Kidoblick - Er hat die ganze Welt in seiner Hand - Schöpfung bewahren, Umwelt schützen - Bethanien Kinderdörfer

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Kidoblick - Er hat die ganze Welt in seiner Hand - Schöpfung bewahren, Umwelt schützen - Bethanien Kinderdörfer
Die Zeitschrift der Bethanien Kinder- und Jugenddörfer                Nr. 54 · 1/2021

kidob
kidoblick
    b lick

Er hat die ganze Welt in seiner Hand
– Schöpfung bewahren, Umwelt schützen

   Schwalmtal: Was summt denn da?
   Bergisch Gladbach: Nachhaltiger leben – Wann, wenn nicht jetzt?
   Eltville: Weitergeben statt Wegwerfen
   Dominikanerinnen: Fenstersanierung – Ein neuer Blick
Kidoblick - Er hat die ganze Welt in seiner Hand - Schöpfung bewahren, Umwelt schützen - Bethanien Kinderdörfer
2 Herzlich Willkommen

                    Liebe Leserinnen und Leser,
                                                                                  Inhalt
                    Wer Kindern hilft, die Schöpfung zu bewahren, baut
                    Brücken in die Zukunft                                         3    Zwischen Himmel und Erde
                    Die Schöpfung ist nach unserer christlichen Vorstellung
                    ein von Gott gemachtes heiliges Werk. Dieses Werk ist         4 Titelthema
                    uns Menschen übergeben mit dem Auftrag, es zu schüt-
                    zen und zu bewahren. Alle Teile der Schöpfung sind
                                                                                        Er hat die ganze Welt in seiner
                    wertvoll und dürfen nicht zerstört werden, weil wir damit
                                                                                        Hand
                    den Ast absägen, auf dem wir sitzen. Wir erleben heute,
                    dass die Kinder und Jugendlichen die besseren Klima-                – Schöpfung bewahren, Umwelt
                    schützer und die aufmerksameren Naturschützer sind,                 schützen
                    die uns Erwachsene wachrütteln und darauf aufmerksam
machen, wo wir nachlässig und bequem geworden sind. Kinder verstehen,
wie wichtig auch die kleinsten Pflanzen und Tiere für unsere Natur sind und        8    Leben und Arbeiten in Bethanien
wie fahrlässig die Großen mit dem wertvollen Leben der Natur umgehen.
                                                                                   9    Leben in Schwalmtal
Wir in den Kinderdörfern übernehmen Verantwortung für Kinder und Jugend-                • Eine Bergtour mit den Kindern
liche und unterstützen Familien bei ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag.              • Der Nutzgarten im Birkenhaus
Wir können den Natur- und Klimaschutz nicht an die Fachleute und Klima-
aktivisten delegieren, während wir uns auf die Aufgabe der sozialen Integra-     12     Leben in Bergisch Gladbach
tion von benachteiligten Kindern und Jugendlichen konzentrieren. Nein, wir              • Nachhaltiger leben
alle müssen uns um den Fortbestand unserer Erde kümmern, nicht zuletzt
                                                                                        • Abschied in der Jugendhilfe
die Kinder selbst fordern das von uns. Ein „Weitermachen wie bisher“ ist nicht
mehr möglich.
                                                                                 15     Leben in Eltville
In den Bethanien Kinderdörfern spielt der christliche Glaube eine große                 • Eine Aktion für die Umwelt:
Rolle. Dabei sind die Bemühungen, unsere Kinder vor Gewalt, Ausgrenzung                   „Unser sauberes Kinderdorf“
und Benachteiligung zu beschützen und der Umweltschutz keine Gegen-                     • Weitergeben statt Wegwerfen
sätze, sondern zwei Seiten einer Medaille.
                                                                                 18     Fachlich
Oft sind es kleine Dinge, die jeder tun kann, manchmal sind es auch große
                                                                                        • Klimaschutz in den Kinderdörfern
Projekte wie eine Solaranlage oder ein Blockheizkraftwerk, die zeigen, was
wir dazu beitragen können.
                                                                                 20     Leben bei den Dominikanerinnen
In dieser Ausgabe berichten wir von unterschiedlichen Ideen rund um die                 von Bethanien
Bewahrung der Schöpfung. Wir erzählen Geschichten über gemeinsame                       • Nachhaltigkeit als Programm
Projekte für das Klima und die Natur, von eigenen Bienenstöcken bis hin zum             • Ein neuer Blick
Bau von klimaneutralen Häusern.
                                                                                 22     Persönlich & Das Neueste
Und was ist mit der Pandemie, werden Sie, liebe Leser, vielleicht fragen. Ich
meine, die ökologische Katastrophe, die unserem Planeten die Luft zum            23     Ihre Hilfe
Atmen nimmt, ist eine viel größere Aufgabe. Sie wartet nicht darauf, dass die
Pandemie ein Ende hat. Wir müssen uns um beides kümmern.                         Sie möchten den kidoblick 3 x jährlich kostenfrei lesen?
                                                                                 Melden Sie sich an unter 02163 4902-220 oder per
Ich freue mich auf diese Ausgabe des Kidoblicks und hoffe, Sie bleiben uns,      E-Mail an info@bethanien-kinderdoerfer.de
den Kindern und Mitarbeitenden in den Bethanien Kinder- und Jugend-              Titelbild: Larissa Stupp, Bergisch Gladbach
dörfern weiterhin treue Wegbegleiter.
                                                                                 Impressum
Herzlichst                                                                       Herausgeber: Bethanien Kinderdörfer gGmbH
                                                                                 Ungerather Straße 1–15 · 41366 Schwalmtal-Waldniel
Ihr                                                                              Fon: 02163 4902-220 · Fax: 02163 4902-230
                                                                                 www.bethanien-kinderdoerfer.de
                                                                                 V.i.S.d.P.: Dr. Klaus Esser, Geschäftsführer
                                                                                 Redaktion: Daniela Fobbe-Klemm
                                                                                 Gestaltung: Ulrike Jasser, Heinsberg
                                                                                 Unsere Zeitschrift kidoblick erscheint dreimal jährlich
                                                                                 in einer Auflage von 4.500 Exemplaren. Sie wird von
                                                                                 den Caritas Werkstätten Köln auf umweltfreundlichem
Dr. Klaus Esser, Geschäftsführer                                                 Papier gedruckt.
                                                                                 Wir verwenden den Begriff Mitarbeitende u.ä., um zu
                                                                                 dokumentieren, dass uns Menschen aller Geschlechter
                                                                                 und Orientierungen willkommen sind und sich ange-
kidoblick Nr. 54 · 1/2021                                                        sprochen fühlen können.
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Zwischen Himmel und Erde 3

    Das Gefühl von Zugehörigkeit

Gerade komme ich von der Eselweide
zurück, die sich aufgrund einer nicht
enden wollenden Regenzeit Ende Dezem-
ber/Anfang Januar in eine Seenlandschaft
verwandelt hat. Für unsere beiden Lang-
ohren Freddy und Fridolin ist dies keine
gute Situation, brauchen sie doch festen
Untergrund und viel Bewegung. Auch das
tägliche „Abäppeln“, d.h. nötige Absam-
meln des Dungs, ist keine Freude.
Und dennoch bin ich jetzt sehr erfüllt.
Nicht nur, weil die beiden fast Dreijährigen
mit großem Interesse zugeschaut haben
und am liebsten die Schubkarre selber
                                               Tiere wie die beiden Esel Freddy und Fridolin geben ein Gefühl von Zugehörigkeit
geschoben hätten, oder weil vor allem          (Foto: Thomas Mohn, WWU)
Fridolin sich zwischendurch immer wie-
der eine Streicheleinheit abgeholt hat. Es
zeigt sich das tiefe Gefühl von Zugehö-
                                               nem Schoß, genoss den Geruch seiner              gehöre – eben nicht in die virtuelle Welt,
rigkeit, das im Laufe des gesamten letzten
                                               Zigarre und tauchte in seinen auf der            die uns so schmackhaft gemacht wird,
Jahres unseres Miteinanders immer stär-
                                               münsterländischen Landschaft ruhenden            aber letztlich kalt und tot ist.
ker wurde.
                                               Blick ein.
                                                                                                Wenn ich mir das Treiben in den Indus-
Zugehörig Sein ist ein Wort, das mir fast
                                               Und dann sind da jetzt diese beiden              trienationen anschaue, sehe ich das
besser gefällt, als Beheimatet Sein. Wie
                                               Poitou-Esel mit ihrer wachen Präsenz             Gebaren einer Kultur, die die natürliche
oft fühle ich mich inmitten von Menschen
                                               und Lebendigkeit.                                Mit-Welt ebenso wie die Nach-Welt und
eben nicht dazugehörig, eher abgeschnit-
ten, unbeteiligt; auch wenn es sich um         Wenn Sie diese Übung einmal im Freun-            die sogenannte Dritte Welt lediglich als
sympathische Zeitgenossinnen und Freun-        des- oder Familienkreis machen, können           Ressourcenlager betrachtet; so als seien
de handelt. Auf mich allein zurückge-          sehr beeindruckende Konstellationen ent-         wir hier mit nichts und niemandem ver-
worfen und teilnahmslos. In der Natur          stehen. Wenn Sie nach der inneren Ein-           wandt.
geschieht mir dies selten.                     kehr dazu einladen, Menschen und Tiere           Papst Franziskus schreibt in seiner Enzy-
                                               zu nennen und jeweils rechts und links           klika „Laudato Si“ von unserem gemein-
Eine kleine Übung:
                                               neben sich setzen zu lassen, können Sie          samen Haus, das wie eine Schwester ist:
Schließen Sie einmal die Augen und             plötzlich ein vor Lebendigkeit strotzen-
gehen in der Stille der Frage nach:            des Miteinander von Alten und Jungen,            „Diese Schwester schreit auf wegen des
                                               Männern und Frauen, Hunden, Kühen und            Schadens, den wir ihr aufgrund des unver-
Welcher Mensch und welches Tier (!)
                                               Wellensittichen anschauen.                       antwortlichen Gebrauchs und des Miss-
haben mir in meinem Leben immer wieder
                                                                                                brauchs der Güter zufügen, die Gott in
das Gefühl von Zugehörigkeit vermittelt?       All diese Lebewesen machen mich zu
                                                                                                sie hineingelegt hat.“ (LS 2)
Sammeln Sie einmal Erfahrungen und Bil-        dem, der ich bin! Schaffen es, mich aus
der in Ihrer Seele von innigem Miteinan-       einem Isoliert-Sein zu locken!                   Es wird höchste Zeit, unsere Beheima-
der, das sich ohne viele Worte ereignete.                                                       tung auf dieser Erde in Solidarität mit all
                                               Ja, es sind eben nicht nur liebenswerte
                                                                                                ihren Bewohnern und Bewohnerinnen neu
Bei mir taucht immer wieder mein Groß-         Menschen, die dafür sorgen. Es sind die
                                                                                                zu begreifen und zu leben.
vater auf: Ein von der Landwirtschaft          geschuppten, gefiederten und wunder-
geprägter stiller Mann mit unfassbar gro-      bar bepelzten Repräsentantinnen der                        Rainer Hagencord, Institut für
ßen Händen. Als Kind saß ich oft auf sei-      natürlichen Mit-Welt, zu der auch ich                Theologische Zoologie e. V, Münster

                                                                                                             kidoblick Nr. 54 · 1/2021
Kidoblick - Er hat die ganze Welt in seiner Hand - Schöpfung bewahren, Umwelt schützen - Bethanien Kinderdörfer
4 Titelthema

   Wer summt denn da?

Wer bei einer Kinderdorffamilie zu
Besuch ist, stellt schnell fest, dass es
nicht nur im Haus ein emsiges und bun-
tes Treiben gibt. Auch im Garten geht es
trubelig und vielfältig zu. Wer da so alles
unterwegs ist? Kommt einfach mal mit
zu einem Rundgang durch den Linden-
hausgarten.
Herzlich willkommen! Aber Vorsicht –
bitte nicht am Klangspiel vor der Haustür
läuten. Dort haben sich die Mauerbienen
in den Klangröhren eingenistet und schon-
mal ihre Eier für das nächste Frühjahr
gelegt. Und weil das ja niemand wissen
kann, hat unser Philip gleich mal ein
großes Hinweisschild gemalt.
Gehen wir doch durchs Gartentor. Rechts
an der Hauswand befinden sich mehrere
Nistkästen in verschiedenen Formen und
Größen, sodass Meise, Spatz, Zaunkönig
und Amsel auch jeweils einen passenden        Schuppen. Hier übernachten unsere           hentlich nicht ins Nest, sondern auf den
Nistplatz finden. Gerade zwei Stunden         Hähne Michel und Polly. Dort kann man       Boden gelegt wurde.
hing der Nistkasten neben der Haustür,        nachts Fenster und Türen schließen – wer    Wenden wir uns auf die andere Seite des
bis im Frühling Familie Blaumeise einzog      möchte schon von einem motivierten          Hauses, stehen wir vor dem Hochbeet.
– und so eifrig ein Nest baute, dass der      Hahn morgens um vier Uhr durch laut-        Hier werden Kartoffeln, Salat und Kräuter
Verschluss aufging und alles hinaus zu        starkes Krähen geweckt werden?              angepflanzt. Und Erdbeeren, der Hühner
purzeln drohte. Unter den beobachten-
                                              Gehen wir weiter, erreichen wir den Hüh-    wegen unter Folie, denn Hühner teilen
den Blicken der Meisen wurde schnell
                                              nerstall. Hier schlafen Michels neun Hen-   sehr ungern.
alles repariert.                              nen, bis sie morgens gemeinsam nach
Gegenüber, am großen Blutahorn, befin-                                                    Rechts, direkt am Haus, wachsen unge-
                                              draußen dürfen, nach Futter scharren und
det sich der Eichhörnchenfutterkasten.                                                    füllte Rosen, Lavendel und Beinwell. Ein
                                              im Garten die Schnecken entfernen. Alle
Hier gibt es im Winter Nüsse und Samen.                                                   Festmahl für Hummeln im Sommer. Kaum
                                              Hühner haben Namen, jedem Kind im Lin-
Gleich obendrüber, im Baumwipfel, thront                                                  sind die ersten Blüten des Beinwells
                                              denhaus gehört mindestens ein Huhn. Da
der Eichhörnchenkobel. Aber Familie Eich-                                                 geöffnet, beginnt ein emsiges Gesumme,
                                              wissen wir, woher unsere Eier kommen.
horn hatte Pech, die Kohlmeisen waren         Nur den Streit beim Sonntagsfrühstück,      das erst wieder verstummt, wenn auch
ihnen zuvorgekommen. Warum? Der Mei-          wer welches Ei gelegt hat und wer es des-   die letzte Pflanze verblüht ist. Aber dann
senkasten war von den Wespen besetzt          wegen essen darf, den haben andere          ist da ja noch der Klee auf der Wiese und
worden, da brauchte es eine Alternative.      Familien wohl nicht. Bei uns wird kein      an der alten Backsteinmauer Klatsch-
Zunächst argwöhnisch an der Schuppen-         Huhn geschlachtet, wenn es zu alt zum       mohn, Kornblumen, Wegwarte und Kamil-
wand von uns beäugt, schafften es dann        Eierlegen ist. Denn zum Schneckenfressen    le. Mittlerweile hat jedes Kind gelernt,
Mensch und Wespe, friedlich den Garten        und Mücken fangen wird man nie zu alt.      dass es besser Gartenschuhe anziehen
im Sommer zu teilen.                          Direkt neben dem Hühnerstall im Laub-       sollte, bevor es im Sommer über die Klee-
Vorbei an der Vogeltränke und dem Fle-        haufen überwintert gerade „Mr. Sniff“.      wiese läuft.
dermauskasten hoch oben unter dem             Jeden Abend war der Igel bis zum Herbst     Und den Rasenmäher? Den brauchen wir
Dach, Aprikosen-, Mispel-, Quitten-, Sand-    durch den Garten gewuselt, hatte den ein    zweimal im Jahr. Den Rest erledigen die
dorn- und anderen Bäumen und Büschen          oder anderen Regenwurm verputzt und         Meerschweinchen. Morgens, bevor die
mit essbaren Früchten kommen wir zum          auch so manches Hühnerei, dass verse-       Kinder zum Kindergarten gehen, werden

kidoblick Nr. 54 · 1/2021
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Titelthema 5

sie aus dem Stall gelassen und dürfen        weiß ganz genau, dass es um 19 Uhr zur       auch der Olivenbaum und der Wein tragen
dann frei im Garten laufen. Gerade im        Fütterungszeit zurück im Stall sein muss.    regelmäßig viele Früchte. Nun bleibt uns
Frühling, wenn das Gras jenseits des Zau-    Durch die Wärme der alten Backsteinmau-      nur, durch die Hintertür wieder ins Haus
nes auf dem Spielplatz schon viel grüner     er gedeihen in ihrer Nähe sehr gut wärme-    zu gehen, bis zur nächsten Beobachtungs-
ist, als im Garten, schlüpfen die mutig-     liebende Pflanzen, der Feigenbaum über-      tour durch den Lindenhausgarten.
sten unter ihnen schon mal durch den         rascht uns jedes Jahr bis in den Dezember                            Katharina Kalla,
Zaun. Aber keine Sorge, jedes einzelne       hinein mit zahlreichen saftigen Feigen,                  Kinderdorfmutter Lindenhaus

   Das BVkE Projekt
„Naturschutz in der Kinder- und Jugendhilfe!“
Der BVkE hat sich in Zusammenarbeit mit      Führungskräfte der Kinder- und Jugend-       einfließen. So werden Themenvorschläge
dem Bundesamt für Naturschutz zur Auf-       hilfeeinrichtung in standortnahen Öko-       und Wünsche zur Umsetzung der Kam-
gabe gemacht, Kindern und Jugendlichen       systemen geschult und praktisch einge-       pagne von Jugendlichen aufgegriffen.
aus Einrichtungen der Jugendhilfe im         setzt. Daraus sollen nicht nur Erfahrungen   Sie lernen, dass jeder einen individuellen
Rahmen von „Waldwochen“ die konkreten        und Erkenntnisse für die Beteiligten ent-    Beitrag leisten, von der Natur lernen, Natur
Aufgaben des Naturschutzes praktisch         stehen. Es soll in den Einrichtungen zu      erleben und nach den Leitlinien des Natur-
zu vermitteln und erlebbar zu machen.        einem Umdenken führen, wie sehr wir alle     schutzes handeln kann.
Mitarbeitenden des Bergwaldprojektes         uns im alltäglichen Handeln an Ökologie      „Das Klima ist ein gemeinschaftliches Gut
(www.bergwaldprojekt.de) vermitteln den      und Klimaschutz beteiligen können.           von allen und für alle.“ Dies betonte Papst
Teilnehmenden den Natur- und Klima-          Den Kindern und Jugendlichen wird ver-       Franziskus 2015 in seiner Enzyklika ‚Lau-
schutz durch die unmittelbare Mitarbeit im   mittelt, wie sie für ihr Recht auf eine      dato Si‘, in der er auch den Handlungs-
Wald z.B. im Bereich von Anpflanzung und     gesunde Umwelt eintreten können. Im          bedarf im Kampf gegen den Verlust der
Aufforstung. Bislang gibt es noch kaum       Projekt wird den Teilnehmern über die        biologischen Vielfalt thematisiert. Auch
Berührungspunkte zwischen den Syste-         Social-Media-Kanäle die Möglichkeit          das Bundesamt für Naturschutz betont,
men Kinder- und Jugendhilfe und Natur-       gegeben, mit Bild- und Video material        dass im Rahmen ökologischer Ansätze die
schutz. Das soll sich nun ändern.            aus den Projektstandorten zu berichten.      Komponente der sozialen Gerechtigkeit
In den einwöchigen Waldwochen werden         Diese Beteiligung von Jugendlichen wird      immer mit bedacht werden muss.
pädagogische Fachkräfte, Jugendliche und     auch in die jährliche Kampagnenarbeit              Dr. Klaus Esser, BVkE-Vorsitzender

                                                                                                       kidoblick Nr. 54 · 1/2021
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6 Titelthema

   Was man kennt und liebt, das schützt man

Waldgruppe als wöchentliches Angebot
Seit fast zwei Jahren gibt es im Bethanien   Mit Spielen und Suchaufgaben fördern
Kinderdorf Bergisch Gladbach die Wald-       wir die Neugierde und Beobachtungs-
gruppe. Jeden Montag ziehen die Kin-         gabe der Kinder. Da gibt es Lupen, die
der mit Astrid Westerboer, der Leiterin      die kleinen Käfer groß werden lassen.
des Pädagogischen Fachdienstes, in den       Wasserprobenröhrchen, in denen auch
Wald und entdecken dort die Natur.           das kleinste Lebewesen im Flehbach zum
                                             Vorschein kommt.
                                             Uns ist es wichtig, dass die Kinder Fra-
                                             gen stellen dürfen. Sie sollen Spaß haben
                                             und den Wald lieben und schätzen ler-
                                             nen. Nur was man kennt und liebt, schützt
                                             man auch.
                                             Spielerisch lernen sie, dass die „ach so
                                             ekligen“ Krabbeltiere nützlich sind. Wie
                                             der Ruf der Eule oder des Eichelhähers
                                             klingt. Welche Tiere eher in der Dämme-
                                             rung oder im Dunkeln hervorkommen,
                                             wie etwa die Fledermäuse. Sie wissen
                                             heute, wie man sich im Wald orientiert.
                                             Der Lebensraum Wald hat dank der Wald-
                                             gruppe seinen Schrecken verloren. Im
                                             Gegenteil, er ist Spielplatz und damit
                                             vielleicht auch später ein Ort, an den die   Wenn wir zum Schluss noch in den Bach
                                             Kinder gerne zurückkehren, um die Natur      gehen und dort sehen, wie sich die Libel-
                                             zu genießen.                                 lenlarve entwickelt hat und dass es
Mit Gummistiefeln und Regenhose gegen
                                                                                          einfach Spaß macht, durch den glit -
alles gewappnet, trifft sich die Gruppe      Unser Ziel ist es, dass die Kinder Verant-
                                                                                          schigen Untergrund zu rutschen, war es
jeden Montag am Karussell. Was ist heute     wortung übernehmen für ihr Tun und für
                                                                                          wieder eine gelungene Walderfahrung
im Rucksack? Was machen wir? Wir erle-       die Umwelt. Sie sammeln Müll, hängen
                                                                                          für die Kinder. Sie haben nicht nur für ihr
ben jeden Montag den Wald so, wie er an      Vogelfutter auf und säen Wildblumen.
                                                                                          Leben, sondern auch für das Leben im
diesem Tag ist. Kalt oder warm, nass oder    Sie merken, dass sie mit verantwortlich
                                                                                          Einklang mit der Natur etwas gelernt.
trocken. Gibt es heute Pilze zu entdecken    sind und Einfluss nehmen können auf
oder neue Spuren von Tieren? Was die         das Wohlergehen des Waldes und seiner                             Astrid Westerboer,
Kinder finden, steht im Mittelpunkt.         Bewohner.                                                   Pädagogischer Fachdienst

   Wie kam es zur Waldgruppe?
   Im Frühsommer 2019 startete das Kinderdorf Bergisch Gladbach gemeinsam mit der „Bergischen Agentur für Kulturland-
   schaft“ (BAK) und der Biologischen Station Rhein-Berg/Oberberg ein neues Projekt: „Den Wald schätzen und lieben ler-
   nen, um ihn selbst zu schützen“. Eine Umweltpädagogin, die von der BAK finanziert wurde, begleitete Astrid Westerboer
   und die Kinder ein Jahr lang bei ihren Streifzügen. Eigentlich sollte das Projekt mit einem Mikrofotografie-Shooting enden,
   das die Firma Pixum finanzieren wollte. Leider kam es bedingt durch Corona nicht mehr dazu. Denn für die Kinder wäre es
   sicher toll gewesen, die große Welt der kleinen Krabbler im Waldboden oder auf den Blättern in stark vergrößerten Fotos
   festhalten zu können. Seit Frühjahr 2020 läuft die Waldgruppe als reguläres Angebot des PäF weiter.

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Titelthema 7

   Die Natur als vielfältige
   Schöpfung wahrnehmen und bewahren

Mit unseren beiden Naturerlebnis-Grup-                                                      Leider stoßen wir bei unseren Abenteu-
pen sind wir jede Woche in einem anderen                                                    ern immer wieder auf achtlos entsorgten
Gebiet unterwegs. Orte, die besonders                                                       Müll. Deshalb gehört der leere Müllbeutel
beliebt sind, besuchen wir auch mehrere                                                     mittlerweile genauso zu unserer Ausrüs-
Male. Die Kids nehmen jede Veränderung                                                      tung wie Taschenmesser, Lampe und Kletter-
wahr, werden ganz zu Forschern und Ent-                                                     seil. Zu unserer Freude begegnen wir ab
deckern:                                                                                    und an, tief in den Wäldern, Gleichgesinn-
                                                                                            ten. Dann werden Informationen über
Waren diese Spuren letztes Mal auch
                                                                                            geheime Orte ausgetauscht oder von
schon da? Hat jemand unsere Waldhütte
                                                                                            spannenden Begegnungen erzählt. Alte
weitergebaut?
                                                                                            Ruinen, verlassene Behausungen und
Meistens zieht es uns in den Wald. Bei                                                      sehenswerte Objekte sind besonders
diesen ca. dreistündigen Aktivitäten geht                                                   attraktiv, aber leider oft unzugänglich. Wir
es weniger ums Spazierengehen, sondern                                                      klettern über keinen Zaun und öffnen
eher darum, abseits der Wege Neues zu                                                       keine verschlossenen Türen, denn wir
entdecken, auf ein Abenteuer aus zu sein                                                    respektieren das Eigentum anderer.
und Naturprozesse wahrzunehmen. Dabei
                                                                                            Jeder, der mit uns unterwegs ist, ent -
ist kein Berg zu hoch, kein Bach zu breit
                                              sie nur, wenn es sicher ist. Ein kleines      wickelt schnell ein Bewusstsein dafür,
und keine Höhle zu gruselig.
                                              Team erfahrener Natur-Experten begeht         Dinge zu erhalten und für die Zukunft zu
Achtsamkeit gegenüber allen Geschöpfen        die Höhle als erstes und prüft Stabilität,    bewahren. Das liegt daran, dass die Zei-
zu entwickeln, ist ein wichtiges Ziel bei     Zugänglichkeit und, ob die Höhle unbe-        chen des Klimawandels besonders im
unseren Ausflügen. Wir sind nur kurzfristi-   wohnt ist. Dann wird die Höhle nur in klei-   Wald einfach nicht zu leugnen sind. Die
ge Gäste, die sich unter jahrhundertealten    nen Gruppen betreten. Dabei weiß jeder        Bäume ächzen unter der anhaltenden
Bewohnern aufhalten, und verhalten uns        genau, wie er sich im Inneren zu verhalten    Erderwärmung, das kann man beinah mit
dementsprechend respektvoll. Wir reißen       hat. Wir sind stolz darauf, dass wir noch     allen Sinnen spüren, wenn man sich durch
zum Beispiel nicht wahllos aus Eigennutz      nie ein Tier aufgeschreckt haben. Gerade      den Wald bewegt. Man möchte helfen und
Äste von lebendigen Bäumen aus oder           die vom Aussterben bedrohten, empfind-        nicht eine zusätzliche Belastung sein.
treten vor Ekel Insekten platt. Bei Höhlen    lichen Fledermäuse gilt es bei solchen
                                                                                            Es freut mich sehr, dass das Interesse der
sind wir besonders vorsichtig und betreten    Unternehmungen zu schützen.
                                                                                            Kids an dem Naturerlebnis weiterhin so
                                                                                            groß ist. Man kann die Entwicklung vom
                                                                                            neugierigen Naturraum-Neuling zum fort-
                                                                                            geschrittenen Natur-Experten innerhalb
                                                                                            weniger Monate gut beobachten. Sie
                                                                                            bereiten sich für die Ausflüge vor, suchen
                                                                                            nach brauchbarer Ausrüstung im Internet
                                                                                            und entwickeln Strategien zur Orientie-
                                                                                            rung. Viele Kompetenzen sind den Kin-
                                                                                            dern und Jugendlichen bereits gegeben
                                                                                            und werden im Naturraum ganz selbst-
                                                                                            verständlich abgerufen. Die Schöpfung
                                                                                            steckt in jedem, man muss sich nur mit
                                                                                            allem verbinden und das funktioniert in
                                                                                            der Natur ganz ohne WLAN.
                                                                                                                 Johann Banholzer,
                                                                                                           Pädagogischer Fachdienst

                                                                                                         kidoblick Nr. 54 · 1/2021
Kidoblick - Er hat die ganze Welt in seiner Hand - Schöpfung bewahren, Umwelt schützen - Bethanien Kinderdörfer
8 Leben und Arbeiten in Bethanien

   … Muss nur noch kurz die Schöpfung retten …

   Papst Franziskus fordert in seiner Enzyklika „Laudato si“        Mensch hat eine besondere Würde und einen besonderen
   alle Menschen auf sich für den Schutz und den Erhalt unse-       Auftrag bekommen. Er trägt die Verantwortung für diese
   rer Erde stark zu machen.                                        Erde. Es geht nicht nur darum die Schöpfung zu respektieren,
   Diese Aufforderung ist begründet in den Schöpfungserzäh-         sondern auch dafür zu sorgen, dass die Erde, unser Lebens-
   lungen der Bibel. Alles, was auf dieser Erde geschaffen wurde    raum, lebenswert bleibt. Eine dringende, aber auch spannen-
   und noch geschaffen wird, ist ein Geschenk Gottes und weil       de Aufgabe, bei der wir Sie und Euch mit ein paar Tipps und
   es von einem Schöpfer kommt, miteinander verbunden. Der          Anregungen unterstützen möchten.

                            Tipps für nachhaltiges Leben
   Upcycling
   z.B. aus alten T-Shirts ohne Nähmaschine eine Einkaufstasche machen:
   https://www.youtube.com/watch?v=sEFFqpizW64                                   Weitere Ideen Upcycling
   Upcycling („Wiederverwertung“):
   Abfallprodukte oder (scheinbar)
   nutzlose Stoffe werden nicht weg-
   geworfen, sondern in neuwerti-
   ge Produkte umgewandelt. Die
   Wiederverwertung oder Nachnut-
   zung von bereits vorhandenem
   Material reduziert die Verwen-
   dung von Rohstoffen.

                                       Kosmetik selber machen
                                       Tipp des Jahres: www.smarticular.net

                                                                                                            iern
                                                                                              Den Sonntag fe
                                      Hier gibt es verschiedene Rubriken (z.B.
                                      Körperpflege) mit vielen Rezepten und                                                    e an de n
                                                                                                         en Go tt es di en st
                          Ideen. Wenn wir z.B. Haarpflegemittel oder Seife           Di e re ge lm äß ig                id er  aus oder
                                                                                                         n zurzeit le
                       selbst machen, vermeiden wir einerseits Plastik-              Sonntagen falle                 ns  ch af  t mit nur
                                                                                                         rer Gemei
   verpackungen und andererseits die Mikroplastikpartikel, die in den                finden in kleine
                                                                                                         n statt.
                                                                                     wenigen Häuser
   meisten Kosmetika drin sind. Mikroplastik ist schlecht für die Umwelt und                                                     am Sonn-
                                                                                                           och Lust haben,
   schlecht für uns, weil sie durch die Poren in unsere Körper wandern und            Für alle, die denn                         nn lic he n
                                                                                                          iö se n od er be si
                                                                                      ta g ei ne n re lig                       e Referen-
   sich anhäufen können.                                                                                  alten, bereiten di
                                                                                       Moment zu gest                             menskul-
                                                                                                          anische Unterneh
   Trockenshampoo: 2 EL Maisstärke, 1 TL Natronpulver, 1 TL echter Kakao               tinnen für Beth                       e  eine kleine
                                                                                                           m Wochenend
   (dunkles Haar) oder Zimt (rötliches Haar)                                           tur jeweils vor de                 Ak  tio n vor, den
                                                                                                             puls, eine
                                                                                        Andacht, einen Im                          Vorberei-
   Alle Zutaten durch ein feines Sieb geben und in einem luftdichten Behäl-                                  uppen mit wenig
                                                                                        die Häuser und Gr                           d Jugend-
                                                                                                             mit den Kindern un
   ter aufbewahren. Anwendung kopfüber in den Haaransatz einmassieren                    tung und Aufwand                           nn en.
                                                                                                               durchführen kö
   und ausbürsten.                                                                       lichen gemeinsam

kidoblick Nr. 54 · 1/2021
Kidoblick - Er hat die ganze Welt in seiner Hand - Schöpfung bewahren, Umwelt schützen - Bethanien Kinderdörfer
Leben in Schwalmtal 9

Der Schöpfung so nah
  Eine Bergtour mit den Kindern
Kindern und Jugendlichen die Natur näher     umkehren und einen sichereren Weg
zu bringen und ihnen Erlebnisse zu           suchen. Mit und in der Natur gemeinsam
ermöglichen, bei denen sie die Schöp-        verborgene Kräftereserven aktivieren und
fung direkt und möglichst unverfälscht       sich gegenseitig motivieren, nicht aufzu-
spüren können, war eines unserer Ziele,      geben, dennoch die eigenen Grenzen wahr-
als mein Mann und ich uns im Sommer          zunehmen und zu akzeptieren. Genauso,
2019 mit unseren fünf Mädels im Alter        wie die Grenzen der anderen zu tolerieren
zwischen elf und 14 Jahren auf eine zehn-    und sich in Rücksichtnahme zu üben. All
tägige Hüttentour in Österreich begaben.     dies waren bereichernde und erfüllende
Neben dem tief empfundenen Gemein-           Erfahrungen, die wir gemeinsam machen
schaftsgefühl kann ich auf viele Erleb-      durften. Die Natur, ja die Schöpfung Gottes,
nisse zurückschauen, bei denen ich erfah-    kam uns Tag für Tag näher und schien bei
ren durfte, wie sehr unsere Jugendlichen     jedem auf seine Weise innere Prozesse
angerührt waren von der Bergwelt und         anzuregen. Es gab viele tiefgreifende
den kleinen Wundern, die uns am Weg-         Gespräche und weise Erkenntnisse,
rand täglich begegneten.                     genauso wie ausgelassene Spiele, fröh-
                                             liches Singen und alberne Raufereien.
Manchmal wanderten wir über längere          Es war so, als würden alle Sinne geschärft
Zeiten schweigend durch die fast unbe-       und unsere Wahrnehmung irgendwie
rührte Natur. Doch dieses Schweigen war      farbiger, fröhlicher und klarer. Trotz
gefüllt von einer offenen Freude an dem      anstrengender Wandertage, Grenzer-
Erleben, was man in den glänzenden           fahrungen und kleinerer körperlicher
Augen der Mädchen erkennen konnte.           Wehwehchen war es wie Auftanken der
Unterbrochen wurde dieses stumme             Seelen.
Erleben immer wieder durch Rufe der
Freude und des Erstaunens über eine
besondere Blume, einen besonders schö-
nen Himmel oder auch ein kleines Tier,
was entdeckt wurde. Stolz wurden Gipfel
erklettert und voller Freude und Ausgelas-
senheit in eiskalten Bergseen geplantscht.
Die Weite auf dem Berg aber auch die
Enge in Schluchten wurde nachempfun-
den. Mühsam ein steiler Weg erklommen        Es ist kaum zu glauben, aber das meist
und vorsichtig der Weg hinunter ertastet.    nicht zu nutzende Handy (auf den wenigs-
Die Sonne, die gestern noch angenehm         ten Hütten hat man Netz), der fehlende
warm ein Lied auf die Lippen gezaubert       Computer und nicht vorhandene Fernse-
hatte, quälte am nächsten Tag mit zu         her wurden nicht vermisst. Was wirk-
warmen Strahlen, die einen fast zum Auf-     lich für genießerischem Freudentaumel
geben zwangen. Zunächst als Abkühlung        sorgte, war nach Tagen die erste warme
bejubelt, wurde der Regen am Ende einer      Dusche, auch wenn diese warme Wasser-
langen Wandertour zur Qual und machte        quelle leider schon nach 3 Minuten ver-
den letzten, steilen Anstieg zur Matsch-     siegte. Auch schmeckt ein deftiges Ber-
rutschpartie. Wir alle spürten immer wie-    gessen mit einer Maß mit Bergwasser
der die Gewalt der Natur, ihre Kraft und     oben auf der Berghütte wohl nie so gut,
auch ihre bezaubernde Wirkung.               wie nach einer achtstündigen Wanderung:
                                             Leben pur – in der Natur.
Beim Klettern lernten wir Respekt und
Hochachtung. Manchmal hieß es auch,                 Nicole Kommer, Kinderdorfmutter

                                                                                                 kidoblick Nr. 54 · 1/2021
Kidoblick - Er hat die ganze Welt in seiner Hand - Schöpfung bewahren, Umwelt schützen - Bethanien Kinderdörfer
10 Leben in Schwalmtal

    Nachhaltigkeit bei uns im Bethanien
    Kinderdorf Schwalmtal
    Zu klein, zu krumm, zu viel: Überall in Deutschland werden        det. Durch die kleine „Eingangsgeschichte“ wird schon
    jeden Tag große Mengen an Lebensmitteln vernichtet,               deutlich, wie wir im Kinderdorf in Schwalmtal versuchen,
    obwohl ihr Zustand einwandfrei ist.                               Ressourcen zu schonen und auch Lebensmittel zu nutzen,
                                                                      die im ersten Moment nicht mehr so gut aussehen – aber
    Ich erinnere mich noch gut an meine erste Wochenend-
                                                                      an Geschmack nichts verloren haben.
    bereitschaft im Kinderdorf. Damals war ich als Erziehungs-
    leiterin tätig und samstagsmittags klingelte mein Dienst-         Ich weiß, dass Frau Altevers und Frau Kauven damals alle
    handy – ein Abschleppdienst aus der Region meldete sich.          Tomaten im gesamten Kinderdorf verteilt haben und es
    Zunächst war ich ziemlich erschrocken, dachte ich – Mitar-        wurde Tomatensoße, Tomatensuppe, Tomatensalat, usw. in
    beitenden oder Kindern/Jugendlichen sei etwas passiert.           allen Gruppen und Familien gekocht und zubereitet, sodass
    NEIN, zum Glück war es ganz anders.                               wir lange von diesem Tomatenunfall zehren konnten.
    Ein LKW hatte einen Unfall und hier waren viele Tomaten           Im Bethanien Kinderdorf in Schwalmtal erhalten wir seit
    vom Wagen gefallen, die so nun nicht mehr eingesetzt und          langer Zeit Spenden von Aldi und Kamps. Aldi wird allen ein
    verkauft werden konnten. Der Abschleppdienst wollte               Begriff sein, Kamps ist eine große Bäckereikette, die in
    wissen, ob das Kinderdorf damit etwas anfangen könnte             Waldniel im Gewerbegebiet ansässig ist.
    und ja klar … mir kam direkt Marlene Altevers in den Sinn.
    Eine unserer damaligen Kinderdorfmütter, bei der ich mir          Beide Warenhäuser bedenken das Kinderdorf nun seit mehr
    sehr sicher war, dass sie eine Idee dazu haben könnte.            als 10 Jahren mit regelmäßigen Lebensmittelspenden.
                                                                      Unzählige Nahrungs- und Genussmittel haben wir von dort
    Und genauso war es. Frau Altevers fuhr umgehend mit               erhalten und ja, dass ist nachhaltig.
    Maike Kauven, eine ihrer Mitarbeiterinnen mit zwei Bullis
    zur Unfallstelle und lud so viele Tomaten ein, wie es ging.       2x wöchentlich fahren unterschiedliche Teams bei Aldi und
    Ganz egal, ob matschig oder nicht.                                Kamps vorbei und dürfen all diese Leckereien und Köstlich-
                                                                      keiten für unser Kinderdorf abholen.
    Lebensmittel spenden – Ressourcen                                 Das entlastet das Haushaltsgeld unserer Wohngruppe und
    schonen                                                           Kinderdorffamilien dauerhaft. Unsere Kinder und Jugend-
                                                                      lichen lernen, dass es sich lohnt, keine Lebensmittel zu
    Durch das Wegwerfen von Lebensmitteln werden wertvolle
                                                                      verschwenden und die Lebensmittelhändler freuen sich,
    Ressourcen wie Wasser, Energie und Boden und nicht zuletzt
                                                                      dass sie die Ware nicht wegwerfen müssen.
    die Arbeit, welche die Menschen für Erzeugung, Verarbei-
    tung und Transport aufgewendet haben, sinnlos verschwen-                                 Julia Bartkowski, Kinderdorfleiterin

   Unsere ehemalige Kinderdorfmutter Marlene Altevers beim Ausladen   Sr. Wilma und Melisa beim Abholen der Kamps-Spende

kidoblick Nr. 54 · 1/2021
Leben in Schwalmtal 11

                             Der Nutzgarten im Birkenhaus
Seit einigen Jahren nutzen wir unseren        Es ist schön, Erdbeeren, Stachelbeeren
Garten nicht nur zum Spielen. Wir haben       und Himbeeren direkt vom Strauch zu
uns ein Gewächshaus gebaut, haben             essen.
ein Hochbeet und nutzen unseren Sicht-
schutz, um Bohnen daran ranken zu las-        Das alles ist mit Arbeit verbunden, es
sen. Es wird uns immer wichtiger, den         macht aber auch Spaß und wir freuen uns
Kindern zu zeigen, wo unser Gemüse her-       über das Ergebnis und darüber sagen zu
kommt und wie es wächst. Dass es nicht        können, diese lila Kartoffeln haben wir in
einfach aus dem Supermarkt kommt.             unserem Garten geerntet. Der Blumenkohl
                                              sieht zwar nicht so schön aus, wie der
Alle helfen mit, sich regelmäßig um die
                                              aus dem Supermarkt, schmeckt aber total
Pflanzen zu kümmern. Zur Saatzeit stehen
                                              gut (vielleicht auch einfach deshalb, weil
auf unseren Fensterbänken und in den
                                              wir ihn gepflanzt haben). Immer häufiger      Wir hoffen, dass neben den tollen Früch-
Zimmern einiger Kinder Saatkisten. Die
                                              schlagen die Kinder vor, was wir anpflan-     ten auch die Erfahrung bleibt, was die
Kinder helfen mit, die Pflanzen in den Gar-
                                              zen könnten. So sind z.B. ein Mirabellen-     Natur alles für uns bereithält. Und das
ten umzusetzen. Und dann wird beobach-
                                              baum und Kiwano (was vorher auch kei-         gilt nicht nur für die Kinder und Jugend-
tet, was sich tut. Wächst alles? Bekommen
                                              ner kannte) dazu gekommen. Wir konnten        lichen, sondern auch für uns Erwachsene.
die Pflanzen Blüten? Wir haben sogar
schon selbst bestäubt. Wenn sich die          auch schon Wassermelonen ernten, was                                   Sabine Hundelt,
ersten Früchte zeigen, ist die Freude groß.   ein besonderes Highlight war.                           Erzieherin aus dem Birkenhaus

Fleißige Bienchen
                                              Kinderdorf so viele verschiedene Blüten-      die Bethanische Frühtracht, die beim all-
                                              stände gibt.                                  jährlichen Martinsmarkt verkauft werden.
                                              Im Kinderdorf versuchen wir, der Natur        Um ein Gramm Honig zu produzieren,
                                              viel Raum zu geben und sie zu bewah-          muss eine Biene 8.000–10.000 Blüten
                                              ren. So wurde beispielweise eine große        besuchen. Mit dem Nektar fliegt sie dann
                                              Wiesenfläche zu einer Wildblumenwiese         zurück zu ihrem Stock, hierbei trägt sie bis
                                              umgewandelt, um Bienen und andere             zu einem Drittel ihres Eigengewichtes an
                                              Insekten anzulocken und neuen Lebens-         Nektar mit sich. Damit 500 Gramm Honig
                                              raum für die Tiere zu schaffen.               zustande kommen, ist eine Flugleistung
                                                                                            von ca. 120.000 km notwendig. Der posi-
                                              Herr Droste, ein Imker aus Willich, hat sie
                                                                                            tive Effekt auf die Landwirtschaft und
                                              ins Kinderdorf gebracht. Die drei Bienen-
                                                                                            unser aller Leben sind bestäubte Blüten,
                                              stöcke umfassen insgesamt 180.000 Bie-
                                                                                            die dann Früchte tragen. Von der Bestäu-
                                              nen. Herr Droste kümmert sich weiterhin
                                                                                            bung der Bienen und anderer Insekten
                                              um seine Bienen und pflegt sie regelmä-
                                                                                            ist etwa ein Drittel unserer Nahrungsmit-
                                              ßig.
Seit 2017 gibt es im Bethanien Kinder-                                                      tel abhängig.
dorf Schwalmtal drei Bienenstöcke. Sie        Bienen sind dafür zuständig, Blüten zu
                                                                                            Umso wichtiger ist es, Bienen Lebens-
stehen am Weiher, sodass sie von den          bestäuben. Außerdem produzieren die
                                                                                            raum zu bieten und so die Bienen und die
Kindern gut beobachtet werden können.         Bienen wohlschmeckenden Honig. Im
                                                                                            Umwelt zu schützen und zu bewahren.
Herr Gorißen berichtet, dass er auf die       Kinderdorf gibt es zwei verschiedene Sor-
Idee mit den Bienenstöcken kam, da es im      ten, die Bethanische Sommertracht und           Katrin Schwandner, Erziehungsleiterin

                                                                                                        kidoblick Nr. 54 · 1/2021
12 Leben in Bergisch Gladbach

   Nachhaltiger leben
Wann, wenn nicht jetzt? Wer, wenn nicht wir?
Gedanken und Tipps aus der Wohngruppe Haus 9
Eines steht fest: Das Thema des Klima-      nicht das, was wir wollen. Sie hat wenig      „nachhaltiges Grundlagenkonzept“ ent-
wandels und die daraus erwachsende,         mit gesellschaftlichem Verantwortungs-        werfen und immer weiterentwickeln?
drängende Frage nach einem nachhalti-       bewusstsein und Engagement zu tun.
                                                                                          Visionen wie diese gibt es viele und
gen Lebensstil wird so schnell nicht mehr   Auch aus pädagogischer Sicht wäre diese
                                                                                          natürlich ist es viel Arbeit, sie in die Pra-
verschwinden. Nicht aus der gesellschaft-   Einstellung wohl kaum vertretbar und          xis umzusetzen. Das geht nicht von heute
lichen Diskussion, nicht aus der Politik    zudem auch ziemlich langweilig.               auf morgen und natürlich auch nicht
und auch nicht aus unserem alltäglichen
                                            Für uns als Kinderdorfgemeinschaften          immer so schnell, wie wir es uns wün-
Leben. Es ist sogar sehr wahrscheinlich,
                                            sollte vielmehr das Gegenteil gelten –        schen würden. Aber wir können heute
um nicht zu sagen, offensichtlich, dass
                                            volle Kraft voraus in Richtung einer          schon anfangen und mit vollem Einsatz
dieses breite Themenfeld in den kommen-
                                            gemeinsamen Lebensweise, die unseren          das Thema Nachhaltigkeit auf allen Ebe-
den Jahren noch an Dringlichkeit und
                                            Planeten nicht mehr belastet und das          nen oben auf die Tagesordnung setzen
damit hoffentlich auch an Präsenz
                                            so schnell wie möglich. Wichtig hierbei       und immer wieder mitdenken. Ganz nach
gewinnt.
                                            ist die Frage, wie stellen wir uns das        dem Motto und der Überzeugung: „Wo
In der gesellschaftlichen Diskussion wird   Kinderdorf von Morgen vor?                    ein Wille ist, ist auch ein Weg.“
häufig betont, dass ohne große politi-
                                            Da gibt es sicherlich viele gute Ideen und    Natürlich können wir mit unseren Bemü-
sche Lösungen bzw. Umsteuerungen
                                            Visionen: Warum sollten wir als Kinderdör-    hungen nicht den Klimawandel aufhal-
eine höchstmögliche Begrenzung der
                                            fer nicht schon vor 2050 Klimaneutral wer-    ten, aber wir können ein Teil der Verände-
globalen Erderwärmung, sowie ein wei-
                                            den? Warum sollte es unmöglich sein,          rung sein, die unser Planet so dringend
teres Artensterben auf unserem Planeten
                                            eine nachhaltigere Ernährung zu verwirk-      benötigt!
unmöglich seien. An diesem Punkt könn-
ten die Kinder, Jugendlichen und Mitar-     lichen und uns zu einem Teil selbst zu ver-   Falls ihr auch Lust bekommen habt, gleich
beitenden in den Bethanien Kinderdör-       sorgen? Warum sollten unsere Kinderdör-       loszulegen. Haben wir hier noch ein paar
fern die Hände in den Schoß legen und       fer in ein paar Jahren nicht Orte sein, an    kleine praktische Tipps aus unserem
abwarten, bis diese großen Lösungen         denen Artenschutz selbstverständlich          Alltag in der Wohngruppe, mit denen wir
gefunden und realisiert wurden. Diese       praktisch umgesetzt wird? Warum sollten       in der Vergangenheit schon sehr gute
„abwartende“ Einstellung ist sicherlich     wir nicht in den kommenden Jahren ein         Erfahrungen gemacht haben:

kidoblick Nr. 54 · 1/2021
Leben in Bergisch Gladbach 13

Mit Essensresten kreativ                      Mit Kindern pflanzen
umgehen:                                      Einen Garten bepflanzen macht nicht nur
                                              Freude, sondern ist auch noch lecker! Wer
Pro Sekunde werfen wir in Deutschland
                                              einmal sonnengereiftes Gemüse aus dem
313 Kilogramm Lebensmittel weg. In
                                              Garten gegessen hat, möchte nichts ande-
Privathaushalten fallen insgesamt
                                              res mehr! Und für die Kinder ist dies eine
40 Prozent dieses „Mülls“ an. Solche
                                              prima Lernaufgabe! Sich um etwas küm-
Zahlen stimmen nachdenklich. Ein „Reste-
                                              mern, es wachsen zu sehen und es dann
tag“ klingt zwar etwas langweilig, spart
                                              auch noch verspeisen zu dürfen! Nach-        Weniger Fleisch essen
aber definitiv Ressourcen und regt zur
                                              haltigkeit als Lernprogramm!                 Das ist kein Plädoyer zum Vegetarismus,
Kreativität an! Alles, was die Woche über
nicht verbraucht wurde, wird zum Bei-                                                      aber eines für bewusstes Fleischessen.
spiel mittwochs kreativ „verkocht“.                                                        Lieber gutes Fleisch aus artgerechter Tier-
                                                                                           haltung kaufen und dafür seltener. So
                                                                                           bleibt Fleisch etwas Besonderes und
                                                                                           gleichzeitig wird mehr Kreativität in der
                                                                                           Gemüseküche geprobt!

                                                                                           Reparieren
                                                                                           statt Wegschmeißen
                                                                                           Klar, manche Geräte haben irgendwann
                                                                                           ausgedient. Allerdings ist es oft so, dass
                                                                                           wir Dinge viel zu schnell wegschmeißen
                                                                                           und neu nachkaufen, statt eine Möglich-
                                                                                           keit zu suchen, Dinge zu reparieren. So
                                                                                           leben wir nicht nur nachhaltig, wir sparen
                                                                                           auch noch Geld!
                                                                                            Larissa Stupp und Michael Schumacher

     Mitarbeiter sind nun mit
     Hybridauto unterwegs
     Seit Anfang November steht das erste Hybridfahrzeug für
     die Mitarbeitenden im Bethanien Kinder- und Jugenddorf
     Bergisch Gladbach zur Verfügung.
     Verwaltungsleiterin Birgit Nohl setzte damit einen schon
     lange gehegten Wunsch um, nämlich dass unser kleiner
     Fuhrpark nach und nach umweltverträglicher wird.
     Neben den Lastenrädern in Haus 4 und in Haus 3 haben wir
     mit dem Toyota Yaris Hybrid nun einen weiteren Schritt
     weg vom Verbrennungsmotor getan. Allzeit Gute Fahrt!
                                            Daniela Fobbe-Klemm

                                                                                                       kidoblick Nr. 54 · 1/2021
14 Leben in Bergisch Gladbach

   Abschied in der Jugendhilfe
Das letzte Jahr war für unsere Gruppe von
vielen Abschieden geprägt. Viele denken,
dass dies der Alltag der Jugendhilfe ist.
Ist es jedoch ganz und gar nicht. In unse-
rer Wohngruppe leben die Kinder und
Jugendlichen schon recht lange und
konstant zusammen. Die Mitarbeiter
arbeiten schon einige Jahre miteinander
und so wird die Gruppe von Jahr zu Jahr,
von Geburtstag zu Geburtstag, von Feier-
tag zu Feiertag, von Sommerurlaub zu
Sommerurlaub immer mehr zu einer Ein-
heit.
Mit jeder durchlebten Krise, mit jedem
Schicksalsschlag, mit Krankheiten, Ent-
täuschungen und jeder Menge gemein-
samer Zeit entsteht eine enge Bindung
zueinander. Dass dann ein Abschied nicht
leichtfallen kann, ist klar – selbst wenn
dieser lange geplant und vorbesprochen
war. So wurden im Jahr 2020 zwei unserer
Jugendlichen volljährig und starteten in     dige Leben bezeichnen, heißt aus meiner        Platz mehr an unserem Esszimmertisch
das eigene Leben. Gemeinsam suchten          Sicht schon Abschied nehmen. Und am            decken dürfen. Es ist schön, dass die
wir nach passenden Wohnungen, erstell-       Ende nehmen die Jugendlichen Abschied          Beziehung den Auszug überdauert und
ten Einkaufslisten in Möbelhäusern, stri-    von vertrauten Erwachsenen, Freunden,          wir immer noch die Anlaufstelle sind,
chen Wände, richteten ein. Und trotzdem      Mitbewohnern, Abschied von vertrauten          wenn es in der eigenen Wohnung mal zu
kommt der Auszug dann doch ganz plötz-       Regeln, Ritualen und Traditionen.              leer ist oder ein Ratschlag notwendig ist.
lich und viel zu schnell.
                                             Abschied heißt aber auch Ausblick und          Und dann kommt da noch ein ungeplan-
                                             das ist gleichzeitig das Motivierende. Die     ter Abschied, ein Auszug eines Jungen,
                                             Neugier auf Freiräume, das Abenteuer der       der noch lange nicht volljährig ist. Ein
                                             Eigenverantwortung, die Anstrengung            Auszug, der nicht geplant und auch nicht
                                             zur Selbstdisziplin, die Freiheit, Entschei-   vorhersehbar war. Denn manchmal sind
                                             dungen zu treffen, das Leben in den eige-      wir doch nur eine Station auf einer langen
                                             nen vier Wänden, alleine sein. Und trotz-      Reise der uns anvertrauten Kinder und
                                             dem geht bei jedem Auszug ein Teil der         Jugendlichen. Manchmal reichen unser
                                             Gruppe. Das Zimmer ist leer, die Person        Angebot und unsere Beziehung nicht aus.
                                             fehlt! Zum Glück schreiben wir die Ehema-      Oder sind sogar zu viel, zu eng, zu nah.
                                             ligenarbeit im Kinderdorf so groß und das      Und dann müssen wir Kinder oder Jugend-
                                             nächste Wiedersehen ist gar nicht fern.        liche ohne lang geplante Perspektive
                                             Auch die Feste werden weiterhin zusam-         entlassen, in etwas Ungewisses. Das ist
                                             men gefeiert, sofern die Jugendlichen dies     ein viel schlimmerer Abschied als der
                                             möchten.                                       Freudige der jungen Erwachsenen, die
                                                                                            sich voller Neugierde in ihre eigene Woh-
                                             Es ist schön zu sehen, wie die Ehemali-
                                                                                            nung begeben. Aber auch das gehört zu
                                             gen den dann neuen Bewohnern unter
                                                                                            unserer Arbeit dazu und macht sie dann
                                             die Arme greifen und ihnen die besten
                                                                                            doch immer wieder so unvorhersehbar.
Dieser Prozess, den wir bis zum Auszug       Geschichten der Gruppe laut lachend
begleiten und gestalten, und den wir als     erzählen. Es ist schön, wie wir immer                   Larissa Stupp, Gruppenleitung
Teil der Vorbereitung auf das selbstän-      weiterwachsen und von Jahr zu Jahr einen        Heilpädagogische Wohngruppe Haus 9

kidoblick Nr. 54 · 1/2021
Leben in Eltville 15

   Eine Aktion für die Umwelt:
   „Unser sauberes Kinderdorf“

Umweltschutz – ein Thema, das zuneh-                                                         und Jugendlichen in den Naturerlebnis-
mend an Bedeutung gewinnt. Auch wenn                                                         Gruppen, wie sehr allen die Umwelt am
die meisten Menschen wissen, wie wich-                                                       Herzen liegt. Sie zeigen uns, wie Umwelt-
tig es ist, die Natur zu schützen, tragen                                                    schutz aktiv aussehen kann. Gerade in
immer noch nicht alle etwas zum Schutz                                                       Zeiten wie diesen, in denen viele Aktivitä-
der Umwelt bei. Dabei kann Naturschutz                                                       ten nur eingeschränkt stattfinden können,
so einfach in den Alltag integriert werden,                                                  stellen solche Aktionen eine tolle Mög-
sei es nur durch das Aufheben von Müll,                                                      lichkeit dar, die vorhandene, freie Zeit
der in der Gegend herumliegt. Schon mit                                                      sinnvoll zu nutzen und einen wichtigen
kleinen Dingen kann die Welt so ein klei-                                                    Schritt dahingehend zu machen, den
nes bisschen besser gemacht werden.                                                          Naturraum zu bewahren.
Dass die Verantwortung für den Schutz          das Kinderdorf und die umliegenden Wein-                                Christina Bergold
der Umwelt aber nicht nur Erwachsene           berge von Müll befreit. Zusammen haben
tragen müssen, sondern auch Kinder und         sie, gestärkt mit heißen Getränken, einige
Jugendliche übernehmen können, zeigen          Säcke voll mit Abfall zusammenbekom-
die Bewohnerinnen und Bewohner des             men. Nach der Aktion blickt man überall in
Bethanien Kinder- und Jugenddorfes Elt-        stolze Gesichter, etwas gegen die Umwelt-
ville – und gehen damit als Vorbilder voran.   verschmutzung und damit für den Schutz
                                               von Pflanzen, Tieren und Menschen getan
Mit der Aktion „sauberes Kinderdorf“, die
                                               zu haben.
jedes Jahr einmal stattfindet, wollen die
Kinder und Jugendlichen der Umwelt             Die Aktion „sauberes Kinderdorf“ zeigt
etwas Gutes tun. Gemeinsam haben sie           genauso wie das Engagement der Kinder

Nachhaltig zur Arbeit
Zu Fuß, mit dem eigenen                        Pedelec günstig zu leasen statt teuer zu
                                               kaufen. Und: Das Jobbike darf und soll
Fahrrad – und jetzt auch                       auch privat genutzt werden. Das Fahrrad-
mit dem Jobbike                                fahren zur Arbeit bringt mehrere Vorteile
                                               mit sich: Dazu zählen nicht nur ein aktiver
Über die Frage, wie man umweltfreund-
                                               Beitrag zum Klimaschutz, sondern auch
licher zur Arbeit kommt – das heißt in der
Regel ohne Auto –, denken mittlerweile         positive gesundheitliche Aspekte. Durch
viele Menschen nach. Auch im Bethanien         das Radfahren wird das Immunsystem
Kinder- und Jugenddorf in Eltville haben       gestärkt, Stress abgebaut und die eigene
sich immer mehr Mitarbeitende bewusst          körperliche Fitness gesteigert. Und ein
entschieden, das Auto stehen zu lassen.        Parkplatz ist auch immer da.
                                                                                             Gianni Korbella aus der Außenwohngruppe
                                               Mein Arbeitsweg führt täglich durch die       Oestrich-Winkel präsentiert sein neu erworbe-
Hier werden andere Alternativen gewählt:
                                                                                             nes Jobbike
Einige kommen mit dem E-Bike zur Arbeit,       Weinberge ins Kinderdorf. Die frische Luft
andere fahren mit dem Fahrrad oder gehen       und die Bewegung tun einfach gut und es
zu Fuß.                                        ist eine gute Gelegenheit, auf dem Nach-      abend einzustellen. Ganz ohne Hektik und
Das „Jobbike“ bietet allen Mitarbeiten-        hauseweg die Gedanken zur Arbeit hin-         Stress im Berufsverkehr.
den die Möglichkeit, ein Fahrrad oder          ter sich zu lassen und sich auf den Feier-                                Marietta Otzen

                                                                                                          kidoblick Nr. 54 · 1/2021
16 Leben in Eltville

   Weitergeben statt Wegwerfen
Anstatt Sachen zu reparieren oder sie          stellung von neuen Produkten keine wei-
weiterzugeben, werden viele Dinge heut-        teren Ressourcen verbraucht werden und
zutage häufig einfach weggeworfen. Oft         kein Müll entsteht. Manch ein Kleid wurde
ist aus diesem Grund davon die Rede,           in der Kinderdorffamilie in Haus 3 von
dass wir in einer Wegwerfgesellschaft          Nicole, Steffi, Melanie und Daniela ge-
leben. Wir setzen jedoch ein Zeichen           tragen. An das schwarze Kleid, welches
gegen diesen Trend: Statt alles weg -          als graues T-Shirt-Kleid entsorgt werden
zuwerfen, werden bei uns Dinge weiter-         musste, erinnert sich Kinderdorfmutter
gegeben. Dabei spielt es keine Rolle, ob       Susanne gerne zurück.
es sich um Kleidung, Spielsachen, ande-        Auch geht es bei der Weitergabe um Wert-
re Sachspenden oder Fahrräder handelt –        schätzung. Die Kinder und Jugendlichen
Teilen wird großgeschrieben.                   lernen durch die Weitergabe, den Wert
                                               materieller Dinge zu schätzen.
Die Weitergabe spart nicht nur viel Geld,                                                  Auch dieser schöne Rock wurde „weiterge-
sondern ist auch nachhaltiger, da zur Her-                            Christina Bergold    reicht“

   Nachhaltigkeit in der Krippe – geht das?

Schöpfung bewahren heißt auch, verant-         es immer wieder, ressourcenschonendere      Arbeiten wieder. Regelmäßige Waldtage,
wortungsbewusst mit den Ressourcen             Möglichkeiten zu nutzen. So werden nur      Spaziergänge, Aktivitäten und Projekte
umzugehen, die uns gegeben sind. Die           noch waschbare Schuhüberzieher für          sollen den Kleinen auch schon in frühen
Bethanien Kindertagesstätte in Eltville        Gäste und Glas, anstelle von Plastik -      Jahren einen wertschätzenden Umgang
setzt daher schon seit mehreren Jahren         flaschen, genutzt. Des Weiteren wurden      mit ihrer Umwelt vermitteln. Bei gemein-
auf das Konzept der Nachhaltigkeit und         mehrere Wetbags (wasserdichte und           samen Streifzügen über das Kinderdorf-
des fairen Handels. Im Alltag werden diese     waschbare Mehrwegbeutel) angeschafft,       gelände pflücken die Kinder und die Erzie-
Aspekte nicht nur bei der Zubereitung der      damit man verschmutzte Kleidung nicht       herInnen Äpfel oder Mirabellen und
Speisen berücksichtigt, unter anderem          mehr in einem Plastikbeutel mit nach        verarbeiten diese dann beispielsweise zu
durch regionale und saisonale Obst- und        Hause geben muss. Als stoffwindelfreund-    Marmelade. Solch lebensnahe Aktionen
Gemüsesorten, sondern auch im Umgang           liche Kita ausgezeichnet, ist es zudem      vermitteln den Kindern am authentischs-
mit Materialien und Rohstoffen. Zudem
                                               immer gerne gesehen, wenn Eltern sich       ten, was uns die Natur alles zu bieten hat
fällt in einer Krippe täglich sehr viel Müll
                                               für dieses Konzept entscheiden.             und wie bewahrenswert schöne Momen-
an, vor allem durch Hygieneartikel wie
                                                                                           te und Erfahrungen sind.
Windeln und Einweghandschuhe, welche           Den nahen Kontakt zur Natur zu pflegen,
leider unverzichtbar sind. Jedoch gelingt      spiegelt sich auch im pädagogischen                             Katja Jung, Erzieherin

kidoblick Nr. 54 · 1/2021
Leben in Eltville 17

Verantwortungsbewusster Alltag
Die Welt ein kleines bisschen besser machen – die Kinder und Jugendlichen im Bethanien
Kinderdorf Eltville meinen, dass jeder einen Beitrag leisten kann und muss. Bewusst leben, das
Schöne sehen und achtsam sein. Das fängt im Alltag bei der Mülltrennung und bei einem spar-
samen Verbrauch an, beim Einkauf mit Mehrweg – statt Einweg. Doch es gibt noch mehr …

Unser Heim für unsere Vögel
Blaumeisen, Amseln und Rotkehlchen picken emsig am Futterhaus im Garten der
Außenwohngruppe Pleizenhausen. Besonders unsere jüngeren Kinder beobachten
die Tiere mit Freude und sorgen sich um deren Wohlergehen. Unsere Jüngste würde
ihnen sogar gerne helfen, ein Nest zu bauen. Nach der Erklärung, dass die Menschen
den Vögeln zwar dabei helfen können, geeignete Brutplätze zu finden, die Tiere ihre
Nester aber selbst bauen, meint sie, dass unser Garten unbedingt viele Verstecke für
Vogelkinder haben sollte.
Wir Menschen können nur wertschätzen, was wir kennen. Und wenn wir etwas wert-
schätzen, übernehmen wir gerne auch Verantwortung. Im Kleinen zeigt sich das zum
Beispiel bei unserem Futterhaus. Das bunte Treiben der Vögel fasziniert die Kinder. Sie
haben oft einen viel weiteren Blick auf die Schöpfung Gottes, die uns umgibt und die
so viel mehr ist als nur der Mensch. „Wir müssen Futter auffüllen!" ist eine oft erklin-
gende Aussage von den Kindern, wenn wir Erwachsenen in der Hektik des Alltags das
Futterhaus hinten anstellen.        Thomas Pies, Außenwohngruppe Pleizenhausen

Ein Upcycling Kunstwerk: Wie ein Haus aus Pappe entsteht
                                        Schuhkartons, Toilettenpapierrollen, Eierkartons, alte Kleidung und Stoffreste. Ein kla-
                                        rer Fall für den Abfall? Nicht für die Kinder aus dem Bethanien Kinder- und Jugenddorf
                                        in Eltville. In einem Workshop, durch ehrenamtliches Engagement angeleitet von
                                        einer Architektin, lernten die Kinder spielerisch, auf was beim Hausbau zu achten ist.
                                        Wie gestalte ich mein eigenes Traumhaus? Auf was muss ich achten? Voller Elan schnip-
                                        pelten, klebten und fantasierten die Kinder gemeinsam drauf los, um abschließend
                                        voller Stolz alle Traumhäuser in einer kleinen Ausstellung präsentieren zu können.
                                        Auch heute noch schmücken die Traumhäuser die Kinderzimmer, es wird mit ihnen
                                        gespielt und sich dran erfreut. Denn jeder weiß: Ich habe mir mein eigenes trautes Heim
                                        aus etwas erschaffen, was für andere bereits vergessen und verloren ist. Ich trage die
                                        Schöpfung fort. Probiert es doch auch mal :)                       Freya Staib, Haus 4a

Zu Fuß in die Schule
Wer kennt es nicht? Vor den Schulen herrscht morgens meist Verkehrschaos – viele
Kinder werden bis vor den Schuleingang gebracht. Zum Leidwesen der Kinder, die zu
Fuß zur Schule gehen und verstärkt auf den Autoverkehr achten müssen.
Die Kinder unserer Außenwohngruppe Oestrich-Winkel lernen schon früh, ein Verständ-
nis für den Straßenverkehr zu entwickeln. Sie gehen den Schulweg selbständig –
dieser führt gut 1,5 km bis zur Schule. Bei Wind und Wetter kostet es morgens schon
manchmal Überwindung, doch die Kinder laufen den Weg sogar gerne. Sie nutzen die
Zeit für Gespräche und um die Natur zu erleben. „Es tut gut,“ sind sich die Kinder einig.
„Nicht nur uns, sondern auch der Umwelt.“
                                 Manuela Bothe, Außenwohngruppe Oestrich-Winkel
18 Fachlich

    Klimaschutz in den Kinderdörfern

Seit vielen Jahren beschäftigen            Die Neubauten, die in den letzten Jahren
                                           auf dem Kinderdorfgelände entstanden
                                                                                         Fuhrpark
sich die Bethanien Kinderdörfer
                                           sind (Gartenhaus, Regenbogenhaus,             In beiden Kinderdörfern gibt es die ersten
mit dem Thema Nachhaltigkeit               Kastanienhaus und Baumhaus) wurden            Elektroautos, auch eine Ladesäule ist in
und Klimaschutz.                           nach dem KfW-55 bzw. KfW-40-Standard          Schwalmtal vorhanden. Lasten-E-Bikes
                                           errichtet, sind also besonders energie-       erleichtern in Bergisch Gladbach in eini-
Wir haben einige Beispiele aus             effizient.                                    gen Familien den Mitarbeitenden den
Schwalmtal und Bergisch Glad-              Für die Häuser auf der Kastanienallee
                                                                                         Alltag.
bach zusammengetragen:                     wurde der nächste Schritt gegangen: Zur       Aber auch mit kleinen Dingen können
                                           Nutzung von Erdwärme wurden 90 Meter          wir alle dazu beitragen, den Klimaschutz
Heizen/Strom                               tiefe Bohrungen gemacht, die Wärme-
                                           pumpen werden durch Photovoltaik unter-
                                                                                         voranzutreiben. Neue Fahrradunterstände
                                                                                         setzen in beiden Kinderdörfern Anreize,
2010 wurde bei der Erneuerung der Heiz-    stützt. Als Pilotprojekt verfügt eines der    auch mit dem Zweirad zur Arbeit zu kom-
anlage in Schwalmtal ein Blockheiz -       beiden Häuser über einen Stromspeicher,       men.
kraftwerk (BHKW) in die Heizanlage         um Sonnenstrom auch abends und in den
eingebunden: Durch die sogenannte          frühen Morgenstunden nutzen zu können.
Kraft-Wärme-Kopplung wird mit dem
                                           Zum Thema Wirtschaftlichkeit: Derzeit
BHKW Strom erzeugt und die anfallende
                                           gibt es umfangreiche Fördermöglichkeiten
Wärme zum Heizen genutzt. So wird das
                                           durch die KfW (Kreditanstalt für Wieder-
verwendete Erdgas optimal genutzt, es
                                           aufbau) und BAFA (Bundesamt für Wirt-
entsteht – wie sonst bei der Stromerzeu-
                                           schaft und Ausfuhrkontrolle), die das Kin-
gung unumgänglich – keine Abwärme.
                                           derdorf nutzen konnte.
                                           In Bergisch Gladbach soll demnächst das
                                           vorhandene BHKW mit einer Pellethei-
                                           zung und dem nachwachsenden Rohstoff
                                           Holz betrieben werden. Unterstützend
                                           können wir für die Warmwasserbereitung
                                           z.B. auf dem Dach der Aula eine Photovol-
                                           taikanlage betreiben. Die gibt es auf Haus
                                           Sonja Kill schon seit 2015.
                                           Von 2014 bis 2018 wurden fast im gesam-
                                           ten Kinderdorf die Fenster saniert, zuletzt
                                           2020 im Konvent. Das war unter anderem
                                           durch Mittel aus Denkmalförderprogram-
                                           men in diesem Umfang möglich.                 Bald sollen in Bergisch Gladbach die
                                           Schwieriger ist es, die denkmalgeschütz-      ersten Jobräder rollen. Die Mitarbeiten-
                                           ten Fassaden des von Gottfried Böhm           den können dann über das Kinderdorf ein
                                           konzipierten Kinderdorfes zu sanieren.        E-Bike erhalten und dieses nach einer
                                           Eine echte energetische Fassadensanie-        gewissen Laufzeit zu einem guten Preis
                                           rung lässt sich leider mit dem Denkmal-       kaufen. Vielleicht brauchen wir dann
                                           schutz nicht vereinbaren. Stattdessen         irgendwann mehr Fahrradstellplätze als
                                           haben wir überall in die Hohlräume zwi-       Parkplätze für Autos.
                                           schen Außenwand und Ziegelsteinwand                  Birgit Nohl und Stephan Joebges,
Stephan Joebges: „Der bezogene Strom ist   sogenannte Perlite gefüllt, die auch einen                    Verwaltungsleitungen in
natürlich zertifizierter Ökostrom!“        ganz guten Dämmeffekt haben.                       Bergisch Gladbach und Schwalmtal

kidoblick Nr. 54 · 1/2021
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