Katz und Maus. Rowohlt E-Book Only - Simon Beckett Leseprobe aus: Mehr Informationen zum Buch finden Sie auf rowohlt.de.
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Leseprobe aus: Simon Beckett Katz und Maus. Rowohlt E-Book Only Mehr Informationen zum Buch finden Sie auf rowohlt.de. Copyright © 2013 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
Simon Beckett Katz und Maus Eine David Hunter Story Erzählung Aus dem Englischen von Hans-Ulrich Möhring
D ie Katze hatte Geduld. Sie war von den Gerüchen angelockt worden, die das kleine Loch im Mau- erwerk verströmte, und von den davor herumliegen- den Köteln. Einige waren frisch, und ein Instinkt, un- bewusst wie das Atmen, sagte ihr, dass ihre Beute da war. Sie hatte hinter einem Busch Stellung bezogen, alle Sinne auf das Loch gerichtet. Viele Male schon hatte sie das vergeblich getan, doch das Hirn des Tiers speicherte keine Enttäuschungen und Misserfol- ge. Jedes Mal, wenn sie herkam, beobachtete sie das Loch mit derselben Gebanntheit. Und wartete. Der Geruch hätte mich stutzig machen müssen. Ich war spät dran. Nach einem endlos langen Flug von Belfast war ich erst in der Nacht zu Hause in London eingetroffen. Die Woche über hatte ich in Nordirland nach den sterblichen Überresten eines Polizeiinformanten gesucht. Er wurde vermisst, seit Originalausgabe Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, Juni er sechzehn Jahre zuvor von Maskierten aus seinem 2013 Haus verschleppt worden war, und alle gingen von ei- Copyright © 2013 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Ham- nem der vielen politischen Morde aus. Jetzt aber gab burg es einen Hinweis, wonach sein Leichnam irgendwo in «Cat and Mouse» Copyright © 2013 by Hunter Publications Ltd. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung einer Schonung vergraben worden war, einem unge- bedarf der Genehmigung des Verlages fähr einen Quadratkilometer großen Gelände. Redaktion Susann Rehlein Das Problem war wie immer, ihn zu finden. Umschlaggestaltung Hafen Werbeagentur, Hamburg Längst verstorbenen Personen Informationen zu Schrift DejaVu Copyright © 2003 by Bitstream, Inc. All Rights Reserved. entlocken, ist ein leidiges Geschäft. Im besten Fall ist Bitstream Vera is a trademark of Bitstream, Inc. es schwierig; ohne Leiche ist es unmöglich. An der ISBN 978-3-644-21431-6 Seite von forensischen Botanikern, Archäologen und www.rowohlt.de 5
Suchexperten, die ebenfalls hinzugezogen worden wa- ein Treffen mit der neuen Leiterin des Forensischen ren, hatte ich getan, was ich konnte. Nach einer Wo- Instituts, das ich schon zweimal wegen dringender che war klar, dass wir nichts finden würden. Falls die Polizeieinsätze hatte verschieben müssen. Fluchend Leiche des Informanten je dort im Wald gewesen war, erledigte ich im Eiltempo die gewohnten morgend- würde sie dort auch bleiben. lichen Verrichtungen, duschte hastig und ritzte mich Das war beileibe nicht die erste polizeiliche Er- schmerzhaft mit dem Rasierer am Hals. Klasse. Das mittlung, bei der ich hinterher mit leeren Händen Frühstück bestand aus einer halb getrunkenen Tasse dastand, doch das machte die Sache nicht weniger Kaffee, dann schnappte ich mir Tasche und Mantel frustrierend. Auch nicht das Gewitter, dessentwegen und stürzte hinaus. Meistens fuhr ich mit dem Auto mein Flug drei Stunden Verspätung hatte. Ich blickte zur Arbeit, denn zum einen lag das Institut nicht in durch die Fenster der Abflughalle, während am Him- der Nähe der Bahn, und zum andern wusste ich nie, mel der gedämpfte Donner grummelte und Blitze auf ob ich nicht plötzlich angefordert wurde und in einem die schutzlosen Metallzylinder wartender Flugzeuge anderen Landesteil eine Leiche untersuchen musste. zuckten. Es war selten so dringend, dass ich nicht noch mal Deshalb war es nach Mitternacht, als ich endlich nach Hause fahren und packen konnte, aber vorge- die hohe viktorianische Villa erreichte und meine Erd- kommen war das durchaus schon. Halb London zu geschosswohnung aufschloss. Wie immer hatte es durchqueren, um den Wagen zu holen, war der per- etwas Deprimierendes, in leere Räume zurückzukeh- fekte schlechte Start für eine Untersuchung. ren, die seit meiner Abreise unberührt geblieben wa- Und es gab auch niemanden, von dem ich mich ren. Ich warf die Post ungeöffnet auf den Esstisch und hätte verabschieden müssen. verschob das Auspacken meiner Reisetasche auf den In der Regel brach ich früh genug auf, um den Morgen. Normalerweise hätte ich mir ein Glas Whis- schlimmsten Berufsverkehr zu vermeiden, aber heu- ky genehmigt, um mich zu reakklimatisieren und den te konnte ich sicher sein, mitten ins Getümmel zu Katzenjammer zu vertreiben, der mich nach einem geraten. Ich eilte in den gefliesten Flur und mach- ungelöst bleibenden Fall immer heimsucht. In dieser te die Haustür auf, und vor lauter Hast entging mir Nacht jedoch wollte ich nur noch ins Bett fallen und der schwache eklige Geruch, der in der Luft lag. Als schlafen. ich hinaustrat, wäre ich fast über die Tasche auf der Ich war so erschöpft, dass ich glatt vergaß, den Schwelle gestolpert. Wecker zu stellen. Ich wachte auch so auf, aber eine Es war eine abgestoßene rote Sporttasche. Das halbe Stunde später als geplant. Ich hatte um neun PVC war rissig und schmutzig, und der Tragriemen 6 7
war ab. Sie sah nicht so aus, als wäre daran viel verlo- anschwemmt, ein Gesicht, an das man sich so sehr ren, aber irgendjemand hatte sich die Mühe gemacht, gewöhnt, dass es ein Teil der Umwelt wird. Ich hatte sie mir vor die Haustür zu legen. sie kaum wahrgenommen, bis sie eines Tages vor mir Ich blickte mich um. Wie üblich zu dieser Tageszeit stolperte und hinfiel. Ich half ihr auf und sammelte waren recht viele Leute auf der Straße, eine ungedul- die alten Zeitungen ein, die von ihrem Einkaufswagen dige Mutter, die ihre Kinder ins Auto scheuchte, um gerutscht waren. Seitdem grüßte ich sie immer, wenn sie zur Schule zu fahren, und mehrere Büroangestell- unsere Wege sich kreuzten. Manchmal grüßte sie zu- te, die forsch zur nahen U-Bahn-Station marschierten. rück, dann wieder schien sie mich gar nicht zu bemer- Sie alle konnten die Tasche vor meiner Tür deponiert ken. haben, aber keiner sah danach aus. Heute war einer ihrer besseren Tage. Sie schenk- Ich überlegte mir, ob ich der jungen Mutter zuru- te mir ein zerstreutes Lächeln. «Wissen Sie schon das fen sollte, ob sie jemanden gesehen hatte, aber nach Neueste?» ihrem hektischen Gehabe zu urteilen, hätte sie höchs- Es war ihr üblicher Spruch. Eleanor schien ihre tens eine Schießerei mitbekommen. Ein rhythmisches Tage damit zu verbringen, weggeworfene Zeitungen Klackern zog meinen Blick in die andere Richtung. und Zeitschriften zu sammeln. Ich hatte keine Ah- Eine groteske, aber bekannte Erscheinung zog auf nung, was sie damit machte, aber nach dem Stapel zu der Straße einen alten Einkaufskorb hinter sich her, urteilen, der schon in ihrem Korb steckte, hatte sie an dessen Räder über das Pflaster holperten. Die Frau dem Morgen frühzeitig angefangen. war stark geschminkt und trug einen extravagan- «Ja, weiß ich», sagte ich. ten Pelzmantel und schwarze Handschuhe. Von fern Sie nickte, als ob wir uns über etwas Wesentliches nahm sie sich wie eine Bühnengestalt aus, eine altern- verständigt hätten. «Die Welt ist schlecht. Regen und de Ballerina vielleicht. Doch aus der Nähe betrachtet Schauer.» waren Mantel und Handschuhe verschlissen und ihr Schon ging sie mit verschleiertem, leerem Blick an Make-up so dick aufgetragen und schrundig, dass es mir vorbei. Ich schaute noch einmal nach links und eher einer Maske glich. rechts, dann ging ich zum Haus zurück und betrachte- «Morgen, Eleanor», sagte ich, als sie auf meiner te die Tasche. Nur ein Lausbubenstreich, dachte ich, Höhe war. und stupste sie mit dem Fuß an. Der kaputte Reißver- Ich hatte nie gehört, dass jemand sie mit dem schluss klaffte auf und bescherte mir einen Blick auf Nachnamen ansprach. Sie war eine der armen See- den Inhalt. len, die das Leben gelegentlich in einer Wohngegend Erst da registrierte ich den Geruch. 8 9
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