Kampf gegen Menschenschmuggler im Mittelmeer verglichen mit Piraterie-Einsätzen in Somalia
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Diplomarbeit zur Erlangung des Grades einer Magistra an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Karl- Franzens-Universität Graz Kampf gegen Menschenschmuggler im Mittelmeer verglichen mit Piraterie-Einsätzen in Somalia eingereicht bei Ao. Univ.- Prof. Mag. Dr. Gerd Oberleitner Institut für Völkerrecht und Internationale Beziehungen Karl-Franzens-Universität Graz von Sarah Madeleine Micheuz Graz, im September 2016
Ehrenwörtliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version. Graz, September 2016 Unterschrift: II
Anmerkung Ich möchte darauf hinweisen, dass sämtliche personenbezogenen Bezeichnungen geschlechtsneutral zu verstehen sind und sich sowohl auf die männliche als auch die weibliche Form beziehen. III
Danksagung Zunächst möchte ich mich recht herzlich bei meinem Betreuer Univ.-Prof. Mag. Dr. iur. Gerd Oberleitner bedanken, der mir die Möglichkeit gab, die Diplomarbeit in diesem Fachbereich zu schreiben und mir vor allem im Endspurt der Arbeit wertvolle Tipps gegeben hat. Ein weiterer Dank geht an Mag.a Lisa Heschl, die mich besonders bei der Themenfindung unterstützt hat und auch während dem Verfassen der Arbeit ein offenes Ohr für mich hatte. Heutzutage ist es nicht mehr selbstverständlich studieren zu können. Deshalb gehört der größte Dank meinen lieben Eltern, Arno und Gabriela, die mir das Studium ermöglich haben, mich in jeder Lebenslage unterstützen und immer für mich da sind. Ich schätze euch sehr und bin unendlich dankbar euch an meiner Seite zu haben. Im Zuge dessen möchte ich auch meinen zwei älteren Brüdern, Alexander und Peter, danken, die mir stets mit Rat und Tat zur Seite stehen. Danke, dass ich immer auf euch zählen kann. Ganz besonders danke ich meinem Freund Willem Lieuwe, der mich mit seiner motivierenden und humorvollen Art in jeglicher Hinsicht unterstützt. Ein Dankeschön geht auch an meine engen Freunde, ohne die die Studienzeit nur halb so lustig und aufregend gewesen wäre. Zu guter Letzt möchte ich mich noch bei all denjenigen bedanken, die mich bei der Fertigstellung dieser Diplomarbeit unterstützt haben. IV
Inhaltsverzeichnis: Abkürzungsverzeichnis .........................................................................................................VII I. Einleitung ........................................................................................................................... 1 II. EUNAVFOR MED - Operation “Sophia“ ...................................................................... 5 A. Hintergrund und Entstehung der Mission ....................................................................... 5 1.) Politische Rahmenbedingungen ............................................................................... 7 a.) Europäische Migrationsagenda .............................................................................. 7 b.) Aktionsplan gegen Menschenschmuggler (2015 - 2020) ....................................... 9 2.) Europarechtliche Rahmenbedingungen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP)............................................................................................ 10 B. Mandat und Zielsetzung ................................................................................................ 11 C. Struktur der Operation “Sophia“ ................................................................................... 15 1.) Phase eins ............................................................................................................... 15 2.) Phase zwei .............................................................................................................. 16 3.) Phase drei ............................................................................................................... 17 D. Bewertung ......................................................................................................................... 18 III. Völkerrechtliche Fragestellungen .................................................................................. 21 A. Phase zwei (a): Operationen auf Hoher See .................................................................. 21 1.) Völkerrechtliche Grundlagen der Anhaltung, Durchsuchung, Umleitung und Beschlagnahmung von verdächtigen Schmugglerbooten ................................................. 21 a.) Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982 ....................... 21 i. Das „Recht zum Betreten“ eines Schiffes auf Hoher See gemäß Artikel 110 SRÜ .......................................................................................................................... 22 ii. Staatenlose Schiffe und Boote ........................................................................... 25 b.) Zusatzprotokoll gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität ............................................................................................... 26 i. Allgemeines ........................................................................................................ 26 ii. Völkerrechtliche Definition der Schleusung von Migranten ............................. 27 iii. Maßnahmen zur Schleusung von Migranten auf Hoher See ............................. 27 c.) Erweiterung der Handlungsbefugnis durch die Resolution 2240 (2015) des Sicherheitsrats? .............................................................................................................. 29 2.) Mögliche Verletzung von Menschenrechten: besonders „Refoulement“-Verbot.. 33 V
B.) Operationen in territorialen Hoheitsgewässern und im territorialen Hoheitsgebiet Libyens: Phase zwei (b) und Phase drei ............................................................................... 35 1.) Völkerrechtliche Grundsätze ....................................................................................... 36 a. Souveränitätsprinzip ............................................................................................. 36 b. Interventionsverbot (?) ......................................................................................... 38 i. Ausnahme: „Intervention auf Einladung“ von Libyen (?) .................................. 39 ii. Ausnahme: Humanitäre Intervention (?)............................................................. 43 c. Gewaltverbot (?) ................................................................................................... 45 i. Mögliche Selbstverteidigung nach Artikel 51 SVN (?) ....................................... 46 ii. Zulässigkeit eines Mandates des Sicherheitsrats iSd Kapitel VII SVN (?) ......... 47 2.) Zerstörung der Boote und Festnahme von Menschenschmugglern im libyschen Hoheitsgebiet (Phase drei) ................................................................................................ 51 C. Zwischenfazit zu den völkerrechtlichen Grundlagen der Operation “Sophia“ ................... 53 IV. Vergleich mit Somalia Operation “Atalanta“ als Vorbild .......................................... 56 A. Somalia .......................................................................................................................... 56 1.) Länderspezifischer Kontext ................................................................................... 56 2.) Internationale Reaktionen ...................................................................................... 57 a.) European Union Naval Force Operation “Atalanta” ............................................ 58 b.) Völkerrechtliche Rahmenbedingungen der Operation “Atalanta“ ....................... 60 i. Seerechtsübereinkommen 1982 und Piraterie ..................................................... 60 ii. Resolutionen des Sicherheitsrats ......................................................................... 62 B. Vergleich zwischen der Mission “Sophia“ und der Mission “Atalanta“....................... 65 1.) Europarechtlicher Vergleich .................................................................................. 65 2.) Völkerrechtlicher Vergleich ................................................................................... 66 a.) Libyen und Somalia ............................................................................................. 66 b.) Anwendung des Kapitels VII der UN-Charta ...................................................... 67 c.) Völkerrechtliche Rahmenbedingungen: Menschenschmuggler und Piraten........ 68 d.) Eingriff in die staatliche Souveränität .................................................................. 68 e.) Gefahrenlage zwischen Menschenschmugglern und Piraten ............................... 69 V. Schlussbemerkungen und Ausblick............................................................................... 70 VI. Bibliographie ................................................................................................................... IX VI
Abkürzungsverzeichnis AU Afrikanische Union EAD Europäischer Auswärtiger Dienst EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EMRK Europäische Menschenrechtskonvention EU Europäische Union EUMC European Union Military Committee EUNAVFOR MED European Naval Force Mediterranean EUV Vertrag der Europäischen Union ff fortfolgend GASP Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik GFK Genfer Flüchtlingskonvention GNC Nationaler Generalkongress GSVP Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik HoR Repräsentantenhaus in Tobruk ICISS International Commission on Intervention and State Sovereignty IPbpR Internationaler Pakt für bürgerliche und politische Rechte iSd im Sinne des iVm in Verbindung mit JOT Joint Operational Team MRCC Maritime Rescue Coordination Centres PSK Politisches und Sicherheitspolitisches Komitee R2P Responsibility to Protect Rn Randnummer SAR Internationales Übereinkommen über den Such- und Rettungsdienst auf See VII
SC Security Council SOLAS Internationales Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See SR Sicherheitsrat SRÜ Seerechtsübereinkommen SVN Satzung der Vereinten Nationen TFG Transnational Federal Government UNCLOS United Nations Convention on the Law of the Sea UNHCR United Nations High Commissioner for Refugees vgl. vergleiche VN Vereinten Nationen WEP Welternährungsprogramm VIII
I. Einleitung „Migrants in boats are symptoms, not causes, of the problem.“1 Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht über kenternde Boote – mit Flüchtlingen und Migranten2 an Bord – am Mittelmeer berichtet wird. Viele Menschen fliehen bereits seit Jahren über das zentrale Mittelmeer, ausgehend von dem nordafrikanischen Land Libyen, nach Europa und Tausende von ihnen verlieren auf dieser riskanten Reise ihr Leben. Die Strecke bildet zusammen mit der westlichen (von Marokko oder Algerien nach Spanien) und östlichen (von der Türkei nach Griechenland) Route, einen der beliebtesten und gleichzeitig gefährlichsten Wege nach Europa.3 Die Reise durch das zentrale Mittelmeer ist ein Kampf um Leben und Tod. Angesichts der restriktiven Zuwanderungspolitik der Europäischen Union, die strenge Visa-Erfordernisse sowie Strafzahlungen für private Transportunternehmen, welche Personen ohne gültige Visa befördern, vorsieht, sind legale Möglichkeiten für die Einreise nach Europa sehr beschränkt. Menschen, auch jene die dem Krieg in ihren Heimatländern entfliehen, sind auf die Dienste von Menschenschmugglern4 angewiesen, die sie gegen ein bestimmtes Entgelt auf illegalem Weg nach Europa bringen. Flüchtlinge und Migranten betrachten es oft als letzte Chance durch die Hilfe von Menschenschmugglern europäisches Festland zu erreichen, um ein Leben in Frieden und Sicherheit verbringen zu können. 1 Roberts Peter, Militarising the EU Migration Plan: A Flawed Approach, abrufbar unter: https://rusi.org/publication/newsbrief/militarising-eu-migration-plan-flawed-approach-0 (22.05.2016). 2 Flüchtlinge verlassen ihr Heimatland nicht freiwillig, sondern weil sie in ihrem Heimatland unter anderem aus Gründen ihrer Religion oder ethnischen Zugehörigkeit verfolgt werden. Siehe unter: Genfer Flüchtlingskonvention Artikel 1 A. Der Unterschied zwischen Flüchtlingen und Migranten ergibt sich daraus, dass Migranten ihr Land meist freiwillig verlassen, um beispielsweise ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern, wobei der Begriff der Migranten oft als Oberbegriff für beides herangezogen wird. Siehe unter: http://www.unhcr.at/unhcr/in-oesterreich/fluechtlingsland-oesterreich/questions-and-answers/asylsuchende-in- oesterreich.html (24.08.2016). 3 Estrada-Cañamares Mireia, Operation Sophia Before and After UN Security Council Resolution No 2240 (2015), in: European Papers, Vol. 1 (2016), 186. 4 In dieser Diplomarbeit wird neben dem Begriff Menschenschmuggler abwechselnd der Begriff Schleuser als Synonym verwendet. 1
Die Europäische Migrationsagenda von 20155 sieht nun einen Ansatz, um die Flüchtlingsströme über das Mittelmeer unter Kontrolle zu bekommen, in dem Menschenschmuggler aus Libyen bekämpft werden sollen. Zu diesem Zweck wurde die Militäroperation EUNAVFOR MED (seit August 2015 Mission “Sophia“) vom Europäischen Rat im Mai 2015 lanciert. Diese Operation, die bis dato für 12 Monate vorgesehen ist – mittlerweile wurde das Mandat bis Juli 2017 verlängert6 – soll in drei Phasen das Schmugglerwesen auf der mediterranen Route unterbinden. Phase eins begann im Juni 2015 und befasste sich mit der Überwachung bzw. der Sammlung von Daten und Informationen über Schmugglernetzwerke im südlichen Mittelmeer. Anfang Oktober 2015 wurde der erste Teil der Phase zwei eingeleitet.7 Im Zuge dieser zweiten Phase werden verdächtige Schmugglerboote auf Hoher See angehalten, durchsucht, umgeleitet und beschlagnahmt. In der erweiterten Phase zwei (b) soll sich das Einsatzgebiet auf die libyschen Hoheitsgewässer ausweiten. Die geplante letzte und dritte Phase sieht die Beseitigung und Zerstörung von Booten an Land vor. Der Ansatz ist ein proaktiver, Boote sollen bereits vor Inanspruchnahme durch Schmuggler zerstört und verdächtige Personen sollen festgenommen werden.8 Da dies einen Eingriff in die territoriale Souveränität Libyens bedeuten würde, darf erst dann in libyschen Hoheitsgewässern bzw. Territorien vorgegangen werden, wenn entweder die Zustimmung Libyens und/oder ein entsprechendes UN-Mandat gegeben wäre.9 In ihrer Argumentation für eine Militäroperation im libyschen Territorium stützt sich die Europäische Union auf die Anti-Piraterie Einsätze vor Somalia. Im Jahr 2008, basierend auf Resolutionen10 des Sicherheitsrats (SR), initiierte die Europäische Union die Operation “Atalanta“, um gegen Piraten vor der Küste Somalias militärisch vorzugehen. Damals wurde die Piraterie als Bedrohung des internationalen Friedens und der Sicherheit qualifiziert. 5 Europäische Kommission, Die Europäische Migrationsagenda, vom 13. Mai 2015, KOM (2015) 240 final. 6 European Union External Action, European Union Naval Force - Mediterranean Operation Sophia (Factsheet), zuletzt überarbeitet August 2016, abrufbar unter: http://www.eeas.europa.eu/csdp/missions-and- operations/eunavfor-med/pdf/factsheet_eunavfor_med_en.pdf (25.08.2016), 1. 7 Ibid. 8 Ibid. 9 Micallef Mark, EU Anti-Smuggling Operation Needs Libya Consent - Ban Ki-Moon, abrufbar unter: http://migrantreport.org/eu-anti-smuggling-operation-needs-libya-consent-ban-ki-moon/ (13.10.2015). 10 S/RES/1816, S/RES/1838, S/RES/1846, S/RES/1851 (2008). 2
Anders als im Falle Libyens waren die Anti-Piraterie Einsätze durch die Zustimmung Somalias und der bereits genannten Sicherheitsratsresolutionen gedeckt.11 Ziel dieser Arbeit ist es zu analysieren, welche völkerrechtlichen Probleme die neue Mission “Sophia“ aufweist und ob die Verfahren und Argumentationsmuster, die zur völkerrechtlichen Legitimation der Anti-Piraterie Einsätze führte, auch auf die europäische Anti-Schmuggler Operation “Sophia“ angewandt werden können. Demzufolge werden folgende Punkte näher betrachtet: 1.) Was sind die völkerrechtlichen Voraussetzungen für einen Eingriff in einen Drittstaat (hier: Libyen) damit kein Verstoß gegen die völkerrechtlichen Grundsätze – Souveränitätsprinzip, Interventionsverbot (Artikel 2 Ziffer 7 UN-Charta) und Gewaltverbot (Artikel 2 Ziffer 4 UN-Charta) – vorliegt? 2.) Ist Menschenschmuggel völkerrechtlich mit Piraterie zu vergleichen? 3.) Kann die Situation Libyens aus staatstheoretischer Sicht mit dem damaligen „failed state" Somalia verglichen werden? 4.) Welche Rechtfertigungsgründe zog der Sicherheitsrat bei seinen erlassenen Resolutionen zu Somalia heran und können diese auf die Operation “Sophia“ adaptiert werden? Die vorliegende Diplomarbeit gliedert sich insgesamt in fünf Abschnitte, wobei die Schwerpunkte im III. und IV. Teil liegen. Der II. Abschnitt gibt anhand der deskriptiven Methode einen Überblick über den Hintergrund und die Entstehung der Militäroperation “Sophia“. Des Weiteren wird auch kurz auf die europarechtlichen Grundlagen eingegangen, um anschließend die Ziele und die einzelnen Phasen dieser Mission näher zu erläutern. 11 Petrig Anna, Pirateriebekämpfung im Golf von Aden, abrufbar unter: https://www.mpg.de/450882/forschungsSchwerpunkt (02.011.2015). 3
Abschnitt III beginnt mit der völkerrechtlichen Analyse der Phase zwei (a) auf Hoher See und widmet sich dem Seerechtsübereinkommen von 1982, dem Zusatzprotokoll gegen die Schleusung von Migranten und der Sicherheitsratsresolution 2240 (2015), die speziell für diese zweite Phase erlassen wurde. Anhand dieser völkerrechtlichen Grundlagen wird geprüft, ob die Durchführungsmaßnahmen auch ohne die erlassene Resolution des Sicherheitsrats rechtlich gerechtfertigt gewesen wären. Der anschließende Teil B beleuchtet die rechtlichen Fragestellungen der Phasen zwei (b) und drei. Ausgangslage dieses Unterpunkts sind die völkerrechtlichen Prinzipien und Grundsätze der (territorialen) Souveränität sowie des Interventions- bzw. Gewaltverbotes. Jeder der drei Grundsätze beginnt mit einem Theorieteil. Aufbauend darauf wird die Theorie auf die Operation “Sophia“ angewandt, um im Detail zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen Eingriff in Libyen gegeben sind. Am Ende dieses Kapitels soll dem Leser die völkerrechtliche Problematik dieser Militäroperation klarer erscheinen. Anschließend an den III. Abschnitt untersucht Abschnitt IV, ob der Anti-Piraterie Einsatz in Somalia als “blueprint“ für die Mission “Sophia“ herangezogen werden kann, um die unter Abschnitt III identifizierten völkerrechtlichen Fragen zu beantworten und einen solchen Einsatz völkerrechtlich zu rechtfertigen. Teil A wird den länderspezifischen Kontext der Anti- Piraterie Einsätze in Somalia beleuchten, bevor eine Analyse des Piraterie Begriffs und dessen rechtliche Konsequenzen im Zusammenhang mit Somalia stattfindet. Auf Basis dieser Analyse werden die internationalen Reaktionen, die im Zusammenhang mit der Piraterie in Somalia getroffen wurden, behandelt. Insbesondere wird dabei ein Augenmerk auf die UN SR Resolutionen und die darauf basierende europäische Operation “Atalanta“ gelegt. Darüber hinaus sollen in aller Kürze parallele Aktionen der NATO (Operation Ocean Field) und der USA (Task Force 151) aufgezeigt werden, um die Komplexität und die Wichtigkeit, die der Piraterie im internationalen Kontext zugeschrieben wurde, zu unterstreichen. Die Aufarbeitung des Piraterie Begriffs und der rechtlichen und praktischen Konsequenzen in Somalia dient als Grundlage für den weiteren Vergleich mit dem Anti-Schmugglereieinsatz im Mittelmeer und in Libyen. In Abschnitt V wird die Diplomarbeit mit einer Schlussbemerkung des zuvor behandelten und einem Ausblick der Mission “Sophia“ abgerundet. Die Recherchetätigkeiten endeten im Juni 2016. 4
II. EUNAVFOR MED - Operation “Sophia“ „There needs to be a solution for people who are in dangerous countries such as Libya and who don’t have the option of going to an embassy or seeking other refugee. There are many people who have no options. We were facing death in Libya so we thought we might as well face death in trying to get to Italy.”12 A. Hintergrund und Entstehung der Mission Die vorliegende Abbildung, veröffentlicht vom Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen („United Nations High Commissioner for Refugees“, UNHCR), zeigt seit dem Jahr 2013 einen starken Anstieg der Flüchtlinge und Migranten, die durch das Mittelmeer nach Europa gelangt sind. Im Vergleich zum Jahr 2013, als lediglich 60.000 Menschen über diesen Weg nach Europa geflohen sind, betrug die Zahl im Jahr 2014 bereits 219.000. In der ersten Hälfte des Jahres 2015 erreichten schon 137.000 Menschen Europa und mit Ende des Jahres 2015 insgesamt 1.000.573 Menschen, was den bisherigen Höhepunkt der Flüchtlingsströme über das Mittelmeer nach Europa darstellt, wobei davon ausgegangen wird, dass von dieser Menge ungefähr 3735 Menschen als vermisst gelten bzw. ertrunken sind.13 Obwohl die Zahl seit Jahren stetig wächst, wurde lange nichts dagegen unternommen. Erst als am 19. April 2015 ein Boot mit über 700 Menschen an Bord vor der libyschen Küste14 – das von Zuwara15 aus gestartet war, eine Stadt, in der Schmuggler sehr aktiv sind – kenterte und es kaum Überlebende gab, wurde seitens der Europäischen Union gehandelt. 12 A family from Syria who got interviewed by Amnesty International, Augusta Port, Sicily, 6. August 2014. 13 UNHCR, Over one million sea arrivals reach Europe in 2015, abrufbar unter: http://www.unhcr.org/5683d0b56.html (01.04.2016). 14 Zeit Online, Mehr als 700 Menschen ertrinken im Mittelmeer, abrufbar unter: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-04/fluechtlinge-lampedusa-unglueck (12.01.2016). 15 Hackensberger Alfred, Das grausame Geschäft mit Hoffnung und Elend, abrufbar unter: http://www.welt.de/politik/ausland/article122254493/Das-grausame-Geschaeft-mit-Hoffnung-und-Elend.html (12.01.2016). 5
Abbildung 1, Quelle: UNHCR, „The sea route to Europe: The Mediterranean passage in the age of refugees“, abrufbar unter: http://www.unhcr.org/5592bd059.html, 5. Der Europäische Migrationskommissar (Dimitris Avramopoulous) präsentierte bei einem Treffen der Europäischen Außen- und Innenminister am 20. April 2015 einen Zehn-Punkte- Plan zur Flüchtlingsproblematik, inter alia, im Mittelmeer. Punkt zwei beinhaltet eine explizite Vorgehensweise gegen die Schleuserkriminalität. Boote, die von Schleusern für den Transport von Flüchtlingen und Migranten zur Verfügung gestellt werden, sollen im Mittelmeer systematisch beschlagnahmt und in letzter Konsequenz zerstört werden. Die Europäische Kommission erhofft sich durch diese Maßnahmen entsprechende Resultate, wie sie etwa die Militäroperation “Atalanta“ in Somalia hervorgebracht hat. 16 “Atalanta“ ist seit 2008 eine Mission der Europäischen Union gegen die Bekämpfung von Piraten. Auch wenn bis zum jetzigen Zeitpunkt die Piraterie nicht ganz zum Erliegen gekommen ist, kam es zu einer deutlichen Verminderung der Überfälle.17 Welche genauen Verbindungen die 16 Europäische Kommission, Gemeinsame Tagung des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ und des Rates „Justiz und Inneres“: Zehn-Punkte-Plan zur Migration, abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/press-release_IP-15-4813_de.htm (15.01.2016). 17 Die Welt, Keine Piratenangriffe vor Horn von Afrika, abrufbar unter: http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/keine-piraten-uebergriffe-vor-somalia-im-jahr-2015- 14047726.html (04.04.2016). 6
Europäische Union zwischen Piraten und Menschenschmugglern sowie zwischen Somalia und Libyen sieht, wird im IV. Abschnitt näher erläutert. Drei Tage darauf, am 23. April 2015, wurde auf einer außerordentlichen Tagung des Europäischen Rates eine Erklärung zur Situation im Mittelmeer abgegeben. Auch der Europäische Rat legte in seinen Schlussfolgerungen den Fokus auf vier sicherheitsorientierte Kerngebiete, nämlich: „Verstärkung der EU Präsenz auf See, Kampf gegen Schleuser, Verhinderung irregulärer Migrationsströme und Verstärkung der internen Solidarität und Verantwortung“.18 Bezogen auf die Handlungen gegen Menschenschmuggler hat der Europäische Rat das zweite Vorhaben des Zehn-Punkte-Plans der Kommission in seiner Entschließung etwas gestrafft übernommen. So sollen Boote bereits vor Inanspruchnahme von Menschenschmugglern aufgefunden, beschlagnahmt und zerstört werden.19 1.) Politische Rahmenbedingungen a.) Europäische Migrationsagenda In weiterer Folge soll nun kurz sowohl auf die Migrationsagenda als auch auf den Aktionsplan gegen Schmuggler, die beide noch vor dem Start der Militäroperation (22. Juni 2015) veröffentlicht worden sind, eingegangen werden, wobei nur jene Schritte, die dem Kampf gegen das Schmugglerwesen gewidmet sind, im Detail besprochen werden. Um Antworten auf die stetigen Migrationsströme nach Europa aber auch die steigenden Totenzahlen im Mittelmeer zu geben, erarbeitete die Europäische Kommission im Mai 2015 die Europäische Migrationsagenda.20 Die Erklärung bei der außerordentlichen Tagung des Europäischen Rates vom 23. April 201521 und die Entschließung des Europäischen 18 Europäische Kommission, EU will handeln angesichts der Tragödie im Mittelmeer, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/news/2015/04/20150424_de.htm (13.01.2016). 19 Europäischer Rat, Außerordentliche Tagung des Europäischen Rates vom 23. April 2015 - Erklärung, abrufbar unter: http://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2015/04/23-special-euco-statement/ (13.01.2016). 20 Europäische Kommission, Die Europäische Migrationsagenda, vom 13. Mai. 2015, KOM (2015) 240 final. 21 Europäischer Rat, Außerordentliche Tagung des Europäischen Rates vom 23. April 2015 - Erklärung, abrufbar unter: http://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2015/04/23-special-euco-statement/ (13.01.2016). 7
Parlaments22 ein paar Tage darauf führten zu einer Einigung „über die Notwendigkeit schnellen Handelns zur Rettung von Menschenleben und zur Stärkung der EU- Maßnahmen“.23 Die Europäische Migrationsagenda sieht zum einen Sofortmaßnahmen hinsichtlich der Bekämpfung von Menschenschmugglern vor, die die Lage der hilfsbedürftigen Menschen zu ihrem Vorteil ausnutzen. Im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der Europäischen Union sollen durch die Entwicklung einer Operation Schleuserboote im Mittelmeer aufgespürt und zerstört werden, was mit dem Start der Mission “Sophia“ bereits geschehen ist.24 Zum anderen beinhaltet die Migrationsagenda auch mittel- bzw. längerfristige Pläne, um den Bereich der Migration in den nächsten Jahren besser in den Griff zu bekommen und geeignete Lösungen zu finden.25 Ein weiteres Hauptaugenmerk wurde auf die polizeiliche Zusammenarbeit gelegt. So wurde das von EUROPOL eingerichtete Joint Operational Team (JOT Mare) aufgestockt, das nationale Polizeistrukturen bei den Ermittlungen und der Einleitung strafrechtlicher Verfahren gegen organisierte kriminelle Gruppen, insbesondere Menschenschmuggler, unterstützt. Dabei kommen EUROPOL wichtige Koordinationsaufgaben zwischen den relevanten Institutionen auf nationaler Ebene in Herkunfts-, Transit- und Zielländern der Europäischen Union sowie den Vereinigten Staaten, Frontex und INTERPOL zu. In diesem Sinne stellt die Kooperation zwischen EUNAVFOR MED und JOT Mare einen wesentlichen Eckpfeiler für die Durchsetzung der Europäischen Migrationsagenda und der Erzielung schneller Ergebnisse dar.26 22 Entschließung des Europäischen Parlaments, vom 29. April 2015 zu den jüngsten Tragödien im Mittelmeer und zur Migrations- und Asylpolitik der EU, 2015/2660 (RSP). 23 Europäische Kommission, Migrationsagenda (2015), 4. 24 Europäische Kommission, Migrationsagenda (2015), 4ff. 25 Europäische Kommission, Migration besser bewältigen - die Europäische Agenda für Migration, abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/press-release_IP-15-4956_de.htm (12.01.2016). 26 Europol, Eunavfor Med Operation Sophia and Europol determined to strengthen bilateral Cooperation, abrufbar unter: https://www.europol.europa.eu/latest_news/eunavfor-med-operation-sophia-and-europol- determined-strengthen-bilateral-cooperation (10.01.2016). 8
b.) Aktionsplan gegen Menschenschmuggler (2015 - 2020) Nach der Herausgabe der Europäischen Migrationsagenda wurde am 27. Mai 2015 der Aktionsplan gegen die Schleusung von Migranten27 vorgelegt, der konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der Europäischen Migrationsagenda und der Europäischen Sicherheitsagenda vom 28. April 201528 vorsieht und sich auf die dort angegebenen Leitaktionen bezieht. 29 Die Handlungen gegen Menschenschmuggler erstrecken sich nicht nur auf jene im Mittelmeer, sondern generell auf alle Personengruppen, die Flüchtlinge und Migranten nach Europa bringen und innerhalb der Europäischen Mitgliedstaaten weiterschleusen. In dieser Arbeit liegt der Fokus aber explizit auf den Handlungen gegen Menschenschmuggler im Mittelmeerraum. Der Aktionsplan sieht in diesem Kontext “nur“ Maßnahmen gegen Menschenschmuggler als Teil des organisierten Verbrechens vor. Menschenhandel 30 wird vom Aktionsplan nicht umfasst, da dieser einen eigenen Tatbestand darstellt, dessen Behandlung den Rahmen der vorliegenden Untersuchung überschreiten würde. Auch der Aktionsplan sieht eine Kooperation zwischen verschiedenen Akteuren und Organisationen auf lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene als unbedingt notwendig an, um das Geschäftsmodell der Schleuser zu unterbinden, ihre Netzwerke aufzuspüren, sie gezielt zu schwächen, ihr Vermögen zu entwenden und letztendlich ein strafrechtliches Verfahren zu verwirklichen.31 In diesem Zusammenhang stellen die „Verstärkung der polizeilichen und justiziellen Maßnahmen, bessere Informationsarbeit und besseren Informationsaustausch, mehr Prävention gegen Schleuser und Hilfe für 27 Europäische Kommission, EU - Aktionsplan gegen die Schleusung von Migranten (2015 - 2020), vom 27. Mai 2015, KOM (2015) 285 final. 28 Europäische Kommission, Die Europäische Sicherheitsagenda, vom 28. April 2015, KOM (2015) 185 final. 29 Europäische Kommission, Erste Maßnahmen auf der Grundlage der Europäischen Migrationsagenda: Fragen und Antworten (Factsheet, 2015), abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-15-5038_de.htm (10.01.2016). 30 Oft können Menschenschmuggel und Menschenhandel nicht klar voneinander differenziert werden. Grundsätzlich unterscheiden sich Menschenschmuggel und Menschenhandel darin, dass sich Menschen in erstem Fall freiwillig gegen Bezahlung über eine internationale Grenze bringen lassen. Im zweiten Fall erfolgt eine massive Ausbeutung durch Zwang ohne Überschreitung einer internationalen Grenze als Voraussetzung. Siehe unter: https://menschenhandelheute.net/was-ist-menschenhandel/menschenhandel-und- menschenschmuggel/ (10.01.2016). 31 Europäische Kommission, Aktionsplan (2015), 3. 9
schutzbedürftige Migranten und engere Zusammenarbeit mit Drittstaaten“, vier Kernpunkte der länderübergreifenden Zusammenarbeit dar.32 2.) Europarechtliche Rahmenbedingungen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) Bevor die Mission “Sophia“ im Detail beschrieben wird, müssen zunächst die europarechtlichen Grundlagen, worauf sich die Operation stützt und wie eine derartige Mission überhaupt zustande kommt, im kurzen Überblick dargelegt werden. Die rechtlichen Grundlagen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union finden sich im Vertrag der Europäischen Union (EUV), genauer in den Artikeln 42 bis 46 EUV.33 Die GSVP umfasst im Zuge der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) zivile oder militärische Missionen zur Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit außerhalb der Europäischen Union. Solche Maßnahmen müssen immer in Einklang mit den Grundsätzen der Satzung der Vereinten Nationen erfolgen.34 Nach Artikel 43 Absatz 1 Satz 1 EUV umfassen Missionen nach Artikel 42 EUV „gemeinsame Abrüstungsmaßnahmen, humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, Aufgaben der militärischen Beratung und Unterstützung, Aufgaben der Konfliktverhütung und der Erhaltung des Friedens sowie Kampfeinsätze im Rahmen der Krisenbewältigung einschließlich Frieden schaffender Maßnahmen und Operationen zur Stabilisierung der Lage nach Konflikten.“35 Bei der eingeführten Mission “Sophia“ handelt es sich um eine solche militärische Krisenbewältigungsoperation, die sich im Speziellen auf die Artikel 42 Absatz 4 und 43 Absatz 2 EUV stützt. Gemäß Artikel 42 Absatz 4 EUV werden Beschlüsse, die einen militärischen oder verteidigungspolitischen Bezug aufweisen36, grundsätzlich vom Rat auf „Vorschlag des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik oder auf Initiative eines Mitgliedstaats“ einstimmig getroffen und 32 Europäische Kommission, Aktionsplan (2015), 4, 6, 9 und 11. 33 Haratsch Andreas/Koenig Christian/Pechstein Matthias, Europarecht, Tübingen (Mohr Siebeck), 9. Auflage, 2014, 701, Rn 1345. 34 Vgl. Artikel 42 Absatz 1 EUV. 35 Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht (2014), 702, Rn 1346. 36 Vgl. Artikel 31 Absatz 4 EUV. 10
erlassen.37 Der Rat legt in seinen Beschlüssen unter anderem die Ziele, den Umfang und die allgemeinen Durchführungsbestimmungen der jeweiligen Missionen fest.38 Mangels eigens von der Europäischen Union bereitgestellten Streitkräften werden die benötigten Mittel und Truppen von den einzelnen Mitgliedstaaten der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zur Verfügung gestellt (Artikel 42 Absatz 1 Satz 4 EUV).39 Laut der Homepage des Europäischen Auswärtigen Dienstes40 gibt es zum jetzigen Zeitpunkt (August 2016) sechs Militäroperationen, darunter auch die Mission “Sophia“, und elf zivile Missionen.41 Die geographischen Kernpunkte dieser Missionen befinden sich vorwiegend in Afrika, am Balkan, im Nahen Osten, im Südkaukasus und in Indonesien.42 B. Mandat und Zielsetzung „Das Ziel sind nicht die Migranten, das Ziel sind diejenigen, die Geld mit deren Leben und viel zu häufig mit deren Tod machen.“43 (EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini) Am 18. Mai 2015 rief der Rat der Europäischen Union, basierend auf dem Beschluss (GASP) 2015/778, die geplante Militäroperation, die sich, wie bereits zuvor erwähnt, auf die Artikel 42 Absatz 4 und 43 Absatz 2 EUV stützt, der Gemeinsamen Sicherheits- und 37 Vgl. Artikel 42 Absatz 4 EUV. 38 Vgl. Artikel 43 Absatz 2 EUV. 39 Frenz Walter, Europarecht, Heidelberg (Springer Verlag), 2011, 262ff, Rn 933ff. 40 Weiters: EUTM Somalia, EUNAVFOR Atalanta Somalia, EUFOR ALTHEA Bosnien Herzegowina, EUTM Mali und EUMAM RCA Zentralafrikanische Republik. 41 European Union External Action, Ongoing missions and operations (Oktober 2015), abrufbar unter: http://www.eeas.europa.eu/csdp/missions-and-operations/ (08.04.2016). 42 Kaufmann-Bühler, Das Recht der Europäischen Union, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), München (Beck Loseblattsammlung), 2010, EL 43, Art. 43 EUV, Rn 15. 43 Zeit Online, EU billigt Militäreinsatz gegen Flüchtlingsschleuser, abrufbar unter: http://www.zeit.de/news/2015-06/22/eu-eu-aussenminister-wollen-militaereinsatz-gegen-schleuser-starten- 22053408 (10.12.2015). 11
Verteidigungspolitik mit dem Namen European Naval Force Mediterranean44, kurz EUNAVFOR MED, ins Leben. Die Mission EUNAVFOR MED soll in erster Linie dazu beitragen „das Geschäftsmodell der Menschenschmuggel- und Menschenhandelsnetze im südlichen zentralen Mittelmeer systematisch zu bekämpfen“45 und die irrregulären Migrationsströme einzudämmen und unter Kontrolle zu bekommen. Dabei verfolgt die Operation in Einklang mit dem anwendbaren Völkerrecht drei konkrete Ziele, nämlich die Identifizierung, die Erfassung und zuletzt die Zerstörung von Booten und an Bord befindlichen Gegenständen, die von Schmugglern oder Menschenhändlern zur Verfügung gestellt bzw. genutzt werden.46 So soll insbesondere verhindert werden, dass Boote mehrmals für Schmuggleraktivitäten zum Gebrauch herangezogen werden können. 47 Die Besatzung auf den Kriegs- bzw. Militärschiffen der EUNAVFOR MED ist dazu berechtigt, Schmuggler an Bord anzuhalten, deren personenbezogene Daten festzustellen und einer hierfür zuständigen Strafverfolgungsbehörde eines Mitgliedstaates der Europäischen Union auszuliefern. 48 Dem Mandat und den Einsatzregeln („Rules of Engagement“) entsprechend sind die Truppen der Mission zur Durchsetzung ihres Auftrags berechtigt, militärische Gewalt anzuwenden.49 Wie bereits in der Einleitung erwähnt, ist die Operation bis dato für zwölf Monate geplant und soll in drei aufeinanderfolgenden Phasen das Schmugglerwesen auf der mediterranen Route, konkret auf den internationalen Hoheitsgewässern zwischen dem italienischen und libyschen Küstengebiet sowie in Libyen selbst unterbinden. Die Durchführung der Vorschläge des Rates erscheint jedoch unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten problematisch. So könnte das militärische Vorgehen gegen Schmugglerboote auf dem Staatsterritorium Libyens 44 Deutsch: Europäische Seestreitkräfte im Mittelmeer. 45 Vgl. Artikel 1 Absatz 1 Beschluss (GASP) 2015/778 des Rates, vom 18. Mai 2015 über eine Militäroperation der Europäischen Union im südlichen zentralen Mittelmeer (EUNAVFOR MED), ABl. 2015, L 122/31. 46 Ibid. 47 Bundeswehr im Einsatz, Der Einsatz der Bundeswehr im Mittelmeer (EUNAVFOR MED - Operation Sophia), abrufbar unter: http://www.einsatz.bundeswehr.de/portal/a/einsatzbw/!ut/p/c4/LYuxDYAwDARnYYG4p2MLoEEOeZAVJ0HB gMT0pEBf3emeZmrLfMvOJiWz0kjTKr1_nH8CFkg- 2d6GHO2C6q9gLxyu9txKTQguoP6tpCRm0ARUOuLQfXgJ-yA!/ (10.12.2015). 48 Vgl. Artikel 2 Absatz 4 Beschluss (GASP) 778/2015 des Rates. 49 Beschluss (GASP) 2016/1 des Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees, vom 8. Jänner 2016 betreffend die Umsetzung der Resolution 2240 (2015) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen durch die EUNAVFOR MED Operation SOPHIA. 12
insbesondere das Prinzip der territorialen Souveränität, das Interventionsverbot und das Gewaltverbot, welche grundlegende Normen des Völkerrechts darstellen, berühren.50 Der Hauptsitz der Mission befindet sich in der italienischen Hauptstadt Rom und wird von Enrico Credendino als Befehlshaber geleitet. Auf Empfehlung des Kommandanten fasst der Rat nach Billigung des Operationsplans und der Einsatzregeln den Beschluss über die Einleitung der Mission.51 Die Befugnis darüber zu urteilen, ob die einzelnen Phasen erfüllt sind und ein Übergang in die nächste Phase erfolgen kann, trägt das Politische und Sicherheitspolitische Komitee (PSK), welches darüber hinaus gleichzeitig die Führung – unter der Aufsicht des Rates und des Hohen Vertreters – der politischen als auch strategischen Kontrolle wahrnimmt.52 Dem Vorsitzenden des Europäischen Militärausschusses (European Union Military Committee, EUMC) obliegt die militärische Leitung. Ergänzend muss der Befehlshaber der Militäroperation diesem regelmäßigen Bericht erstatten.53 Die Hohe Vertreterin Federica Mogherini ist für die Kohärenz der einzelnen Maßnahmen mit dem sonstigen außenpolitischen Handeln der Europäischen Union zuständig und wird dabei vom Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) unterstützt. Die Hohe Vertreterin ist „erste Ansprechpartnerin für die Vereinten Nationen, die Regierungen der Länder der betroffenen Region, die NATO, die Afrikanische Union (AU) und die Liga der arabischen Staaten.“54 Zum jetzigen Zeitpunkt (August 2016) sind 24 von insgesamt 28 EU Mitgliedstaaten, darunter auch Österreich (seit 12. Februar 2016), am Einsatz beteiligt.55 Die Gesamtkosten der Mission, die vom Athena Ausschuss56 der Mitgliedstaaten vereinbart und überwacht werden, belaufen sich auf 11,82 Millionen Euro für eine Laufzeit von einem Jahr.57 50 Fink Melanie, Protecting Europe or Irregular Migrants? The (Mis)use of Force in the Mediterranean, abrufbar unter: http://www.ejiltalk.org/protecting-europe-or-irregular-migrants-the-misuse-of-force-in-the-mediterranean/ (10.01.2016). 51 Vgl. Artikel 5 Beschluss (GASP) 2015/778 des Rates. 52 Vgl. Artikel 6 Absatz 1 Beschluss (GASP) 2015/778 des Rates. 53 Vgl. Artikel 7 Beschluss (GASP) 2015/778 des Rates. 54 Vgl. Artikel 8 Beschluss (GASP) 2015/778 des Rates. 55 European Union External Action, European Union Naval Force - Mediterranean Operation Sophia (Factsheet), zuletzt überarbeitet März 2016, abrufbar unter: http://www.eeas.europa.eu/csdp/missions-and- operations/eunavfor-med/pdf/factsheet_eunavfor_med_en.pdf (18.05.2016), 2. 56 Der Athena Mechanismus dient zur Verwaltung der Finanzierung der gemeinsamen Kosten von EU - Militäroperationen im Rahmen der GSVP der EU. Siehe unter: http://www.consilium.europa.eu/de/policies/athena/ (18.05.2015). 13
Neben den expliziten Aufgaben treffen EUNAVFOR MED darüber hinaus Schutz- und Rettungspflichten, die sich aus völkerrechtlichen Bestimmungen, insbesondere aus dem Seerechtsübereinkommen von 1982 („SRÜ - Übereinkommen")58, dem Internationalen Übereinkommen von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See („SOLAS - Übereinkommen")59 und dem Internationalen Übereinkommen über den Such- und Rettungsdienst auf See von 1979 („SAR - Übereinkommen")60 ergeben. Für die Koordinierung von Rettungsaktionen auf Hoher See sind die sog. „Maritime Rescue Coordination Centres“ (MRCC) zuständig. Laut Berichten des MRCC und dem Kommandanten Enrico Credendino erfolgte seit dem Start der EUNAVFOR MED - Operation “Sophia“ die Rettung von 8500 Menschenleben, die Zerstörung von mindestens 67 Booten und die Festnahme von mehr als 40 Menschenschmugglern bzw. Menschenhändlern (im Zeitraum von Juni bis Dezember 2015).61 Enrico Credendino erwähnt in seinem Bericht, der sechs Monate nach dem Start der Mission “Sophia“ veröffentlicht wurde zudem, dass aufgrund der Erfolge der Phase zwei (a) Menschenschmuggler nicht mehr in der Lage sind ungestraft auf Hoher See zu operieren. Folglich sind sie gezwungen im Inneren des libyschen Hoheitsgebietes zu bleiben, um der Festnahme von den Einsatzkräften der Operation auf Hoher See zu entgehen.62 57 European Union External Action, European Union Naval Force - Mediterranean Operation Sophia (Factsheet), zuletzt überarbeitet März 2016, abrufbar unter: http://www.eeas.europa.eu/csdp/missions-and- operations/eunavfor-med/pdf/factsheet_eunavfor_med_en.pdf (18.05.2016), 2. 58 United Nations Convention on the Law of the Sea 1982, abrufbar unter: http://www.un.org/depts/los/convention_agreements/texts/unclos/unclos_e.pdf (10.01.2016). 59 International Convention for the Safety of Life at Sea 1974, abrufbar unter: https://treaties.un.org/doc/Publication/UNTS/Volume%201184/volume-1184-I-18961-English.pdf (10.01.2016). 60 International Convention on maritime search and rescue 1979, abrufbar unter: https://treaties.un.org/doc/Publication/UNTS/Volume%201405/volume-1405-I-23489-English.pdf (10.01.2016). 61 European Union, Joint effort to save lives in the Central Mediterranean Sea, abrufbar unter: http://eeas.europa.eu/csdp/missions-and-operations/eunavfor-med/news/20160111_02_en.htm (22.01.2016); Wikileaks, EUNAVFOR MED - Operation Sophia: Six Months Report: 22nd to December 21st 2015, abrufbar unter: https://wikileaks.org/eu-military-refugees/EEAS/EEAS-2016-126.pdf (20.03.2016), 6 und 11. 62 Ibid. 14
C. Struktur der Operation “Sophia“ Die Tätigkeiten von Operation “Sophia“ sind in drei Phasen gegliedert, wobei die zweite Phase in Teil (a) und Teil (b) unterteilt wird. Der folgende Abschnitt dient der kurzen Beschreibung der einzelnen Phasen. Zum jetzigen Zeitpunkt (August 2016) befindet sich die Operation im ersten Teil der Phase zwei. Aufbauend auf diese Einleitung wird im darauffolgenden Kapitel auf die völkerrechtlichen Fragen, die die einzelnen Phasen aufwerfen, eingegangen. 1.) Phase eins In der ersten Phase von Operation “Sophia“, genehmigt durch einen Beschluss vom Rat der Europäischen Union am 22. Juni 2015 (GASP 2015/972)63, wurde noch nicht aktiv gegen Menschenschmuggler vorgegangen. Vielmehr diente sie allgemeinen Aufklärungsarbeiten, um sich ein klares Bild der Schmuggleraktivitäten in den internationalen Gewässern zwischen den Küstengebieten von Italien und Libyen zu verschaffen. So kamen neben klassischen Methoden der Informationsgewinnung, z.B. durch Satellitenbilder, auch Messungen elektro- magnetischer Ausstrahlungen oder elektro-optische Beobachtungen zum Einsatz. Weiters wurden Befragungen von Menschen, die von kenternden Schmugglerbooten gerettet worden waren, durchgeführt.64 Die so erhaltenen Daten bildeten den Grundstock für die nächste Phase, die den gezielten Zugriff auf Menschenschmuggler vorsieht. Insgesamt waren vier Marineeinheiten, darunter das italienische Flaggschiff “Cavour“, zwei Schiffe aus Deutschland und eines aus dem Vereinigten Königreich Großbritanniens und fünf Lufteinheiten bestehend aus einem Flugzeug aus Frankreich, einem aus Luxemburg und zwei 63 Beschluss (GASP) 2015/972 des Rates, vom 22. Juni 2015 über die Einleitung der Militäroperation der Europäischen Union im südlichen zentralen Mittelmeer (EUNAVFOR MED), ABl. 2015, L 157/51. 64 Bundeswehr im Einsatz, Der Einsatz der Bundeswehr im Mittelmeer (EUNAVFOR MED - Operation Sophia), abrufbar unter: http://www.einsatz.bundeswehr.de/portal/a/einsatzbw/!ut/p/c4/LYuxDYAwDARnYYG4p2MLoEEOeZAVJ0HB gMT0pEBf3emeZmrLfMvOJiWz0kjTKr1_nH8CFkg- 2d6GHO2C6q9gLxyu9txKTQguoP6tpCRm0ARUOuLQfXgJ-yA!/ (10.12.2015). 15
Hubschrauber aus Italien und Großbritannien am Einsatz beteiligt.65 Phase eins wurde im Oktober 2015 abgeschlossen und Operation “Sophia“ ging unmittelbar in den ersten Teil der zweiten Phase über. 2.) Phase zwei Beim Treffen des Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees am 28. September 2015 wurde der Beginn von Phase zwei mit 7. Oktober 2015 festgelegt. Zudem wurde die Mission EUNAVFOR MED in „Operation Sophia“ (folglich: Operation “Sophia“) umbenannt. Namensgeberin für die Mission ist ein Baby, das nach der Rettung der Mutter am deutschen Einsatzschiff „Schleswig - Holstein“ am 22. August 2015 zur Welt kam.66 Bislang wirken fünf Marineeinheiten und sechs Lufteinheiten am Einsatz mit.67 Der erste Teil (a) der Phase zwei sieht die Anhaltung, Durchsuchung, Umleitung und allenfalls die Beschlagnahmung von Booten und Schiffen auf Hoher See vor, sofern diese verdächtig erscheinen, von Schmugglern genutzt bzw. zur Verfügung gestellt werden.68 Die Aktivitäten der Phase zwei (a) sind von völkerrechtlichen Bestimmungen, insbesondere dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 198269 und dem Zusatzprotokoll gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität70, gedeckt. 65 European Union External Action, EUNAVFOR MED FORCE fully operational, abrufbar unter: http://eeas.europa.eu/csdp/missions-and-operations/eunavfor-med/press-releases/20150728_en.htm (18.05.2016). 66 Europäischer Rat, EUNAVFOR MED: EU gibt grünes Licht für "Operation Sophia" - die aktive Phase der Operation gegen Schleuser, abrufbar unter: http://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2015/09/28- eunavfor/ (12.01.2015). 67 European Union External Action, European Union Naval Force - Mediterranean Operation Sophia (Factsheet), zuletzt überarbeitet März 2016, abrufbar unter: http://www.eeas.europa.eu/csdp/missions-and- operations/eunavfor-med/pdf/factsheet_eunavfor_med_en.pdf (18.05.2016). 68 Vgl. Artikel 2 Absatz 2 lit. (b) i) Beschluss (GASP) 778/2015 des Rates. 69 United Nations Convention on the Law of the Sea 1982, abrufbar unter: abrufbar unter: http://www.un.org/depts/los/convention_agreements/texts/unclos/unclos_e.pdf (10.01.2016). 70 Protocol against the Smuggling of Migrants by Land, Sea and Air, supplementing the United Nations Convention against Transnational Organized Crime, abrufbar unter: http://www.unodc.org/documents/southeastasiaandpacific/2011/04/som-indonesia/convention_smug_eng.pdf (07.11.2015). 16
Phase zwei (b) sieht sodann ebenfalls die Anhaltung, Durchsuchung, Umleitung und Beschlagnahmung von Booten, sobald diese verdächtig erscheinen, in Menschenschmuggleraktivitäten involviert zu sein, vor.71 Im Gegensatz zu Phase zwei (a) sollen diese Aktivitäten nun in einem erweiterten räumlichen Einsatzgebiet erfolgen. Das Ziel ist, direkt in libyschen Hoheitsgewässern einzugreifen. Wie oben erwähnt, steht dieses Vorgehen möglicherweise in Konflikt mit völkerrechtlichen ius cogens72 Normen (Souveränitätsprinzip, Interventionsverbot und Gewaltverbot; vgl. dazu unten). Um einen Bruch des Völkerrechts zu verhindern, müsste die Zustimmung des betroffenen Küstenstaats Libyen und/oder ein Mandat des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vorliegen.73 Die völkerrechtlichen Fragestellungen, die sich ergeben, sind Kernstück der vorliegenden Arbeit und werden unter Kapitel III. im Detail behandelt. 3.) Phase drei Im Vergleich zu Phase zwei sollen in Phase drei Menschenschmugglern bevor sie überhaupt tätig werden, von ihren Ausführungen abgehalten werden. Erklärtes Ziel ist die Beseitigung bzw. Zerstörung von Booten und Schiffen, ehe sie für Zwecke des Menschenschmuggels genutzt werden können und im besten Fall die sofortige Festnahme von verdächtigen Schleusern.74 Wie Phase zwei (b) sieht auch Phase drei ein Vorgehen im libyschen Hoheitsgebiet vor, d.h. in Binnengewässern, in Hoheitsgewässern und in Häfen als auch in Küstengebieten75, das, wie bereits erwähnt, wichtige völkerrechtliche Fragen aufwirft. Der Vollzug von Phase drei kann nur dann erfolgen, wenn die neue Einheitsregierung in Libyen 71 Vgl. Artikel 2 Absatz 2 lit. (b) ii) Beschluss (GASP) 778/2015 des Rates. 72 Der Begriff ius cogens bedeutet, dass weder durch vertragliche Regelungen noch durch Zustimmung des Vertragspartners Abweichungen erfolgen dürfen. 73 Micallef Mark, EU Anti-Smuggling Operation Needs Libya Consent - Ban Ki-Moon, abrufbar unter: http://migrantreport.org/eu-anti-smuggling-operation-needs-libya-consent-ban-ki-moon/ (13.10.2015). 74 European Council, Council launches EU naval operation to disrupt human smugglers and traffickers in the Mediterranean, abrufbar unter: http://www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2015/06/22-fac-naval- operation/ (19.08.2015). 75 European Parliament, EU mounts new maritime operation to tackle Mediterranean people traffickers, abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/ATAG/2015/559489/EPRS_ATA(2015)559489_EN.pdf (19.08.2015), 1. 17
einen Eingriff stattgibt und/oder der Sicherheitsrat einen militärischen Eingriff im Zuge einer Erlassung eines UN-Mandates nach Kapitel VII der UN-Charta erlaubt. Diese völkerrechtliche Voraussetzung liegt derzeit (August 2016) weder für die erweiterte Phase zwei (b) noch für die Phase drei vor. Ein Voranschreiten in weitere Phasen bedarf zudem einer neuerlichen Entscheidung des Rates der EU für Auswärtige Angelegenheiten.76 D. Bewertung In Einklang mit den Vorgaben der Europäischen Agenda für Migration ist es das erklärte Ziel der europäischen GSVP mittels der Operation "Sophia" gegen Menschenschmuggler – die vermeintliche Hauptursache der Tragödien im Mittelmeer – gezielt und effektiv vorzugehen. Die Ausbeutung von Menschen in Not, die Gefährdung von Leben und das Risiko, dass geschmuggelte Menschen Opfer von Menschenhandel werden, sind dem Menschenschmuggel inhärent und nicht außer Frage zu stellen. Trotzdem erscheint eine GSVP Militäroperation als Lösungsansatz für die Menschenschmuggelfrage zu kurzsichtig. Menschen werden solange auf die Dienste von Schmugglern angewiesen sein, solange es keine legalen Möglichkeiten gibt, in die Europäische Union einzureisen. Die Fluchtgründe bleiben durch eine solche Operation unberührt und auch das Potential an Menschenschmugglern erscheint unerschöpflich. Gerade in Ländern wie Libyen stellt das profitable Geschäft des Menschenschmuggels eine der wenigen verbleibenden Einkommensquellen dar. Vor diesem Hintergrund erscheint es fraglich, ob die Zerstörung von (Fischer-)Booten und die Verhaftung von Transporteuren tatsächlich zu einer Zerschlagung organisierter krimineller Netzwerke führen können. Neben der Zweifelhaftigkeit der Effektivität von "Sophia" im Kampf gegen das organisierte Verbrechen stellen sich auch weitere politische Fragen. So wurde insbesondere kritisiert, dass mit einer Militäroperation in libyschen Gewässern und/oder dem libyschen Territorium eine 76 Bundeswehr im Einsatz, Der Einsatz der Bundeswehr im Mittelmeer (EUNAVFOR MED - Operation Sophia), abrufbar unter: http://www.einsatz.bundeswehr.de/portal/a/einsatzbw/!ut/p/c4/LYuxDYAwDARnYYG4p2MLoEEOeZAVJ0HB gMT0pEBf3emeZmrLfMvOJiWz0kjTKr1_nH8CFkg- 2d6GHO2C6q9gLxyu9txKTQguoP6tpCRm0ARUOuLQfXgJ-yA!/ (10.12.2015). 18
Sie können auch lesen