KISS Selbsthilfemagazin 30 Jahre KISS - Unterstützung für immer wieder neue Gruppen - für Kassel und Umgebung 2017
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KISS Selbsthilfemagazin für Kassel und Umgebung · 2017 30 Jahre KISS – Unterstützung für immer wieder neue Gruppen Selbsthilfe-Infotag: Samstag, 4. November 2017 von 9.30 bis 20 Uhr im dez
Inhalt Seite 3 Editorial 4 Selbsthilfe-Infotag: Am 4. November ist „Selbsthilfe-Infotag“ in Kassel 30Jahre KISS: Gestern 5 Selbsthilfe: „Die KISS hat alles optimal abgedeckt“ 9 Barbara Stolterfoht: „Eine sehr lebendige Zivilgesellschaft“ 10 Peter Ludwig Eisenberg: Die Gesund- heitsförderung weiterentwickeln 12 Christine Winter-Heider: „Sehr viel Achtung vor den Menschen“ 14 Die KISS heute: Gestiegene Anforde- rungen und Fülle von Aufgaben 18 Die KISS morgen: Auf die Menschen kommt es an Impressum 19 Wünsche für die Zukunft: Anne Janz, Herausgeber: Susanne Selbert, Dr. Karin Müller Stadt Kassel, Gesundheitsamt Region Kassel 20 Die KorsiSisters in der Skoli-Gang KISS - Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen Neue Gruppen Wilhelmshöher Allee 32A 21 Die frühe Diagnose ist wichtig 34117 Kassel Gruppe für Skoliose Telefon: 0561/92005-53 99 22 Kinder bevorzugen Routinen Fax: 0561/92005-5322 Gruppe zum Fragilen X-Syndrom E-Mail: kiss@kassel.de 24 Alle Kinder entsprechend ihren Redaktion: Carola Jantzen (v.i.S.d.P.), Fähigkeiten fördern Texte: Jacqueline Engelke, vitaminbe Gesprächskreis von Eltern mit hoch- kommunikation, Kassel begabten Kindern Druck: Grafische Werkstatt, Kassel 26 Leben mit einer „Syrinx“ Layout: A. Lattrich Grafik-Design, Kassel Gruppe für Syringomyelie Auflage: 3000 27 Endlich mal alles essen dürfen Copyright: Nachdruck nur mit Genehmigung Zöliakie-Gruppe für Kinder und Bildernachweis: Jugendliche KISS: Titelfotos, Selbsthilfetag (S.5), Weinbergstraße (S.7), 28 Kriegsenkel – „Ich habe überhaupt Förderrat (S.8), Eröffnung Weinberg , Letz/Eisenberg (S.9) keine Wurzeln“ Nikolausfeiern (S.11), Winter-Heider (S.12), Selbsthilfe 29 Gesunde und erfüllende Beziehungen wegweiser (S.12), Selbsthilfetag (S. 14), 1100 Jahre Kassel führen – CoDA-Gruppe (S.15), Qualitätsmanagement (S.16), Gesundheit im 30 „Ein Austausch kann Wunden heilen“ Gespräch (S.17) Gruppe für Stimmenhörer Engelke: Brandt (S. 6), Eisenberg (S.10) Lothar Brenzcek (S.32), Heiko Meyer (S.19/Selbert) Infoteil Gruppen: Syringomyelie (S.26), Stimmenhörer (S.30) 31 AA in Kassel hat gleich drei Gründer Interessengemeinschaft FraX (S.22/23) 32 Parkinson: Tanzprojekt – Alles was Fotolia.com: Photographee.eu (S.21), Robert Kneschke ihr seht (S.22/Hände), Claudia Paulussen (S.24), Soupstock (S.25), 33 AG Seelische Gesundheit: Netzwerk J. Mühlbauer exclus (S.27), goldpix (S.28), aus Ansprechpartnern Peter Atkins (S. 29), fotmek (S.33) 34 Zum Abschied für immer Die bei den Gruppen abgedruckten Fotos dienen in den 34 Fördermittel meisten Fällen illustrativen Zwecken 35 Selbsthilfethemen 2017 2
Liebe Leserinnen und Leser, seit der Entstehung von KISS vor 30 Jahren ist es unser großes Ziel, den „Selbst- hilfegedanken“ zu verbreiten. Ein gutes Mittel dazu ist seit 2010 dieses Heft. Wir möchten Ihnen zeigen, wozu Selbsthilfegruppen in der Lage sind und war- um wir auch nach 30 Jahren noch davon überzeugt sind, dass die Gruppen eine einmalige Gelegenheit sind, etwas für seine Gesundheit zu tun. Und das meinen Carola Jantzen, wir auf körperlicher, seelischer und geistiger Ebene. Diplom-Psychologin In diesem Jahr feiern wir das 30-jährige Bestehen von KISS nicht nur am 2. Dezember um 16 Uhr im Kasseler Rathaus, sondern auch mit einem Teil im Selbsthilfe-Magazin. Wir haben in den Unterlagen der Entstehungsjahre ab 1987 gegraben und die Akteure von damals interviewt. Dabei ist ein spannen- des Zeitbild aus den Anfängen der Selbsthilfegruppen und der Selbsthilfekon- taktstelle entstanden, das wir mit den heutigen Rahmenbedingungen vergli- chen haben. Zum Schluss beschäftigen wir uns mit der Zukunft der Selbsthilfe und den Möglichkeiten des Wandels um mit der Zeit zu gehen. Im zweiten Teil des Heftes stellen wir Ihnen Gruppen vor, die sich im letzten Jahr gegründet haben. Vielleicht ist etwas für Sie dabei? Dann beraten wir Sie gern, wie Sie Kontakt aufnehmen können. Insgesamt gibt es rund 250 Selbst- hilfegruppen, die sich in Stadt und Landkreis Kassel treffen, fast zu jeder Er- krankung, sei sie körperlich, psychisch oder eine Sucht, und auch zu besonde- ren Lebenslagen, wie die Eltern hochbegabter Kinder. Einige Gruppen sind beim Selbsthilfe-Infotag im dez am 4. November persönlich anzutreffen. Hierzu la- den wir Sie herzlich ein. Bedanken möchte ich mich bei Jacqueline Engelke, die das Selbsthilfe-Magazin schreibt und in diesem Jahr besonders viel Recherchearbeit hatte. Sie hat wie jedes Mal wieder alles sehr gut hinbekommen. Danken möchte ich an dieser Stelle allen früheren und heutigen Gruppengründern, -leitern und -mitgliedern für ihr ehrenamtliches Engagement, ihre Energie und ihren Mut, sich ins Grup- penleben zu begeben. Danken möchte ich auch allen früheren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der KISS, die sich außer mir für diese tolle Einrichtung und für die Gruppen hauptamtlich angestellt im Gesundheitsamt mit Arbeitszeiten an Abenden und Wochenenden über das normale Maß hinaus engagiert haben (in der Reihenfolge ihres Auftretens): Peter Ludwig Eisenberg, Christiane Winter- Heider, Christiane Polley, Renate Wohlgemuth, Peter Finke, Ulrich Druve, Sven Heise, Alexander Koisser, Karl-Heinz Brestrich, Beatrice Busch und Cordula Klinzing. Ihnen liebe Leserinnen und Leser wünsche ich ein paar interessante Minuten beim Lesen der folgenden Seiten und viele interessante Erkenntnisse über die Selbsthilfe in Stadt und Landkreis Kassel. Ich freue mich, wenn Sie mithelfen, den Selbsthilfegedanken zu verbreiten. Bei Fragen dazu wenden Sie sich ein- fach an die KISS. Carola Jantze Dipl. Psychologin, Leiterin der KISS 3
Am 4. November ist „Selbsthilfe-Infotag“ in Kassel Kasseler Selbsthilfegruppen präsentieren sich mit Infoständen im Einkaufszentrum dez Seit fast 30 Jahren präsentieren sich Teilnehmende Selbsthilfegruppen die Kasseler Selbsthilfegruppen mit • Adipositas Selbsthilfegruppe Selbsthilfe- Infoständen einen Tag lang in der Öffentlichkeit. Dann stehen Betrof- Wolfhagen • AdP e.V. - Bauchspeicheldrüsen- Infotag fene und Angehörige ganz verschie erkrankte dener chronischer Erkrankungen • Allergie-, Neurodermitis- und Sa., 4. Nov. 2017 und Behinderungen, mit psychischen Asthmahilfe Hessen e.V. (ANAH) oder Suchtproblemen oder in be- • Alternativmedizin Selbsthilfe Selbsthilfegruppen präsentieren sich im Einkaufszentrum sonderen Lebenslagen interessierten gruppe Kassel in Kassel 9.30 – 20.00 Uhr Besuchern und Besucherinnen im • Aphasiker Selbsthilfegruppe Kassel informieren zu: persönlichen Gespräch zur • Asbestose Selbsthilfegruppe Behinderung/chronische Behinderung chronische Erkrankung Psychische Probleme Verfügung. Kassel-Borken-Nordhessen e.V. Sucht Besondere Lebenslagen • Blaues Kreuz Kassel e. V. Gern überreichen sie kostenlose • Deutsche Parkinson Vereinigung Broschüren und Flyer mit aktuellen • Frauenselbsthilfe nach Krebs Informationen auf dem neuesten • Gesprächskreis für Eltern hoch- Gesundheitsamt Region Kassel Kontakt- - und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen (KISS-Kassel) Telefon: 05 61 9 20 05-53 99 · www.selbsthilfe-kassel.de Stand der Wissenschaft und Medizin begabter Kinder und Jugendlicher und erläutern, wie ihre Gruppen- • Huntington Selbsthilfe Nordhessen treffen ablaufen und welche Vorteile • IG der Nierenkranken man von der Gruppe hat. Nordhessen e.V. • Kasseler Muskelstammtisch Im Einkaufszentum dez • Leukämie und Lymphom SHG Meist findet dieser „Selbsthilfetag“ Nordhessen im Sommer in der Kasseler Innen- • Lungenemphysem - COPD Gruppe stadt statt, aber in documenta-Jah- Nordhessen-Kassel ren wie 2017 stehen uns dort keine • Migräne Selbsthilfegruppe Kassel Flächen zur Verfügung. Deshalb ha- • Multiple Sklerose Baunatal / ben wir uns in diesem Jahr zu einem DMSG Hessen wetterunabhängigen „Selbsthilfe-In- • Nahrungsmittelunverträglichkeiten fotag“ unter dem Dach des Einkaufs- Gruppe Kassel zentrums dez entschieden. • People First – Mensch zuerst • Polio Selbsthilfegruppe Kassel Wir danken dem Center-Manager, • Rheuma Liga Hessen e. V. Herrn Ehlers, der uns dazu eingela- Ortsgruppe Kassel den und uns zeitgleich mit den AOK • Tinnitus Selbsthilfegruppe Kassel Gesundheitstagen im Einkaufszent- rum zusammengebracht hat. Für alle weiteren Erkrankungen und Themen: Wir laden Sie herzlich ein, uns im dez KISS, Kontakt- und Informations- zu besuchen, am Samstag zu langen stelle für Selbsthilfegruppen beim Öffnungszeiten von 9.30 bis 20 Uhr. Gesundheitsamt Region Kassel 4
30 Jahre KISS: Gestern „Die KISS hat alles optimal abgedeckt“ Unterstützung für die Selbsthilfe ist heute selbstverständlich – musste jedoch erkämpft werden Selbsthilfetag 2002 auf dem Königsplatz in Kassel Wie alles begann Als 1987 ein Bundesmodellpro- Ab den 1970er Jahren waren es te als Fachgesellschaft der Selbsthilfe gramm zur Gründung von Kontakt- Menschen mit Behinderungen oder bundesweit aktiv ist. und Informationsstellen für die chronischen Erkrankungen, die sich Selbsthilfe führte, war Selbsthilfe organisierten, um eine bessere ge- „Die KISS ist für mich und die Gruppe bereits ein lange bekanntes Konzept. sellschaftliche Teilhabe aber auch wichtig, denn sie bietet organisatorische Genossenschaften und Gewerk- konkrete Lebenshilfe zu erreichen Unterstützung zum Beispiel Öffent- schaften stellten schon zu Beginn und um ihre Krankheit besser zu lichkeitsarbeit; Austausch mit anderen des vorigen Jahrhunderts eine Form bewältigen und sich gegenseitig zu Selbsthilfegruppen; die Möglichkeit, der Selbsthilfe dar, in der Menschen unterstützen. sich kostenfrei in einem Raum zu tref- sich unabhängig von professionellen fen; gute Beratungs- und Weiterbil- Institutionen für ihre Interessen or- Psychische Erkrankungen dungsmöglichkeiten und professionelle ganisierten. Prof. Dr. Michael Lukas Möller führte Ansprechpartner.“ Reimann, Selbsthilfe als erster am Lehrstuhl für Psycho- Nordhessen Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Antwort auf soziale Ausgrenzung therapie und Psychosomatische Me- Am Anfang stand als Vorläufer der dizin an der Justus Liebig Universität Hochmoderner Ansatz Selbsthilfe die Hilfe für Suchtkranke Gießen Selbsthilfegruppen für Men- Der Selbsthilfegedanke ist ein An- wie das Blaue Kreuz, in Kassel grün- schen mit psychischen Erkrankungen satz, der heute noch hochmodern ist dete sich 1895 der erste Blaukreuz- ein, die sich bald in ganz Deutschland und mit Schlagworten wie „Empo- Verein. Diese Gründungen waren eine verbreiteten. 1982 wurde mit seiner werment“ deutsch: „Ermächtigung/ Antwort auf die soziale Ausgrenzung Unterstützung die Deutsche Arbeits- Orientierung an Ressourcen“ und und schlechte medizinische Versor- gemeinschaft der Selbsthilfegruppen „Bürgerschaftliches Engagement“ gung von suchtkranken Menschen. (DAG/SHG) gegründet, die noch heu- umschrieben wird. 1987 1988 1989 • Start mit Christiane Heider, • 1. Selbsthilfetag im Rathaus Kassel • 1. Selbsthilfewegweiser Bundesmodellprogramm, • erster eigener PC • 150 Gruppen Büro Wilhelmshöher Allee 32A, 5. Stock • erstes Selbsthilfeplenum 5
30 Jahre KISS: Gestern Selbsthilfe in Kassel Auch in Kassel waren Ende der 70er sich lösen musste. Etwas zu kopieren und Anfang der 80er Jahre Menschen ging nur in „Kopierstudios“, „ich habe mit Behinderungen und chronischen noch heute die Quittungen“, erzählt Erkrankungen aktiv geworden. So Karin Brandt. Über finanzielle Mittel ist Klaus Seitz seit Anfang der 80er verfügten die Gruppen in der Regel Jahre in Sachen Erfahrungs- und nicht. Immerhin hatte die Rheuma- Informationsaustausch bei Diabetes Liga Glück und bekam Hilfe von der aktiv und ist noch heute stellver- AOK, die bis heute ihren Rundbrief Karin Brandt tretender Vorsitzender der Diabetes (links oben), versendet. Selbsthilfe Nordhessen. Karin Brandt Sabine Markert, Klaus Seitz gründete im April 1981 die Rheuma- Man habe um Porto und solche Dinge Liga, Ortsgruppe Kassel und Sabine kämpfen müssen, erzählt Klaus Seitz. Markert im März 1987, kurz nach Erika Seitz, die mit ihm entfernt ver- der Gründung des Bundesverbandes, wandt ist, nickt, auch sie war von einen Gesprächskreis zur Sarkoidose, gensatz zu heute berichteten weder Anfang an für die Allergie, Neuroder- den sie bis heute leitet. Alle drei ha- Fernsehen noch Zeitungen regelmä- mitis und Asthmahilfe in Kassel aktiv. ben den Aufbau der KISS begleitet. ßig über Gesundheitsthemen. Dass es Vor allem Räume für die Treffen zu Sie griffen zur Selbsthilfe, um auszu- eine Rheuma-Liga gab, erfuhr sie bei finden, konnte zum Problem werden. gleichen, was das Gesundheitssystem einer Kur 1972 zufällig. Sie schrieb Auf Bürgerhäuser und Kirchenge- nicht bot. einen Brief, bekam jedoch keine Ant- meinden konnte man nicht immer wort, erst 1977 gelang der Kontakt. zurückgreifen und Lokale waren zu „Diabetes ist eine Erkrankung, die 24 öffentlich für die Treffen. Öffentlich- Stunden am Tag Handeln erfordert, „Ich habe viel geweint“, ergänzt keitsarbeit für die Gruppen, deren Handeln in Eigenverantwortung und Sabine Markert. Nachdem sie die Themen und Treffen blieben eben- Selbstmanagement“, erläutert Klaus Diagnose Sarkoidose bekommen falls der Eigeninitiative der Gruppen Seitz. Ziel war und ist es, den Alltag hatte, waren weitere Informationen überlassen. „Damals hatte ich keine zu bewältigen. Die Hilfe der Fachleu- Fehlanzeige. Stattdessen erinnert Ahnung, wie ich ein Treffen in die te entsprach damals nicht dem Be- sie sich noch an den Satz: „Seien Sie Zeitung bekommen soll“, erinnert darf der Betroffenen. Und, sagt Seitz, doch froh, ist ja kein Krebs.“ Dann sich Sabine Markert. Selbsthilfe wollte auch bei Politik und entdeckte sie zufällig, dass ein Be- Gesundheitssystem die Interessen troffener in Kassel eine Gruppe grün- Die Zusammenarbeit mit den Ärzten der Selbsthilfe und damit der Betrof- den wollte. Sie ging hin und ist dabei ließ zu wünschen übrig. Es gab Ärzte, fenen einbringen. Also einen politi- geblieben. „Nie darf jemand so allein die der Selbsthilfe gegenüber sehr schen Ansatz verfolgen. gelassen werden“, schildert sie ihre offen waren. Doch viele blickten noch Motivation. mit Skepsis auf die aufgeklärten Pa- Karin Brandt erkrankte bereits mit 27 tienten und die Selbsthilfe mit ihrem Jahren an Rheuma. Als sie nach 12 Porto, Räume und Pressearbeit emanzipatorischen Ansatz. Einen Wochen aus dem Krankenhaus kam, In den 80ern war es nicht schwer, Arzt zu einem Vortrag in die Gruppe war ihr klar: „Ich werde die Krankheit eine Gruppe zu gründen. Doch selbst zu bekommen für gerade Mal einen nicht los.“ Doch die Informationen kleine administrative Dinge konnten Blumenstrauß war nicht einfach, wie waren zu dieser Zeit spärlich. Im Ge- zum Problem werden, das jeder für Sabine Markert sagt. 1990 1991 1992 • Zwei Standorte • Gründung des Förderrats • Stadt Kassel finanziert KISS für Gruppentreffen erkämpft der Selbsthilfegruppen dauerhaft mit Landeszuschüssen 6
Die Anfänge der KISS Mit dem Bundesmodellprogramm „Informations- und Unterstützungs- stellen für Selbsthilfegruppen“ entstand in Kassel 1987 eine Kon- takt- und Informationsstelle für die Selbsthilfe, die die örtlichen Gruppen unterstützen sollte. Karin Brandt erinnert sich noch an die erste Ver- anstaltung im Bürgersaal, bei der auch Vereine wie fab e.V. (Verein zur Förderung der Autonomie Behinder- ter) und andere dabei waren. Ein re- gelmäßiges Selbsthilfeplenum wurde eingerichtet, in dem die Bedürfnisse Die Eröffnung der ersten Räume für die Selbsthilfe in der Weinbergstraße 1 im Jahr 1991. der Gruppen und deren Durchset- zung zum Thema gemacht wurden. Selbsthilfetage waren wichtig, darin Bußgeldern. Der Förderrat war ein sind sich alle einig, auch für die Ver- Sprachrohr der Gruppen nach außen „Durch die KISS habe ich verschiedene netzung untereinander. Dazu gehörte und stand der KISS beratend zur Selbsthilfegruppen kennengelernt. Die ebenso der erste Selbsthilfewegwei- Seite. Diese Funktionen hat er auch Gruppen sind ein Teil meines Lebens, ser, damals noch ein dickes Buch, in heute noch. ohne sie wäre ich sehr einsam.“ dem ausführliche Informationen über Luise Öhler, Selbsthilfegruppe Polio die Gruppen zu finden waren. „KISS ist für mich ein immer präsenter Rettungsring. Die KISS hilft bei meiner „Wir hätten gerne finanzielle Un- Sabine Markert erinnert sich noch, Aufgabe, eine Gruppe zu leiten. terstützung gehabt“, erinnert sich wie hilfreich sie die erste Fortbildung Tipps, Anregungen, Hinweise, Schulung, Klaus Seitz. Und am liebsten gleich der KISS mit einer Redakteurin der Austausch – alles hilft der Gruppe.“ ein ganzes Haus der Selbsthilfe mit HNA empfand. Karin Brandt hat bei Hannelore Böttcher, Ilco-Selbsthilfegruppe Kassel ausreichend Räumen für Treffen und einem Seminar mit der Telefonseel- Sprechstunden. Erste Räume er- sorge gelernt, sich besser abzugren- Bei allen drei „Selbsthilfevetera- kämpfte sich die Selbsthilfe im Haus zen. Und, klar, die Supervision für nen“ fällt immer mal wieder das Weinbergstraße 1, „die bald zu klein die Gruppenleitenden war und ist Wort „Kampf“. Sie mussten um ihre wurden“, sagt Klaus Seitz. In einem wichtig. Interessen kämpfen, sich auch po- der Gruppenräume gab es Schränke, litisch einsetzen. „Was haben wir in denen die Gruppen ihr Material Der Förderrat, der sich schon in den gekämpft“, sagt Karin Brandt und unterbringen konnten. „Wir waren ersten Jahren gründete und dem ergänzt: „Wir sind Selbsthilfegrup- damals froh, überhaupt Räume zu alle drei angehörten, ist ein weiterer pen und müssen es selbst in die haben“, sagt Seitz. Meilensteinen der Selbsthilfeun- Hand nehmen.“ Doch sie fanden terstützung in Kassel. Er vergab die Unterstützung für ihre Anliegen. Bei- Selbsthilfetage und Wegweiser finanziellen Mittel anfangs aus dem spielsweise im engagierten Einsatz Die Öffentlichkeitsarbeit bekam Modellprogramm, dann von der von Christiane Heider, heute Winter- durch die KISS einen Schub. Die Stadt und später aus Spenden und Heider, die die KISS aufbaute. 1993 1994 1995 • KISS Kassel ist Partnerin für Erfurt • Podiumsdiskussion • Erstmals Supervision im Modellprogramm Ost für den Aufbau „Selbsthilfe hat Konjunktur doch von Geld für Selbsthilfegruppenleiter von Kontaktstellen keine Spur“ 7
Der Förderrat 2002: v.l. Karin Brandt, Rolf Birkelbach, Klaus Seitz, Sabine Markert, Berthold Büchs, Elisabeth Ahrens. Die Gegenwart Die Aufgaben der Zukunft Vieles, was damals erkämpft werden „Selbsthilfe hat inzwischen einen gu- Ein weiteres Thema, das viele Selbst- musste, ist heute selbstverständ- ten Stand“, stellt Klaus Seitz fest. Sie hilfegruppen vor allem bei chro- lich geworden. Der Selbsthilfetag ist anerkannt und hat sich etabliert. nischen Krankheiten umtreibt, ist ist eine Institution, „Tu Gutes und Doch wollen sich immer weniger der Mangel an Ärzten, vor allem an rede darüber“, sagt Klaus Seitz. Er Menschen für die Arbeit engagieren. Fachärzten. Klaus Seitz wünscht sich spricht von einer „Riesenentwick- Die Suche nach Nachfolgern für die deshalb wieder mehr politisches En- lung“. Die KISS ist für alle drei eine Gruppen wird von allen als wichtiges gagement der Selbsthilfe vor Ort. sehr wichtige Einrichtung, die sie viel Thema genannt. und gut unterstützt hat und es noch „KISS bedeutet für unsere Gruppe Hilfe immer tut. Klaus Seitz fällt auch die Während früher beispielsweise 200 und Unterstützung in allen organisa- relativ neue AG Patientenrechte ein, Menschen den Weg zum Selbsthil- torischen und technischen Fragen, aber bei der die KISS im positiven Sinne feplenum fanden, sind es heute sehr auch Hilfe und Rat bei Schwierigkeiten die Fäden zusammenhalte. Oder die viel weniger. Früher gab es dabei im Gruppengeschehen.“ Einbeziehung der Selbsthilfe bei der eine echte Wahl zum Förderrat mit Hildegard Jauch, Lupus Erythematodes Veranstaltungsreihe „Gesundheit im mehreren Kandidaten. Heute sei man Gespräch“. froh, wenn Menschen überhaupt bereit sind, sich dort zu engagieren. Der Erfahrungsaustausch „Die KISS bietet den Rahmen und die Karin Brandt ist sich am Ende über Möglichkeiten, mit anderen Betroffenen Infos aus dem Internet eins sicher: Das Wichtigste in der in konstruktiven Kontakt zu kommen Waren Informationen früher Man- Selbsthilfe ist und bleibt der Erfah- und sich damit positiv in die Gemein- gelware, finden Betroffene heute im rungsaustausch mit Selbst-Betrof- schaft einzubringen.“ Internet viele Infos – die nicht immer fenen. Heinz Neumann, Zwerchfellhochstand hilfreich seien. Vor allem jüngeren Menschen reicht das Internet, so dass Die regelmäßigen Ankündigungen in immer weniger in die Gruppen kom- der lokalen Presse, die Supervision, men. Auch die Ärzte würden heute die Fortbildungen und vieles mehr selbst Symposien organisieren und erleichtern den Gruppen ihre Arbeit. Veranstaltungen für Patienten an- Vor allem für neue Gruppen ist die bieten, beobachtete Sabine Markert. KISS eine große Hilfe. „Die KISS hat Sie haben – auch von der Selbsthil- alles optimal abgedeckt“, stellt Sabi- fe – gelernt, dass solche Angebote ne Markert fest. wichtig sind und etwas bringen. 1996 1997 1998 • Tag der offenen Tür im Klinikum Kassel • Fest zum 10jährigen im Kulturbahnhof • HNA stellt Selbsthilfegruppen mit Selbsthilfegruppen • Selbsthilfestammtischgründung, in Form von Visitenkarten vor • 170 Gruppen 8
30 Jahre KISS: Gestern „Eine sehr lebendige Zivilgesellschaft“ Von wildgewordenen Patientenhorden und einer Dienstleistung für die Selbsthilfe Barbara Stolterfoht wurde 1984 Sozialdezernentin, die sich für eine nicht nur die erste kommunale Kontaktstelle für die Selbsthilfe und Frauenbeauftragte in Kassel, sie war ein Bundesmodellprogramm ein- von 1985 bis 1992 auch Dezernentin setzte“, schildert Barbara Stolterfoht für Frauen, Gesundheit und Soziales lächelnd. „Eigentlich hatten wir keine und damit zuständig für die Grün- Chance, doch wir haben sie genutzt.“ dung der KISS. Starke Selbsthilfebewegung Sie könne sich noch gut an die po- Die Selbsthilfebewegung war zu der litischen Kämpfe erinnern, die der Zeit relativ stark, viele Patienten Barbara Stolterfoht, damals zuständige Dezer- Gründung von KISS vorausgingen, brachen auf und nahmen nicht mehr nentin bei der Stadt Kassel, bei der Eröffnung schreibt Barbara Stolterfoht in einer alles von den Ärzten hin. Manche der Räume in der Weinbergstraße. Mail als Antwort auf die Frage, ob Sie sahen darin „wildgewordene Pati- zu einem kurzen Interview zur Grün- entenhorden“, andere, wie sie selbst, Im Gesundheitsamt unter Leitung dung der KISS bereit wäre. Da sie fanden den Aufbruch der Patienten von Dr. Albrecht Letz hatte Peter zur documenta sowieso nach Kassel und die Selbstorganisation von Men- Ludwig Eisenberg in Zusammenarbeit kommt, findet sich unproblematisch schen und das bürgerschaftliche En- mit den Selbsthilfegruppen ein Kon- ein Termin. gagement für die eigene Gesundheit zept für die Kontaktstelle entwickelt, sehr spannend. die gemeinsame Überzeugungsarbeit Kassel war, sagt die damalige Dezer konnte beginnen und war erfolgreich. nentin, Mitte der 80er eine arme Doch die meisten Gruppen arbeite- Auch die Parteien, allen voran SPD Kommune. Durch die Lage am Zo- ten allein vor sich hin und hatten zu und Grüne, erkannten, dass eine sehr nenrandgebiet war die wirtschaftli- wenig Kraft, um sich zu organisieren. lebendige Zivilgesellschaft zu ihrem che Situation schlecht. Der Kämmerer Deshalb brauchten sie Selbsthilfe- Klientel gehörte, die es zu unterstüt- bemühte sich darum, Geld zu sparen. kontaktstellen zur Unterstützung. zen galt. Ein starkes Argument waren Er war ein Gegner von Modellpro- Es sei ja nicht darum gegangen, auch die finanziellen Mittel des Bun- grammen, denn am Ende bleibe die jemanden zu vereinnahmen, son- desmodellprogramms „Selbsthilfe- Stadt auf den Kosten sitzen. „Und dern um eine Dienstleistung für die unterstützung“, durch die der Stadt dann gab es so eine merkwürdige Selbsthilfe. ein paar Jahre lang keine Kosten entstanden. So wurde die Teilnahme am Modellprogramm schließlich in Magistrat und Stadtverordnetenver- sammlung beschlossen. Die ehemalige Sozialdezernentin stellt rückblickend fest, dass Kassel häufig an der Spitze der Bewegung war, wenn es im gesundheitlichen und sozialen Bereich um Neues ging. Der damalige Leiter des Gesundheitsamtes, Dr. Albrecht Letz und Psychiatriekoordinator Peter Lud- Und das, obwohl Kassel keine reiche wig Eisenberg unterstützten die Einrichtung einer Selbsthilfekontaktstelle. Stadt war. 1999 2000 2001 • Erster Internetauftritt von KISS • Selbsthilfetag auf dem Spohrplatz • Selbsthilferundbrief für Gruppenleiter wird zur Zeitung für Alle für die Selbsthilfegruppen • KISS-Leitungswechsel. Neu: Carola Jantzen • Selbsthilfetag erstmals auf dem Königsplatz • Krankenkassenförderung wird gesetzliche „Kann-Leistung“ 9
30 Jahre KISS: Gestern Die Gesundheitsförderung weiterentwickeln Die Bedeutung von Kontaktstellen für Selbsthilfegruppen neu begreifen ein Interesse an der Entwicklung von KISS-Magazin: Existierten beim Selbsthilfegruppen hatten. Als wir Bundesministerium Bedenken im nach Lösungen suchten stellte sich Hinblick auf die Anbindung der KISS heraus, dass es bundesweit bereits an ein Gesundheitsamt? Entwicklungen gab. Hilfreich für uns war die Zusammenarbeit mit der seit Peter Ludwig Eisenberg: Kassel war 1982 bestehenden Deutschen Ar- das einzige Konzept im geplanten beitsgemeinschaft Selbsthilfegrup- Modellprogramm, bei dem die KISS pen (DAG SHG). Sie verstand sich als an ein kommunales Gesundheits- Fachverband für Selbsthilfegruppen. amt angegliedert werden sollte. Es Ihr Ziel war, den Selbsthilfegedanken gelang, diese Variante im Modell gesellschaftlich zu etablieren. Dazu programm im Vorfeld zu berücksich- gehörte die Werbung für eine Unter- tigen, als Alternative zu den anderen Peter Ludwig Eisenberg im Interview stützung der Selbsthilfe im Gesund- bei der Freien Wohlfahrtspflege heitswesen und einer dafür notwen- initiierten Konzepten. Diese positi- Peter Ludwig Eisenberg digen Infrastruktur. ve Entwicklung ermöglichte es der arbeitete von 1974 bis 1992 als damaligen Sozial- und Gesundheits- Koordinator für Gesundheits- und KISS-Magazin: War es von Anfang dezernentin, Barbara Stolterfoht, den Behindertenhilfe. Während des an klar, dass das Gesundheitsamt für Weg dafür zu ebnen, dass im Oktober Modellprogramms „Kontaktstelle“ solche Fragen zuständig ist? 1987 der Magistrat ebenso wie die war er zugleich Projektleiter. Stadtverordnetenversammlung der Peter Ludwig Eisenberg: Die ersten Teilnahme am Modellversuch frak KISS-Magazin: Herr Eisenberg, wie Reaktionen vor Ort waren zunächst tionsübergreifend zustimmte. kam es zur Gründung der KISS in zwiespältig. Damals setzte man be- Kassel? vorzugt darauf, solche Aufgaben auf die Träger der Freien Wohlfahrts- KISS-Magazin: Was bedeutete die Peter Ludwig Eisenberg: Anfang der pflege zu verlagern. Dem Kasseler Teilnahme am Modellprogramm? 80er Jahre wurde im Gesundheits- Gesundheitsamt ging es aber darum, amt ein neuer Arbeitsschwerpunkt die gesetzlichen Aufgaben der Ge- Peter Ludwig Eisenberg: Durch das „Sozialmedizinische Koordination“ sundheitshilfen und -förderung wei- Modellprogramm flossen bis Ende geschaffen, um für die Gesundheits- terzuentwickeln. Das fand Anklang 1991 Fördergelder. Aber von Beginn und Behindertenhilfe an Strukturen im Sozial- und Gesundheitsdezernat an wurden auch Wege gesucht, die der regionalen Versorgung im Stadt- und in den politischen Gremien der Kontaktstelle – so sie sich bewährte bereich mitzuwirken. Zunächst ging Stadt. Diese Absicherung ermög- – langfristig einer Regelfinanzierung es darum, die Kooperation mit den lichte es, ein „Konzept einer Kon- zuzuführen. Christiane Heider über- vor Ort ansässigen Einrichtungen für takt- und Informationsstelle für nahm als erste Mitarbeiterin die Be- Psychiatrie, Sucht und Behinderte zu Selbsthilfegruppen“ zu entwickeln ratungsaufgaben. Schnell stellte sich verbessern. Doch schon bald stellte und sich darum zu bemühen, an das Bedürfnis der Selbsthilfegruppen sich verstärkt die Frage, wie Be- einem Modellversuch des damali- heraus, kostenfreie Räume zu finden. troffene selbst einbezogen werden gen Bundesministeriums für Familie Das Gesundheitsamt mietete Räume können, besonders Menschen, die teilzunehmen. in der Kurt-Schumacher-Straße 2 2002 2003 2004 • Krankenkassen fördern KISS erstmals pauschal • Selbsthilfetag auf Königsplatz und im City-Point: • Treffpunktzusammenlegung in Wilhelmsh. Allee • Erster Nikolausempfang für Selbsthilfegruppen KISS Schirmbildfoto • Zusätzliche halbe Stelle 32A, 4. OG • Podiumsdiskussion „Sifft hä dann?“ Beratung mit Sven Heise (bis 2008) • Selbsthilfetag erstmals auf dem Friedrichsplatz 10
KISS-Magazin: Es ist ja gelungen, die Finanzierung der KISS auch nach dem Neben den Räumen in der Weinbergstraße (unten) bekamen die Gruppen 1992 drei weitere Räume Modellprojekt zu sichern. und ein kleines Büro in der Kurt-Schumacherstraße 2 (oben) zur Verfügung gestellt. In beide kam der Nikolaus, das Foto in der Kurt-Schumacherstraße entstand 1992, in der Weinbergstraße 2003. Peter Ludwig Eisenberg: Die Be gleitforschung des Bundesmodell programms zeigte, dass sich das für Kassel entwickelte Konzept bewährt hatte. Dieser Nachweis war ent scheidend für die Bemühungen, das Projekt „Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen“ in eine Regel finanzierung durch die Stadt zu überführen. Begünstigt wurde das durch die Zusage des Landes Hessen für eine langfristige Förderung, aber auch durch andere Finanzierungs- möglichkeiten einiger Sozialver und der Weinbergstraße 1 an. Die ihre Arbeit autonom umsetzen kön- sicherungsträger. Möblierung wurde teilweise über nen. Sie sollten bei der Zusammen- Spenden aufgebracht, unter anderem arbeit mit KISS keine Vereinbarungen Um ein solches Ergebnis zu erreichen, auch vom Landesverband der mit dem Gesundheitsamt oder der ist es gestern wie heute notwendig, Paritäter. Stadt eingehen müssen. Doch die sich ständig auch mit den überregio Entscheidungskompetenz, finanzi- nalen Entwicklungen der Selbsthilfe- KISS-Magazin: Die Aufgaben der elle Hilfen zu gewährleisten, hatte bewegung auseinanderzusetzen und KISS waren ja erst einmal neu, auch ausschließlich das Gesundheitsamt. konstruktiv daran mitzuwirken, die für das Gesundheitsamt. Um dennoch die Selbsthilfe an den Formen der Unterstützung weiter- Bewilligungsverfahren zu beteiligen, zuentwickeln. Dies ist mit der KISS Peter Ludwig Eisenberg: Das Be wurde ein Förderrat der Selbsthilfe- in Kassel gut gelungen, wenn man sondere am hiesigen Konzept war gruppen mit einem entsprechenden heute zum 30jährigen Jubiläum eine das Ziel, dass alle Selbsthilfegruppen Vorschlagsrecht etabliert. Bilanz zieht. 2005 2006 2007 • Start der Rubrik Selbsthilfe in der HNA, • KISS wird Mitveranstalter • Jubiläumsfeier 20 Jahre KISS im Bürgersaal von KISS koordinierte Gruppentermine bei der Reihe „Gesundheit im Gespräch“ Rathaus Kassel mit Ausstellung „Schatzkisten“, für jeweils eine Woche mit Selbsthilfevertretern von den Gruppen gestaltet 11
30 Jahre KISS: Gestern „Sehr viel Achtung vor den Menschen“ Christiane Winter-Heider war die erste Leiterin der KISS und baute die Kontaktstelle auf Christiane Heider, heute Winter- Schreibmaschine und einem Diktier- Heider, übernahm 1987 die Aufgabe, gerät die KISS in Kassel im Rahmen die Kontakt- und Informationsstelle des Modellprogramms des Bundes für Selbsthilfegruppen aufzubauen aufzubauen. Außer ihr gab es eine und führte sie bis Mitte 2000 weiter. Sekretärin und Peter Ludwig Ei- senberg. Ihre Hauptaufgabe war, die Selbsthilfegruppen in der Stadt präsent zu machen, ein selbsthilfefreundliches Klima zu schaffen, die Gruppen zu beraten, aber auch bei der Neugründung von Gruppen hilfreich zur Seite zu stehen. Sie sollte die Verbindungs- die Rheuma-Liga, Maske Blauhaus Christiane Winter-Heider person zwischen der Verwaltung und in Tinaia (Kunstprojekt psychisch den Selbsthilfegruppen sein. Kranker) oder der fab e.V. Bei einer In einem Zimmer der Praxis von ersten Informationsveranstaltung Dr. Christiane Winter-Heider gibt es Skepsis legte sich bald im Februar 1988 war der Bürgersaal eine Menge Spielzeug und Plüsch- Natürlich gab es anfangs Fragen und im Rathaus so voll, dass keiner mehr tiere. Kein Wunder, die erste Leiterin manchmal Skepsis. Geht das mit der hineinpasste. der KISS arbeitet heute als Psycho- Angliederung an das Amt? Wird die therapeutin für Kinder und Jugend- Selbsthilfe vereinnahmt? Passt das Zuerst informierte die KISS über liche. Und sie hat noch einige jener zusammen – Selbsthilfe und eine sich, sammelte aber vor allem die Spielzeuge, die sie als Abschiedsge- Verwaltung? Tatsächlich waren die Wünsche der Selbsthilfe. Es zeigte schenk der Selbsthilfegruppen bei Wege in der Verwaltung manchmal sich schnell, dass die Selbsthilfe vor ihrem Weggang von KISS bekam. Sie länger als es die Bedürfnisse der allem Räume brauchte. Christiane war 1987 beim Gesundheitsamt in Gruppen und die Aufgaben der KISS Winter-Heider vertrat diesen Be- der sozialmedizinischen Abteilung erforderten. Doch es konnten immer darf gegenüber dem Gesundheits- tätig und durch ihre Mitarbeit für den Lösungen gefunden werden. Dass die amt und der Kommunalpolitik, die Gesundheitstag im Mai 1987 hatte Stelle beim Gesundheitsamt ange- Gruppen schrieben Petitionen und sie bereits mit Gruppen der Selbst siedelt war, schuf eine vorteilhafte leisteten Überzeugungsarbeit. Die hilfe zusammengearbeitet. Nähe, um die Belange der Gruppe an KISS-Mitarbeiterin durfte sogar, was das Amt und die Kommunalpolitik ungewöhnlich war, in der Stadtver- Am 15. Dezember 1987 in der Wil- heranzutragen. Christiane Winter- ordnetenversammlung zu dem helmshöher Allee 32A in einem win- Heider schrieb erst einmal Gruppen Thema reden. zigen Büro im 5. Stock – das später und Initiativen an – damals gab es Kopierzimmer wurde – machte sie eine größere Offenheit darüber, Die Bemühungen waren erfolgreich: sich daran, mit einem Aktenordner was alles zur Selbsthilfe gehörte. 1991 stand eine Wohnung mit drei und einem Telefon, einem Schreib- Da tauchten die Grauen Panther Räumen in der Weinbergstraße telefon für Gehörlose sowie einer (Seniorenpartei) ebenso auf wie 1 zur Verfügung, in der auch der 2008 1990 2009 •Zwei Zuständigkeit Standortedurch Fusion der • Umzug Büro und Gruppenräume ins 3. OG, • Erste gemeinsame Präsentation bei den für Gesundheitsämter Gruppentreffen erkämpft auf Landkreis Wilhelmshöher Allee 32A Kasseler Gesundheitstagen Kassel erweitert • Video „Experten in eigener Sache“ über Kasseler Selbsthilfegruppen 12
Die KISS wandelte im Laufe der Jahre ihr Logo Club Behinderter und ihrer Freunde Gesamthochschule, in Zusammen (CeBeeF) zwei Tage die Woche arbeit mit der KISS, einen ersten Räume belegte. Ein Jahr später Selbsthilfewegweiser. 1989 bekam kamen weitere Räume in der Kurt- die KISS – gesponsert von einem Schumacher-Straße im Haus der Pharmaverband – den ersten Com- Begegnung dazu. puter. Von nun an konnte die Mit- arbeiterin Plakate und Handzettel Regelmäßige Plenumsgruppen für die Selbsthilfe entwerfen und auf Bald hatten viele Gruppen Kontakt dem neuen Kopierer vervielfältigen. zur KISS aufgenommen, erinnert sie Fortbildungen zur Öffentlichkeits- sich. Regelmäßige Planungsgruppen, arbeit und anderen Themen wurden genannt Selbsthilfeplenum, fanden angeboten. Im Rahmen des Modell- statt, die Leiterin der KISS kooperier- projekts waren Jahresberichte und te eng mit den Gruppenvertretern. Statistiken zu erarbeiten. Aus dem Bundesmodellprogramm Im September 1989 fand in den Städtischen standen auch den Selbsthilfegruppen 1992 kam die Patenschaft für die Kliniken ein Tag der finanzielle Mittel zur Verfügung, die Gründung einer KISS in Erfurt dazu, Selbsthilfegruppen und ab 1991 vom Förderrat für Kasseler denn mit der Wiedervereinigung Initiativen statt. Selbsthilfegruppen vergeben wurden. legte die Bundesregierung ein wei- teres Modellprogramm für die neuen Die KISS organisierte Veranstal- Bundesländer auf. Der Aufbau der 42 Gruppen präsentierten tungen, die von den Gruppen ge- Selbsthilfegruppen sollte auch den sich 2000 auf dem Friedrichsplatz in Kassel. wünscht wurden. So gab es ein Demokratisierungsprozess unter- Und der Flyer war Seminar zur Jugendförderung, Ver- stützen. Christiane Winter-Heider künstlerisch gestaltet. anstaltungen zum „Wahnsinn Psy- erinnert sich an Tagungen in den chiatrie“ und zur Zusammenarbeit neuen Bundesländern im Rahmen mit Professionellen, die von Seiten des Programms. Das Spektrum der der Selbsthilfe durchaus erwünscht Aufgaben wuchs, die Zeit reichte zu- war. So gehörte es zu den Aufgaben nehmend weniger. der KISS, Kontakte zu den Profis zu schaffen. Wer eine Selbsthilfegruppe Als Christiane Winter-Heider suchte, wendete sich bald ebenfalls im Jahr 2000 ging, gab es eine an die KISS. funktionierende KISS. Was sie aus ihrer Arbeit mitgenommen hat? „Sehr Kopierer und Computer viel Achtung vor den Menschen, die Schon 1988 gab es einen ersten sich trotz ihrer Beeinträchtigung Selbsthilfetag und 1989 erstellte die engagieren.“ 2010 2011 • Neue Mitarbeiter bei KISS: • Erstes buntes „KISS-Selbsthilfemagazin“ • Erstes Qualitätssiegel für KISS Karl-Heinz Brestrich Beratung (bis 2015) und als Jahreszeitung • 252 Selbsthilfegruppen – Höchststand Beatrice Busch Büro 13
Gestiegene Anforderungen und Fülle von Aufgaben Die Selbsthilfe ist heute anerkannt/Kontaktstellen sind nicht mehr wegzudenken Selbsthilfetage, die seit 2004 auf dem Friedrichsplatz stattfinden, sind ein wichtiger Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Selbsthilfe. Das grundlegende Profil der KISS ist Was geblieben ist hat daher ihre Wichtigkeit im Lauf über die Jahre zwar gleich geblie- der Zeit nicht verloren, „denn die ben, doch gibt es eine Reihe von Än- • Die Grundhaltung meisten Menschen in Deutschland derungen in Quantität und Qualität Damals wie heute ist die Grundhal- haben zwar inzwischen das Wort der Arbeit. Die Kernaufgaben sind tung der Arbeit eine unterstützende, „Selbsthilfegruppe“ schon einmal ge- noch immer: Dokumentation und die die Gruppen selbstbestimmt sein hört und glauben zu wissen, was sich Organisation, Selbsthilfeinteressen- lässt. Dazu gehört, von den Bedürf- dahinter verbirgt. Dabei handelt es ten zu beraten, Selbsthilfegruppen nissen der Selbsthilfegruppen auszu- sich allerdings häufig um Vorurteile, zu unterstützen, Öffentlichkeitsar- gehen. Was brauchen und wollen die die zu einer Abwertung der Gruppen beit für die Selbsthilfe zu betreiben, Gruppen? Die KISS ist ein Dienstleis- führen. Zu einem selbsthilfefreund- für Vernetzung untereinander und ter für die Selbsthilfe. lichen Klima gehört, den Betroffe- mit Fachleuten zu sorgen. Doch die nen und der Selbsthilfe Kompetenz Fülle der Aufgaben der Kontakt- • Ein selbsthilfefreundliches zuzutrauen. Dafür muss heute noch stelle in Kassel hat zugenommen. Klima schaffen immer bei Institutionen und Öffent- Die Anforderungen an die Pro- Das Bundesmodellprogramm defi- lichkeit engagiert geworben werden“, fessionalität, an Koordinierung, nierte 1987 als eine Hauptaufgabe stellt Carola Jantzen fest. Vernetzung und Vermittlung sind der Kontaktstellen, ein selbsthilfe- gestiegen. freundliches Klima in der Stadt zu • Kommunikation herstellen schaffen. So sieht das die heutige Wesentliche Leistung einer Kontakt- Leiterin der KISS, Carola Jantzen, stelle sei es, vorher nicht bestehende auch heute noch. „Die meisten Men- Kommunikation herzustellen, steht schen suchen erst nach Hilfe, wenn im Abschlussbericht des Modellpro- „KISS bedeutet für uns, eine Anlaufstel- sie leiden. Die Selbsthilfe für diese gramms. Auch heute noch bereitet le zu haben, wenn wir Fragen haben. Menschen auffindbar zu machen die KISS den Boden, damit Kommu- KISS unterstützt uns in allen Lebens- und in der Öffentlichkeit präsent zu nikation in den Gruppen, zwischen lagen. ... Die Mitarbeitenden der KISS halten, ist noch immer Kern unse- den Gruppen und mit Professionellen haben immer ein offenes Ohr für uns.“ rer Arbeit bei KISS“, fügt sie hinzu. einzeln und in Netzwerken stattfin- Astrid Boll, Selbsthilfegruppe Rheumaliga Kassel Öffentlichkeitsarbeit in jeder Form den kann. 2012 1990 2013 •Zwei Jubiläumsfeier Standorte 25 Jahre KISS im Bootshaus Kassel • Infostand beim Hessentag in Kassel • Gründung der AG Patientenrechte •für Erstmalig Gruppentreffen Teilnahme erkämpft bei Wolfhager • Größte Fußgruppe beim Festzug 1100 Jahre Kassel „Gesundbleibtagen“ mit 178 Selbsthilfegruppenmitgliedern und KISS 14
30 Jahre KISS: Heute Was sich geändert hat oder „Jammergruppen“ ab. Die • Das Gesundheitsamt als Träger Anerkennung der Gruppen wuchs Die Frage, ob ein Gesundheitsamt • Die Zahl der Gruppen nach vielen positiven persönlichen Träger der KISS sein kann, wurde Im Verlauf von 30 Jahren ist die Zahl Berichten über den hilfreichen Er- schon im Modellprogramm mit ei- der Gruppen in Kassel von 70 bei fahrungsaustausch von Betroffenen nem klaren „Ja“ beantwortet. Dies Gründung der Selbsthilfekontakt- und Angehörigen im Laufe der Zeit bestätigt auch Carola Jantzen, die stelle bis auf 250 nach Einbeziehung immer mehr. Besonders die gegen- heutige Leiterin der KISS. Die Wege der Landkreis-Selbsthilfegruppen seitige Unterstützung der Mitglieder sind kürzer und die Möglichkeiten in 2008 gestiegen. Zu den Gruppen und damit die psychosozialen Effekte der Vernetzung besser. für häufige Erkrankungen wie Rheu- der Gruppen werden inzwischen sehr ma und Diabetes kamen solche für geschätzt. seltene Erkrankungen wie Morbus Gesundheitsamt Behcet und Fragiles X-Syndrom Ziel einiger Gruppen ist es, viel Wis- Region Kassel hinzu. Für diese Gruppen mit großen sen über die Erkrankung zu sammeln, Einzugsgebieten eignet sich Kassel in um mit dem Arzt in puncto Behand- der Mitte Deutschlands gut als Treff- lung Entscheidungen auf Augenhöhe Als nach Abschluss des Modellpro- punkt. treffen zu können. Bisher sehen gramms die Stadt als Träger und das dies nur einige Mediziner positiv, Land als Förderer der Selbsthilfekon- Es konnten im Laufe der Zeit auch die Akzeptanz nimmt aber zu, be- taktstelle einstieg, musste – anders mehr Krankheiten diagnostiziert sonders an Krankenhäusern und in als bei vielen Beratungsangeboten werden, wie zum Beispiel Fibromy- Krebszentren. Hier wird Selbsthilfe freier Träger – keine Zeit und Energie algie. Auch bei den psychischen Er- inzwischen planmäßig eingebunden, investiert werden, um weitere För- krankungen (Borderline) und Such- da die Qualitätsrichtlinien für die dermittel einzuwerben. Man konnte terkrankungen (THC, Medikamente) Krankenhäuser dies verlangen. Eine sich auch später noch auf die eigent- wurde das Spektrum breiter. Grup- sehr weitreichende, schriftlich fest lichen Aufgaben konzentrieren, was pen mit Themen in „Besonderen Le- dokumentierte Anerkennung der für viele Beratungsangebote bei frei- benslagen“ spiegeln die gesellschaft- Selbsthilfe. en Trägern häufig ganz anders war. liche Entwicklung, beispielsweise bei Hochsensiblen, Kriegsenkeln und schwulen Vätern. • Selbsthilfe und KISS sind etabliert und anerkannt Wie sich Anerkennung der Selbsthilfe verändert hat, lässt sich mit folgen- den Begriffen beschreiben: „Entwer- tung – Beachtung – Anerkennung – Systemeinbindung“. Als die KISS mit der Arbeit begann, war das Vertrau- en der Professionellen in die Kompe- tenz der Betroffenen in den Gruppen noch nicht sehr groß. Viele werteten die Treffen als „Kaffeekränzchen“ 1100 Jahre Kassel im Jahr 2013 – die KISS stellte die größte Fußgruppe beim Festumzug. 2014 2015 • KISS betreibt eine eigene Facebookseite und • Projektbeginn „Elternselbsthilfegruppen stärken“ • Fortbildung zum Patienten-Arztgespräch bietet Fortbildung für Gruppenleiter dazu an (bis 2016). in der AG Patientenrechte 15
• Alles unter einem Dach • Die Finanzierung Dies hat sich auch positiv auf die fi- Die KISS hält für die Gruppen seit Anfangs kamen die Gelder für die nanzielle Situation der Gruppen aus- 2004 rund 300 Quadratmeter an an- Kontaktstelle aus dem Bundesmo- gewirkt. Allerdings gilt letzteres nur sprechenden und kostenfreien Räu- dellprogramm. Nach dessen Ende für Gruppen zu Gesundheitsthemen. men in der Wilhelmshöher Allee 32A gelang es dank Einsatz der Verant- Selbsthilfegruppen zu sozialen The- als „Selbsthilfetreffpunkt“ bereit, ein wortlichen und der Selbsthilfegrup- men, wie alleinerziehende Eltern oder heute unumstrittenes Angebot. pen, die KISS weiter aus städtischen Arbeitslosigkeit, fallen nicht unter Mitteln, einem Landeszuschuss und diese Förderung. Sie können Mittel Vorher verteilten sich die Räume auf anderen Töpfen zu finanzieren. Das aus den Spendengeldern beantra- zwei Standorte, die vom Büro der ist bis heute so geblieben. 2002 gen, die vom Förderrat der Kasseler KISS entfernt waren. Während die förderten die gesetzlichen Kranken- Selbsthilfegruppen vergeben werden. Räume früher immerhin zweckmäßig kassen zehn Prozent vom Haushalt eingerichtet waren, herrscht heute der KISS, jedoch nur Sachkosten. Bis Die verbesserte Finanzierung sowie im Treffpunkt eine freundliche At- 2016 ist dieser Anteil auf 45 Prozent die Zunahme an Aufgaben bedeutete mosphäre mit gepflegten Pflanzen gestiegen, mit dem inzwischen auch auch mehr Personal. Zu Beginn der vor den Fenstern und einer jahres- Personalkosten beglichen werden Kontaktstelle waren eine Ganztags- zeitlich angepasster Tischdekoration. können. Grund für diese Steigerung stelle und eine halbe Stelle Sekreta- Die Selbsthilfegruppen fühlen sich ist die geänderte gesetzliche Lage. riat für die KISS vorgesehen. Heute hier zu Hause, in über 100 Schrank- Die Krankenkassen sind inzwischen arbeiten dort drei Mitarbeitende in fächern lagern sie ihr eigenes Info- verpflichtet, 1,08 Euro pro Versicher- Vollzeit. material. tem für die Selbsthilfe auszugeben. • Die Qualitätssicherung Gut für KISS Kassel war, dass es im Verlauf der 30 Jahre nur einen Wech- sel der leitenden Mitarbeiterin gab (im Jahr 2000 von Christiane Winter- v. links: Beatrice Busch, Heider auf Carola Jantzen), die je- Karl-Heinz Brestrich und weils viel Erfahrung mit den Selbst- KISS-Leiterin Carola Jantzen präsentieren das hilfegruppen und den speziellen Qualitätssiegel Anforderungen der Selbsthilfeunter stützung sammeln konnten. Dies trägt sehr zur Qualität der Arbeit bei. lysiert, Abläufe und Prozesse werden eine vorausschauende Planung mit Die KISS hat gemeinsam mit vier im Detail schriftlich festgehalten und Beteiligung der Gruppen. In diesem weiteren hessischen Selbsthilfekon- überprüft. Wie läuft eine Beratung Rahmen wird wieder viel mehr doku- taktstellen als erste in Deutschland von Anfang bis zum Ende? Passiert mentiert und evaluiert als in früheren ein Qualitätsmanagement-System ein Fehler, geht man mit System der Zeiten (Ausnahme ist der Start mit eingeführt und die Qualität ihrer Ar- Frage nach, wie er zukünftig vermie- dem Bundesmodellprogramm). Be- beit zertifizieren lassen. Dabei wur- den werden kann. Die KISS setzt sich reits in den Anfangszeiten wurde der den von 2004 bis 2009 alle Arbeits- jährlich Qualitätsziele, um die Arbeit KISS Kassel im Vergleich zu den an- prozesse gesammelt, bewertet und zu verbessern. deren Kontaktstellen ein besonders in einem Handbuch dokumentiert. In Die Arbeit von KISS hat sich verän guter Kontakt zu den Gruppen at- einem kontinuierlichen Prozess wird dert, von einer Reaktion auf die ak- testiert, der heute, durch den Einsatz nun die Arbeit der KISS jährlich ana- tuellen Bedürfnisse der Gruppen in von E-Mails, noch viel intensiver ist. 2015 2016 • Zwischenbericht des Projekts „Elternselbsthilfe • Höchste Zahl von Beratungen bei KISS: 1028 • KISS unterstützt die Parkinsonselbsthilfegruppe gruppen stärken“ deckt Versorgungsprobleme auf • Tagung „Aufwachsen mit Behinderung in beim Kampf gegen den Kasseler • Infostand beim Hessentag in Hofgeismar Nordhessen“ „Neurologenmangel“ 16
• Und noch mehr Aktivitäten Mit der Reihe „Gesundheit im Ge- spräch“ bietet sich der Selbsthilfe eine weitere Chance, ihre Kompetenz zu zeigen und ihr Angebot bekannt zu machen. Gemeinsam mit Profis informieren Vertreter der Gruppen vom Podium aus über Gesundheits- themen wie Krebs oder Schlaganfall. Die Veranstaltungen werden simul- tan in Gebärdensprache übersetzt, Das Interesse bei „Gesundheit im Gespräch“ ist groß, so 2016 zum Thema „Eingriffe am Herz“. gefilmt, vom Offenen Kanal Kassel ausgestrahlt und sind im Internet stalter „zu einer wichtigen Säule der spräch mit einer Klinik über mögliche jederzeit abrufbar. Gesundheitstage geworden“. Verbesserungen – die AG Patienten- rechte bietet dafür ein Forum. Die Der Beitrag der Selbsthilfegruppen Mit der Arbeitsgruppe Patienten- Haltung der Selbsthilfe ist heute weni- bei den Gesundheitstagen Nordhes- rechte wendet sich die Selbsthilfe ger kämpferisch als in den Anfangsta- sen wird jährlich größer, inzwischen allgemeinen Themen und Mängeln gen. Es geht darum, im Gesundheits- füllen die Infostände ein eigenes im Gesundheitssystem zu. Sei es der system die richtigen Ansatzpunkte zu Foyer. Die Gruppen sind laut Veran- Mangel an Fachärzten oder das Ge- finden, um etwas zu bewegen. • Öffentlichkeitsarbeit Viele Medien zur Öffentlichkeits- geworden, es geht kostenlos an alle mit eigenen Texten vorstellen kön- arbeit, die in den ersten Jahren der Praxen, Ärzte und andere Gesund- nen. Die Angaben im Internet inklu- KISS entwickelt wurden, gibt es noch heitsberufe in Stadt und Landkreis sive Veranstaltungshinweise werden heute. Doch sie haben ihr Gesicht Kassel, an Kliniken, Apotheken, Bera- von der KISS wöchentlich aktuali- verändert. Im Selbsthilfewegwei- tungsstellen ebenso wie Selbsthilfe. siert. Das setzt einen guten Kontakt ser standen anfangs ausführliche zu den Gruppen voraus, auf den die Informationen über die Gruppen, Die Zahl der Möglichkeiten für KISS schon immer viel Wert gelegt heute werden nur noch Anschrift Selbsthilfegruppen, sich in der Öf- hat. Die KISS Kassel ist im Internet und Ansprechpartner genannt. Die fentlichkeit zu präsentieren, sei es auch im sozialen Netzwerk Facebook restlichen Informationen wanderten in den Medien oder bei Infotagen, vertreten, als eine von etwa zwei ins Internet. Noch immer existiert ist im Lauf der Zeit so angestiegen, Dutzend Selbsthilfekontaktstellen ein Rundbrief, der alle sechs bis acht dass aus Kapazitätsgründen bei den bundesweit. Über Facebook werden Wochen an 350 Adressaten versen- Gruppen und KISS nicht mehr jede Veranstaltungshinweise und Informa- det wird, 250 noch immer als Brief, Chance wahrgenommen werden tionen verbreitet. Auch das setzt Ak- die restlichen per E-Mail. Der Vertei- kann, sondern eine Auswahl getrof- tualität und tägliche Aktivität voraus. ler ist viel größer geworden. fen werden muss. Dabei übernimmt KISS die Rolle eines Organisators und Die E-Mails sind aus der Kommu- Aus dem Rundbrief entstand eine Koordinators. nikation nicht mehr wegzudenken. Zeitung, die ein bis zwei Mal im Durch Mails ist die Kommunikation Jahr in schwarz-weiß erschien und • Internet – schneller und aktueller viel kleinteiliger und kurzfristiger mittlerweile zum jährlichen, bunten Die KISS Kassel war die erste hess. geworden, denn erwartet wird, dass Selbsthilfemagazin geworden ist. Kontaktstelle, die eine Internetseite die Antwort am gleichen, spätestens Auch hier ist der Verteiler größer einrichtete, auf der sich die Gruppen am nächsten Tag erfolgt. 2017 2018 • Zweite Stelle zur Beratung wird unbefristete • Fotoprojekt „Gemeinsam stark“ • Ende des Mietvertrags für den Selbsthilfe- Vollzeitstelle zum 30jährigen Jubiläum treffpunkt im Haus der AWO. • Selbsthilfe-Infotag im dez-Einkaufszentrum KISS und die Gruppen ziehen um 17
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