Karajan-Akademie Renaud Capuçon - Samstag 30.10.21 - Berliner Philharmoniker
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Kammermusiksaal Samstag, 30.10.21, 20 Uhr Serie Karajan-Akademie Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker Renaud Capuçon Violine und Leitung AUSSERGEWÖHNLICHER KLANG – EINZIGARTIGES ERLEBNIS Tauchen Sie ein in die C. Bechstein Welt und begeben Sie sich auf eine Klangreise in unser C. Bechstein Centrum Berlin. Kirill Petrenko Chefdirigent und künstlerischer Leiter der Berliner P hilharmoniker Andrea Zietzschmann C. Bechstein Centrum Berlin · Kantstraße 17 · 10623 Berlin Intendantin der Stiftung Berliner Telefon +49 (0)30 2260 559 100 · berlin@bechstein.de · bechstein-berlin.de Philharmoniker
Wolfgang Amadeus Mozart (1756−1791) • Mitwirkende Konzert für Violine und Orchester Nr. 3 Violine & Leitung Flöte G-Dur KV 216 Renaud Capuçon Ruofan Min Aliya Vodovoza* 1. Allegro Violine 2. Adagio Otto Antikainen* Oboe 3. Rondeau: Allegro – Andante – Allegretto – Tempo primo Ania Filochowska Hyunjung Song Dauer: ca. 25 Min. Oleh Kurochkin Sofia Zamora Juliette Leroux* Meseguer Clara Mesplé* Christa-Maria Klarinette Richard Strauss (1864−1949) Stangorra Lorenzo Dainelli Metamorphosen Natan Tishin Sophie Pardatscher Çiğdem Tunçelli* Studie für 23 Solostreicher Natsumi Tsuboi Fagott Harry Ward Louisa Slosar Adagio ma non troppo – Più allegro – Adagio, tempo primo Roxana Wisniewska Michaela Špačková* Dauer: ca. 25 Min. Viola Horn Kyuri Kim Paula Ernesaks Pause Yumin Park Haeree Yoo JungAhn Shin* Arnold Stieve* Trompete Emma Wernig* Lennard Czakaj Wolfgang Amadeus Mozart Matthias Seitz Symphonie Nr. 35 D-Dur KV 385 »Haffner« Violoncello Beata Antikainen Pauke 1. Allegro con spirito Lukas Barmann* Laura Melero Bevía 2. Andante Sayaka Selina Studer 3. Menuetto – Trio Susanne Szambelan* *) als Gäste 4. Presto Sul Yoon Dauer: ca. 20 Min. Kontrabass Alexander Arai-Swale Pauli Pappinen Yomoon Youn* Fotoaufnahmen, Die Stiftung Berliner Bild- und Tonaufzeich Philharmoniker nungen sind nicht wird gefördert durch: gestattet. Bitte schalten Sie vor dem Konzert Ihre Mobiltelefone aus. 2 Saison 2021/22 3 Mitwirkende
Sensible Solisten Die Karajan-Akademie spielt Mozart und Strauss Abbildung einer Metamorphose. Botanisches Lehr- buch, 18. Jahr hundert Das Programm des heutigen Abends ist etwas für Könner. Den leichten, gesanglich-tänzerischen und gleichzeitig untergründig ernsthaften Tonfall Wolf- gang Amadeus Mozarts zu treffen, ist nichts, das sich so nebenbei erreichen lässt. Dafür braucht es jahre- lange Übung, Klangsinn, Sensibilität. Eine perfekte Gelegenheit für die Musikerinnen und Musiker der Karajan-Akademie, ihr Können unter Beweis zu stel- len. Als Solisten in Mozarts Violinkonzert Nr. 3 konnten sie den weltberühmten Geiger Renaud Capuçon gewinnen. Auf dem Programm stehen zudem die Metamorphosen für 23 Solostreicher des Mozart- Verehrers R ichard Strauss, in denen jede einzelne Stimme sitzen muss: eine Herausforderung auch für gestandene Orchestermusikerinnen und -musiker. 4 Saison 2021/22
Wolfgang Amadeus Mozart Violinkonzert Nr. 3 »Du weist selbst nicht wie gut du auf der Violin spielst« – so lobte der kritische Leopold Mozart seinen Sohn Wolf- gang Amadeus. Leopold wusste, wovon er sprach, war er doch Verfasser einer berühmten Geigenschule. Der Wundersohn begann angeblich ohne Unterricht das Violinspiel. Auf Reisen ließ er sich mit eigenen Konzerten hören. 1778 stand Mozarts Entschluss allerdings fest: »Keinen Geiger gebe ich nicht mehr ab; beym Clavier will ich dirigieren«, kündigte er dem Vater an. »Beim Soupée spielte ich das Strasbourger- Concert. Es ging wie öhl, alles lobte den schönen, reinen Ton.« Wolfgang Amadeus Wolfgang Amadeus Mozart über sein Violinkonzert Nr. 3 Mozart, etwa zur Zeit der Komposition seines Violinkonzerts Nr. 3 Zuvor aber hatte Mozart als Konzertmeister in der erzbischöflichen Kapelle in Salzburg mit der Geige sein Brot verdient. Zwischen 1773 und 1775 – also noch nicht einmal zwanzigjährig – schrieb er fünf Violinkonzerte. Wie ein Schwamm sog er alle Eindrücke auf, die auf ihn einströmten: die angesagten Werke des Bach-Sohns Johann Christian, darüber hinaus französische Eleganz, konzertante Musik aus Böhmen, Opern-Sinnlichkeit und geigerische Virtuosität aus Italien. In seinem dritten Violinkonzert G-Dur, bekannt als das »Strasbourger Konzert«, brachte er all das zu einer Synthese, die wie nebenbei neue Standards für die Gattung setzte. Wie es dazu kam, wissen wir nicht. Das Autograf ist auf den 12. September 1775 datiert, aber über die Uraufführung ist nichts bekannt. »Wenn es ein Wunder in Mozarts Schaffen gibt, so ist es die Entstehung dieses Konzerts« mit seinem »wie vom Himmel gefallen[en] Adagio«, befand der Mozart-Biograf Alfred Einstein über dieses Werk, in dem plötzlich »alles vertieft und bereichert« ist. 6 Saison 2021/22 7 Werkeinführungen
Zwar bleibt die klassische dreisätzige Form des Solo- konzerts gewahrt. Aus den Themen und Motiven aber Richard Strauss schlägt Mozart wahre Funken, spaltet Ornamente und Metamorphosen Figuren ab – graziöse Schleifer als höfische Verbeugung, hüpfende Motive wie ein augenzwinkernder Kommentar. Erst nach diesem kaleidoskopischen Anfangstutti löst sich die Solovioline heraus, spinnt das thematische Material im Dialog mit den Orchestergruppen weiter und führt ein drittes Thema ein. Nirgends steht eitle Virtuosität im Vordergrund, alles entwickelt sich organisch aus dem musikalischen Gehalt heraus. In Richard Strauss’ später Oper Daphne kündet die be- Nach der spielerischen Aufbruchsstimmung des törend schillernde Schlussszene von der Verwandlung, Kopfsatzes zieht sich das folgende Adagio in träumeri- der Metamorphose einer jungen Frau in einen Lorbeer- sche Regionen zurück. Die durchdringenderen Oboen baum. Jenes unendliche Ornament, in das sich diese werden durch weichere Flöten ersetzt, die Streicher Verwandlungsmusik einspinnt, lebt noch in einem der spielen mit Dämpfer. Das weit ausgreifende Dreiklangs letzten Werke von Strauss fort: in den Metamorphosen thema wiederholt die Solovioline in hoher Lage. Über für 23 Solostreicher. Doch nun nicht mehr flirrend und sanft schaukelnden Begleitfiguren zieht sie immer zart, sondern von unverhohlener Trauer überschattet. weitere K reise, lauscht dem angebotenen Orchester- Strauss hatte sich erst von den Nazis instrumentali- material nach und zieht alles in das Reich wundersamster sieren lassen, dann zog er sich in ein eskapistisches Ideal Kantabilität. Nach einer Kadenz setzt sie noch einmal aus griechischen Mythen und selbstgenügsamen Kunst- zum letzten Aufschwung an, der wie ein kurzes Lächeln debatten zurück. Als er die gealterten Augen wieder öff- Abschied nimmt. nete, lag Deutschland in Trümmern. 1944 schrieb er resi- Ein übermütiges Rondo führt uns zurück in die gniert: »Mein Lebenswerk ist zerstört, die deutsche Oper Diesseitigkeit des Tanzbodens. Das robust-tänzerische kaputt geschlagen, die deutsche Musik in das Inferno der Thema im beschwingten 3/8-Takt wird immer wieder Maschine verbannt, wo ihre gequälte Seele ein armse- als Refrain zwischen die Episoden geworfen. Plötzlich liges Jammerdasein fristet. Meine Werke werde ich auf stoppt der heitere Fluss der Musik: Ein serenadenhafter dieser Welt nicht mehr hören und sehen.« Es entsprach Moll-Teil verbreitet Melancholie, die aber sogleich durch dem Ego des Künstlers, dass er die Zerstörung Deutsch- ein volksliedhaftes Zitat weggewischt wird. Das Rondo lands auch auf sein eigenes Werk bezog. Der ehemalige setzt wieder an, doch seine lebhaften Sprünge werden Präsident der Reichsmusikkammer, der sich mit den Nazis unvermittelt durch die Bläser wie mit einer offenen Frage zu arrangieren suchte und sie insgeheim doch als Kultur- beendet. barbaren verachtete, erlebte nun als Achtzigjähriger den Untergang seiner Welt. Aber die Trauer wandelte er in einen berührenden Abgesang: die Metamorphosen, eine stille Studie voll herbstlicher Melancholie. Entstehungszeit Über die ersten Skizzen im Herbst 1944 schrieb er 1775 »Trauer um München«. Der zerbombten Heimat sollten Uraufführung bald andere Stätten früherer Erfolge folgen: Dresden nicht nachgewiesen; möglicherweise spielte und Wien wurden im Frühjahr 1945 mitsamt ihren Opern- Mozart den Solopart im Konzert Mitte Oktober 1777 häusern in Schutt und Asche gelegt. »Ich schmiere – zur in Augsburg. Betäubung – weitere Werkstattarbeiten«, teilt Strauss dem Regisseur Rudolf Hartmann mit. Darunter die »Trauer um München«, die mittlerweile von Karl Böhm und Paul Sacher für das Schweizer Collegium Musicum bestellt worden war. Strauss gab dem Streicherstück den Titel Metamorphosen, bezogen auf die Betrachtungen 8 Saison 2021/22 9 Werkeinführungen
»Mein Lebenswerk ist zerstört, die deutsche des verehrten Goethe über die »geheime Verwandt- Oper kaputt geschlagen, die deutsche schaft« der Pflanzen, die er in einer botanischen Schrift und einer Elegie formulierte: »Werdend betrachte sie Musik in das Inferno der Maschine verbannt, nun, wie nach und nach sich die Pflanze, / Stufenweise wo ihre gequälte Seele ein armseliges geführt, bildet zu Blüten und Frucht.« Und wie aus Goethes Urpflanze eine Studie über die Jammerdasein fristet.« Lebenszyklen keimt, so blüht aus Strauss’ schmerzlicher Richard Strauss, 1944 Chromatik, den Sekundschritten und Seufzermotiven ein herrlicher, wahrlich betäubend schöner Gesang – ein Rückblick auf Gewesenes. Ohne das selbstbewusste Muskelspiel der frühen symphonischen Dichtungen zeigt sich der reife Strauss hier als konzentrierter Klassizist. Wieder ist es das Ideal Mozart’scher Transparenz und der »unendlichen Melodie«, in dessen Geist Strauss mit elegischem Zauber verklungene Feste heraufbeschwört. So gelingt ihm, wie in den Vier letzten Liedern, die Rückgewinnung einer emotionalen Intensität, die das Material wieder zum Glühen und Leuchten bringt. Nach einer schneidenden Generalpause bricht das wogende Klingen und Singen plötzlich ab: Das bohrende Seufzer- motiv setzt wieder ein und erfasst das ganze Orchester. Aus ihm wächst in den Kontrabässen ein neues Motiv, das Zitat von Beethovens Trauermarsch aus der Eroica. Über dieses notiert Strauss in der Partitur: »In memo- riam!«. Es war ganz offensichtlich kein Held, den er in den Metamorphosen zu Grabe trug, sondern eine Epoche deutscher Kultur, die Deutschland selbst beendet hatte. »Der Garten trauert«, so beginnt das zweite Hesse-Ge- dicht der Vier letzten Lieder. Strauss tat bald die »müden Augen zu«, wie es dort weiter heißt. Nicht, ohne mit die- sen beiden Spätwerken seine unvergleichliche Kunst der mäandernden Harmonik und des melodischen Blühens als zarte Pflanze für die Nachgeborenen zu setzen. Entstehungszeit 1945 zunächst für Streichseptett komponiert, dann erweitert zur Endfassung für 23 Solostreicher. Uraufführung in der Endfassung am 25. Januar 1946 durch das Collegium Musicum Zürich unter der Leitung von Paul Sacher. Richard Strauss, um 1948 10 Saison 2021/22 11 Werkeinführungen
Wolfgang Amadeus Mozart Symphonie Nr. 35 »Haffner« Als Politiker und Geschäftsleute noch Kompositionen in Auftrag gaben, wurde manch prächtig tönendes Denk- mal geschaffen. Mit der Familie von Sigmund Haffner, Salzburger Kaufmann und Bürgermeister, waren die Mozarts gut bekannt. Haffner Senior hatte 1776 die »Haffner-Serenade« zur Hochzeit seiner Tochter bestellt. Die Familie hatte sich seinerzeit als nützlicher Karrierehel- fer des jungen Mozart erwiesen. Vater Leopold drängte den Sohn daher, sich erkenntlich zu zeigen und anläss- lich der Erhebung Sigmunds des Jüngeren in den Adels- stand eine Symphonie zu komponieren. Domplatz in Salzburg. Öl auf Holz von Karl Schneeweiß, 1790 »Und soll nun eine Neue Sinphonie auch machen! – wie wird das möglich seyn! Je nu, ich muß die Nacht dazu nehmen, anderst kann es nicht gehen – und ihnen, mein liebster Vatter, sey es aufgeopfert.« Mozart in einem Brief an seinen Vater Leopold ,1782 Der Zeitpunkt war denkbar schlecht gewählt: Mo- zart steckte bis zum Hals in Arbeit und war außerdem mit den Vorbereitungen seiner eigenen Hochzeit beschäf- tigt. Trotzdem nahm er an, wenn auch unter höchstem Zeitdruck. Wie eilig Mozart die »Haffner-Symphonie« niederschrieb, geht auch aus seiner Überraschung hervor, mit der er die Partitur nach einiger Zeit wieder betrachtete: »Die Neue Haffner Sinfonie hat mich ganz surpreniert – dann ich wusste kein Wort mehr davon.« Kaum vorstellbar, ist sie selbst verglichen mit Mozarts frü- heren Salzburger Werken doch ein wahrer Meilenstein. Dass diese erste seiner sechs späten Meistersymphonien »gewis guten Effect« machen würde, hatte ihr Komponist treffend vorausgesagt. In festlichem Glanz präsentiert sich der erste Satz mit seinem breit ausholenden Hauptthema. Die energi- 12 Saison 2021/22 13 Werkeinführungen
schen Intervallsprünge und Triller verströmen schier bers- tende, »recht feuerige« (Mozart) Lebensfreude. Sere- nadenhaft ist der zarte zweite Satz, der auf Pauken und Trompeten, Flöten und Klarinetten verzichtet. Unschwer lässt sich dieses gelöste Andante als stimmungsvolle nächtliche Festmusik in Haffners Palais vorstellen. Am unkomplizierten Serenaden-Tonfall hält auch der dritte Satz, ein Menuett mit solistischem Mittelteil, fest. Das Fi- nale – »so geschwind als es möglich ist« zu spielen – mün- det in einen wirbelnden Taumel voller Überraschungen. Es nimmt die Figaro-Ouvertüre vorweg; sein Hauptthe- ma dagegen lässt Osmins Arie »O wie will ich triumphie- ren« aus der Entführung aus dem Serail anklingen. Es scheint, als hätte Mozart die überschäumende Stimmung der Festgesellschaft in Tönen festhalten wol- len. Schade nur, dass Haffners Gäste dies nicht zu hören bekamen. Denn die Bürgermeisterfamilie hatte selbst von der Mühelosigkeit Mozarts zu viel verlangt. Zu eng war der Zeitrahmen gesteckt, und zu groß waren schließ- lich auch die eigenen Ansprüche, versicherte Mozart doch seinem Vater: »Sie sehen das der Willen gut ist; allein wenn man nicht kann, so kann man nicht! – ich mag nichts hinschmiren.« Und so fand die Adelserhebung von Haffner Junior ohne Mozarts Musik statt. Die Komposition wurde schließlich am 23. März 1783 in einem Wiener Akademie-Konzert uraufgeführt. Entstehungszeit Sommer 1782 in erster Fassung ohne Flöten und Klarinetten in den Ecksätzen, die Mozart bei einer Revision des Werks im Februar oder März 1783 hinzufügte. Uraufführung der revidierten Fassung erstmals am 23. März 1783 unter der Leitung des Komponisten. 14 Saison 2021/22
Zwischen Himmel und Erde Mit Mozarts Don Giovanni, dirigiert von Richard Der Mozart-Verehrer Richard Strauss Strauss, begann 1922 die Operntradition der Salz- burger Festspiele. Opern von Mozart und Strauss bestimmen bis heute den Festival-Spielplan, wobei man sich fragen kann, inwiefern diese scheinbar gegensätzlichen Klang- und Ausdruckswelten tat- sächlich miteinander harmonieren. Die Antwort lautet: bestens! – wenn man sich Strauss’ tiefe Be- wunderung für Mozart vergegenwärtigt. Richard Strauss verehrte Wolfgang Bläsersonatinen und Konzertwerken Amadeus Mozart und dessen »un- nochmals an Mozart an. Überhaupt endlich feine und reich gegliederte kreisten im Chaos der Kriegs- und Seelengebilde« zutiefst. Mozarts Nachkriegsjahre die Notizen des »Melodie«, so Strauss, »schwebt alten Strauss immer wieder um das zwischen Himmel und Erde, zwischen »Wunder Mozart«, um den »unerhör- sterblich und unsterblich, tiefstes Ein- ten Reiz von Mozarts Melodie« mit dringen der künstlerischen Phantasie ihren »Offenbarungen der innersten in letzte Geheimnisse«. Schon seit Seele der Welt«. Die S ehnsucht nach seiner Jugend liebte er Mozarts apollinischer Klarheit schien umso lichte Transparenz und vollkommene stärker zu werden, je mehr die äuße- Melodiebildung. Als Pianist debütier- re Welt in Trümmern versank. Von der te Strauss in Meiningen mit Mozarts Trost- und Haltlosigkeit angesichts c-Moll-Konzert, als Dirigent schätzte der Kriegszerstörungen legen die er Così fan tutte besonders, als Be- Metamorphosen ein erschütterndes arbeiter nahm er sich den Idome- Zeugnis ab, aber auch von der leisen neo vor. Die »Göttlichkeit« Mozarts Hoffnung auf neues Wachstum aus machte Strauss gewiss nicht nur an den Trümmern. der ausgewogenen Balance seiner Melodien fest, sondern auch an sei- Kerstin Schüssler-Bach nem emotionalen Reichtum – gerade der Spätwerke, wie der »Haffner- Symphonie«. Schon als 17-Jähriger schrieb er eine Bläserserenade, die Mozarts Gran Partita nach- Richard Strauss vor dem Mozarteum in Salzburg, 1936 eifert. Und mit fast 80 knüpfte er mit 16 Saison 2021/22 17 Der Mozart-Verehrer Richard Strauss
Renaud Capuçon Die Begeisterung für die Musik stellte sich bei Renaud Capuçon bereits früh ein: Als er mit vier Jahren anfing, Geige zu spielen, spürte er sofort eine Leidenschaft für das Instrument. »Ich merkte«, so der Künstler, »das war der Grund, warum ich existierte«. Von da an kannte er nur ein Ziel: Musiker zu werden. Für dieses Ziel nahm Renaud Capuçon viel auf sich. So pendelte er als 14-Jäh- riger wöchentlich circa 600 Kilometer zwischen seiner Heimatstadt Chambéry am Fuß der Savoyer Alpen nach Paris, um am dortigen Konservatorium zu studie- ren. Später ging er nach Berlin, wo er seine Ausbildung bei Thomas Brandis, ehemaliger Erster Konzertmeister der Berliner Philharmoniker, sowie bei Isaac Stern fort- setzte. 1997 holte Claudio Abbado den Geiger als Konzertmeister zum Gustav Mahler Jugendorchester. Fünf Jahre später gab Renaud Capuçon sein Debüt als Solist bei den Berliner Philharmonikern. Seither ist er nicht nur regelmäßiger Gast des Orchesters, sondern ein international gefragter Solist, der von vielen großen Klangkörpern eingeladen wird. Ein wichtiger Aspekt seiner Arbeit ist zudem die Kammermusik, zu der er auch immer wieder mit seinem Bruder, dem Cellisten Gautier Capuçon, zusammenfindet. Renaud Capuçon betont gerne, dass er – obwohl Franzose – ein Faible für das deutsche Repertoire habe. Wegen seines delikaten, weichen, aber gleichzeitig sehr sprechenden Tons gilt er als idealer Mozart-Interpret. Der Geiger, der in diesem Konzert auch als Dirigent zu erleben ist, spielt die so- genannte Panette-Violine von Giuseppe Guarneri (»del Gesù«) aus dem Jahr 1737, die zuvor Isaac Stern gehörte. 18 Saison 2021/22 19 Biografien
Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker Die Karajan-Akademie ist die Talentschmiede der Berliner Philharmoniker. Gegründet wurde sie 1972 vom damaligen Chefdirigenten Herbert von Karajan, um die nächste Generation von herausragenden Musikerinnen und Musikern auszubilden, indem sie von Mitgliedern der Berliner Philharmoniker Einzel- und Kammermusik unterricht erhalten. Zudem wirken sie bei Proben und Konzerten des Orchesters mit und haben so die Mög- lichkeit, von den Spitzenmusikerinnen und -musikern zu lernen und Konzertroutine zu erlangen. Darüber hinaus veranstaltet die Karajan-Akademie eine eigene Konzert- reihe, in der die Geförderten unter Leitung namhafter Dirigentinnen und Dirigenten wie Reinhard Goebel, Susanna Mälkki, Marc Minkowski, Enno Poppe oder Matthias Pintscher Musik vom Barock bis zur Avantgarde aufführen. Der gemeinsame Auftritt mit der/dem jeweili- gen Artist in Residence des Orchesters sowie die monat- lichen Carte blanche-Konzerte, in denen sich die Stipen- diatinnen und Stipendiaten solistisch oder im Ensemble präsentieren, gehören ebenfalls zum Ausbildungspro- gramm der Akademie. Ziel der Nachwuchsförderung ist es, junge Orchestermusikerinnen und -musiker auszu- bilden, die entweder bei den Berliner Philharmonikern oder bei anderen Weltklasseorchestern eine Anstellung finden. Rund ein Drittel der heutigen Berliner Philharmo- niker sind aus der Karajan-Akademie hervorgegangen. 20 Saison 2021/22 21 Biografien
© Conny Maier, Courtesy of König Galerie © A Gentil Carioca, Maxwell Alexandre Blick auf die Conditio humana Artists of the Year 2021 der Deutschen Bank im PalaisPopulaire Die Auszeichnung „Artist of the Year“ der Deutschen Bank wird zehn Jahre alt. Junge Künstler*innen, die mit Papier oder Fotografie arbeiten, werden seit 2010 durch Ankäufe ihrer Werke für die Sammlung Deutsche Bank, einen Katalog und Einzelausstellungen einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht. Anlässlich des Jubiläums werden erstmals drei Künstler*innen ausgezeichnet, die jetzt mit neuen Werken im PalaisPopulaire zu sehen sind. Das gewalt und schwarze Identität. Virtuos in der Farbgebung, kraftvoll und Besondere: Alle drei kamen über ungewöhnliche Wege zur Kunst, nicht ohne Ironie knüpft die Berlinerin Conny Maier an die Traditionen reflektieren elementare Themen wie Gemeinschaft, Spiritualität der französischen Fauvisten und des deutschen Expressionismus an. und Umweltzerstörung. Der 30-jährige Maxwell Alexandre stammt Im Zentrum ihrer Malerei-Installation steht ein riesiges, im wahrsten aus Rio de Janeiros größter Favela. Seine Gemälde, Performances Sinne überwältigendes Triptychon, dem sie den Titel „Dominanz“ und Installationen kreisen um Rassismus, Musik, Religion, Polizei- gegeben hat. Und genau darum geht es auch in ihren Bildern: um den Konflikt zwischen moderner Zivilisation und Natur, die Frage, wer wen beherrscht, die Oberhand behält. Der taiwanesische Künstler Zhang Xu Zhan fertigt für seine Filme und Installationen filigrane Figuren und Landschaften aus Pappmaschee an. Sein immersiver Kosmos ist von märchenhaften Wesen, singenden Tieren und Pflanzen © Zhang Xu Zhan, courtesy of the artist and Project Fulfill Art Space sowie Naturgeistern bevölkert – und transformiert alte Fabeln für das Internetzeitalter. Drei Statements zur Conditio humana, die radikales Um- und Neudenken einfordern. Deutsche Bank „Artists of the Year“ 2021 Maxwell Alexandre – Conny Maier – Zhang Xu Zhan Bis zum 7. Februar 2022 PalaisPopulaire Unter den Linden 5, 10117 Berlin db-palaispopulaire.de
Konzerttipps Dreimal Mozart mit Leif Ove Andsnes und dem Mahler Chamber Orchestra Frank Peter Zimmermann – eine musikalische Die Jahre 1785/86 bildeten eine entscheidende Phase in Mozarts künstlerischer Entwicklung: Sein Stil wurde dramatischer, sprechender und präsentierte eine neue Freundschaft Art des Storytellings. Der Pianist Leif Ove Andsnes und das Mahler Chamber Orchestra widmen sich in ihrem Projekt Mozart Momentum Kompositionen jener Zeit. An diesem Frank Peter Zimmermann zählt zu den langjährigen Weggefährten der Berliner Philharmoniker, Abend interpretieren sie die Klavierkonzerte Nr. 23 und die in der Zusammenarbeit immer wieder besondere Impulse setzen und anregende Perspektiven Nr. 24 sowie die »Prager« Symphonie: alles Werke, die eröffnen. Seine Auftritte knüpfen einen roten Faden zwischen Generationen von Musikerinnen und rund um Mozarts Le nozze di Figaro entstanden und in Musikern – kaum ein für das Orchester prägender Dirigent dieser Jahre hat nicht mit dem Ausnah- ihrer Konzeption von der Oper beeinflusst sind. megeiger zusammengearbeitet. Sa 13.11.21 20 Uhr Die exklusive Edition präsentiert nun mit Violinkonzerten von Beethoven, Bartók und Berg vier herausragende Momentaufnahmen dieser intensiven musikalischen Freundschaft. Kammermusiksaal Mahler Chamber Orchestra Leif Ove Andsnes Klavier und Leitung Karten von 20 bis 45 Euro Sir András Schiff und das Chamber Orchestra of Europe Sir András Schiff und das Chamber Orchestra of Europe verbindet eine langjährige, intensive künstlerische Freund- schaft. Die gemeinsamen Proben und Konzerte – so der ungarische Pianist und Dirigent – seien eine reine Freude, ein fließender Strom von Geben und Nehmen: »Die kollektive Intelligenz und Sensibilität dieser Gruppe ist bewundernswert.« Als im wahrsten und besten Sinne des Wortes eingespieltes Team führen sie die Zweite Orches- tersuite und das Brandenburgische Konzert Nr. 5 von Bach sowie das Klavierkonzert Nr. 17 und die g-Moll-Symphonie von Mozart auf. Fr 26.11.21 20 Uhr Berliner Philharmoniker Ludwig van Beethoven Alban Berg Béla Bartók Frank Peter Zimmermann Konzert für Violine und Konzert für Violine und Konzert für Violine und Kammermusiksaal Orchester D-Dur op. 61 Orchester »Dem Andenken Orchester Nr. 1 Sz 36 Chamber Orchestra of Europe Kadenzen: Fritz Kreisler eines Engels« Konzert für Violine und 2 CD · 1 Blu-ray Daniel Harding Kirill Petrenko Orchester Nr. 2 Sz 112 András Schiff Klavier und Leitung Alan Gilbert Lorenza Borrani Violine und Konzertmeisterin Clara Andrada Flöte Karten von 20 bis 45 Euro Jetzt erhältlich unter berliner-philharmoniker-recordings.com und im Shop der Philharmonie Berlin 25 Konzerttipps
Konzerttipps Hommage an Miles Davis Er gilt als einer der wichtigsten Jazzmusiker des 20. Jahr- hunderts. Egal ob Bebop, Cool Jazz, Hard Bop, modaler Klassik Jazz oder Jazzrock: Der Trompeter Miles Davis trug maß- geblich zur Entwicklung dieser Jazzstile bei. 2021 jährt sich der 30. Todestag des Ausnahmemusikers. Unter dem Titel Sketches of Miles erinnert der junge amerikanische Trompeter Theo Croker, eines der größten Talente seines Fachs, mit seinem Quartett und Mitgliedern der Berliner Philharmoniker an den Künstler. erleben Sa 27.11.21 20 Uhr Großer Saal Theo Croker Quartet: Theo Croker Trompete und Leitung Danny Grissett Piano Josh Ginsburg Kontrabass Gregory Hutchinson Schlagzeug Mitglieder der Berliner Philharmoniker Magnus Lindgren Leitung und Arrangements Hans Ek Arrangements Karten von 23 bis 48 Euro Das Quatuor Ébène mit Haydn, Janáček und Schumann Manche Musikkritiker halten das Quatuor Ébène für das beste Streichquartett der Welt – wegen seiner reichen Palette an Klangnuancen, die vom wärmsten, intimsten Moment bis zur aggressivsten, härtesten Attacke reicht. Das Erfolgsrezept des Ensembles? »Wir haben viele Streitigkeiten«, meint der Geiger Gabriel Le Magadure Unterstützen Sie uns beim Kauf in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. »Aber hochwertiger Instrumente, bei der über allem steht die Liebe dazu, etwas gemeinsam zu erschaffen.« Bei seinem Auftritt im Kammermusiksaal führt Verbesserung der Ausstattung in das Quatuor Ébène sein Publikum mit Werken von Haydn, Schumann und Janáček von der Wiener Klassik über die Philharmonie und Kammermusiksaal Romantik bis zur Moderne. oder bei der Förderung besonderer Mi 01.12.21 20 Uhr musikalischer Projekte. Kammermusiksaal Quatuor Ébène: Pierre Colombet Violine | Gabriel Le Magadure Violine Marie Chilemme Viola | Raphaël Merlin Violoncello Wir freuen uns auf Sie! Karten von 15 bis 35 Euro Freunde der Berliner Philharmoniker e. V. berliner-philharmoniker.de/freunde 26 Saison 2021/22
Ticketverkauf • online unter berliner-philharmoniker.de • t elefonisch unter +49 30 254 88-999 Montag – Freitag 9 –16 Uhr • a n der Konzertkasse der Philharmonie Montag – Freitag 15–18 Uhr Samstag, Sonntag und an Feiertagen 11–14 Uhr Hier spielen wir nur für Sie Impressum Newsletter und Social Media Herausgegeben von der Berliner berliner-philharmoniker.de/newsletter Philharmonie gGmbH für die Stiftung instagram.com/BerlinPhil Berliner Philharmoniker facebook.com/BerlinPhil Direktorin Marketing, Kommunikation und twitter.com/BerlinPhil Vertrieb: Kerstin Glasow youtube.com/BerlinPhil Leiter Redaktion: Tobias Möller (V. i. S. d. P.) Herbert-von-Karajan-Straße 1, 10785 Berlin redaktion@berliner-philharmoniker.de Redaktion: Anne Röwekamp Mitarbeit: Stephan Kock, Hendrikje Scholl Werkeinführungen: Kerstin Schüssler-Bach Biografien: Nicole Restle · Abbildungen: S. 5 Alamy Stock Foto, S. 7, 10, 13, 16 akg images, S. 19 Marc Ribes, S. 21 Peter Adamik, S. 25 (o.) Gregor Hohenberg, (u.) Joanna Bergin, S. 26 (o.) Lead Image, (u.) Julien Mignot · Anzeigen- vermarktung: Tip Berlin Media Group GmbH, Michelle Thiede, Telefon +49 30 23 32 69 610, anzeigen@tip-berlin.de · Artwork: Studio Oliver Helfrich · Layout: Stan Hema · Satz: Jetzt in Bettina Aigner · Herstellung: Reiter-Druck, Hi-Res 12247 Berlin Audio Programm- und Besetzungsänderungen vorbehalten Offizieller Streaming-Partner Einzelheftpreis: 3 Euro der Digital Concert Hall PH 18, 2021/22 digitalconcerthall.com 28 Saison 2021/22
15.9.2021 – 7.2.2022 Deutsche Bank “Artists of the Year” MA XWELL ALEXANDRE CONNY © Conny Maier. Courtesy of König Galerie MAIER ZHANG XU ZHAN
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