Karriere ohne Hindernis - Anleitung für ein diskriminierungsfreies Fortkommen im öffentlichen Dienst - dbb beamtenbund und tarifunion ...
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2 IMPRESSUM Herausgeberin dbb bundesfrauenvertretung Friedrichstraße 169, 10117 Berlin Telefon: 030. 40 81-44 00 Fax: 030. 40 81-44 99 Internet: www.frauen.dbb.de E-Mail: frauen@dbb.de Facebook: www.facebook.com/dbbbundesfrauenvertretung Verantwortlich Helene Wildfeuer, Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung Redaktion Birgit Strahlendorff Alexandra Hagen-Freusberg Produktion A3 Offset Druck GmbH Hermann-Schumann-Straße 3 16761 Hennigsdorf www.a3offset.de Layout Jacqueline Behrendt Illustrationen C. Hoppenbrock | www.bildbauer.de Redaktionsschluss 5. März 2020 Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Einverständnis der Herausgeberin
E D I TO R I A L Liebe Leserinnen und Leser, „Seit mehr als drei Jahrzehnten werden wir durch Vorgesetzte in unserer Karriere, aber auch in anderen beruflichen Bereichen ent- scheidend benachteiligt. All unsere Beschwerden verhallen ohne Auswirkung. Wir benötigen dringend Ihre Hilfe.“ Zeilen wie diese erreichen uns seit vielen Jahren konstant und werden immer häufiger. Die Urheberinnen sind Frauen, die viele Jahre engagiert im öffentlichen Dienst tätig sind – oft in Teilzeit, fast alle mit familiären Verpflichtungen. Mit Mitte 40 wissen sie bereits: Viel mehr als das, was sie bisher erreicht ha- 3 ben, können sie von diesem Berufsleben nicht erwarten – ob- wohl noch mindestens 20 Jahre Dienstzeit vor ihnen liegen. Bei durchschnittlicher dienstlicher Beurteilung und entsprechender Erfahrungsstufe erreichen die meisten nicht mehr als die Besol- dungsgruppe A 8 im mittleren Dienst beziehungsweise A 11 im gehobenen Dienst. Mehr ist nicht drin. Auch die Höhe der Al- tersbezüge ist damit besiegelt. Sie sind verurteilt zu lebensläng- © Businessfotografie Inga Haar lich zweitrangig. Die dbb bundesfrauenvertretung will das ändern und hat sich die Verbesserung der Situation von weiblichen Beschäftigten im öffentlichen Dienst auf die Fahnen geschrieben. Dazu gehört es auch, aufzuzeigen, wodurch weibliche Karrieren bis heute aus- gebremst werden. Ein entscheidender Knackpunkt im öffentli- Beurteilung abzubauen und neuen Benachteiligungen vorzu- chen Dienst ist die Beurteilungs- und Beförderungspraxis. Sie beugen? Darauf liefert diese Broschüre wichtige Antworten. ist diskriminierungsanfällig und behindert nachweislich Teilzeit- kräfte und damit überwiegend Frauen im Fortkommen. Im Dialog mit Ihnen wollen wir Perspektiven entwickeln, wie ein diskriminierungsfreies Fortkommen im öffentlichen Dienst Mit dieser Broschüre legen wir einen Leitfaden vor, der zeigt, wie ausgestaltet werden kann. Insbesondere mit Blick auf die Digi- Frauenkarrieren im öffentlichen Dienst ohne Hindernis gelingen talisierung der öffentlichen Verwaltungen müssen wir den Dis- können. Die dbb bundesfrauenvertretung informiert Sie über kurs über eine gendergerechte Leistungskultur führen – und das die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine diskriminierungs- besser heute als morgen! freie Beförderungspraxis im öffentlichen Dienst. Darüber hinaus liefert die Handreichung hilfreiche statistische Daten zum aktu- Ihre ellen Stand der Gleichstellung im öffentlichen Dienst des Bun- des und gibt Handlungsempfehlungen, wie das Beurteilungs- system zeitgemäß und zukunftsorientiert gestaltet werden kann – ohne zu diskriminieren. Wie sieht eine diskriminierungs- freie Beförderungspraxis aus? Welche Schritte sind notwendig, Helene Wildfeuer um vorhandene Diskriminierungspotenziale bei der dienstlichen (Vorsitzende) Anleitung für ein diskriminierungsfreies Fortkommen im öffentlichen Dienst · Karriere ohne Hindernis
Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1. Statistische Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2. Rechtliche Vorgaben für ein diskriminierungsfreies Fortkommen im öffentlichen Dienst . . . . . . . . . . . . . 8 Grundgesetz (GG) Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG) Bundesbeamtengesetz (BBG) und Bundeslaufbahnverordnung (BLV) 3. Beurteilungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Beurteilungszeiträume Beurteilende Beurteilungskriterien Beurteilungsgespräch Beurteilungsstatistik 4. Fallstricke für Frauenkarrieren im öffentlichen Dienst . . . . . . 12 Phasen familiärer Sorgetätigkeit Teilzeittätigkeit 4 Telearbeit Mobilität und Flexibilität Digitalisierung Präsenzkultur Frauen in Führungspositionen Poolbildung in Ballungszentren 5. Erforderliche Maßnahmen für ein diskriminierungsfreies Fortkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Steuerung über beeinflussbare Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 • Gleichstellung, Chancengleichheit und Gender Mainstreaming als grundlegendes Handlungsprinzip • Vereinbarkeit von Familie und Beruf • Frauenanteil in Führungspositionen • Wandel im Führungsverständnis • Rolle der Interessenvertretungen Fortentwicklung der Beurteilungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 • Beurteilungszeiträume • Handelnde Personen • Beurteilungskriterien Transparenz durch Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 6. Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Fraktion Die Linke zur geschlechtergerechten Leistungsbeurteilung in der Bundesverwaltung . . . . . . . . 17
Einleitung: Frauen werden bei Leistungsbewertung und Beförderung benachteiligt Frauen sind und bleiben – trotz Quotengesetzgebung – in Füh- – im Schnitt bei rund acht Prozent. Die Verdienstunterschiede rungspositionen unterrepräsentiert. Das gilt auch für den öffent- wirken sich langfristig auch auf die Altersversorgung aus: Der lichen Dienst des Bundes. Je nach Behörde gibt es große Unter- Gender Pension Gap beträgt derzeit rund 50 Prozent. schiede bei der Anzahl von Frauen in Führungspositionen. Der hohe Frauenanteil bei Teilzeitbeschäftigung sowie bei Freistel- Knackpunkt „dienstliche Beurteilung“ lung oder Beurlaubung aufgrund familiärer Verpflichtungen trägt zu den niedrigen Frauenquoten bei Leitungsfunktionen in den Die dienstliche Beurteilung ist entscheidend für den Verlauf ei- obersten Bundesbehörden bei. Das geht aus dem jährlich durch- ner Karriere im öffentlichen Dienst. Sie stellt die Beförderungs- geführten Gleichstellungsindex der Bundesregierung hervor. tauglichkeit der Beschäftigten fest. Eine durchschnittliche Beurteilungsnote bereits zu Beginn der Karriere bremst die Kar- Auch in den Bundesländern bestehen vergleichbare Defizite bei riereentwicklung auf lange Sicht aus. Das zeigt sich bei Betrach- der Beförderung von Frauen. Das zeigt die Studie Geschlechter- tung weiblicher Karriereverläufe. Konkret bedeutet das, dass in gerechtigkeit im Öffentlichen Dienst in NRW, die der DBB NRW den Eingangsämtern ein sehr hoher Frauenanteil zu verzeichnen in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule für öffentliche ist, dieser aber bei den aufsteigenden Beförderungsämtern stark Verwaltung (FHöV) NRW erstellt hat. Anlass der Untersuchung absinkt. Analysen zeigen, dass zum Beispiel im Landesdienst war der gescheiterte Versuch der NRW-Landesregierung unter NRW der Frauenanteil ab dem ersten, spätestens aber ab dem Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, durch eine Änderung im zweiten Beförderungsamt signifikant sinkt. In den Endämtern Landesbeamtengesetz mehr Frauen in Führungspositionen zu der Laufbahngruppen ist der Frauenanteil durchgängig gering. bringen. Danach waren Frauen zu befördern, wenn sie eine „im Aber auch in anderen Bundesländern gibt es konkrete Hinweise Wesentlichen“ gleiche Eignung, Befähigung und fachliche Leis- auf Diskriminierung bei der dienstlichen Beurteilung. In Bayern 5 tung aufwiesen wie ihre männlichen Konkurrenten. Mehrere etwa weisen die Beurteilungsstatistiken für die Landesbediens- Verwaltungsgerichte hatten die nordrhein-westfälische Rege- teten der Steuerverwaltung aus 2016 und 2017 erneut aus, dass lung als verfassungswidrig eingestuft, nachdem Männer, die bei Teilzeitbeschäftigte – insbesondere in den Besoldungsstufen A 8 Beförderungen nicht zum Zuge gekommen waren, dagegen ge- und A 9 sowie in A 11 und in A 12 – schlechter beurteilt sind als klagt hatten (Änderung des § 19 Abs. 6 S.3 Landesbeamtengesetz Vollzeitbeschäftigte. NRW). Die Landesregierung hatte darauf reagiert und die Geset- zesänderung zurückgenommen. Seither stockt das Verfahren zur Die dienstliche Beurteilung ist nach der verwaltungsgerichtlichen Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben. Rechtsprechung ein „Akt wertender Erkenntnis“. Bewertet wird die Leistung jeder beziehungsweise jedes einzelnen Beschäf- Insbesondere mit Blick auf die Digitalisierung der öffentlichen tigten im Verhältnis zur Leistung der anderen zu beurteilenden Verwaltungen – in Bund und Ländern – müssen wir den Diskurs Beschäftigten, die in einer bestimmten Vergleichsgruppe zusam- über eine gendergerechte Leistungskultur führen. Das ist ein mengefasst sind. Je nach Zuschnitt der Vergleichsgruppe kann zentrales Ergebnis der 13. Frauenpolitischen Fachtagung „Frauen sich das positiv oder negativ auf die Bewertung der einzelnen 4.0: Diskriminierungsfreies Fortkommen im öffentlichen Dienst – Vergleichspersonen auswirken. Die dienstliche Beurteilung folgt Jetzt umdenken!“ (11. Mai 2017). Diese hat offengelegt, dass sich zudem einem strikten Kriterienkatalog. Im öffentlichen Dienst die Benachteiligung von Frauen im Zuge des digitalen Wandels gilt der gesetzlich festgeschriebene Leistungsgrundsatz, wonach der öffentlichen Verwaltung verstärken wird, sollten die fest- Beamtinnen und Beamte einzig nach ihrer Eignung, Befähigung gestellten Defizite bei der dienstlichen Beurteilung – die aus- und fachlichen Leistung auszuwählen sind (Art. 33 Abs. 2 GG; § 3 schlaggebend für eine Beförderung im öffentlichen Dienst ist BLV; § 9 BBG; § 9 BGleiG). Bei der Leistungsbeurteilung werden die – nicht behoben werden. quantitativen und qualitativen Arbeitsergebnisse der Beschäftig- ten beurteilt. Bei der Befähigungsbeurteilung werden die Fähig- Darüber hinaus muss auch die wirtschaftliche Dimension einer keiten, Fachkenntnisse und Charaktereigenschaften der Beschäf- frauendiskriminierenden Leistungskultur in den Fokus gerückt tigten beurteilt, die im dienstlichen Umgang gezeigt wurden und werden. Der geschlechterbedingte Lohnunterschied stagniert für die berufliche Entwicklung von Bedeutung sind. Die jeweili- seit Jahren auf gleichbleibend hohem Niveau. Aktuell wird der gen Beurteilungskriterien sind in der Regel geschlechtsneutral Gender Pay Gap in Deutschland mit 21 Prozent beziffert. Damit formuliert, unterliegen aber der teilweise unterbewussten Aus- liegt Deutschland weit über dem europäischen Durchschnitt von legung der jeweiligen beurteilenden Person („unconscious bias“). 16 Prozent und im europäischen Ländervergleich auf einem der Je nach gewählter Formulierung können Beurteilungskriterien hinteren Plätze. Im öffentlichen Dienst liegt der geschlechterbe- gängigen Geschlechterstereotypen zugeordnet werden und so- dingte Lohnunterschied – trotz Besoldungs- und Tariftabellen mit geschlechtsspezifisch diskriminierend wirken. Anleitung für ein diskriminierungsfreies Fortkommen im öffentlichen Dienst · Karriere ohne Hindernis
1. Statistische Erkenntnisse Der überwiegende Teil der Beschäftigten im öffentlichen Dienst ist weiblich. Nach der Personalstatistik des Statistischen Bun- Die wichtigsten Ergebnisse desamtes waren zum 30. Juni 2018 von 4 802 885 Beschäftigten 2 736 625 Frauen. Das entspricht einem Anteil von 57 Prozent. Ein des Gleichstellungsindex 2019 Drittel der Beschäftigten ist in Teilzeit tätig. Rund 84,5 Prozent auf einen Blick dieser Teilzeitstellen sind mit Frauen besetzt, nur 15,5 Prozent mit Männern1. 3 6 Prozent der Führungspositionen (ab Referatsleitung aufwärts) sind weiblich besetzt. Teilzeitbeschäftigte sind selten in Führungspositionen zu finden. Von den im höheren Dienst mit Vorgesetzten- und Leitungsfunk- In sechs der insgesamt 23 obersten Bundesbehörden tionen betrauten Beschäftigten gingen gerade einmal 305 bezie- liegt der Frauenanteil in Führungspositionen unter dem hungsweise 10 Prozent einer Teilzeitbeschäftigung nach. Je nach Durchschnitt. Das Schlusslicht bildet das AA mit 23 Pro- Behörde gibt es große Unterschiede bei der Anzahl von Frauen zent. Nur geringfügig besser stehen der BRH mit 27 Pro- in Führungspositionen. Frauen sind und bleiben – trotz Quoten- zent, das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit 28 regelungen – in Führungspositionen unterrepräsentiert. Dies ist Prozent und der Bundesbeauftragte für den Datenschutz eines der wesentlichen Ergebnisse des Gleichstellungsindex, der und die Informationsfreiheit (BfDI) mit 29 Prozent da. jährlich von der Bundesregierung herausgegeben wird. Zuletzt er- schien er am 25. Februar 2020. it einem Anteil von 59,2 Prozent verfügt das Bundes- M ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 6 Danach waren am Stichtag 30. Juni 2019 54 Prozent der Beschäf- (BMFSFJ) über den höchsten Anteil an weiblichen Füh- tigten in den obersten Bundesbehörden Frauen. Der Anteil an rungskräften. Ebenfalls mehr als die Hälfte an weiblichen weiblichen Führungskräften betrug lediglich 36 Prozent (2015: Führungskräften finden sich außerdem beim Bundesver- 32,6 Prozent). Nur drei der 23 obersten Bundesbehörden beschäf- fassungsgericht (BVerfg: 54,5 Prozent) und im Sekretariat tigen derzeit weniger Frauen als Männer. des Bundesrates (BR: 52,6 Prozent). Von der Geschlechterparität im Führungsamt ist der Bundes- er Anteil an Referatsleiterinnen beträgt 38 Prozent, der D dienst damit weit entfernt. Vor allem der niedrige Frauenanteil an Unterabteilungsleitungen sowie an Abteilungsleitun- im höheren Dienst in einigen Behörden wie dem Auswärtigen gen jeweils 31 Prozent (einschließlich Direktorinnen und Amt (AA) mit 36 Prozent, dem Bundesrechnungshof (BRH) mit 37 Direktoren). Für die Staatssekretärsebene wird der Frau- Prozent und dem Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) enanteil mit 19 Prozent angegeben. mit 39 Prozent ist bedenklich. Denn Leitungsaufgaben werden in den obersten Bundesbehörden fast ausschließlich von Beschäf- 1 8 Prozent der Beschäftigten im höheren Dienst der Bun- tigten des höheren Dienstes wahrgenommen. Hier müssen wei- desbehörden sind in Teilzeit beschäftigt. Davon sind 81 tere Anstrengungen folgen, um Frauen den Zugang zu Führungs- Prozent Frauen. positionen überhaupt erst zu ermöglichen. L ediglich zehn Prozent der mit einer Leitungsfunktion be- Frauen arbeiten im Vergleich zu Männern deutlich häufiger in trauten Beschäftigten sind in Teilzeit tätig. Die Mehrheit Teilzeit2. In den obersten Bundesbehörden sind 81 Prozent der von ihnen (75 Prozent) ist weiblich. insgesamt 18 Prozent Teilzeitbeschäftigten weiblich. Der hohe Frauenanteil bei Teilzeit sowie bei Beurlaubung und Freistellung uf Referatsleitungsebene wählten 25 Prozent der Frau- A dürfte zu den niedrigen Frauenquoten bei Leitungsfunktionen en eine Teilzeitstelle (Männer: fünf Prozent), auf der Ebe- beitragen, heißt es dazu im Gleichstellungsindex 2019. ne der Unterabteilungsleitungen waren es nur sieben Prozent (Männer: drei Prozent). In den darüber liegenden Führungsebenen ab Abteilungsleitung aufwärts ent- 1 Stand: 30. Juni 2018, Zahlenmaterial Statistisches Bundesamt, Rundungsdifferenzen möglich. schieden sich weder Frauen noch Männer für Teilzeit. 2 Im Altersrahmen von 20 bis 64 Jahren waren 2018 laut Eurostat in Deutschland 46,3 Prozent der abhängig Beschäftigten Frauen in Teilzeit tätig. Als Hauptgrund für die Arbeitszeitreduzierung wurde hier mit einem Anteil von 26,3 Prozentpunkten Betreuung von Kindern oder erwerbsunfähigen Erwachsenen angegeben, 9,1 Prozent gaben eine Aus- oder berufliche Fortbildung als Grund an und 10,4 Prozent fanden keinen ur vier der 23 obersten Bundesbehörden sowie die Bun- N Vollzeitjob. War im Jahr 1991 noch nur fast jede dritte abhängig Beschäftigte Frau eine Teilzeitkraft, trifft dies im Jahr 2018 bereits auf fast jede zweite Frau zu. Die Teilzeitquote ostdeutscher Frauen unterschreitet die desbank weisen bei den beruflichen Aufstiegen einen westdeutscher Frauen im Jahr 2017 um rund 14 Prozent. 2018 arbeiteten nur elf Prozent der erwerbstätigen Männer zwischen 20 und 64 in Teilzeit; 1991 waren es lediglich zwei Prozent. Folglich hat sich der Anteil teil- Frauenanteil von unter 50 Prozent auf. zeitbeschäftigter Männer unter den abhängig Beschäftigten zwar seit 1991 verfünffacht, bleibt aber immer noch auf niedrigem Niveau und damit weit hinter dem Teilzeitanteil der Frauen zurück.
Gender Pay Gap In Deutschland beträgt die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen (Gender Pay Gap) 21 Prozent. Damit liegt Deutschland weit über dem europäischen Durchschnitt von 16 Prozent und landet im europäischen Ländervergleich auf einem der hinteren Plätze. Auch wenn alle frauenspezifischen Merkmale bei der Er- mittlung des Gender Pay Gaps herausgerechnet werden, bleibt ein „unerklärbarer Lohnunterschied“ von sechs Prozent. Im öf- fentlichen Dienst liegt der geschlechterbedingte Lohnunter- schied – trotz geschlechtsneutral gefasster Besoldungs- und Ta- riftabellen – bei rund acht Prozent. Im Laufe eines Berufslebens summieren sich die Entgeltunterschiede zu einem beträchtli- chen Vermögensverlust und tragen zusätzlich zu teilweise sehr geringen Altersbezügen bei: Frauen erhalten nur etwa die Hälfte der Alterseinkünfte der Männer (Gender Pension Gap). Eine Ursache für den geschlechterbedingten Lohnunterschied im öffentlichen Dienst liegt neben dem hohen Anteil an weib- lichen Teilzeitbeschäftigten – rund 85 Prozent der Teilzeitkräfte 7 sind Frauen – im niedrigen Anteil an weiblichen Führungskräf- ten. Im Folgenden wird erläutert, wie die Gleichstellung von Män- nern und Frauen im öffentlichen Dienst geregelt ist und welche Mechanismen Frauen in ihrer Karriereentwicklung behindern. Der Fokus soll hierbei gezielt auf die dienstliche Beurteilung und die Beförderungspraxis gelenkt werden. Anleitung für ein diskriminierungsfreies Fortkommen im öffentlichen Dienst · Karriere ohne Hindernis
2. Rechtliche Vorgaben für ein diskriminierungsfreies Fortkommen im öffentlichen Dienst Es bestehen verschiedene rechtliche Grundlagen, die dazu bei- Durch die Wahrnehmung von Familien- oder Pflegeaufgaben tragen sollen, dass Frauen bei der dienstlichen Beurteilung we- bedingte der unmittelbar noch mittelbar aufgrund ihres Geschlechts dis- a) Unterbrechung der Berufstätigkeit, kriminiert werden. b) geringere Anzahl aktiver Dienst- oder Beschäftigungs- jahre, Der Gesetzgeber hat die Grundsätze für die Gleichstellung der c) Reduzierung der Arbeitszeit oder Verzögerung beim Geschlechter und die Durchsetzung von Geschlechtergerechtig- Abschluss einzelner Ausbildungslehrgänge, keit und Gender Mainstreaming in verschiedenen gesetzlichen d) zeitliche Belastungen. Grundlagen geregelt. Auch die Absicht, von der Möglichkeit der Arbeitszeitreduzie- rung oder einer Beurlaubung zur Wahrnehmung von Familien- Grundgesetz (GG) oder Pflegeaufgaben Gebrauch zu machen, darf gem. § 9 Abs. 1 Nr. 3 BGleiG nicht in die vergleichende Bewertung eingehen. Artikel 3 GG (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. § 18 BGleiG konkretisiert § 9 BGleiG für die dienstliche Beurtei- (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert lung wie folgt: die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung beste- (1) Folgende Umstände dürfen die Einstellung sowie die beruf- hender Nachteile hin. liche Entwicklung einschließlich des beruflichen Aufstiegs 8 (3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes […] benachteiligt nicht beeinträchtigen und sich insbesondere nicht nachteilig oder bevorzugt werden […]. auf die dienstliche Beurteilung auswirken: Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 GG enthält als zentrale grundrechtliche 1. Teilzeitbeschäftigung, Norm einen konkreten Handlungsauftrag an Politik, Verwaltung 2. Telearbeit, mobiles Arbeiten sowie die Teilnahme an und staatliche Institutionen, die tatsächliche Durchsetzung der flexiblen Arbeits- oder Präsenzzeiten, Gleichberechtigung zu fördern, auf die Beseitigung bestehender 3. eine bestehende Schwangerschaft, Nachteile hinzuwirken, das heißt auch Diskriminierungen auf- 4. schwangerschafts- oder mutterschaftsbedingte Abwe- grund des Geschlechts tatkräftig entgegenzutreten. senheiten aufgrund mutterschutzrechtlicher Beschäfti- gungsverbote, Art 33 GG 5. Beurlaubungen auf Grund von Familien- oder Pflegeauf- (1) Jeder Deutsche hat […] die gleichen staatsbürgerlichen Rech- gaben. te und Pflichten. (2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und Dies schließt nicht aus, dass Zeiten nach Satz 1 Nr. 1 anders be- fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen handelt werden als Zeiten nach Satz 1 Nr. 4 und 5. Amt […] (2) Eine unterschiedliche Behandlung von Teilzeitbeschäftigung Öffentliche Ämter müssen also allen Deutschen – Männern und im Verhältnis zu Vollzeitbeschäftigung ist nur zulässig, wenn Frauen, Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten – in gleicher Weise zwingende sachliche Gründe dies rechtfertigen. Dies gilt für offenstehen. Telearbeit, mobiles Arbeiten und Beurlaubungen aufgrund von Familien- oder Pflegeaufgaben mit Ausnahme der El- ternzeit entsprechend. Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG) Laufbahnrechtliche Entscheidungen, das heißt, auch Beurtei- Bundesbeamtengesetz (BBG) und lungen und Beförderungen, sind unter Berücksichtigung des Bundeslaufbahnverordnung (BLV) § 9 BGleiG zu treffen. § 9 BBG schreibt vor, dass sich die Auswahl von Bewerberinnen § 9 BGleiG gebietet in Absatz 2 Nr. 1, dass in eine vergleichende und Bewerbern nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leis- Bewertung folgende Gesichtspunkte nicht eingehen dürfen: tung richtet ohne Rücksicht auf das Geschlecht.
Dem stehen gesetzliche Maßnahmen zur Durchsetzung der tat- sächlichen Gleichstellung im Erwerbsleben, insbesondere Quo- tenregelungen, nicht entgegen. § 3 BLV legt fest, dass laufbahnrechtliche Entscheidungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung unter Berücksichti- gung von § 9 BBG und § 9 BGleiG zu treffen sind. § 32 BLV legt die Auswahl nach Eignung, Befähigung und fachli- cher Leistung als Voraussetzung der Beförderung fest. § 33 BLV legt fest, dass Feststellungen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung in der Regel aufgrund aktueller dienstli- cher Beurteilungen zu treffen sind. Die dienstliche Beurteilung erfolgt regelmäßig, spätestens alle drei Jahre nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung (§ 48 BLV). Die Einzelheiten des Beurteilungsverfahrens werden durch die 9 obersten Dienstbehörden in den Beurteilungsrichtlinien gere- gelt (§ 50 BLV). Fazit: Dienstliche Beurteilung ist Grundlage des dienstlichen Fortkommens im öffentlichen Dienst. Die oben genannten gesetzlichen Normen gebieten, dass die dienstliche Beur- teilung diskriminierungsfrei zustande kommt und insbe- sondere Frauen und Teilzeitbeschäftigte nicht benachtei- ligt werden dürfen. Würden die gesetzlichen Vorgaben konsequent umgesetzt, so müssten Frauen gleiche Aufstiegs- und Karrierechancen haben wie Männer und Teilzeitkräfte dieselben wie Voll- zeitkräfte. Eine geschlechterbedingte Lohnlücke dürfte es nicht geben. Es besteht also ganz offenbar insgesamt hinsichtlich des diskriminierungsfreien Fortkommens von Frauen im öf- fentlichen Dienst kein Regelungsproblem, sondern ein Pro- blem in der tatsächlichen Umsetzung. Anleitung für ein diskriminierungsfreies Fortkommen im öffentlichen Dienst · Karriere ohne Hindernis
3. Beurteilungsverfahren Beurteilungszeiträume te soft skills) werden schwächer gewichtet. Erfahrungen aus Kindererziehung und Pflegearbeit werden bei der Bildung des Die Beurteilungsverfahren sind an männlichen durchgehenden Gesamturteils der Beurteilung nicht mit einbezogen. Ob und Erwerbsverläufen ausgerichtet. Die Lebensverlaufsperspektive wie die Erfahrung aus Familien- und Pflegearbeit gendergerecht und Lebensphasenorientierung weiblicher Erwerbsverläufe wird in die dienstliche Beurteilung einfließen kann, sollte wissen- in den Beurteilungskriterien nicht abgebildet. schaftlich (z. B. durch einen Auftrag an eine Universität) eruiert werden. Die feststehenden Beurteilungszeiträume sind nicht lebenspha- senkompatibel. Gerade in der Rushhour des Lebens sind sie zu Es muss die Entwicklung der Diktion hin zu einer genderge- unflexibel. rechteren Sprache erfolgen („Wording“). Bei der dienstlichen Beurteilung spielen Geschlechterstereotype eine wesentliche Rolle. Per se geschlechtsneutrale Eigenschaften wie Durchset- Beurteilende zungsstärke, Flexibilität, Belastbarkeit, Souveränität, Dynamik und strategisches Denken werden eher mit Männern assozi- Die Beurteilenden sind meist männlich, da Führungskräfte und iert, während Eigenschaften wie Fleiß, Freundlichkeit, Geduld damit auch die zur Beurteilung befugten Personen überwiegend und Einfühlungsvermögen eher Frauen zugeschrieben werden. Männer sind. Die Beurteiler, selbst karriereorientiert und – auch Diese geschlechterstereotypen Eigenschaften werden in der als Familienväter – ohne wesentliche zeitliche Unterbrechungen dienstlichen Beurteilung nicht gleich gewichtet, sondern zu- ihrer eigenen Erwerbsverläufe, agieren aus ihrer persönlichen gunsten „männlicher“ Eigenschaften hierarchisiert. Zudem wird 10 Lebenswirklichkeit heraus als Beurteilende. ein Abweichen von stereotypem Verhalten überwiegend nega- tiv bewertet. So kann etwa dasselbe Verhalten, das bei einem Die dienstliche Beurteilung ist nach verwaltungsgerichtlicher Mann als durchsetzungsstark und damit positiv ausgelegt wird, Rechtsprechung „Akt wertender Erkenntnis“, der auf einer Viel- bei einer Frau als dominant und damit negativ gewertet werden. zahl von Einzelbeobachtungen und Einzeleindrücken während des Beurteilungszeitraums beruht – Beurteilungen enthalten Die Anknüpfung an die „fachliche Leistung“ erfordert eine De- damit immer ein subjektiv wertendes Element – nämlich durch finition, was „fachliche Leistung“ und Leistung überhaupt um- die individuell geprägte Sichtweise des Beurteilenden. Sie ist von fasst. Die Praxis zeigt, dass Teilzeitkräfte schlechter bewertet den Verwaltungsgerichten nur sehr eingeschränkt überprüfbar. werden als Vollzeitkräfte, weil Leistung nach wie vor über Prä- senz definiert wird (männlich geprägte Struktur – Rollenstereo- Rollenstereotype und tradierte Rollenmuster sind unbewuss- type). „Weniger ist schlechter“ gibt diesen mittelbaren Diskrimi- ter Bestandteil von Beurteilungsentscheidungen. In den Beur- nierungsfaktor in verkürzter Form wieder. Teilzeitkräfte werden teilungsprozessen pflanzen sich Rollenstereotype wie „typisch dadurch in ihrem Fortkommen beeinträchtigt. Gerade im Hin- weiblich“ beziehungsweise „typisch männlich“ fort. Diese Fak- blick auf Teilzeitbeschäftigte ist eine stärkere Ausprägung der toren müssen durch zielgenaue Fortbildung stärker ins Bewusst- Ergebniskultur beim Leistungsbegriff statt der bisher vorherr- sein der Entscheiderinnen und Entscheider gerückt werden. schenden Präsenzkultur gender- und leistungsgerecht. Beurteilende Führungskräfte müssen stärker geschult werden. Die Vermittlung von Genderbewusstsein für Beurteilende ist Die vorherige Quotierung der zu vergebenden Gesamturteile notwendig. Fortbildung und Genderkompetenztrainings müs- birgt zudem ein zusätzliches Risiko der Benachteiligung von Teil- sen verpflichtend angeboten werden. Die Personalverantwort- zeitkräften und damit vor allem von Frauen. lichen müssen entsprechend sensibilisiert werden. Gendererfol- ge müssen zum eigenständigen Bewertungskriterium werden, wenn die Führungskräfte selbst beurteilt werden. Beurteilungsgespräch Die Beurteilung bildet das Urteil ex tunc ab, wirft den Blick auf Beurteilungskriterien die Leistungen in der Vergangenheit und bewertet diese; eine perspektivische Betrachtung der beruflichen Entwicklungs- Die Beurteilungskriterien sind zwar geschlechtsneutral gefasst, möglichkeiten ex nunc – auf die Zukunft gerichtet – soll unter aber in der Wirkung nicht geschlechtergerecht, denn sie sind anderem im Beurteilungsgespräch, das ein Teil des Beurteilungs- anfällig für mittelbare Diskriminierung. Bei Frauen häufig anzu- verfahrens ist, erfolgen. Das regelmäßige Stattfinden von Mitar- treffende Qualifikationen wie soziale Kompetenzen (sogenann- beitergesprächen, in denen erörtert wird, wie die eigene Leistung
im Hinblick auf die zu erfüllenden Beurteilungsanforderungen verbessert werden kann, darf nicht vernachlässigt werden. Beurteilungsstatistik Die Veränderung eines Zustandes beginnt mit der Wahrneh- mung der Realität und das heißt hier mit der Erfassung und der Schaffung von „hard facts“ durch entsprechende Statistiken, die Aufschluss über tatsächlich bestehende mittelbare geschlechts- bezogene Benachteiligungen geben. Vergleichende Beurteilung (nicht Leistungsbeurteilung) muss durchgehend transparent gemacht werden – nur Vergleichbares kann und darf verglichen werden. Deswegen braucht es geschlechtsspezifisch ausgewie- sene statistische Aussagen aufgeschlüsselt nach Teilzeit/Voll- zeit, Männer-/Frauenanteil und den Abgleich mit Vollzeitäqui- valenten. Fazit: 11 All diese unterschwellig vorhandenen Mechanismen füh- ren dazu, dass die dienstliche Beurteilung für Frauen im öffelltichen Dienst zur Karrierebremse gereicht. Die Beur- teilungskriterien und Beurteilungsgrundsätze bedürfen dringend einer umfassenden Genderung, damit in Zukunft mittelbare Diskriminierungen von Frauen im Beurteilungs- wesen unterbleiben und Frauen so der Weg zu einer gleich- berechtigten Karriereplanung geebnet wird. Das Instrument der „vergleichenden Beurteilung“ kann nur dann diskriminierungsfrei wirken, wenn die Grundla- gen auch vergleichbar sind. Das ist derzeit nicht der Fall: So werden Teilzeitbeschäftigte mit Vollzeitbeschäftigten verglichen. Maßstab ist nach wie vor eine durchgehende Erwerbsbiografie, die vorrangig Männer vorweisen können. Anleitung für ein diskriminierungsfreies Fortkommen im öffentlichen Dienst · Karriere ohne Hindernis
4. Fallstricke für Frauenkarrieren im öffentlichen Dienst Phasen familiärer Sorgetätigkeit Da es sich um Beurteilungskriterien handelt, schneiden Frauen mit familiären Verpflichtungen im Vergleich hier schlechter ab. Frauen unterbrechen häufiger als Männer ihre Erwerbstätigkeit zugunsten von familiärer Sorgetätigkeite. Gerade in der Rush- hour des Lebens entwickeln sich Männer beruflich fort, während Digitalisierung Frauen sich um Kinder und/oder pflegebedürftige Angehörige kümmern und deshalb beruflich kürzertreten. Beurlaubungszei- Die Digitalisierung birgt große Chancen, aber durch die mögliche ten wegen familiärer Pflichten unterbrechen die Erwerbsbiogra- Entgrenzung der Arbeit insbesondere für Frauen mit Familien- fie mit negativen Konsequenzen für das berufliche Fortkommen. pflichten auch Risiken, die nicht vernachlässigt werden dürfen. Dies gereicht betroffenen Frauen bei ihrer Rückkehr zum Nach- teil, weil sie keine beruflichen Erfahrungszeiten vorzuweisen ha- ben. In der Zeit von Unterbrechungen unterbleibt häufig auch Präsenzkultur die fachlich-berufliche Weiterqualifikation, was anschließend zu Nachteilen – gerade auch bei der Beurteilung – führt. Die Qua- Wir brauchen einen gesamtgesellschaftlichen Bewusstseins- lifikationen, die Frauen in Familienphasen erwerben, werden in wandel weg von der Präsenzkultur am Arbeitsplatz hin zu einer der dienstlichen Beurteilung nicht ausreichend berücksichtigt. Ergebniskultur, denn die Vereinbarkeit von familiären Verpflich- Familienbedingte Berufsunterbrechungen wirken mittelbar dis- tungen mit der herrschenden Präsenzkultur ist gerade für weib- kriminierend – § 9 BGleiG wird verletzt. liche Beschäftigte problematisch. 12 Teilzeittätigkeit Frauen in Führungspositionen Teilzeittätigkeit ist überwiegend für Frauen ein – zunächst – Frauen sind in Führungspositionen unterrepräsentiert. In hier- willkommenes Werkzeug, um Beruf und Familie miteinander archisch geprägten Strukturen reproduzieren sich bestehende zu vereinbaren. Aber Teilzeitphasen können bei der dienstlichen Verhältnisse, werden diese nicht aktiv verändert. Im Beförde- Beurteilung und der Beförderung zur „Teilzeitfalle“ werden und rungsverfahren neigen Menschen in Führungspositionen dazu haben damit weitreichende negative Auswirkungen auf das Menschen mit einem ähnlichen sozialen Hintergrund, mit ähnli- berufliche Fortkommen insgesamt. Weniger Arbeitszeit heißt chen Eigenschaften zu fördern. Solange vor allem Männer diese nicht automatisch schlechtere Arbeit. Das Beurteilungswesen Positionen besetzen, werden sie auch weiterhin bevorzugt Män- ist bisher von der Präsenzkultur geprägt, die Arbeitsleistung mit ner befördern. Zudem fehlen weibliche Vorbilder, die junge Frau- Anwesenheitszeit gleichsetzt. Das ist im Zeitalter der Digitalisie- en motivieren, trotz Widerstände ebenfalls nach einer Führungs- rung nicht mehr zeitgemäß. position zu streben. Telearbeit Poolbildung in Ballungszentren Telearbeit gilt neben Teilzeit ebenfalls als Instrument, die Verein- Höherwertige Planstellen werden aus Motivationsgründen und barkeit von Beruf, Familie und Pflege zu erleichtern. Der Zugang Anreiz zur Personalgewinnung überproportional in Ballungszen- zu Telearbeitsmodellen sollte erleichtert werden. Der Schwer- tren konzentriert (Poolbildung). Gerade für Frauen mit Familien- punkt sollte dabei möglichst auf alternierender Telearbeit liegen, pflichten und Teilzeitkräfte sind damit verbundene Wegezeiten um den Kontakt zum kollegialen Umfeld besser halten zu können. problematisch. Oft sind sie auf öffentliche Verkehrsmittel an- Wir brauchen einen Wandel weg von der Präsenz- hin zur Ergeb- gewiesen, was zu zusätzlichen Erschwernissen führt. Deshalb niskultur. Alternierende Telearbeit kann hierzu einen positiven nehmen sie die längeren Beförderungszeiten außerhalb der Bal- Beitrag leisten. lungszentren in Kauf, teilweise trotz besserer dienstlicher Beur- teilungen, und verzichten auf eine schnellere Beförderung. Dies führt auf lange Sicht zu finanziellen Einbußen beim aktiven Ge- Mobilität und Flexibilität halt und bei den Versorgungsbezügen. Derartige Mechanismen der Verwaltungen, um dem Personalfehlbestand in Oberzentren Mobilität und Flexibilität werden immer wichtiger und gerade für zu begegnen, sind in ihrer Auswirkung indirekt diskriminierend Frauen mit Familienpflichten sind sie schwierig zu verwirklichen. und verstoßen gegen die Grundzüge des Gender Mainstreaming.
5. Erforderliche Maßnahmen für ein diskriminierungsfreies Fortkommen Die dbb bundesfrauenvertretung geht davon aus, dass Männer programme und gendergerechte Personalentwicklungskonzep- und Frauen grundsätzlich gleich leistungsfähig und gleich leis- te beitragen, deren Wirkung regelmäßig zu evaluieren ist. tungsbereit sind. Indikator für eine diskriminierungsfreie Beur- teilung sind deshalb ausgewogene Beurteilungsergebnisse. Leistungserwartung und Leistungswahrnehmung muss unab- hängig vom Geschlecht erfolgen, so dass sich subjektive Fakto- Dass dieses Ziel in der Praxis nicht erreicht wird, liegt daran, dass ren seltener zu Ungunsten eines Geschlechts auswirken. das Beurteilungswesen eben gerade nicht diskriminierungsfrei ist, sondern Frauen dabei strukturell benachteiligt werden. Dies Frauen stellen die Mehrzahl der Beschäftigten im öffentlichen muss Anlass sein, der Diskriminierung von – fast ausnahmslos – Dienst. Frauen sind in der Beschäftigtenstruktur weder die Aus- Frauen durch gezielte Maßnahmen in der Beurteilungspraxis ef- nahme noch in der Minderheit, sondern die Normalität. Des- fektiv entgegenzuwirken. Diskriminierungsfreie und gleichstel- wegen müssen ihre besonderen Belange vor allem auch in der lungsfördernde Bestimmungen in den Beurteilungsgrundlagen Behördenkultur und in Personalentwicklungskonzepten ausrei- sind deshalb notwendig. chend abgebildet werden. Auch bei der Umsetzung der Richtlinien in der Praxis gilt es, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf maßgeblichen Einflussfaktoren so zu steuern, dass das Ziel der Chancengerechtigkeit zwischen Frauen und Männern erreicht Eine generelle Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Be- wird. ruf wirkt sich positiv auf die Aufstiegsmöglichkeiten von Frauen und Männern aus. 13 Steuerung über eine gendergerechte Dazu gehört die regelmäßige Auditierung zum Beispiel durch Behördenkultur das „audit berufundfamilie“ als sinnvoller Baustein, um den Bewusstseinswandel zu unterstützen und konkrete nützliche Beeinflussbare Rahmenbedingungen, die die Durchsetzung der Maßnahmen festzulegen. Chancengleichheit von Frauen und Männern bei dienstlichen Beurteilungen indirekt mitprägen, müssen bewusst gestaltet Teilzeitbeschäftigung und variable Arbeitszeiten für Beschäf- und gesteuert werden. tigte mit Familienpflichten müssen durchgehend als Normali- tät akzeptiert werden und zwar unabhängig davon, ob es sich Aus Sicht der dbb bundesfrauenvertretung muss für eine maß- – wie in der Mehrzahl der Fälle – um weibliche oder – wie in gebliche Verbesserung an fünf Hauptrahmenbedingungen an- der Minderzahl – um männliche Beschäftigte handelt. Teilzeit- gesetzt werden, um insgesamt eine Verbesserung zu erreichen: arbeit muss als eine Form der Wahlarbeitszeit wahrgenommen werden. - Gleichstellung, Chancengleichheit und Gender Mainstrea- ming als grundlegende Handlungsprinzipien Eine stärker partnerschaftlich orientierte Arbeitsaufteilung von - Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf Familienaufgaben und deren Wahrnehmung durch männliche - Frauenanteil in Führungspositionen Beschäftigte als Normalfall trägt zu einer solchen Akzeptanz bei. - Wandel im Führungsverständnis Die Wahrnehmung familiärer Verpflichtungen durch Angehörige - Rolle der Interessenvertretungen beiderlei Geschlechts führt auf lange Sicht dazu, dass Frauen – auch in der Beurteilung – keine Nachteile mehr durch familiäre Gleichstellung, Chancengleichheit und Gender Mainstreaming Pflichten entstehen. Vorgesetzte müssen hierfür werben, sensi- als grundlegende Handlungsprinzipien bilisieren und positive Anreize bei den Beschäftigten setzen. Wenn Gleichstellung, Chancengleichheit und Gender Mainstre- Die Personalvertretungen sind in besonderer Weise gefordert, aming als grundlegende Handlungsprinzipien in der Behörden- den Prozess zu begleiten und zu unterstützen, zum Beispiel praxis vorausgesetzt und top-down umgesetzt werden, führt durch vereinbarkeitsfördernde Dienstvereinbarungen zur Tele- das dazu, dass Geschlechter- und Rollenstereotype eher erkannt arbeit. und hinterfragt werden. Kinderbetreuungsangebote müssen ortsnah, kostenlos und ar- Führungskräfte und Beschäftigte müssen Genderaspekte beitszeitangepasst für Kinder aller Altersklassen zur Verfügung selbstverständlicher thematisieren. Dazu können Mentoring- stehen. Anleitung für ein diskriminierungsfreies Fortkommen im öffentlichen Dienst · Karriere ohne Hindernis
Frauenanteil in Führungspositionen Rolle der Interessenvertretungen Je mehr Frauen in Führungspositionen sind, desto präsenter sind Gleichstellungsbeauftragte und Personalräte haben die Auf- sie an Entscheidungsprozessen beteiligt. Es wird dadurch selbst- gabe, die faktische Gleichstellung von Frauen und Männern zu verständlicher, Frauen als leistungsfähige Kandidatinnen für sehr fördern. Dazu gehört es, das Thema Gleichstellung bei Beförde- gute Beurteilungen und Beförderungen anzusehen. Deshalb sind rungen immer wieder anzusprechen und nicht in dem Bemühen die Verfahren zur Besetzung von Führungspositionen zukunfts- nachzulassen, eine ausgewogene Repräsentanz von Frauen und gerecht, diskriminierungsfrei und gendergerecht zu gestalten. Männern einzufordern. Frauen in Führungspositionen dienen als Vorbild für andere Gleichstellungsbeauftragte und Personalrat müssen gemein- weibliche Beschäftigte, sich eine Führungsposition zuzutrauen sam eine netzwerkartige Struktur zum Meinungsaustausch und selbst anzustreben. pflegen, um gemeinsame Positionen, Strategien, Vorschläge und Maßnahmen zur Gleichstellungsarbeit im Allgemeinen zu Die Rahmenbedingungen, unter denen Führungskräfte in Teil- erarbeiten und im Speziellen die Beurteilungsergebnisse zu ana- zeit tätig sein können, sind zu überdenken – Führungspositionen lysieren, zu diskutieren und konkrete Verbesserungsvorschläge sind nicht per se teilzeitfeindlich, sondern müssen teilzeitfähig zu erarbeiten. ausgestaltet werden. Telearbeit und Homeoffice sind organisa- torisch zu ermöglichen Personalräte, Gleichstellungsbeauftragte und Personalverant- wortliche sollten in regelmäßigen Abständen gemeinsam un- 14 Transparente Zielvereinbarungen für Beurteilungen und Beför- ter externer Leitung und mit externen Referenten tagen und derungen müssen getroffen werden; deren Zielerreichung muss aus den dort gewonnenen Erkenntnissen passgenaue konkrete in regelmäßigen Abständen evaluiert werden. Maßnahmen zur Durchsetzung der Chancengleichheit entwi- ckeln. Personalentwicklungskonzepte müssen mit Mentoringpro- grammen verzahnt werden. Fortentwicklung der Beurteilungs- Wandel im Führungsverständnis verfahren Gleichstellung ist Chefsache und geht alle an. Führungskräfte Das Beurteilungsverfahren muss gendergerecht fortentwickelt müssen – auch bei den Beurteilungen – einen entscheidenden werden und die typischen Erwerbsverläufe von Frauen („Le- Beitrag zur Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und bensphasen“) stärker in den Blick nehmen. Dazu gehören aus Männern leisten. Sicht der dbb bundesfrauenvertretung notwendige Verände- rungen auf drei verschiedenen Ebenen: Dazu gehört es, eine partnerschaftliche und gleichstellungsori- entiertere Führungskultur zu etablieren und umzusetzen. - bei den Beurteilungszeiträumen - bei den handelnden Personen Die Verpflichtung zur Teilnahme an entsprechend durchzufüh- - bei den Beurteilungskriterien renden Fortbildungsveranstaltungen ist vorzusehen. Sie dienen auch der Bewusstseinsbildung. Entsprechende Seminare für Beurteilungszeiträume Mitglieder von Auswahlkommissionen sind vorzusehen. Einheitliche Beurteilungsrichtlinien – auf Landes- beziehungs- Regelmäßige Mitarbeiter-Vorgesetzten-Gespräche, die den Aus- weise Bundesebene – können dazu beitragen, die Schwierigkeit tausch von Interessen und Erwartungen sowie entsprechende der Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Ressorts zu Vereinbarungen ermöglichen, sind ebenfalls ein wichtiges Füh- mindern. Sie erleichtern die Implementierung neuer Ansätze rungsinstrument. und tragen zu einem modernen Beurteilungswesen bei. Die Beurteilungszeiträume müssen in diesem Kontext lebenspha- Führungskräfte müssen das Potenzial der gutausgebildeten senorientiert fortentwickelt werden, insbesondere im Hinblick Frauen erkennen (können) und gezielt fördern, indem sie neue auf die sogenannte „Rushhour des Lebens“. Die derzeitige Praxis gendergerechte Konzepte zur Personalführung entwickeln und führt dazu, dass Frauen seltener beurteilt werden als ihre männ- etablieren. lichen Kollegen.
Zudem würde eine Verkürzung der Zeitspanne zwischen den Ergänzend dazu sollten die berufliche Leistung und Entwick- Beurteilungsstichtagen eine realitätsgerechte Beurteilung der lungspotenziale in Personalgesprächen thematisiert werden, Leistung der Beschäftigten fördern. um die Transparenz von Beurteilungen zu erhöhen, insbesonde- re bezüglich der Wahrnehmung der eigenen Leistungen und der Durch eine Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs im Weiterentwicklungsmöglichkeiten. Sinne fiktiver Fortschreibung tatsächlich erbrachter beruflicher Leistungen vor einer Elternzeit oder Beurlaubung aus familien- Es braucht einen größeren Anteil an Beurteilerinnen. Dazu müs- politischen Gründen könnte dem Gesichtspunkt zu erwarten- sen mehr Frauen in teilzeitfähige Führungspositionen gebracht der Leistungssteigerungen in dem betreffenden Zeitraum Rech- werden. nung getragen werden; nur so können Frauen mit Ausfallzeiten gleichermaßen am faktischen Trend des kontinuierlichen An- Wenn die Führungskräfte selbst beurteilt werden, sind ihre eige- steigens der Erfahrungswerte für die Beurteilungen teilhaben. nen Gendererfolge als Bewertungskriterium mit zu berücksich- Ein Anspruch auf fiktive Nachzeichnung muss deshalb verankert tigen. Führungskräfte müssen sich auch daran messen lassen, werden. Dabei gilt es, Erfahrungen und Qualifikationen, die Be- wie sie mit dem Thema Geschlechtergerechtigkeit umgehen. Je- schäftigte durch das Ausüben von privater Sorgearbeit erlangen, doch darf die Bewertung nicht auf das schlichte Umsetzen von bei der dienstlichen Beurteilung mitzuberücksichtigen. Quoten reduziert werden. Regelmäßige Mitarbeitergespräche für eine ex nunc-Betrach- Beurteilungskriterien tung der individuellen beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten sind als Personalentwicklungsmaßnahme verpflichtend vorzu- Die Beurteilungskriterien müssen gendergerechter ausgestal- 15 sehen. tet werden. Bloße Geschlechtsneutralität reicht nicht aus – ein gendergerechtes „wording“ ist notwendig. Insbesondere müs- Handelnde Personen sen Kriterien, die mit Geschlechterstereotypen verknüpft sind, vermieden werden, wie zum Beispiel „Umsetzungsergebnisse“ Die Beurteilenden müssen für Genderthemen sensibilisiert und anstelle von „Durchsetzungsvermögen“. Ergebnisorientierte geschult werden, damit sie Mechanismen der mittelbaren Ge- Leistungskriterien sind zu bevorzugen. Diese lassen sich besser schlechtsdiskriminierung (Rollenstereotype) als entscheidungs- anhand objektiver Fakten belegen. Zum Beispiel: „Termineinhal- wirksam wahrnehmen. tung“ statt „Pünktlichkeit“, „Vorschläge zur Verbesserung der Arbeit“ statt „Kreativität, Initiative“. Notwendig ist eine konsequente Top-Down-Strategie bei der Verfolgung des Ziels der Gleichstellung bei den Beurteilungen. Hinzu kommt, dass die zur Leistungsbewertung herangezoge- Damit Geschlechtergerechtigkeit auf allen Ebenen ernstgenom- nen Kriterien von den zur Bewertung anstehenden Beschäftig- men wird, muss das Thema von allen Führungsebenen mitgetra- ten gleichermaßen erfüllbar sein müssen. Kriterien, die etwa gen und entsprechende Maßnahmen positiv begleitet werden. von Beschäftigten mit familiären Verpflichtungen schwerer er- füllbar sind als von Beschäftigten ohne, müssen vermieden wer- Insbesondere weibliche Beschäftigte sollten durch die beurtei- den. Zum Beispiel dürfen Leistungsmerkmale wie „Flexibilität“ lenden Personen regelmäßig über ihre Rechte im Beurteilungs- nicht als Bereitschaft zu ungeplanter zeitlicher Beanspruchung verfahren, einschließlich der Unterstützung durch die Gleich- oder wie „Arbeitseinsatz“ nicht als ständige Verfügbarkeit und stellungsbeauftragte, und über die Wahrnehmung der eigenen dauerhafte Präsenz ausgelegt werden. Interessen im Beurteilungsgespräch sowie nach Bekanntgabe der Beurteilung informiert werden. Je konkreter und detailreicher die Vorgaben an die zu bewerten- den Leistungen gefasst sind, umso geringer wird der Spielraum Parallel dazu sollte die Rolle der Interessensvertretung gestärkt für den Beurteilenden, eigene Geschlechterstereotype unterzu- werden. Gleichstellungsbeauftragte, Personal-und Betriebs- bringen. Erfahrungen und Qualifikationen aus Familienphasen räte sollten stärker in die Beurteilungspraxis im Sinne einer sollten bei der dienstlichen Beurteilung Berücksichtigung fin- korrektiven Kontrollinstanz einbezogen werden. Zudem kann den. der Handlungsspielraum der Personalvertretung im Falle von nachweisbaren Diskriminierungen durch die Einführung eines Beurteilungskriterien dürfen nicht männlich priorisiert und hie- Verbandsklagerechts im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz rarchisiert werden – die Quotierung der Beurteilungsergebnisse (AGG) verbessert werden. ist zu überdenken. Anleitung für ein diskriminierungsfreies Fortkommen im öffentlichen Dienst · Karriere ohne Hindernis
Teilzeitbeschäftigte müssen fair und frei von unsachlichen Erwä- selbstverständlicher, von vornherein stärker auf geschlechterbe- gungen beurteilt werden. „Weniger“ darf nicht automatisch mit zogene Ausgewogenheit zu achten. „schlechter“ assoziiert werden – Teilzeit- und Telearbeitsphasen dürfen nicht zur Falle geraten. Die Beurteilerkonferenzen müssen diese Ergebnisse aktuell ab- rufen können (z. B. Intranet). Sie müssen ihr Augenmerk stärker Die bisher herrschende Präsenzkultur führt von vornherein zu auf die geschlechterbezogene Verteilung der Beurteilungser- einer Schlechterstellung von Teilzeitkräften, notwendig ist ein gebnisse richten und daraus Schlüsse und Strategien ableiten, Wandel hin zu einer Ergebniskultur. Die positiven Möglichkeiten die der Durchsetzung von Chancengleichheit dienlich sind. von Digitalisierung und Telearbeit sind dabei auszunutzen und die Personalvertretungen unter anderem durch Abschluss von Eine regelmäßige Datenerhebung zum Stand der Geschlechter- Dienstvereinbarungen einzubeziehen. gerechtigkeit sollte flächendeckend erfolgen. Diese Datentrans- parenz sollte nicht erst nach Abschluss der Beurteilungsrunde, sondern bereits für die Erst- und Zweitbeurteilerkonferenzen Transparenz durch Monitoring gelten. Aus Sicht der dbb bundesfrauenvertretung ist es geboten, die Die Verbesserung der geschlechtsbezogenen Beurteilungsge- in § 50 BLV geforderte Beurteilungsstatistik wesentlich stärker rechtigkeit sollte als Ziel und Maßnahme zum Abbau der Un- auf solche Umstände auszurichten, die als mittelbare Diskrimi- terrepräsentanz von Frauen Eingang in die Gleichstellungs- und nierungsfaktoren Eingang in das Beurteilungsverfahren finden. Frauenförderpläne finden. 16 Der Gesetzgeber hat nur im Wege einer Soll-Vorschrift in § 50 Abs. 4 BLV niedergelegt, dass im Rahmen des Ergebnisses des Beurteilungsdurchgangs der Anteil an Frauen, Männern, Teilzeit- und Telearbeitskräften sowie schwerbehinderten Menschen jeweils gesondert ausgewiesen werden soll. Diese Gruppen hat der Gesetzgeber also bereits als besonders diskriminierungsge- fährdet erkannt. Diese sanktionslose Sollvorschrift hält die dbb bundesfrauenvertretung jedoch nicht für ausreichend – not- wendig wäre eine Mussvorschrift. Zum Orten von bestehenden Missständen ist die umfassende Führung von entsprechend ge- schlechtsspezifisch ausgerichteten verpflichtenden Statistiken eine wichtige Voraussetzung, um die Lebenswirklichkeit von Frauen im System sachgerecht abzubilden. Die Kenntnis der tatsächlichen Struktur der Beurteilungsergeb- nisse ist ein wichtiger Beitrag zur Sensibilisierung aller Beteilig- ten. Die Erfassung der Struktur als Abbildung der Realität schafft Transparenz. Diese Transparenz ist Arbeitsgrundlage für eine positive Fortentwicklung des – für weibliche Beschäftigte und Teilzeitkräfte bei weitem noch nicht optimalen – Ist-Zustandes. Notwendig ist ein umfassendes Geschlechtermonitoring und Controlling durch geschlechtsspezifisch ausgestaltete Statisti- ken, die eine vergleichende Beurteilung mit Aussagen zu Män- ner- /Frauenanteil, Anteil Vollzeit-/Teilzeitbeschäftigte, sowie die Punkteverteilung ermöglichen und prüfen. Hierzu gehört eine verpflichtende Analyse und Auswertung sowie Veröffent- lichung der Beurteilungsergebnisse, die zum einen zu einer Pro- blembewusstheit und zum anderen zu einer Diskussion der Ge- schlechtergerechtigkeit des Beurteilungsverfahrens insgesamt führt. Dadurch wird es auf die Dauer auch für die Beurteilenden
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