Karnivoren und Naturschutz - die Rolle von Karnivorenliebhabern - Gesellschaft für ...

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Karnivoren und Naturschutz - die Rolle von Karnivorenliebhabern - Gesellschaft für ...
Andreas Fleischmann                                        fleischmann@bio.lmu.de

      Karnivoren und Naturschutz – die
      Rolle von Karnivorenliebhabern
      Botanische Staatssammlung München und GeoBio-Center LMU,
      Ludwig-Maximilians-Universität München

                                                                                                   Abb. 1. : Baumaßnahmen für eine Siedlung nahe Jayapura, Neuguinea haben eine lange
   6							                                                      Das Taublatt 89    Das Taublatt 89								                                                                   7
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V
             on den insgesamt 860 bekannten Kar-           Karnivoren-Art durch menschliche Einflüsse
             nivoren-Arten ist von mehr als einem          in freier Wildbahn ausgestorben – spätestens
             Viertel das Überleben in freier Wild-         Ende 2018 ist der einzige bekannte Standort
       bahn bedroht: 69 Karnivoren-Arten (8 %)             dieser Art durch Überdüngung und Wasser­
       gelten derzeit als vom Aussterben bedroht,          entzug durch eine nahegelegene landwirt-
       47 Arten (6 %) als stark gefährdet nach der         schaftliche Fläche endgültig erloschen; neue
       weltweiten Roten Liste Gefährdeter Arten            Wuchsorte dieser Art wurden trotz intensiver
       (= IUCN Red List), 104 Arten (12 %) als ge-         mehrjähriger Nachsuche bisher nicht gefun-
       fährdet und 23 (3 %) als potenziell gefährdet       den (Cross et al. 2020; T. Krueger pers. obs.).
       (Cross et al. 2020).
                                                           Die Bedrohungen für Karnivoren in ihren
       Mindestens 89 Karnivoren-Arten sind welt-           natürlichen Lebensräumen sind vielfältig, je-
       weit nur von einem einzigen Fundort be-             doch sind nahezu alle Gefährdungsursachen
       kannt (sogenannte Mikroendemiten). Wenn             rein menschgemacht (Jennings & Rohr 2011;
       dieser erlischt, stirbt damit diese Art global      Clarke et al. 2018; Cross et al. 2020) – so wie
       aus (Cross et al. 2020). Mit der mikroendemi-       generell das Überleben nahezu aller Organis-
       schen Zwergsonnentau-Art Drosera allanto­           men im Zeitalter des Anthropozän von den
       stigma aus Westaustralien ist in den vergan-        negativen Einflüssen des Menschen auf die
       genen 10 Jahren wahrscheinlich die erste            globalen Ökosysteme beeinflusst wird.

Abb. 1: Zerstörter Lebensraum von Triphyophyllum nahe Freetown, Sierra Leone. Der Küstenregenwald (im Hintergrund
ein letzter verbliebener Rest) wird dort großflächig für Palmölplantagen und Siedlungsprojekte gerodet.
Foto: A. Fleischmann, 2006.

                                                                                                                    Abb. 2: Drosera allantostigma ist die erste Karnivoren-Art,
                                                                                                                    die nachweislich in den letzten Jahren in freier Wildbahn
                                                                                                                    ausgestorben ist. Das Foto von 2008 (oben) zeigt eines der
                                                                                                                    letzten Exemplare am Naturstandort, rechts eine Blüte in
                                                                                                                    Kultur. Mittlerweile ist das Habitat dieser Art durch Über-
                                                                                                                    düngung durch landwirtschaftliche Abflüsse (gut zu er-
                                                                                                                    kennen als grüne Schlieren von stark gefördertem Algen-
                                                                                                                    und Pflanzenwachstum im Satellitenbild) völlig verändert,
                                                                                                                    auf der ehemals nährstoffarmen, feuchten Sandfläche
                                                                                                                    haben sich starkwüschsige exotische Gräser angesiedelt.
                                                                                                                    Fotos: A. Fleischmann, Satellitenbild: Google Earth 2019.

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Abb. 3: Hauptgefährdungsursachen für die einzelnen Karnivorengattungen am Naturstandort. Die Länge der Balken ent-
spricht der Anzahl (in %) der durch die jeweilige Ursache gefährdeten Arten der Gattung. So ist z. B. mehr als ein Viertel aller
bekannten Nepenthes-Arten durch Ausgraben und illegalen Pflanzenhandel im Bestand gefährdet! Zusätzlich angegeben
die Gesamtartenzahl und die Anzahl der vom Aussterben bedrohten (CR, rot), stark gefährdeten (EN, orange) und gefähr-
deten (VU) Arten in jeder Gattung (Datengrundlage aus Cross et al. 2020; Graphik und Fotos: A. Fleischmann).

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18. Sept. 2014                                                  19. Sept. 2017

Abb. 4: Beispiele für Zerstörung von Lebensraum von Karnivoren durch Baumaßnahmen.

Links: Die letzten beiden verbliebenen Wuchsorte von Byblis gigantea im Stadtgebiet von Perth wurden innerhalb von
10 Jahren vollständig überbaut.

Rechts: Am Typusstandort von Nepenthes bokorensis auf dem Mount Bokor, Kambodscha wurden eine Luxussiedlung
und ein Hotel errichtet. Die hellen Flächen in ersten Bild waren ehemals artenreiche Karnivorenstandorte. Sie sind
heute alle zerstört.

Satellitenfotos: Google Earth.

     Hauptverursacher für das Artensterben und                Unter diese Kategorie fallen u.a. Habitat­
     den Bestandsrückgang bei Karnivoren sind:                sukzessionen wie die Verlandung von
                                                              Moorgewässern, oder die Verbuschung
     1.    Land- und Forstwirtschaft und deren                und natürliche Wiederbewaldung von
           Einflüsse, die weltweit mindestens 170             offenen Lebensräumen. Allerdings wird
           Karnivoren-Arten gefährden (Cross et               auch diese Entwicklung vom Menschen
           al. 2020) durch: Verlust von Lebensraum            stark gefördert, weil in der vom Men-                  Abb. 5: Beispiele für den Verlust von Karnivoren am Naturstandort durch extreme Wetterereignisse und die Auswirkungen
           für landwirtschaftliche Produktionsflä-            schen geprägten Landschaft vielerorts                  des Klimawandels:
           chen und Aufforstungen, Wasserrück-                kaum neue nährstoffarme, feuchte Pri-
           halt für Bewässerungssysteme, Pesti-               märstandorte entstehen können, die                     Oben: Ein bekannter und reichhaltiger Wuchsort von Drosera in den Zederbergen, Südafrika (links: Aufnahme zu normaler
           zide und Schadstoffe aus Forst- und                natürlicherweise wieder von Karnivoren                 Winterregenzeit 2014) wurde durch zwei extreme Dürrejahre fast vollständig ausgelöscht (rechts: Aufnahme zur Winterre-
                                                                                                                     genzeit 2017; beide Fotos: Christian Dietz).
           Landwirtschaft, insbesondere aber auch             als Lebensraum genutzt würden.
           Eutrophierung und Stickstoffüberdün-                                                                      Mitte: Der extrem trockene, heiße Sommer 2017 hat im Mittelmeergebiet mehrere Pinguicula-Populationen stark geschä-
           gung der nährstoffarmen Lebensräu-            3.   158 Karnivoren-Arten sind akut durch                   digt, da dort die Quellhabitate völlig ausgetrocknet sind und die Pflanzen während des Wachstums vertrockneten (das
           me durch landwirtschaftliche Stäube                die Folgen des Klimawandels be-                        sind keine Winterknospen!). Links: P. mariae in den Apuanischen Alpen, Italien (Foto: Giulio Pandeli). Rechts: P. sehuensis auf
           und Abwässer.                                      droht, hier vor allem von ausgepräg-                   Sardinien (Foto: Marcello Cannas). Von dieser mikroendemischen Art sind große Teile der wenigen bekannten Populatio-
                                                              ten Dürreereignissen, dem Ausbleiben                   nen im Hitzesommer 2017 abgestorben, damit ist diese Art nun noch stärker gefährdet als bisher.
     2.    „Natürliche“ Lebensraumveränderun-                 oder der Verringerung der saisonalen
           gen bedrohen 168 Karnivoren-Arten.                 Niederschläge, sowie durch anhaltende                  Unten: Abgestorbene Nepenthes pervillei auf Mahé, Seychellen, nach außergewöhnlich langer Trockenheit 2012
                                                                                                                     (Foto: Thilo Krueger).
     12							                                                                       Das Taublatt 89                         Das Taublatt 89								                                                                                    13
Karnivoren und Naturschutz - die Rolle von Karnivorenliebhabern - Gesellschaft für ...
Hitzewellen. Vor allem in Gebieten mit                 jetzt den dortigen Karnivoren zu
             mediterranem Klima nehmen diese Wet-                   schaffen machen – auf Borneo ist be-
             terextreme durch den menschgemach-                     reits jetzt durch solche El-Niño-Dürren
             ten globalen Klimawandel zu – und                      das lokale Absterben ganzer Nepen­
             genau diese Regionen sind die Diver-                   thes-Populationen bekannt geworden
             sitätszentren der meisten Karnivoren-                  (Steiner 2002; Cross et al. 2020).
             Arten (z. B. SW-Westaustralien und
             die Kapregion Südafrikas (Drosera) so-           4.    Energieproduktion und Tagebau gefähr-
             wie das Mittelmeergebiet (Pinguicula                   den weltweit mindestens 127 Karnivor-
             Untergattung Pinguicula)). Lediglich                   en-Arten, darunter fallen neben Bergbau
             die immerfeuchten Tropen Südost-Asi-                   und Erzabbau, welche in Südostasien,
             ens würden in den derzeitigen lang-                    Australien, Afrika, Mexiko und Südame-
             fristigen Klimaberechnungen kaum an                    rika viele Karnivorenstandorte bereits
             Niederschlägen einbüßen. Aber auch                     ausgelöscht haben, auch wasserbauli-
             in dieser Region sowie in den Tropen                   che Maßnahmen wie Staudämme und
             Südamerikas werden die Auswirkun-                      vor allem die Kanalisierung und Einfas-
             gen von Dürren durch El-Niño-Ereig-                    sung von Quellen, die viele sickerfeuchte
             nisse verstärkt zunehmen, die schon                    Karnivoren-Lebensräume trockenlegen.
Abb. 6.: Beispiel für die Gefährdung von Karnivorenstandorte durch invasive Arten (Neophyten). Australische Akazien brei-    Oben: Abb. 7: Invasive Arten: Viele Karnivoren-Standorte in der Fynbos-Vegetation Südafrikas, auch innerhalb von Schutz-
ten sich auf den nährstoffarmen Lebensräumen in Südafrika invasiv aus, und sorgen für das Verschwinden der dortigen          gebieten, sind stark durch das Zuwachsen der Flächen mit nicht-heimischen Kiefern bedroht. Diese wurden zur schnellen
Karnivoren. Dabei überwachsen die Akazien nicht nur den offenen Lebensraum und lassen die Karnivoren (v.a. Drosera)          Aufforstung und Holzgewinnung in Südafrika gepflanzt, sie versamen sich aber stark und können sich selbst auf den nähr-
durch Beschattung absterben. Mit ihren symbiontischen Knöllchenbakterien an den Wurzeln binden die Akazien auch sehr         stoffärmsten Standorten halten – diese werden ohne gezielte Pflegeeingriffe langsam zu Kiefernwald. Das Foto zeigt einen
effektiv Luftstickstoff und düngen so langfristig den Boden auf. Das ist an diesem Standort einer seltenen dunkelvioletten   Wuchsort von Drosera coccipetala, D. cistiflora und D. zeyheri bei Caledon. Foto: A. Fleischmann, 2006.
Form von Drosera cistiflora gut am Aufwuchs von hohen Gräsern in der Nähe der Akazien zu erkennen – dort können sich
keine Karnivoren mehr gegen die Konkurrenz und Nährstoffe behaupten. Foto: A. Fleischmann, 2006.                             Unten: Abb. 8.: Invasive Arten: An diesem Sumpfstandort nahe Perth, Westaustralien können sich zwischen invasiven Pflan-
                                                                                                                             zenarten aus dem Mittelmeergebiet nur noch wenige Exemplare von Utricularia multifida halten. Andere, ehemals dort
                                                                                                                             vorkommende Karnivoren-Arten wurden von den invasiven Arten aus Europa schon verdrängt (zu sehen u.a. Zittergras:
                                                                                                                             Briza media und B. maxima sowie mindestens 5 weitere europäische Grasarten; Behaarter Hornklee: Lotus hispidus; Gelbes
                                                                                                                             Teerkraut: Parentucellia viscosa). Das Problem an diesen invasiven Arten ist auch, dass sie sehr leicht als Samen an den Schu-
                                                                                                                             hen von Besuchern von einem Karnivorenhabitat ins nächste übertragen werden – so ist die Invasion auch in entlegene
                                                                                                                             Lebensräume kaum aufzuhalten. Foto: A. Fleischmann, 2008.

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Karnivoren und Naturschutz - die Rolle von Karnivorenliebhabern - Gesellschaft für ...
Abb. 9.: Gefährdung von Karnivorenstandorten durch Forstwirtschaft: dieser Wuchsort von Drosera
                                       spiralis und fast 20 weiteren Karnivoren-Arten nahe Itacambira, Minas Gerais, Brasilien, ist akut durch
                                       die umliegenden Eucalyptus-Pflanzungen (Hintergrund) bedroht. Eucalyptus wird in Brasilien gerne
                                       in Feuchtgebiete gepflanzt, da die schnellwachsenden Bäume den Boden durch Wasserentzug aus-
                                       trocknen, zudem „beseitigt“ Eucalyptus durch sein giftiges Laub jeglichen Unterwuchs. Dieses Kar-
                                       nivorenhabitat steht leider noch immer nicht unter Naturschutz, obwohl es der Ort mit den meisten
                                       Karnivoren-Arten in ganz Brasilien ist – Genlisea metallica ist sogar nur noch von diesem Standort
16							   Das Taublatt 89   Das Taublatt   89
                                       bekannt.   Foto: A. Fleischmann, 2010.                                                        17
Karnivoren und Naturschutz - die Rolle von Karnivorenliebhabern - Gesellschaft für ...
Im folgenden Artikel sollen aber vor allem      gefährdet sind hier Nepenthes-Arten, vor
zwei Bedrohungen für unsere Karnivoren          allem auf Borneo, Sumatra, den Philippinen
näher erläutert werden, die ganz konkret        und in Indochina.
von den „Karnivorenliebhabern“ selbst aus-
gehen, und die für einige Arten die Haupt-      Aber auch Knollendrosera, Zwergdrosera
gefährdungsgrund darstellen! So sind welt-      und „Standortformen“ von Cephalotus aus
weit mindestens 126 Karnivoren-Arten durch      Australien sowie „Standortformen“ von Sar­
menschliche Störungen im Lebensraum be-         racenia und Dionaea werden (immer noch!)
droht, und mindestens 98 Karnivoren-Arten       illegal in großem Stil aus der Natur entnom-
sind hauptsächlich dadurch gefährdet, dass      men und privat oder kommerziell verkauft,
ihre Populationen für den illegalen Pflanzen-   in Verkaufslisten oder heute zunehmend
handel für „Karnivorenliebhaber“ geplündert     online über Soziale Medien, Tauschforen
werden! Das sind ausgerechnet solche Arten,     oder Internet-Auktionshäuser.
die in ihrem Lebensraum ansonsten relativ
sicher wären, weil dieser in Schutzgebieten     Die Kunden solcher illegalen Wildentnah-
liegt, und sie dort eigentlich von sonstigen    men sind Karnivorenhalter in aller Welt, die
negativen menschlichen Einflüssen weitge-       sich wohl in den meisten Fällen durchaus
hend verschont bleiben würden.                  klar sind, woher die „Ware“ stammt, die dies
                                                aber billigend in Kauf nehmen. Denn quasi
Bedrohungen von Karnivoren am                   alle verkauften Wildentnahmen von Kar-
                                                nivoren sind illegal, mögen die Verkäufer
Naturstandort durch illegale Wild­
                                                auch noch so oft anderes behaupten! So ist
entnahmen                                       z. B. in Australien schon seit 20 Jahren der
Karnivoren gehören - neben Orchideen,           kommerzielle Export von aus der Natur ent-
Kakteen, Bromelien und Palmfarnen - zu          nommen australischen Karnivoren grund-
den Pflanzengruppen für die leider neben        sätzlich verboten (EPBC Act 1999). Rechtlich
den allgemeinen menschenverursachten            verhält es sich mit dem Erwerb von illegalen
Bedrohungen (Lebensraumzerstörung, Um-          Wildentnahmen übrigens genauso wie mit
weltverschmutzung, Stickstoffbelastung, Kli-    dem Kauf von Hehlerware:
mawandel) auch ganz konkrete Gefährdung
für einzelne Arten durch das hortikulturelle    1.   Der Käufer sollte sich vorher genau über
Interesse an diesen interessanten Pflan-             die Legalität der Quelle informieren,
zen besteht. Bei all diesen Pflanzengrup-
pen gibt es ein Liebhaberinteresse diese zu     2.   Unwissenheit schützt vor Strafe nicht
kultivieren und besitzen zu wollen – vor al-         und
lem spektakuläre, seltene oder „neue“ Ar-
ten – und deswegen immer wieder illegale        3.   ein Käufer kann niemals Eigentum an        Abb. 10-12. Beispiele für den – leider sehr zahlreich
Sammelaktivitäten, teils in kommerziellem            illegal gewilderten Arten erwerben,        stattfindenden – illegalen Handel mit gewilderten
Umfang, die einige Bestände oder sogar               diese gehen nach Bekanntwerden und         Nepenthes. Zusammenstellung von Screenshots aus
                                                     Beschlagnahmung dem Zoll oder Her-         Facebook von Angeboten verschiedener illegaler
einzelne Arten an den Rand der Ausrottung
                                                                                                Händler. Hier gezeigt sind illegal der Natur entnom-
gebracht haben oder bringen.                         kunftsland zu. Da kann er noch so viel     mene Jung- und Altpflanzen von Nepenthes rajah, N.
                                                     Geld für eine Pflanze und deren Trans-     edwardsiana, N. villosa (alle drei Arten sind gesetzlich
Dies geschieht sowohl kontinuierlich durch           port bezahlt haben, bei illegalen Wild­    geschützt, zudem wurden sie in einem Nationalpark
viele einzelne „Privatsammler“, aber auch im         entnahmen sind im besten Falle nur         gewildert!), N. rigidifolia und N. ampullaria.
großen Stil durch illegale Wildentnahmen             Geld und Pflanze weg, je nach Umfang
für den gewerblichen Verkauf durch „Pflan-           und Land kommen dann noch eine
zenhändler“, vor allem im Internet. Besonders        Geld- oder Freiheitsstrafe hinzu.

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Karnivoren und Naturschutz - die Rolle von Karnivorenliebhabern - Gesellschaft für ...
Diese „Pflanzenliebhaber“ sorgen durch ihr          Daher gibt es inzwischen findige Händler, die
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                                                                                                                              lich bewundern, in freier Wildbahn aus-             botslisten nun als „Kultivare“ oder „Kulturhy-
                                                                                                                              sterben! Ich möchte es nochmals betonen:            briden“ deklarieren, in der Hoffnung, so der
                                                                                                                              Einige seltene und vom Aussterben bedroh-           Gesetzgebung entgehen zu können. Leider
                                                                                                                              te Karnivoren-Arten, wie etwa Nepenthes             finden sich auch immer wieder weitere Nach-
                                                                                                                              aristolochioides, N. clipeata, N. diabolica, N.     ahmer, so brüstete sich z. B. in Westaustralien
                                                                                                                              edwardsiana, N. hamata, N. inermis, N. izumi­       kürzlich ein Internet-Anbieter von wildge-
                                                                                                                              ae, N. jamban, N. jacquelineae, N. pitopangii,      sammelten Knollendrosera (der diese auch
                                                                                                                              N. rigidifolia, N. tenuis, N. undulatifolia, etc.   international exportierte) damit, dass er „le-
                                                                                                                              sterben in freier Wildbahn (entweder kom-           gale Genehmigungen“ hätte, und diese auch
                                                                                                                              plett, oder an einzelnen Standorten) nur            für Naturschutzgebiete bekommen würde.
                                                                                                                              deswegen aus, weil es Leute gibt, die diese         Das ist eine dreiste Lüge, denn in Westaustra-
                                                                                                                              unbedingt besitzen möchten, und deswegen            lien ist jeglicher Handel mit aus Naturschutz-
                                                                                                                              Wildentnahmen kaufen!                               gebieten entnommenen Wildpflanzen gene-
                                                                                                                                                                                  rell verboten (mit Geldbußen von AU$ 50.000
                                                                                                                              Paradoxerweise sind es in diesen Fällen ein-        bei nicht unter Schutz stehenden Arten und
                                                                                                                              deutig die Karnivoren“liebhaber“, die für das       AU$ 500.000 für streng geschützte Arten;
Abb. 13: Beispiele für den Verkauf von illegal in Westaustralien ausgegrabenen Knollendrosera auf einer Internetplattform     Aussterben dieser Arten sorgen, die sie doch        Biodiversity Conservation Act 2016)!
(Screenshots), kommerziell und in großem Stil. Dieser Verkäufer gab bei seiner Angebotsbeschreibung sogar explizit an,        „liebhaben“! Gerade bei Nepenthes stellt
dass es sich um Wildentnahmen handelte, und führte eine angebliche „offizielle Genehmigung“ an. Gesetzlich ist der Ver-
                                                                                                                              der illegale Handel mit Wildpflanzen sogar          Auch Wildentnahmen von Sarracenia, Dio­
kauf von Wildentnahmen in Australien verboten. Traurigerweise wurden trotz – oder gerade wegen? – der Angabe, dass es
sich um Wildherkünfte handelt, von Karnivorenliebhabern in aller Welt die Pflanzen gekauft - im Falle von D. collina (oben)   die stärkste Bedrohung und den Hauptgrund           naea und vielen Drosera, die online zum Ver-
mindestens 62 Mal!                                                                                                            für das Aussterben einzelner Arten am Na-           kauf angeboten werden, stammen nahezu
                                                                                                                              turstandort dar (siehe Abb. 3). Mehr als ein        ausschließlich aus Schutzgebieten. Auch hier
                                                                                                                              Viertel (27 %!) der bekannten Nepenthes-Ar-         muss jedem Käufer klar sein, woher diese
       Folgendes sind die gängigsten Argumente                Regionen) gemacht – also in Gebieten, die                       ten sind mittlerweile durch Ausgraben und           Pflanzen stammen, und dass er mit seinem
       oder„Ausreden“, die Käufer von illegalen Wild-         vor Lebensraumzerstörung weitgehend si-                         Wildhandel in ihrem Bestand gefährdet               Tun zum Verschwinden dieser Arten in freier
       entnahmen oft verwenden – meist auch, um               cher sind, und in denen ein Überleben der                       (Cross et al. 2020)!                                Natur beiträgt!
       sich selbst ein gutes Gewissen für ihr Han-            Pflanzen in freier Wildbahn langfristig ge-
       deln einzureden. Kein einziges Argument da-            sichert wäre. Und genau dort werden die                         Auch die „Standortformen“ von Cephalotus            •    „Nun wurden die Pflanzen ja sowie­
       von ist aus wissenschaftlicher Sicht haltbar:          meisten Karnivoren für den Handel, aber                         sowie diverse Knollendrosera, Brutschuppen               so schon ausgegraben, ich kaufe sie
                                                              auch in kleinerem Maßstab von privaten                          von Zwergdrosera etc., die von einem bekann-             doch jetzt nur noch, um sie zu retten,
       •     „Die Naturstandorte werden durch                 Sammlern ausgegraben!                                           ten Anbieter in Australien vertrieben werden,            sonst würden sie beim Verkäufer ja
             Lebensraumzerstörung und Klima­                                                                                  sind nicht nur Wildentnahmen, sie wurden                 sinnlos eingehen“.
             wandel doch sowieso zerstört, da ist             Dies betrifft in großem kommerziellen Stil                      auch größtenteils aus Schutzgebieten ent-
             es doch gut, wenn die Pflanzen vorher            in erster Linie Nepenthes, z. B. in den Schutz-                 nommen. Jedem Käufer von Brutschuppen               Auch diese Ausrede ist reine Schönfärberei.
             noch gerettet werden“.                           gebieten Borneos oder auf den Philippinen.                      von Drosera leioblastus oder D. oreopodion          So hart es klingt, aber nur wenn niemand
                                                              Leider ist das Überleben von Arten wie N.                       „vom Naturstandort“ sollte zum Beispiel klar        mehr diese Wildentnahmen kauft, sie also
       Prinzipiell wäre dies noch das vernünftigste           edwardsiana oder N. clipeata in freier Na-                      sein, dass es nur noch eine Handvoll Pflan-         alle beim illegalen Händler eingehen, wird
       Argument, wenn man Wildentnahmen denn                  tur eben nicht dadurch gefährdet, weil ihre                     zen dieser Arten an jeweils einem einzigen          dieser auch irgendwann aufhören, Pflanzen
       überhaupt irgendwie befürworten möch-                  Lebensräume - wie anderswo der Fall - zer-                      Naturstandort gibt, und jegliche Entnahme           am Naturstandort zu plündern.
       te. Allein, es greift nicht. Denn nahezu alle          stört werden. Sondern weil es – man verzeihe                    von Brutschuppen oder Samen diese Arten
       in den letzten Jahren bekannt gewordenen               meine Wortwahl hier – Idioten gibt, die wild                    näher an den Rand der Ausrottung bringt.            Jeder Kauf, und sei er aus noch so gutge-
       illegalen, kommerziellen Wildentnahmen (oft            gesammelte Nepenthes vom Naturstand-                            Zudem ist, wie bereits erwähnt, der kommer-         meinten Motiven, schafft den Markt, der un-
       professionell und in großem Stil!) wurden in           ort kaufen, und damit einen Markt für diese                     zielle Export von australischen Karnivoren          sere geliebten Karnivoren am Naturstandort
       Schutzgebieten (oder sehr unzugänglichen               illegalen Aktivitäten schaffen.                                 aus Australien generell verboten.                   letztendlich aussterben lässt.

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Karnivoren und Naturschutz - die Rolle von Karnivorenliebhabern - Gesellschaft für ...
Das ist wie mit dem Handel mit illegal aus        angesehen werden! Denn nur dort kann
der Natur gewilderten Schildkrötenbabys,          das gesamte Ökosystem mit allen betei-
die in Teilen Griechenlands und der Türkei        ligten Arten (Bestäuber, Mutualisten, Sym-
auf den Wochenmärkten an Touristen zum            bionten, aber auch Parasiten, Herbivoren,
Kauf angeboten werden. Viele kaufen eini-         etc.) erhalten werden, die für das langfris-
ge davon aus Mitleid und setzen sie wieder        tige Überleben einer Art auch nötig sind
in der Natur aus, im Glauben eine gute Tat        (siehe Braverman 2014).
vollbracht zu haben.
                                                  Kein einziger (!) ex-situ-Ansatz berücksichtigt
Traurigerweise ist genau das Gegenteil der        dies derzeit, und so sind die meisten davon
Fall: Für den Verkäufer ist das ein Anreiz, mit   meines Erachtens auf lange Sicht zum Schei-
der illegalen Wildentnahme weiterzuma-            tern verurteilt. Was nützt z. B. ein ex-situ-Er-
chen, denn er hat ja eben ein Geschäft damit      haltungsprogramm für bedrohte Nepenthes
machen können.                                    (siehe Cantley et al. 2005, Ziemer 2010), wenn
                                                  zum einen die benötigte genetische Diversi-
Und genauso verhält es sich bei den illegalen     tät für die Erhaltungskultur zum Teil auch da-
Wildentnahmen von Karnivoren. Solange es          durch geschaffen wird, dass man auf illegale
jemanden gibt, der die gewilderten Pflan-         Wildentnahmen zurückgreift?
zen auch kauft, besteht für die Wilderer der
Anreiz, damit weiterzumachen – durchaus           Zum anderen aber, und das ist noch viel wich-
verständlich, sind für die Leute vor Ort, z. B.   tiger: Keine einzige der „Erhaltungskulturen“
in Indonesien, doch die oft astronomischen        von Nepenthes (z. B. N. clipeata in deutschen,
Summen, die für diese Pflanzen bezahlt wer-       japanischen oder amerikanischen Gewächs-
den, ein guter Lohn… sie werden wohl nie          häusern) züchtet nebenbei die Bestäuber der        Abb. 14: Oben und Unten: Grabelöcher nach illegalem Ausgraben von Knollendrosera (hier: Drosera stricticaulis) in einem
verstehen, warum jemand für eine Pflanze          Art oder die beteiligten Symbionten. Und           Nationalpark nahe Perth, Westaustralien. Fotos: Thilo Krueger, 2019.
so viel Geld ausgibt. Erst recht nicht jemand,    mögliche auf die Art spezialisierte Herbivor-
der von sich auch noch behauptet, ihm lägen       en und Parasiten (die ebenfalls zum Ökosys-
diese Pflanzen am Herzen und er interessiere      tem gehören!) wird der Nepenthes-Halter
sich dafür – wobei die Beziehung vom Men-         wohl eher mit Spritzmitteln bekämpfen denn
schen zur Natur traurigerweise wohl schon         erhalten wollen. Ex-situ-Erhaltung wird mög-
immer vor allem vom Vorsatz geprägt war:          licherweise einzelne Arten in Kultur überdau-
Wir töten, was wir lieben.                        ern lassen können, sprich der Genpool der
                                                  Art wird „erhalten“ – das gesamte Ökosystem
•    „Ich möchte verschiedene Stand­              und damit das langfriste Überleben am Na-
     ort-Klone haben, so trage ich zum            turstandort kann man so aber nicht erhalten.
     Erhalt dieser Art bei, dass diese Art
     wenigstens in Kultur überlebt“.              Generell ist übrigens die Erfolgsquote zur
                                                  Wiederansiedlung von Pflanzen nach ex-si-
Auch das Argument der „privaten ex-situ-Er-       tu-Erhaltung oft gering (Braverman 2014).
haltung“ ist nicht haltbar. Ex-situ-Erhaltung,    In Kultur herangezogene Pflanzen, die am
also das Überleben einer Art in gärtneri-         Naturstandort nach dem dortigen Ausster-
scher Kultur, kann nur der letzte Strohhalm       ben, oder auch zur Populationsstützung
sein, wenn ein Überleben einer Art in freier      noch vorhandener gefährdeter Arten wieder
Wildbahn nicht mehr möglich ist (z. B. weil       ausgepflanzt werden, haben leider oft eine
der Lebensraum völlig zerstört wurde). An-        sehr geringe Überlebenschance. Samen von
sonsten sollte immer die in-situ-Erhaltung,       Kulturpflanzen, die am Naturstandort wie-
also der Schutz einer Art im natürlichen          der ausgestreut werden, keimen oft schlecht
Lebensraum als oberstes Naturschutzziel           oder gar nicht (Maschinski & Haskins 2012).

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Karnivoren und Naturschutz - die Rolle von Karnivorenliebhabern - Gesellschaft für ...
Das liegt unter anderem auch daran, dass        siere ich mich dann doch nicht mehr für
                                                                   mit der Vermehrung in Kultur immer ein          Tiefland-Nepenthes“. Übrigens: auch „institu-
                                                                   sogenanntes genetisches Bottleneck, also        tionelle“ ex-situ-Erhaltungskulturen, z. B. von
                                                                   ein selektiver Flaschenhals, geschaffen wird:   Botanischen Gärten, die sich auf legal ent-
                                                                   In Kultur überleben aus einer Samenkapsel       nommenes Material vom Naturstandort stüt-
                                                                   eben nicht dieselben Individuen, wie sie es     zen, scheitern regelmäßig - gerade bei Karni-
                                                                   in freier Wildbahn täten. In Kultur wachsen     voren, die nicht einfach zu halten sind (siehe
                                                                   die Pflanzen unter für sie optimalen Be-        z. B. Peruzzi et al. 2004; Peruzzi pers. comm.).
                                                                   dingungen (und ohne Konkurrenz durch
                                                                   andere Arten) im sogenannten autökologi-        Dies soll übrigens kein generelles Plädoyer
                                                                   schen Optimum heran. Das ist aber ein rein      gegen ex-situ-Erhaltung sein (es gibt auch
                                                                   künstliches System, dass sich so nicht in       Erfolgsgeschichten, bei denen dies gut ge-
                                                                   der Natur findet, dort müssen Pflanzen mit      klappt hat, z. B. der Erhalt von Aldrovanda
                                                                   synökologischen Bedingungen, sprich un-         am letzten verbliebenen Wuchsort in Japan;
                                                                   ter Wechselwirkungen mit vielen anderen         Kondo et al. 1997), man muss sich nur die
                                                                   Organsimen, heranwachsen.                       Rahmenbedingungen klarmachen… und
                                                                                                                   ganz sicher kann der Naturschutzaspekt nie
                                                                   Während wir in Kultur also ganz automa-         ein Argument sein, um die illegale Entnahme
                                                                   tisch und unbeabsichtigt die unter unseren      von Arten vom Naturstandort gutheißen zu
                                                                   Kulturbedingungen am besten wachsenden          wollen! Denn am besten aufgehoben ist jede
                                                                   Individuen (oder Klone) herausselektieren,      Art immer noch an ihrem Naturstandort.
                                                                   wären es in freier Wildbahn vielleicht ganz
                                                                   andere Genotypen gewesen, die sich dort         Leider nimmt das Ausgraben von Wildpflan-
                                                                   durchgesetzt hätten. Sämlinge, die in Kultur    zen und der illegale Handel mit Wildherkünf-
                                                                   vielleicht kränkeln oder schlecht und lang-     ten stetig zu, und hierzu ist auch die Entnah-
                                                                   sam wachsen (und deshalb in der ex-situ-Er-     me von Einzelpflanzen durch Privatpersonen
                                                                   haltung gar nicht berücksichtigt werden, weil   zu rechnen. Im Englischen spricht man schon
                                                                   sie vom Züchter ausselektiert werden oder       vom sogenannten „Poaching Tourism“, also
                                                                   eingehen), wären unter den speziellen Bedin-    dem Aufsuchen von Naturstandorten ge-
                                                                   gungen am Naturstandort vielleicht die am       zielt zum Ausgraben von Pflanzen oder zur
                                                                   besten Angepassten gewesen, die sich dort       Entnahme von Samen. Und gerade durch
       Abb. 15: Überreste nach der Plünderung einer Wild­          etablieren und durchsetzen (z. B. weil sie am   Soziale Medien, Fotodatenbanken, aber
       population von Cephalotus follicularis in Westaustralien.   effizientesten eine Wechselbeziehung mit        auch Plattformen wie iNaturalist oder ISpot-
       An diesem Standort wuchsen von dieser bedrohten             den dortigen Bodenpilzen ausbilden konn-        Nature, auf denen Fotos von Pflanzen am
       Art noch ca. 40 Exemplare, 30 davon wurden dort von
                                                                   ten und so dort am schnellsten gewachsen        Naturstandort oft zusammen mit punktge-
       einem unbekannten Täter ausgegraben! Diese Natur­
       population dürfte nun ausschließlich durch die Nachfrage    wären). So werden in Kultur automatisch die     nauen Geokoordinaten präsentiert werden,
       nach Cephalotus-Standortformen für die Kultur zum           am besten in Kultur wachsenden Genotypen        wurde und wird das Plündern von den letz-
       Erlöschen kommen. Fotos: Brian Quinn, 2019.                 selektiert, die sich nach Wiederansiedlung      ten verbliebenen Wuchsorten vieler seltener
                                                                   am Naturstandort unter den dortigen Bedin-      Karnivoren noch gefördert.
                                                                   gungen oft nicht (mehr) halten können.
                                                                                                                   Rice (2019) berichtet von Sarracenia-Standor-
                                                                   Zudem hängt der Erfolg einer Erhaltungs-        ten in den USA, die, nur wenige Tage nach-
                                                                   kultur stark vom langfristigen Interesse        dem Fotos davon im Internet (u.a. auf iNa-
                                                                   und Kulturerfolg der beteiligten Instituti-     turalist) publik wurden, bereits geplündert
                                                                   onen/Personen ab – es kann also nie eine        waren. Zum Teil wurden die Pflanzen bereits
                                                                   Sache nach kurzfristiger Interessenslage        33 Stunden nachdem die Fotos geposted
                                                                   werde, wie: „Heute beteilige ich mich mal       wurden von Unbekannten restlos ausgegra-
                                                                   am N. clipeata-Projekt… morgen interes-         ben! Zumindest auf iNaturalist sind seit die-

24							                         Das Taublatt 89                  Das Taublatt 89								                                                                      25
sem Vorfall sämtliche hochgeladene Sarrace­     zen, die sie so bewundern (oder vielleicht       Zeit? Um zu sehen, wer die schönste gewil-          Bedrohung von Naturstandorten
nia-Beobachtungen nicht mehr mit genauen        doch nur besitzen wollen?), langfristig und      derte Nepenthes edwardsiana kaufen kann?            durch ausgewilderte Karnivoren
Geokoordinaten aufrufbar, selbiges gilt auch    unwiederbringlich schädigen. Clarke et al.       Das ist doch keine Leistung. Ich zolle meinen
für alle anderen als gefährdet eingestuften     (2018) schreiben ganz treffend, dass einige      Respekt jedenfalls jedem, der es schafft eine       Zusätzlich gibt es unter den oben genannten
Karnivorenarten, insbesondere Nepenthes.        Karnivorensammler es offensichtlich als ihr      Nepenthes edwardsiana (oder jegliche andere         „Liebhabergruppen“ von Pflanzen meines
                                                gutes Recht erachten, sich für ihr Hobby wie     Karnivoren-Art) aus in-vitro-Vermehrung von         Wissens nur bei Karnivoren und Orchideen
Der große Sammeldruck und die Gefahr von        selbstverständlich an den Wildpopulationen       einem legalen Händler zu einer großen, schö-        das Phänomen, dass kultivierte Arten auch
Wildentnahmen führen auch dazu, dass bei        am Naturstandort bedienen zu dürfen, und         nen, blühfähigen Pflanze zu ziehen. Denn            an fremden Naturstandorten angesalbt,
vielen der neuentdeckten Karnivoren-Arten,      dass sie dieses „Recht“ anscheinend als wich-    die/der Kultivateur/in beweist damit ihr/sein       sprich bewusst ausgebracht werden.
gerade bei „spektakulären“ Arten, in den        tiger erachten als das (naturschutzgesetzlich    gärtnerisches Können. Solche Fotos aus Kul-
Erstbeschreibungen die Standorte aus Na-        verankerte!) Recht der Pflanzen, ungestört an    tur sehe ich mir auch gerne an.                     „Ansalbung“ bezeichnet das gezielte Aus-
turschutzgründen gar nicht mehr genannt         ihren Naturstandorten wachsen zu dürfen.                                                             bringen, also Aussäen oder Anpflanzen, von
werden, und dass viele Leute ihnen be-          Die Natur als Selbstbedienungsladen für das      Für die Haltung und Halter von am Natur-            gebietsfremden Pflanzenarten durch den
kannte Standortinformationen generell an        Hobby einiger weniger?                           standort geplünderten Pflanzen, die offen-          Menschen zur vermeintlichen „Bereicherung“
niemanden mehr herausgeben.                                                                      sichtlich damit im Internet angeben müssen,         der lokalen Flora (ein sehr empfehlenswerter
                                                Dabei wäre dies überhaupt nicht nötig. So        habe ich hingegen nur Verachtung übrig              Artikel zu diesem Thema: Hohla 2011).
Offensichtlich ist das langfristige Überleben   ziemlich alle Karnivoren-Arten, die auch kul­    – und gegebenenfalls noch eine Anzeige
für einige Karnivoren auf diesem Planeten       tivierbar sind, sind für wenig Geld als gut      wegen Vergehen gegen internationale Ar-             Im deutschsprachigen Raum sind solche
nur noch möglich, wenn möglichst nie-           etablierte Pflanzen bei registrierten, legalen   tenschutzabkommen. Dies scheint auch die            Auspflanzungen in die freie Natur – egal wo –
mand weiß, wo genau sie wachsen. Selbst         Händlern erhältlich (und es werden jährlich      einzige Möglichkeit, gesetzlich den illegalen       immer durch die zuständige Naturschutzbe-
der Versuch, „spektakuläre“ Arten nach ihrer    mehr im Angebot) – die Überlebenschancen         Handel mit Wildentnahmen zu unterbinden:            hörde genehmigungspflichtig (in Deutsch-
Entdeckung gezielt mit legal durch behörd-      solcher Pflanzen sind tausendmal höher als       Indem man die Käufer strafrechtlich belangt.        land: § 40 Bundesnaturschutzgesetz) und in
liche Sammelgenehmigung entnommene              von Wildentnahmen, und man erhält gesun-                                                             Naturschutzgebieten (worunter so ziemliche
Samen für Karnivorenzüchter legal verfüg-       de, wüchsige Pflanzen. Was will man mehr?        Natürlich wurden von den im Naturschutz             alle Karnivoren-Habitate bei uns fallen)
bar zu machen und so den Sammeldruck                                                             involvierten Personen vor Ort auch jeweils          generell verboten!
von den Naturpopulationen zu nehmen,            Offensichtlich geht es aber einigen gar nicht    die Anbieter/Händler/Verkäufer von Wild­
scheitert am „Haben-Wollen“ einiger Karni-      darum, sich an gesunden, schön gewach-           entnahmen angezeigt (z. B. im Falle von             Naturschutztechnisch sind diese Ansalbun-
vorensammler: So wurden von der mikroen-        senen Pflanzen in Kultur zu erfreuen – sie       Nepenthes-Plünderungen am Mt. Kinabalu              gen genauso problematisch (und darüber
demischen, gefährdeten Drosera magnifica        wollen „Standorte“ sammeln, „Naturstand-         bei den zuständigen Nationalparkbehörden            hinaus illegal) wie das Ausgraben von Arten
einige wenige Samen von den Entdeckern          ort-Klone“ oder Pflanzen, die „seed grown“       in Sabah). Allerdings verlaufen die Nachver-        am Naturstandort. Beides verstößt auch ge-
mit Sammelgenehmigung entnommen und             sind; ohne zusätzliche Standortangaben           folgungen in den Herkunftsländern leider            gen die Satzung der G.F.P., die sich neben
weltweit an Kultivateure und Züchter für die    scheinen diesen Leuten die Pflanzen gar          meist im Sand. Bei anderen geschützten Tier-        der Verbreitung von Wissen zu Karnivoren
Vermehrung (auch in vitro) gegeben. Die Art     nichts mehr wert (Meyers-Rice 1996, 2001).       und Pflanzenarten, die durch internationalen        und deren Kultur auch dem Naturschutz von
ist also schon kurz nach ihrer Entdeckung für   Quasi die Kultur von Pflanzen als Briefmar-      illegalen Wildhandel stark gefährdet sind           Karnivoren-Lebensräumen gewidmet hat.
die Karnivorensammler verfügbar gewesen.        kensammlung. 20 neue „Standortformen“            (z. B. Kakteen, viele Reptilien), hat es sich als
Und trotzdem wurde mir bei meinem Besuch        von Cephalotus follicularis in Kultur bedeuten   durchaus wirksam erwiesen, gegen die Käu-           Es ist eigentlich traurig in dem Mitteilungs-
des Naturstandorts dieser Art 2018 von den      aber auch: Mindestens 20-mal illegale Wil-       fer dieser Ware vorzugehen, die zumeist in          heft eines Vereines, der Leute vereint, die
Naturschützern vor Ort berichtet, dass kurz     dentnahmen dieser streng geschützten und         Ländern mit effizienterer Strafverfolgung von       sich aus den verschiedensten Gründen für
vorher eine „Gruppe Pflanzenfreunde aus         in freier Wildbahn bedrohten Pflanzenart!        Biodiversitäts- und Zollkriminalität sitzen.        Karnivoren begeistern, darüber berich-
Asien“ auf dem Berg war, die dort einige aus-   „Fans“ von Cephalotus? Aber nur, wenn man                                                            ten zu müssen, dass die illegalen Aktivitä-
gewachsene Pflanzen ausgegraben haben.          Fan als Abkürzung von Fanatiker sieht, dem       Es bleibt zu hoffen, dass dies auch bei Karni-      ten einiger weniger aus dieser weltweiten
                                                offenbar das Überleben dieser Pflanze nur in     voren wirksam sein wird. Rein technisch wäre        „Karnivoren-Community“ (illegale Pflan-
Einige Karnivorensammler kümmern sich an-       heimischer Kultur wichtig ist, in freier Wild-   es schon heute möglich, z. B. molekularge-          zensammler und die Käufer dieser Wild­
scheinend wenig um geltende Gesetze, und        bahn aber recht wenig interessiert.              netisch Wildentnahmen eindeutig von den             entnahmen, aber für einige Lebensräume
diesen Personen ist offensichtlich auch egal,                                                    bekannten, im Umlauf befindlichen kultivier-        eben auch Ansalber) für das Verschwinden
ob sie mit ihrem Handeln die Wildpopula-        Warum dieses gesteigerte Interesse nach          ten in-vitro-Klonen der legalen Nepenthes-          einiger unserer geliebten Karnivoren am
tionen und damit das Überleben der Pflan-       „Wildherkünften“ in unserem Hobby in letzter     Händler zu unterscheiden.                           Naturstandort verantwortlich sind!

26							                                                                 Das Taublatt 89        Das Taublatt 89								                                                                       27
Abgesehen von der Illegalität: Dem Schutz-         mühevoll wieder entfernt – jeder, der schon
                                                                                                                            status der Karnivoren-Lebensräume erweisen         einmal eine Pflegemaßnahme in einem
                                                                                                                            die Ansalber mit ihrem unüberlegten egoisti-       Hochmoor mitgemacht hat, weiß, welch ei-
                                                                                                                            schen Tun zusätzlich einen Bärendienst: Im         nen Aufwand das bedeutet.
                                                                                                                            schlimmsten Fall kann ein mit Neophyten be-
                                                                                                                            wachsenes Naturschutzgebiet sogar seinen           Gleichzeitig geht übrigens immer eine straf-
                                                                                                                            Schutzstatus verlieren (und wäre dann vor          rechtliche Anzeige gegen den unbekannten
                                                                                                                            möglichen landwirtschaftlichen oder bauli-         Ausbringer dieser Pflanzen bei den Unteren
                                                                                                                            chen Maßnahmen nicht mehr geschützt).              Naturschutzbehörden ein. Trotzdem gibt es
                                                                                                                                                                               offenbar immer noch genug – ich sage es vor-
                                                                                                                            So heißt es im„Handbuch der [geschützten] Le-      sichtig, denke aber Anderes – Kleingeister, die
                                                                                                                            bensraumtypen (LRT) nach Anhang I der Fau-         meinen, ein europäisches Hochmoor würde
                                                                                                                            na-Flora-Habitat-Richtlinie“ z. B. ganz konkret:   erst durch Sarracenia, Darlingtonia, Dionaea
                                                                                                                             „Nicht zum LRT gehören [...] von Neophyten        oder Aldrovanda interessant, oder das Art­
                                                                                                                            dominierte Bestände …“. Ein mit Sarracenia         inventar der dort natürlich vorkommenden
                                                                                                                            purpurea bewachsenes Hochmoor in Europa            heimischen Drosera- und Utricularia-Arten
                                                                                                                            ist eben keine unberührte, gesetzlich schüt-       müsste noch durch weitere, exotische Arten
                                                                                                                            zenswerte Natur mehr, sondern eine mit             „bereichert“ werden. So werden zum Bei-
                                                                                                                            gebietsfremden Pflanzen (Neophyten) be-            spiel von unbekannten Personen regelmäßig
                                                                                                                            pflanzte, sprich „entwickelte“ Fläche.             im Bayerischen Wald im Naturschutzgebiet
                                                                                                                                                                               an den Arberseen Pflanzen von Sarracenia
                                                                                                                            Solche Florenverfälschungen werden von             purpurea subsp. purpurea ausgebracht (sie-
                                                                                                                            den zuständigen Naturschutzbehörden und            he Fürsch 2001; Diewald & Scheuerer 2013;
                                                                                                                            -vereinen, die sich um den Erhalt dieser ein-      Werz 2019), die dann mühevoll von den zu-
                                                                                                                            zigartigen und letzten verbliebenen arten-         ständigen Naturschutzbehörden wieder
                                                                                                                            reichen Naturlebensräume kümmern, dann             entfernt werden müssen.
Abb. 16: Beispiele für künstlich ausgebrachte (angesalbte) Karnivoren als invasive Arten: Drosera capensis bildet Massen-
bestände im Albion Bog, Kalifornien, USA, und bedroht so das einzigartige Ökosystem des Pygmy-Pine-Forests. Die dort
heimische D. rotundifolia hat gegen die wüchsigere Übermacht von D. capensis keine Chance. Foto: A. Fleischmann, 2018.      Rechtliche Lage:

        Dabei handelt es sich übrigens nicht um ein           Wildentnahmen – aber eben auch bei An-                        Soweit Moore und Feuchtlebensräume (also die typischen Karnivorenhabitate) einiger-
        „Kavaliersdelikt“, sondern um eine Ordnungs-          salbungen fremder Arten in Schutzgebieten                     maßen intakt sind, gilt für sie zumindest in Deutschland ein pauschaler Biotopschutz. Da-
        widrigkeit nach dem Bundesnaturschutzge-              – in der Regel Anzeige bei den zuständigen                    mit unterliegen sie bereits ohne spezielle Ausweisung als Schutzgebiet dem Verbot von
        setz, die mit Bußgeldern von bis zu 10.000            Behörden, in Deutschland sind dies die Un-                    „Handlungen, die zu einer Zerstörung oder sonstigen erheblichen Beeinträchtigung […]
        Euro belangt werden kann (Bundesnatur-                teren Naturschutzbehörden. Auch die G.F.P.                    führen können“ (§ 30 Bundesnaturschutzgesetz). Naturschutzgebiete, sprich die meisten
        schutzgesetz § 69). Unter diese Kategorie             kann ich solchen Fällen, sofern sie bekannt                   Hoch- und Niedermoore bei uns, verfolgen unter anderem das Ziel, das heimische Artin-
        fallen sowohl die Entnahme geschützter                werden, durchaus noch aktiv werden – sollte                   ventar zu sichern (§ 23 Bundesnaturschutzgesetz). Zu den generellen Verboten in solchen
        Arten oder deren Teile, auch Samen (darun-            es sich bei den „Tätern“ um G.F.P.-Mitglieder                 Schutzgebieten zählt das Ausbringen von Pflanzen und Tieren (Ausnahmen nur für land-
        ter fallen übrigens alle Karnivoren-Arten in          handeln, ist bei grobem Satzungsverstoß                       wirtschaftliche, jagdliche oder fischereiliche Zwecke möglich – das Anpflanzen oder Aussä-
        Europa am Naturstandort!) sowie das Aus-              durchaus Vereinsausschluss denkbar.                           en von Karnivoren fällt definitiv unter keine dieser Kategorien!). „Ordnungswidrig handelt,
        bringen von Pflanzen in Schutzgebieten,                                                                             wer vorsätzlich oder fahrlässig […] ohne Genehmigung nach § 40 Absatz 1 Satz 1 eine dort
        also jegliche Ansalbung von Karnivor-                 Ich hoffe, dies hat für einige bereits                        genannte Pflanze oder ein Tier ausbringt.“ (§ 69 Bundesnaturschutzgesetz). Der Bußgeld-
        en in Moore oder an sonstige natürliche               genug abschreckende Wirkung, die bisher                       katalog Umweltschutz (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt
        Karnivoren-Standorte bei uns!                         mit den Gedanken gespielt haben: „Da sind                     und Verbraucherschutz vom 26. September 2019), gibt unter Listennummer 19, „Ausbringen
                                                              doch so viele Pflanzen da, das schadet sicher                 von Pflanzen oder von Tieren ohne Genehmigung nach § 40 Satz 1 BNatSchG“, eine Buß-
        Naturschützer und die Leute, die für die Pfle-        nicht, wenn ich da ein paar mitnehme…“                        geldspanne von 35 € bis 10.000 € an – in den anderen Bundesländern gelten entsprechend
        ge der verbliebenen Karnivoren-Naturstand-            oder: „Das wäre doch ein gutes Habitat,                       ähnliche Vorgaben. Gerade in sensiblen Ökosystemen wie Mooren wird bei vorsätzlichen
        orte verantwortlich sind, stellen sowohl bei          da lasse ich beim nächsten Besuch ein paar                    Pflanzungen eher der obere Strafrahmen ausgeschöpft – eine Ansalbung von Sarracenia in
        Anzeichen von Ausgrabungen und illegalen              Samen fallen…“.                                               einem Moor kann also für den Verursacher richtig teuer werden!

        28							                                                                          Das Taublatt 89                  Das Taublatt 89								                                                                        29
Zusätzlich zum Aspekt der Florenverfäl-                die nicht mehr zu entfernen sind. Die dort                     lerweile mehr oder weniger erfolgreich ent-      In Neuseeland wurde unter anderem Pingui­
        schung in den „bepflanzten“ Habitaten ha-              heimische Drosera rotundifolia wurde von                       fernt, in keinem der Fälle ging man von einer    cula grandiflora in einem Naturschutzgebiet
        ben einige Karnivorenarten durchaus das Po-            den viel wüchsigeren eingebrachten Arten                       „Bereicherung“ der heimischen Flora oder         gepflanzt (www.nzflora.info), in Australien
        tential, als invasive Neophyten aufzutreten,           mittlerweile auf wenige Stellen zurückge-                      des Biotops durch die ausgebrachten              wurde Utricularia sandersonii in ein Schutz-
        z. B. Drosera capensis, D. tokaiensis, D. spatula­     drängt (A. Fleischmann, pers. obs.).                           Karnivoren aus. Eine Zusammenfassung der         gebiet in den Blue Mountains ausgepflanzt
        ta, D. aliciae, D. filiformis, Utricularia subulata                                                                   in Deutschland bekannten Auswilderungen          (Conn et al. 2004). Leider gibt es noch etli-
        und U. bisquamata – alle diese Arten wurden,           Die folgenden Beispiele von Ansalbungen                        und Ansalbungen von Karnivoren findet sich       che weitere solcher Beispiele, vor allem aus
        neben vielen anderen kultivierten Karni-               von Karnivoren an intakten, geschützten                        bei Fleischmann (2016).                          Europa und den USA.
        voren, in den einzigartigen und bedrohten              Naturstandorten sollen ganz konkret als
        Lebensraum des „Pygmy Pine forest“ in den              Naturfrevel (alle begangen von gedanken-                       Sarracenia purpurea subsp. purpurea wur-         Gerade die nährstoffarmen Karnivorenle-
        Albion Bog in Kalifornien, USA ausgebracht             losen Karnivoren“liebhabern“!) gelistet wer-                   de in etlichen intakten Mooren in Euro-          bensräume (wie die Hochmoore und Si-
        (Rice 2008; Cross et al. 2020; A. Fleischmann          den, und bitte nicht als Vorlage zur Nachah-                   pa ausgebracht, inklusive in Deutschland,        ckerfluren in Europa) sind einer der letzten
        pers. obs.). Dort entwickeln diese Arten, v.a.         mung verstanden werden. In einigen Fällen                      Österreich und der Schweiz (eine Übersicht       Biotoptypen, die bisher von Neophyten und
        D. capensis, mittlerweile Massenbestände,              wurden die ausgebrachten Karnivoren mitt-                      geben: Adlassnig et al. 2010; Walker 2014),      Florenverfälschungen weitgehend verschont
                                                                                                                              in vielen davon, vor allem in England, hat       geblieben sind – und genau diese „Lücke“
Abb. 17: Im Albion Bog werden regelmäßig verschiedenste Karnivoren aus Kultur angesalbt, obwohl der gesamte Lebens-           sie sich zu einer invasiven Art entwickelt       füllen nun unrühmlich und völlig unnötiger-
raum ein Naturschutzgebiet ist! Leider ist dies auch zunehmend in anderen Mooren und Schutzgebieten weltweit der Fall.        (Walker et al. 2016). Gerade bei dieser Art      weise einige Karnivoren“liebhaber“.
Dabei handelt es sich bei Pflanzungen von Sarracenia und Co. (hier zu sehen: Sarracenia ‚Adrian Slack‘ sowie die dort über-   ist ein zusätzlicher negativer Effekt auf die
all gegenwärtige Drosera capensis) nicht um ein „Kavaliersdelikt“, sondern um eine Ordnungswidrigkeit! Um es klarzustel-      Artenvielfalt der Hochmoore zu erkennen,         Es ist völlig klar, dass dies auf die unüber-
len: Diese Aufnahme wurde nicht in einem privaten Moorbeet gemacht, sondern in einem Naturschutzgebiet! Die letzten           da Sarracenia purpurea zumindest an eini-        legten Aktionen einzelner schwarzer Schafe
verbliebenen Naturstandorte sollten nicht zum „Experimentiergarten“ für einige wenige unbelehrbare Idioten werden.            gen Wuchsorten in nicht unerheblichem            zurückgeht – aber letztendlich fällt dies doch
Foto: A. Fleischmann, 2018.
                                                                                                                              Maße Jungtiere von Amphibien und Repti-          auf die gesamte Karnivoren-Community
                                                                                                                              lien als Beute fängt (Moldowan et al. 2019;      zurück. Ich persönlich würde die Karnivor-
                                                                                                                              pers. obs.). In einigen europäischen Hoch-       en-Gemeinde lieber als Mitspieler beim Na-
                                                                                                                              mooren fallen ihren Schläuchen oftmals die       turschutz sehen, denn als Teil des Problems
                                                                                                                              Jungtiere der geschützten Waldeidechse           – ob dies in der öffentlichen Wahrnehmung
                                                                                                                              (Zootoca vivipara), einer typischen Moorart,     durch diese negativen Einzelaktionen der Fall
                                                                                                                              zum Opfer (pers. obs. und Mitteilung von         bleibt, ist leider nicht abzusehen.
                                                                                                                              Naturschutzwächtern im Bayerischen Wald).
                                                                                                                                                                               Fazit
                                                                                                                              In der Schweiz, in Frankreich und in Tschechi-
                                                                                                                              en wurde Pinguicula hirtiflora in Naturschutz-   Ich hoffe, dass es mir wenigstens ein bisschen
                                                                                                                              gebieten an empfindlichen sickerfeuchten         gelungen ist, mit diesem Artikel die negati-
                                                                                                                              Kalksteinfelsen-Lebensräumen ausgebracht,        ven Zusammenhänge aufzuzeigen, die viel-
                                                                                                                              wo sich diese Art gut vermehrt und an einem      leicht einigen zunächst gar nicht klar waren,
                                                                                                                              Wuchsort in Frankreich sogar die dort na-        und vielleicht den Einen oder die Andere
                                                                                                                              türlich vorkommende, stark bedrohte P. rei­      dazu zu bewegen, Haltung und Handeln in
                                                                                                                              chenbachiana durch Überwachsen gefährdet         Bezug auf Wildherkünfte und Ansalbungen
                                                                                                                              (Cross et al. 2020).                             noch einmal kritisch zu überdenken.

                                                                                                                              Auf den Azoren wurden die südafrikani-           Viele unserer Karnivoren sind in freier Wild-
                                                                                                                              schen Arten Drosera aliciae und D. capensis      bahn stark gefährdet oder sogar vom Aus-
                                                                                                                              angesalbt (Borges et al. 2010; Costa et al.      sterben bedroht – ihr zukünftiges Überle-
                                                                                                                              2013), in Brasilien konnten Pflanzungen von      ben hängt nicht nur von globaler Politik
                                                                                                                              D. capensis und D. binata in Karnivorenha-       und Wirtschaft ab, sondern bei vielen Arten
                                                                                                                              bitaten zum Glück bereits rechtzeitig ent-       oft auch ganz konkret an unserem eigenen
                                                                                                                              deckt und wieder restlos entfernt werden         Verhalten und unserer Einstellung bezüglich
                                                                                                                              (P. Gonella, pers. comm.).                       unseres Hobbys. Wir sollten so handeln, dass

        30							                                                                           Das Taublatt 89                   Das Taublatt 89								                                                                     31
sich auch kommende Generationen noch an         Zusammenfassung:                               ENGLISH SUMMARY
diesen Arten an intakten Naturstandorten
erfreuen können. Denn am besten aufge-          Karnivoren und ihre natürlichen Lebensräu-     Carnivorous plants and their unique habitats face various threats (most of them anthropo-
hoben und am schönsten sind Sarracenia          me sind durch verschiedenste (meist mensch­-   genic). About 25% of the currently known 860 carnivorous plant species are threatened or
oreophila und alle anderen vom Aussterben       gemachte) Einflüsse bedroht, ca. 25 % der      face extinction. Two threats are mainly caused by “carnivorous plant lovers” - their acting con-
bedrohten Karnivoren-Arten eben nicht als       860 bekannten Karnivoren-Arten sind da-        tributes to the extinction of some carnivorous plant species globally or at certain locations:
Wildherkunft mit Standortangabe in der hei-     durch im Bestand gefährdet. Für zwei Be-
mischen Karnivorensammlung, oder ausge-         drohungen sind jedoch ausgerechnet „Kar-       1.   Sale and trade with plants that have been illegally collected from the wild, which conti-
wildert im europäischen Hochmoor, sondern       nivorenliebhaber“ hauptverantwortlich, die          nuously increased in the past years.
dort wo sie hingehören und bleiben sollten:     durch ihr Tun dazu beitragen, dass bestimm-
in ihrem natürlichen Lebensraum.                te Karnivoren-Arten global oder an einzelnen   2.   Planting of exotic carnivorous plant species into pristine habitats of native species.
                                                Standorten aussterben:
Danksagung:                                                                                    This article illustrates these problems and shows causal connections and legal situation,
                                                1.   Der Handel mit und Kauf von illegalen     which are apparently not known to everyone. A long-term solution can only be found in the
Für Mitteilungen zu illegalen „Poa-                  Wildentnahmen, der in den letzten Jah-    acting of carnivorous plant lovers, if “black sheep” recognize and stop their misconduct. This
ching-Rings“ und dem illegalen Handel mit            ren stetig zugenommen hat und             article aims at closing knowledge gaps and inform about the problem: threats to wild carni-
Wildentnahmen, v.a. von Nepenthes, aber                                                        vorous plant populations by carnivorous plant lovers.
auch Sarracenia, Drosera und Cephalotus, für    2.   das Ausbringen (Ansalben) von gebiets-
Hinweise und Berichte zu Bedrohungsszena-            fremden Karnivoren-Arten in intakten
rien für Karnivoren am Naturstandort, zum            Lebensräumen der dort einheimischen
Naturschutzrecht sowie für die Bereitstellung        Arten.
von Fotos für diesen Artikel danke ich: Lu-
bomir Adamec, Greg Bourke, Charles Clarke,      Im Artikel wird diese Problematik dar-         Literatur                                         Clarke, C., Cross, A.T., Rice B. 2018. Conser­
Adam Cross, Christian Dietz, Paulo Gonella,     gestellt und die – zum Teil offensichtlich                                                       vation of carnivorous plants.
Thomas Gronemeyer, Klaus Keller, Thilo Krue-    kaum bekannten – Zusammenhänge er-             Adlassnig, W., Mayer, E., Peroutka, M.,           In: Adamec, L., Ellison A. (Hrsg.), Carnivorous
ger, Chien Lee, Drew Martinez, François Mey,    läutert. Eine langfristige Lösung zu dieser    Pois, W., Lichtscheidl, I.K. 2010.                Plants: Physiology, Ecology and Evolution.
Brian Quinn, Barry Rice, Alastair Robinson,     Problematik kann jedoch nur im Handeln         Two American Sarracenia species as neophy-        Oxford University Press, London.
Maurizio Saroldi , André Scatigna und Willy     der Karnivorenliebhaber liegen, wenn die       ta in Central Europe. Phyton 49: 79–292.
Zahlheimer. Thilo Krueger und Thomas Gro-       „schwarzen Schafe“ ihr Fehlverhalten er-                                                         Conn, B.J., Brown, E.A., Fairley, A.T. 2004.
nemeyer zudem für wichtige Ergänzungen          kennen und einstellen – dieser Artikel soll    Biodiversity Conservation Act 2016.               Utricularia sandersonii (Lentibulariaceae), a
zum Artikel. Besonders danken möchte ich        dazu beitragen, mögliche Wissenslücken         https://www.legislation.wa.gov.au/legislati-      new record for Australia. Telopea 10: 811–
aber allen unbekannten Karnivorenhaltern,       darüber zu schließen und über die Prob-        on/statutes.nsf/main_mrtitle_13811_home-          814.
die keine Wildherkünfte kaufen und denen        lematik „Bedrohung von Karnivoren durch        page.html [abgerufen am 07.05.2021]
Naturschutz noch am Herzen liegt.               Karnivorenliebhaber“ aufzuklären.                                                                Costa, H., Bettencourt, M.J., Silva, C.M.N.,
                                                                                               Borges, P.A.V., Costa, A. et al. (Hrsg.). 2010.   Teodósio, J., Gil, A., Silva, L. 2013.
                                                                                               A list of the terrestrial and marine biota from   Invasive alien plants in the Azorean protected
                                                                                               the Azores. Principia, Cascais. 432 S.            areas: invasion status and mitigation actions.
                                                                                                                                                 In: Foxcroft, L.C. et al. (Hrsg.), Plant invasions
                                                                                               Braverman, I. 2014.                               in protected areas: patterns, problems and
                                                                                               Conservation without nature: the trouble          challenges. Invading Nature - Springer Series
                                                                                               with in situ versus ex situ conservation. Geo-    in Invasion Biology 7. Springer, Dordrecht.
                                                                                               forum 51: 47–57.
                                                                                                                                                 Cross, A.T., Krueger, T.A., Gonella, P.M., Ro­
                                                                                               Cantley, R., Clarke, C., Cokendolpher, J.,        binson, A.S., Fleischmann, A. 2020.
                                                                                               Rice, B., Wistuba, A. 2005.                       Conservation of carnivorous plants in the age
                                                                                               Nepenthes clipeata survival project. Carnivor-    of extinction. Global Ecology and Conservati-
                                                                                               ous Plant Newsletter 34: 116–120.                 on 24: e01272.

32							                                                                Das Taublatt 89       Das Taublatt 89								                                                                          33
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