Kirchen helfen! 70 Jahre HEKS - Nr.2| 2016 - Brot für alle
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Mitteilungen der evangelischen Werke für die Kirchgemeinden Nr.2| 2016 Kirchen helfen! 70 Jahre HEKS © Jãšrg Mâÿller/HEKS
2 contigo Nr.2 | 2016 INHALT contigo Mitteilungen der evangelischen Werke für die Kirchgemeinden Herausgegeben von Brot für alle, HEKS, Mission 21 und den OeME-Fachstellen Erscheint viermal jährlich im März, Juni, September und Dezember ISSN 1660-3788 Brot für alle Bürenstrasse 12, Postfach 1015, 3000 Bern 23 Tel. 031 380 65 65, Fax 031 380 65 64 Mail: info@bfa-ppp.ch, Web: www.brotfueralle.ch Spendenkonto: 40-984-9 © act alliance / Paul Jeffrey HEKS – Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz Seminarstrasse 28, Postfach, 8042 Zürich Tel. 044 360 88 00, Fax 044 360 88 01 Mail: info@heks.ch, Web: www.heks.ch Spendenkonto: 80-1115-1 DOSSIER S4 – 9 Wer flüchten muss, kommt oft mit leeren Händen. Umso wichtiger ist die Hil- Mission 21 – Evangelisches Missionswerk Basel fe, die kirchliche Organisationen unterwegs oder bei der Ankunft in der Schweiz Missionsstrasse 21, 4009 Basel leisten. Das hat Tradition, wie das Dossier mit Beiträgen zum 70. Geburtstag von Tel. 061 260 21 20, Fax 061 260 21 22 Mail: info@mission-21.org, Web: www.mission-21.org HEKS zeigen. War es 1946 die Not im kriegszerstörten Europa, braucht es heute Spendenkonto: 40-726233-3 die Solidarität mit den vielen Menschen, die vor Gewalt und Bürgerkrieg vor allem OeME-Fachstellen der Kantonalkirchen Web: www.oeme.ch in Asien und Afrika flüchten. uw Redaktion Dorothee Adrian (da) Mission 21 BROT FÜR ALLE Heinz Bichsel (hb), OeME Olivier Schmid (os), HEKS S10 – Partnerorganisation Silnorf in Sierra Leone unterstützt Bauern, Urs Walter (uw), Brot für alle damit sie nicht erneut unter dem Addax-Zuckerrohrprojekt leiden Redaktionsleitung Urs Walter S11 – Studie: «Ungenügend» für Menschenrechtspolitik der Tel. 031 380 65 71 Bürenstrasse 12, Schweizer Grosskonzerne Postfach 1015, 3000 Bern 23 Mail: walter@bfa-ppp.ch Layout HEKS comDesign AG, 3210 Kerzers S14 – Grosse Aktion «Farbe bekennen für Menschen auf der Flucht» Druck rubmedia, 3084 Wabern S17 – Sensibilisierungskampagne: Berufliche Qualifikation der Adressänderungen und Abonnementsverwaltung Administration Brot für alle Migrantinnen und Migranten erkennen und nutzen Bürenstrasse 12, Postfach 1015, 3000 Bern 23 Mail: contigo@bfa-ppp.ch MISSION 21 Tel. 031 380 65 65 Fax 031 380 65 64 S18 – Kirchliches Umweltengagement in Peru im Schatten der Industriekamine S19 – Das Theologische Institut im Südsudan wurde in der Hauptstadt Juba wieder eröffnet HINWEISE UND MEDIENTIPPS S22 – Agenda und Nachrichten Titelbild: Flüchtende kommen immer wieder aus anderen S23 – Bücher- und Filmtipps Ländern (im Bild Frauen und Kinder aus Vietnam). Doch das Leid und die Not, die zur Flucht bewegen, wiederholen sich und erfordern immer wieder unsere Hilfe. Tätigkeitsberichte 2015 veröffentlicht Rückseite: Der vierjährige Ritan und seine Familie flüchteten aus Syrien. In Presevo, nahe der Grenze Diesem «contigo» liegen Flyer der drei Werke bei, um den Jahresbericht 2015 von Serbien zu Mazedonien, erhält er eine Suppe zur zu bestellen. Ausführliche Informationen auch auf www.brotfueralle.ch/ Stärkung. jahresbericht, www.heks2015.ch und www.mission-21.org/jahresbericht.
contigo Nr.2 | 2016 3 EDITORIAL Die Hilfe der Kirchen ist nötiger denn je Andreas Kressler, HEKS-Direktor Seit siebzig Jahren setzen sich die Kirchen gemein- sam für notleidende und benachteiligte Menschen ein – und stellen im Zeichen der christlichen Nächs- tenliebe Hoffnung gegen Resignation. Dieses Enga- gement ist heute nötiger denn je. Weltweit sind so viele Menschen auf der Flucht wie noch nie. Wie konnte es zu einem solchen Flüchtlingsstrom kom- men? Und wie können wir Menschlichkeit zeigen? Damals wie heute geht es darum, den vor Krieg und © Franz R. & Gerry A./HEKS Verfolgung geflüchteten Menschen Schutz zu gewäh- ren. Gleichzeitig gilt es, mit nachhaltiger Entwick- lungszusammenarbeit zu einer menschlicheren und gerechteren Welt beizutragen, in der alle Menschen ein selbstbestimmtes Leben in Frieden, Sicherheit Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, als Millionen und Würde führen können. Darum unterstützen Brot Menschen unter grosser Not litten, rief der Evan- für alle, HEKS und Mission 21 die Menschen in vie- gelische Kirchenbund die reformierten Kirchen der len Ländern, ihre Lebensgrundlagen zu sichern und Schweiz zu einer Hilfsaktion zugunsten der Schwes- Konflikte mit gewaltfreien Mitteln zu lösen. Natür- terkirchen in den Nachbarländern auf. Pfarrer Hein- lich hoffen wir auch dabei auf die Hilfe der Kirchen. rich Hellstern wurde damit beauftragt, als Sekretär die verschiedenen Sammelaktionen der Kantonal- kirchen zu organisieren: HEKS, das «Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz», war geboren. Die Leiterin und die Leiter der drei Werke Brot für alle, HEKS und Mission 21 sowie der OeME-Fachstellen wechseln sich beim Schreiben des Editorials ab.
4 contigo Nr.2 | 2016 DOSSIER FLÜCHTLINGSHILFE Die Geschichten ähneln sich Olivier Schmid (Mitarbeit: Regula Demuth) 1945 herrschten in Europa Hunger und Armut. ohne Milch und ohne Pflege. Die Kranken und Sterben- Innerhalb von zwei Jahren verteilte HEKS den lagen fast alle ohne Strohsack, ohne Unterlage auf dem nackten Waggonfussboden. […] Erschöpfte Kinder kauerten 3150 Tonnen Lebensmittel, Kleider und Bücher. in den Winkeln, vollständig verschmutzt, manche mit ge- Auch heute sind wieder Millionen Menschen schwollenen Beinchen und aufgedunsenem Gesicht – Hun- auf der Flucht – und noch immer setzt sich HEKS ger – Ödem! Viele hatten kein Hemd mehr, nur das blanke für die Notleidenden ein. Kleidchen am Leib. Der eintretende Frost fand sie ohne jeden Schutz. Tagelang schleppten unsere Schwestern zusammen- gebettelte Wäsche, Kleider, Schuhe zu diesem Elendswinkel der zusammengebrochenen Zivilisation.» Notkirchen und Literaturhilfen Nur langsam drangen Informationen über das Ausmass des Elends in die Schweiz. «Je mehr sich die Grenzen öffnen, desto zahlreicher werden die Nachrichten aus den notleiden- den Schwesterkirchen», berichtete Pfarrer Heinrich Hell- stern, der erste Sekretär von HEKS, in den «HEKS-Mittei- lungen». «Und damit steht die Aufgabe immer dringender vor uns, das Viele, das uns Gott in dieser Kriegszeit gelassen hat, mit denen zu teilen, die nichts mehr haben.» Die Abgeordnetenversammlung des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK) beschloss, die protes- tantischen Schwesterkirchen in den europäischen Nach- kriegsländern mit einer Hilfsaktion zu unterstützen und rief die Evangelisch-reformierten Kirchen in der Schweiz zu ei- © Jãšrg Mâÿller/HEKS ner Sammlung auf. «Wir hoffen, diesen Heimatlosen, deren Zukunft noch ganz im Ungewissen liegt, soweit es in unse- ren Kräften liegt, ein klein wenig von der Hilfe zukommen zu lassen, die sie so dringend nötig haben», schrieben die Äpfel für Flüchtlingskinder: Die Schweizer Bauernfamilien spendeten in der «HEKS-Mitteilungen». Nachkriegszeit Tonnen von Lebensmitteln. Die Kirchen sammelten Geld für «Notkirchen», die den Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges lag Europa in Flüchtlingen als Unterkunft dienten, ebenso Nahrungsmit- Schutt und Asche. Die Menschen waren auf der Flucht, un- tel, Medikamente, Wäsche, Kleider, Schuhe, Geschirr und terernährt und krank, von ihren Familien getrennt. «Sie hun- Haushaltgeräte sowie Spielzeug. Die Kirchen leisteten auch gerten und nährten sich nur von Gemüse und Kartoffeln, die «Literaturhilfe» und schickten den Schwesterkirchen für die sie sich auf den Feldern zusammensuchten», beschrieben die «geistige Nahrung» theologische Bücher. Pfarrer und Fami- «HEKS-Mitteilungen» damals die Not der Menschen. «Vie- lienangehörige, die während des Krieges in Konzentrations- le Kleinkinder waren ohne die geringste Kindernahrung, lagern oder durch Trennungen besonders gelitten hatten,
contigo Nr.2 | 2016 DOSSIER 5 wurden zu einem «Erholungsurlaub» in die Schweiz eingeladen. Die Solidarität in der Bevölke- rung war gross. Die Schweizer Bau- ernfamilien spendeten Tonnen von Lebensmitteln, wie in den «HEKS- Mitteilungen» über die Sammelaktion im Kanton Zürich steht: «Sie haben […] dem Hilfswerk 32 Eisenbahnwa- gen Lebensmittel zur Verteilung zur Verfügung stellen können. Davon sind 190 000 kg Kartoffeln, 18 000 kg Mehl, © András D. Hajdú /HEKS 20 000 kg Dörrobst, 4600 kg Teigwa- ren, 2600 kg Tafelfett, 2600 kg Kon- densmilch, 1000 kg Käse usw. Die Lebensmittel sollen vor allem Flücht- lingskindern zugutekommen. Drei Siebtel der Waren sind für Österreich, Nachdem Ungarn seine Grenzen im September 2015 dicht gemacht hatte, verschob sich die Balkanroute an die serbisch- zwei Siebtel für Deutschland und zwei kroatische Grenze: Flüchtlinge warten auf eine Gelegenheit, weiterzureisen. Siebtel für Ungarn bestimmt.» Serbien, September 2015 Hilfe vor Ort organisieren – so auch in Serbien. Mobile Ein- Auch heute, siebzig Jahre später, sind wieder Millionen satzteams des lokalen ökumenischen Hilfswerks Ecumenical Menschen auf der Flucht – mit weltweit sechzig Millionen Humanitarian Organization (EHO) versorgten die Flücht- so viele wie noch nie. Im Sommer 2015 waren die Bahnhöfe linge mit dem Nötigsten: «Allein am 18. September verteilte in Ungarn, Deutschland und Österreich überfüllt mit Men- EHO 800 kg Äpfel, 400 kg Bananen, 1000 Brote, 1200 Was- schen, die nur dabeihatten, was sie mit sich tragen konnten. serflaschen, 1000 Schokoriegel, 600 Pakete Biscuits, 10 Paar Der Flüchtlingsstrom über die Balkanroute riss nicht ab. Im Schuhe für Mütter und Kinder, 400 Regenjacken, 30 Zelte, 20 September 2015 kamen täglich Tausende in Serbien an. In ei- Matten und 20 Schlafsäcke», berichtete HEKS im Herbst 2015. ner Online-Reportage berichtete HEKS: «Ein doppelstöcki- ger Bus hält unweit der serbischen Stadt Šid auf freiem Feld. In Echtzeit Es ist bereits der siebzehnte an diesem Morgen. Er kommt Vor siebzig Jahren waren es notleidende Menschen im aus Preševo an der mazedonischen Grenze. Unter den 65 kriegsversehrten Europa, die Hilfe benötigten. Heute suchen Fahrgästen ist auch Sur Suhaila. Die 30-jährige Syrierin ist Menschen aus dem Nahen Osten, Asien und Afrika in Eu- seit zehn Tagen mit ihren vier Kindern und den vier Töch- ropa Schutz und Unterstützung. Sie fliehen vor Krieg und tern der Schwester unterwegs. [Sie füllt] die Taschen mit Le- Verfolgung, vor den prekären Lebensbedingungen in den bensmitteln […]. Sie bittet um eine Hose für ihren zehnjähri- Flüchtlingslagern in Libanon oder Jordanien, wegen fehlen- gen Sohn, nimmt Strumpfhosen für die jüngeren Mädchen. der Perspektiven. Während damals die Informationen nur […] Bloss nicht zurückschauen und jeden Gedanken an den langsam in die Schweiz gelangten, werden wir heute prak- Ehemann, dessen Spur sie verloren hat, wegschieben.» tisch in Echtzeit mit der Not der Menschen konfrontiert. Wir lesen über die Kriege in Syrien und im Irak, hören von Wie siebzig Jahre zuvor in den Nachkriegsländern fehlt überfüllten Flüchtlingsbooten, von Hunderten von Toten. es den Menschen auch auf der Balkanroute am Notwen- Wir sehen die frierenden Menschen, verzweifelte Gesichter, digsten. Und wie damals zeigte die Bevölkerung im Herbst die angeschwemmte Leiche eines Jungen – und lesen von 2015 grosse Solidarität. Unzählige private Hilfsaktionen ver- Grenzschliessungen, Quoten, kollektiven Rückführungen in suchten vor Ort die Not der Flüchtlinge zu lindern. Und die die Türkei. «Glückskette» sammelte innerhalb eines Monats 20 Millio- nen Franken – so viel wie seit dem Kosovokrieg 1999 nicht In der oben zitierten Reportage aus Serbien fragte HEKS: mehr. Auch HEKS leistete Hilfe. Im Gegensatz zu damals «Wie kann es im 21. Jahrhundert zu einem solchen Flücht- werden die Hilfsgüter heute aber nicht mehr in der Schweiz lingsstrom kommen? […] Wie können wir Menschlichkeit gesammelt und ins Ausland transportiert. Als international zeigen? Es sind nicht die Flüchtlinge, die uns Angst machen tätiges Hilfswerk verfügt HEKS mittlerweile über langjähri- sollten. Sondern die Tatsache, dass Menschen auf der Flucht ge lokale Partnerorganisationen und kann bei Krisen rasch sind.»
6 contigo Nr.2 | 2016 DOSSIER KONFLIKTBEARBEITUNG Die Stimme der Zivilgesellschaft Interview: Olivier Schmid HEKS setzt sich seit seiner Gründung für Frieden über anderen Nationalitäten ab. Auf diese Weise machten sie und Gerechtigkeit ein. Heute würden Friedenspro- erste Schritte auf dem Weg zur Versöhnung. jekte aber professioneller durchgeführt, sagt Una Wie hat sich das Engagement von HEKS seither Hombrecher*. Der Ansatz sei aber derselbe geblie- entwickelt? ben: Menschen durch eine gemeinsame Aufgabe Im Gegensatz zu früher werden Friedensprojekte heute zusammenzubringen. professioneller durchgeführt – von der Planung über die sys- tematische Analyse des Umfelds und die Implementierung bis hin zur Wirkungsmessung. Aber im Kern ist der Ansatz Was waren die ersten Aktivitäten von HEKS im derselbe geblieben: Menschen werden durch eine gemeinsa- Bereich Konfliktbearbeitung? me Aufgabe zusammengebracht, damit sie in einen konst- Nach dem Zweiten Weltkrieg eröffnete HEKS in Zu- ruktiven Dialog treten, ihre Werte und Einstellungen hinter- sammenarbeit mit dem Weltkirchenrat die «Casa Locarno». fragen, Stereotypen abbauen und ihr Verhalten ändern. Menschen verschiedener Nationalitäten verbrachten dort ihre Ferien und kamen miteinander in Kontakt. Indem sie Was ist, über diese individuelle Ebene hinaus, das gemeinsam den Haushalt besorgten, traten sie miteinander konkrete Ziel? in den Dialog und bauten ihre feindseligen Gefühle gegen- Bei den meisten Konflikten handelt es sich nicht um di- rekte, physische Gewalt, sondern vielmehr um indirekte, un- sichtbare Gewalt, die in den herrschenden gesellschaftlichen Strukturen und in der jeweiligen Kultur verankert ist und die Rechte einzelner Gruppen missachtet. HEKS verfolgt deshalb das Ziel, die auf der individuellen Ebene vermittel- ten Werte und Normen auch auf der politischen Ebene zu verankern und so an einer Gesellschaft mitzubauen, die auf Gerechtigkeit und Gleichberechtigung basiert. Gibt es ein Beispiel für strukturell und kulturell be- dingte Gewalt? Ein gutes Beispiel sind die indigenen Dalits in Bang- ladesch, die kein Recht auf eigenes Land haben und nur niedrigste Arbeiten verrichten dürfen. Diese strukturell ver- ankerte Diskriminierung wird durch das Kastensystem le- gitimiert, nach welchem die Dalits als «Unberührbare» zur untersten sozialen Stufe gehören und als schmutzig gelten. Oft nehmen die Opfer ihre Diskriminierung gar nicht als Gewalt wahr: Da sie in diese Strukturen und Wertesysteme © HEKS hineingeboren wurden, ist die erlebte Ungerechtigkeit für sie selbstverständlich. Es ist deshalb zentral, die Menschen über Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen Menschen verschiedener Nationalitäten in der «Casa ihre Rechte aufzuklären und sie zu befähigen, sich gegen die Locarno» miteinander in Kontakt und machten erste Schritte auf dem Weg zur Versöhnung. Diskriminierung zu wehren.
contigo Nr.2 | 2016 DOSSIER 7 Wie werden die benachteiligten Menschen dabei un- der Zivilgesellschaft angesehen, der Werte vermittelt – nicht terstützt, ihre Rechte einzufordern? zuletzt zur Bekämpfung von religiösem Fundamentalismus. Wir fördern den Aufbau und die Vernetzung lokaler zi- Indem wir den ausgegrenzten Menschen eine Friedensvision vilgesellschaftlicher Organisationen, damit sie die Regierun- vermitteln und Perspektiven aufzeigen, bekämpfen wir die gen in die Verantwortung nehmen können. Nur mit geeinter Ursachen von Extremismus: Mangelnde Partizipation und Stimme kann die Zivilgesellschaft in Sensibilisierungskam- Perspektivlosigkeit. pagnen eine breite Öffentlichkeit auf Menschenrechtsverlet- zungen aufmerksam machen und auf diskriminierende Ge- HEKS ist mehr eine Entwicklungs- denn eine Frie- setze und gesellschaftliche Strukturen einwirken. In Israel densorganisation. Warum konzentriert sich HEKS nicht zum Beispiel wurde durch die Advocacy-Arbeit der HEKS- auf die Entwicklungszusammenarbeit? Partner das von der Regierung tabuisierte Rückkehrrecht der Entwicklungszusammenarbeit und Friedensarbeit sind palästinensischen Flüchtlinge ein öffentlich diskutiertes The- nicht voneinander zu trennen. Es ist nicht nachhaltig, nur die ma. Und in Honduras rückten dank dem Lokalradio «La Voz materiellen Lebensbedingungen zu verbessern. Langfristig de Zacate Grande» die Landvertrei- bungen der Kleinbauernfamilien in den öffentlichen Fokus, wodurch die Gewalt gegen Menschenrechtsvertei- digerinnen und -verteidiger im Pro- jektgebiet zurückging. Die Regierun- gen erlassen aber immer restriktivere Gesetze, die den Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft einschränken. Es gilt darum, auch auf globaler Ebene die Rechte der Zivilgesellschaft ein- zufordern, etwa über internationale Netzwerke wie ACT Alliance («Action by Churches Together»). © Pieder Casura/HEKS Wie engagiert sich HEKS in Kriegskonflikten? Wir zeigen durch Friedensbildung Wege auf, wie mit Konflikten gewaltlos umgegangen und so die herrschende Keinen Zugang zu Bildung und menschenwürdiger Arbeit zu haben, ist diskriminierend: An Dorfversammlungen in Gewalt verringert werden kann. Ziel Bangladesch werden Dalit-Frauen über ihre Rechte aufgeklärt. ist es, die Menschen widerstandsfä- hig zu machen: sei es gegen die Kriegspropaganda der Re- können die Menschen ihre Existenzgrundlagen nur sichern, gierungen wie zum Beispiel im Südkaukasus, wo wir die wenn die gesellschaftlichen und politischen Strukturen sie Menschen dabei unterstützen, in einem konstruktiven Dia- vor der Verletzung ihrer grundlegenden Rechte schützt. Auch log eine gemeinsame Friedensvision zu entwickeln, die den ungelöste Konflikte zwischen Bevölkerungsgruppen hindern herrschenden Diskurs vom «fremden Bösen» verändert und die Entwicklung. Früher standen die Konflikte im Umfeld die gemeinsame Kultur in Erinnerung ruft; sei es gegen die von Entwicklungsprojekten noch nicht so stark im Zentrum. Rekrutierung und Instrumentalisierung von Jugendlichen In Kambodscha zum Beispiel funktionierte die Zusammen- durch die Kriegsparteien wie zum Beispiel im Südsudan. arbeit zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen we- Dort planen wir Projekte, die die Berufsbildung fördern und gen ungelöster Spannungen aus der Zeit der «Khmer Rouge» einkommensfördernde Massnahmen unterstützen. nicht, der Unterhalt der zur Verfügung gestellten Bewässe- rungssysteme wurde vernachlässigt. Wir schulten die Mitar- Hat ein kirchliches Hilfswerk im Kontext von Kon- beitenden der Partnerorganisationen in Konfliktbearbeitung, flikten einen Vorteil? und die Dorfgemeinschaften erkannten, dass es für die Ent- Ich denke, dass wir in bestimmten Ländern als kirchliche wicklung besser ist, wenn sie miteinander statt gegeneinan- Organisation über lokale kirchliche Strukturen einen beson- der arbeiten. Mittlerweile integrieren wir friedensfördernde deren Zugang zur Zivilgesellschaft haben. Zudem sind glau- Massnahmen in alle Entwicklungsprojekte. bensbasierte Organisationen in der Entwicklungszusammen- arbeit angesichts des Werteverlusts in einer säkularisierten Welt immer mehr gefragt. Wir werden als wichtiger Akteur *U na Hombrecher ist Beauftragte für Frieden und Konfliktbearbeitung bei HEKS
8 contigo Nr.2 | 2016 DOSSIER OSTEUROPA Hilfe von Kirche zu Kirche Franz Schüle * Während der Zeit des Kalten Krieges unterstützte Geburt der «zwischenkirchlichen Hilfe» HEKS Kirchgemeinden in Osteuropa bei der Reno- Ab 1948 war der Kontinent durch den Eisernen Vorhang aufgeteilt in West und Ost. Keine Frage, dass HEKS auch Kir- vation von Kirchen und förderte den Aufbau diakoni- chen und Kirchgemeinden in der Sowjetunion, in der DDR, scher Strukturen. Aus diesem langjährigen Engage- in Jugoslawien, Polen, Rumänien, Tschechien und Ungarn ment ist eine enge Zusammenarbeit entstanden. unterstützte: Die zwischenkirchliche Hilfe von HEKS war geboren. Die sozialistischen Regimes in Osteuropa waren Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges beschlossen die re- kirchenfeindlich; es wurde damit gerechnet, dass Glauben formierten Schweizer Kirchen, ihre Hilfe für Kriegsopfer in und Kirchen verschwinden würden, sobald der Sozialismus Europa zu bündeln. Ob mit dieser Hilfe Kirchen unterstützt eingeführt wäre. Viele Kirchgemeinden hielten dagegen mit wurden, Not oder Wiederaufbauhilfe geleistet wurde, spielte Mut und Trotz. In grosser Treue verkündeten sie das Evan- keine Rolle: Was zählte, war die Hilfe von Kirche zu Kirche. gelium. Sie wurden dabei von HEKS unterstützt, oft in Zu- Denn ohne lokale Kirchgemeinden als Partner konnte HEKS sammenarbeit mit Werken in Deutschland und Holland. In die Menschen vor Ort nicht unterstützen. Ungarn wurden zum Beispiel Renovationen und Neubauten der Theologischen Hochschulen mitfinanziert, in der DDR und in Ungarn der Bau von Heimen für Behinderte sowie die Renovation der Kirchen, in Rumänien Bibeldrucke oder Stipendien für Pfarrerinnen und Pfarrer. Als ich 1982 meine Arbeit bei HEKS aufnahm, war die zwischenkirchliche Hilfe ein wichtiges Standbein der Aus- landarbeit. Die Arbeit in diesem Bereich war aber schwierig und zuweilen fast konspirativ. So pflegte ich bei Besuchen in Rumänien oder Tschechien nicht nur Kontakte mit Men- schen der Kirchenleitung, die dem Staat nahestanden; son- © Andreas Schwaiger/HEKS dern ich traf im Schutz dieser offiziellen Kontakte auch dis- sidente Kirchenmitglieder. Auf diese Weise äufnete HEKS in den beiden Ländern Nothilfekassen für Pfarrer, die vom Staat kaltgestellt worden waren. Das schaffte Verwirrung: In der Schweiz wurde HEKS beargwöhnt und wegen der Zu- Die Reformierte Kirche in Ungarn fördert die Integration der Roma und baut Vorurteile der sammenarbeit mit kommunistischen Organisationen von Mehrheitsbevölkerung ab. der Bundespolizei fichiert. Sich zu rechtfertigen war nicht möglich, um das Beziehungsnetz in den osteuropäischen Zwei Fragen stellten sich in den ersten Jahren mit gröss- Ländern nicht preiszugeben. ter Dringlichkeit: Sollten die Hilfsgüter auch nach Deutsch- land geliefert werden, zu den «Tätern»? Oder nur zu den In Rumänien hatte ich Freunde, die ich kaum treffen «Opfern» nach Holland oder Frankreich? Die Antwort der durfte – ich wollte sie nicht zusätzlich in Schwierigkeiten Schweizer Kirchen war zum Glück eindeutig: Nothilfe dürfe bringen. Brauchten sie Unterstützung für eine dringend not- nicht Belohnung für Opfer sein, verweigerte Hilfe nicht Be- wendige Aufgabe, schickten wir ihnen diese über Mittels- strafung der Täter. leute. Das setzte Vertrauen voraus und förderte es zugleich.
contigo Nr.2 | 2016 DOSSIER 9 ten fortan viele ihrer Hilfsaktionen in Bosnien, Serbien und Mazedonien mit der EHO durch. Das kleine Werk der protestantischen Kirchen im Norden von Serbien ist mittlerweile ein wich- tiger, zuverlässiger Partner. So leistet HEKS heute gemeinsam mit EHO Soforthilfe für die Flüchtlinge auf der Balkanroute. Aufbau von diakonischen Strukturen Vielleicht ist dies das Wichtigste, was HEKS in der «Kirchlichen Zu- sammenarbeit», wie die zwischen- kirchliche Hilfe heute heisst, bewirkt © Andreas Schwaiger/HEKS hat: Kirchen und ihre Gemeinden zu ermutigen und zu unterstützen, dia- konische Strukturen aufzubauen. Was die Schweizer Kirchen mit der Grün- dung von HEKS bezweckten, können Die Stiftung Diakonia der Reformierten Kirche in Rumänien betreibt einen Hauspflegedienst für pflegebedürftige und auch die Partnerkirchen: ihre eigenen ältere Menschen. Hilfswerke zur Unterstützung von notleidenden und benachteiligten Nach dem Sturz Ceausescus Ende 1989 führte ich im Januar Menschen gründen. Nebst der EHO in Serbien gibt es davon 1990 eine Delegation grosser Schweizer Hilfswerke nach Ru- mehrere: die diakonischen Organisationen der reformierten mänien. Dank diesem Vertrauen brachten die Freunde jedes Kirchen in Tschechien, der Ukraine und in Rumänien oder der Werke mit seinem Partner vor Ort zusammen, ob Rotes die ökumenischen Werke in Ungarn und Rumänien. Weitere Kreuz, Gewerkschaften oder katholische Priester. Und ich Beispiele sind Regionalentwicklungsorganisationen in Ru- durfte meine Freunde Béla Kató und Miklós Ménessy zum mänien, Frauenschutzwerke und vieles mehr. HEKS arbeitet ersten Mal seit Jahren ganz offiziell treffen. seit Jahren eng mit diesen kirchlichen Hilfswerken und den Kirchen in Osteuropa zusammen. Sei es in der humanitären «Das machen wir, dieses Hilfswerk» Hilfe für Flüchtlinge, in der Entwicklungszusammenarbeit In Jugoslawien unterstützte HEKS die kleine reformier- oder als Hilfe von Kirche zu Kirche: Im Zentrum der kirchli- te Kirche von 1947 bis 1989 mit bescheidenen Mitteln: ein chen Zusammenarbeit steht die Linderung von Not und der paar Patenschaften für Kinder, etwas Literaturhilfe und ver- Einsatz für mehr Gerechtigkeit. einzelte Stipendien für Theologinnen und Theologen. Die Rechnung der staatlichen Behörden schien aufzugehen: Die Kirchgemeinden zogen sich mehr und mehr aus dem öffent- lichen Raum zurück und versanken in scheinbare Bedeu- tungslosigkeit. Gegen Ende der 1980er-Jahre schlitterte das Land in eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Krise. Als ich anlässlich einer Dienstreise mit der Kirchenleitung über die Möglichkeit sprach, eine kleine reformierte Organisation zu gründen, um den verarmten Menschen zu helfen, stiess © ARuedi Lüscher/HEKS ich aber eher auf Ablehnung. Zu gross schien diese Aufgabe. Aber der einzige Laie der Behörde, Károly Béres, flüsterte mir beim Abschied zu: «Das machen wir, dieses Hilfswerk». Wenige Jahre später, nach Ausbruch der Jugoslawienkriege, Franz Schüle bei der Vernissage seines Buches «Hinterfragen und Handeln – Ein gründete er zusammen mit beherzten Frauen und Männern Vierteljahrhundert HEKS-Geschichte(n)». das ökumenische Hilfswerk «Ecumenical Humanitarian Organisation» (EHO). Der Ökumenische Rat der Kirchen * Franz Schüle war von 1982 bis 1997 Leiter der Europa-Abteilung von HEKS aus Genf, HEKS und weitere europäische Hilfswerke führ- und von 1997 bis 2007 Zentralsekretär.
10 contigo Nr.2 | 2016 Bioenergy Ltd. brächte neue Fragen: Sunbird hat enge Ver- bindungen mit den Firmen China New Energy und Global ADDAX Lock China. Doch diese stehen auf der Liste der «Dubiosen 40 China AIM Casino Firmen» der britischen Aktienanalys- Firma vor dem Verkauf – Felder ten Share Prophets. verbrannt Ernteausfall droht Kürzlich besuchte Silva Lieberherr die Region Makeni in Urs Walter Sierra Leone, um das weitere Vorgehen von Silnorf zu pla- nen. «Die Bevölkerung steckt bis zum Hals in Problemen», hat sie beobachtet. Seit bald einem Jahr stehe alles still. Das bedeute keine Arbeit, fehlender Verdienst, kein Land und auch keine Möglichkeit mehr, beim Unternehmen Trakto- ren zum Pflügen der verbliebenen eigenen Felder zu mieten. Diese Dienstleistung hatte Addax auf Druck von Silnorf zugesichert. «Die Gefahr ist gross, dass die Bauernfamilien die bevorstehende Regenzeit zu wenig nutzen können und später die Ernte fehlt. Hunger droht», befürchtet Lieberherr. Im traditionellen Wechselanbau brennen die Bauern gewisse Gebiete vor dem Regen ab. Dieses Jahr ist vielerorts auch das Zuckerrohr auf den vernachlässigten Addax-Fel- © Brot für alle / Miges Baumann dern verbrannt. Noch schlimmer, wie eine Bäuerin erzählt: «In Romaro sind auch Häuser – mitsamt dem Reis und dem Saatgut fürs kommende Jahr – verbrannt.» Verfehlte Partnerschaft Staat/Private Addax hat in das Makeni-Projekt etwa 500 Millionen Statt Agrotreibstoff für Europa und Strom für Sierra Leone zu liefern, hinterlässt das Projekt Franken investiert. Rund 235 Millionen davon brachten von Addax verbrannte Zuckerrohrfelder. acht öffentliche Entwicklungsbanken ein. Aus der Schweiz flossen Steuergelder via das Staatssekretariat für Wirtschaft Zuckerrohrprojekt von Addax in Sierra Leone: Erst Seco. Die Investition mit Addax galt bisher als Vorzeigepro- musste die Bevölkerung für die Verbesserung der jekt für eine nachhaltige Entwicklungsfinanzierung und als Erfolg einer Partnerschaft öffentliche Hand und Privatwirt- Landverträge kämpfen. Jetzt steht alles still und schaft (PPP). das Projekt dürfte verkauft werden: Nach dem Land haben die Menschen nun auch ihre Arbeit verloren. «Beim Verkauf des Projektes müssen Addax, die Ent- wicklungsbanken und auch das Seco ihre Verantwortung Das Grossprojekt der Schweizer Addax Bioenergy zur übernehmen», fordert Brot für alle. Das Makeni-Projekt dür- Herstellung von Agrotreibstoff aus Zuckerrohr in Sierra Le- fe nicht an eine dubiose Firma verkauft werden, präzisiert one soll verkauft werden. Das Landwirtschaftsministerium Miges Baumann, Leiter Entwicklungspolitik. Besonders bestätigte entsprechende Gespräche mit der britischen Sun- wichtig sei, dass die Arbeitsplätze und die Programme zur bird Bioenergy. Brot für alle und Silnorf, Partnerorganisation Unterstützung von Bäuerinnen und Bauern bestehen blei- vor Ort, fordern Addax auf, dafür zu sorgen, dass bei einem ben. «Auch ist eine grundlegende Überarbeitung der Pacht- Verkauf die Landpachtverträge überarbeitet werden. Darauf verträge notwendig.» Gewisse Verbesserungen für die loka- sollen auch die beteiligten öffentlichen Geldgeber, darunter le Bevölkerung konnten Brot für alle und Silnorf seit 2010 die Schweiz via Seco, hinwirken. «Die Bäuerinnen und Bau- aushandeln. Unklar ist, wie sich ein Verkauf auf die auf 50 ern dürfen nicht erneut das Nachsehen haben», sagt Silva Jahre vereinbarten Pachtverträge und die öffentlichen Gel- Lieberherr, Fachperson für Land Grabbing bei Brot für alle. der auswirkt. Seit die Arbeiten in der Fabrik und auf den Feldern ge- stoppt wurden, gibt Addax keine Auskünfte mehr. Das Pro- jekt habe nicht die erwarteten Resultate gebracht, ist ein- Projekt: Recht auf Nahrung, Silnorf 835.8076 zig zu hören (Stand Mai). Eine Übernahme durch Sunbird Aktuelle Informationen: www.brotfueralle.ch/addaxbioenergy
contigo Nr.2 | 2016 11 SCHWEIZER KONZERNE Nur elf Prozent befolgen Uno-Leitprinzipien Urs Walter Nur 11 Prozent der 200 grössten Schweizer Kon- zerne richten ihre Unternehmenspolitik umfassend nach den Leitprinzipien der Uno zu Wirtschaft und Menschenrechten aus. Dies zeigt eine Studie, die Brot für alle erarbeitet hat. Konzerne sollten weltweit bei allen Tätigkeiten die Men- schenrechte einhalten. Diese Vorgabe hat vor fünf Jahren der Uno-Menschenrechtsrat verabschiedet. Doch die Realität bei den 200 Schweizer Konzernen mit den grössten Umsätzen (2014) ist anders, ergibt eine von Brot für alle und Fasten- © Brot für alle / Spinas Civil Voices opfer veröffentlichte Analyse: • 61,5 Prozent der Konzerne veröffentlichen keinerlei Hinweise auf eine Menschenrechtspolitik. • 27,5 Prozent veröffentlichen einen Verhaltenskodex für ihren Konzern und die Geschäftsbeziehungen mit den wichtigen Lieferanten. • 11 Prozent bekennen sich umfassend zu den Uno-Leit- Zum Beispiel Mais: Ausländische Konzerne bauen Mais für Agrotreibstoff an – auch wenn prinzipien. Von diesen 22 Konzernen sind 19 börsen- dafür Familien aus ihren Dörfern vertrieben werden. kotiert und 8 Teil einer ausländischen Gruppe. • Der Grossteil der Konzerne, die sich zu den Uno-Leit- Die 14 unabhängigen Schweizer Konzerne mit einer ver- prinzipien bekennen und diese teilweise umsetzen, öffentlichten Menschenrechtspolitik oder einem Verhaltens- stand in den letzten Jahren unter öffentlichem Druck. kodex wurden vertieft analysiert. Das Fazit: Teilweise lassen Sie wurden angeschuldigt, Menschenrechte verletzt oder sich sehr innovative Ansätze erkennen, einige dokumentie- gravierende Umweltschäden verursacht zu haben. ren diese auch gut. Beim grössten Teil der Konzerne reichen die Angaben aber nicht, um zu überprüfen, ob die Mass- Basis der Analyse bilden alle im Herbst 2015 verfügbaren nahmen auch wirksam sind und der Konzern so seine Sorg- Angaben auf Webseiten oder speziellen Berichten der Firmen faltspflicht erfüllt. Ein positives Beispiel ist der Reisekonzern zu Corporate Social Responsability (CSR) und Nachhaltig- Kuoni. Er veröffentlichte sämtliche Informationen zu den keit. Chantal Peyer, Fachperson für Ethisch Wirtschaften bei Wirkungsanalysen, den dabei gefundenen Menschenrechts- Brot für alle und Autorin der Studie, zeigt sich enttäuscht: problemen und den Gegenmassnahmen. «Fast zwei von drei Unternehmen haben keine Uno-konfor- me Menschenrechtspolitik und auch keinen Verhaltensko- Generell folgert Chantal Peyer, dass «in den Konzer- dex. Damit fehlt eine ausformulierte Vorgabe zur Einhaltung nen die umfassende Einordnung der Auswirkungen der der Menschenrechte im Konzern und den abhängigen Liefe- Geschäftstätigkeit auf Menschen und Umwelt fehlt». Noch ranten.» Einige Firmen sagten auf Anfrage, sie hätten intern immer habe die Menschenrechtspolitik nicht den gleichen entsprechende Leitlinien. Doch ohne Transparenz lässt sich Stellenwert wie das Erzielen von Gewinn, ein transparentes weder die Qualität solcher Vorgaben überprüfen noch wie Rechnungswesen und Controlling oder die Bekämpfung von weit diese tatsächlich umgesetzt werden. Insgesamt, folgert Korruption und Geldwäscherei. Peyer aus der Studie, «scheint eine Mehrheit der Konzern- leitungen noch immer wenig Gewicht auf die Frage zu legen, ob auch ihre Tochterfirmen und Lieferanten ausserhalb der Studie und Zusammenfassung: Schweiz die Menschenrechte respektieren». www.sehen-und-handeln.ch/thema/konzerne-und-menschenrechte
12 contigo Nr.2 | 2016 Land an ausländische Investoren und nationale Eliten zu verteilen. Allein in Gambela, der Provinz, aus der zwei der MENSCHENRECHTE Verhafteten stammen, wurden in den letzten Jahren bis zu einer Million Hektaren (etwa zwei Mal die Fläche des Kan- Aktivisten in Äthiopien noch immer tons Wallis) von Investoren übernommen. uw im Gefängnis Zur Unterstützung der Familienangehörigen und für juristischen Beistand für Seit März 2015 hält Äthiopien drei Menschenrecht- die Angeklagten sammelt Brot für alle: verteidiger gefangen. Bisher konnte die Staatsan- Postkonto 40-984-9, Vermerk «Projektnummer 835.8086» Aktuelle Informationen: www.brotfueralle.ch/aethiopien waltschaft keine Zeugen für ihre Anklage vorbringen. Brot für alle und weitere Organisationen fordern, diese politischen Gefangenen frei zu lassen. Vor über einem HONDURAS Jahr verhaftete die äthiopische Polizei Berta Cáceres erschossen auf dem Flughafen Addis Abeba Omot Brot für alle trauert um Berta Cáceres. Die promi- Agwa Okwoy, Ashinie nente Exponentin der honduranischen Gemeinschaft Astin und Jamal Ou- der Lencas wurde am 3. März in ihrem Haus in der mar Hojele sowie vier weitere Äthiopierin- Stadt La Esperanza erschossen. © Brot für alle / WG Film nen und Äthiopier. Sie und weitere Experten Der Druck auf und Vertreterinnen Menschen, die sich von Nichtregierungs- für Menschenrechte Omot Agwa Okwoy organisationen aus und die Folgen gros- verschiedenen Län- ser Projekte einset- dern wollten an einem Workshop zum Recht auf Nahrung, zen, ist auch in Hon- Saatgut und Landrechte in Kenia teilnehmen. Dieser wurde duras gross. Berta von Brot für alle und ihren Partnerorganisationen Grain und Cáceres wehrt sich Anywaa Survival Organisation durchgeführt. Inzwischen seit Jahren gegen den © Brot für alle/ Copinha wurden drei Menschenrechtsverteidiger des Terrorismus an- Bau eines grossen geklagt. Das ist völlig haltlos. Eine Anschuldigung betrifft die Staudamms auf dem geplante Teilnahme am Workshop. Die bisherigen Anhörun- Territorium der Len- gen vor Gericht verliefen ergebnislos, die Verhandlungen wer- cas. Das Projekt führt den immer wieder verschoben. zu enormen Umwelt- Berta Cáceres schäden und zerstört Die internationale Allianz «Free Omot», zu der auch Lebensgrundlagen der lokalen Bevölkerung. Europäische Brot für alle gehört, wehrt sich seit einem Jahr gegen die un- Entwicklungsbanken und Unternehmen sind beteiligt. begründeten Verhaftungen sowie das lange Verfahren. Die Organisationen fordern die Regierung in Addis Abeba auf, Die Wohngemeinde von Cáceres ist Mitglied des Netz- diese politischen Gefangenen frei zu lassen. Kritik soll nicht werkes Anafae – dem langjährigen Südpartner von Brot für mit Verhaftungen und Einschüchterungen zum Schweigen alle in Honduras. Noch im November 2015 bat Brot für alle gebracht werden. Auch die Weltbank und die internationa- den Schweizer Botschafter und das DEZA-Büro vor Ort, sich len Geberländer, welche Äthiopien finanziell grosszügig un- für den Schutz der Lencas einzusetzen. Diese werden zuneh- terstützen, sollen auf Einhaltung der Menschenrechte beste- mend Opfer von Polizeigewalt und Bedrohungen. uw hen und sich für die Freilassung der drei Männer einsetzen, fordert die Allianz. Von der Weltbank finanzierte Programme haben in Äthiopien zu Umsiedlungen und Menschenrechtsverletzun- gen geführt. Das rief Kritik an der Regierungspolitik hervor,
contigo Nr.2 | 2016 13 Neue Mitarbeiterin Seit Anfang März arbeitet Anna Rutishauser als Fachper- ENTWICKLUNGSGELDER son Rechnungswesen und Controlling bei Brot für alle. uw Politik muss Wort halten! 2015: Erfolge und guter Abschluss Im letzten Jahr brachte die Ökumenische Kampagne zu Mit einem «Weckruf gegen Hunger und Armut» Ernährung und Klimawandel viel Aufmerksamkeit. Ende Au- wehren sich Brot für alle und 30 weitere Organisati- gust wurden die negativen Auswirkungen des Kohleabbaus in Südafrika thematisiert. Das Beispiel belegt, wie wichtig es ist, onen gegen das Sparen auf dem Buckel der Ärms- dass Brot für alle die Konzernverantwortungsinitiative mit- ten: Die Mittel für Entwicklungsarbeit dürfen nicht trägt. Die Spendeneinnahmen stiegen leicht. Dank dieser Un- gekürzt werden. terstützung konnten Brot für alle und die Partnerwerke 2015 leicht mehr Mittel für die Entwicklungsarbeit einsetzen. uw In den bevorstehenden Sessionen entscheidet als Erstes der Nationalrat, ob – wie vom Bundesrat vorgeschlagen – der Kredit für die Entwicklungszusammenarbeit gekürzt wird. Wissen Sie, • wie viele Kilogramm Fastenagenden 2015 in Olten Dabei verfehlt die Schweiz schon jetzt das Ziel, 0,7 Prozent verteilt wurden? der Schweizer Wirtschaftsleistung für die öffentliche Ent- • welcher Manager-Typ Sie sind? wicklungszusammenarbeit einzusetzen. Dieser von der Uno • wo es Bäuerinnen und Bauern verboten ist, ihr gesetzte Anteil wurde bereits vor einigen Jahren mit einer eigenes Saatgut zu verwenden? Ökumenischen Kampagne gefordert. Falls nicht – bestellen Sie unseren Jahresbericht. Jahresbericht: Mit der beiliegenden Karte bestellen oder auf www.brotfueralle.ch/jahresbericht herunterladen Weil der Bund aus dem gleichen Kredit mehr Geld für KONZERNVERANTWORTUNG den Asylbereich abzweigen will, schrumpfen die Mittel für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit besonders kräf- Initiative zu Stande gekommen: Dank an alle, tig. Das gefährdet die erfolgreiche Aufbauarbeit der Schweiz die zum Erfolg beigetragen haben im Kampf gegen Hunger und Armut. Statt am falschen Ort zu sparen, sollte die Schweiz mithelfen, die Uno-Ziele für nach- Bis Mitte April 2016 haben über 140 000 Personen die haltige Entwicklung zu erreichen, fordert Brot für alle. Noch Konzernverantwortungsinitiative unterschrieben. Sie ist da- im Herbst 2015 hat sich der Bundesrat zu diesen bekannt. uw mit zu Stande gekommen. Dank der grossen Unterstützung in Kirchgemeinden und Pfarreien sammelten Brot für alle Informationen und unterschreiben: www.weckruf-armut.ch und Fastenopfer dabei je über 12 000 Unterschriften. Das ist mehr als erwartet. Vielen Dank! Wie der Beitrag auf Seite 11 zeigt, braucht es weiterhin NACHRICHTEN viel Druck, bis die Menschenrechte für alle und in allen Ländern gleichermassen gelten und weltweit zum selbstver- Klimafonds wird übergeben ständlichen und befolgten Teil der Geschäftspolitik jedes Vor einigen Jahren hat Brot für alle mit Erfolg den Kli- Konzerns werden. Der Weg bis zur erfolgreichen Abstim- mafonds aufgebaut. Auf Ende Jahr wird das Projekt für Kli- mung und Umsetzung unseres Anliegens ist noch lang. mamassnahmen von Partnerwerken geschlossen. Die aus dem Fonds finanzierten Arbeiten werden von den einzelnen Bitte senden Sie rasch alle restlichen Bogen mit Unter- Werken übernommen. uw schriften zurück. uw
14 contigo Nr.2 | 2016 krassem Gegensatz zur seit Jahren politisch instrumentali- sierten und aufgebauten ausländerfeindlichen Stimmung. SENSIBILISIERUNGSKAMPAGNE HEKS lancierte die Flüchtlingskampagne «Farbe «Wir müssen Farbe bekennen bekennen». Was steckt dahinter? für Menschen auf der Flucht» Angefangen hat alles im letzten Sommer, als die Flücht- lingstragödie in der Schweiz eine grosse Solidaritätswelle ausgelöst hat. Auch HEKS wurde regelrecht überhäuft mit Bettina Filacanavo Anfragen von Privatpersonen, die sich freiwillig für Flücht- linge engagieren und unsere Arbeit mit Spenden unterstüt- 2015 war geprägt von unzähligen Bildern von zen wollten. Viele andere Organisationen, Hilfswerke und Flüchtlingen, die auf der Balkanroute in Richtung die Kirchen haben das Gleiche erlebt. Mit der Kampagne möchten wir diesen Menschen eine Stimme geben und auf- Westeuropa unterwegs waren. Auch 2016 werden zeigen, dass es uns gibt. Es geht uns gut hier in der Schweiz, viele Flüchtlinge erwartet. Dies stellt auch die und wir sehen auf der anderen Seite die vielen Menschen, die Schweiz vor grosse Herausforderungen. bei uns Schutz suchen. In solchen Momenten ist es uns ein inneres Bedürfnis zu helfen. Für mich hat die Schweiz ihr Gefordert sind Lösungen, aber vor zutiefst menschliches Gesicht gezeigt. Durch das Tragen des allem Solidarität und Menschlichkeit. Menschlichkeitsarmbands möchten wir demonstrieren, dass Deshalb hat HEKS Anfang Mai 2016 wir Viele sind, und dass wir für eine menschliche Schweiz die Kampagne «Farbe bekennen» lan- stehen und als solche auch gesehen und gehört werden wol- ciert, um die Stimmen aller Menschen len. Die Kampagne soll uns vereinen und in unserer Haltung in diesem Land, welche das menschli- und unserem Engagement stärken. Wir möchten einen star- che Gesicht der Schweiz ausmachen, zu ken Akzent in der öffentlichen Diskussion setzen. © Franz R. & Gerry A./HEKS vereinen und in die öffentliche Debatte zu tragen. Stimmen, die wichtiger sind Nebst der grossen Solidaritätswelle gibt es aber sicher denn je angesichts der dramatischen auch Schwierigkeiten, mit denen die Schweiz in Bezug Situation zahlreicher Flüchtlinge. Ein auf die Flüchtlingssituation zu kämpfen hat? Interview mit Antoinette Killias, Be- Eine Herausforderung ist die Unterbringung. Eine Un- Antoinette Killias, Bereichsleiterin reichsleiterin Inland. terkunft muss menschenwürdig sein. Zivilschutzanlagen Inland bei HEKS. sind das nicht und für einen mehrmonatigen Aufenthalt Antoinette Killias, wie schätzen Sie nicht zumutbar. Wir brauchen dringend mehr Unterkünfte die Stimmung in der Schweiz gegenüber Flüchtlingen ein? mit Tageslicht. Es gibt sehr viele Menschen in diesem Land, die sich spontan bereit erklärt haben, sich für die Flüchtlinge zu Ein weiteres Thema sind die unbegleiteten Minderjähri- engagieren und sie zu unterstützen. Dies steht allerdings in gen, von denen viel mehr als je zuvor hier angekommen sind. © András D. Hajdú/HEKS Oktober 2015, serbisch-kroatische Grenze: Die flüchtenden Menschen tragen nur das auf sich, was sie unbedingt brauchen. Sie wünschen sich nur eines: Schutz vor Krieg und Gewalt.
contigo Nr.2 | 2016 15 Für eine menschliche Schweiz – Farbe bekennen auch am Flüchtlingssonntag Angesichts der enormen Anzahl von Menschen auf der Flucht setzt HEKS mit der Kampagne «Farbe bekennen» ein deutliches Zeichen für Menschlichkeit und bündelt die Stimmen der Solida- rität aus der Schweizer Bevölkerung. Wir bekennen Farbe zu © HEKS unserer Überzeugung, dass wir – die Menschen in der Schweiz – Bekennen Sie Farbe und machen Sie mit: Mit dem Armband setzen Sie ein die Herausforderungen der Zukunft gemeinsam meistern können. Zeichen für Menschlichkeit und Solidarität mit Menschen auf der Flucht. Wenn wir uns nicht von Ängsten leiten lassen, sondern uns darauf besinnen, was uns alle verbindet: unsere Menschlichkeit und Viele von ihnen leben in Asylunterkünften mit Erwachsenen unser Mitgefühl. zusammen. Für sie bräuchte es aber dringend separate Un- terbringungen mit einer altersgemässen Betreuung. Auch ihre Rechtsvertretung müsste in allen Kantonen gewährleis- Unsere Stimme ist wichtig! Überlassen wir die Diskussion nicht tet werden. jenen, die uns lautstark Probleme und Ängste eintrichtern. Als sichtbares Bekenntnis zu Menschlichkeit und zu Solidarität Viele der Asylsuchenden werden einen Schutzstatus er- halten und in der Schweiz bleiben können. Leider müssen mit Menschen auf der Flucht rufen wir Sie dazu auf, das sie lange auf ihren Asylentscheid warten, was zur Folge hat, Menschlichkeitsband mit der Aufschrift «Farbe bekennen» dass sie nicht an den Integrationsprogrammen teilnehmen zu bestellen und bis zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni 2016 können. Dies wäre aber für eine raschere Integration sehr zu tragen. os wichtig. Zudem stellen wir einen Mangel an Information und Orientierung fest. Ein Ja zur Revision des Asylgesetzes Bestellen: www.farbe-bekennen.jetzt würde dazu führen, dass die Verfahren beschleunigt werden können und diese Menschen schneller Gewissheit über ihre Bekennen Sie Farbe, Zukunft haben. machen Sie mit – Was ist damit gemeint? auch am Flüchtlings- Die Flüchtlinge waren lange unterwegs, haben mehrere sonntag mit einer Länder durchquert, sind nun in der Schweiz angekommen Veranstaltung in Ihrer und sie wissen nicht, was mit ihnen geschieht. Sie kennen das Asylverfahren nicht, wissen nicht, ob und wann sie Kirchgemeinde! Nebst arbeiten oder ihre Familie nachziehen dürfen. Gleichzei- dem Armband stellt tig stehen sie Betreuenden oder Freiwilligen gegenüber, Ihnen HEKS Plakate, denen oft die Kenntnisse dazu fehlen und die Fragen der Predigtbausteine, Asylsuchenden nicht beantworten können. Hier sehen wir Handlungsbedarf. Kollektenansagen, Reportagen, Porträts und Filmvorschläge zur Verfügung. os Wie kann HEKS da konkret helfen? Wir haben in verschiedenen Regionen der Schweiz das Information: www.heks.ch/fluechtlingssonntag Projekt «infoRefugee» lanciert. Ein mobiles Team von Bera- terinnen und Beratern, begleitet von Dolmetschenden, be- sucht die Aufnahmezentren oder nahe gelegene Treffpunkte und informiert dort die Asylsuchenden in Gruppen oder Einzelgesprächen. Bei Bedarf organisieren wir Informati- onsanlässe auch für die Betreuenden. HEKS verfügt dank seiner zahlreichen Rechtsberatungsstellen für Asylsuchende und die Hilfswerksvertretung über grosses Wissen und lang- jährige Erfahrung in allen asyl- und ausländerrechtlichen Fragen sowie verwandten Themen.
16 contigo Nr.2 | 2016 Die Schattenseiten der Moderne Seit Jahren wird am neuen internationalen Flughafen SENEGAL zwischen Dakar und der Provinzstadt Thiès gebaut. Jetzt soll er 2017/2018 eröffnet werden. Politik und Wirtschaft Kleinbauern in Bedrängnis des Senegals verbinden damit grosse Hoffnungen auf ei- nen wirtschaftlichen Aufschwung. Doch mit dem Bau des Dieter Wüthrich Flughafens hat die Bodenspekulation in der Region massiv zugenommen. Grossinvestoren aus dem In- und Ausland eignen sich Ländereien an, für welche die lokale Bevölke- Im westafrikanischen Staat Senegal unterstützt rung keine offiziellen Landtitel besitzt. Häufig werden die HEKS seit den 1980er-Jahren ländliche Gemein- Kleinbauern vom Staat enteignet und an Orte ohne nutz- bares Agrarland umgesiedelt. Dadurch droht ihnen der schaften bei der Umstellung auf eine nachhaltige, Verlust ihrer Lebensgrundlagen. HEKS unterstützt deshalb ökologische Landwirtschaft mit traditionellen, an FAPD bei der Kartographierung der Grundstücke der Bau- die lokalen Klimabedingungen angepassten Sorten. ernfamilien und der Eingabe von Gesuchen um offizielle Landtitel. In der Küstenregion Niayes wachsen über 30 Prozent aller Früchte und Gemüse Senegals. Doch die in den letz- Pionierin des biologischen Landbaus ten Jahren massiv gewachsene Siedlungsdichte rund um Zu diesen Produzentenfamilien gehören auch Nogaye die Hauptstadt Dakar hat dazu geführt, dass immer mehr Ndiaye und ihr Mann Ibrahim Deme. Zusammen bewirt- fruchtbares Agrarland Wohn- und Industriebauten weichen schaften sie eine rund eine Hektare grosse Parzelle. Dort musste. Die verbliebenen Flächen werden intensiv genutzt pflanzen sie unter anderem Tomaten, Kohl, Zwiebeln und und der übermässige Einsatz von Pestiziden und Insektizi- Petersilie an. Die Kleinbäuerin ist eine eigentliche Pionierin den droht das fragile Ökosystem aus dem Gleichgewicht zu des biologischen Landbaus in der Region Niayes. Seit bald bringen. HEKS unterstützt deshalb die lokale Bauernorgani- zwanzig Jahren verwendet sie keine chemischen Insektizide sation Fédération des Agro-Pasteurs de Diender (FAPD) bei und Pestizide mehr. Nogaye Ndiaye erinnert sich: «Früher der Einführung ökologischer Anbaumethoden. haben wir auch Chemikalien verwendet und diese oft mit blossen Händen auf unseren Feldern ausgebracht. Dadurch litten wir zunehmend unter Augen- und Atembeschwerden. Seit wir nur noch biologischen Landbau betreiben, geht es uns auch gesundheitlich viel besser.» Wasser – ein kostbares Gut Viele Produzenten können nicht alle ihrer Parzellen bewirtschaften, denn dafür reicht das Wasser vor allem in der Trockenzeit oft nicht aus. Auch muss das Wasser müh- sam von Hand aus 80 bis 90 Meter tiefen Brunnen geschöpft werden. Eine generatorenbetriebene Wasserpumpe würde helfen, doch für die Anschaffung fehlen Ibrahim Deme und seiner Frau die Mittel. Bald ein Bio-Label? Auch bei der Vermarktung ihrer Produkte brauche es noch Verbesserungen, meint Nogaye Ndiaye. Der Bioland- bau sei gegenüber dem konventionellen Anbau im Nachteil, weil Gemüse und Früchte ohne Kunstdünger bis zu zwei Monaten länger bräuchten bis zur Erntereife. Sie werden © Corina Flühmann/HEKS auch zu den gleichen Preisen gehandelt wie konventionell hergestellte Produkte. Dazu kommt, dass es in Senegal für biologisch produ- zierte Produkte noch kein einheitliches, national anerkann- Die Kleinbäuerin Nogaye Ndiaye muss das Wasser von Hand aus tiefen Brunnen schöpfen. tes Bio-Label gibt. FAPD und HEKS erarbeiten deshalb Für eine Wasserpumpe und einen Generator reicht das Geld nicht. Standards für ein einheitliches und verlässliches Bio-Label.
contigo Nr.2 | 2016 17 als Antwort auf den Fachkräftemangel, aber auch als klares Zeichen für mehr Chancengleichheit auf dem Schweizer Ar- SENSIBILISIERUNGSKAMPAGNE beitsmarkt. os Qualifiziert, aber kaum beachtet Über ein Viertel der Mig- AUSSTELLUNG rantinnen und Migranten aus Drittstaaten verrichten in der «Weg der Menschlichkeit» Schweiz eine Arbeit, für die sie klar überqualifiziert sind. So ist 60 Millionen Menschen sind derzeit weltweit auf der es keine Seltenheit, wenn eine Flucht. Verzweifelt suchen sie Zuflucht – auch in der Schweiz. Anwältin aus Mexiko als Raum- Doch nicht alle heissen sie willkommen. Was bedeutet pflegerin oder ein Umwelttech- uns heute «Menschlichkeit»? Und wie viel Menschlichkeit www.sie-sind-die-antwort.ch niker aus Madagaskar auf dem leistet sich die Schweiz? Diesen Fragen geht die Ausstellung Bau arbeiten. Zahlreiche Hin- «Weg der Menschlichkeit» vom 28. Mai bis 26. Juni 2016 im dernisse auf dem Schweizer Ar- Tramdepot Burgernziel in Bern nach. beitsmarkt führen dazu, dass sie ihr berufliches Potenzial nicht Die Ausstellung richtet sich an ein breites Publikum. ausschöpfen können: langwieri- Mit den Mitteln der Kunst und des Dialogs macht sie auf die © HEKS ge Verfahren zur Anerkennung aktuelle menschliche Not aufmerksam. Nebst Werken ver- 20 ausländischer Diplome, fehlende schiedener zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstlern, Diese qualifizierten Migrantinnen und Kenntnisse des schweizerischen die sich mit Fragen der Humanität und des humanitären Migranten können ihr berufliches Arbeitsmarktes, mangelnde Engagements auseinandersetzen, präsentieren sich an der Potenzial nicht ausschöpfen. HEKS gibt Sprachkenntnisse, ein unsicherer Ausstellung auch mehrere Hilfswerke mit eigenen Projek- ihnen ein Gesicht und eine Stimme – als Aufenthaltsstatus oder Vorurteile ten. HEKS ist mit seiner Ausstellung «Zaungäste» vertre- Antwort auf den Fachkräftemangel in der Schweiz. seitens der Arbeitgeber. ten. Ehemalige Teilnehmende des Ökumenischen Begleit- programms EAPPI, das HEKS in der Öffentlichkeits- und Dass qualifizierte Migrantinnen und Migranten aus Sensibilisierungsarbeit unterstützt, berichten mit Texten, Drittstaaten ihre Kompetenzen in der Schweiz nicht nutzen Bildern und Videos über ihren Einsatz als Menschenrechts- können, stellt nicht nur für sie persönlich, sondern auch für Beobachterinnen und -Beobachter im Westjordanland. os die Volkswirtschaft einen Verlust dar. Dennoch bleibt die- ses Potenzial im aktuellen Diskurs um eine bessere Nutzung Informationen: www.parcourshumain.ch des inländischen Fachkräftepotenzials bisher weitgehend unbeachtet. Darum möchte HEKS diesen beruflich gut qua- lifizierten Menschen mit der Kampagne «Chancengleich- heit zahlt sich aus» ein Gesicht und eine Stimme geben. Auf LUNCHKINOS der Website www.sie-sind-die-antwort.ch stellt HEKS rund 40 Personen vor. Weitere Beispiele folgen. Im Herbst soll mit «Lunchkinos» in verschiedenen einer breiten Sensibilisierungskampagne mit den gesam- Schweizer Städten melten Porträts der Schweizer Wirtschaft das brachliegende Potenzial «vor ihrer Haustür» vor Augen geführt werden – Auch dieses Jahr präsentiert Ihnen HEKS im Rahmen von «Lunchkinos» in sechs Schweizer Städten den Film zur jährlichen HEKS-Kampagne «Fragen Sie ihn». Der Film Migrantinnen und Migranten gesucht! zeigt die Arbeit von HEKS im Kosovo auf. Für Verpflegung Sind Sie eine Migrantin oder ein Migrant aus einem Drittstaat ist gesorgt. (Herkunft ausserhalb des EU-/EFTA-Raums) und in der Schweiz • Zürich: 29. August von beruflicher Überqualifizierung betroffen? Möchten Sie im • Basel: 9. September Rahmen der Kampagne porträtiert werden? • Bern: 15. September Oder kennen Sie jemanden in dieser Situation? Jetzt anmelden! • St. Gallen: 16. September • Schaffhausen: 27. September Mehr Informationen: www.sie-sind-die-antwort.ch Informationen: www.heks.ch/lunchkino
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