Kartellrechtliche Entwicklungen in Europa und Deutschland - Competition Outlook 2023

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Kartellrechtliche
Entwicklungen in Europa
und Deutschland
Competition Outlook 2023
NOERR_COMPETITION OUTLOOK 2023                                                                                                COMPETITION OUTLOOK 2023_NOERR

                                         Vorwort

                                              In diesem Competition Outlook fasst die Noerr Antitrust & Competition Group für Sie anhand der prägends-
                                         ten Themenbereiche die wichtigsten kartellrechtlichen Entwicklungen in Europa und Deutschland aus 2022 zu-
                                         sammen und gibt einen Ausblick darauf, welche Entwicklungen auf diesen Gebieten für 2023 zu erwarten sind.

                                              Digitalthemen prägten dabei auch im Jahr 2022 in Deutschland und Europa die kartellrechtliche Ent-
                                         wicklung. In Deutschland schreitet die Anwendung des mit der 10. GWB-Novelle eingeführten § 19a GWB
                                         durch das Bundeskartellamt voran und wird auch das kommende Jahr entscheidend beeinflussen. Neu hin-
                                         zugekommen auf europäischer Ebene ist der im letzten Jahr verabschiedete Digital Markets Act („DMA“), der
                                         der Europäischen Kommission weitgehende Befugnisse bei der Überwachung sog. Torwächter gibt. Das neue
                                         Jahr wird insoweit Aufklärung über erste Anwendungsfelder des DMA sowie sein Zusammenspiel mit dem
                                         § 19a GWB bringen.

                                              Daneben war die kartellrechtliche Entwicklung des letzten Jahres entscheidend beeinflusst durch den
                                         russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und seine Folgen. So traf das Bundeskartellamt Entscheidungen
                                         zu Krisenkooperationen aufgrund möglicher Gasengpässe. Steigende Energie- und Kraftstoffpreise waren
                                         auch einer der Anlässe für den deutschen Gesetzgeber, eine weitere Änderung des nationalen Kartellrechts
                                         vorzubereiten. Die 11. GWB-Novelle normiert in ihrem aktuellen Entwurf neue weitgehende Eingriffsbefugnis-
                                         se für das Bundeskartellamt in oligopolistischen Märkten jenseits der bekannten Fusions- und Missbrauchs-
                                         kontrolle. Das weitere Schicksal dieser angedachten Befugnisse im Gesetzgebungsverfahren wird in 2023 mit
                                         Spannung zu erwarten sein.

                                               Auch das europäische Beihilfenrecht hat im vergangenen Jahr auf die Folgen des Ukrainekrieges und die
                                         damit verbundenen negativen Effekte für die Wirtschaften der Mitgliedstaaten reagieren müssen. Mit dem be-
                                         fristeten Krisenrahmen wurde hierfür ein regulatorisches Instrument geschaffen, das zunächst bis 31.12.2023
                                         gilt. Daneben findet ab Juli 2023 die neue EU-Verordnung über drittstaatliche Subventionen Anwendung, die
                                         zusätzlich zur klassischen Fusions- und Investitionsschutzkontrolle eine weitere regulatorische Schranke bil-
                                         det, die Unternehmen im Rahmen von Transaktionen beachten müssen.

                                              Die Auswirkungen der Corona-Pandemie, die die letzten Jahre auch das Kartellrecht maßgeblich beein-
                                         flusste, scheinen dagegen abzuebben. Insbesondere haben die Kartellbehörden im Jahr 2022 wieder Durch-
                                         suchungen (sog. Dawn Raids) bei Unternehmen durchgeführt, um Kartellrechtsverstöße zu ermitteln. Auch
                                         für das neue Jahr ist damit zu rechnen, dass sich dieser Trend fortsetzen wird.

                                             Diese und viele weitere Themen – darunter die neusten Entwicklungen in den Bereichen Vertriebskartell-,
                                         Kartellschadensersatz- und Investitionskontrollrecht – behandelt der Competition Outlook.

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                                         Inhalt

                                         Vorwort........................................................................................................................................................................................... 3

                                         Inhalt............................................................................................................................................................................................... 5

                                         Ihre Ansprechpartner.................................................................................................................................................................. 6

                                         1.      EU FUSIONSKONTROLLE................................................................................................................................................. 8
                                                 Eine neue (Un-)Ordnung in der Europäischen Fusionskontrolle. . ............................................................................ 9

                                         2.      DEUTSCHE FUSIONSKONTROLLE. . ............................................................................................................................... 11
                                                 Weitere Verschärfung der deutschen Fusionskontrolle........................................................................................... 12

                                         3.      KARTELLBEHÖRDLICHE VERFAHREN - EU. . .............................................................................................................. 13
                                                 Entwicklungen hinsichtlich Kartellverfahren der Europäischen Kommission.................................................... 14

                                         4.      KARTELLVERFAHREN - DEUTSCHLAND. . .................................................................................................................. 15
                                                 ESG- und Krisenthemen im Fokus des Bundeskartellamts.................................................................................... 16

                                         5.      KARTELLSCHADENSERSATZRECHT........................................................................................................................... 18
                                                 Höchstrichterliche Entscheidungen treiben Entwicklung voran.. ........................................................................... 19

                                         6.      DIGITALKARTELLRECHT - EU....................................................................................................................................... 20
                                                 Der kartellrechtliche Umgang der EU mit Tech-Unternehmen............................................................................. 21

                                         7.      DIGITALKARTELLRECHT - DEUTSCHLAND. . ............................................................................................................. 22
                                                 Auf halber Strecke............................................................................................................................................................ 23

                                         8.      VERTRIEBSKARTELLRECHT......................................................................................................................................... 24
                                                 Entwicklungen im Vertriebskartellrecht..................................................................................................................... 25

                                         9.      FOREIGN DIRECT INVESTMENTS................................................................................................................................. 26
                                                 Prüfung ausländischer Direktinvestitionen................................................................................................................ 27

                                         10. BEIHILFERECHT / FOREIGN SUBSIDIES..................................................................................................................... 28
                                             Krise und Kontrolle drittstaatlicher Subventionen im Fokus des EU-Beihilfenrechts...................................... 29

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      Dr. Henner Schläfke          Dr. Jens Peter Schmidt           Iulian Sorescu, FCCA, CMC   Peter Stauber, LL.M.                  Dr. Raphael Reims, LL.M.             Immo Schuler, LL.M.           Sebastian Wrobel, LL.M.         Sven Betzendörfer
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      Dr. Till Steinvorth          Dr. Kathrin Westermann           Dr. Fabian Hübener, LL.M.   Pascal Schumacher                     Emilia Etz, LL.B., Maitre en Droit   Jan-Hendrik Fitzl             Dr. Jochen Christoph Hegener,   Johanna Krauskopf, LL.M.
      Partner                      Partner                          Associated Partner          Associated Partner                    Associate                            Associate                     LL.M.                           Associate
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      till.steinvorth@noerr.com    kathrin.westermann@noerr.com     fabian.huebener@noerr.com   pascal.schumacher@noerr.com           emilia.etz@noerr.com                 jan-hendrik.fitzl@noerr.com   T +49 89 28628513               johanna.krauskopf@noerr.com
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      Prof. Dr. Karsten Metzlaff   Luiza Bedros                     Robert Pahlen               Dr. Szilvia Andriska                  Miriam Swamy-von Zastrow             Giovanna Ventura
      Of Counsel                   Counsel                          Counsel                     Senior Associate                      Associate                            Legal Advisor
      Hamburg
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      karsten.metzlaff@noerr.com
                                   Bukarest
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                                   luiza-elena.bedros@noerr.com
                                                                    Berlin
                                                                    T +49 30 20942316
                                                                    robert.pahlen@noerr.com
                                                                                                Budapest
                                                                                                T +36 1 2240900
                                                                                                szilvia.andriska@noerr.com
                                                                                                                              6   7   München
                                                                                                                                      T +49 89 28628313
                                                                                                                                      miriam.swamy-vonzastrow
                                                                                                                                                                           Brüssel
                                                                                                                                                                           T +32 2 2745573
                                                                                                                                                                           giovanna.ventura@noerr.com
                                                                                                                                      @noerr.com
NOERR_COMPETITION OUTLOOK 2023                                                                                                COMPETITION OUTLOOK 2023_NOERR

                                         Eine neue (Un-)Ordnung in der Europäischen
                                         Fusionskontrolle

                                              Als Folge der im Jahre 2021 eingeleiteten Bewer-        Das Gericht der Europäischen Union („EuG“)
                                         tung von Verfahrens- und Zuständigkeitsaspekten der     bestätigte im Juli 2022 diese Vorgehensweise mit
                                         EU-Fusionskontrolle hat die Europäische Kommission      Urteil vom 13.07.2022. Nach Auffassung des EuG
                                         zweierlei Arbeitsprodukte auf den Weg gebracht:         ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift
                                                                                                 keine Beschränkung dahingehend, dass nur Mit-
                                         •   den bereits 2021 in Kraft getretenen Leitfaden      gliedstaaten ohne eigene Fusionskontrolle einen
                                             zu Art. 22 FKVO;                                    Verweisungsantrag an die Europäische Kommission
                                         •   den Entwurf der überarbeiteten Durchführungs-       stellen könnten.
                                             verordnung zur FKVO und der Bekanntmachung
                                             zum vereinfachten Verfahren.                             Illumina hat prompt Rechtsmittel eingelegt.
                                                                                                 So wird die Problematik erst in einiger Zeit, mögli-
                                                                                                 cherweise aber bereits im Laufe des Jahres 2023,
                                         Art. 22 FKVO                                            endgültig durch den Europäischen Gerichtshof ent-
                                                                                                 schieden werden.
                                             Das Jahr 2022 brachte Schwung in die Anwen-
                                         dung des Leitfadens zu Art. 22 FKVO.                         Bis dahin ergibt sich aus der Entscheidung des
                                                                                                 EuG jedoch eine neue (Un-)Ordnung für die Fusions-
                                               Nach dieser Vorschrift kann eine nationale        kontrolle. Deshalb ist in der M&A-Praxis nunmehr
                                         Wettbewerbsbehörde unter gewissen Umständen             (erst recht) bereits frühzeitig zu prüfen, ob das Ri-
                                         einen Zusammenschluss, bei dem weder die Auf-           siko einer Verweisung an die Europäische Kommis-
                                         greifschwellen der europäischen Fusionskontrolle        sion besteht. Gerade in sensitiven Wirtschaftssek-
                                         noch die Aufgreifschwellen nationaler Fusionskon-       toren oder bei der Beteiligung nicht-europäischer
                                         trollregimes überschritten werden, zur fusionskon-      Unternehmen kann dies der Fall sein. Dann gilt es,
                                         trollrechtlichen Prüfung an die Europäische Kom-        beispielsweise durch eine frühzeitige Abstimmung
                                         mission verweisen.                                      mit nationalen Wettbewerbsbehörden und der Euro-
                                                                                                 päischen Kommission, zu klären, ob die Transaktion
                                              Diese Verweisungsmöglichkeit nutzten zuletzt       gefahrlos vollzogen werden kann.
                                         die Wettbewerbsbehörden mehrerer EFTA-Mit-
                                         gliedstaaten, um eine Prüfung der beabsichtigten
                                         Übernahme von Grail, Inc. durch llumina zu errei-
                                         chen. Die Europäische Kommission gab den Verwei-
                                         sungsanträgen statt und leitete ein Fusionskontroll-
                                         verfahren ein.

      1. EU FUSIONSKONTROLLE
                                 8   9
NOERR_COMPETITION OUTLOOK 2023                                                      COMPETITION OUTLOOK 2023_NOERR

      Vereinfachung des Fusionskontroll-
      verfahrens

           Für 2023 beabsichtigt die Europäische Kommis-
      sion eine Vereinfachung des Fusionskontrollverfah-
      rens. Entsprechende Entwürfe wurden im Jahr 2022
      veröffentlicht.

            Die Europäische Kommission betont, dass rund
      93 % der Zusammenschlüsse als wettbewerbsrecht-
      lich unbedenklich eingestuft werden und ohne Aufla-
      gen freigegeben werden. Sie möchte somit ihre Res-
      sourcen auf die 7 % lenken, die aus ihrer Sicht Anlass
      zu Bedenken geben könnten.

           Die in den Entwürfen enthaltenen Änderungen
      beziehen sich auf die folgenden Schwerpunkte:

      •    Erweiterung und Präzisierung der Kategorien
           von Zusammenschlüssen, die nach dem ver-
           einfachten Verfahren behandelt werden können
           und Straffung der Prüfung dieser Art von Zu-
           sammenschlüssen;
      •    Straffung der Prüfung von allen anderen Zu-
           sammenschlüssen, insbesondere Überarbei-
           tung der Struktur und Informationsanforderun-
           gen der Form CO;
      •    Einführung elektronischer Anmeldungen.

           Insgesamt können die Änderungen sowohl zu
      mehr Rechtssicherheit in einem früheren Stadium
      und für unbedenkliche Zusammenschlüssen sowie
      zu Kosteneinsparungen führen. Allerdings zeigt die
      Europäische Kommission ihre Bereitschaft bei Zu-
      sammenschlüssen, die aus ihrer Sicht Wettbewerbs-
      bedenken hervorrufen, voll einzusteigen und diese
      künftig mehr unter die Lupe zu nehmen.

                                                                         2. DEUTSCHE
                                                                            FUSIONSKONTROLLE
                                                               10   11
NOERR_COMPETITION OUTLOOK 2023                                                                                                                  COMPETITION OUTLOOK 2023_NOERR

      Weitere Verschärfung der
      deutschen Fusionskontrolle

            Im September 2022 hat das Bundesministerium          rückwirkend für bereits abgeschlossene Sektor-
      für Wirtschaft und Klimaschutz den Referentenentwurf       untersuchungen, sofern die Veröffentlichung des
      zur 11. GWB-Novelle („Wettbewerbsdurchsetzungs-            Abschlussberichts nicht mehr als ein Jahr zurück-
      gesetz“) veröffentlicht („RefE“). Herzstück des RefE ist   liegt. Für laufende Sektoruntersuchungen wie etwa
      die Beschleunigung und Optimierung der Sektorunter-        im Entsorgungsbereich oder im Bereich der On-
      suchungen durch Abhilfemaßnahmen des Bundeskar-            line-Werbung wären die betroffenen Unternehmen
      tellamts. Das Bundeskartellamt konnte bislang ledig-       also selbst bei der Veröffentlichung des Abschluss-
      lich verstoßabhängig eingreifen und verfügte somit über    berichts vor Verabschiedung des Wettbewerbsdurch-
      kein geeignetes präventives Werkzeug, um oligopolisti-     setzungsgesetzes nicht vor Eingriffsmaßnahmen ge-
      schen Märkten vorzubeugen, die durch fusionskontroll-      schützt.
      freie Unternehmenskäufe, Marktaustritte oder Wachs-
      tum entstanden sind. Sektoruntersuchungen konnten          Schließlich soll der mit der 10. GWB-Novelle gera-
      zudem sehr lange dauern. Beide Schwachstellen sollen       de erst eingefügte § 39a GWB verschärft und in § 32f
      nun durch § 32f RefE verbessert werden.                    RefE überführt worden. § 39a GWB ermöglicht es
                                                                 dem Bundeskartellamt schon derzeit, Unterneh-
          Diese Vorschrift räumt dem Bundeskartellamt            men per Verfügung zu verpflichten, für drei Jahre
      erstmals Befugnisse im Rahmen einer Sektorunter-           bestimmte noch unterhalb der Schwellenwerte des
      suchung ein. Danach kann es beispielsweise die Ge-         § 35 GWB liegende Zusammenschlüsse anzumelden,
      währung des Zugangs zu Daten, die Belieferung an-          wenn die betreffenden „Wirtschaftszweige“ zuvor Ge-
      derer Unternehmen, die Lieferbeziehungen zwischen          genstand einer Sektoruntersuchung waren.
      Unternehmen auf den betroffenen Märkten oder die
      organisatorische Trennung von Unternehmens- oder                Die aktuell in § 39a GWB geregelten Schwellen
      Geschäftsbereichen regeln.                                 für den Erlass einer solchen Verpflichtung sollen
                                                                 dabei abgesenkt werden. Insbesondere sollen die
           Neben der organisatorischen Entflechtung              Schwellenwerte auf zwei Inlandsumsatzschwellen
      ermöglicht § 32f RefE als ultima ratio sogar eine          (EUR 50 Mio. für den Erwerber, EUR 0,5 Mio. für die
      eigentumsrechtliche Entflechtung des jeweiligen            Zielgesellschaft) verringert werden, während das
      Unternehmens (Verpflichtung zur Veräußerung                derzeitige Marktanteilskriterium, die weltweite Um-
      von Unternehmensanteilen oder Vermögen). Diese             satzschwelle (EUR 500 Mio.) und die Zweidrittelvor-
      (zum Teil für verfassungswidrig erachtete) Ermäch-         gabe für den Inlandsumsatz der Zielgesellschaft ent-
      tigungsgrundlage nimmt jedoch bestandskräftige             fallen sollen.
      fusionskontrollrechtliche Freigaben aus Vertrauens-
      schutzgesichtspunkten für fünf Jahre von dem An-                Die neuen Werkzeuge des Bundeskartellamts
      wendungsbereich aus.                                       sind deshalb so gefährlich für Unternehmen, weil der
                                                                 RefE keine Rechtsschutzmöglichkeiten gegen den Ab-
           Zur Beschleunigung der Sektoruntersuchungen           schlussbericht zu einer Sektoruntersuchung vorsieht.
      legt § 32 RefE eine Verfahrensdauer von 18 Monaten
      nahe. Hierbei handelt es sich jedoch um keine zwin-
                                                                 Da ein Fehlverhalten der betroffenen Unternehmen
                                                                 für ein Einschreiten des Bundeskartellamts nicht er-             3. KARTELLBEHÖRDLICHE
                                                                                                                                     VERFAHREN - EU
      gende Vorschrift; im Falle ihrer Missachtung sieht sie     forderlich ist, ist eine besonders enge Zusammen-
      keine Rechtsfolgen vor. Außerdem gelten die Regeln         arbeit zwischen Unternehmen und ihren Beratern

                                                                                                                        12   13
      nicht erst ab Inkrafttreten des Wettbewerbsdurch-          unerlässlich, um den neuen Möglichkeiten des Bun-
      setzungsgesetzes (noch für 2023 geplant), sondern          deskartellamts gegenüber gewappnet zu sein.
NOERR_COMPETITION OUTLOOK 2023                                                                                                               COMPETITION OUTLOOK 2023_NOERR

      Entwicklungen hinsichtlich Kartellverfahren der
      Europäischen Kommission

            Im Policy Brief aus Oktober 2022 berechnete die          Auch im Fall von Qualcomm wurde ein von der
      Europäische Kommission, dass durch alle ihre Kar-        Europäischen Kommission verhängtes Bußgeld
      tell- und Fusionskontrollmaßnahmen zwischen EUR 12       i. H. v. EUR 997 Mio. durch ein Urteil des EuG vom
      bis 21 Mrd. pro Jahr an direkten Einsparungen für die    15.06.2022 aufgehoben. Qualcomm hatte Geldzah-
      Kunden erzielt werden. Das letzte Jahr dürfte insoweit   lungen an Apple geleistet, damit das Unternehmen
      aber einen gewissen Rückschlag darstellen, da einige     keine LTE-kompatiblen Chips von anderen Herstel-
      Entscheidungen der Wettbewerbsbehörde aufgehoben         lern kaufen würde. Laut Europäischer Kommission
      wurden.                                                  führte dies kartellrechtswidrig zu einem mehr als
                                                               fünf Jahre langen Ausschluss anderer Wettbewerber
           Nach Aufhebung und Zurückverweisung durch           vom Markt für LTE-Chipsätze. Das EuG stellte da-
      den Europäischen Gerichtshof kam es am 26.01.2022        gegen fest, dass ein Preisverhalten eines Marktbe-
      zum erneuten Urteil des Gerichts der Europäischen        herrschers mit Ausschließlichkeitsbindungen zwar
      Union („EuG“) über das von der Europäischen Kom-         grundsätzlich gegen Art. 102 AEUV verstoße. Anders
      mission verhängte Bußgeld i. H. v. EUR 1,06 Mrd.         liege es aber, wenn dies im konkreten Fall nicht zum
      gegen Intel. Gegenstand waren Direktzahlungen            Ausschluss von Wettbewerbern führe, etwa weil es
      durch Intel an Abnehmer, damit diese die Vermark-        im relevanten Zeitraum keine technischen Alterna-
      tung bestimmter Produkte von AMD (dem engsten            tiven zum Angebot des Marktbeherrschers gegeben
      Konkurrenten von Intel) verzögern, stornieren oder       habe. Ebenso wurden prozessuale Mängel gerügt:
      einschränken („naked restriction“), sowie bestimm-       Alle Befragungen Dritter, die die Europäische Kom-
      te Ausschließlichkeitsrabatte. Während erstere bei       mission in Vorbereitung einer Entscheidung durch-
      einem marktbeherrschenden Unternehmen ohne               führt, seien aufzuzeichnen und in die Verfahrensakte
      Weiteres zur Annahme eines Verstoßes gegen den           aufzunehmen.
      Missbrauchstatbestand führen, muss bei letzteren
      im Einzelfall jedenfalls bei entsprechendem Partei-           Die Europäische Kommission hat außerdem am
      vortrag untersucht werden, ob sie geeignet sind,         25.10.2022 Leitlinien zu ihrer Kronzeugenregelung in
      den Wettbewerb zu beschränken. Dies kann insbe-          Form von Frequently Asked Questions veröffentlicht.
      sondere anhand des As-Efficient-Competitor-Tests         Neben einer Vielzahl an Klarstellungen zu Definitio-
      erfolgen. Das EuG hob die Geldbuße insgesamt auf,        nen finden sich darin auch prozessuale Neuerungen
      da es nicht in der Lage war, den auf die Ausschließ-     wie die Einführung von Leniency Officern, der Mög-
      lichkeitsrabatte entfallenden Anteil der Geldbuße von    lichkeit eines anonymen Austauschs über potentielle
      dem Anteil zu trennen, der auf die naked restriction     Kronzeugenanträge sowie der Ausbau der eLenien-
      entfiel.                                                 cy-Plattform. Dadurch sollen die Voraussetzungen
                                                               und der Ausgang eines Kronzeugenantrags bere-
                                                               chenbarer werden und so in Zukunft die bessere Auf-
                                                               deckung von Kartellen gefördert werden (Link).

                                                                                                                                4. KARTELLVERFAHREN -
                                                                                                                                   DEUTSCHLAND
                                                                                                                      14   15
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      ESG- und Krisenthemen im Fokus des Bundes-
      kartellamts

           Im Jahr 2022 hat das Bundeskartellamt – erstmalig    Krisenkooperationen                                                  Auch im Jahr 2023 werden Ermittlungsver-
      wieder, nachdem aufgrund der Corona-Pandemie keine        Zudem hat das Bundeskartellamt eine Kooperation                 fahren – laut dem Präsidenten des Bundeskartell-
      Durchsuchungen stattgefunden hatten – elf Durchsu-        von Zuckerproduzenten geprüft, die im Zusammen-                 amtes (Andreas Mundt) – eine sehr hohe Priorität
      chungen durchgeführt (fünf eigene Fälle und sechs für     hang mit den aktuellen, wirtschaftlich schwierige-              haben. Nach einem durch die Corona-Pandemie be-
      andere nationale Kartellbehörden bzw. die Europäi-        ren Rahmenbedingungen steht (Zucker). Vorliegend                dingten Rückgang von Durchsuchungen (sog. Dawn
      sche Kommission). Das verhängte Bußgeld im Hinblick       soll insbesondere dem möglicherweise drohenden                  Raids) bei Unternehmen in den letzten Jahren ist
      auf abgeschlossene Fälle war mit ca. EUR 20 Mio. ver-     Gasversorgungsnotstand vorgebeugt werden. Das                   daher für 2023 erneut mit derartigen Maßnahmen
      gleichsweise niedrig (Quotenkartell bei Herstellern von   Bundeskartellamt erklärt das gegenseitige zur Ver-              in nicht unerheblichem Umfang zu rechnen.
      mehrprofiligen Brückendehnfugen; Geldbußen wegen          fügung stellen von Produktionskapazitäten der Zu-
      Absprachen im Industriebau). Erfahrungsgemäß sind         ckerproduzenten für zulässig. Ein Ausweichen auf
      in den nächsten Jahren daher wieder höhere Bußgelder      die Kapazitäten von Wettbewerbern muss aber letz-
      bzw. größere Verfahren, die durch das Bundeskartellamt    tes Mittel sein. Zudem ist die Kooperation auf eine
      abgeschlossen werden, zu erwarten.                        Saison befristet (bis Juni 2023). Weiterhin hat das
                                                                Bundeskartellamt – angesichts der aktuellen „Kri-
           Das Bundeskartellamt hat sich im Jahr 2022           sensituation“ – eine Kooperation zwischen Gasim-
      zudem mit verschiedenen weiteren interessanten            porteuren und -großhändlern beim Aufbau und Be-
      Fällen befasst bzw. Entscheidungen erlassen – u. a.       trieb schwimmender LNG-Terminals geprüft und
      zu folgenden Themen bzw. Bereichen:                       erlaubt (LNG). Unter „normalen“ Umständen hätte
                                                                das Bundeskartellamt die Kooperation kritischer
      Nachhaltigkeit                                            gesehen. Die Zusammenarbeit beschränke zwar
      Das Bundeskartellamt hat verschiedene Initiativen         tendenziell den Wettbewerb, potenziell negativen
      (u. a. Initiative Tierwohl, Existenzsichernde Löhne       Wirkungen stünden jedoch (aktuell) gewichtige
      bei Bananen, Agrardialog Milch) geprüft, die die          Vorteile gegenüber. Auch hier ist das Betreibermo-
      Wirtschaft nachhaltiger gestalten sollen. Dabei er-       dell befristet (zunächst bis März 2024).
      kennt das Bundeskartellamt die Bedeutung ent-
      sprechender Kooperationen zwischen Wettbewer-             Einkaufskooperationen
      bern bzw. Vertragspartnern dem Grunde nach an.            Das Bundeskartellamt hat zudem verschiedene
      Es stellt zugleich aber klar, dass solche Kooperati-      Einkaufskooperationen geprüft (u. a. Möbel, Bier).
      onen allein aufgrund entsprechender Gemeinwohl-           In solchen Fällen ist – neben der Zusammen-
      ziele nicht automatisch zulässig sind. Vielmehr sind      schlusskontrolle (die je nach Art der Kooperation
      die Auswirkungen auf den Wettbewerb im Einzel-            und abhängig von den beteiligten Unternehmen
      fall zu prüfen. Klare Grenzen sind bspw. Preisab-         greifen kann) – insbesondere zu prüfen und darauf
      sprachen oder auch nur ein damit in Zusammen-             zu achten, dass der Umfang des gemeinsamen Ein-
      hang stehender Austausch von Informationen. Dem           kaufs und die ausgetauschten Informationen nicht
      Bundeskartellamt ist bei gemeinsamen Initiativen          gegen das Kartellverbot verstoßen, es durch den
      insbesondere wichtig, dass diese diskriminierungs-        gemeinsamen Einkauf also zu keiner unzulässigen
      frei, offen und transparent gestaltet sind (vgl. für      Abstimmung kommt.
      weitere Informationen den Lex Mundi Sustainability
      and Competition Global Practice Guide).

                                                                                                                      16   17
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                                           Höchstrichterliche Entscheidungen treiben
                                           Entwicklung voran

                                                Das vergangene Jahr zeichnet sich im Kartell-               Zudem hat der Bundesgerichtshof in seinem
                                           schadensersatzrecht durch eine Zunahme der gericht-        Urteil VBL-Gegenwert III (KZR 111/18) Ende des Jah-
                                           lichen Aktivitäten in einer Vielzahl von Verfahren aus.    res auch klargestellt, dass die durch eine Zuwider-
                                           In Deutschland schreiten die Instanzgerichte, die die      handlung erlangte Bereicherung des einzelnen Kar-
                                           Aufforderung des Bundesgerichtshofes angenommen            telltäters auch nach Eintritt der kenntnisabhängigen
                                           haben, den Anspruch bis hin zur Höhe umfassend zu          Verjährung gestützt auf § 852 BGB abgeschöpft wer-
                                           diskutieren, mit den Verfahren voran. Urteile, die einen   den kann.
                                           Schaden zusprechen oder zum Ergebnis gelangen,
                                           dass eine Zuwiderhandlung keinen Schaden verursacht             Der Europäische Gerichtshof hat ferner in ei-
                                           hat, sind zwar weiterhin eine Seltenheit. Für 2023 ist     nem weiteren Urteil zur Auslegung der Kartellscha-
                                           mit solchen Entscheidungen jedoch zu rechnen. Die          densersatzrichtlinie (Rs. C-163/21) entschieden,
                                           von den Gerichten angewandten Methoden variieren           dass im Rahmen der Informationsbeschaffungs-
                                           hierbei zwischen freien Schätzungen nach § 287 ZPO         und Auskunftsansprüche vom Anspruchsgegner
                                           und umfangreichen Gutachterprozessen. Welche Art           auch verlangt werden kann, Unterlagen neu zu er-
                                           der Schadensbestimmung sich letztlich durchsetzt, ist      stellen und nicht nur bereits bestehende Unterlagen
                                           noch nicht abzusehen und letztlich auch von Fall zu Fall   herauszugeben.
                                           unterschiedlich zu bewerten.
                                                                                                           Weiterhin ungelöst ist dagegen die Frage, inwie-
                                                Seine bisherige Rechtsprechung, nach der eine         weit in Deutschland Kartellschadensersatzansprü-
                                           umfassende Würdigung des Parteivortrags durch              che gebündelt geltend gemacht werden können. Der
                                           den Tatrichter erforderlich ist, setzte der Bundesge-      Bundesgerichtshof hat u.a. in seinem financialright-
                                           richtshof mit dem Anfang 2023 im Volltext veröffent-       Urteil (VIa ZR 418/21) solche Geschäftsmodelle be-
                                           lichten Schlecker-Urteil (KZR 42/20) fort (vergleiche      zogen auf andere gebündelte Ansprüche für grund-
                                           Urteilsbesprechung).                                       sätzlich möglich erachtet. Die Debatte darüber, ob
                                                                                                      Kartellschadensersatzansprüche zu komplex und
                                                Sah man sodann im deutschen Recht die Frage           zu heterogen sind, um ohne Interessengegensätze
                                           der Verjährung kartellrechtlicher Schadensersatz-          zwischen einzelnen Anspruchsinhabern gebündelt
                                           ansprüche nach den Leitentscheidungen des Bun-             werden zu können, dauert aber an.
                                           desgerichtshofes der vergangenen Jahre als weit-
                                           gehend geklärt an, hat der Europäische Gerichtshof              Zuletzt wird die 11. GWB-Novelle voraussicht-
                                           mit seinem Urteil in der Rechtssache Volvo und DAF         lich auch neue Schadensersatzansprüche eröffnen.
                                           Trucks (Rs. C-267/20) eine neue Debatte eröffnet.          Denn der aktuelle Referentenentwurf („RefE“) er-
                                           Die Frage der zeitlichen Anwendung der Kartell-            möglicht die private Durchsetzung jener Verpflich-
                                           schadensersatzrichtlinie ist im Sinne des deutschen        tungen, die der Digital Markets Act („DMA“) sog. Ga-
                                           Gesetzgebers geklärt worden. Jedoch werden wei-            tekeepern auferlegt. So werden Art. 5, 6 und 7 des
                                           tergehende Ausführungen des Europäischen Ge-               DMA in § 33 Abs. 1 RefE aufgenommen, sodass bei

      5. KARTELLSCHADENS-                  richtshofes zu etwaigen Auswirkungen des Effet Utile
                                           bezogen auf das spanische Verjährungsrecht auf
                                                                                                      Verstößen gegen diese Normen gerichtlich durch-
                                                                                                      setzbare Beseitigungs- und Unterlassungsansprü-

         ERSATZRECHT
                                           der Seite der Anspruchsteller die Hoffnung wachsen         che sowie über § 33a Abs. 1 GWB auch Schadenser-
                                           lassen, dass in Deutschland Altansprüche aus längst        satzansprüche der Geschädigten bestehen. Klar ist

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                                           abgeschlossenen Sachverhalten doch noch geltend            mithin: Gatekeeper sehen sich auch zivilrechtlichen
                                           gemacht werden könnten.                                    Ansprüchen ausgesetzt.
NOERR_COMPETITION OUTLOOK 2023                                                                                                      COMPETITION OUTLOOK 2023_NOERR

                                              Der kartellrechtliche Umgang der EU mit
                                              Tech-Unternehmen

                                                   Im Zentrum der (kartellrechtlichen) Aufmerk-        ternehmen und deren Vertragspartner sich spätes-
                                              samkeit des Digitalsektors steht weiterhin der Digital   tens im Laufe des Jahres 2023 darauf vorbereiten.
                                              Markets Act („DMA“). Mit der Verordnung soll sicher-     Dies könnte zu Änderungen jedenfalls eines Teils
                                              gestellt werden, dass wesentliche Online-Plattformen     der Geschäftsmodelle der großen Digitalkonzerne
                                              wie etwa Suchmaschinen, soziale Netzwerke oder           führen, die wiederum ebenfalls an kartellrechtlichen
                                              Online-Vermittlungsdienste, die aufgrund der Be-         Maßstäben sowie am Maßstab des DMA zu messen
                                              deutung ihrer Dienste für den Marktzugang anderer        wären.
                                              Unternehmen auf digitalen Märkten als „Gatekeeper“
                                              („Torwächter“) agieren, den Zugang zu den eigenen             Daneben sind in den kommenden Monaten
                                              Nutzern nicht versperren können.                         Entscheidungen in verschiedenen namhaften EU-
                                                                                                       Kartellrechtsuntersuchungen gegen große Digital-
                                                    Der DMA ist am 01.11.2022 in Kraft getreten        konzerne wie Google, Apple, Meta und Amazon zu
                                              und gilt ab dem 02.05.2023. Die Europäische Kom-         erwarten. Die Europäische Kommission plant of-
                                              mission dürfte bis Anfang September 2023 erste           fenbar, einige der Verfahren noch vor Geltung der
                                              betroffene Unternehmen als Torwächter benennen           Verhaltenspflichten des DMA abzuschließen. Sie
                                              – sofern diese die gesetzliche Vermutung nicht wi-       hat klargestellt, dass sie die kartellrechtliche Ver-
                                              derlegen können. Benannt werden voraussichtlich          folgung großer Tech-Unternehmen – insbesondere
                                              zunächst nur wenige Unternehmen (untere zwei-            in Form der Missbrauchskontrolle – neben der An-
                                              stellige Anzahl), welche die relevanten quantitativen    wendung des DMA nicht stoppen wird. Herausfor-
                                              Schwellenwerte (u.a. Jahresumsatz (EUR 7,5 Mrd.),        dernd wird insofern vor allem das Zusammenspiel
                                              Marktkapitalisierung (EUR 75 Mrd.), Zahl der End-        zwischen DMA und dem europäischen (und nationa-
                                              nutzer (45 Mio.)) erfüllen, darunter Amazon, Apple,      len) Kartell- und Wettbewerbsrecht.
                                              Meta und Google.
                                                                                                            Auf Ebene der europäischen Gerichte wird wei-
                                                    Im Vergleich zu den eher abstrakten Instru-        terhin die Google-Android-Entscheidung im Fokus
                                              menten des Kartellrechts setzt der DMA auf konkret       stehen. Nachdem das Gericht der Europäischen
                                              geregelte Verhaltensvorgaben. Die abschließenden         Union im September 2022 die von der Europäischen
                                              Verhaltenspflichten orientieren sich an der bishe-       Kommission verhängte Geldbuße von über vier Mil-
                                              rigen kartellrechtlichen Fallpraxis im Digitalsektor,    liarden Euro für den Missbrauch von Marktmacht
                                              ohne dass den Unternehmen allerdings ermöglicht          größtenteils bestätigte (Az. T-604/18), trägt Google
                                              würde, ihr Verhalten zu rechtfertigen oder damit ver-    den Kampf um die Rekordgeldbuße vor den Euro-
                                              bundene Effizienzen die Verhaltenspflichten entfal-      päischen Gerichtshof (Az. C-738/22). Google möchte
                                              len ließen. Damit sollen aufgrund des DMA Verhal-        klären lassen, inwiefern positive Effekte von Android
                                              tensweisen verboten sein, deren Untersagung nach         auf das Ökosystem nicht ausreichend berücksichtigt
                                              dem kartellrechtlichen Missbrauchsverbot nicht           worden seien.
                                              ohne Weiteres oder jedenfalls nicht schnell genug
                                              möglich wäre.

      6. DIGITALKARTELLRECHT - EU
                                                    Auch wenn die im DMA abschließend geregel-
                                              ten Verhaltenspflichten erst sechs Monate nach der

                                    20   21
                                              Qualifizierung als Torwächter in Kraft treten werden
                                              (d.h. ab Frühjahr 2024), werden die betroffenen Un-
NOERR_COMPETITION OUTLOOK 2023                                                                                                 COMPETITION OUTLOOK 2023_NOERR

                                           Auf halber Strecke

                                                 Die Digitalökonomie steht weiter im Fokus des     die Anmeldung mit einem Facebook-Konto nicht
                                           deutschen Kartellrechts. In Gesetzgebung und Ent-       mehr erforderlich ist, um eine solche Brille nutzen
                                           scheidungspraxis zeichnen sich immer stärker die        zu können (Fallbericht des Bundeskartellamts zum
                                           Konturen der kartellrechtlichen Regeln ab, ein klares   Verfahren B6 – 55/20). Damit ist der Fall zwar nicht
                                           Bild ist aber noch nicht erkennbar.                     abgeschlossen, eine Untersagungsentscheidung
                                                                                                   nach § 19a Abs. 2 GWB aber in weite Ferne gerückt.
                                               Das Bundeskartellamt kann auf Basis des seit
                                           Januar 2021 in Kraft getretenen § 19a GWB in einem           Vor dem Hintergrund bleibt abzuwarten, wie
                                           zweistufigen Vorgehen Unternehmen, die eine über-       scharf das neue Schwert der Missbrauchskontrolle
                                           ragende marktübergreifende Bedeutung für den            nach § 19a GWB wirklich sein wird. Mit Spannung
                                           Wettbewerb haben („ÜMÜB“), wettbewerbsgefähr-           verbunden ist auch die Frage nach dem Kompe-
                                           dende Praktiken untersagen.                             tenzverhältnis und der Arbeitsteilung zwischen dem
                                                                                                   Bundeskartellamt (§ 19a GWB) und den künftigen
                                                Auf der ersten Stufe dieser neuen Missbrauchs-     Handlungsmöglichkeiten der Europäischen Kom-
                                           kontrolle (§ 19a Abs. 1 GWB) hat das Bundeskartell-     mission nach der Verabschiedung des Digital Market
                                           amt 2022 den ÜMÜB-Status für die großen Digital-        Acts (DMA), dessen Anwendungsbereich sich in Tei-
                                           konzerne Alphabet/Google, Meta/Facebook und             len mit § 19a GWB überschneidet.
                                           Amazon rechtskräftig festgestellt. Die ersten beiden
                                           Entscheidungen sind bestandskräftig geworden.                 Daneben finden auch weitere, erst Anfang 2021
                                           Amazon hat die Feststellung dagegen vor dem zu-         geschaffene Digitalvorschriften Eingang in die kar-
                                           ständigen Gericht (Bundesgerichtshof) angegriffen.      tellrechtliche Entscheidungspraxis. Ein Beispiel
                                           Dieses Verfahren ist ebenso wie ein viertes Verfah-     hierfür ist die erste obergerichtliche Entscheidung
                                           ren des Bundeskartellamts gegen Apple noch nicht        zum neuen „Tipping-Paragraphen“ (§ 20 Abs. 3a
                                           abgeschlossen (s. Tabelle).                             GWB). Die Vorschrift soll verhindern, dass ein wett-
                                                                                                   bewerblich geprägter Markt zu einem Markt ohne
                                                Auf der zweiten Stufe der neuen Missbrauchs-       Wettbewerb „kippt“. Das Kammergericht (Az. U 4/21
                                           kontrolle kann das Bundeskartellamt konkrete            Kart) hat jüngst (ebenso wie die Vorinstanz) ent-
                                           wettbewerbsgefährdende Praktiken der ÜMÜB-Un-           schieden, dass das Immobilienportal Immoscout
                                           ternehmen untersagen (§ 19a Abs. 2 GWB). Derzeit        bestimmte „List-First“-Rabatte nicht mehr anbie-
                                           prüft das Bundeskartellamt dies in mehreren Ver-        ten darf, weil diese Konkurrenten wie Immowelt aus
                                           fahren (s. Tabelle).                                    dem Markt drängen könnten. Diese Entscheidung
                                                                                                   könnte zum Präzedenzfall für andere Onlinemärkte
                                                Bisher hat das Bundeskartellamt noch keine         werden.
                                           Untersagung nach § 19a Abs. 2 GWB ausgesprochen.
                                           Vielmehr scheint sich die Tendenz herauszukristalli-
                                           sieren, dass die Verfahren einvernehmlich beigelegt

      7. DIGITALKARTELLRECHT -             werden. Das zeigt etwa das gegen Meta in Sachen
                                           „Oculus“ geführte Verfahren, das die Kopplung der

         DEUTSCHLAND
                                           Datenbrille Oculus an das soziale Netzwerk Face-
                                           book betrifft. Meta hat auf die Bedenken des Bun-

                                 22   23
                                           deskartellamts reagiert und die Option eines sepa-
                                           raten Kontos – dem Meta-Konto – eröffnet, sodass
NOERR_COMPETITION OUTLOOK 2023                                                                                                       COMPETITION OUTLOOK 2023_NOERR

                                           Entwicklungen im Vertriebskartellrecht

                                                 Die maßgebliche Entwicklung innerhalb des Ver-         •   Überarbeitet wurde zudem der geschützte Be-
                                           triebskartellrechts ist die seit Juni 2022 geltende Verti-       reich in Bezug auf den Informationsaustausch
                                           kal-Gruppenfreistellungsverordnung („Vertikal-GVO                zwischen Anbieter und Abnehmer beim dualen
                                           2022“) nebst zugehöriger neuer Vertikal-Leitlinien.              Vertrieb. Hiervon erfasst sind Fälle, in denen
                                           Vertikale Vereinbarungen zwischen Unternehmen,                   ein Anbieter seine Waren oder Dienstleistungen
                                           die auf verschiedenen Stufen der Produktions- oder               nicht nur über unabhängige Händler (Abneh-
                                           Vertriebskette tätig sind (Anbieter-Abnehmer-Ver-                mer), sondern auch direkt (etwa online) an End-
                                           hältnis), werden unter den Voraussetzungen der Ver-              kunden verkauft. Der Informationsaustausch
                                           tikal-GVO 2022 vom Kartellverbot freigestellt (Safe              zwischen Lieferant und Händler muss erforder-
                                           Harbor). Die Neufassung trägt insbesondere der zu-               lich für das Vertriebssystem sein, um nach der
                                           nehmenden Bedeutung des Online-Vertriebs und da-                 Vertikal-GVO 2022 freigestellt zu sein.
                                           mit einhergehender neuer Vertriebsformen wie dem             •   Paritätsverpflichtungen (MFN) sind grundsätz-
                                           Omni-Channel-, Multi-Channel- und Plattformver-                  lich durch die Vertikal-GVO 2022 freigestellt.
                                           trieb Rechnung.                                                  Ausgenommen hiervon sind MFNs im Rahmen
                                                                                                            des Plattformvertriebs: Wird der Abnehmer
                                           Die maßgeblichen Neuerungen der Vertikal-GVO                     lediglich verpflichtet, die Leistung oder Ware
                                           2022 sind:                                                       im (eigenen) Direktvertrieb nicht günstiger an-
                                                                                                            zubieten, bleibt diese MFN freistellungsfähig
                                           •    Bestimmte Praktiken im Rahmen des Online-                   nach der Vertikal-GVO 2022 (enge MFN). Die
                                                Vertriebs, die früher nicht freigestellt waren,             Verpflichtung des Abnehmers, Produkte oder
                                                sind nun möglich. Künftig besteht etwa die                  Dienstleistungen auch auf anderen Vertriebs-
                                                Möglichkeit, ein und demselben Händler für                  wegen nicht günstiger anbieten zu dürfen (weite
                                                online und für offline verkaufte Produkte un-               MFN), ist hingegen nicht freigestellt.
                                                terschiedliche Großhandelspreise zu berech-
                                                nen. Zudem können bspw. für Online- und für                   Spätestens ab dem 01.06.2023 ist eine Freistel-
                                                Offline-Verkäufe in selektiven Vertriebssyste-          lung nach der alten Vertikal-GVO nicht mehr mög-
                                                men unterschiedliche Auswahlkriterien fest-             lich. Unternehmen sollten deshalb für ihre laufenden
                                                gelegt werden. Weiterhin sind Beschränkun-              Vertriebsverträge prüfen, ob die darin enthaltenen
                                                gen einzelner Online-Werbekanäle ebenso wie             Wettbewerbsbeschränkungen auch nach der Verti-
                                                Plattform-Verbote möglich. Dem Abnehmer                 kal-GVO 2022 vom Kartellverbot freigestellt sind.
                                                muss aber stets ein effektiver Internetvertrieb
                                                möglich bleiben.                                              Neben der Vertikal-GVO 2022 will die Europäi-
                                           •    Klargestellt wurde, dass Vertriebsvereinba-             sche Kommission auch weiterhin den Vertrieb von
                                                rungen mit Online-Handelsplattformen an                 Neufahrzeugen durch eine sektorspezifische GVO re-
                                                den Voraussetzungen der Vertikal-GVO 2022               geln: Die zum 31.05.2023 auslaufende Kfz-Gruppen-
                                                zu messen sind. Plattformen, auf denen der              freistellungsverordnung (Kfz-GVO) soll durch eine
                                                Plattformbetreiber auch selbst Waren oder               neue GVO ersetzt werden. Dazu hat die Europäische
                                                Dienstleistungen als Händler anbietet (Hyb-             Kommission am 06.07.2022 einen Verordnungsent-

      8. VERTRIEBSKARTELLRECHT
                                                rid-Plattform), fallen künftig nicht mehr unter         wurf vorgelegt, der unter anderem den Umgang mit
                                                die Vertikal-GVO 2022.                                  fahrzeuggenerierten Daten regelt.

                                 24   25
NOERR_COMPETITION OUTLOOK 2023                                                                                                       COMPETITION OUTLOOK 2023_NOERR

                                                Prüfung ausländischer Direktinvestitionen

                                                     Investitionskontrollverfahren zur Prüfung von      schreitenden M&A-Transaktionen ist besonders zu
                                                ausländischen Direktinvestitionen (foreign direct in-   beachten, dass in mehreren Staaten Meldepflichten
                                                vestments – „FDI“) gewinnen weiter an Bedeutung in      bestehen können. Diese müssen von Käufer- und
                                                Deutschland und in Europa.                              Verkäuferseite sorgfältig analysiert werden, nicht
                                                                                                        zuletzt, weil sich Vorschriften in diesem Bereich
                                                     Die Europäische Kommission hat 2022 Zahlen         häufig ändern. In den Transaktionsvereinbarungen
                                                zu den FDI-Prüfverfahren in der Europäischen Union      sind die Meldepflichten durch entsprechende Be-
                                                im Jahr 2021 veröffentlicht. Diese belegen, dass der    stimmungen zu berücksichtigen. Im Bereich des
                                                durch die Covid-19-Pandemie bedingte Rückgang           Transaktions-Timings müssen zudem das Einholen
                                                mittlerweile überwunden ist. Investitionen von au-      von behördlichen Genehmigungen und Vollzugsver-
                                                ßerhalb der EU/EFTA im Jahr 2021 übertrafen den         bote im Ablauf eingeplant werden. Letztlich steht die
                                                Stand des Pandemievorjahres 2019 um 11 % und            Investitionskontrolle aber nur selten einer Transak-
                                                die Investitionen des Jahres 2020 sogar um 52 %.        tion im Wege: Nur 1 % aller an die Europäische Kom-
                                                Führende Herkunftsländer der Investoren waren die       mission gemeldeten Transaktionen wurden 2021 von
                                                USA und UK. Andere Länder, wie China und Japan,         den EU-Mitgliedsstaaten blockiert. In Deutschland
                                                blieben demgegenüber hinter den früheren Zahlen         lagen die „erwerbsbeschränkenden Maßnahmen“
                                                zurück. Auch 2021 war Deutschland das wichtigste        (Untersagungen, aber auch Nebenbestimmungen
                                                Zielland für Nicht-EU/EFTA-Investoren. Mit 16,4 %       und öffentlich-rechtliche Verträge und Anordnun-
                                                aller ausländischen Investitionen in der EU konnte      gen) mit 2 % im gleichen Bereich.
                                                2021 sogar ein Anstieg von 20 % der FDI im Vergleich
                                                zum Vorjahr verzeichnet werden. Im Bereich der
                                                Greenfield-Investitionen lag Deutschland zudem auf
                                                Platz drei hinter Frankreich und Spanien.

                                                Mittlerweile haben fast alle EU-Mitgliedsstaaten
                                                einen FDI-Überprüfungsmechanismus eingerichtet.
                                                Die einzigen Ausnahmen sind Bulgarien und Zypern.
                                                Deutschland hat zuletzt durch die 17. AWV-Novelle
                                                die Fallgruppen für eine Anmeldepflicht in der sek-
                                                torübergreifenden Investitionskontrolle von 11 auf 27
                                                erweitert, so dass nicht nur kritische Infrastruktu-
                                                ren, sondern auch z. B. der Gesundheitssektor sowie
                                                Zukunfts- und Schlüsseltechnologien (künstliche
                                                Intelligenz, autonomes Fahren, Robotik und Cybersi-
                                                cherheit) erfasst werden. Meldepflichtige Investitio-
                                                nen unterliegen bis zur Freigabe durch das Bundes-
                                                ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz einem
                                                strafbewehrten Vollzugsverbot.

      9. FOREIGN DIRECT INVESTMENTS             Bei Transaktionen unter Beteiligung von Nicht-EU/

                                      26   27
                                                EFTA-Investoren sind deshalb zwingend die FDI-
                                                Regelungen im Blick zu behalten. Bei grenzüber-
NOERR_COMPETITION OUTLOOK 2023                                                                                                COMPETITION OUTLOOK 2023_NOERR

                                           Krise und Kontrolle drittstaatlicher Subventionen
                                           im Fokus des EU-Beihilfenrechts

                                           Befristeter Krisenrahmen Ukraine                       möglicherweise von Vorteilen profitieren, die die
                                                                                                  EU-Mitgliedstaaten „ihren“ Unternehmen aufgrund
                                                Das wirtschaftliche Umfeld im Jahr 2022 war       der Vorgaben des EU-Beihilfenrechts nicht zukom-
                                           nach den Einschränkungen durch die COVID-19-Pan-       men lassen können. Drittstaatsubventionen können
                                           demie besonders stark von den Folgen des Angriffs-     gleichzeitig mit den bestehenden Instrumenten des
                                           krieges Russlands gegen die Ukraine geprägt. Um        Beihilfen-, Fusionskontroll-, Vergabe- und Außen-
                                           die damit verbundenen negativen Effekte abzu-          handelsrechts der Europäischen Union aus Sicht der
                                           mildern und den Mitgliedstaaten der Europäischen       Europäischen Kommission nicht angemessen kont-
                                           Union zu ermöglichen, die Wirtschaft mit staatlichen   rolliert werden.
                                           Beihilfen zu unterstützen, verabschiedete die Euro-
                                           päische Kommission am 23.03.2022 den sogenann-               Nachdem sich die EU-Organe in weniger als 1,5
                                           ten „Befristeten Krisenrahmen“, der angesichts der     Jahren auf den Text einer Verordnung zur Schlie-
                                           anhaltenden Lage am 20.07.2022 und am 28.10.2022       ßung dieser mutmaßlichen Regelungslücke geeinigt
                                           verlängert und überarbeitet wurde. In diesem Zuge      haben, wird ab Juli 2023 die neue Verordnung über
                                           schaffte die Europäische Kommission unter an-          drittstaatliche Subventionen Anwendung finden.
                                           derem die rechtlichen Grundlagen dafür, dass die       Die neue Verordnung sieht drei Instrumente zur
                                           Bundesrepublik Deutschland die Instrumente der         Überprüfung der Vereinbarkeit von Drittstaatssub-
                                           Strom- und Gaspreisbremse verabschieden konnte,        ventionen mit dem Binnenmarkt vor:
                                           welche zur Eindämmung der kriegs- und krisenbe-        (i) ein notifizierungsbasiertes Untersuchungsinst-
                                           dingt erhöhten Energiekosten beitragen sollen. Laut          rument für Transaktionen;
                                           dem „Befristeten Krisenrahmen“ sollen die Instru-      (ii) ein notifizierungsbasiertes Untersuchungsins-
                                           mente jedenfalls bis zum 31.12.2023 zur Verfügung            trument für Angebote bei großen öffentlichen
                                           stehen. Die von der Bundesrepublik Deutschland               Aufträgen; und
                                           eingesetzte Gaspreiskommission hatte in ihrem Ab-      (iii) ein allgemeines Untersuchungsinstrument.
                                           schlussbericht „Sicher durch den Winter“ sogar eine
                                           Laufzeit bis 30.04.2023 empfohlen. Ob eine solche           Insbesondere bei dem Untersuchungsinstru-
                                           gewährt werden kann, bleibt abzuwarten und dürfte      ment für Transaktionen (abhängig von der Über-
                                           auch maßgeblich von den weiteren Entwicklungen         schreitung gewisser Schwellenwerte für Umsätze
                                           im Jahr 2023 abhängen. Klar scheint jedoch, dass       und Zuwendungen aus Drittstaaten) ist absehbar,
                                           der „Befristete Krisenrahmen“ als dynamisches Ins-     dass dieses sorgfältige Vorbereitung bei betroffenen
                                           trument weiterhin von hervorgehobener Bedeutung        Unternehmen erfordern wird. Gleichzeitig bietet die
                                           im EU-Beihilfenrecht im Jahr 2023 bleiben dürfte.      neue Verordnung für Unternehmen aber auch die
                                                                                                  Chance, die Europäische Kommission im Rahmen
                                                                                                  des allgemeinen Untersuchungsinstrument über
                                           Neue EU-Verordnung über Drittstaats-                   unzulässige Drittstaatssubventionen für Wettbewer-
                                           subventionen                                           ber zu informieren und so etwaige eigene Nachteile

      10. BEIHILFERECHT /                      In der Europäischen Union bestehen seit länge-
                                                                                                  zu verhindern.

         FOREIGN SUBSIDIES
                                           rem Bedenken, dass Subventionen von Drittstaaten
                                           zugunsten von in der Europäischen Union tätigen

                                 28   29
                                           Unternehmen die Chancengleichheit im Binnen-
                                           markt beeinträchtigen. Diese Unternehmen können
NOERR_COMPETITION OUTLOOK 2023             COMPETITION OUTLOOK 2023_NOERR

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