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1 Vol. 10 Psychologie des Alltagshandelns Psychology of Everyday Activity JOURNAL Editor P. Sachse JOURNAL Psychologie des Alltagshandelns Psychology of Everyday Activity Vol. 10 / No. 1, April 2017 ISSN 1998-9970 innsbruck university press
Impressum Herausgeber / Editor Pierre Sachse, Innsbruck (A) Redaktionsassistent / Editorial Assistent Thomas Höge, Innsbruck (A) Christian Seubert, Innsbruck (A) Verlag / Publisher innsbruck university press (A) www.uibk.ac.at/iup Mitherausgeber / Associate Editors Dietrich Dörner, Bamberg (D) Grafisches Konzept / Art Direction Winfried Hacker, Dresden (D) innsbruck university press (A) Hartmann Hinterhuber, Innsbruck (A) Oswald Huber, Fribourg (CH) Gestaltung / Layout Wolfgang G. Weber, Innsbruck (A) Carmen Drolshagen, Innsbruck (A) Eberhard Ulich, Zürich (CH) Organisation / Organization Gertraud Kirchmair, Innsbruck (A) Beirat / Advisory Board Petra Badke-Schaub, Delft (NL) Herstellung / Produced Claudia M. Eckert, Milton Keynes (GB) Sterndruck GmbH, Fügen Jürgen Glaser, Innsbruck (A) Birgit E. Schmid, Dornbirn (A) Philip Strasser, Zürich (CH) © 2017 Universität Innsbruck Alle Rechte vorbehalten. / All rights reserved. Rüdiger von der Weth, Dresden (D) Momme von Sydow, München (D) Anton Wäfler, Olten (CH) ISSN 1998-9970
Inhalt Gesundheitsrelevante Beeinflussung der Handlungsregulation unter psychischer Belastung – Entwicklung von Parallelskalen zum FABA-Fragebogen ..................... 5 Peter Richter, Corinna Funke, Sebastian Mittmann, Matthias Rudolf & Ina Zwingmann Von Wirkungen auf Ursachen schließen – Psychische Beanspruchung und die Gefährdungsbeurteilung ........................................................................................................... 19 Mike Hammes & Rainer Wieland Belastung – Tätigkeit – Beanspruchung Ein ungeklärtes Wirkungsgefüge? ................................................................................................. 33 Winfried Hacker Wie bewerten Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Österreich den Arbeitnehmerschutz? ......... 41 Lisa Hopfgartner, Christian Seubert & Sylvia Peißl Kurzbericht: Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit – ein Kommentar ....................................................... 56 Eberhard Ulich
Gesundheitsrelevante Beeinflussung der Handlungsregulation unter psychischer Belastung – Entwicklung von Parallelskalen zum FABA-Fragebogen Peter Richter*, Corinna Funke**, Sebastian Mittmann***, Matthias Rudolf* & Ina Zwingmann****1 * Technische Universität Dresden, Fachrichtung Psychologie ** Vivantes MVZ Berlin, Abt. Psychotherapie *** Hochschule für Telekommunikation, Leipzig **** Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e. V. (DZNE), Rostock / Greifswald Zusammenfassung Ziel dieser Arbeit war die Entwicklung von Parallelskalen zu einem Fragebogen, der beanspruchungsrelevante Bewäl- tigungsstile von Arbeitsbelastungen erfasst, die die Effizienz der Handlungsregulation stark beeinflussen (FABA). Da dieses Verfahren wiederholt bei Veränderungsmessungen Einsatz findet (Arbeitsgestaltung, Rehabilitation) sind derartige Parallelskalen nützlich für die Vermeidung von Messfehlern. Der Studie liegt eine große Stichprobe (N > 1000) zugrunde. Die ermittelten Gütekriterien sprechen für eine gute Parallelität der Skalen. Die Faktorenstruktur der beiden Fragebögen ist identisch. Die Paralleltest-Reliabilität ist mit Ausnahme der Dominanzskala befriedigend. Insbesondere die Skalen „Erholungsunfähigkeit / exzessives Arbeitsengagement“ und „Ungeduld“ weisen eine hohe Validität bei der Prognose von Recovery-(REQ) Beeinträchtigungen und Erschöpfung“ (MBI-GS) auf. Schlüsselwörter Handlungsregulation – Erholung – psychologisches Abschalten – Ungeduld – Typ A-Verhalten Abstract The aim of the present study is the development of parallel scales for repeated measures of the faulty attitudes and beha- vior analysis questionnaire (FABA). Due to the fact this questionnaire is frequently deployed multiple times during change processes (e.g., work design, rehabilitation), the development of parallel scales for repeated measures is needed to avoid measurement errors. By investigating quality criteria in a large study sample (N > 1000), our results showed a high paral- lelism of both scales including equal factor structure, adequate parallel test reliability (with the exception of the subscale dominance), and a high criterion validity concerning recovery and emotional exhaustion. Keywords Action regulation – recovery – psychological detachment urcency – typ A-behaviour 1 Dr. Peter Hoffmann zum 65. Geburtstag, dem unermüdlichen Netzwerker der Arbeitspsychologie in Österreich und Deutschland. 2017 – innsbruck university press, Innsbruck Journal Psychologie des Alltagshandelns / Psychology of Everyday Activity, Vol. 10 / No. 1, ISSN 1998-9970
6 P. Richter, C. Funke, S. Mittmann, M. Rudolf & I. Zwingmann 1 Einleitung her (Sonnentag & Fritz, 2015; Hahn, Binnewies, Sonnentag & Mojza, 2011). Psychische Belastung und Handlungsregulation • Ausgeprägtes Typ A-Verhalten korreliert kurzzei- tig mit positivem Befinden (geringe Monotonie, Risikobehaftete psychische Belastungen werden heute Ermüdung und Stress, Debitz, Plath & Richter, nicht mehr nur als Auslöser kurzzeitiger Fehlbean- 2016). spruchungen angesehen (Richter & Hacker, 2012). Es liegen umfangreiche sozio-epidemiologische Längs- Die hier vorzustellende Entwicklung von Parallel schnittstudien vor, die belegen, dass eine Kumulati- skalen zum Verfahren „FABA: Fragebogen zur Analyse on negativer psychischer Beanspruchungsfolgen das belastungsrelevanter Anforderungsbewältigung“ ziel- Risiko physischer und psychischer Erkrankungen te auf eine handlungspsychologische Reformulierung erhöht (Siegrist & Dragano, 2008; Nyberg, Alfreds- des Typ A-Syndroms als einer ineffizienten, gesund- son, Theorell et al., 2008; Kivimäki et al., 2015, 2012). heitsschädigenden Regulation von Handlungen (Rich- Eine aktuelle Auswertung von 54 Metaanalysen und ter, Rotheiler & Rudolf, 2015). systematischen Reviews identifizierte acht Arbeits- Noch vor 30 Jahren galt ausgeprägtes Typ A- belastungen (hohe Arbeitsintensität, geringer Hand- Verhalten als gesicherter psychischer Prädiktor eines lungsspielraum, Job Strain, Effort-Reward-Imbalance, erhöhten Herzinfarktrisikos. Das ursprüngliche Ri- Überstunden, lange Arbeitszeiten, bestimmte Formen sikoprofil umfasste ausgeprägtes Leistungsstreben, von Schichtarbeit, geringe soziale Unterstützung, Rol- Konkurrenzverhalten, Ungeduld, Geschwindigkeits- lenstress, Bullying und Arbeitsplatzunsicherheit) als orientiertheit und Erholungsunfähigkeit. Doch haben Risikofaktoren für Depressionen, Angststörungen, sorgfältige Re-Analysen des umfangreichen empiri- Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes schen Materials und Metaanalysen erkennen lassen, (Rau & Buyken, 2015). dass es zu einer unhaltbaren Überinterpretation von Die (deutsche) Gesetzgebung hat darauf re- Risiken aufgrund statistischer Mängel gekommen war agiert und in den Katalog der nach dem Arbeitsschutz- (Booth-Kewley & Friedman, 1987; Matthwes, 1988; gesetz zu erfassenden Risiken endlich auch die psy- Myrtek, 2007). chische Belastung seit 2013 aufgenommen. Epidemio- Die Ergebnisse dieser Studien, besonders der logische Risikomodelle gehen durchweg davon aus, Metaanalysen, ergeben ein anderes Bild der Koronar- dass nicht nur die von außen wirkenden Belastungen gefährdung als in den frühen Jahren der Forschung. zu diagnostizieren sind, sondern ebenso die resultie- In den frühen Jahren dominierte eine phänomenale renden Beanspruchungen und Gesundheitsfolgen. Oberflächendarstellung des Typ A-Verhaltens ent- Die internationale Norm zur Erfassung psychischer sprechend des kardiologischen Interesses der Verhal- Belastung (DIN / ÖN EN ISO 10075) erweitert gegen- tensmedizin. „Die Ergebnisse neuerer Metaanalysen wärtig das Risikomodell um die von negativen Emoti- lassen dagegen vielmehr ein Risikomuster negativer onen und Versagensängsten gekennzeichnete Stress- Emotionen wie Ärger, Feindseligkeit und Depressivi- reaktion sowie durch die erhöhte Wahrscheinlichkeit tät erkennen, das einen starken Einfluss auf spezifi- von Burnout nach andauernder psychischer Sättigung sche Arbeitseinstellungen hat“ (Richter et al., 2015, S. (DIN SPEC 33418). Damit wird die Restriktion auf aus- 11). Jedoch erschien es uns verfrüht, das Risikomodell schließliche Kurzzeitfolgen überwunden. ganz aufzugeben, vielmehr erinnerten die beschrie- Gesicherte Zusammenhänge zwischen Belastun- benen Verhaltenssymptome an Muster ineffizienter gen und resultierenden Gesundheitsauswirkungen Handlungsregulation, die historisch parallel, aber kon- sind ohne die Diagnostik differentialpsychologisch zeptionell gänzlich unabhängig in der Handlungstheo- relevanter Bewältigungsformen des Beanspruchungs- rie von Hacker beschrieben worden waren ( Hacker & prozesses nicht valide möglich. Gesicherte Befunde Sachse, 2014). zur Beeinflussung von Beanspruchungsfolgen liegen Handlungen werden durch Ziele und planendes vor für: Vorgehen reguliert. Drei grundsätzliche Strategien lassen sich beschreiben, um auftretenden Effizienz- • Neurotizismus (erhöhte Stresszustände, Ru- verlusten der Zielverwirklichung zu begegnen: dow, 1980; verstärkte Ermüdung, Calderwood & Ackerman, 2011; Debitz, Plath & Richter, 2016). • Veränderungen in der Arbeitsmethodik, • Probanden mit hoher Leistungsmotivation weisen • Veränderung des Anspruchsniveaus, verstärkte Stressreaktionen auf (Debitz, Plath & • Modulierung der Aktivierung (Hacker & Sachse, Richter, 2016). 2014). • Gestörte Erholungsprozesse gehen mit erhöh- ten Erschöpfungszuständen und Müdigkeit ein-
Beeinflussung der Handlungsregulation unter psychischer Belastung 7 Flexibilität dieser Regulation wird als Merkmal seeli- Erholungsunfähigkeit und Ungeduld, wie es bereits scher Gesundheit angesehen. Extreme Planungsnei- im Typ A-Syndrom beschrieben worden ist. Neuere gung sowie hohe und starre Zielorientierung führt Metaanalysen zum Konstrukt Workaholics lassen Pa- zur Ineffizienz von Handlungen. Die resultierende rallelen zum Typ A-Konzept und zum Perfektionismus Verhaltensineffizienz kann zu Gesundheitsproblemen erkennen (Patel, Bowler, Bowler & Methe, 2012; Clark, führen. Man kann handlungspsychologisch das oben Michel, Zhdanova, Pui & Baltes, 2014). Die mit der beschriebene Typ A-Verhalten als eine ineffiziente Re- Skala erfassten Planungsambitionen bilden sich erst in gulation unter ungünstigen Arbeitsbedingungen ver- beruflichen Lernprozessen heraus. Bei studentischen stehen. Daraus resultieren Ungeduld, Wettbewerbs- Populationen konnte dieses Verhalten faktoriell nicht streben, extrem hohe und starre individuelle Ziel stabil abgebildet werden. orientierung sowie schließlich Erschöpfungszustände, die verdrängt werden. Diese Verhaltensbesonderhei- ten lassen sich in den Begriffen der sequentiellen Voll- Erholungsunfähigkeit / exzessives Arbeits- ständigkeit von Handlungen beschreiben: engagement (EU) • Die Zielbildung und das Planen sind durch un- Dieser Faktor kann als das Leitmerkmal des FABA an- scharfe Zielhierarchien, selbsterzeugten Zeit- gesehen werden. Nicht eine generalisierte Erschöp- druck, ausgeprägte Kontrollzwänge und ein ho- fung wird erfasst. Die Skala gewinnt ihre spezifische hes Anspruchsniveau gekennzeichnet. Validität durch die Bindung an ein extremes Arbeitsen- • Die Handlungsausführung ist extrem geschwin- gagement, das den gesunden Bereich, wie er z. B. mit digkeitsorientiert und durch sympathikotone der Utrecht Work Engagement Skala (UWES; Schau- Hyperaktivität gekennzeichnet. Für die Verarbei- feli & Bakker, 2004) erfasst wird, überschreitet. In der tung von Rückmeldungen ist eine Störung in der englischen Version gibt das die Bezeichnung „work Wahrnehmung von Körpersymptomen für Stress obsession“ treffend wieder. Starke Ausprägung lässt und Ermüdung kennzeichnend, die schließlich eine Hypersympathikotonie und nachhaltige Erschöp- zur Erholungsunfähigkeit führt. fungszustände erwarten. Das gestörte Erholungsver- • Organisation und Kooperation schließlich sind halten konnte in zahlreichen psychophysiologischen durch die Neigung zu paralleler Aufgabenbe- Studien belegt werden (Richter et al., 2015). arbeitung, hohe Dominanzbedürfnisse und Ag- Die hohen Korrelationen zur den Skalen des Re- gressivität bei sozialen Auseinandersetzungen covery Experience Questionnaire (REQ, Sonnentag gekennzeichnet (Richter et al., 2015). & Fritz, 2007) und zu relevanten Skalen des Arbeits- bezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM; Schaarschmidt & Fischer, 2003) machen eine große 2 Skalenkonstruktion des FABA-Fragebogens semantische Nähe zur „Emotionalen Erschöpfung“ als Leitmerkmal von Burnout wahrscheinlich. Dafür spre- Im Ergebnis zahlreicher empirischer Studien mit chen auch die Befunde von Wendsche & Lohmann- mehr als 1500 Gesunden bzw. Herzkreislauf-Erkrank- Haislah (2016), die hohe Korrelationen zwischen De- ten konnten faktoriell vier stabile Faktoren sowohl für tachment und Ermüdungs- und Erschöpfungssympto- deutsche (Richter et al., 2015) also auch für britische men fanden. Probanden (Rotheiler et al., 2009) ermittelt werden. Ungeduld (U) Exzessive Planungsneigung / Kontroll- ambitionen (PN) Die Items reflektieren emotionale Unbeherrschtheit und hektisches Handeln, sobald Widerstände gegen Dieser Faktor beeinflusst vor allem das Zielset- die Handlungsdurchführung vorliegen. Dieser Steue- zungs- und Rückmeldungs(Kontroll-)verhalten. Zum rungsverlust ist mit Übererregtheit verbunden und da- Training dieser Verhaltensweisen sind eine Vielzahl mit dem „time urgency“- Konzept (Landy, Rastegary, organisatorischer und therapeutischer Programme Thayer & Colvin, 1991) verwandt. entwickelt worden: Qualitative Zielsetzungen, Priori- tätenlisten, Gedankenstopp-Training, sowie die Kor- rektur von Wertehierarchien. Trainingsprogramme Verstärktes Konkurrenzerleben / Dominanz- für stabile und flexible Handlungsstile sind bei Ha- streben (D) cker und Sachse (2014) ausführlich beschrieben. Eine exzessive Ausprägung des Planungsneigung erweist Das verstärkte Konkurrenzerleben / Dominanzstreben sich als pathogen, insbesondere in Verbindung mit beschreibt die Ausrichtung einer Person auf Wettbe-
8 P. Richter, C. Funke, S. Mittmann, M. Rudolf & I. Zwingmann werb und Konkurrenz. Drei Indikatoren zeigten sich Der Fragebogen ist softwaregestützt 2015 beim „P & T dabei in Untersuchungen als stabil: 1) der Wunsch, Prieler Tometich Verlag Potentialanalyse und Testver- schneller und besser zu sein als andere, 2) die Über- fahren“ in A-Großhöflein mit umfangreichen Gütekri- nahme von Führung bei gemeinsamen Vorhaben so- terienprüfungen erschienen. wie 3) im Mittelpunkt zu stehen. Das Konkurrenzstre- ben in Wettbewerbssituationen und das Zeitverlust- Erleben in Verbindung mit Ungeduld ist gesichert mit 3 Fragestellungen der Parallelskalen-Entwick- erhöhter psychophysiologischer Aktivierung verbun- lung den (Hinton & Rotheiler, 1991). Dieses Verhalten hat besonders negativen Einfluss auf die Handlungsor- Besonders im kardiologischen Rehabilitationsprozess ganisation und -rückmeldung. Es ist seit langem dia- ist der FABA-Fragebogen wiederholt eingesetzt wor- gnostiziert und therapiert in der kardiologischen Re- den. Für den Nachweis von Therapieerfolgen sind Wie- habilitation. Beide Faktoren korrelieren hoch mit den derholungsmessungen im Verlauf von 6 - 12 Wochen AVEM-Skalen Beruflicher Ehrgeiz, Erfolgserleben im erforderlich. Daher wurde wiederholt der Wunsch von Beruf, fehlende Distanzierungsfähigkeit und Perfekti- Praktikern an uns herangetragen, doch Parallelskalen onsstreben (Richter et al., 1999). für den Fragebogen zu entwickeln, um Gedächtnisef- In Abbildung 1 sind schematisch die hypothe fekte bei wiederholtem Einsatz zu vermeiden. tischen pathogenen Einflüsse auf die Stabilität der se- Erste Arbeiten zur Konstruktion von Parallel- quentiellen Handlungsregulation verdeutlicht. Formulierungen zu den 20 Items und zur faktoriellen Abbildung 1: FABA-Skalen und sequentielle Handlungsregulation (aus: Richter et al., 2015, S.67). Aus der Kurzbeschreibung der Faktoren ist deutlich Prüfung dieser neuen Version wurden von Funke und geworden, dass der Einfluss der Ausprägungen auf die Mittmann (2003) durchgeführt. Bock (2014), Pätzold Handlungsregulation als Risikosyndrom anzusehen (2014) und Zwingmann (2015) setzten diese Parallel- ist. Mit den Daten einer Stichprobe von 918 Probanden version an weiteren Stichproben in Verbindung mit er- wurde 16 Syndrom-Muster entsprechend dem Vorge- weiterten Validierungsfragestellungen ein. Folgenden hen der Konfigurations-Frequenz-Analyse (Krauth, Fragestellungen soll in diesem Beitrag nachgegangen 1993) gebildet. Als Cut-off-Wert der Risikoschwellen werden: der vier Skalen wurde auf Basis der standardisierten Stanine-Skalen der Wert von 6.0 gewählt. Aus den di- • Sind die faktoriellen Strukturen beider Skalen- chotomisierten Skalen lassen sich 16 Risikokonfigura- Formen weitgehend identisch und weisen eine tionen bilden. Eine Gruppierung der Konfigurationen ausreichende interne Konsistenz auf? in drei Risikoklassen erlaubt eine signifikante Dif- • Gibt es zu verwandten Konstrukten (REQ) gesi- ferenzierung der Muster-Wahrscheinlichkeiten zwi- cherte Zusammenhänge? schen Erkrankten (Herzinfarkt, Hypertonie, psycho- • Bestehen zwischen den FABA-Skalen und Symp- somatische Erkrankungen) und Gesunden. Für den tomen der emotionalen Erschöpfung, Ängstlich- erfahrenen Diagnostiker und Arbeitsgestalter werden keit und Depressivität sicherbare Zusammen- den 16 Mustern Interventionsmaßnahmen zugeordnet. hänge?
Beeinflussung der Handlungsregulation unter psychischer Belastung 9 • Sind diese Zusammenhänge sowohl für die Ur- (Mastery) und Kontrolle (Control) erfasst. Cronbach’s sprungsskalen wie auch die Parallelskalen nach- Alpha beträgt für diese Skala α = .90. weisbar? Beanspruchungsfolgen. Die Emotionale Er- schöpfung wurde anhand von fünf Items des Maslach Burnout Inventars (MBI; Schaufeli, Leiter, Maslach & 4 Methoden Jackson, 1996) erhoben. Die Beantwortung der Items erfolgte auf einer sieben-stufigen Likertskala von Messinstrumente 1 „nie“ bis 7 „täglich“, die ein Cronbach’s Alpha von α = .90 aufweist. Stress- und Depressionserleben Zur Validierung der Parallelskala des Fragebogens zur wurden mittels 7 Items der Depression, Anxiety and Messung belastungsrelevanter Anforderungsbewälti- Stress Skala (DASS; Lovibond & Lovibond, 1995) er- gung (FABA) wurde der originale Fragebogen zur Mes- fasst. Die drei Items der Stressskala sowie die vier sung belastungsrelevanter Anforderungsbewältigung, Items der Depressionsskala wurden mittels einer seine Parallelform, sozio-demografische Charakteris- vier-stufigen Likertskala von 1 „nie“ bis 4 „sehr oft“ tiken sowie verschiedene Skalen zur Messung von Be- beantwortet. Cronbach’s Alpha beträgt für diese Skala anspruchungsfolgen erhoben. α = .91. Belastungsrelevante Anforderungsbewältigung. Zur Messung belastungsrelevanter Anforderungs bewältigung wurden 20 Items des originalen (Rich- Design und Stichprobe ter et al., 2015) sowie 20 Items der Parallelversion (Funke & Mittmann, 2003) des FABA-Fragebogens ein- An der Untersuchung nahmen insgesamt 1350 Perso- gesetzt. Die Antwortmöglichkeiten wurden anhand nen aus 3 Projekten teil. 1266 Probanden hatten die einer vier-stufigen Likertskala von 1 „Ich lehne das Items des FABA und der neu entwickelten Parallelform stark ab.“ bis zu 4 „Ich stimme dem stark zu.“ präsen- vollständig beantwortet und wurden in die folgenden tiert. Cronbach’s Alpha beträgt für die originale Version Auswertungen einbezogen (siehe Tabelle 1). α = .75 sowie für die Parallelversion α = .77. Die Anord- 414 Probanden (33 %) gaben ihr Alter mit unter nung der jeweils 20 Items der Original- und Parallel- 30 an, 634 (50 %) im Bereich 30 - 50 Jahre, 206 (16 %) form des FABA erfolgte randomisiert in den Testformen mit über 50 Jahre. Rund 2 Drittel der Probanden war A und B. In der Testform A begann die Befragung mit weiblich (N = 796 weiblich und N = 460 männlich). Bei den Originalitems und schloss mit denen der Parallel- 338 Probanden lag eine Erkrankung vor (27 %), 921 form ab. Die Testform B führte die Parallelitems zum gaben keine Erkrankung an (73 %). 326 Probanden Anfang des Fragebogens auf und endete entsprechend (26 %) übten berufliche Positionen mit Führungsver- mit den 20 Originalitems. Dieses Vorgehen wurde ge- antwortung aus. wählt, um bestimmte Urteilsfehler, die beim Einsatz von Ratingskalen auftauchen können, zu minimieren (z. B. Primacy-Recency-Effekt). Statistische Analysen Erholungsprozesse. Der Recovery Experience Questionnaire (REQ; Sonnentag & Fritz, 2007) erhebt Die psychometrischen Eigenschaften der Parallelska- anhand von 16 Items das Erholungsverhalten nach der la des FABA werden durch Berechnung der internen Arbeit. Auf einer fünf-stufigen Likertskala von 1 „trifft Skalenkonsistenz und Analysen der Item-Skalen- gar nicht zu“ bis 5 „trifft völlig zu“ wurden die vier Di- Korrelationen bzw. Skaleninterkorrelationen getestet. mensionen Abschalten von der Arbeit (Psychological Die Übereinstimmung der Faktorladungsmatri- Detachment), Entspannen (Relaxation), Beherrschung zen konfirmatorischer Faktorenanalysen der Original- Tabelle 1: Darstellung der Substichproben. Stichprobenumfang % Anteil Projekt Psychologie- und Lehramtsstudenten 142 11.2 Projekt Dienstleistungsunternehmen 40 3.2 Projekt Mitarbeiter, Führungskräfte und 1084 85.6 Selbstständige (branchenübergreifend)
10 P. Richter, C. Funke, S. Mittmann, M. Rudolf & I. Zwingmann und der Parallelform wurde mit dem Faktorstruktur- 5 Ergebnisse vergleich auf der Basis des Ähnlichkeitskoeffizienten überprüft. Koeffizienten über .90 sprechen für eine Faktorenstruktur der Parallelform hohe Faktorstrukturübereinstimmung (vgl. Bortz & Schuster, 2010, S. 424 ff). Die Faktorenstruktur des FABA wurde an zahlreichen Die theoretisch auf Grund der Faktorenstruktur Stichproben aus unterschiedlichen Ländern umfas- der Originalform postulierte Modellstruktur wurde an- send untersucht (Richter et al., 2015; Rotheiler et al., hand einer konfirmatorischen Faktorenanalyse (CFA) 2009), wobei die Ähnlichkeit der Faktorenstrukturen mit der Maximum-Likelihood-Methode auf ihre Ange- auf der Basis des Ähnlichkeitskoeffizienten der Fak- messenheit untersucht. Fälle mit fehlenden Werten in torladungsmatrizen der 4-Faktoren-Lösung geprüft den Items der Parallelform und ohne gültigen Wert bei wurde (Richter et al., 2015). Analog wurde für die Pa- der Angabe ihrer Tätigkeit wurden aus dieser Analyse rallelform des FABA sowohl der Ähnlichkeitskoeffizi- ausgeschlossen. Zusätzlich wurde ein Zweigruppen- ent (zusammenfassend siehe Bortz & Schuster, 2010, vergleich zwischen Teilstichproben von Gesunden S. 424 ff) zwischen den Faktorladungsmatrizen der und Probanden mit einer Erkrankung zur Prüfung der 4-Faktorenlösung der gesunden Probanden (N = 921) Äquivalenz der Messmodelle durchgeführt. und der Probanden mit einer Erkrankung (N = 388) Die Paralleltest-Reliabilität wurde mittels Korre- als auch mit der entsprechenden Ladungsmatrizen lationsanalyse zwischen der originalen Form und der der Originalform untersucht. Die Ergebnisse sind in Parallelform des FABA untersucht. Anhand des Kor- Tabelle 2 dargestellt. relationskoeffizienten kann das Ausmaß des Zusam- Alle Ergebnisse sprechen mit Ähnlichkeitskoeffi- menhangs der beiden Tests bestimmt werden. Bortz, zienten deutlich über .90 für eine sehr gute Überein- Lienert und Boehnke (2000) sprechen von einer hohen stimmung der Faktorstrukturen der Parallelform so- Paralleltest-Reliabilität bei Werten ab .90, von einer wohl mit der Originalform des FABA als auch zwischen zufriedenstellenden ab .70 und einer ausreichenden den Gruppen der Gesunden und Kranken. ab .50. Die Übereinstimmung der faktoriellen Struktur Die Validitätsprüfung umfasst insbesondere die der Parallelform des FABA mit der Struktur des FABA Analyse der konvergenten Validität und der Kriteri- wurde in einer konfirmatorischen Faktorenanalyse umsvalidität der Parallelskala des FABA. Zur Prüfung (Maximum-Likelihood-Methode) mit AMOS 23 ge- der konvergenten Validität wurden Korrelationsana- prüft. Fälle mit fehlenden Werten in den Items der lysen anhand der Skalen der Parallelform des FABA Parallelform und ohne gültigen Wert bei der Anga- sowie den Skalen des REQ-Fragebogens durchgeführt. be ihrer Tätigkeit wurden aus dieser Analyse ausge- Um zu prüfen, ob die Parallelskala des FABA kriteri- schlossen. Die standardisierte Lösung ist in Abbildung umsvalide ist, wurden dessen Ergebnisse zu den Er- 2 dargestellt. Wegen des großen Stichprobenum- gebnissen der Skalen bezüglich der Beanspruchungs- fanges soll zur Beurteilung der Güte nicht der stark folgen emotionale Erschöpfung, Stress- und Depres vom Stichprobenumfang beeinflusste Chi-Quadrat- sionserleben in Verbindung gesetzt (Korrelations- und Test verwendet werden (Chi-Quadrat = 913, df = 164, Regressionsanalysen). p = .00), sondern primär der RMSEA-Wert als wichti- ges Gütemaß neben weiteren Gütekriterien herange- zogen werden. Die Werte der berücksichtigten Güte- maße sind in Tabelle 3 dargestellt. Tabelle 2: Ähnlichkeitskoeffizienten der Faktorladungsmatrizen der Parallelform und der Originalform bei gesunden Probanden (N = 921) und bei Probanden mit einer Erkrankung (N = 388). P-FABA P-FABA FABA FABA Gesunde Gesunde Kranke Kranke P-FABA Gesunde 1 .98 .97 .95 P-FABA Kranke .98 1 .97 .96 Tabelle 3: Gütemaße der konfirmatorischen Faktorenanalyse der Parallelform (N = 1072). RMSEA CFI SRMR GFI AGFI .065 .87 .064 .92 .90
Beeinflussung der Handlungsregulation unter psychischer Belastung 11 RMSEA-Werte kleiner als 0.08 sprechen für ei- des FABA deskriptiv gegenübergestellt. Vorhandene nen akzeptablen Modellfit. Dieser Grenzwert wird bei signifikante Mittelwertunterschiede in allen Skalen den vorliegenden Daten der Parallelform deutlich un- (p < .01) sind primär durch den großen Stichproben- terschritten. Auch bei drei der anderen verwendeten umfang zu begründen. Diese Unterschiede machen Gütemaße wurden die empfohlenen Grenzwerte für deutlich, dass die für die Basisvariante des FABA an- guten Modell-Fit (SRMR < .10, GFI > .9, AGFI > .9) er- gegebenen Normwerte für die Parallelskalen nicht reicht, lediglich der Grenzwert des CFI (CFI > .9) wur- genutzt werden können! de unterschritten. Zusammenfassend kann aus den In einer Zweigruppen-Faktorenanalyse wurde Ergebnissen auf eine akzeptable Güte des Modells für die Messinvarianz der Parallelform untersucht. Dabei die Parallelform geschlossen werden. wurde exemplarisch zwischen der Gruppe der Pro- banden, die in der Befragung eine Erkrankung anga- ben, und einer zufällig ausgewählten Teilstichprobe Parallelskalenrentabilität gleichen Umfangs (jeweils N = 388) der gesunden Probanden unterschieden. Die Zweigruppen-Fakto- In Tabelle 4 sind die Mittelwerte und Standardabwei- renanalyse mit AMOS (vgl. Weiber & Mühlhaus, 2014, chungen der Skalen der Original- und der Parallelform Kapitel 14) im Modell der Parallelform erbrachte zum Tabelle 4: Mittelwerte und Standardabweichungen der Skalen der Original- und Parallelform des FABA (N = 1266). Arithmetischer Mittelwert Standardabweichung FABA P-FABA FABA P-FABA EU 14.6 14.2 4.3 4.4 PN 19.2 18.1 2.7 2.8 U 12.1 11.7 2.8 2.9 D 7.4 7.6 1.8 1.8 Abbildung 2: Standardisierte Lösung der konfirmatorischen Faktorenanalyse der FABA-Parallelform (N = 1072).
12 P. Richter, C. Funke, S. Mittmann, M. Rudolf & I. Zwingmann Beispiel folgende RMSEA-Werte, die die Annahme der Validitätsprüfung Äquivalenz der Messmodelle stützen: unconstrained model: RMSEA = .051, measurement weights: RMSEA Zur Prüfung der konvergenten Validität der Parallel- = .049, measurement intercepts: RMSEA = .049, struc- form des FABA wurden Korrelationsanalysen der Ska- tural covariances: RMSEA = .049, measurement resi- len der Parallelform mit den Skalen des REQ-Frage- duals: RMSEA = .047. bogens durchgeführt, wobei die Korrelationen mit der Zur Überprüfung der Paralleltest-Reliabilität Originalform ebenfalls ermittelt wurden. Die Ergeb- wurden Produkt-Moment-Korrelationen der Skalen nisse sind in Tabelle 7 dargestellt, wobei der Stichpro- der Originalform und der Parallelform des FABA be- benumfang in Folge von Fehlwerten im Recovery-Fra- rechnet. Für die Skala Dominanz ergibt sich ein Kor- gebogen bei N = 1070 Probanden (REQ-Mastery und relationskoeffizient, der signifikant (p < .01) größer REQ-Relax) bzw. N = 1074 Probanden (REQ-Control als .5 und nach der Einteilung von Bortz, Lienert und und REQ-Detach) schwankt. Boehnke (2000) damit ausreichend ist. Für die ande- Aus den Ergebnissen ergeben sich vor allem für ren drei Skalen ergaben sich Korrelationskoeffizien- den Faktor Erholungsunfähigkeit starke Zusammen- ten, die jeweils signifikant (p < .01) größer als .7 sind hänge mit den Recovery-Skalen, wobei sich die Koef- und demzufolge als zufriedenstellend eingestuft wer- fizienten zwischen der Original- und der Parallelform den können. nur unwesentlich unterscheiden. Zur Untersuchung der Kriteriumsvalidität der Skalen der Parallelform wurden multiple Regressions- Interne Konsistenz analysen durchgeführt, wobei die Skalen bezüglich der Beanspruchungsfolgen emotionale Erschöpfung (MBI, Die interne Konsistenz (Cronbach’s Alpha) der Skalen N = 1069), Stress- (DASS-Stress, N = 1016) und Depres- der Parallelform entspricht weitgehend der des Origi- sionserleben (DASS-Depression, N = 653) als Kriteri- nalfragebogens (vgl. Richter et al., 2015). In der vorlie- en und die Skalen des FABA bzw. der Parallelform als genden Stichprobe ergaben sich die in Tabelle 6 dar- Prädiktoren verwendet wurden. Die Ergebnisse sind gestellten Werte. Bei der Interpretation der Werte ist in der Tabelle 8 zusammengefasst. Die Ergebnisse insbesondere zu berücksichtigen, dass die Dominanz- unterstreichen in allen Analysen durchgängig die be- Skala nur aus 3 Items besteht, was eine Ursache für sondere Bedeutung der Skala Erholungsunfähigkeit / den niedrigen Wert bei dieser Skala ist. exzessives Arbeitsengagement (EU) sowohl in der Ori- Tabelle 5: Produkt-Moment-Korrelationen der Skalen der Original- und der Parallelform (N = 1266). Skala Korrelation der Skalen 99 %-Konfidenzintervall EU – P-EU .88 [.86, .89] PN – P-PN .75 [.71, .78] U – P-U .78 [.75, .81] D – P-D .66 [.61, .70] Tabelle 6: Cronbach’s Alpha der Skalen des FABA bzw. der Parallelform (N = 1266). Skala FABA Cronbach’s Alpha Skala P-FABA Cronbach’s Alpha EU .85 P-EU .85 PN .65 P-PN .69 U .71 P-U .72 D .56 P-D .47
Beeinflussung der Handlungsregulation unter psychischer Belastung 13 Tabelle 7: Produkt-Moment-Korrelationskoeffizienten der Skalen des FABA und seiner Parallelform mit den Skalen des Recovery-Fragebogens (**p < .01, *p < .05). REQ-Mastery REQ-Control REQ-Detach REQ-Relax (N = 1070) (N = 1074) (N = 1074) (N = 1070) EU -.26** -.41** -.75** -.42** PN .11** .15** .03 .04 U -.10** -.24** -.26** -.20** D .13** -.02 -.04 -.03 P-EU -.25** -.42** -.76** -.42** P-PN .12** .14** .02 .01 P-U -.10** -.24** -.28** -.21** P-D .11** -.02 -.04 -.05 Tabelle 8: Multiple Regressions- und bivariate Korrelationsanalysen mit Regressionskoeffizienten (b), Standardfeh- lern (se), Beta-Koeffizienten (β), Produkt-Moment-Korrelationskoeffizienten (r), multiplen Bestimmtheitsmaßen (R2) (N = 1069, **p < .01, *p < .05). Kriterium: MBI - Emotionale Erschöpfung b (se) β r b (se) β r EU .78 (.05)** .46 .53** P-EU .73 (.05)** .46 .52** PN -.27 (.07)** -.10 -.12** P-PN -.29 (.07)** -.11 -.10** U .46 (.07)** .18 .36** P-U .55 (.07)** .21 .39** D -.41 (.11)** -.10 -.03 P-D -.33 (.11)** -.08 -.02 R2: .320** R2: .323** ginal- als auch in der Parallelform für die Vorhersage den Einsatz des FABA-Fragebogens bei der Evaluation der Kriterien. von Therapieprogrammen in psychosomatischen und Für die Parallelskalen ergeben sich identische kardiologischen Kliniken sowie zur Trainingskontrol- Ergebnisse. Emotionale Erschöpfung wird nahezu le bei Stressmanagementprogrammen eine Verfah- ausschließlich durch die Erholungsunfähigkeit und renserweiterung, um beim wiederholten Einsatz des Ungeduld prädiziert. Die Befunde zur Prädiktion von Fragebogens Antworttendenzen und damit Verfäl- Stress und Depressivität werden nicht tabellarisch schungen zu begegnen. Therapieeffekte hinsichtlich dargestellt. Sie entsprechen den Befunden zur emotio- Entspannungsfähigkeit und Handlungskorrekturen nalen Erschöpfung. konnten nachgewiesen werden (Domke, 1990; Hacker & Sachse, 2014). Die größte diagnostische Relevanz zeigten die Skalen „Erholungsunfähigkeit / exzessives 6 Diskussion Arbeitsengagement“ und „Ungeduld“. In der vorliegenden Studie wurde die Validität Eine Vielzahl von Therapeuten in Rehabilitationskli- der Parallelskala des FABA-Fragebogens (Funke & niken sowie Managementtrainer wünschten sich für Mittmann, 2003) an einer Stichprobe von 1350 Perso-
14 P. Richter, C. Funke, S. Mittmann, M. Rudolf & I. Zwingmann nen exhaustiv untersucht. Die konfirmatorische Fakto- ge zwischen Planungsneigung in der Arbeit und Mas- renanalyse (Tabelle 3) erbrachte ein akzeptables Mo- tery der Freizeitgestaltung sind sehr gering (r = .11; dellfit für die Originalversion wie auch die Items der r = .12).Wiederum wird deutlich, dass die Stärke der Parallelskalen. Damit ist eine vollständige Reproduk- Zusammenhänge zwischen Original- und Parallelform tion der Zuordnung der 20 Items zu den vier Faktoren nahezu identisch ist. möglich, wie sie in der Publikation des FABA von Rich- Die Kriteriumsvalidität der FABA-Skalen wur- ter, Rotheiler und Rudolf (2015) aufgezeigt wurde. Da- de anhand der Zusammenhänge der Burnout-Skala rüber hinaus konnte auch eine hohe Stabilität der fak- „Emotionale Erschöpfung“ (MBI-GS; Schaufeli, Leiter, toriellen Lösungen hinsichtlich der Differenzierung Maslach & Jackson, 1996) und der Stress- und Depres- der Stichprobe in gesunde und erkrankte Probanden sionsskalen des DASS (Lovibond & Lovibond, 1995) nachgewiesen werden. Die Modelle erwiesen sich als mit Hilfe multipler linearer Regressionen geprüft durchweg hoch äquivalent. Damit kann die strukturel- (Tabelle 8). Sowohl emotionale Erschöpfung als auch le Gleichheit der Parallelversion des FABA als gegeben Stress und Depression gehen mit deutlich erhöhter Er- angesehen werden. holungsunfähigkeit und Ungeduld einher. Die Zuverlässigkeit des neuen Instrumentes wur- Das entspricht den Strukturgleichungsmodel- de hinsichtlich der Paralleltest-Reliabilität und der in- len bei Nebel (2012) und Wolf (2012). Sie konnten an ternen Konsistenz überprüft. umfangreichen Stichproben zeigen, dass psychische Die Paralleltest-Reliabilität (Tabelle 4) ist für drei Fehlbelastungen deutlich mit erhöhter Erholungsun- Skalen befriedigend. Für die Skala „Dominanz“ ist sie fähigkeit assoziiert sind. Vergleichbar der Prädiktion mit .66 gering, jedoch nach Bortz, Lienert und Boehn- von Burnout durch fehlende psychologische Distan- ke (2000) noch ausreichend. Vergleichbar verhalten zierung bei Sonnentag und Fritz (2015) wird deutlich, sich die Koeffizienten der internen Konsistenz (Tabelle dass Erholungsunfähigkeit mit der FABA-Skala erfasst, 5). Diese entsprechen weitgehend der Originalversi- eine Prädiktion von Burnout und Depressivität erlaubt on (2015), jedoch wiederum für die Dominanz-Skala sowie gleichzeitig als Folgezustand von Fehlbelastun- deutlich abgesenkt. Die geringe Zahl der Items kann gen (u. a. hohe Arbeitsintensität, geringe Tätigkeits- hierfür verantwortlich sein. spielräume) auftritt. Die Validität ist hinsichtlich der konvergenten und Kriteriumsvalidität geprüft worden. Zur kon- vergenten Validitätsprüfung ist der REQ-Fragebogen 7 Implikationen für die Forschung und Praxis von Sonnentag und Fritz (2007, 2015) herangezogen worden. In dem von den Autoren entwickelten Kon- In der weiteren Forschung ist zu untersuchen, ob ins- zept kommt der psychischen Distanzierungsfähigkeit besondere die Erholungsunfähigkeit verbunden mit von der Arbeit (psychological detachment) eine große exzessivem Arbeitsengagement auch habituelle Ver- moderierende Rolle zwischen Belastungen und Bean- wurzelungen in der Persönlichkeit hat, oder primär als spruchungs- und Gesundheitsfolgen zu. Ein Trainings- Verstetigung unangemessener Anforderungsbewäl- programm auf dieser Grundlage hat sich erfolgreich tigung bei extremen Arbeitszeiten darstellt. Die glei- bei der Verbesserung des Erholungsverhaltens nach che Fragestellung betrifft das Konstrukt der psycholo- der Arbeit erwiesen (Hahn, Binnenwies, Sonnentag & gischen Distanzierungsfähigkeit (Sonnentag & Fritz, Mojza, 2011). Eine enge Beziehung zwischen erhöhter 2015; Schaarschmidt & Fischer, 1997). Die Befunde der Arbeitsintensität und verringerten Tätigkeitspielräu- empirischen Studien bezüglich Arbeit und Gesundheit men mit gesteigerter Erholungsunfähigkeit konnten bei Selbstständigen von Rau (2011) sowie Ertel, Pech, Gebele, Morling, Rösler und Rau (2011) nachweisen. Ullsperger, Knesebeck und Siegrist (2006) indizieren, Die hypothetisch zu erwartenden Korrelationen dass Erholungsunfähigkeit und Distanzierungsunfä- (Tabelle 7) zwischen FABA-Erholungsunfähigkeit und higkeit eher Verstetigungen unangemessener Anfor- REQ-psychologischer Distanzierungsfähigkeit lassen derungsbewältigung bei extremen Arbeitszeiten dar- sich bestätigen. Die hohen Korrelationen (Original: stellen. Auch Schulz (2015) konnte anhand der 1. Wel- r = -.75, Parallel: r = -.76, N = 1070) sprechen für die le eines Längsschnittprojektes des Bundesanstalt für starke Ähnlichkeit beider Konstrukte, die beide Pro- Arbeitsmedizin und Arbeitsschutz (BAuA) nachweisen, bleme bei der Lösung von der Arbeit abbilden. Das dass die Erholungsunfähigkeitsskala, in dieser Studie wird durch ausgeprägte Ungeduld verstärkt (r = -.26; für das Konstrukt psychological detachment genutzt, r = -.28). Nicht ganz so stark sind die Zusammenhänge als Mediator zwischen Jobstressoren und Wohlbefin- zwischen der REQ-Skala Entspannungsfähigkeit und den fungiert. Die geringe Retest-Reliabilität spricht der Erholungsunfähigkeit (r = -.42; r = -.42). Die Kon- zudem dafür, dass es sich nicht um einen trait handelt, trolle über die Freizeitgestaltung (REQ) ist deutlich sondern eher von situativen, veränderbaren Einflüs- bei eingeschränkter Erholungsfähigkeit verringert sen bestimmt wird. In diesem Zusammenhang zeigt (r = -.41; r = -.42). Die zu vermutenden Zusammenhän- sich, dass die Skala „Erholungsunfähigkeit / exzessi-
Beeinflussung der Handlungsregulation unter psychischer Belastung 15 ves Arbeitsengagement“ als Frühanzeichen drohen- Debitz, U., Plath, H.-E. & Richter, P. (2016). Beanspru- der Gesundheitsrisiken angesehen werden kann und chungs-Mess-Skalen (BMS). Verfahren zur Erfas- daher im betrieblichen Gesundheitsmanagement und sung erlebter Beanspruchungsfolgen (2., voll. besonders auch im Rahmen der Gefährdungsuntersu- überarb. Aufl.). Göttingen: Hogrefe. chung psychischer Belastung nach dem Arbeitsschutz- DIN / ÖN EN ISO 10075 1-3 (2000). Ergonomische gesetz Anwendung finden sollte (Zwingmann, Wolf, Grundlagen bezüglich psychischer Arbeitsbelas- Nebel-Töpfer & Richter, 2015). Dem entsprechen auch tung. Berlin: Beuth. die Therapie- und Gestaltungsempfehlungen, die auf DIN SPEC 33418 (2014). Ergonomische Grundlagen be- der Grundlage von Konfigurations-Frequenz-Analysen züglich psychischer Arbeitsbelastung – Ergänzen- der vier FABA-Skalen (Richter et al., 2015) abgeleitet de Begriffe und Erläuterungen zur DIN EN ISO worden sind. Von den sechs dringend zu beachtenden 10075-1, 2000. Berlin: Beuth. Risikomustern sind vier durch Extremausprägungen Domke, D. (1990). Arbeitsinhalt und Anforderungsbe- auf den Skalen „Erholungsunfähigkeit / exzessives wältigung bei Herzinfarktpatienten. Dissertation Arbeitsengagement“ und „Ungeduld“ gekennzeichnet. an der Fakultät für Mathematik und Naturwissen- Es ist zu wünschen, dass die positiven Erfahrungen schaften der TU Dresden. der Diagnostik der Veränderbarkeit von hyper-sympa- Ertel, M., Pech, E., Ullsperger, P., Knesebeck O. & Sieg- thikotonen Bewältigungsstilen von Arbeitsanforde- rist, J. (2006). High effort, low reward, and self- rungen in der Rehabilitation von Herz-Kreislaufer- rated health in freelance media workers. Work & krankungen mit der Musteranalyse der Skalen vertieft Stress, 19, 203-299. werden kann. Die Diagnostik derartiger Bewältigungs- Funke, C. & Mittmann, S. (2003). Erstellung einer Pa- muster von Belastungen ist für das Gesundheitsma- rallelform des FABA-Fragebogens. Forschungsbe- nagement im Rahmen von Langzeitstudien zur Entste- richt berufsorientierte Vertiefung, TU Dresden, hung von Gesundheitsrisiken in der Arbeit von großer FR Psychologie (unveröfftl.). Bedeutung. Die Erhaltung und das Training eines effi- Gebele, N., Morling, K., Rösler, U. & Rau, R. (2011). Ob- zienten und flexiblen Planungsverhaltens im Kontrast jektive Erfassung von Job Demands und Decision zu der mit diesem Fragebogen zu diagnostizierenden Latitude sowie Zusammenhänge der Tätigkeits- exzessiven Planungsneigung kann dabei klassische merkmale mit Erholungsunfähigkeit. Zeitschrift handlungspsychologische Gestaltungsansätze fortfüh- für Arbeits- und Organisationspsychologie, 55, 32- ren (Hacker & Sachse, 2014). 45. Hacker, W. & Sachse, P. (2014). Allgemeine Arbeitspsy- chologie. Psychische Regulation von Tätigkeiten Literatur (3., vollst. überarb. Aufl.). Göttingen: Hogrefe. Hahn, V. C., Binnewies, C., Sonnentag, S. & Mojza, E. J. Bock, A. (2014). Reliabilitätstestung der FABA-Parallel- (2011). Learning how to recover from job stress: version und Ableitung von Maßnahmen bei ineffi- Effects of a recovery training program on reco- zienter Handlungsregulierung repräsentiert durch very experiences, recovery-related self-efficacy, kritische Ausprägungen. Bachelorarbeit an der FR and well-being. Journal of Occupational Health Psychologie der TU Dresden (unveröfftl.). Psychology, 16, 202-216. Booth-Kewley, S. & Friedman, H. S. (1987). Psycholo- Hinton, J. W., Rotheiler, E. A., Gemmell, M. & Shewan, gical predictors of heart disease: A quantitative D. 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18 P. Richter, C. Funke, S. Mittmann, M. Rudolf & I. Zwingmann Anhang Items der Parallelskalen des FABA Itemnummer Itemformulierung FABA-Parallelform Um sicher zu sein, eine Arbeit so gut wie möglich zu erledigen, verschaffe ich mir ausreichend 1 P-PN Zeit zur nochmaligen Überprüfung. Ich strebe danach eine Aufgabe eher und sorgfältiger zu lösen als andere – egal ob es sich um 2 P-D eine einfache oder komplizierte Aufgabe handelt. 3 P-EU Infolge meiner Arbeitsaktivitäten spüre ich häufig Eile und Hast auch nach der Arbeit. Ich schlafe schlecht ein, weil ich mich oft schwer von meinen Gedanken des Arbeitsalltags 4 P-EU lösen kann. Exakte planerische Tätigkeit ist für mich ein Muss, bevor ich mich einer umfassenden 5 P-PN Anforderung stelle. Ich reduziere den Zeitaufwand für persönliche Angelegenheiten (Einkauf, Reparaturanliegen, 6 P-EU …) auf ein Minimum. 7 P-PN Sobald meine Zeitplanung eng wird, versuche ich exakt zu kalkulieren. Meine Arbeit lässt mich auch an langen Wochenenden oder an Urlaubstagen nicht komplett 8 P-EU abschalten. 9 P-PN Bei Verabredungen halte ich die vereinbarte Zeit ein. 10 P-PN Mein Leben wird durch genaue Selbstorganisation bestimmt. Ich werde unruhig, nervös und hastig, wenn es sich herausstellt, dass ein durch mich 11 P-U vereinbarter Termin nicht einzuhalten ist. 12 P-U Ich muss mich häufig sehr kontrollieren, damit ich nicht übereilt handle. 13 P-D Ich lasse mich nicht lange bitten, wenn ich eine Vorreiterrolle übernehmen kann. 14 P-D Bei gesellschaftlichen Anlässen habe ich gern, dass mir Leute zuhören. Bei der Erfüllung meiner beruflichen Aufgaben verausgabe ich mich derart, dass ich es auf 15 P-EU längere Zeit wohl nicht verkraften kann. Manchmal reagiere ich schroff, ablehnend und verletzend, wenn mich jemand bei der Lösung 16 P-U meiner Aufgaben behindert. Wenn ich nicht alle Kleinigkeiten eines Problems „im Griff“ habe, handle ich manchmal 17 P-U voreilig und unbedacht. 18 P-EU Ich bringe es selten fertig, nach getaner Arbeit alles damit Zusammenhängende loszulassen. Mir platzt schon mal der Kragen, wenn notwendige Entscheidungen immer wieder verschoben 19 P-U werden. 20 P-PN Mir ist es wichtig, dass ich mich auch in aufregenden Situationen gut „im Griff“ habe.
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