SIW 36/2018: Neulich bei der Zwetschgenernte - Smart Investor

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Author : Ralph Malisch

„Obstlast“

Es ist Erntezeit. Und wenn der verzweifelte Ruf der Eltern erfolgt, doch gefälligst beim Erleichtern der Obstbäume
von ihren Früchten mitanzupacken, dann kann sich dem der Sohn kaum verwehren. So geschehen am letzten
Wochenende:

Nun ist eine solche Zwetschgenernte normalerweise keine spektakuläre Sache. Diesmal aber schon. Denn heuer
ist die Menge der zu pflückenden Äpfel, Birnen, Pflaumen und Zwetschgen so gigantisch groß, wie ich und viele
meiner Gesprächspartner es noch nie erlebt haben. Während man früher jeder Zwetschge auf seiner Leiter
hinterhergestiegen ist und teilweise auch die Zweite Wahl im Erntekorb landete, ist es dieses Jahr völlig anders:
Aufgrund der Obstfülle muss man sich nur mit den tief hängenden Früchten („low hanging fruits“) abgeben und die
kleinste Macke am Obst führt sofort zum Fallenlassen. Und beschwerlich zu pflückenden Früchte weit oben im
Wipfel lässt man einfach hängen – was übrigens ein Problem für die Bäume darstellt, da viele der Äste unter dem
Gewicht der massiven Obstlast zu brechen drohen.

Fülle durch Abstinenz

Natürlich stellen Sie sich nun die Frage, warum ich Ihnen von meinem arbeitsreichen Wochenende und dieser
Fruchtfülle erzähle. Beim relativ monotonen Pflücken dieser abenteuerlichen Mengen sinniert man schon mal
darüber nach, warum die Natur in diesem Jahr mit dieser herausragenden Obstmenge aufwartet. Die Gründe dafür
liegen auf der Hand: Erstens sind die Bedingungen in diesem Jahr optimal: kein Frost im Frühjahr und sehr viel
Sonneneinstrahlung. Das allerdings erklärt die Superernte nur zum Teil. Der andere Grund dürfte in den relativ
bescheidenen Ernten der Vorjahre, insbesondere im Jahr 2017 liegen, als viele Bäume mehr oder weniger leer
blieben. Vermutlich haben die Bäume in den letzten Jahren sich so wenig verausgabt und damit Kräfte gesammelt,
dass sie heuer wirklich alles geben konnten. Und nun bekommen wir auch die Kurve zur Börse:

Denn genau diese Kombination aus herausragenden Bedingungen und langer „Abstinenz“ führt auch an den
Märkten oftmals zu einem schnellen alles niederwälzenden Schub in eine Richtung. Der Fachmann spricht hier
auch von einem „Volatility Breakout“. Wir haben uns mit dem Thema Volatilität zuletzt in der Smart-Investor-
Druckausgabe 5/2018 ab S. 40 befasst. Das Phänomen ist in seinen verschiedenen Ausprägungen stets präsent,
wobei uns aktuell insbesondere die Möglichkeit eines abrupten Anstiegs der Volatilität beschäftigt.

Die „Fruchtfolge“ des DAX

Aber auch aus einer anderen Perspektive wird ein Schuh daraus: Nach inzwischen neun mehr oder weniger fetten
Jahren, ist der DAX etwas „übererntet“ und hat sich eine Verschnaufpause verdient. Schon seit einem Jahr kommt
der Index nicht mehr voran und jetzt steht auch noch der saisonal schwierige September auf dem Spielplan. Wird
der in diesem Jahr seinem Ruf als schwierigster Börsenmonat des Jahres gerecht? Ein Anziehen der Volatilität
dürfte in dieser Situation – wie bereits bei den Kursrückgängen im Februar – mit sinkenden Kursen verbunden sein.
Zwingend ist dies jedoch nicht. Theoretisch könnte die Volatilität auch mit stark steigenden Kursen anziehen. Die
Stimmungsindikatoren, als häufig letzte Zuflucht in einem ambivalenten Bild, sind derzeit jedoch ebenfalls nicht
eindeutig. Euphorie ist nicht zu spüren, harter Pessimismus in der Breite aber auch nicht. Natürlich, es gibt
Stimmen, die – wie wir – die Möglichkeit einer bevorstehenden Aktienbaisse für eine reale Option halten,
andererseits hat der von sentix Research ermittelte „Strategische Bias“ für deutsche Aktien, also die
Wissenskomponente der sentix-Erhebung, unter professionellen Marktteilnehmern zuletzt wieder stark zugelegt,
was auf steigende Kurse hindeutet. Möglicherweise wird der September seinem Ruf als schwierigster Börsenmonat
in diesem Jahr auch zunächst einmal nur insofern gerecht, als er sich einfach nicht in die Karten schauen lässt.

Dynamisches und Eingepreistes

Vom Grundsatz her sollte alles, was bereits an Nachrichten und Meinungen im Markt diskutiert wird, keine

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nennenswerten Auswirkungen mehr auf die weitere Kursentwicklung haben. Ausgenommen davon sind allerdings
jene Themen, deren Auswirkungen so schwer abschätzbar sind, dass sich die Marktteilnehmer mit dem zeitnahen
und adäquaten Einpreisen besonders schwer tun. Was dem Markt dagegen sehr wohl eine neue Dynamik
verleihen kann, sind Überraschungen, also alles, was wir heute noch gar nicht benennen können. Dazwischen
liegen Ereignisse, die zwar dem Grunde nach bekannt sind, deren Ergebnis und Marktauswirkungen jedoch offen
sind – etwa die US-Zwischenwahlen im Herbst. Zur Erzeugung/Verstärkung von Dynamik kann schließlich die
Kursentwicklung selbst beitragen. Dabei handelt es beispielsweise um Kaskaden von Stopp-Loss- und sehr viel
seltener von Stopp-Buy-Orders: Eine unlimitierte Verkaufsorder wird ausgelöst, weil der Kurs gefallen ist, wodurch
der Kurs weiter unter Druck gerät. Solche sich selbst verstärkenden positiven Rückkopplungsschleifen waren
beispielsweise – allerdings mit komplexeren Ordertypen – bei den sogenannten Mini-Crashs im Spiel.

Zu den Märkten

Auslöser für eine Dynamik dieser Art, müssen also keine Nachrichten sein. Das Überschreiten von Chartmarken,
die als bedeutsam angesehen werden, kann bereits genügen, um Kauf- oder Verkaufslawinen auszulösen. Aktuell
werden im DAX gleich zwei mögliche negative Umkehrformationen angeboten: Neben der hier bereits des Öfteren
diskutierten mögliche Schulter-Kopf-Schulter-Formation (rot), könnte man mit ebensolcher Berechtigung einen
sogenannten Diamanten (blau) einzeichnen, aus dessen rechter unterer Flanke bereits ein erster Ausbruch erfolgt
ist (vgl. Abb.). In der Aussage sind sich beide Formationen sehr ähnlich, allerdings sind Diamanten dieser Größe,
wie auch im richtigen Leben, ziemlich selten. Falsch wäre es allerdings aus dem Umstand, dass sich im DAX gleich
zwei potenzielle Umkehrformationen zeigen, zu schließen, dass eine Umkehr deshalb entsprechend
wahrscheinlicher wäre. Je mehr Marktteilnehmer durch solche möglichen Gipfelbildungen ihre Wahrnehmung auf
die Baisse-Perspektive verengen, desto größer würde nämlich wohl die Überraschung ausfallen, falls der Ausbruch
dann letztlich doch nach oben erfolgt. Aufgrund der weiter hohen Umsätze innerhalb der möglichen Top-Bildung,
die aus unserer Sicht Eigenschaften einer Distribution aufweist, halten wir den dynamischen Ausbruch nach unten
jedoch für das wahrscheinlichere Szenario. Wie wir ein solches Szenario – zu dem nebenbei bemerkt auch eine
anhaltende Euro-Schwäche gehört –, in eine konkrete Strategie umsetzen, lesen Sie in unseren aktualisierten
Anmerkungen zu den beiden Musterdepots.

Musterdepot Aktien & Fonds

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Im Bereich „Highlights/Musterdepot“ auf unserer Homepage erläutern wir heute die Ideen hinter unserer aktuellen
Anlagestrategie. Sie finden dort auch noch zwei Hinweise zu Tesla und MAN, wobei insbesondere der Hinweis zu
MAN zeitkritisch ist. Sie können sich dort durch einfaches Blättern einen schnellen Überblick über die letzten
Wochentransaktionen verschaffen.

Smart Investor 9/2018:

Titelstory: Bitte anschnallen! Mit Turbulenzen ist zu rechnen

Nachhaltige Aktien: Renditebringer für ein reines Gewissen

Alternatives Investment: Mit Uhren gegen den zeitlichen Wertverfall

Online-Makler: Wie man Provisionen drastisch kürzen kann

Fazit

Und falls Sie sich gefragt haben sollten, wer von uns beiden zum Zwetschgenpflücken abkommandiert wurde, beim
Smart Investor erntet der Chef noch selbst.

Ralph Malisch, Ralf Flierl

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