Kirche zu verschachern! - Kirchenbote SG

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Kirche zu verschachern! - Kirchenbote SG
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DER EVANGELISCH-REFORMIERTEN KIRCHE DES KANTONS ST. GALLEN                             www.kirchenbote-sg.ch

Kirche zu
verschachern!
                                      SEITE 3            SEITE 15               SEITE 16

                                      Mehr als Mauern Mehr als putzen Mehr als Videos
ODER WOHIN MIT DEM GEMÄUER?           DER INHALT ZÄHLT   DER JOB DER MESMERIN   KIRCHE JETZT ERST RECHT
Kirche zu verschachern! - Kirchenbote SG
EDITORIAL                                                                 IM ANFANG

Die Orientierung nicht
verlieren                                     Frische tanken in der
Liebe Leserin, lieber Leser

Religiöse Bauten wie der Parthenon, die
                                              Kirche
Hagia Sophia, der Tadsch Mahal, der           «Und es traten Blinde und Lahme im Tempel zu ihm, und er heilte sie.» (Mt 21,14)
St. Galler Dom und unsere Kirche mit          Text: Andrea Weinhold, Pfarrerin, St. Gallen | Foto: moni quayle, Pixabay
dem «Güggel» auf der Turmspitze prä-
gen das Stadt-, Dorf- und Landschafts-
bild. Sie dominieren ihre Umgebung. Sie       Ich kann Verantwortliche verstehen, die Kir-            Frau hat mir gesagt: «Ich komme in die Kir-
senden eine Botschaft nach innen wie          chenräume loswerden wollen. Das Geld                    che, um auf Gott zu hören. Wenn ich die Kir-
                                              reicht nicht mehr für den Unterhalt. Es reicht          che verlasse, bin ich erfrischt.»
nach aussen. Sie helfen, sich zu orientie-
                                              nicht mehr, weil es im Trend liegt, aus der
ren, draussen, im Häusermeer; drinnen,
                                              Kirche auszutreten. Und ja, es gibt tolle Um-           EIN ORT FÜR DIE GEMEINSCHAFT
bei sich selbst oder in versammelter Ge-
                                              nutzungsprojekte von Kirchen!                           Kirche ist aber auch ein Ort der Gemein-
meinschaft: Der Erhalt der Gotteshäuser
                                                                                                      schaft und des Austauschs. Unter dem Dach
ist aus kirchlichen, (bau-)kulturellen und    VERKAUFT IST VERKAUFT                                   der Kirche hat es Platz für vieles: Singen, Me-
sozialen Gründen wichtig.                     Es gilt aber zu bedenken: Verkauft ist ver-             ditieren, Tanzen, Kunst und Kultur, Seelsor-
                                              kauft. Weg ist weg. Weg sind dann die sakra-            ge. Die Kirche ist offen für Menschen, die aus
Doch der Rückgang der Zahl der Kirchen-       len Räume an Orten, die Ausstrahlungskraft              den eigenen vier Wänden raus wollen. Sie ist
mitglieder und der damit einhergehende        haben. Weg sind die Chancen, Neues entste-              offen für interreligiöse Gespräche, für Ge-
finanzielle Druck bedrohen die Gebäu-          hen zu lassen, als Kirche, als Gemeinschaft             spräche über die Umwelt, die Zukunft, über
de: Leerstand, Verkauf oder Abriss könn-      von Menschen, die das Interesse am Göttli-              Neues. Die Kirche ist offen für Jung und Alt.
ten folgen. Dass aber Kirchen wie jene        chen nicht verloren haben. Die Kirche ist kei-
im St. Galler St. Leonhardsquartier ge-       ne Trendsache, keine Modeerscheinung, kei-              Ja, auch Gottesdienste finden statt. Aber
schlossen bleiben, muss nicht sein. Denn      ne Markthalle für kommerzielle Zwecke.                  nicht nur die klassischen Gottesdienste
dass religiöse Räume umgenutzt werden,                                                                sonntagmorgens, auch Taizé-Gottesdienste
ist keine moderne Erscheinung. Und weil       Kirchen sind Orte, an denen Menschen neue               am Samstagabend, interreligiöse Gebete und
reformierte Kirchen nicht geweiht sind,       Kraft tanken können, auf unterschiedliche               andere Feiern.
könnten sie auch behutsam umgebaut            Weise. Menschen kommen in die Kirche, ge-
werden, ohne entweiht zu werden. Das          rade auch dann, wenn nichts läuft, wenn es              Die Kirche ist ein Ort, an dem einem bewusst
ist nicht einfach. Komplexe Besitzver-        ruhig ist. Sie kommen, um zu beten, um im               wird, dass es etwas gibt, das unser kleines
hältnisse, baurechtliche oder denkmal-        Gebetsbuch ein Anliegen niederzuschreiben               Ego übersteigt. Ein Ort für Menschen, die
pflegerische Bestimmungen oder die             oder um eine Kerze anzuzünden, um an eine               nicht perfekt sind und wissen, dass sie auf
emotionale Bindung vieler Menschen an         Person zu denken.                                       die eine Art und Weise blind und lahm sind.
ihre Kirche erschweren den Prozess                                                                    Ein Ort, an dem man Gemeinschaft findet, an
                                              Menschen lauschen in der Kirche in die Stille           dem man so angenommen wird, wie man ist.
einer Umnutzung – nicht zu reden von
                                              hinein, sie hören in Achtsamkeit auf das, was           Ein Ort, an dem man heil wird. Heil im Sinne
der Finanzierung eines Umbaus und
                                              sie bewegt, und lassen sich inspirieren. Eine           von angenommen sein, ganz sein, frei sein. Ŷ
dessen späterem Unterhalt.

Ist weiter eine von der Kirche initiierte –
auch paritätische – Nutzung möglich,
scheint dies eine gute Lösung. Doch könn-
ten auch Wohnungen, Ateliers oder eine
öffentliche Einrichtung dereinst die Kirche
beleben, – ohne dabei die baukulturellen
und sozialen Aspekte aus den Augen zu
verlieren. Eine Neuausrichtung für Kir-
chengebäude bedingt möglicherweise
den Einbezug politischer wie weiterer
                    kirchlicher Behörden
                    – kurz: eine gesell-
                    schaftlich breit abge-
                    stützte Lösung, damit
                    eine Kirche weiterhin
                    nicht nur Orientie-
                    rungs-, sondern auch
                    Dreh- und Angelpunkt
                    bleiben kann. Ŷ           Nicht um Benzin zu tanken, kommen Menschen in die Kirche, sondern um auf Gott zu hören und erfrischt
Katharina Meier                               zu werden.

2 AUSGABE 4/2021
Kirche zu verschachern! - Kirchenbote SG
KIRCHE ZU VERKAUFEN

                                                                                                        dann immer neue Kunden, wenn das «selbst-
                                                                                                        ähnliche, vertrauensbildende Muster» der
                                                                                                        Marke «in der gesamten Wertschöpfungs-Ket-
                                                                                                        te durch das Markenmanagement gekannt
                                                                                                        und reproduziert» werde. Schiller vergleicht:
                                                                                                        «Man denke nur an die katholische Kirche,
                                                                                                        Meissner Porzellan oder den Reclam Verlag.»
                                                                                                        Ausgangspunkt zur Markenbildung sei eine
                                                                                                        überlegene Qualität. Aber Markenführung
                                                                                                        dürfe nicht auf die Produktwerbung redu-
                                                                                                        ziert werden. Markenführung heisse eben
                                                                                                        nicht, Produkte zu verkaufen, sondern das
                                                                                                        Vertrauen von Menschen zu gewinnen, die zu
                                                                                                        Kunden würden.

                                                                                                        FACHPERSONEN SIND WICHTIG
                                                                                                        Die evangelisch-reformierte Kirche des Kan-
                                                                                                        tons St. Gallen macht also grundsätzlich et-
                                                                                                        was richtig, wenn sie durch ihr Motto «Nahe
                                                                                                        bei Gott – nahe bei den Menschen» Nähe und
                                                                                                        Vertrauen schaffen will – vor Gott verantwor-
                                                                                                        tetes Vertrauen. Ihr Markenangebot ist das
                                                                                                        Evangelium. Wichtig ist die Qualität des Mar-
                                                                                                        kenangebots, des Evangeliums, dessen Ver-
                                                                                                        kündigung und Umsetzung in den weiteren
Das Evangelium ist in bester Qualität zu verkündigen. Es ist das Markenangebot der Kirche.              Erscheinungsformen. Dies impliziert nun den
                                                                                                        grossen Stellenwert von Fachpersonen, die
                                                                                                        das Evangelium in der Tiefe kennen, verant-

Die Kirche – eine sehr                                                                                  wortlich verkündigen und leben. Das sind die
                                                                                                        gut ausgebildeten Pfarrpersonen, Sozialdia-
                                                                                                        koninnen und Religionslehrer. Provozierende

starke Marke                                                                                            These: Sie sind die Markenführer. Zum schil-
                                                                                                        lernden Schluss seien fünf Empfehlungen des
                                                                                                        betriebswirtschaftlichen Experten für nach-
Das Angebot der evangelischen Kirche ist das Evangelium – es zählt die Qualität                         haltige Markenführung genannt. Jede Leserin,
Text: Oliver Gengenbach, Pfarrer in Mogelsberg | Bild: kid/Andreas Ackermann                            jeder Leser ist zum eigenen Weiterdenken
                                                                                                        aufgefordert, wie weit diese Empfehlungen
                                                                                                        auf die Kirche übertragen werden können. Ŷ
Verkaufen oder nicht? Das Schiff mit Glo-             grosse Probleme und zerstört Vertrauen.
ckenturm und Güggel auf der Spitze ist für            Menschen werden ausgebeutet im Namen
viele optisches Wahrzeichen der Kirche.               der Markt- und Betriebswirtschaft. Wo dies         Tut dies die Kirche?
Doch die Kirche als solche ist Marke an               geschieht, sind die christlichen Kirchen als
sich. Was macht sie aus und wie kann sie              Verbündete der Ausgebeuteten populär und           1. Die Identität der Marke und den darin
am besten verkauft werden?                            bedeutungsvoll. Dort wird die Nähe zur Kir-           abgelegten Nutzensinn kennen – dem
                                                      che als Überlebensfaktor erkannt. Demgegen-           Ideal der Marke folgen und nicht dem
Es gibt verschiedene Zusammenhänge, in de-            über ist in Zentraleuropa der Austritt aus            Idealbild des Marktes.
nen unsere Kirche etwas verkauft. Einerseits          den christlichen Kirchen in Mode. Die Kir-         2. Die Vertrauensparameter des selbst-
verkauft sie Kirchengebäude wegen Nichtge-            chen verzeichnen hier einen Kundenverlust.            ähnlichen Markenerfolgsmusters
brauchs. Das ist der Versuch, finanzielle Ver-        Eine Umschau im Gebiet des betriebswirt-              kennen und dieses fortlaufend repro-
lustpositionen loszuwerden. Andererseits              schaftlichen Risikomanagements zeigt: Kun-            duzieren – sich selbst und nicht den
muss die Kirche sich selbst als Dienstleiste-         denverlust gilt als das Risiko Nr. 1 für Unter-       Wettbewerb nachahmen.
rin am Markt verkaufen, sich an Mann und              nehmen. Erlebt unsere Kirche das, was so           3. Sich kontinuierlich mit den Kunden
Frau bringen, um «im Geschäft» zu bleiben.            manch grosse Firma und Marke durchmach-               rückkoppeln und Innovationen auf die
Das gebietet die Betriebswirtschaft.                  te: ein stilles, langsames Sterben?                   Erhöhung des Kundennutzens
                                                                                                            ausrichten.
KIRCHENMITGLIED ALS KUNDE                             STARKE MARKEN SIND EINZIGARTIG                     4. Erkennen, dass man nicht mit vielen
Entsprechend werden Kirchenmitglieder                 Der Markenberater Wolfgang Schiller sagt,             Produkten, sondern mit vielen Kunden
heute als Kunden gesehen. Seelsorgerinnen             Marken begännen zu sterben, wenn sie                  Geld verdient.
und Seelsorger stehen dieser betriebswirt-            schwach würden. Starke Marken dagegen bö-          5. Rabatte vermeiden, denn der Preis
schaftlichen Sichtweise skeptisch gegenüber.          ten etwas Einzigartiges, das sie wertvoll ma-         kommuniziert die Qualität der
Gerade die betriebswirtschaftliche Logik be-          che. Das sind aber nicht ihre Produkte, die           Produkte. Ŷ
reitet ja vielen Menschen auf dem Globus              kommen und gehen. Eine Marke gewinne

                                                                                                                          WWW.KIRCHENBOTE-SG.CH 3
Kirche zu verschachern! - Kirchenbote SG
KIRCHE ZU VERKAUFEN

Auch reformierte Kirchen sind mehr
als totes Gemäuer
Kirchgemeinden stehen vor der Frage, wie sie mit nicht mehr benötigten Kirchen umgehen sollen
Text: Stefan Degen | Fotos: Markus Jedele / zVg

Die Zahl der Kirchgänger nimmt ab. Doch           Geld, das in kirchliche oder soziale Projekte   de, die Rosenberg-Kirche nach deutschen
der Unterhalt der oft denkmalgeschützten          investiert werden könnte. Benötigt wurde die    Vorbildern in eine Kulturkirche umzuwan-
Kirchen ist aufwendig. Kirchgemeinden             Kirche nicht, denn es gab im Quartier noch      deln. Das Konzept lag vor, doch das Vorha-
gehen dieses Problem unterschiedlich an.          eine zweite reformierte Kirche. Da lag es       ben scheiterte im November 2015 an der Ur-
Während die Kirche St. Leonhard in                nahe, vor der Sanierung mögliche Nutzungen      ne. «Offensichtlich ist es uns nicht gelungen,
St. Gallen seit Jahren leer steht, blickt         zu diskutieren, und zwar «ergebnisoffen», wie   bei den Menschen das Feuer für unser Vorha-
die Rosenberg-Kirche in Winterthur auf            die Kirchenpflege, die Zürcher Version der      ben zu entfachen», stellt Kirchenpflegepräsi-
eine wechselvolle Geschichte zurück.              Kirchenvorsteherschaft, damals mitteilte.       dent Ueli Siegrist nüchtern fest. Stückelber-
                                                  Dieses Vorgehen sei richtig gewesen, findet     ger ergänzt: «Kulturkirchen haben den Ruf,
Fährt man von Westen in den Bahnhof               Stückelberger. «Bei Kirchenumnutzungen          abgehoben und elitär zu sein.»
St. Gallen ein, so ist sie kaum zu übersehen:     sollte am Anfang noch nicht klar sein, wohin
Die Kirche St. Leonhard, die links über den       die Reise geht.» Zuerst müssten Partner und     HEILIG, ABER NICHT GEWEIHT
Geleisen thront. Ein zentrales Gotteshaus,        Interessengruppen eingebunden werden: die       Im Gegensatz zu katholischen Kirchen sind
das die Präsenz der Kirche in der Stadt mar-      Kirchgemeinde, die Denkmalpflege, die politi-   reformierte Kirchen nicht geweiht. Sind sie
kiert? Fehlanzeige. Denn die Leonhardskir-        schen Behörden. «So hat man die Chance,         also bloss totes Gemäuer, von einem profa-
che gehört nicht mehr der reformierten Kir-       Lösungen zu finden, die man zu Beginn gar       nen Gebäude nicht zu unterscheiden? Stü-
che und steht leer. Seit siebzehn Jahren.         nicht auf dem Radar hatte.»                     ckelberger verneint. Dass Kirchen besondere
                                                                                                  Räume seien, zeige sich in ihrer Architektur:
                                                  KULTURKIRCHE GESCHEITERT                        «Die Räume sind hoch, die Lichtverhältnisse
       «Es ist ein Unterschied, ob                Schliesslich entschied sich die Kirchgemein-    ungewohnt, die Akustik hallend.» Deswegen
       man eine Kirche verkauft
       oder ein Einfamilienhaus.»
       Johannes Stückelberger

Die Kirche St. Leonhard war schweizweit eine
der ersten, die an Private verkauft wurde.
Wohl deswegen sei es nicht optimal gelaufen,
vermutet Johannes Stückelberger. Der Kunst-
historiker von Universität Bern kennt die
Fragen rund um Kirchenumnutzungen wie
kein anderer in der Schweiz. «Die Kirche
St. Leonhard verkaufte man in einem Verfah-
ren, wie man es vom Einfamilienhaus kennt»,
analysiert er. «Man braucht es nicht mehr, al-
so verkauft man es.» Doch Kirchen seien an-
ders als Einfamilienhäuser: «Sie sind Orien-
tierungspunkte im Stadtbild. Sie sind nicht
nur für die Kirchgemeinde wichtig, sondern
für die ganze Bevölkerung.»

SANIERUNGEN TEUER
Der Anstoss zu einer Kirchenumnutzung ist
oft finanzieller Natur. Die Unterhaltskosten
sind hoch, Sanierungen teuer. Da stellt sich
die Frage, was man mit der Liegenschaft
überhaupt will. So auch in der Winterthurer
Kirche Rosenberg: Das Dach war undicht, die
Haustechnik veraltet, der Energieverbrauch
immens. 80 000 Franken kostete der Unter-
halt der leer stehenden Kirche jährlich –

4 AUSGABE 4/2021
Kirche zu verschachern! - Kirchenbote SG
KIRCHE ZU VERKAUFEN

verhalte man sich in einer Kirche automa-      chen entworfen und vom Zivilschutz mon-
tisch anders als etwa in einer Turnhalle:      tiert, Baubewilligungen erteilt, Verträge un-
«Man spricht leiser, man geht langsamer,       terzeichnet und Informationsveranstaltungen
man verfällt in eine andächtige Stimmung.»     für die Bevölkerung durchgeführt. Zwei Mo-
Dazu komme das Wissen, dass in diesem          nate nach dem Nein zur Kulturkirche zogen
Raum wichtige Übergangsriten stattgefunden     bereits die ersten Flüchtlingsfamilien ein.
hätten: Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten,    «Die Unterstützung in der Bevölkerung war
Beerdigungen. Das führe dazu, dass man dem     gross», erinnert sich Ueli Siegrist. Freiwillige
Gebäude Ehrfurcht entgegenbringe. «Ein re-     erteilten Deutschkurse, sangen und malten
formierter Kirchenraum wird geheiligt durch    mit den Kindern, organisierten Ausflüge. Und
die Versammlung der darin Gottesdienst Fei-    Siegrist selbst überraschte die Bewohner im
ernden», sagt Stückelberger. Das zeige sich    Dezember mit einem Besuch als Samichlaus.
besonders, wenn gemeinsam das Unservater       So entstanden Freundschaften, die Bestand
gebetet werde: «Viele sprechen das Gebet im    hatten, als die Kirche nach zwei Jahren als
Bewusstsein, Teil einer weltweiten Gemeinde    Flüchtlingsunterkunft nicht mehr benötigt
zu sein.»                                      wurde. Noch heute nehmen ehemalige Asyl-
                                               suchende der Rosenberg-Kirche an der Ge-
GEISTESBLITZ IN DER BADEWANNE                  meindeferienwoche der Kirche teil.
In Winterthur stand man nach dem Nein zur
Kulturkirche Rosenberg vor einem Scherben-     Zum Beispiel Arazoo Hama und Chiya Salih.          Kunsthistoriker Johannes Stückelberger von der
haufen. «Am Abend nach der Abstimmung          Die irakischen Kurden wohnten mit ihren            Universität Bern beschäftigt sich seit Jahren mit
setzte ich mich in die Badewanne und liess     drei Kindern ein Jahr lang in der Kirche Ro-       Kirchenumnutzungen.
mir die Sache durch den Kopf gehen», erzählt   senberg. «Es war nicht einfach», erzählt Ara-
Kirchenpflegepräsident Siegrist. Damals be-    zoo. Denn Toiletten und Duschen befanden
richteten die Medien ständig über volle        sich in Containern vor der Kirche. «Wenn un-       Arez, die älteste Tochter. «Sie luden mich
Flüchtlingsunterkünfte. «Noch am gleichen      sere kleinen Kinder im Winter in der Nacht         nach Hause ein zum Spielen, und ich lud sie
Abend schrieb ich der Stadt ein E-Mail mit     auf die Toilette gingen, mussten sie nach          zu uns in die Kirche ein.»
dem Angebot, die Rosenberg-Kirche als Asyl-    draussen.» Schön sei aber gewesen, dass sie
unterkunft zu nutzen.» Danach ging es          schnell Kontakte geknüpft hätten zur Bevöl-        KIRCHE ALS FLEXIBLE MASSE
schnell. In Rekordtempo wurden Holzhäus-       kerung. «Ich habe Freunde gefunden», erzählt       Nach zwei Jahren wurde die Rosenberg Kir-
                                                                                                  che als Flüchtlingsunterkunft nicht mehr be-
                                                                                                  nötigt. Sie stand leer, bis im Januar 2021 ein
                                                                                                  Corona-Testzentrum eingerichtet wurde.
                                                                                                  Doch auch diese Nutzung ist temporär. Wie
                                                                                                  geht es langfristig weiter mit der Kirche?
                                                                                                  «Wir sind offen für neue Ideen», sagt Kirchen-
                                                                                                  pflegepräsident Siegrist. Kunsthistoriker Stü-
                                                                                                  ckelberger ergänzt: «Ich finde den Ansatz gut,
                                                                                                  dass man die Kirche temporär nutzt, als flexi-
                                                                                                  ble Masse.» Bedarf nach solchen Räumen ge-
                                                                                                  be es immer. «Wer weiss, vielleicht kristalli-
                                                                                                  siert sich so eine dauerhafte Lösung heraus.»

                                                                                                  Auch bei der Kirche St. Leonhard in St. Gallen
                                                                                                  ist unklar, wie es weitergeht. Gekauft hatte
                                                                                                  die Kirche der Winterthurer Architekt Gio-
                                                                                                  vanni Cerfeda, für 40 000 Franken. Er hatte
                                                                                                  ein Kultur- und Eventzentrum angekündigt.
                                                                                                  Doch daraus ist nichts geworden. Seine Um-
                                                                                                  baupläne wurden von der Denkmalpflege als
                                                                                                  nicht umsetzbar zurückgewiesen mit der Ein-
                                                                                                  ladung, einen neuen Anlauf zu machen. Doch
                                                                                                  zu Änderungen an den Plänen war Cerfeda
                                                                                                  nicht bereit – er reichte einfach die gleichen
                                               Wohnen unter der Orgel: Zivilschützer montieren    Unterlagen nochmals ein. Kunsthistoriker
                                               Holzhäuschen in der Rosenberg-Kirche in Winter-    Stückelberger bedauert das. «Es ist traurig,
                                               thur. Rund 70 Asylsuchende wohnten während des     dass die Kirche leer steht, und nicht abseh-
                                               zweijährigen Betriebs darin.                       bar ist, wann hier etwas passieren wird»,
                                                                                                  bilanziert er. Alle Anfragen des «Kirchenbo-
                                                                                                  ten», wie es mit der St. Leohnhardskirche
                                                                                                  weitergehen soll, liess Cerfeda bis Redakti-
                                                                                                  onsschluss unbeantwortet. Ŷ

                                                                                                                       WWW.KIRCHENBOTE-SG.CH 5
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KIRCHE ZU VERKAUFEN

Gotteshaus, Gassenküche, Pferdestall
Schon seit Jahrhunderten dienen Kirchenbauten auch ganz und gar weltlichen Zwecken
Text: Philipp Kamm, Ebnat-Kappel | Foto: wikiwand

Kirchen und Klöster umzunutzen, ist keine           Obrigkeiten über immense zusätzliche Güter.        che in Bern als Kornschopf oder die Basler
neue Idee. Weil die Reformatoren Gottes-            Reformatoren wie Zwingli drängten darauf,          Barfüsserkirche als Waren- und Salzlager), in
häuser nicht mehr als heilige Orte betrach-         diesen Reichtum zur Verkündigung des gött-         manchen wurden Weinpressen eingerichtet,
teten, erlebten diverse Kirchenbauten in            lichen Worts, für Armutsbekämpfung und Bil-        andere wurden zeitweilig als Pferdestall, Ka-
der Schweiz seit dem 16. Jahrhundert er-            dung einzusetzen. So wurden etwa Räumlich-         serne oder Münzprägestätte benutzt.
staunlich wechselvolle Kapitel in ihrer Nut-        keiten des Predigerklosters in Zürich zu Spi-
zungsgeschichte.                                    tal, Alters- und Waisenheim umgewandelt,           … MARKTPLATZ UND: GOTTESHAUS
                                                    dazu entstand hier wie im Augustinerkloster        So verzeichneten manche Kirchen eine ab-
Faktisch waren Kirchen schon im Mittelalter         ein «Mushafen», ein Vorläufer moderner Gas-        wechslungsreiche Geschichte: Die Wasserkir-
Multifunktionsbauten mit Treff-                                                                                  che in Zürich etwa (wo der Legen-
punktcharakter – und wenig an-                                                                                   de nach die Stadtheiligen Felix und
dächtiger Atmosphäre: In den meist                                                                               Regula enthauptet wurden) steht
banklosen Räumen schliefen Pilger                                                                                nach der Reformation 1524 zu-
und stöhnten Kranke, hier wurde                                                                                  nächst leer, dient anschliessend
gegessen, gehandelt, geschäkert,                                                                                 als Vorratslager für Bauern. Die
gespielt, geurteilt, getratscht.                                                                                 1581 erfolgte Unterteilung in drei
                                                                                                                 Etagen erlaubt es, die unterste
HEILIGER RAUM …                                                                                                  Ebene als Markthalle zu nutzen,
Trotzdem waren und sind Kirchen                                                                                  auf den oberen Stockwerken mie-
nach katholischem Verständnis                                                                                    ten Händler Lagerabteile. Schon 50
von der übrigen Welt abgesonder-                                                                                 Jahre später eine erneute Umnut-
te, heilige Räume: ein Abbild der                                                                                zung samt Einbau von Galerien: Es
lebendigen Kirche der Gläubigen,                                                                                 entsteht die erste städtische Bib-
mit dem Altar im Mittelpunkt, wo                                                                                 liothek inklusive einer Wunderkam-
in der Eucharistiefeier Christus                                                                                 mer (ein Museum). Ab den 1940ern
präsent ist. Mit der feierlichen Wei-                                                                            schliesslich wird das Gebäude wie-
he durch den Bischof wird ein Kir-                                                                               der als Kirche genutzt – zum ers-
chenbau weltlichen Zwecken auf                                                                                   ten Mal seit 400 Jahren. Seit 2018
Dauer entzogen – und seine Er-                                                                                   finden aber keine Gottesdienste
laubnis ist nötig, bevor eine katho-                                                                             mehr statt, die Kirche wird für
lische Kirche formell entweiht und                                                                               Konzerte, Ausstellungen und priva-
umgenutzt werden kann.                                                                                           te Anlässe genutzt.

… NÜTZLICHES HAUS                                                                                                   ZWEIERLEI VERWELTLICHUNG
Die Reformatoren lehnten diese                                                                                      Das zweifache Ende der Wasserkir-
Trennung in heilige und weltliche      Ehemaliger Chor der Predigerkirche in Zürich: Heute Musikaliensammlung       che als Gotteshaus zeigt zwei un-
Sphären ab. Für sie waren Kirchen      der Zentralbibliothek.                                                       terschiedliche Prozesse, die zu
schlicht Versammlungsorte für Ge-                                                                                   Umnutzungen von Kirchen führen:
bet und Gottesdienst. «Und wo diese Ursache senküchen. Aus dem Katharinenkloster in                     Durch Säkularisation wurden geistliche Insti-
aufhört, sollte man dieselben Kirchen abbre-       St. Gallen wiederum wurde noch im 16. Jahr-          tutionen durch weltliche Obrigkeiten aufge-
chen, wie man es mit allen anderen Häusern         hundert eine höhere Knabenschule, 1615               hoben und enteignet. Dies geschah in der
tut, wenn sie nicht mehr nützlich sind»,           fand hier die Bibliothek Vadians ihren Platz,        Schweiz nicht nur während der Reformation,
schrieb Luther. Als Steinbrüche endeten aber       Grundstock der späteren Kantonsbibliothek.           sondern auch ab 1770 durch Aufklärung, Re-
nur wenige Schweizer Klöster und Kirchen,                                                               volution und Liberalismus. Der junge Kanton
als während der Reformation Ordensgemein-          … LAGER UND PFERDESTÄLLE …                           St. Gallen hob z.B. in dieser Phase die Klöster
schaften und Stifte aufgehoben wurden und          Das Kloster St. Gallen hingegen musste weni-         St. Gallen, Schänis und Pfäfers auf. Dagegen
ihr Besitz an den Staat ging. Doch nicht Pie-      ge Jahre nach der Aufhebung wieder dem               bezeichnet man die individuelle und gesell-
tät, geschweige denn denkmalpflegerische           Abt überlassen werden. Heute ist kaum vor-           schaftliche Abwendung vom Kirchlich-Religi-
Überlegungen, sondern karitative oder wirt-        stellbar, dass der Klosterkirche womöglich           ösen als Säkularisierung. Sie ist es, die heute
schaftliche Zwecke dominierten das weitere         das Schicksal anderer Gotteshäuser geblüht           Kirchgemeinden in ganz Europa zwingt, we-
Schicksal der Bauten.                              hätte: Um die hohen Kirchenschiffe besser            gen sinkender Mitgliederzahlen und Ressour-
                                                   ausnutzen zu können, wurden häufig Zwi-              cen neue Nutzungen für ihre Kirchen zu fin-
GASSENKÜCHEN UND SCHULEN …                         schenböden eingezogen, besonders viele               den. In welchen Gebäuden wird wohl in 400
Durch die Aufhebung geistlicher Gemein-            wurden aufgrund ihrer Grösse zu Lager und            Jahren noch, neu oder wieder Gottesdienst
schaften und Stifte verfügten die staatlichen      Speicher umfunktioniert (z.B. Heiliggeistkir-        gefeiert? Ŷ

6 AUSGABE 4/2021
Kirche zu verschachern! - Kirchenbote SG
Der Grundstein der reformierten Kirche in Lütisburg wurde 1936 gelegt, um von der paritätisch genutzten Kirche auf dem Burghügel Abschied zu nehmen.

«Mehr Leben in die ‹Bude› bringen»
Die Kirchgemeinde Unteres Toggenburg dachte laut über den Verkauf einer Kirche nach – der Weg ist nun aber ein anderer
Text: Katharina Meier | Foto: Martin Lendi

«Es braucht etwas Revolutionäres», sagt             dann bei ihr», sagte sich die Vorsteherschaft        zem wird nun alles durchleuchtet, das heisst,
Kirchenpräsident Enzo Fuschini. Ein Raum,           und gab eine Studie für einen Erweiterungs-          Heizungen werden überprüft, allfällige Sanie-
wo getanzt oder gespielt, ein grosser,              bau hinter dem Turm der Kirche in Auftrag.           rungen, Verkäufe, Vermietungen von Gebäu-
langer Tisch zum Essen aufgestellt werden                                                                den durchgespielt, das Montieren von Photo-
kann? Gar eine Wohnung im Dachstuhl der             VON GRUND AUF ALLES BETRACHTEN                       voltaikanlagen – im Hinblick darauf, der Öko-
Kirche? Diese Fragen diskutiert die Vorste-         Doch so gut die Anbauvarianten zweier Ar-            logie mehr Platz zu geben – in Betracht gezo-
herschaft der Kirchgemeinde Unteres                 chitekten waren, so schlecht war das Gefühl,         gen, ebenso die Umgestaltung der Lütisbur-
Toggenburg. Sie, die zuerst mit dem Ver-            den falschen Weg eingeschlagen zu haben.             ger Kirche. Kurz: «Aufgrund eines Gebäude-
kauf einer Kirche liebäugelte.                      Der Besitz hätte sich weiter vergrössert, das        konzeptes wollen wir dann die Räume so nut-
                                                    Raumproblem aber wäre immer noch nicht               zen, dass wir die Gemeinschaft mehr fördern
Doch als die Idee vor zwei Jahren aus- und          gelöst gewesen. Die Vorsteherschaft liess die        können, damit etwas mehr Leben in die ‹Bu-
mit versammelter Gemeinde besprochen wur-           Anbauidee fallen, setzte sich zurück an den          de› kommt, nicht nur der Gottesdienst im
de, war schnell klar, dass gegen diese emo-         Start, angestossen durch die scheinbar lapi-         Zentrum steht», so Fuschini. Personell wurde
tionale Bindung an die Lütisburger Kirche           dare Frage «Was wollt ihr eigentlich?» eines         bereits reagiert und eine Diakonin angestellt.
schwer anzukommen ist: Hier wurden viele            Kirchbürgers. Ausser Spesen nichts gewesen?
getauft, konfirmiert, getraut. Hier wurde den       «Ja, wir haben Geld ‹verlochet›, doch dieser         ALLE INS BOOT HOLEN
Eltern à Dieu gesagt und hier wollen sich vie-      Umweg hat uns die Augen geöffnet.» Seit Kur-         Für Fuschini verpufft die Wirkung des Fron-
le dereinst vom Erdendasein verabschieden.                                                               talunterrichts, wie er den klassischen Gottes-
                                                                                                         dienst nennt, je länger je mehr. Es gelte, ohne
PROJEKTSTUDIE IN AUFTRAG GEGEBEN                        Im Finanzausgleich                               Beisshemmung vermeintlich in Stein Ge-
«Wir besitzen drei Kirchen, drei Pfarrhäuser,                                                            meisseltes anzuzweifeln. Dies beginnt für
ein Kirchgemeindehaus. Die Bütschwiler Kir-             Die evang.-ref. Kirchgemeinde Unteres            Fuschini mit der Gestaltung des Kirchen-
che ist im Ortsbildschutz, das Ganterschwi-             Toggenburg ging per 2013 aus den                 raums und endet bei einer möglichen kom-
ler Gotteshaus steht unter Bundesschutz»,               Kirchgemeinden Bütschwil-Mosnang                 munalen und interkonfessionellen Zusam-
sagt Kirchenpräsident Enzo Fuschini. Trotz              und Ganterschwil hervor. 2017 gesellte           menarbeit. «Wir müssen über die Nutzung
vieler Häuser haben die Untertoggenburger               sich die Kirchgemeinde Lütisburg da-             der Gebäude beziehungsweise der Kirchen
Reformierten aber keinen Raum, wo sich die              zu. Sie zählt rund 1850 Mitglieder. In           sowohl mit den Katholiken als auch der poli-
ganze Gemeinde versammeln oder feiern                   ihrem Eigentum befinden sich drei Kir-           tischen Gemeinde diskutieren und dies ge-
kann. «Lütisburg steht dabei am schlechtes-             chen, drei Pfarrhäuser sowie ein Kirch-          meinsam angehen.» Zurück zu paritätisch ge-
ten da, für die Sonntagschule ist es beispiels-         gemeindehaus. Die Kirchgemeinde Un-              nutzten Kirchen? «Möglicherweise.» Und wie
weise schwierig, in einem adäquaten Raum                teres Toggenburg ist geldmässig nicht            sieht dies nun konkret für Lütisburg aus? Der
etwas durchzuführen.» Im Gegenzug ist die               unabhängig und dem Finanzausgleich               Kirchenpräsident muss schweigen. Denn die
Lütisburger Kirche nicht als schützenswert              der Kantonalkirche unterstellt. Ŷ                Kirchbürgerschaft hat Vorrang und wird am
eingestuft. «Wenn wir etwas ändern können,                                                               6. Juni an der Versammlung orientiert. Ŷ

                                                                                                                              WWW.KIRCHENBOTE-SG.CH 7
Kirche zu verschachern! - Kirchenbote SG
PANORAMA GEMEINDEN

Thal verlor umfangreiche Berggebiete
Appenzeller kehrten der Mutterkirche den Rücken
Text: Peter Eggenberger | Foto: Bibliothek Hauptpost St. Gallen

Bis ins 17. Jahr-
hundert waren die
Beziehungen der
Bewohner am Kur-
zenberg (Wolfhal-
den, Heiden, Lut-
zenberg und Wie-
nacht-Tobel) nach
Thal SG kirchenge-
nössig. Mit dem
Bau eigener Kir-
chen am Berg aber
erfolgte die Tren-
nung von Thal.

«Kurzenberg? Das
ist doch der Berg,
auf dem die kurz ge-
wachsenen Leute
leben …» Lustig
definiert, aber nicht
ganz zutreffend.        Thal um 1940–1950 in einer Aufnahme von Foto Gross, St. Gallen. Blick gegen Norden Richtung Steiniger Tisch.
Aus dem lateinisch
gefärbten Curtim-
berg wurde Kurzenberg, und im Gegensatz             ten sich auch die Kurzenberger an der Letzi            KIRCHENBAU-WETTSTREIT
zur Erhebung «Kurzenberg» in der Nähe von           (Schutzwall) unterhalb von Wolfhalden er-              Mit diesen Entscheiden nahm die Auflösung
Herisau wird im Vorderland mit diesem               folgreich gegen die von Thal her anrücken-             der Grossgemeinde Kurzenberg ihren An-
Namen kein Höhenzug, sondern die Gegend             den habsburgischen Truppen, was die politi-            fang. Am 23. März 1652 erfolgte die Grund-
oberhalb von Thal SG bezeichnet. Der Kur-           sche Zugehörigkeit des Kurzenbergs zur Rho- steinlegung in Heiden, eine Woche später
zenberg wurde im Osten vom Eichenbach               de Trogen festigte. Als Folge der zunehmend            war Baubeginn in Wolfhalden. Im Rahmen ei-
(Grenzgewässer zwischen Wolfhalden und              als weit und umständlich empfundenen Wege              nes eigentlichen Wettstreits wurden nun die
Walzenhausen) und im Westen vom Krennen-            zu den Gottesdiensten wuchs der Wunsch                 beiden nur einen guten Kilometer voneinan-
bach (das Bächlein trennt Wienacht von              auch nach kirchlicher Unabhängigkeit. Es               der entfernten Gotteshäuser hochgezogen,
Grub SG) begrenzt. Im Bereich Bischofsberg          kam dazu, dass das Bevölkerungswachstum                und bereits am 12. September 1652 erfolgte
ob Heiden verlief die südliche Grenzlinie zu        am Berg mehr und mehr zu engen Platzver-               in Heiden die Einweihung. Wolfhalden kam
Oberegg.                                            hältnissen in der Thaler Kirche führte.                eine Woche später, womit das Ende der Ge-
                                                                                                           meinde Kurzenberg und zugleich die kirch-
KIRCHENGENÖSSIGKEIT IN THAL                         WO SOLL DIE KIRCHE STEHEN?                             liche Trennung von Thal besiegelt war. Die
Innerhalb dieser Marken liegt das Gebiet der        Nach der Landteilung von 1597 wollten die              endgültige, auch politisch verbindliche
drei eingangs erwähnten Gemeinden. Die              evangelisch gewordenen Kurzenberger mit                Grenzziehung erfolgte 1666/67.
Nordgrenze war offen, gehörten doch die             dem Bau einer eigenen Kirche als sichtbarem
Leute vom Kurzenberg kirchlich zu Thal, wo          Wahrzeichen der Eigenständigkeit nicht                 LUTZENBERGER HIELTEN THAL DIE TREUE
bereits ums Jahr 700 ein erstes Gotteshaus          mehr länger zuwarten. Als Standorte kamen              Schlau verhielten sich die Lutzenberger. Statt
entstanden war. Die Kirche war überaus              mit Wolfhalden – das alte Zentrum des Kur-             sich mit einem Kirchenbau ebenfalls hohe
wichtig und hatte damals einen ganz anderen         zenbergs – sowie das bevölkerungsmässig                Kosten aufzuhalsen, wurde der Thaler Mut-
Stellenwert als heute. Sie und die Pfarrherren      stark gewachsene Heiden in Frage. Leider               terkirche die Treue gehalten. Daran hat sich
als deren Vertreter dominierten fast alle Le-       wurde man sich punkto Baugrund nicht ei-               bis heute nichts geändert, und Lutzenberg
bensbereiche, und die Mitglieder der Kir-           nig. Prominente politische Vertreter beider            ist mit dieser Lösung gut gefahren. Trotz
chenvorsteherschaft bildeten auch die poli-         Lager setzten sich bei der Ausserrhoder Ob-            eigener Kirchen am Kurzenberg blieben vor
tische Behörde.                                     rigkeit für ihre Standorte ein. Nachdem Hei-           allem die wirtschaftlichen Beziehungen zu
                                                    den am 18. März 1651 die Baubewilligung er-            Thal eng, zumal hier 1830 mit der Weberei
WEITE WEGE NACH THAL                                halten hatte, liess Wolfhalden nicht locker,           Dufour (später Schweizerische Seidengaze-
Den Appenzeller Freiheitskriegen Anfang des         und in der Folge erteilte der am 27. Januar            fabrik AG, heute Sefar AG) ein Unternehmen
15. Jahrhunderts folgte 1445 das Gefecht an         1652 in Teufen tagende Grosse Rat auch Wolf- von Weltruf gegründet wurde, das zahlreiche
der Wolfshalden. Mit den Appenzellern wehr-         halden die Bewilligung zum Bau einer Kirche.           Heimweber am Kurzenberg beschäftigte. Ŷ

8 AUSGABE 4/2021
Kirche zu verschachern! - Kirchenbote SG
PANORAMA KANTON                                                                                                IN KÜRZE

Weniger Geld bezogen
Fehlende Berufsbildung erhöht Risiko, Sozialhilfe in Anspruch nehmen zu müssen

2019 haben im Kanton St. Gallen insgesamt                  hen deutliche Unterschiede. Eineltern-Haus-
10 635 Personen finanzielle Leistungen der                  halte tragen mit 17,1 Prozent ein sechsfach
Sozialhilfe bezogen, das sind 306 Personen                 höheres Sozialhilferisiko.
weniger als im Vorjahr und entspricht einer
Abnahme um 2,8 Prozent.                                    AUSBILDUNG IST WICHTIG
                                                           2019 hatte im Kanton St. Gallen jede zweite                                   Neuauflage Ratgeber
Die Zahl der Unterstützten ist gesunken, weil              Sozialhilfe beziehende Person zwischen 25                                     «Nahe sein bis zuletzt»
weniger Neueintritte zu verzeichnen waren.                 und 64 Jahren als höchsten Bildungsab-
Die Austritte aus der Sozialhilfe sind 2019                schluss die obligatorische Schule (51,9 Pro-                                  2016 erschien die erste Auflage des Rat-
auf gleichem Niveau geblieben wie 2018. Die                zent). Der Anteil von Personen ohne weiter-                                   gebers «Nahe sein bis zuletzt», ein Rat-
Sozialhilfequote im Kanton St. Gallen ist 2019             führende Ausbildung ist in der Sozialhilfe                                    geber für (pflegende) Angehörige und
das erste Mal seit 2008 gesunken und liegt                 mehr als dreimal so hoch wie in der Gesamt-                                   Freunde im Verlag des Schweizerischen
neu bei 2,1 Prozent. Dies aufgrund der guten               bevölkerung (15,3 Prozent). Eine fehlende                                     Pastoralsoziologischen Instituts SPI in
allgemeinen wirtschaftlichen Lage 2019 und                 Berufsbildung erhöhe das Risiko, ganz oder                                    St. Gallen (Edition SPI). Der Ratgeber, mit
einer sehr tiefen Arbeitslosenquote. Mögli-                ergänzend auf Sozialhilfe angewiesen zu sein,                                 einem Vorwort von Alain Berset, wurde zu
che Auswirkungen der Covid-19-Pandemie                     somit deutlich, schreibt die Staatskanzlei.                                   einer Erfolgsgeschichte. Mittlerweile wur-
sind in diesen Zahlen allerdings noch nicht                Je nach Staatsangehörigkeit und Geschlecht                                    den 25 000 Bücher an Betroffene und Inte-
sichtbar und werden sich frühestens ab der                 der Sozialhilfebezüger unterscheidet sich                                     ressierte verteilt, und der Ratgeber ist seit
Statistik 2020 zeigen, wie es in einem Bericht             der Anteil ohne berufliche Ausbildung: Bei                                    geraumer Zeit vergriffen. Um einen Beitrag
der Staatskanzlei St. Gallen heisst.                       den Schweizer Männern ist er am niedrigsten                                   in diesen aufwühlenden Zeiten zu leisten,
                                                           (32 Prozent), bei den ausländischen Frauen                                    wurde das Buch mit vielen praktischen
2,7 % ALLER PRIVATEN HAUSHALTE                             am höchsten (75 Prozent). Dasselbe Muster                                     Tipps erneut aufgelegt und wird kostenlos
Insgesamt 6051 Privathaushalte beanspruch-                 findet sich auch in der Gesamtbevölkerung,                                    zur Verfügung gestellt. Es geht um Fragen
ten 2019 mindestens einmal Leistungen der                  allerdings in beiden Fällen auf deutlich tiefe-                               der täglichen Pflege, der Sterbebegleitung,
finanziellen Sozialhilfe der Gemeinde, was                 rem Niveau (7 Prozent für die Schweizer                                       aber auch um Anregungen im Umgang mit
2,7 Prozent aller privaten Haushalte des Kan-              Männer, 36 Prozent für die ausländischen                                      der eigenen Trauer. Der Ratgeber zeigt, wie
tons entspricht. Je nach Haushaltstyp beste-               Frauen). (sk) Ŷ                                                               (pflegende) Angehörige sich selbst Sorge
                                                                                                                                         tragen und wo sie bei Bedarf um Unterstüt-
                                                                                                                                         zung nachfragen können. (spi) Ŷ
                                                                                                                      Foto: Screenshot

                                                                                                                                         Bestelladresse: www.nahesein.ch

                                                                                                                                         Glocken rufen neu am
                                                                                                                                         Mittag zur Besinnung
                                                                                                                                         Die Stadtsanktgaller sind es gewohnt,
                                                                                                                                         wenn die Glocken kurz nach 11 Uhr läu-
                                                                                                                                         ten. Es ist das sogenannte Betzeit-Läuten,
                                                                                                                                         das zur Besinnung ruft. Die kath. und
                                                                                                                                         ref. Kirchen der Stadt St. Gallen wollen
                                                                                                                                         auf diese Unterbrechung am Mittag neu
                                                                                                                                         hinweisen. Weil die Mittagspause bei den
                                                                                                                                         meisten um 12 Uhr beginnt, wird auch das
                                                                                                                                         Mittagsläuten neu auf diesen Zeitpunkt
                                                                                                                                         angesetzt. Die Kirchen starten mit dieser
                                                                                                                                         neuen Zeit nach dem Osterfest. Die Glo-
                                                                                                                                         cken der katholischen Kirchen bleiben am
                                                                                                                                         Karfreitag und Karsamstag bis zum Os-
                                                                                                                                         ternacht-Gottesdienst stumm. An Ostern
Feiern zur Übergabe der St. Galler Corona-Bibel                                                                                          läuten sie wieder und zeigen an: Etwas
                                                                                                                                         Neues ist da; das Leben ist stärker! Wir
Wegen der Pandemie fanden am Sonntag, 14. März, in St. Gallen zur Übergabe der Corona-Bibel dezentrale Feiern                            Menschen bräuchten die Unterbrechung
in der reformierten Kirche Bruggen, in der Kirche St. Maria in Neudorf und in der reformierten Kirche St. Laurenzen                      und den Blick über die Arbeit hinaus, so
statt. Danach wurden die Originalbände in einer kleinen Prozession in die Stiftskirche St. Gallen (unser Bild) ge-                       Dompfarrer Beat Grögli. Daran erinnerten
bracht und dem Stiftsbibliothekar Cornel Dora übergeben. Filme dazu auf: www.kirchenbote-sg.ch (kmü, meka) Ŷ                             die Glocken am Mittag. (bg) Ŷ

                                                                                                                                                         WWW.KIRCHENBOTE-SG.CH 9
Kirche zu verschachern! - Kirchenbote SG
IN KÜRZE                                                        PANORAMA SCHWEIZ/WELT

Online-Plattform für
Theologie lanciert
Im Herbst 2020 ging das Projekt Glaube &
Gesellschaft der Theologischen Fakultät        «Die Bibel ist kein Buch, das man liest und
der Universität Freiburg online. Nach ei-      zuklappt. In dem Moment, in dem man sie liest,
ner erfolgreichen Pilotphase soll die Platt-   geschieht etwas. Die Heilsgeschichte kann in jedem
form nun ausgebaut werden, wie es in ei-       Moment stattfinden», sagt Milo Rau.
ner Medienmitteilung von Ende Februar
heisst. Dabei soll «Übersetzungsarbeit»
geleistet werden, um wissenschaftliche
Theologie «einsichtig, klar und allgemein-
verständlich zu kommunizieren».

Bereits lanciert wurden ein Einblick in die
dunklen Kapitel der Kirchengeschichte
und Videoessays «Über das Wahre, das
Schöne, das Gerechte» (ref.ch) Ŷ

Kirchenratspräsidenten
treten zurück
Die Kirchenratspräsidenten von Glarus
und Zug, Ulrich Knoepfel und Rolf Berwe-
ger, haben ihren Rücktritt bekannt gege-
ben. Dies teilten die jeweiligen Kirchenrä-
te mit. In Glarus steht bereits ein erster
                                               «Der biblische Jesus ist üb
Kandidat für die Nachfolge fest. Sebastian
Doll, Pfarrer in Glarus, möchte das Amt
übernehmen, wie es in einer Medienmit-
                                               Strecken angenehm ideolog
teilung vom 4. März heisst. Doll gehört        Regisseur Milo Rau über «Das Neue Evangelium»
seit 2016 dem reformierten Kantonalkir-        Interview: Tilmann Zuber, kirchenbote-online | Bild: Fruitmarket/Langfilm
chenrat an und ist seit 2018 dessen Vize-
präsident. (ref.ch) Ŷ
                                               Milo Rau ist einer der renommiertesten Re-            kinos, hier haben Pier Paolo Pasolini und Mel
                                               gisseure im deutschsprachigen Raum. In                Gibson ihre Jesusfilme gedreht.
                                               seinem neuesten Film zeigt er Jesus als               Ja, zuerst wollte ich auch einen sozialpoliti-
Vatikan gegen Segnung                          Aktivisten, der sich für das Schicksal der            schen, aber eher klassischen Jesusfilm dre-
homosexueller Paare                            ausgebeuteten Migranten im Süden Italiens             hen. Aber als ich die Flüchtlingslager ent-
                                               wehrt. Rau über seinen farbigen Jesus und             deckte, die um Matera herum stehen und in
Die katholische Kirche kann laut einer         warum die Bibel in jeder Zeit aktuell ist.            denen Tausende von entrechteten Menschen
Stellungnahme des Vatikans gleichge-                                                                 leben, wusste ich, dass der Film nicht wie
schlechtliche Partnerschaften nicht seg-       Milo Rau, Ihr jüngster Film trägt den Titel «Das      seine Vorgänger die Worte der Bibel verfil-
nen. Segnungen menschlicher Beziehun-          Neue Evangelium». Das ist ein ungeheurer An-          men, sondern die Botschaft ins Heute trans-
gen sind dem Schreiben zufolge nur mög-        spruch. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?           portieren muss. Unser Jesus ist ein Aktivist
lich, wenn damit den Plänen Gottes ge-         Vor einigen Jahren hat mich die europäische           aus Kamerun, seine Apostel sind Katholiken,
dient werde. Aus diesem Grund sei es           Kulturhauptstadt, das süditalienische Mate-           Muslime, Frauen ... es geht um eine echte
nicht erlaubt, Beziehungen oder selbst         ra, angefragt, ob ich für sie ein Projekt ma-         «Revolte der Würde».
stabilen Partnerschaften einen Segen zu        chen will. Ich habe gesagt: Ja, einen Jesus-
erteilen, die eine sexuelle Praxis ausser-     film. Ich hatte im Jahr davor mit Maja Mor-           Sind Sie ein gläubiger Mensch?
halb der Ehe einschlössen, «wie dies bei       genstern zusammengearbeitet, die in «The              Ich glaube, so wie man nicht unpolitisch sein
Verbindungen von Personen gleichen Ge-         Passion of the Christ», den Mel Gibson in Ma-         kann, kann man nicht ungläubig sein. Mit Pa-
schlechts der Fall ist». Die vatikanische      tera inszeniert hat, die Heilige Maria spielte.       solini würde ich sagen: Ich bin kein rational
Stellungnahme stiess im Bistum St. Gallen      Pasolini hat auch in dieser Stadt einen Bibel-        gläubiger Mensch, sondern ein gefühlsmäs-
auf Kritik. «Die Kirche darf niemanden         film gedreht. Ich castete also den Jesus von          sig Gläubiger, vielleicht auch ein künstlerisch
vom Segen ausschliessen», sagte der            Pasolini als Johannes den Täufer und die Hei-         Gläubiger. Das Neue Testament ist ja sehr po-
St. Galler Pastoralamtsleiter Franz Kreissl.   lige Maria von Gibson und fuhr nach Matera.           litisch: Dort ist die Würde des Menschen und
Der St. Galler Bischof Markus Büchel hatte                                                           des Lebens etwas, für das wir kämpfen müs-
sich bereits 2015 für eine tolerante Hal-      Sie haben es erwähnt: Die süditalienische             sen. Es geht nicht um die Umsetzung von
tung ausgesprochen. (ref.ch/kath.ch) Ŷ         Stadt ist bekannt als das Jerusalem des Welt-         transzendenten Werten, es geht darum, im

10 AUSGABE 4/2021
PANORAMA SCHWEIZ/WELT                                                                IN KÜRZE

                                                     steht, beruht auf dem Grundmythos der, sa-         Bibelfragmente entdeckt
                                                     gen wir mal, schwierigen Heldenreise von Je-
                                                     sus und seinen Anhängern. Die Grundidee,           In Israel wurden erstmals seit Jahrzehn-
                                                     dass Solidarität gefährlich ist, dass erst Lei-    ten Dutzende Teile einer Schriftrolle mit
                                                     den zu Transzendenz führt, ist mir sehr na-        biblischen Texten entdeckt. Das teilte die
                                                     he, auch aus der eigenen Erfahrung heraus.         nationale Altertumsbehörde am 16. März
                                                     Darum geht es in der Bibel und deshalb ist         mit. Der Fund sei in einer Höhle in der
                                                     dieses Buch so faszinierend. Man kommt mit         Nähe des Toten Meeres gemacht worden.
                                                     der Bibel nie an ein Ende und fragt sich im-       Die Fragmente seien auf Griechisch ver-
                                                     mer wieder, warum steht diese Episode da?          fasst und stammten aus der Zeit um 130
                                                     Warum ist Jesus so widersprüchlich? Es gibt        nach Christus. In ihnen enthalten sind
                                                     viele Bibelstellen, die die Gründer der Kirche     demnach Auszüge aus dem Zwölfpro-
                                                     wohl besser rausgestrichen hätten, damit die       phetenbuch. Neben den Schriftstücken
                                                     Sache einfacher und verdaulicher wird.             wurden auch ein 6000 Jahre altes, mumi-
                                                                                                        fiziertes Skelett eines Kindes, Münzen,
                                                     Ist diese Widersprüchlichkeit gut?                 Pfeilspitzen, Kleidung, Sandalen, Laus-
                                                     Natürlich. In der Bibel sieht man das              kämme sowie ein grosser Korb gefunden.
                                                     menschliche Schicksal in seiner ganzen Kom-        Dieser sei 10 500 Jahre alt und damit wohl
                                                     plexität. Dieses so berührende Streben nach        der älteste der Welt. (ref.ch) Ŷ
                                                     Gerechtigkeit und Würde – wie auch unser
                                                     Versagen und die Abgründe, die Einsamkeit,
                                                     die Irrtümer der Menschen.
                                                                                                        Millionen Syrer von
                                                     Ihr Film ist eine Kritik an der Wirtschaft. Kaum   Hungerkrise gefährdet
                                                     jemand, der im Supermarkt eine Büchse Pelati
                                                     kauft, stellt sich die Frage, wie es den Migran-   In Syrien hat sich nach einem UN-Bericht

er weite                                             ten geht, die diese Tomaten pflücken.
                                                     In Italien leben eine halbe Million rechtloser
                                                     Immigranten, die ausgebeutet werden, nur
                                                                                                        die Zahl der Menschen, die Hunger leiden
                                                                                                        und in Armut geraten, weiter erhöht. 1,3
                                                                                                        Millionen Menschen könnten ohne Er-

iefrei»                                              damit wir billige Tomaten und Orangen es-
                                                     sen können. Dieser Widerspruch wurde mit
                                                     dem Bezug zur Bibel noch deutlicher und ich
                                                                                                        nährungshilfe nicht überleben, teilte das
                                                                                                        Welternährungsprogramm der Vereinten
                                                                                                        Nationen (WFP) Mitte März mit – doppelt
                                                     fragte mich, für wen würde sich Jesus heute        so viele wie vor einem Jahr. Grund für die
                                                     einsetzen: für die, die im Reichtum leben –        prekäre Lage sind nach WFP-Angaben die
                                                     oder für die Ausgebeuteten? Die Antwort ist        stark gestiegenen Lebensmittelpreise.
                                                     klar.
  Hier und Jetzt ein menschenwürdiges Leben                                                             Wegen Finanzierungsengpässen im Zuge
  zu führen. Der biblische Jesus ist über weite      Kann man die biblischen Verhältnisse so ein-       der Corona-Krise warnt das WFP davor,
  Strecken angenehm ideologiefrei. Er sagt           fach übersetzen?                                   dass es Essensrationen in den Ländern
  selbst: Was bringen uns die Schriften, wenn        Ach, mit der Übersetzung beginnen über-            bald kürzen müsse. «Die Unterstützung
  wir keine Taten folgen lassen?                     haupt erst die Schwierigkeiten. Aber ein           des syrischen Volkes ist der Schlüssel zur
                                                     Theologe hat mir erklärt, die Bibel müsse          regionalen und internationalen Stabilität»,
  Deshalb das Neue Evangelium.                       sich immer realisieren, immer im Jetzt lan-        sagte die WFP-Regionaldirektorin für den
  Ja, denn wir brauchen es. Ausserdem ist jede       den, sonst sei sie leer und tot. Das sagt auch     Nahen Osten und Nordafrika, Corinne
  Interpretation der Bibel ein «neues» Evangeli-     Jesus selbst, wenn er erklärt: Ich bin mitten      Fleischer. (ref.ch) Ŷ
  um, denke ich. Eine Lesart, die für die jeweili-   unter euch, wenn sich zwei oder drei in mei-
  ge Zeit und den jeweiligen Ort Sinn macht.         nem Namen versammeln. Die Bibel ist kein
                                                     Buch, das man liest und zuklappt. In dem
  Heute sind Künstler, die sich mit der Bibel be-    Moment, in dem man sie liest, geschieht et-        Nonne stellt sich Polizei
  schäftigen, rar geworden.                          was. Die Heilsgeschichte kann in jedem Mo-         entgegen
  Wie gesagt: Ungläubig sein, das geht nicht.        ment stattfinden. Ŷ
  90 Prozent der Kunst, die im Westen ent-                                                              Die katholische Ordensfrau Ann Rose Nu
                                                                                                        Twang hat sich in Myanmar zwischen
                                                                                                        Polizei und Demonstranten gestellt. Am
                                                                                                        1. Februar hatte das Militär gegen die
     Milo Rau                                        mit kontroversen Inszenierungen von sich           gewählte Regierung geputscht. Seither
                                                     reden. Der Film «Das Neue Evangelium»              gehen Polizei und Militär mit massiver
     Der Schweizer Milo Rau, 44, arbeitet als        startet am 1. April digital – je nach epide-       Gewalt gegen Demonstrationen vor. Ann
     Film- und Theaterregisseur, Theaterautor        miologischer Lage auch in den Kinos. Ŷ             Rose Nu Twang hatte sich unter Einsatz
     und Essayist. Für seine Werke erhielt er                                                           ihres Lebens schützend vor Demonstran-
     mehrere Preise. Immer wieder macht er           www.dasneueevangelium-film.ch                       ten gestellt. Die Pressefotos davon gingen
                                                                                                        um die Welt. (kath.ch) Ŷ

                                                                                                                       WWW.KIRCHENBOTE-SG.CH 11
PLANBAR                                                                          PALETTE

                                                  Gottesdienste                                          Hilfe
                                                  ÉGLISE FRANÇAISE DE SAINT-GALL                         GANZ OHR
                                                  Vendredi Saint 2 avril, Dimanche (Pâques)              Jeden Donnerstag, 16 – 18 Uhr, St. Gallen
                                                  4 avril, 11 et 18 avril                                Kirche St. Laurenzen. Gibt es Dinge, die Sie
                                                  10 h Culte à Saint-Gall, église de St-Mangen,          im Moment beschäftigen oder belasten? Ein
                                                  Magnihalden 15                                         Gesprächsangebot der Kirchen St. Gallens.
                                                  Dimanche 11 avril
                                                  19 h Culte à Rorschach, église réformée,
                                                  Signalstrasse 34                                       Stadtrundgänge
                                                  Dimanche 18 avril                                      In der Regel in der Stadt St. Gallen
                                                  19 h Culte à Rapperswil, Centre paroissial,            Bei jedem Wetter. Mit charlie.wenk@gmx.ch
Teilen, tauschen,                                 Zürcherstrasse 14                                      (071 288 65 88) und walterfrei@stgaller-ge-
verzichten                                        www.eglisefrancaise.ch                                 schichten.org (071 278 12 64). Keine Anmel-
                                                  Pasteur Rédouane Es-Sbanti, 078 648 27 67              dung nötig. Textblätter. Kollekte.
Wir teilen mehr als je zuvor: Besitztümer,                                                               www.stgaller-geschichten.org
Erlebnisse, Lebensräume oder Gedanken.            ALL SOULS PROTESTANT CHURCH
Die Diskussion zum Klimawandel und zur            Jeweils um 12 Uhr                                      HUMOR IST, WENN MAN TROTZDEM
Ressourcenverknappung lassen das Tei-             Veranstaltungen der englischsprachigen                 LACHT – AUCH IN ST. GALLEN
len von einem ehemals selbstverständli-           All Souls Protestant Church in der Kirche              Do, 1. April, 14.30 – 16 Uhr, Mühleggbahn
chen Tun zu einer bewusst vollzogenen             Rotmonten mit Pfr. Scotty Williams.                    Lustige Episoden, Ereignisse. Stadtwande-
Lebensweise werden. Der Megatrend                 Worship Service: Karfreitag, 2.,                       rung mit Charlie Wenk. Treff: Talstation.
«Sharing» verspricht viel. Er ist mit dem         Ostern, 4., und Sonntag, 18. April
Anspruch der Nächstenliebe und Fürsor-            www.allsouls.ch /                                      GESCHICHTEN VON JUDEN IN ST. GALLEN
ge – der «Charity» – verbunden, will die          Scotty Williams, 079 559 09 40                         Mi, 7. April, 18 – 20 Uhr, Bahnhofareal
Welt verbessern. Eine Ausstellung im                                                                     Stadtwanderung mit Walter Frei. Treff:
Kunstzeughaus Rapperswil-Jona hinter-             AUF DER SCHWÄGALP                                      Zugang Appenzellerbahnen.
fragt, warum wir was teilen und wie sich          Sonntags, um 9.30 Uhr, Kapelle
unsere Gesellschaft dadurch verändert.            2. April: Eva B. Keller, Uetliburg                     WIBORADA – INKLUSIN, BETERIN,
(Bis 16. Mai, geöffnet am : Mi: 14 – 20 Uhr,      4. April: Felix Indermaur, Berneck                     BERATERIN, VISIONÄRIN, MÄRTYRERIN
Do: 14 – 17 Uhr, Fr – So: 11 – 17 Uhr). (kzh) Ŷ   11. April: Barbara Stehle, Schwellbrunn                Mo, 12. April, 14.30 – 16 Uhr, Kathedrale
                                                  18. April: Johannes Stäubli, Schwellbrunn              Altstadtwanderung mit Charlie Wenk. Treff:
www.kunstzeughaus.ch                              25. April: Käthi Meier-Schwob, Goldach                 bei den Türmen der Kathedrale.

Juden und Christen – drei
Kurzvorträge via zoom.us
Wegen Planungsunsicherheit führt der
Verein Kunst und Kirchenbau an drei
Montagabenden (12., 19. und 26. April),
jeweils um 20 Uhr, drei Kurzvorträge zum
Thema Architektur und Gesellschaft –
vom Gegeneinander, Nebeneinander und
Miteinander von Christen und Juden in
der mittelalterlichen Stadt mit Gunnar
Mikosch durch. Die Wellen des christli-
chen Judenhasses und der Judenverfol-
gung im mittelalterlichen Europa lassen
leicht übersehen, dass die meiste Zeit
Juden und Christen einigermassen fried-
lich nebeneinander her, aber auch mitein-         «Religion + Raum» im Haus der Religionen in Bern
ander lebten. Wie und unter welchen Um-
ständen – das lässt sich vor allem anhand         Religion hat in vielerlei Hinsicht mit Raum zu tun. Als heilig bezeichnete Orte in der Natur oder von Men-
von Architektur in den mittelalterlichen          schen erbaute Räume (wie hier die Pyramide des Kukulcán in Chichén Itzá, Mexiko) gibt es praktisch in
Städten beobachten und ist Thema der              allen Religionen. Religiöse Gebäude dienen einem bestimmten Zweck und beeinflussen durch ihre Grösse,
drei Kurzvorträge. (kuk) Ŷ                        Form und Materialisierung die religiöse Praxis. Viele religiöse Bauwerke dominieren ihre Umgebung und
                                                  senden eine Botschaft aus. Dass religiöse Räume schon immer wichtige Faktoren im Zusammenleben der
Zoom-Link: https://t1p.de/KuK-2021-2 Mee-         Menschen waren, zeigt die Ausstellung im Haus der Religionen in Bern. Sie ist bis September 2021, am
ting-ID: 982 2106 1253 | Kenncode: 712298         Europaplatz 1 in Bern, jeweils dienstags bis freitags, 9 bis 17 Uhr, zu sehen. (hdr) Ŷ

12 AUSGABE 4/2021
PALETTE                                                              TIPPS DES MONATS

                                                                                                         Glocken der Heimat aus
                                                                                                         dem benachbarten Wängi
                                                                                                         Am Samstag, 3. April, strahlt Radio SRF
                                                                                                         Musikwelle (17.20 Uhr) und SRF 1 (18.50
                                                                                                         Uhr) die Sendung Glocken der Heimat
                                                                                                         aus. Dann ertönen die Glocken der
                                                                                                         evang.-ref. Kirche Wängi TG. (srf) Ŷ

                                                                                                         Jesus als «Opfer»?
                                                                                                         In der Sendung Perspektiven auf Radio
                                                                                                         SRF 2 Kultur vom Freitag, 2. April, von
                                                                                                         8.30 bis 9 Uhr, macht sich Dorothee Adrian
                                                                                                         neue Gedanken zu einer alten Frage: Wel-
                                                                                                         che Bedeutung hat der Kreuzestod Jesu?
Der Prozess gegen Anna Göldi steht im Mittelpunkt                                                        In der christlichen Tradition wurde die-
                                                                                                         ser Tod als «Opfer» verstanden, das die
Das neu konzipierte Anna-Göldi-Museum in Glarus, im Ortsteil Ennenda, ist dem Schicksal der 1782 durch   Menschen mit Gott versöhne. Mit dieser
das Schwert hingerichteten Magd Anna Göldi (nachgeahmtes Bild von Wikimedia) gewidmet und zeich-         Vorstellung haben heute viele Menschen
net die Stationen ihres Lebens nach. Im Zentrum der Ausstellung steht der gut dokumentierte Prozess,     ihre Mühe. Und auch viele Theologen fin-
namentlich die ausführlichen Folterprotokolle. Darum herum werden die Besucherinnen und Besucher von     den die Metapher des «Opfertodes» nicht
einer Themeninsel zur anderen geführt: Hexenwahn, Netzwerk der Macht, Aufklärung, Publizistik, Erinne-   mehr hilfreich, um den Tod Jesu zu ver-
rungskultur, Rehabilitierung. Geöffnet bis 31. Oktober, Mittwoch bis Sonntag, 13.30 – 18 Uhr. (agm) Ŷ    stehen. (srf) Ŷ

KATHOLIKEN UND PROTESTANTEN                          STILLE AM FREITAGMITTAG                             Regionaler Gottesdienst
Mi, 21. April, 14.30 – 16 Uhr, St. Mangen            Jeden Freitag, 12.15 – 13.15 Uhr, St. Gallen        für Jakobspilger
Auseinander – gegeneinander – miteinander.           Ökum. Kirche Halden. Am ersten Freitag ist
Stadtwanderung mit Walter Frei und Charlie           um 12.45 Uhr eine geführte Lichtmeditation.         Am Freitag, 9. April um 19.30 Uhr findet
Wenk. Treff: Kirche St. Mangen.                      Es ist während der Gehmeditation um 12.45           der ökumenische Pilgergottesdienst in
                                                     Uhr möglich, zu kommen oder zu gehen. Wir           der Kirche St. Laurenzen in St. Gallen zur
ZWINGLI UND ST. GALLEN                               tragen Masken, achten die Regeln.                   Eröffnung der Pilgersaison statt. Die Feier
Di, 27. April,14.30 – 16 Uhr, Marktplatz             Leitung: Margrit Wenk-Schlegel und Team             mit Segnung richtet sich an Pilgerinnen
Zwingli zwingt zum Staatskirchentum und                                                                  und Pilger, die sich auf eine Reise auf dem
zur Gleichförmigkeit von Lehre. Altstadtwan-         OFFENER MEDITATIONSABEND                            Jakobsweg oder einen anderen Pilgerweg
derung mit W. Frei. Treff: Vadian-Denkmal.           Do, 26. April, 18.30 – 20 Uhr, St. Gallen           begeben werden. Musikalisch wird die
                                                     Ökum. Kirche Halden. Da noch unsicher ist,          Feier durch Bernhard Ruchti mit Piano
                                                     ob dieser Abend stattfinden kann, informie-         und Orgel bereichert. Die Gestaltung
Stille                                               ren Sie sich bitte im Vorfeld bei Margrit Wenk.     übernehmen Pfarrer Hansruedi Felix und
Angebote in St. Gallen – via integralis              Leitung: Gabrielle Bregenzer, Margrit Wenk          Seelsorger Josef Schönauer. Der Gottes-
– Gabrielle Bregenzer-Ris: 071 244 32 35,                                                                dienst wird vom Verein Pilgerherberge
  gabrielle.bregenzer@hotmail.com                    SITZEN IN DER STILLE                                Sankt Gallen organisiert. (jsch) Ŷ
- Eveline Felder, eveline.felder@gmx.net,            Mi, 7. und 21. April, 18 – 20.30 Uhr, St. Gallen
  079 269 09 39, www.meditation-sg.ch                Mit Impuls und Möglichkeit zum Einzelge-            pilgerherberge-sg.ch/news/
– Margrit und Charlie Wenk: 071 288 65 88,           spräch. Im ev. Kirchgemeindezentrum Heilig-
  www.meditation.margritwenk.ch                      kreuz, Lettenstrasse 18. Falls Treffen noch
                                                     nicht erlaubt sind, verbinden wir uns in der
MEDITATIONSNACHT UND GOTTESDIENST                    Stille zu Hause von 18 bis 20 Uhr. Alle Ange-
AM HOHEN DONNERSTAG                                  meldeten erhalten einen schriftlichen Impuls.
Do, 1. April, 19 – 24 Uhr, St. Gallen                Info und Anmeldung: Eveline Felder
Ökum. Kirche Halden. Beginn 19 Uhr mit Got-
tesdienst. (bitte anmelden: pfarramt.halden@         HEILMEDITATION
kathsg.ch oder 071 224 07 10). Ab 20 Uhr             Mi, 14. April, 14.30 Uhr, St. Gallen
Schweigemeditation im Stundenrhythmus                Böcklinstrasse 2, offene Kirche, mit Hedda
mit Impulstexten und Liedern. Jeweils vor            Schurig. hedda.schurig@bluewin.ch
der vollen Stunde ist ein Dazukommen oder
Gehen möglich (keine Anmeldung nötig).
Seelsorgeteam Halden, M. und Ch. Wenk.

                                                                                                                        WWW.KIRCHENBOTE-SG.CH 13
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