Journal Adlershof - "Lasst uns reden!" Innovation beginnt mit den richtigen Worten
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Adlershof Journal Juli | August 2020 „Lasst uns reden!“ Innovation beginnt mit den richtigen Worten Digitale Übersetzer: Werkzeug Sprache: Detektivarbeit wider die Wird Sprachen lernen, Die Macht des Gesagten Demenz: Früherkennung bald überflüssig? von Alzheimer
Adlershof Journal JULI | AUGUST 2020 10 5 8 INHALT AUS DER REDAKTION 3 ESSAY Viel zu sagen Die Macht des Gesagten: Werkzeug Sprache Muttersprache, Fremdsprache, Programmiersprache, Zeichen- 4 IM GESPRÄCH MIT sprache, Blindensprache, Werbesprache, Jugendsprache, Körper- Yvonne Dertinger, Trainerin für interkulturelle Kompetenz sprache – ich könnte die Aufzählung beliebig fortsetzen. Sie mer- ken schon: Es geht um Kommunikation. 5 MENSCHEN Die Sprachbegeisterte: Sasa Petrovic betreut in Adlershof das Sprache ist ein „weites Feld“, immer dem Wandel unterworfen. Photovoltaik-Zentrum Wie kommunizieren die Adlershofer Wissenschaftler/-innen heute, wollten wir wissen. Unsere Journal-Autorin Nora Lessing hat bei 6 TITELTHEMA einem Mathematikprofessor und einem Planetenforscher nachge- Hey, Fremdsprache! Inwieweit sind Übersetzungsmaschinen fragt (S. 8 f.). „Fachchinesisch“ ist immer weniger angesagt, wenn in der Lage, präzise Sprachergebnisse zu liefern es darum geht, bei Pitches oder Wettbewerben Forschungsergeb- nisse zu präsentieren. Stattdessen stehen Forschende immer öfter 8 EINBLICKE vor der Aufgabe, wissenschaftliche Themen knapp gefasst, ver- Von Weltraumschnappschüssen und wilden Zahlen: ständlich und möglichst unterhaltsam vorzutragen. Die Medien- Zwei Naturwissenschaftler berichten, wie sie ihre wissen- schaftichen Erkenntnisse in die Welt tragen trainerin Sylvia Acksteiner gibt Tipps, wie das gelingt (S. 16). Dass an einem international aufgestellten Standort wie der 10 UNTERNEHMEN Wissenschaftsstadt Adlershof nicht nur auf Deutsch kommuni- Detektivarbeit wider die Demenz: Früherkennung von Alzheimer ziert wird, ist keine Überraschung. In diesem Heft hinterfragen wir darum auch das Sprachenlernen. Denn Übersetzungsmaschinen 12 FORSCHUNG und Programme, angefangen bei Google Übersetzer bis Deepl Raus mit der Sprache: In den Deutschkursen geht es nicht um perfekte Deklinationen, sondern die eigenen Gedanken Translator, haben unglaubliche Fortschritte gemacht. Werden ausdrücken zu können sie den Beruf des Dolmetschers und Übersetzers zukünftig über- flüssig machen? Müssen wir bald gar keine Fremdsprachen mehr 14 NACHGEFRAGT lernen? (S. 6 f.) Dass es viele gute Gründe gibt, Fremdsprachen zu Über gesprochene Pausen und den Respekt: Wie geschlechter- lernen, zeigen die Beispiele von Sprachcoaches wie Yvonne gerechte Sprache uns prägt Dertinger (S. 4) und Yanik Avila (S. 12 f.). Die Erfahrung, in eine an- dere Sprache und Kultur einzutauchen, ist nicht ersetzbar. 16 MEDIEN Seriöse Forschung leicht präsentiert: Warum Medientraining Auch die Macht, die Sprache hat, streifen wir in dieser Ausgabe. wichtig ist Sowohl im Essay (S. 3) als auch im Artikel zur geschlechtergerech- ten Sprache (S. 14 f.) wird deutlich: Wir tragen Verantwortung im 17 GRÜNDER Umgang mit Sprache. Die Asbest-Scouts: Schädlichen Fasern auf der Spur 18 KURZNACHRICHTEN | IMPRESSUM Auf gute Kommunikation! Herzlich, Ihre Sylvia Nitschke Chefredakteurin Ausführliche Texte und Adlershofer Termine finden Sie unter: www.adlershof.de/journal
ESSAY Unser Werkzeug ist die Sprache – sie formt unser aller Lebenswelt. Wer mitgestalten will, sollte sie gewissenhaft und wachsam ein- setzen. Die Macht des Gesagten Es gibt Tage, an denen wünsche ich mir, alles Negative in der Sprache bedeutet Macht, positiv wie negativ. Diese sollte zum Welt mit einer Fernbedienung einfach ausknipsen zu können. Von Einsatz kommen, wenn sie von anderen gegen Minderheiten Rassismus bis Sexismus, von der Klimakatastrophe bis zu auto- missbraucht wird. Sprache befähigt uns zu kritisieren und zu ver- kratischen Staatschefs. Die Liste ist lang. bessern, wer zum Beispiel bewusst wie unbewusst Rassismen reproduziert hat, beleidigt oder stigmatisiert. Es ist unsere Pflicht, Gerade weil das alles so tief verwurzelt ist, die knöchernen Struk- dagegen vorzugehen. Denn es sind nicht nur Worte. turen, auf denen unser System gebaut ist, oftmals so starr und unabänderbar wirken, die Schichten unendlich, bis die Welt tat- Worte formen unser Fühlen, Denken, Handeln – unser aller Wahr- sächlich Gleichberechtigung oder Frieden schreiben würde, fühlen nehmung; prägen das Miteinander, das sich weiter verhärtet, sich manche hilflos. Wo anfangen, wo aufhören? Puh! wenn nicht achtsam genug mit Sprache umgegangen wird – und im Gegenteil Herzen aufsteigen lässt, wer auf Bedürfnisse und Diese Fernbedienung jedenfalls gibt es nicht. Augen, Mund, berechtigte Forderungen anderer – oder die eigenen – eingeht. Ohren zu, funktioniert auch nicht. Darf es nicht. Gerade weil die Online wie offline. Welt komplexer wird, zusätzlich das Internet den Informations- wust gleichermaßen lichtet und überfüllt, darf die individuelle Sich gegen Hörgewohnheiten zu stellen, bedeutet zum Beispiel Verantwortung nicht einfach so abgegeben werden. auch zu gendern. Allein mit diesem verhältnismäßig kleinen Schritt lässt sich schon ein Zeichen für eine inklusive Gesellschaft Natürlich können wir (fast) alle nichts für die Welt, in die wir hin- setzen. Man signalisiert: Ich sehe und respektiere dich. Natürlich eingeboren wurden. Was wir aber können, ist es, die Wirklichkeit bedarf ein Umgewöhnen Anstrengung. Doch die Energie ist gut darin bewusst mitzugestalten, und zwar mit einem Werkzeug, angelegt. mit dem die allermeisten von uns ausgestattet sind: unserer Sprache. Der Schlüssel zum menschlichen Sein. Stichwort Gewohnheiten – die sollen ja menschlich sein. Viele der Sprachcodes und Formulierungen, die so feststehen wie die Regel, Wenn wir verbalisieren, was in unserem Inneren, unseren Ge- dass man bei Rot stehen bleiben soll, bleiben ja. Doch flexibel danken passiert, was wir beobachten und fühlen, wenn wir Un- auf Bedürfnisse von Mitmenschen einzugehen, sollte selbstver- gerechtigkeiten jeder Art und Missstände zum Ausdruck bringen, ständlich sein. schaffen wir Verständnis für uns selbst und unsere Mitmenschen. Übrigens auch im aller kleinsten Kreis. Allein in Liebesbeziehun- Immer wieder aufs Neue ganz genau hinhören, justieren; über- gen zu reden, ist Gold wert. rascht und empört sein, wenn Narrative reproduziert werden, die sich gegen einen großen Teil unter uns aussprechen und die Welt Zu kommunizieren bedeutet, nicht nur am Tresen auszusprechen, damit nur für „Gewinner“ der Gesellschaft lebenswert machen. was wir trinken wollen. Sondern: Dinge sichtbar werden zu lassen und damit Empathie zu schaffen. Wer sich selbst kennenlernt, Sprache als Waffe. Wie schön es doch wäre, wenn sie nicht mehr kann auch andere kennenlernen. Verständnis trifft auf Verständ- zum Einsatz kommt, weil jemand geschossen hat. Weil sich die nis – so einfach. Gesellschaft auf neue Codes geeinigt hat, die in unserer Welt nur ausschließen, wer andere ausschließt. Paulina Czienskowski, freie Journalistin aus Berlin Adlershof Journal | Juli_August 2020 3
INTERVIEW Yvonne Dertinger mit ihrem Haflinger, an dem sie eine Reitbeteiligung hat, in Zeuthen Name: Yvonne Dertinger Jahrgang: 1979 Beruf: Dozentin für Deutsch als Fremd- sprache und Trainerin für inter- kulturelle Kompetenz Wohnort: Eichwalde, Brandenburg die mir ihre Tätigkeiten und Forschungsar- beiten erklärt haben, lernte ich viel. Unterrichten Sie einzeln oder in Gruppen, digital oder analog? All das. Einzelunterricht ist für mich die Kür, weil ich hier ganz intensiv auf mein Gegen- über eingehen kann. Ich coache momentan einen türkischen Literaturprofessor, der sich auf eine Präsentation über seine For- schungen auf Deutsch vorbereitet. Wir dis- Im Gespräch mit kutieren über seine Inhalte, damit er auch die richtigen Worte zwischen den Zeilen Yvonne Dertinger findet. Digitalunterricht ist in Corona-Zei- ten besonders angesagt, ansonsten stehe ich aber am liebsten direkt vor den Lernwil- ligen. Sprachcoaches sind nicht selten, aber trotzdem gefragt. Es sind die Nuancen einer Sprache, die im persönlichen Austausch gelernt werden, sagt Yvonne Dertinger. Welche Lernmethoden bevorzugen Sie? Sie unterrichtet seit 13 Jahren Deutsch als Fremdsprache, inzwischen auch in der Das hängt vom Lerntyp ab. Meist ist es Kombination „Fachdeutsch Technik“. Seit Mai letzten Jahres ist sie für die viadrina eine Kombination von Hören, Sprechen, sprachen GmbH, eine Tochter der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) tätig, Schreiben. Ich lasse gern Zeitungsartikel die auch eine Dependance im Technologiepark Adlershof hat. Dertinger hat an der bearbeiten und Kurzgeschichten lesen, baue aber auch praktische Aufgaben ein. Berliner Humboldt-Universität Anglistik, Amerikanistik, Russisch und Soziologie Mit Medizinern habe ich zum Beispiel die studiert. Schon als Schülerin hat sie sich für Sprachen begeistert und etwas getan, was stabile Seitenlage geübt. Ein anderes Mal vor 30 Jahren durchaus verbreitet, heute allerdings eine Rarität ist: Sie verschickte habe ich im Unterricht die Yogamatte aus- handgeschriebene Briefe in die ganze Welt. Der Zauber, den Sprachen und fremde gerollt. Sprache und Bewegung gehören Kulturen auf sie ausüben, hat bis jetzt nicht nachgelassen. für mich zusammen. Daher empfehle ich beim Sprachen lernen, ein paar Schritte zu gehen. Und Lernkärtchen schreiben und in Adlershof Journal: Was bietet die Woher kommt Ihre Sprachenleidenschaft? die Hosentasche stecken, um jederzeit wie- viadrina sprachen GmbH in Adlershof an? Mit 13 Jahren las ich in der Zeitung eine derholen zu können. Yvonne Dertinger: Neben der klassischen Annonce über einen in Irland gegründe- Sprachvermittlung sind das Kommunikati- ten internationalen Briefklub. Dort bekam Wann haben Sie zuletzt etwas Neues onstrainings, Konfliktmanagement, Diver- ich die ersten 20 Adressen. Ganze Nächte gemacht? sity Management und Coaching. habe ich als Schülerin durchgeschrieben, Ich habe eine Ausbildung als Trainerin für hauptsächlich auf Englisch, ein paar russi- interkulturelle Kompetenzen bei artop Welche Zielgruppen stehen dabei im sche Briefe waren auch dabei. Fünf bis zehn (An-Institut der Humboldt-Universität zu Fokus? Seiten lang waren die handgeschriebenen Berlin/Anm. d. Red.) gemacht. Das sind ganz unterschiedliche Gruppen, Briefe, schön gestaltet die Umschläge mit die eine globalisierte Welt mit sich bringt. Wie verbringen Sie Ihre Freizeit? kleinen Geschenken drin wie Postkarten, Adlershof ist ein internationaler Stand- Über meine jetzt achtjährige Tochter bin Fotos, Münzen, Flaggen. Auf insgesamt 40 ort. In vielen Unternehmen und Institu- ich vor drei Jahren wieder zum Reiten ge- Brieffreundschaften aus der ganzen Welt ten wird Englisch gesprochen, Produkte kommen. Wir sind beide Mitglieder im kam ich in den Folgejahren. Einige pflegte werden weltweit verkauft, internationale Reitverein SG Zeuthen-Wüstemark und ich über zehn Jahre, einige Brieffreundin- Kongresse besucht, Forschungsaufenthalte nen lernte ich persönlich kennen. Heute haben auch eine Reitbeteiligung. Ich an ei- geplant. Deutsche Muttersprachler wollen ner Haflinger-Stute und meine Tochter an habe ich noch über Facebook Kontakt zu ihre Sprachkenntnisse einer Fremdspra- einem Deutschen Reitpony. Das bedeutet einer Amerikanerin, die jetzt in China lebt, che vertiefen, Zugereiste und Gastwissen- nicht nur Ausritte, sondern auch regelmä- und zu einer Engländerin. schaftler Deutsch lernen, um sich auch ßige Mitarbeit auf dem Pferdehof. Dazu außerhalb der Arbeit besser zu integrieren. Woher kommt das Technikinteresse? gehören Boxen ausmisten, Pferde striegeln Wichtig sei es, interkulturelle Unterschiede Ich habe mehr als drei Jahre an der Techni- und füttern oder den Hof zu harken. Meine zu kennen. Das gilt sowohl für Personen, schen Hochschule Wildau das Modul „Fach- zweite Leidenschaft ist das Reisen, egal ob die internationale Teams führen, als auch deutsch Technik“ unterrichtet. Da habe Städte- oder Fernreisen. Außerdem horte für Vertriebler, die Kunden in verschiede- ich ganz viel über Technik gelernt, musste ich Bücher, ich liebe es zu lesen. Vorrangig nen Ländern haben. mich immer wieder in neue Arbeitsgebiete amerikanische und englische Literatur – einarbeiten, um die Fachtermini zu durch- Paul Auster ist mein Lieblingsschriftsteller dringen. Auch von den Kursteilnehmenden, –, aber auch ganz viele Fachbücher. sn 4 Adlershof Journal | Juli_August 2020
MENSCHEN Die Sprachbegeisterte Saša Petrović betreut in Adlershof das Photovoltaik-Zentrum Was sie schließlich nach Adlershof geführt hat? Im Grunde waren es zwei Vorlieben, die Saša Petrović spätestens seit ihrer Schulzeit begleiten. Die Begeisterung für Sprachen, insbeson- dere die deutsche. Und die Neigung zu den Naturwissenschaften. Die eine Vorliebe bestimmte die Wahl des Studienfaches: Mole- kularbiologie an der Universität ihrer Heimatstadt Zagreb. Zagreb gehörte noch zu Jugoslawien, als Petrović vor 31 Jahren geboren wurde. Die andere Vorliebe hatte zur Folge, dass sie nach Bache- lor und Master in Kroatien das Studium mit einer Promotion in Deutschland abschloss. „Ich liebe Sprachen. Ich finde Sprachen wirklich interessant, auch die verschiedenen Dialekte“, sagt Petrović . Mit dem Deutschen hat sie schon auf dem Gymnasium in Zagreb Bekanntschaft ge- macht. Es fiel ihr nicht schwer: „Ich habe auch ein bisschen Fran- zösisch gelernt, aber nie benutzt.“ Im kroatischen Bildungswesen ist Deutsch als Fremdsprache neben dem Englischen noch recht solide verankert, aus historischen und geographischen Gründen, vermutet Petrović. Bei dieser Vorgeschichte lag die Entscheidung nicht fern, 2012 zwei Praktika zunächst an der Universität in Konstanz, später am Forschungszentrum in Jülich zu absolvieren: „Ich hatte dabei ein gutes Gefühl. Ich konnte schon die Sprache, und die Forschung ist in Deutschland sehr stark.“ So blieb es nicht bei zwei Aufenthalten. Nach dem Master in Kroatien 2013 zog Petrović endgültig nach Berlin, ans Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, wo sie fünf Jahre später ihre Doktorarbeit schrieb und verteidigte. Aus dieser Zeit datiert auch ihr Engagement beim lokalen Sportverein, dem SV Buch, dessen Volleyballsparte sie nach wie vor verbunden ist. Zweimal in der Woche hat sie dort trainiert – vor Corona. „Molekulare Strukturen“, „molekulare Maschinen“, „Enzyme“, „Proteine“ sind die Stichworte, die auf die Frage nach dem Thema der Dissertation fallen. Grundlagenforschung – eine dauerhafte Zukunft sah Petrović hier nicht: „Ich wollte damals in Richtung Management. Sehen, was wirklich in der Welt passiert. Was die Unternehmen machen, die wirklich einen Unterschied ausma- In der Freizeit spielt Saša Petrović gern Beachvolleyball, hier hinter dem Forum Adlershof chen.“ Die Synthese von wissenschaftlicher Forschung und be- trieblicher Praxis, das war, was sie reizte. So kam sie Anfang des Jahres als Technologie-Managerin zur WISTA Management GmbH: „Adlershof ist wirklich ein besonderer Platz.“ Sie sieht sich als Ermöglicherin interdisziplinärer Synergien: Seit März 2020 betreut sie hier im ZPV, dem Zentrum für Photo- „Manchmal kennen die Unternehmen die eigenen Nachbarn voltaik und Erneuerbare Energien, und in zwei weiteren Gebäuden nicht.“ Petrović brennt darauf, daran endlich etwas ändern zu des Zentrums für Photonik und Optik rund 50 Zukunftstechno- können. Menschen zusammenbringen, Kontakte vermitteln – logie-Firmen. derzeit nicht so einfach. wid ANZEIGE Mit Sicherheit...gut versorgt. Hörakustik Hör-Kompetenz seit 28 Jahren. ren KorneliaLehmann Vereinba In unseren inhabergeführten Hörakustik-Fachgeschäften Sie eine n Albert-Einstein-Str. 4 | Adlershof | Tel. 030-639 22 437 wird Ihre individuelle Hörversorgung zur Chefsache erklärt. Termin! Parkplätze im Parkhaus direkt gegenüber Dörpfeldstr. 36 | Adlershof | Tel. 030-209 53 833 www.hoerakustik-lehmann.de Brückenstr. 2 | Schöneweide | Tel. 030-636 4646 Adlershof Journal | Juli_August 2020 5
TITELTHEMA Simon Wolff vor dem Springbrunnen am Nettelbeckplatz in Berlin-Wedding, einem seiner Lieblingsplätze Für viele sind die Übersetzungs-App auf dem Smartphone oder der Translator von Google auf dem Rechner wertvolle Werkzeuge. Die Programme funktionieren immer besser. Warum eigentlich? Und wo sind die Grenzen? Werden unsere Kinder künftig womöglich gar keine Fremdsprachen mehr lernen? E ine kleine zweisprachige Plauderei über Gott und die Welt, die so abläuft, dass kaum der Verdacht keimt, sich mit einem Compu- ter zu unterhalten? Das ist keine Science-Fiction, sondern das Ziel, an dem unter anderem Alan Akbik, Professor für Machine Learning an der Humboldt-Universität zu Berlin, arbeitet. Sein Forschungs- schwerpunkt ist Natural Language Processing, also die maschi- nelle Verarbeitung natürlicher Sprache, kurz: NLP. Mit diesen Tech- niken und Methoden gelingt es unter anderem, dass Maschinen uns verstehen, wenn wir, salopp formuliert, sprechen, wie uns der Schnabel gewachsen ist. Auch der Sinn des Gesprochenen wird 6 Adlershof Journal | Juli_August 2020
erkannt, so dass die Software beispielsweise logische Schlüsse ziehen und Anschlussfragen stellen kann, was sich dann, wenn es gut läuft, wie ein natürliches Gespräch anfühlt. „Mein Forschungsziel ist es, Maschinen das Verständnis der menschlichen Sprache zu ermöglichen“, sagt der Adlers- hofer Forscher. Keine leichte Aufgabe: „Ein großer Teil davon besteht darin, Maschinen ein besseres Verständnis der Welt zu vermitteln, was wir durch Modellierung des sprachlichen Weltwissens in Form neuronaler Sprachmodelle angehen.“ Stichwort: „Deep Learning“, also maschinelles Lernen, das so ähnlich wie Lernvorgänge in unserem Gehirn abläuft. Und das heißt: büffeln, büffeln, büffeln. Die Rechner werden mit aberwitzig vielen Paaren von Vokabeln, Sätzen und Kurztex- ten gefüttert. Mit diesem millionenfachen Input wird die Übersetzungssoftware angelernt, die wiederum von selbst dazulernt. Allerdings gibt es Grenzen: „Eine große Einschränkung be- steht darin, dass diese Ansätze sehr datenhungrig sind“, er- klärt Akbik. Soll heißen: Die Qualität des maschinellen Über- setzungssystems hängt davon ab, wie viele Daten für ein Sprachpaar verfügbar sind. Akbik: „Die Daten sollten auch aus der richtigen ‚Domäne‘ stammen.“ Wenn man also medizini- sche Texte übersetzen möchte, müssen die Trainingsdaten auch medizinische Texte sein. „Dies ist ein großer Engpass, da solche Trainingsdaten nicht immer verfügbar sind“, sagt der Forscher. Eine weitere Einschränkung komplexer neuronaler Ansätze bestehe darin, so Akbik, dass das zugrunde liegende Modell letztlich eine „Black Box“ sei, die mit Datenbeispielen trainiert wird: „Das macht es schwierig zu verstehen, welche Übersetzungsfehler das System macht (auch als ‚Halluzina- Informatiker mit Leidenschaft: Alan Akbik ist Professor für tionen’ bezeichnet) und welche Art von Wissen im Modell Machine Learning an der Humboldt-Universität zu Berlin noch fehlt, um es zu verbessern.“ Nichtsdestotrotz findet der Forscher, dass, speziell seit 2016, durch auf neuronale Netze basierende Ansätze maschinelle „Ein Algorithmus kann das nicht“, betont er. Sich in eine Übersetzer „unglaubliche Fortschritte“ gemacht haben. andere Sprache einzufühlen zeige sich im Idealfall daran, dass man dem übersetzten Text nicht mehr anmerke, dass Den technologischen Sprung registriert auch Übersetzer Si- dieser ursprünglich in Deutsch verfasst wurde. Künst- mon Wolff, der seit Jahren unter anderem für die WISTA Ma- lich intelligente Systeme werden wohl nie den speziellen nagement GmbH arbeitet: „Der Unterschied im Vergleich zu Sound eines Textes, feinen Humor oder würzige Wortspiele vor fünf Jahren ist gewaltig: Während Übersetzungen von wiedergeben können. Dafür wird es weiterhin Menschen Google & Co. vorher mehr als hölzern waren und kaum die wie Wolff geben müssen. Den Job von Dolmetschern bei korrekte Wortwahl gelang, klappt das nun deutlich besser.“ Friedensverhandlungen Maschinen zu überlassen, wäre Er staunt, dass Programme wie DeepL sogar automatisch für ihn undenkbar, denn dabei spielen Nuancen und Tona- den Satzbau an die Zielsprache anpassen. Bei stark forma- lität mitunter die entscheidende Rolle. lisierten, kodifizierten Texten, etwa aus der Medizin oder Rechtsprechung, kann sich Wolff gut vorstellen, dass mittels Allerdings: „Privatleute, die keine Lust haben, eine Fremd- Machine Learning in einigen Jahren tatsächlich Maschinen sprache zu lernen, können im Urlaub durchaus mit dem den Übersetzerjob komplett übernehmen können. allseits bereiten Smartphone in der Tasche ganz gut durch die Welt kommen“, meint Wolff. Aus seiner Sicht gibt es Er selbst glaubt nicht, dass seine Arbeit absehbar durch trotzdem viele gute Gründe für das Erlernen einer neuen künstliche Intelligenz ersetzbar ist: „Solange es um das Was Sprache. Dem muss auch Akbik beipflichten: „Eine neue geht, kann das der Computer übernehmen. Nicht jedoch, Sprache zu lernen, sprechen und verstehen, ist eine der wenn es um das Wie eines Textes geht. Also um Emotio- lohnendsten Erfahrungen, die man machen kann“, sagt nen, Atmosphäre und Intention des Autors, die transportiert er, und: „Die maschinelle Übersetzung kann die Erfahrung, werden sollen.“ Wie etwa in journalistischen, aber auch in eine andere Sprache und Kultur einzutauchen, nicht werblichen Texten. Wolff, deutsch-englischer Muttersprach- ersetzen.“ cl ler, legt bei seiner Arbeit großen Wert auf natürliche Sprache, Lesbarkeit und Sensibilität für kulturelle Feinheiten. Adlershof Journal | Juli_August 2020 7
EINBLICKE Von Weltraumschnappschüssen und wilden Zahlen Zwei Adlershofer Forscher berichten, wie sie ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Welt tragen. Aufgezeichnet von Nora Lessing. auf dem die Erde erstmals als verletzlicher Planet inmitten schwarzer Leere aufleuchtet. Jahrzehntelange Spitzenforschung, hochkomplexe Berechnungen und millionenschwere Experi- mente, verdichtet in einer einzigen Aufnahme. „Das ist ein Bei- spiel für die ikonische Kraft des Bildes“, freut sich Ulrich Köhler vom DLR. „Dass wir Planetenforscher mit Bildern arbeiten kön- nen – damals vom Mond, heute zum Beispiel vom Mars –, ist ein großes Glück. Ohne diese Aufnahmen wäre es für uns sehr schwierig der Öffentlichkeit zu vermitteln, woran wir arbeiten.“ Abseits spektakulärer Weltraumfotografie müssen sich Köhler und das Planetenforschungs-Team manchmal auch an Phäno- mene herantasten, die strenggenommen gar nicht darstell- bar sind: die Dunkle Materie zum Beispiel – eine unsichtbare Teilchenart, die über Gravitation mit Himmelskörpern wechsel- wirkt. „Mein früherer Institutsdirektor hat immer gesagt, man kann bis zu einem gewissen Grad vereinfachen, aber die Ein- steinsche Raumkrümmung wird immer eine Raumkrümmung sein. Zu stark zu vereinfachen – da bleibt der Kern der Sache auf der Strecke.“ Auch stoße die menschliche Vorstellungskraft angesichts eines sich unendlich ausdehnenden Universums schlicht an ihre Grenzen. „Was war davor? Was liegt hinter dem Universum? Das berührt dann schon Gebiete der Theologie oder Mathematiker Jürg Kramer Philosophie.“ Dass abstraktes Wissen mitunter schwer zu vermitteln ist, ist F arbstarke Experimente, spektakuläre Bilder, elegante Glei- chungen. Es gibt unzählige Arten, wissenschaftliche Erkennt- auch dem Mathematikprofessor Jürg Kramer wohlbekannt. Bilder, Objekte, Videos oder Klangaufnahmen, die den Wissens- transfer unterstützen könnten, sind in der theoretischen Ma- nisse an die Frau und den Mann zu bringen. Doch was für die thematik knappe Güter und so müssen er und seine Kollegen angewandten Naturwissenschaften gilt, gilt noch lange nicht zumeist auf Zahlen und Sprache zurückgreifen. Der Mathema- für die Grundlagenforschung: In puncto Vermittlung bieten tiker sieht das pragmatisch: „In Hinblick auf die konkrete Ver- sich jedem Fach ganz eigene Chancen, kämpft jede Disziplin mittlungsform habe ich eigentlich keine Präferenz. Wichtig ist, mit anderen Fallstricken. Über die Sprache ihres Fachs, die be- Verständnis zu generieren – und eben das Mittel zu verwenden, glückenden Momente, in denen Vermittlung gelingt, und die das hilft.“ Formeln zum Beispiel, mit deren Hilfe sich komplizier- Grenzen des Darstellbaren, sprachen wir mit Jürg Kramer vom te Prozesse prägnant beschreiben lassen. „Das sind kompakte Institut für Mathematik der Humboldt-Universität zu Berlin und Zusammenfassungen von Sachverhalten, die das Verständnis Ulrich Köhler vom Institut für Planetenforschung am Deutschen erleichtern. Im Kontext von Corona etwa: Die Zunahme von Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Erkrankten über die Zeit war anfangs ziemlich genau proporti- onal zur jeweiligen Anzahl der Erkrankten und ließ sich deshalb Weihnachten 1968: Plötzlich blitzt hinter der lebensfeindlich als Exponentialfunktion beschreiben.“ Übertragen lassen sich grauen Kraterlandschaft des Mondes die leuchtend blaue Erde solche Funktionen in anschauliche Kurven, wie sie aktuell etwa hervor. Bill Anders, Besatzungsmitglied der Apollo 8-Mission, auf den Seiten des Robert Koch-Instituts oder des Johns Hopkins drückt auf den Auslöser. „Earthrise“ heißt das Jahrhundertbild, Coronavirus Research Center zu sehen sind. 8 Adlershof Journal | Juli_August 2020
Planetenforscher Ulrich Köhler vor dem Erdglobus im Naturkundemuseum Berlin Noch eine andere große Stärke hätten mathematische Unter- Vertreterin dieser unendlich langen Zahlen. In der mathema- suchungen, sagt der Wissenschaftler und meint ihre Fähigkeit, tischen Fachsprache werden sie und ihre zahlreichen, „wilden“ feine Unterschiede präzise zu benennen. Bei der Suche nach Schwestern als transzendent bezeichnet – als Zahlen also, deren Lösungen für ein Problem gelte es allerdings, zunächst zu er- Eigenschaften geläufige Erklärungsmuster und Vorstellungen mitteln, ob es überhaupt eine Lösung gibt – und wenn ja, ob überschreiten. eine, mehrere oder vielleicht sogar unendlich viele. „Die Spra- che ist hier ein unverzichtbares Instrument, ohne das man Allen Unterschieden zum Trotz haben angewandte Planetenfor- nicht weiterkommt.“ Abseits von Exaktheit habe die Welt der schung, theoretische Mathematik und deren Vermittlung am Zahlen auch eine überaus chaotische Seite, berichtet Jürg Ende Entscheidendes gemeinsam: Sie suchen nach Wahrheit und Kramer, so dass sich Mathematik „als Wechselsprache zwi- Struktur, wollen die Welt abbilden, wie sie ist, berühren Mensch- schen Ordnung und Wildwuchs“ offenbare. Ein Beispiel: „In heitsfragen – und stoßen im unendlich kleinen Zahlenraum der Schule lernt man, dass Bruchzahlen entweder abbrechen ebenso wie im unendlich großen Universum an die Grenzen des oder periodisch sind. Tatsächlich aber bricht die Mehrzahl nicht Vorstellbaren. „Ob hier nun Forschung in Theologie übergeht ab – und in ihnen ist auch überhaupt kein Muster zu erkennen.“ oder in Philosophie: Vielleicht ist das ganz gut so“, kommentiert Die Kreiszahl Pi, die bislang auf mehr als 30 Billionen Nach- Ulrich Köhler mit einem Augenzwinkern. „Wenn wir schon alles kommastellen berechnet wurde, ist wohl die prominenteste wüssten, bräuchte man uns vielleicht nicht mehr.“ nl ANZEIGE Adlershof Journal | Juli_August 2020 9
UNTERNEHMEN Detektivarbeit wider die Demenz Seit 2011 arbeitet die Predemtec AG an einem Verfahren zur Früherkennung der Alzheimer-Krankheit, das auf Blutanalysen und eigens entwickelten Algorithmen basiert. Sechs Biomarker hat das Team identifiziert, deren Konzentration und Verhältnis zueinander auf ein Alzheimer-Risiko schließen lässt. D er Gedächtnisverlust kommt schleichend. Betroffene und ihre Umwelt merken nicht, dass der Zelltod im Vorder- und Zwischen- von Alzheimer voran. Anstatt des bisherigen Goldstandards, bei dem Nervenwasserproben aus der Wirbelsäule entnommen und hirn im vollen Gange ist, weil das Gehirn die Verluste bis zu zehn analysiert werden, arbeitet das Start-up am Alzheimer-Nachweis Jahre lang kompensieren kann. Wenn Alzheimer auffällt, ist es im Blutserum, damit Hausärzte die Früherkennung in Routine- in der Regel zu spät. Immer mehr alternde Zellen verlieren ihre Bluttests mitabdecken können. Widerstandsfähigkeit und erleiden irreparable Schäden in Stoff- wechselprozessen. Dann schlägt die Krankheit gnadenlos zu. Für den Nachweis hat das Team sechs Biomarker identifiziert, die Sie raubt den Patienten alles, was sie ausmacht: ihre Erinnerung, im Serum per ‚Enzyme-linked Immunosorbent Assay‘- (ELISA-) Orientierung und in schweren Verläufen auch die Sprache. Verfahren nachweisbar sind. „Wir analysieren immunologische Faktoren und Moleküle, die mit der Neuro-Regeneration in Ver- Mitte 2018 hat Carola Schipke den Kampf gegen Alzheimer zu bindung stehen“, erläutert Schipke. Anhand ihrer Konzentration ihrem Hauptberuf gemacht. Die Biochemikerin hatte bis dahin und dem Verhältnis zueinander können eigens entwickelte Algo- an der Berliner Charité viele Jahre im Bereich Neurowissenschaf- rithmen das Alzheimer-Risiko mit über 80-prozentiger Genauig- ten geforscht, um die Signalübertragung in Gehirnzellen und keit bestimmen. In Anbetracht der Tatsache, dass die relevanten molekulare Abläufe hinter Erkrankungen wie Depressionen und molekularen Prozesse hinter einer Firewall ablaufen – der für Demenz zu ergründen. Nun wechselte sie zur Predemtec AG und viele Substanzen undurchdringlichen Blut-Hirn-Schranke –, ist wurde deren wissenschaftliche Leiterin. „Ich kannte das Team das ein vielversprechender Wert. Nach jahrelanger Entwicklung und seine Arbeit aus gemeinsamen Forschungsprojekten mit der und vielen Testreihen an Patienten plant Predemtec die Markt- Charité”, berichtet sie. Was sie dabei sah, überzeugte sie. Das Start- einführung des Bluttests samt der gemeinsam mit dem Partner- up treibt seit 2011 ein IT-gestütztes Verfahren zur Früherkennung Start-up Oaklabs entwickelten Software für Ende 2020. ANZEIGE IHRE STEUERMÄNNER AUS ADLERSHOF. WIRTSCHAFTSPRÜFER STEUERBERATER FACHBERATER FÜR INTERNATIONALES STEUERRECHT 10 Adlershof Journal | Juli_August 2020
Carola Schipke forscht mit ihrem Team in der Predemtec AG an der Alzheimerfrüherkennung Spätestens hier stellt sich die Frage, was die Früherkennung dem Ausbruch sein Alzheimer-Risiko kenne, könne seine Gewohn- bringt. Wer möchte schon Jahre im Voraus wissen, dass sein heiten umstellen. Wer erst reagiert, wenn der Gedächtnisverlust Lebensweg unaufhaltsam in die Demenz führt? – Als Forscherin, unübersehbar wird, kommt dagegen zu spät. die sich seit einem Jahrzehnt mit Alzheimer-Diagnostik beschäf- tigt, hat Schipke diese Frage oft gehört. „Unser Test klärt das Alz- Schipke hat einen Weg gefunden, ihr Wissen aus der jahrelan- heimer-Risiko von Patienten mit leichten kognitiven Störungen gen Grundlagenforschung in die konkrete Alzheimer-Prävention mit sehr hoher Genauigkeit ab“, sagt sie, „und sollte durch inten- einzubringen. Mit neuem Team am neuen Standort – Mitte 2019 sive psychometrische Diagnostik ergänzt werden.“ Denn dann er- zog das Unternehmen von Hennigsdorf ins Innovations- und kenne man die Erkrankung in einem Stadium, in dem sich ihr Fort- Gründungszentrum IGZ Adlershof – brennt sie nun auf die Markt- schreiten durch gezielte Gegenmaßnahmen verlangsamen lasse. einführung des Früherkennungstests. Möglich geworden ist er, Etwa, indem Medikamente abgesetzt werden, die die Symptome weil unter dem Dach der Predemtec Biochemiker, Psychologen, verstärken. Oder durch Bewegung und den Verzicht auf Alkohol Informatiker, Mediziner, Geldgeber und Patienten im Sinne des und Nikotin. Und bei manchen Patienten schlagen auch spezifi- Erhalts von Lebensqualität zu einer gemeinsamen Sprache gefun- sche Alzheimer-Wirkstoffe (Acetylcholinesterase-Inhibitoren) gut den haben. Schon damit entfalten sie die exakt gegenteilige an. „Die Krankheit ist nicht heilbar. Aber Patienten können durch Wirkung als ihr Gegner: der Erinnerungs- und Sprachenzerstörer präventives Handeln im Schnitt neun Jahre mit hoher Lebens- Alzheimer. pt qualität gewinnen“, erklärt sie. Wer ein bis zwei Jahrzehnte vor ANZEIGE Adlershof Journal | Juli_August 2020 11
FORSCHUNG RAUS mit der SPRACHE! In den Deutschkursen der IGAFA geht es nicht um perfekte Deklinationen. Entscheidend ist, die eigenen Gedanken ausdrücken zu können und so ins Gespräch zu kommen. Vergleichender Literaturwissenschaft in Zürich; als Stipendiat der Deutschen For- schungsgemeinschaft (DFG) kam er zur Promotion nach Deutschland und zog bald nach Berlin. „Um die Zeit bis zum Abschluss zu überbrücken, fing ich an zu unterrichten“, erzählt er. Es sei ihm wichtig gewesen, keinen Job an der Uni zu über- nehmen, sondern mit Menschen aus an- deren Lebensbereichen zusammenzukom- men. Er habe zunehmend Gefallen daran gefunden. „Am Unterrichten einer Fremd- Adlershof e. V.) kostenfrei angeboten wird. sprache reizt mich zum einen, dass es ei- „Auf der Arbeit ist es sehr internatio- Unterrichtet wird in kleinen Gruppen, nen immer wieder mit sehr verschiede- nen Menschen zusammenbringt“, sagt er. nal, da sprechen wir viel Englisch“, sagt wahlweise auf Anfängerniveau sowie für Ardian Gojani, der vor drei Jahren zur Fortgeschrittene. Die Kurse finden einmal „Zum anderen ist es einfach so, dass mich Bundesanstalt für Materialforschung und wöchentlich statt und dauern jeweils 90 Sprachen in jeder Hinsicht faszinieren, wo- -prüfung (BAM) nach Adlershof kam und Minuten. bei mir gerade diese Form des Unterrichts Verfahren für die Lebensmittelanalyse ent- die Gelegenheit gibt, über alle möglichen „Normalerweise sind wir in einem Semi- wickelt. Kein Problem für den gebürtigen lebensweltlichen Themen und Interessen narraum im IBZ-Gästehaus in der Wil- Kosovaren. Gojani hat zuvor in Japan und nachzudenken – und mich darüber auszu- helm-Ostwald-Straße 3“, sagt der Kurs- den USA gelebt, spricht es fließend. „Aber tauschen.“ leiter Yanik Avila. „Aufgrund der Corona- für den Alltag brauche ich Deutsch, um Pandemie findet der Unterricht derzeit per beispielsweise mit den Lehrern unserer Zoom-Meeting statt.“ Wie auch das Re- beiden Kinder zu sprechen.“ Zudem habe cherchegespräch für diesen Beitrag. Dank die Familie genug vom Umziehen und will seiner zugewandten Art gelingt es ihm, die nächste Zeit in Deutschland bleiben. trotz räumlicher Trennung ein Gefühl von Deshalb lernt er nun auch diese Sprache. Nähe herzustellen. Mit lebhafter Gestik Gojani hat einen Kurs belegt, der von erläutert Avila, wie er zum Deutschlehrer der IGAFA (Initiativgemeinschaft Außer- wurde: zunächst Studium der Germanis- universitärer Forschungseinrichtungen in tik, Philosophie sowie Allgemeiner und 12 Adlershof Journal | Juli_August 2020
Den Schülerinnen und Schülern soll es gelingen, ihre Gedanken in Worte zu fassen, lautet Avilas Ziel, nicht das Beharren auf perfek- ten Deklinationen und Konjugationen. „Dafür fehlt ihnen die Zeit.“ Sie sind als Physiker, Chemikerinnen oder Biologen beruflich stark eingebunden. „Das ist nicht zu vergleichen mit Teilnehmern von Intensivkursen, die ich an einer anderen Schule in Berlin anbiete“, sagt er. „Vier Tage pro Woche mit je drei Stunden, dazu die Nach- bereitung – das hat sich als gutes und effektives Maß erwiesen.“ Für die Teilnehmer in Adlershof hingegen ist Deutsch lernen nur eine von vielen Aufgaben. „Ich habe auch Online-Kurse probiert“, erzählt Ardian Gojani. Doch es sei schwer, sich dafür zu motivieren. „Immer findet sich eine Aufgabe, die dringender ist“, meint er und lacht. Im Kurs von Yanik Avila gibt es feste Zeiten und einen Lehrer, der einen fordert. Nur im Notfall wechselt dieser ins Englische, ansonsten wird kon- sequent deutsch gesprochen, gelesen, gehört. Das hat sich auch in den Zoom-Meetings nicht geändert. Indem Avila seinen Bild- schirm teilt, lassen sich Textaufgaben gemeinsam lösen, über die Tonspur kommen Hörbeispiele und dank Headset und Webcam sind angeregte Gespräche möglich. Gojani mag die intensive Arbeit und stört sich nicht weiter am Unterricht auf Distanz. Avila hingegen empfindet diesen anstrengender, weil es schwe- rer sei, Stimmungen der Teilnehmenden aufzunehmen und bei- spielsweise ein Scherz schon mal missverstanden werde. „Ich habe Verständnis für die Maßnahmen, aber ich freue mich auch, wenn sie vorbei sind“, sagt er. Womöglich kann nach der Sommerpause wieder Präsenzunter- richt erteilt werden. Interessenten sind willkommen. rn Sprachlehrer Yanik Avila und die Gastwissenschaftler Giuseppe Pignatelli und Adrian Gojani (v. l .n .r.) im Garten des IBZ-Gästehauses ANZEIGE Unsere ganze Energie. Stecken wir auch in Ihr Projekt. Seit 1990 Ihr zuverlässiger Partner 0 3 4 9 9 07 61! für individuelle Energielösungen. 03 Sie ger en ne at Wir ber - r Wohn K ä lt e , Strom fü t e n , , ale Bau Wärme mmun ie re , k o . quart ewerbe e und G Industri www.btb-berlin.de Adlershof Journal | Juli_August 2020 13
NACHGEFRAGT Geschlechtergerechte Sprache – ein Thema, um das für die einen zu viel Gewese gemacht wird, das anderen noch viel zu kurz kommt. Wie wird in Wissenschaft und Wirtschaft damit umgegangen? Über gesprochene Pausen und den Respekt A ls Anne Will Ende Mai in ihrer gleich- namigen Sendung ihren Gast Reiner Das tut auch der neue Leitfaden, den die Humboldt-Universität zu Berlin (HU) ihren Holznagel als „Präsident des Bundes der Beschäftigten an die Hand gibt. Es geht Steuerzahler_innen“ begrüßte und an darum, die existierende und die mögliche der Stelle des Unterstrichs eine kleine Vielfalt beim Attribut Geschlecht sowohl Kunstpause machte, sorgte sie damit für sprachlich als auch in Bildern angemessen Aufregung in den (sozialen) Medien. zu repräsentieren. Denn: „Was nicht aus- gesprochen wird, wird nicht sichtbar ge- Die einen halten es für Zeitverschwen- macht und eben auch nicht mitgedacht“, dung und eine unnötige Verkomplizie- bringt es Ursula Fuhrich-Grubert auf den rung, die anderen fühlen sich – als Lese- Punkt. Die Zentrale Frauenbeauftragte der rin, Kundin oder Steuerzahlerin – einfach HU hat den Leitfaden erarbeitet, gemein- nicht mehr mitgemeint, wenn nur das sam mit Angehörigen aller Statusgruppen sogenannte generische Maskulinum der HU sowie den dezentralen Frauenbe- dasteht, das über Jahrhunderte als all- auftragten. umfassend galt. Dazu kommt, dass das Thema geschlechtergerechte Sprache Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Mit viel zu polemisch diskutiert wird. zugänglich formulierten motivierenden URSULA FUHRICH-GRUBERT Hintergründen und einer großen Vielfalt ZENTRALE FRAUENBEAUFTRAGTE DER HU Luise F. Pusch, seit 40 Jahren als feminis- an konkreten Beispielen und sprachlichen tische Linguistin aktiv, hat in ihrem schon Alternativen gibt es Menschen, die Interes- 1984 erschienenen Buch „Das Deutsche se an oder Schwierigkeiten mit dem The- aus den letzten Jahrzehnten – von der als Männersprache“ auf ebenso amü- ma haben, sowohl Denkanstöße als auch Nennung beider Geschlechter über den sante wie scharfsinnige Weise viele Ab- ganz praktische Hilfestellung. Schrägstrich und den Unterstrich bis zum surditäten aufgezeigt, die sich aus dem Sternchen. generischen Maskulinum ergeben. Und „Wir wollen keinen Zwang ausüben, son- die – negativen – Konsequenzen für dern haben ganz bewusst einen Ratgeber Das sogenannte Gender-Sternchen emp- Chancengerechtigkeit und Gleichbe- verfasst, auch mit dem Ziel, Vereinheitli- fiehlt die HU in ihrem Leitfaden. Gesetzt rechtigung. Dabei hat sie vor allem mit chung zu schaffen. Viele wollen in ihrer zwischen die männliche und die zusätz- der Macht argumentiert, die Sprache in täglichen Arbeit geschlechtergerechte lich angefügte weibliche Form, dient es unserem Leben hat. Sprache berücksichtigen, wissen aber als symbolischer Platzhalter für alle Ge- nicht wie“, berichtet Fuhrich-Grubert. Sie schlechtsidentitäten jenseits von „Frau“ sind verwirrt von den diversen Ansätzen und „Mann“. 14 Adlershof Journal | Juli_August 2020
Handschrift. Die wenigen unerfreulichen Kommentare ließen sich an einer Hand abzählen, berichtet Fuhrich-Grubert. Sie WISTA-KOMMUNIKATIONSPROFI weiß allerdings auch, dass sie an einer ALEXANDER SEIFFERT Universität in einem vergleichsweise auf- geschlossenen Umfeld arbeitet. In der Wirtschaft oder der Justiz, wo es Frauen Hier ist also Fingerspitzengefühl gefragt. an sich schon schwerer haben, gebe es Beispielsweise sei völlig klar, dass im größere Widerstände. Kontext von MINT-Berufen beide Ge- schlechter explizit genannt werden. Ein Das ist auch die Erfahrung von Alexander eher technischer Text hingegen brauche Seiffert, Teamleiter digitale Medien bei hier weniger Aufmerksamkeit, findet Seif- der WISTA Management GmbH. Er hat es fert: „Es nutzt mir nichts, wenn ich mich an oft mit der Kommunikation von Inhalten starre Regeln halte, aber mein Text seine für oder von Unternehmen zu tun. Der Zielgruppe nicht mehr erreicht, weil er zu gelernte Radiojournalist kennt das Thema sperrig ist.“ der geschlechtergerechten Sprache seit 30 Jahren. Häufig stünden sich die Fort- Das Fehlen einer sprachlich ausgereiften schrittlichen und die Konservativen sehr Lösung ist auch ein Grund dafür, dass die dogmatisch gegenüber. Entscheidend ist WISTA-Richtlinie bislang keine allumfas- für ihn daher Respekt – im Umgang mit- sende Geschlechterperspektive enthält. einander, mit den Texten, die er bearbeitet, „Es müsste eine Lösung sein, die schon und mit Verfasser wie Leser. Oder, besser Kindergartenkinder problemlos sprechen gesagt, mit Verfasserin und Verfasser wie und so verinnerlichen könnten“, meint Leserin und Leser. Oder: Verfasser/-in wie Seiffert. Eine Idee: Warum nicht eine neue, Weil vor allem in Kombination mit Arti- Leser/-in, wie es im Duden steht. Diese einheitliche Form finden, etwa Physika keln der*die oder ein*eine die Konstruk- Möglichkeiten legt die Richtlinie der WISTA statt Physiker/-in. „Das hätte den Charme, tionen komplizierter werden, bietet der ihren Mitarbeitenden nahe. für beide Seiten neu, aber gut aussprech- Leitfaden eine Fülle von Anregungen, wie bar zu sein.“ „Wenn ich Texte verfasse oder redigiere, auf alternative, geschlechtsneutrale Wei- versuche ich zu berücksichtigen: Wer hat So radikal? „Das ist eine Debatte für spä- se formuliert werden kann. Das reicht von den Text ursprünglich geschrieben und in ter“, zeigt sich Ursula Fuhrich-Grubert den „Studierenden“ bis zu „Redepult“ und welcher Tonalität? Für wen schreibe ich erstmal genügsam. Immerhin würde das Passivkonstruktionen. das? Was ist mein Hauptanliegen?“, be- einen ganz neuen Ansatz und einen er- Das Feedback auf den Ende 2019 in Um- tont Seiffert. „Wichtig ist, möglichst nie- heblichen Eingriff in die deutsche Sprache lauf gebrachten Leitfaden sei durchweg mandem vor den Kopf zu stoßen. Denn bedeuten. Sprache sei zwar einem steten positiv; Einladungen, Protokolle, Präsen- meine Aufgabe ist die Kommunikation, Wandel unterworfen, aber die aktuelle tationen trügen vielfach bereits die neue die soll verbinden – und nicht spalten.“ Öffnung mühsam genug. ud ANZEIGE nah und persönlich Internat. Steuerrecht Controlling und FiBu Buchführung Online SCHLEICHER Ihre Steuerberater in Adlershof www.msp-steuer.de Adlershof Journal | Juli_August 2020 15
MEDIEN Kommunikationstrainerin Sylvia Acksteiner Rundfunk. Das Publikum dieser Veranstal- tung sei zwar wissenschaftlich interessiert, aber nicht unbedingt mit den speziellen Forschungsgebieten vertraut. Der wich- tigste Inhalt der Dissertation müsste also erklärt werden, jedoch leicht verständlich. „Es kommt nicht nur darauf an, was man sagt, sondern auch, wie man es sagt“, ist das Motto. Spannende Gliederung und eingängiger Satzbau bilden das Gerüst des Vortrags. Betonung, Stimmführung und Gestik müssten passen, die Körpersprache dem Publikum zugewandt sein. PowerPoint- Folien bilden die Stütze. Auf wissenschaft- lichen Konferenzen werden diese aber oft zu zahlreich und zu schnell präsentiert. „Wir machen die Folien verständlicher und benutzen Stichwortzettel“, sagt Ackstei- ner. Wichtig seien freies Sprechen, beson- Seriöse Forschung ders bei der Begrüßung, und das Wecken von Emotionen. leicht präsentiert Das zweimalige Training, einmal in der Dreier-Runde und einmal solo, zahlt sich offensichtlich aus. „Die Präsentationen ha- ben durch das Coaching sehr gewonnen“, sagt die Trainerin. Es seien oft nur noch Nuancen, die den Ausschlag geben. Für den Adlershofer Dissertationspreis werden Diese Feinheiten konnte die diesjähri- die Bewerber professionell gecoacht ge Siegerin offenbar gut vermitteln. Sie hat auch Übung, ist sie doch schon beim „Future Medicine Science Match“ mit einem dreiminütigen Vortrag aufgetre- I m Erwin Schrödinger-Zentrum der Hum- Molekülen beziehungsweise dem Ver- ten. Dennoch, so Drimalla, hätten sie Coaching und das persönliche Feedback in boldt-Universität zu Berlin (HU) kämpfen drängungsprozess auf dem Berliner Woh- drei frisch gebackene Promovierte um den nungsmarkt. Adlershof veranlasst, den „Vortrag radikal Adlershofer Dissertationspreis. Für den umzugestalten“. Wichtig war es, „einen Vortrag haben sie gerade mal 15 Minuten Es sind komplexe Zusammenhänge, die roten Faden reinzubringen, zu straffen, Zeit, dann müssen Fragen aus dem Publi- beim Wettkampf knapp gefasst, verständ- manches anders auszudrücken“. Trotz des kum beantwortet werden, bevor die Jury lich und möglichst unterhaltsam vorzutra- Trainings habe sie sich vor dem Vortrag den Preisträger kürt. In diesem Februar ist gen sind. Mit noch engeren Zeitvorgaben etwas mulmig gefühlt, „spätestens jedoch es mit Hanna Drimalla – zum dritten Mal etwa von drei Minuten arbeiten mitt- bei den Fragen aus dem Publikum hat es seit 2002 – eine Siegerin, die den mit 3.000 lerweile zahlreiche „Science Slams“, bei total Spaß gemacht.“ Euro dotierten Preis erhält. denen das Publikum per Applaus den Ge- winner bestimmt. Immerhin zehn Minu- Wenn, wie in der Corona-Krise, größere In ihrer am HU-Institut für Psychologie ten dürfen die Vorträge beim Science Slam Veranstaltungen nicht möglich sind, ist angefertigten Dissertation erforschte sie Homeoffice und Online-Arbeit angesagt. „Battle den Horst“ dauern, den die WISTA eine spezielle Art von „Mimikry“, nämlich Sylvia Acksteiner ist es durchaus gewohnt, Management GmbH mittlerweile viermal das automatische und unbewusste Nach- mobil zu arbeiten, Video- und Telefon- jährlich veranstaltet, zusätzlich zum Rede- ahmen des Gesichtsausdrucks anderer konferenzen zu nutzen oder per Skype wettstreit in der „Langen Nacht der Wis- Menschen. Wie die Psychologin mit com- oder WhatsApp zu kommunizieren. Lie- senschaften“. puterbasierten Methoden zeigen konnte, ber ist ihr allerdings – wenn möglich – der drückt die Mimikry aus, wie Emotionen Seriöse Forschung auf diese Weise zu prä- persönliche Kontakt. Drimalla, die jetzt erkannt und Mitgefühl geäußert wer- sentieren, ohne dabei unpräzise oder gar als Postdoc am Potsdamer Hasso-Plattner- den. Speziell ging es um die veränderte platt zu werden, ist schwer. Professionelle Institut forscht, bevorzugt die Arbeit in Mimikry von Menschen mit Autismus, Unterstützung wird mittlerweile geboten, ihrem Büro. Da sei der Arbeitsalltag leich- woraus neue Möglichkeiten für Diagnos- direkt in Adlershof bei der Agentur Ackstei- ter zu strukturieren als zu Hause. Doch tik und Interventionen resultieren können. ner. „Seit fünf Jahren coache ich nun die manches fällt ihr am heimischen Schreib- Ihre Mitstreiter um den Dissertationspreis Finalisten des Dissertationspreises“, sagt tisch leichter, beispielsweise ein Paper zu beschäftigten sich mit optischer Spekt- Sylvia Acksteiner, erfahrene Journalis- schreiben. pj roskopie zur Herkunftsbestimmung von tin und Moderatorin im Fernsehen und 16 Adlershof Journal | Juli_August 2020
Holger Fitzke, Chef der GRÜNDER LFM Mikroanalytik GmbH V or einem Jahr wurde das Labor für Mikroanalytik (LFM) in Adlershof gegrün- det. Die Beschäftigten dort sind vor allem Asbest und schädlichen Mineralfasern auf der Spur. Ihre Dienste werden stark nach- gefragt. Denn während die Sanierung der klassischen Asbestprodukte wie Platten oder Dichtstoffe bald abgeschlossen ist, tauchen immer häufiger Asbestfunde in besonders niedriger Konzentration in Flie- sen, Klebern, Dachpappen oder Steinholz- fußböden auf. Es sind also die versteckten kleinen Pro- dukte, denen es jetzt an den Kragen geht. Holger Fitzke ist Geschäftsführer des LFM und hatte die zündende Idee, als er passen- de Geschäftspartner auf dem Adlershofer Campus traf. „Man hat Schadstoffe in niedriger Kon- zentration in Baustoffen lange verdrängt“, erklärt er, „zum Beispiel in Spachtelmas- se zwischen Gipsplatten, Fußbodenflie- sen aus PVC oder in Dachpappen.“ Doch DIE ASBEST-SCOUTS diese Schadstoffe sind krebserzeugend. Schädlichen Fasern auf der Spur Eine große Berliner Wohnungsbauge- sellschaft steht dann auch bei Fitzke und ist das LFM bereits führend. Die Wissen- Die Probe wird im REM in ein Vakuum ge- seinem Team unter Vertrag. Immer, wenn schaftler können aufgrund ihrer Technik bracht, ehe Elektronenstrahlen auf das eine Wohnung frei wird, laufen Untersu- und Erfahrung alte krebserzeugende von Objekt treffen. Dadurch werden auch noch chungen, dann wird – wenn erforderlich neuer unbedenklicher Mineralwolle unter- so verborgene Fasern bis zu 100.000-fach – saniert. Und nur, wenn bei der anschlie- scheiden. vergrößert und sofort im Computer mit ßenden Überprüfung der Raumluft keine Spezialsoftware vermessen und analysiert. Neben Gebäuden können auch Straßen- Asbestfasern mehr messbar sind, kann der Auch auf krebserregende Mineralfasern beläge und viele andere Dinge überprüft nächste Mieter einziehen. kann so untersucht werden. werden. Sogar bei einem ‚Zentralen Inno- Fitzke, der Werkstofftechnik in Merseburg vationsprogramm Mittelstand (ZIM)‘-For- „Mein Spezialgebiet sind Gebäude“, be- studiert hat und im Büro für Umweltpla- schungsprojekt ist das LFM jetzt Partner. tont Holger Fitzke. „Von unseren Gutach- nung arbeitet, hat ein wertvolles Raster- Auf dem Adlershofer Jahrestreffen lernte ten hängt viel ab. Ein Streit vor Gericht, elektronenmikroskop (REM) in seinem phy- Holger Fitzke die Forscher vom Institut für die Entsorgung, Sanierungsplanung oder sikalischen Labor. Damit suchen seine Mit- angewandte Photonik (IAP) kennen. Diese die Freigabemessungen von potenziell be- arbeiter nach deutlich unter ein Prozent entwickeln gerade einen WDSX-Detektor, lasteter Raumluft.“ Gegenwärtig ist das Asbest. Ein Großteil der alten Dachpap- der die Analytik in Zukunft noch genauer Team vom LFM wieder in Berliner Schulen pen weisen noch solche Rückstände auf. und schneller machen kann. Das LFM gibt und Rathäusern unterwegs. Hier stecken Asbest oder Mineralfasern häufig in Ak- Vergleichsproben und Daten mit in das Rasterelektronenmikroskop zur Analyse der Materialien kustikdecken. Dabei müssen Fitzke und Projekt. Zusammen mit der RWTH Aachen seine Mitarbeiter manchmal recht schnell und der Firma Nano Optics Berlin werden vor Ort sein. Denn besorgte Eltern schicken anschließend Rechenmodelle für Anwen- ihre Kinder bei einem Verdacht nicht mehr derdaten entworfen. Damit erhoffen sich in die Schule und Lehrkräfte bleiben schon die Analytiker später zum Beispiel eine mal wochenlang zu Hause, bis ein Gutach- bessere Untersuchbarkeit von Glas. Glas ten da ist. Dieses geht überwiegend sofort hat nämlich das Element Bor in sich. Und elektronisch an den Kunden. „Seit Februar dieses ist so leicht, dass es momentan sind wir nun endgültig ein akkreditiertes schlecht mit dem REM zu analysieren ist. Labor“, sagt Fitzke, „denn: Eine Vergleich- Fakt ist, dass das Thema Gesundheit zu- barkeit ist wichtig, es können im Zweifels- dem bei allen verwendeten Baumateria- fall Gesundheit, Leben und Tod oder auch lien immer wichtiger wird. Auch private hohe Kosten daran hängen.“ Hausbesitzer reichen Proben beim LFM ein. Der Geschäftsführer lobt die hervorragen- Manchmal kommen aber auch Denkmal- den Arbeitsbedingungen, die er auf dem schützer und geben Farben ab. Hier geht es Campus vorgefunden hat. Abzüge, Spe- dann nicht um die Schädlichkeit, sondern zialschränke, Elektrik – alles war schon um das Spektrum. Im Rasterelektronen- da. Es hat perfekt gepasst für ein physi- mikroskop sieht man eben ganz genau, ob kalisches Labor. Bei der Analyse von alten die Farbe auf Kupfer oder anderen Stoffen (gefährlichen) und neuen Mineralwollen beruht. kr Adlershof Journal | Juli_August 2020 17
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