wasserpflanzen treiben wie hellgrüne Schöpfe in der Strömung. Die Biologinnen breiten ihre Ausrüstung Panke auf der Decke aus: ein digitales Mikroskop, mehrere Kescher, Faltlupen, Ferngläser, Be- stimmungsbücher, Petrischalen. Sie wollen den ökologischen Zustand der Panke ermitteln. Die Analyse ist ein Testlauf für das bürgerwissen- schaftliche Projekt „WissensFluss“ des Muse- ums für Naturkunde Berlin, das in diesem Jahr startet. Sechs Berliner Schulen werden ihre Schülerinnen und Schüler ans Ufer der Panke schicken, wo sie aufgeteilt in Teams wichtige Daten zu Gewässerqualität und Artenvielfalt sammeln. Die „PANKExplorer“ werden Insek- 11 Text Fotos Mirco Lomoth Pablo Castagnola
„Wir begleiten die Klassen im ersten Jahr, um warane?“, fragt der Größere. „Ja, die haben wir der Renaturierung wird die stark geschädigte ihnen die standardisierte Datenaufnahme und sogar im Museum“, antwortet Julia Lorenz. Panke wieder ein Rückzugsgebiet für viele schön, wissenschaftliche Sichtweise nahezubringen“, „Ich weiß“, sagt der Junge. Die beiden Freun- Tierarten sein“, sagt Mortega. dass ihr sagt die Ornithologin und Verhaltensbiologin de wühlen weiter im Schlamm und rufen ihre Schon jetzt lässt sich beobachten, wie die da seid! Kim Mortega, die das Panke-Projekt leitet. Ab Fragen über die Panke hinweg. „Dokumen- Tierwelt allmählich bunter wird. Die gelbbrüs- dem zweiten Jahr sollen die Schulen die Ana- tieren Sie eigentlich alles, was Sie sehen?“ Ja. tige Gebirgsstelze kommt jetzt jedes Jahr im lysen dann eigenständig fortführen – und den „Cool.“ Einer der beiden hat sogar mal einen Winter aus Skandinavien und auch die zierli- Fluss quasi dauerhaft unter Beobachtung hal- kleinen Fisch in der Panke gesehen. Es muss che Wasseramsel, ein erstaunlicher Singvogel, ten. „Die gesammelten Daten werden für die ein Dreistachliger Stichling gewesen sein, denn der mehrere Meter unter Wasser laufen kann. Forschung und Umweltbeobachtung aufberei- sonst schwimmt kaum noch etwas zwischen „Einige Individuen kehren seit mehreren Jah- tet und online für jedermann zugänglich sein“, Bernau und der Spree, außer vielleicht ein ren an den gleichen Ort zurück und sind in der erklärt Mortega. paar Schmerlen und Giebeln, die beide zu den Nähe der Wiesenburg im Wedding sogar schon Wasseramsel Karpfenartigen zählen. bei der Balz beobachtet worden“, sagt Mortega. Ein neuer Winter- Skorpione im Wasser Hier an den Karower Teichen verlief die Pan- Am gleichen Ort jagt nachts auch die streng ge- gast, der sich an ke einst durch ein weitläufiges Sumpfgebiet. schützte Wasserfledermaus Insekten und sogar der Panke so wohl fühlt, dass er hier Julia Lorenz und Julia Rostin, Kim Mortegas Doch dann begannen die Menschen, Torf ab- kleine Fische. „Es ist wirklich verblüffend, dass schon balzt Kolleginnen, haben bereits die Knie im Gras zustechen und Fische zu züchten, und legten sich mitten in der Stadt so viele seltene Arten und die Hände im Pankeschlamm. „Hier ist ein Ende des 19. Jahrhunderts Rieselfelder an, auf aufhalten.“ Wasserskorpion“, sagt Julia Rostin. Sie fischt denen die stinkenden Abwässer der Großstadt Das Museum für Naturkunde Berlin will das Insekt aus dem Kescher und setzt es in versickerten. Der kleine Fluss verschmutzte den Renaturierungsprozess in den nächsten eine Petrischale. Auf der Picknickdecke legt zusehends, Gerbereien entstanden an seinem Jahren eng begleiten. Neben den „PANKExplo- Kim Mortega den Fund unter ein Mikroskop, Ufer, das Bett wurde begradigt, kanalisiert und rers“ bietet es in den Sommermonaten auch stellt die Optik ein und nimmt per Knopfdruck tiefer gelegt – als Hochwasserschutz und damit Panke-Radtouren für Erwachsene an sowie ein digitales Beweisfoto des Tieres auf, das mit sein übelriechendes Wasser schneller abfloss. Exkursionen zu Feuchtbiotopen, um Amphi- Gebirgsstelze seinen Fangbeinen tatsächlich ein wenig nach In einem Chemikergutachten von 1885 hieß bien, Fledermäuse, Vögel, Schmetterlinge und Eine Zierde einem Miniaturskorpion aussieht. „Wir su- es: „Das Wasser macht den Eindruck einer in andere Arten zu beobachten. „Wir wollen den für diese Stadt! Die Gebirgsstelze chen in den Proben nach kleinen, wirbellosen höchster Fäulnis befindlichen Jauche.“ Und die Menschen die Panke als Stadtnatur näherbrin- watet wieder durchs Organismen, die unterschiedliche Ansprüche Berlinerinnen und Berliner dichteten: „Wo die gen und zeigen, wie wichtig Feuchtgebiete für Pankewasser an ihren Lebensraum haben“, sagt Mortega. Panke mit Gestanke durch den Wedding rinnt, die Artenvielfalt sind“, sagt Mortega. „Durch das Vorkommen oder Fehlen dieser da halten sich die Nasen zu, Mann und Frau Zeigerarten können wir feststellen, wie gut und Kind.“ Auf den letzten Metern verbannte Virtuelle Renaturierung es der Panke geht.“ Kurz darauf spüren ihre man den Lauf der „Stinke-Panke“ gar unter Kolleginnen einen Springschwanz auf, meh- die Erde, unterirdisch verlief sie wenige Meter Ist das eine Erle an der mittelalterlichen Panke? rere Köcherfliegenlarven und eine langbei- am Museum für Naturkunde Berlin vorbei zur Dicke knorrige Wurzeln verwachsen zu einem nige Libellenlarve. „Libellenlarven reagieren Spree. Doch mit dem Bau der Berliner Mauer borkigen Stamm, aus ausgespülten Hohlräu- sehr empfindlich auf die Wasserqualität“, sagt wurde die historische Mündung trockengelegt. men an der Wasserkante ragen Grashalme und Seerosen- Mortega. „Wenn viele von ihnen in einem Fluss Heute fließt das Pankewasser über einen klei- kleinblättrige Pflanzen, gelbe Blätter vom letz- senheit geraten ist, weil Sümpfe als Gegenteil Flog da was? zünSler leben, ist das ein gutes Zeichen.“ nen Kanal in den Nordhafen im Wedding. ten Herbst liegen auf dem morastigen Boden. einer modernen und produktiven Gesellschaft Bei den Exkursionen des Projekts „Wissens- Verpuppt sich Es dauert keine halbe Stunde, bis am ande- Es ist ein digitales Bild, das der dänische Künst- gesehen werden.“ Fluss“ können Kinder in einem Seerosen- blatt, das er selbst ren Ufer zwei zehnjährige Jungs aus der Nach- Rückkehr der Wasseramsel ler Jakob Kudsk Steensen für das Ausstellungs- Steensen, Outdoorstiefel, schwarzweiß- ihren Blick für die S tadtnatur schärfen zuschneidet – barschaft auftauchen. Neugierig schauen sie projekt Berl-Berl erschaffen hat. In der Halle brauner Camouflagepullover, steht im Schmet- – und selber Verant- live an der Panke! den Biologinnen zu, wollen wissen, was sie da Es gab mehrere Anläufe, das Flüsschen wie- am Berghain lässt Steensen in Kooperation mit terlingssaal des Museums für Naturkunde Ber- Fotos: Christian Neuman / MfN, MfN, Getty Images (2) wor tung für die machen – und gleich mitforschen. „Ihr müsst derzubeleben. Ein Plan der 1920er Jahre der Kunststiftung LAS und dem Museum für lin und begutachtet winzige Falter, die in einem Panke übernehmen einfach mit beiden Händen in den Schlamm versiegte in der Weltwirtschaftskrise. In den Naturkunde Berlin auf rund 1.500 Quadratme- Holzkasten auf Nadeln stecken. Es sind Seero- fassen, wie ein Bagger“, sagt Julia Lorenz. „Und Nachkriegsjahren und in den 1980er Jahren tern einen virtuellen Ursumpf entstehen, der in senzünsler, Elophila nymphaeta, die Größten dann vorsichtig nachschauen, was ihr findet.“ entstanden erste wiederbegrünte Abschnit- sich vereint, was in den Feuchtgebieten in und gerade mal daumengroß, aber wunderschön Die Jungs sind zögerlich, stochern mit Ästen im te und Promenaden, vor allem im Wedding. um Berlin einmal lebte, was dort heute noch gezeichnet – wie mit einem subtilen Batikmus- Morast. Doch dann traut sich der Erste – und Das ambitionierteste Projekt startete 2007: lebt – und in Zukunft wieder leben könnte. „Es ter. Seerosenzünsler sind nachtaktive Wasser- schließlich haben beide die Hände in der Panke. Übereinstimmend mit der Europäischen Was- gibt kaum einen besseren Ort als Berlin, um schmetterlinge, deren Raupen Erstaunliches Wasser- „Was ist das für eine Schnecke?“, fragt der serrahmenrichtlinie sollte der eingezwängte sich dem Thema Sumpf zu nähern, selbst der vollbringen: Sie entwickeln sich unter Wasser fledermaus eine. Eine Spitzschlammschnecke. „Ich hab‘ Fluss endlich wieder mäandern und sein Ufer Name der Stadt kommt ja von dem slawischen in einem Köcher aus Seerosenblättern, den sie S treng geschützt und im Wedding ein Tier, das sieht aus wie eine Kellerassel!“, naturnaher werden. Doch viele Jahre tat sich Wort für Sumpf“, sagt Steensen, der sein Atelier sich für diesen Zweck selbst zurechtschneiden. zu Hause: ruft der andere. Eine Wasserassel. „Wieder kaum etwas. Nun sind die rechtlichen Grund- im Wedding in der Nähe der Panke hat. „Im Manche der Exemplare in dem Holzkasten sind Die Wasserfleder- maus jagt an der was! Das hat so gebogene Fühler.“ Eine Stein- lagen für den großen Umbau endlich geschaf- Grunde ist Berlin eine große Stadt in einem um die 250 Jahre alt; sie flatterten durch die Wiesenburg fliegenlarve. „Kennen Sie eigentlich Komodo- fen, rund 28 Millionen Euro stehen bereit. „Mit großen Feuchtgebiet, auch wenn das in Verges- nächtliche Mark Brandenburg, als Friedrich 12 13
„Ich möchte erlebbar machen, dass alles Wilhelm Karl Graf von Schmettau gerade für in der Natur miteinander möchte die Eigentümlichkeiten der Natur in sein Kartenwerk umherzog. Selbst ihre feinen die sonst so saubere digitale Welt hineinbrin- Fühler sind noch erhalten. verbunden ist“ gen“, sagt Steensen „Ich versuche mich quasi Steensen beugt sich über die kleinen Tier- Jakob Kudsk S teensen, Digitalkünstler an einer Renaturierung des Virtuellen.“ chen und fotografiert sie. Ihre Zeichnung wird Die Sammlung des Museums für Natur- als eines von tausenden Details in seine Sumpf- kunde Berlin spielt in Steensens virtuellem simulation einfließen, die er wie eine fantasti- Sumpf eine zentrale Rolle. Immer wieder ist sche Collage aus Fotografien der echten Natur der Künstler ins Museum gekommen, hat Vit- und von Sammlungsobjekten des Museums für rinen und Auszüge geöffnet, um Arten zu foto- Naturkunde Berlin zusammensetzt. In der Hal- grafieren, die in Berliner und Brandenburger le am Berghain werden sich Besucherinnen und Feuchtbiotopen leben – oder gelebt haben. Den Besucher durch diese Sumpfcollage bewegen kobaltblauen Flügel eines Eisvogels, Alcedo at- wie durch eine echte Landschaft, in der es Nacht this, etwa, das Skelett eines Seefrosches, Pelo- werden oder regnen kann, in der sich die Jah- phylax riddibundus, oder das Präparat eines reszeiten ändern und eine Motte umherfliegen Eichelhähers, Garrulus glandarius. Auch die Wann kann – oder auch nicht. Algorithmen steuern wachsende – und öffentlich zugängliche – digi- Sehen wir das Eigenleben dieses Sumpfes. Große Bild- tale Sammlung des Museums durchforstete er uns schirme geben den Blick in sein Inneres frei, nach 3-D-Aufnahmen von Insekten. Und für wieder? ein dichter Klangteppich offenbart Sichtbares seine Soundinstallation vergrub er sich im Tier- und Unsichtbares. stimmenarchiv des Museums, fand das Unken In den Animationen sprießen winzige Pil- der vom Aussterben bedrohten Feuerkröte, ze unter Wasser, sitzt ein Froschskelett an der Bombina bombina, den Ruf des stark bedroh- morastigen Wasserkante und wehen Blätter ten Wachtelkönigs, Crex crex, Fledermauslaute im Wind, die sich im Puls der Naturgeräusche oder historische Aufnahmen von Fröschen. Be- plötzlich in Eichelhäher-Federn verwandeln. So, gleitet werden diese pulsierenden Tierlaute von wie die hochrealistischen Wurzeln eines Bau- Gesang, der an die slawischen Siedler erinnern mes überraschend die Oberfläche einer Am- soll, die vor rund 1500 Jahren auf den Anhöhen Fischotter Ein bedrohter Gast, phibienhaut bekommen. „Ich möchte erlebbar um Berlin im Sumpf lebten und der Stadt ihren der in der nördlichen machen, dass alles in der Natur miteinander Namen gaben: Berlo oder Brlo – „Sumpf, Mo- Panke schon auf Stippvisite gesichtet verbunden ist“, sagt Steensen, der vor seinem rast, feuchte Stelle“. wurde Berliner Projekt in der Camargue in Südfrank- reich ein virtuelles Schwemmland aus Wind und Die Kraft der Fantasie Salz, Bakterien und Algen erschaffen hat. „Man kann das fantastisch nennen oder realistisch, Als kleiner Junge zog es Steensen ständig in weil die Dinge da draußen ja wirklich miteinan- die Natur, zu den kleinen wilden Nischen zwi- der in Verbindungen stehen – gerade in Sümp- schen den Feldern und den Tümpeln seiner fen ist alles verbunden und ständig im Fluss.“ er diesen Teil des künstlerischen Prozesses, in westdänischen Heimat. „Ich war fasziniert von was verloren ging – und womöglich wieder- Der Ursumpf ruf t! dem er sich ziellos treiben lässt, um seine Vor- Wasserskorpionen und Salamandern, die ich gewonnen werden könnte. Könnten vielleicht Jakob Kudsk S teensens Sumpf- Farben, Muster, Gefühle stellungskraft anzuregen. mit meinem Eimer gefangen habe, aber im- wieder Forellen und Bachneunaugen in der simulation präsentier t Bachneunauge Wenn Steensen ein Detail entdeckt, das mer wieder freilassen musste“, erinnert er sich. Panke leben? Fischotter gar? Im nördlichen die Kunststif tung Fotos: Getty Images (2), Shutterstock, Jakob Kudsk Steensen Gründelte früher LAS ab 10. Juli in der auch in Berlin. Monatelang ist Steensen durch Berliner und ihn interessiert, dann nähert er sich ihm mit Steensen beobachtete die Tiere und malte sie Teil der Panke wurden sie schon gesichtet, auf Halle am Berghain, Wird das Bachneun- auge je zurück- Brandenburger Feuchtgebiete gezogen, um allen Sinnen, lässt sich Zeit, macht hunderte, ja – Wasserläufer, Ruderwanzen und was noch so Stippvisite. Auch der Eisvogel, der sehr saube- lightar tspace.org kommen? Eindrücke zu sammeln, ist von seiner Wohnung tausende Fotos aus unterschiedlichsten Blick- herumschwamm und krabbelte. Später, als Ju- res Wasser zum Fischen und natürliche Ufer in Mitte, wo er seit Kurzem lebt, mit Gummi- winkeln, die am Computer zu dreidimensio- gendlicher, packten ihn Computerspiele, doch zum Nisten braucht, überwintert seit einigen stiefeln und Kleppermantel aufgebrochen. Im nalen Gebilden zusammengesetzt werden. Ein die Begeisterung für das Wilde blieb. Jahren wieder an der Panke, einzelne Paare Spreewald paddelte er durch die Kanäle, foto- eingerollter Straußenfarntrieb im winterlichen Kim Mortega hofft, bei den Kindern des brüten sogar an ihrem oberen Lauf. grafierte mit einer speziellen 3-D-Technik ver- Tiergarten kann so zu einer virtuellen Skulptur Panke-Projekts eine ähnliche Neugier zu we- „Es braucht Vorstellungskraft wachsene Wurzelwerke, die aus einem Fanta- werden, die erschreckend detailgetreu wirkt – cken. „Viele haben noch nie im Schlamm her- und Entschlossenheit, um die syfilm stammen könnten. Am Teufelsbruch im und plötzlich auf wundersame Weise verfrem- umgestochert oder Vögel beobachtet, wenn wir Rückkehr der Natur in die mitmachen Spandauer Forst, einem der ursprünglichsten det. „Ich bin bei meinen Naturgängen immer es ihnen zeigen, schärfen wir ihren Blick für Stadt wahr werden zu lassen“, Mit dem Projekt Feuchtgebiete der Stadt, spürte er mit Biologen auf der Suche nach Mustern, Farben und Ge- Natur und sie gehen anders durch die Welt“, sagt Mortega. „Ich wünsche „WissensFluss“ Forelle an die Panke und zu Die Panke war mal Kammmolchen, Waldeidechsen, Ringelnattern fühlen“, sagt Steensen. Ein achtköpfiges Team sagt sie. Mortega will ihnen Steensens Ursumpf mir, dass alle Berlinerin- Berliner Feucht- ein Forellenbach! und Wasserinsekten nach. An den Karower Tei- aus Game- und Sounddesignern sowie Pro- zeigen, um ihre Fantasie anzuregen über nen und Berliner wieder ein gebieten Mit der Renaturierung könnte sie es chen beobachtete er bunte Eichelhäher in den grammierern auf der ganzen Welt hilft ihm, das, was an der Panke und den umgebenden inniges Verhältnis zur Natur Seite 26 wieder werden Baumkronen. „Phasen des Eintauchens“ nennt seine Funde und Ideen zu digitalisieren. „Ich Feuchtbiotopen einmal existiert haben mag, bekommen.“ 14 15
wissen DIE ORNITHOLOGIN Aufgesammelt Die in Gransee (Brandenburg) geborene Maria Emilie Snethlage (1868 – 1929) wurde eine der herausragendsten Ornithologinnen Brasiliens und beschrieb mehrere Vogelar ten. Die WANZENFREUNDIN In der Museumssammlung sind etwa 910 Die Entomologin Ursula Vögel von ihr, darunter der Kahlkopf- Göllner-Scheiding papagei P yrilia vulturina. (1922 – 2016) widmete einen großen Teil ihres Forscherlebens dem Museum mit Fokus auf Wanzen und Afrika. Es gäbe kein Museum, keine Sammlung, keine Wissenschaft ohne die Menschen, Sie beschrieb zahlreiche neue Ar ten, darunter die dafür gesammelt, entdeckt und geforscht haben und es heute immer noch tun. im Jahr 1999 die Darunter sind berühmte Namen und solche, die nur in der Fachwelt bekannt sind. abgebildete Wanze Phric odus linnavuori In vergangenen Zeiten waren es vor wiegend Männer und nur wenige aus Namibia. Forscherinnen. Zum Glück ist das heute anders DIE INTERNATIONALE Hunder te Objekte sind in der Forschungs- Der Raupenretter sammlung des Museums von Gabrielle Neuhäuser O tto S taudinger Scott (1911 – 1998), (1830 – 1900) erforschte über wiegend Vögel und die gesamte Ordnung S äuger. Darunter die Gämse der Schmetterlinge. (Rupic apra rupic apra) aus der Schlangenbeschwörer Er vermachte seine wer t- Lasistan (heutige Türkei, Mark- Oliver Rödel ist Kustos der volle S ammlung – Schwarzes Meer). S ammlung Herpetologie – Reptilien 132.000 „Exoten“ und Amphibien mit 160.000 Objekten. (z. B. Papilio ulysses Er erforschte und beschrieb zahlreiche Linnaeus aus Neuguinea), neue afrikanische Frösche und auch 80.000 paläarktische Atractaspis branchi aus Liberia. Kleinschmetterlinge und 8000 Raupen – Die KREBStier- dem Museum. forscherin Der Fischliebhaber Der evolutionsbiologe Etwa die Hälf te der Forschenden am Museum Der Berliner Arzt und Naturforscher Ernst Walter Mayer (1904 – 2005) zählt sind Frauen, so auch Marcus Elieser Bloch (1723 – 1799) baute zu den einflussreichsten Naturforschern des Kristina von Rintelen, eine der größten wissenschaftlichen Fisch- 20 Jh. Er brachte Dar wins Konzept der natür- die sich mit der Erfor- sammlungen auf, die es damals gab. Etwa 800 lichen Auslese mit den Erkenntnissen der schung von Krebstieren in Exemplare befinden sich in der Forschungs- Genetik in Einklang. In der Museumssammlung Südostasien beschäf tigt. sammlung des Museums, z. B. diese Brasse befinden sich über wiegend Vögel und Sie sammelte und (Calamus pennatula Guichenot, 1886). Der Engagierte Beuteltiere wie dieser Gleitbeutler beschrieb zahlreiche (Petaurella) aus Neuguinea. neue Ar ten, darunter im Das Werk Alexander Jahr 2009 die Garnele von Humboldts Caridina dennerli. (1769 – 1859) und die Arbeit des Museums bilden eine Symbiose: Forschung, Vermittlung, gesellschaf tliches Text und Konzeption: Gesine Steiner, Illustration: Sarah Matuszewski DIE SPINNEN- Engagement – für Natur. SAMMLERIN Daher ist Humboldts Handschrift im Museums- Die deutsche Biologin logo integrier t. Mehr Dagmar von Helversen DER (1944 – 2003) sammelte mit Der Erzfreund als 1100 Objekte, DINOPRÄPARATOR der ganzen Familie Spinnen. meist Mineralien wie Peter Simon Pallas dieser Cinnabarit Abdallah bin Sefu Hunderte Gläschen mit Spring- (1741 – 1811) erforschte aus Mexiko, kamen (Por trait um 1910, spinnen (Euophr ys lanigera) die Natur Russlands. durch Humboldt Jahresdaten unbekannt) befinden sich in der 265.000 Seine 1771 gesammelten ans Museum. war Präparator am Berg Spinnentiere umfassenden Erzminerale aus dem Tendaguru / Tansania Forschungssammlung Altai kamen als wer t- während der Tendaguru- des Museums. volles Geschenk des Expedition 1909 – 1913. Zaren Alexander I. im Die Geschichte der Der Weltreisende Jahre 1803 an das Expedition und ihrer Der Dichter und Naturforscher Berliner Mineralogische Objekte ist vom Adelber t von Chamisso (1781 – 1838) Museum. Museum erforscht vertraute seine zoologischen Funde wie den und im Buch „Dino - Gelbschopflund (Fratercula cirrhata) und saurierfragmente“ Walmodelle aus Holz dem Berliner Museum an. veröffentlicht „Ich halte einige Teile meiner Arbeit für nicht worden. unwert, der Vergessenheit entzogen zu werden“ reinhören (in „Reise um die Welt“, Chamisso, 1836). Die neue Folge des Museums- podcasts Be ats & Bones 16 17 macht sich auf die Suche nach vergessenen Forschenden
porträt Text Mirco Lomoth Pablo Castagnola Fotos Die Räume des gedrängt wie in einem Setzkasten der wir können unsere Objekte darin nicht Naturwunder. „So hat man bis Mitte zeitgemäß lagern und inszenieren“, Im Kabinett der alten Federn: Für Jutta Helbig Museums für Natur- des 19. Jahrhunderts die Tiere ausge- sagt Helbig. Daher feilt sie an den sind die Vitrinen im Vogelsaal des Museums kunde Berlin stecken stellt, als Standpräparate in systema- Kompromissen zwischen Zukunfts- tischen Reihen nach Arten“, erklärt fähigkeit und Denkmalschutz: Könnte für Naturkunde Berlin wertvolle Fenster in voller Geschichte. Helbig. Die Vitrinen standen schon man einen Teil der Vitrinen erhalten die Vergangenheit Bald soll das denkmal- hier, als das Museum vor mehr als 130 und sich von anderen trennen, damit Jahren eröffnet wurde; sie haben zwei sie nicht zum Hindernis werden? Für geschützte Gebäude Weltkriege überlebt, vier Staatsfor- den Vogelsaal steht fest: Hier sollen die saniert werden. men und mehr als 20 Museumsdirek- historischen Vitrinen samt veralteter Die Kunsthistorikerin toren. Andere wurden jedoch von den Präsentation der Vögel als ein bewuss- Druckwellen der Bomben zerstört. tes Fenster in die Geschichte erhalten Jutta Helbig erfasst „Viele Vögel sind dadurch bis auf den bleiben – während hinter den Kulissen die Schätze der Museumshof geschleudert worden“, rund 200.000 Vogelpräparate in Stahl- erzählt Helbig. „Die Präparatoren schränken nach modernsten Stan- Vergangenheit, um haben sie in jahrzehntelanger Arbeit dards aufbewahrt werden. „Ich setze sie für die Zukunft wieder hergerichtet.“ mich dafür ein, dass dieses Flair auch zu bewahren Nahezu jeder Raum in diesem anderswo erhalten wird“, sagt Helbig. Gebäude ist gesättigt von Geschichte. „Natürlich können wir nicht alles Doch die Ansprüche an die Erfor- bewahren, was alt ist, aber wir müssen schung und Präsentation der Natur mit Bedacht aussortieren.“ verändern sich stetig – wie bei einem Jutta Helbigs Leidenschaft für die Organismus, der die Vergangenheit in historische Essenz des Museums für seinen Genen trägt und sich doch im- Naturkunde Berlin begann vor zwölf mer wieder neu anpasst. In den kom- Jahren. Für ihre kunstgeschichtliche menden Jahren wird sich das Museum Doktorarbeit wühlte sie sich im Gehei- für Naturkunde Berlin aufs Neue häu- men Staatsarchiv in Dahlem durch alte S ten. Ein Zukunftsplan sieht den Umbau ie schaut auf diese Eule und die Sanierung des historischen Ge- „Es geht darum, wie auf eine alte Bekannte. bäudekomplexes vor, Neubauten für Eigentlich ein unschein- Labore und Magazine und einen für nach vorne zu bares Tierchen, das da hin- die Stadtgesellschaft offenen Wissen- schauen und zugleich ter der Glasscheibe an einer schaftscampus gemeinsam mit der be- hölzernen Wurzel krallt, das Gefieder nachbarten Humboldt-Universität. die Identität und dunkelbraun und weiß gescheckt, die „Die Vergangenheit darf dabei nicht Geschichte des pechschwarzen Augen umrahmt von übergangen werden“, sagt Helbig. Ihre hellem Flaum, der aussieht wie eine Aufgabe ist es, die historischen Schätze Hauses zu bewahren“ zu groß geratene Brille. Strix selopu- des Museums zu inventarisieren und zu to steht auf dem Etikett, der südost- dokumentieren, Konzepte zu entwerfen Grundrisse und Bauakten. „Der Bau Die asiatische Pagodenkauz. „Er hat diesen für den Umgang mit denkmalgeschütz- des Berliner Museums fiel in die Zeit goldenen Schimmer am Schnabel, der ter Architektur, historischem Mobiliar der Museumsreformen, das fand ich mir immer wieder auffällt“, sagt Jutta und kuriosen Funden. Die Ergebnisse extrem spannend“, sagt sie. Aus Eng- Helbig. „Es ist meine Lieblingseule.“ werden in den Entwurfsprozess ein- land stammte damals die Idee, in Natur- Helbig, eine große Frau mit schulter- fließen, der den Zukunftsplan des Mu- kundemuseen Ausstellung und For- langen braunen Haaren, die auf an- seums in Architektur gießen wird. „Es schung voneinander zu trennen. Auch Bewahrerin genehme Weise Ruhe und Eifer zu- geht darum, nach vorne zu schauen und in Berlin entbrannte ein Streit über gleich ausstrahlt, steht im Vogelsaal zugleich die Identität und Geschichte diese Frage zwischen dem Architekten des Museums für Naturkunde Berlin, des Hauses zu bewahren“, sagt Helbig. August Tiede und dem designierten Di- zwischen hohen, von Eisenprofilen ge- Die gläsernen Vitrinen im Vogel- rektor Wilhelm Peters. Tiede wollte ein fassten Vitrinen. Darin: hunderte prä- saal sind mit dem Gebäude quasi ver- progressives Gebäude schaffen, die For- parierte Vögel auf Ästen und Sockeln, schmolzen. Sie wurden um gusseiserne schungssammlung in modernen Ma- winzige Kolibris, scharlachrote Königs- Säulen herumgebaut, und sind fest im gazinräumen unterbringen und eine sittiche, weiße Moorschneehühner, Boden verankert. Auch sie sind denk- separate Schausammlung kuratieren blau changierende Paradiesvögel, malgeschützt. „Doch sie entsprechen lassen, Peters hingegen bestand darauf, Straußenskelette, eng nebeneinander längst nicht mehr aktuellen Standards, die Objekte im ganzen Haus nach alter 18 19
BoTSCHAF TER Z iemlich gerührt war ich, und bei den eigenen Kindern obendrein der absolute Star, als mir das Museum für Naturkunde Berlin die Ehrenpatenschaft für einen Löwen übertrug. Das stolze Tier ist Teil der Ausstellung „Evolution in Aktion“ und ein hervorragendes Beispiel für Teamwork als Schlüssel zum Erfolg. Denn mag der vielbesungene König der Tierwelt noch so sehr Sinnbild für besondere Kraft sein, kann er alleine doch wenig erreichen, steht und fällt seine Fortune letztlich mit seinem Rudel. Zusammen an einem Strang ziehen und gemeinsam die Themen unserer Zeit angehen: Mit diesem Ansatz hat sich Berlin zu Deutschlands Forschungsmetropole Nummer eins entwickelt und „Exzellente das Museum für Naturkunde Berlin ist ein wichtiger Teil dieser Erfolgsgeschichte. Die Kooperation über fachliche und institutio- nelle Grenzen hinweg eröffnet uns neue Möglichkeiten und Forschung lässt aus dem Zusammenwirken von Hochschulen und Forschungs- instituten eine besondere Innovationskraft entstehen. Gerade braucht macht die Coronapandemie überdeutlich, welche Höchst- leistungen eine lokal und global gut vernetzte Wissenschaft zur Bewältigung großer Herausforderungen erbringen kann. Stufenweise Öffnung: Die prächtigen Treppenhäuser sollen den We g zu neuen Ausstellungsflächen freimachen (links). Hinter den Kulissen müssen noch viele Kuriositäten der Vergangenheit dokumentier t und gesicher t werden (rechts) exzellente Es ist genau dieser Ansatz, den wir auch in der Klimaforschung Vermittlung“ konsequent verfolgen müssen. Der Forschungsverbund „Biodiversität“ der Leibniz-Gemeinschaft, in dem das Museum für Naturkunde Berlin und weitere Berliner Leibniz-Institute eine wichtige Rolle spielen, zeigt auf, wie Synergieeffekte genutzt Manier, in systematischen Reihen, aus- spannend, die Türen alter Schränke zu rahmt wird: dem Verkehrsministerium, werden, um die Artenvielfalt als Grundlage für Gesundheit zustellen. Er setzte sich durch, starb öffnen“, sagt sie. „Man entdeckt noch früher Preußische Geologische Landes- und eine stabile Umwelt zu schützen. Ein anderer Verbund, aber noch vor der Eröffnung – und mit immer wahnsinnig viel.“ Zum Beweis anstalt, und dem Thaer-Institut für das Climate Change Center Berlin Brandenburg, bündelt die ihm seine nicht mehr zeitgemäße Idee. öffnet sie in einem der Sammlungs- Agrar- und Gartenbauwissenschaf- Kompetenzen verschiedener Partnereinrichtungen der Metropol- Der erste Museumsdirektor Karl säle eine vergilbte Zigarrenschachtel. ten der Humboldt-Universität, früher region, um die Erreichung der Klimaziele zu unterstützen August Möbius konzentrierte die Im Inneren liegen mit viel Akribie be- die „Königliche Landwirthschaft- und Lösungen für die Folgen des Klimawandels zu entwickeln. öffentliche Schausammlung auf das schriftete und mit kleinen Metallstiften liche Hochschule zu Berlin“. Alle drei Auch der entstehende Wissenschaftscampus für Natur und Erdgeschoss und verschloss die zwei fixierte Blätter und Zweige, auf denen bildeten 1889 ein Ensemble. „Die preu- Gesellschaft des Museums für Naturkunde Berlin und der repräsentativen Treppenhäuser zum pockenähnliche Pflanzengallen zu se- ßischen Minister wollten hier Wissen- Humboldt-Universität zu Berlin für 660 Millionen Euro vom Land Obergeschoss, wo die Forschungs- hen sind, von Wespen, Mücken oder schaft, Lehre und Ausstellung zu einem Berlin und Bund folgt der Kooperationslogik. Drei Beispiele, die sammlung einzog. „Mit dieser radika- Parasiten verursachte Geschwulste. Wissenschaftsforum zusammenfüh- den Weg weisen. Deutschland verfügt über viele Orte mit großer len Trennung und der ersten didak- Das Arrangement wirkt wie die Vorlage ren“, sagt Helbig. „Mit dem geplanten Expertise in der gesamten Breite der Klimaforschung. Es ist Zeit, tischen Ausstellung dieser Größe wur- für ein enzyklopädisches Schaubild. Campus wiederholt sich diese Ge- diese Kraft durch strukturelle Vernetzung noch wirkungsvoller de das Berliner Naturkundemuseum „Nach aktuellen Standards müssen schichte nun auf gewisse Weise.“ zu entfachen. zu einem Vorreiter in Europa.“ Die solche Gebinde wegen des möglichen Am Haupteingang wird sich auch erneute Häutung sieht nun vor, beide Schädlingsbefalls und gesundheits- mitentscheiden, wie offen das Museum Exzellente Forschung braucht zudem eine gleichermaßen Treppenhäuser wieder für Museums- schädlicher Biozide in Insektenkästen nach der Sanierung tatsächlich sein exzellente Vermittlung ihrer Erkenntnisse in die Gesellschaft gäste zu öffnen und im Obergeschoss einsortiert werden“, sagt Helbig. Den- wird. Noch führen Treppenstufen zum hinein und ein besseres Verständnis in der Gesellschaft für neue Ausstellungsräume und Ein- noch versucht sie etwas vom nostal- Portal, wer mit dem Rollstuhl oder Kin- wissenschaftliche Arbeitsprozesse. Das Museum für Naturkunde blicke in die Forschung zu schaffen. gischen Charme in die Zukunft hinüber- derwagen kommt, muss einen Neben- Berlin zeigt, wie beides gelingen kann. Es begnügt sich nicht Das Museum mit all seinen Ge- zuretten. „Wir fotografieren alles und eingang nehmen. „Dieses Haus war von Steffen Krach ist Staatssekretär damit, den Menschen Wissenschaftszugänge über Ausstellungen schichten ließ Jutta Helbig nicht mehr ganz besondere Funde bewahren wir Anfang an für die Allgemeinheit ge- Foto: Carolin Weinkopf in seinen ehrwürdigen Gemäuern zu bieten, sondern geht los. 2017 ergriff sie die Chance, zwei als historische Zeugnisse auf.“ dacht“, sagt die Bewahrerin der Vergan- für Wissenschaft und Forschung gezielt in die Stadträume hinein, stößt neue Türen auf und wandelt Jahre lang in der Sammlung der Bie- Helbig führt zum Haupteingang des genheit. „Ich sehe es als Weiterführung in Berlin – und außerdem dabei auf innovativen Wegen. Ein wahrer Berliner Löwe, der nen, Wespen und Ameisen zu arbeiten. Museums, der einige Meter zurückge- des historischen Auftrags, das Museum den Dialoggedanken lebt und die Kooperationsidee gemeinsam Diesmal erkundete sie das Gebäude setzt von der viel befahrenen Invaliden- jetzt für alle Menschen gleichermaßen Ehrenpate eines Löwen im mit vielen Partnerinstitutionen in unserer Stadt und weltweit von innen heraus. „Es war unglaublich straße liegt und von zwei Bauten einge- zugänglich zu machen.“ Museum für Naturkunde Berlin voranbringt. 20 21
digitalisierung Tex t Gesine S teiner Pablo Castagnola Fotos Der Schlange sich das Gift verändert – was ändert sich im Schädel und im Giftapparat der Schlange? Oder ändert sich überhaupt in den Schädel etwas? Um dies zu erforschen, müssen Tiere aller Altersklassen auf ihre Kno- chenstruktur hin untersucht werden. Dafür fertigt Kristin zuerst einen Stan- dardscan an. Anschließend werden blicken die Exemplare mit einer Iod-Färbe- lösung behandelt, welche das Weich- gewebe des Kopfes sichtbar macht, wie Modernste die Kiefermuskeln, das Gehirn oder die Computer tomografie Giftdrüse. Für diese Scans wird der macht es möglich: hochauflösende CT-Scanner benötigt. Dabei kann eine Auflösung weit un- Mit dem neuen terhalb der Dicke eines menschlichen CT-Scanner können Haares erreicht werden. Und was zeigen nun die Schlan- Forschende ins genscans? „Der Aufbau der Drüsen Innerste der Tiere ist bei jungen Tieren anders als bei er- sehen – ohne dabei wachsenen Tieren“, sagt Kristin. „Die Drüsenzellen verändern ihre relative feines Gewebe Kristin Mahlow justiert Größe und Lage und strukturieren zu zerstören sich anders.“ Wie und warum das pass- das Objekt im neuen, 30 Tonnen iert, ist einer der Forschungsaspekte schweren CT-Scanner ihrer Doktorarbeit. K ristin Mahlow, CT-Techni- in den nächsten Jahren noch oft in den kerin, betritt den acht mal Kubix gehen, denn die Digitalisierung acht Meter großen „Ku- der Sammlungen ist Teil des Zukunfts- bix“, einen Container mit plans des Museums. ungewöhnlichem Inhalt: Ihre Favoriten sind Schlangen. Seit Hier steht der 30 Tonnen schwere CT - zwei Jahren arbeitet sie an ihrer Dok- Scanner FF85 von YXLON. Er wurde torarbeit. Bothrops jararaca ist eine für das Museum extra angefertigt und brasilianische Giftschlangenart, eine dient dazu, die Sammlungen zu digita- Grubenotter, die für fast 90 Prozent der lisieren. Dieses Herzstück der Anlage Bissunfälle in den Städten der Ostküs- kann Objekte bis 90 Zentimeter Größe te Brasiliens verantwortlich ist. Diese scannen: Antilopen- und Gorillaschä- Schlangenart macht während ihres del, die im Rahmen des Umzugs der Lebens einen Nahrungswechsel durch: Schädelsammlung digitalisiert wer- Junge Tiere fressen Amphibien, Rep- den; in Alkohol eingelegte Präparate, tilien und Insekten; erwachsene Tiere die quasi mit Haut und Haar zerstö- fressen kleine Säugetiere. Das Gift der rungsfrei durchleuchtet werden kön- Jungtiere ist daher anders zusammen- nen, oder auch Fossilien. Das CT wird gesetzt als das der Erwachsenen. Dies von nationalen und internationalen ist für die Entwicklung von Antiseren Partnern gerade in Pandemiezeiten bedeutsam und wurde erst kürzlich stark nachgefragt, denn so können die von Forschenden herausgefunden. Der Schädel dieser brasilianischen digitalen Objekte weltweit für die For- In einem Forschungsprojekt in Die hochauflösenden CT-Scans machen schung zugänglich gemacht werden, Zusammenarbeit mit der Universität Giftschlange, einer Grubenotter, wird ohne dass Forschende in Bahn oder in São Paulo geht es um die morpho- Kiefermuskeln, Gehirn und Giftdrüsen ohne Schädigung durchleuchtet Flieger steigen müssen. Mahlow wird logische Analyse der Giftdrüsen: Wenn sichtbar und erforschbar 22 23
kalender Gut leben innerhalb # WildWalk Natur für alle der planetaren Grenzen – geht das? Wie legen wir los? Unser derzeitiges Wirtschaften verbraucht massiv Ressourcen, hat gravierende Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit, es sprengt die plane- taren Grenzen. Wir brauchen neue Wege, um menschliches Wohl- Das Museum für Naturkunde Berlin befinden und Wohlstand überall zu erweckt mit der Pop-up-Ausstellung ermöglichen und zugleich die #WildWalk leerstehende Ladenlokale Natur – unsere Lebensgrundlage – zu neuem Leben. Mit den Mini-Aus- zu schützen. Was bedeutet das stellungen wird der Verwaisung der konkret für unser Wirtschaften? Geschäftsstraßen entgegengewirkt. Welche Abstimmungen zwischen Freie Gewerbeflächen werden in (scheinbar) konkurrierenden Szene gesetzt und stechen als mög- Bedürfnissen und relevanten liche Orte für neue Projekte hervor. Akteuren sind dafür nötig? Wer ist Die Ausstellung ist so wandlungsfähig konkret gefordert? Anhand welcher wie Berlin selbst – ist ein Ladenlokal Kennzahlen lässt sich Erfolg messen? neu vermietet oder ein Geschäft wieder geöffnet, verschwindet die Diese Fragen beleuchtet das Museum temporäre Inszenierung. Dafür poppt für Naturkunde Berlin in der englisch- ein neues Fenster an einer ande- sprachigen Podiumsdiskussion „How ren Stelle Berlins auf. Die Stationen economics can save the world – invi- sind über den Stadtraum verteilt und tation and call for change“ gemeinsam über eine interaktive Karte zu finden. mit internationalen Expert*innen aus Fotos: J Henr y Fair, Lisa Ziegler / MfN #WildWalk ist ein Versuch, trotz Forschung, Politik und Praxis Social Distancing positive Erlebnisse am 21. Juni 2021 zwischen 17.00 und Inspiration zu schaffen, ein und 18.30. Appell, nach vorne zu schauen und Foto: Lisa Ziegler / MfN Informationen zum Podium unter: Neuanfänge zu wagen. Das Projekt „Remains museumfuernaturkunde.berlin/de/ wurde im Rahmen des Aktionsplans der Of The Forest“ Baggerspuren im podiumsdiskussion-how- Leibniz Forschungsmuseen realisiert. Braunkohletagebau Hambach economics-can-save-the-world Take a walk on the wild side! 25
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